Aufbruch ins Abenteuer - Janika Hoffmann - E-Book

Aufbruch ins Abenteuer E-Book

Janika Hoffmann

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Beschreibung

Auf ins Abenteuer Mit ihrem frisch ausgebauten Campervan startet Kiara auf ihre erste Tour. Auf einem Campingplatz nahe der Nordsee findet sie sofort Gleichgesinnte und lernt das Leben und Reisen mit dem Van kennen. Dazu genießt sie die Ausflüge in der Umgebung. Es könnte ein perfekter Start ihrer Reise sein – wenn Kiara sich nicht zunehmend beobachtet fühlen würde. Kann es sein, dass sie jemand verfolgt und nachts um ihren Van schleicht? Aber wozu? Noch dazu muss Kiara aufpassen, ihr Geheimnis nicht zu verraten: Den Ausbau ihres Kastenwagens verdankt sie ihrem besten Freund Noctus. Doch der ist ein magischer Traumgreif, von dessen Existenz niemand wissen darf. Und noch dazu wird Kiara ihn ohnehin niemals wiedersehen …

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Wer sind Kiara und Noctus?

Kapitel 1: Startklar

Kapitel 2: Die erste Fahrt

Kapitel 3: Neue Bekanntschaften

Kapitel 4: Erkundungstour

Kapitel 5: Neue Freunde, alte Geschichten

Kapitel 6: Der rollende Alleskönner

Kapitel 7: Ein Tag am Meer

Kapitel 8: Unter Beobachtung

Kapitel 9: Wiedersehen

Kapitel 10: Wollersum

Kapitel 11: Frühstück hinterm Deich

Kapitel 12: Ertappt

Kapitel 13: Ein Versprechen

Danksagung

Gastauftritte in dieser Geschichte

Mehr von Van-Magie

Die Autorin

Janika Hoffmann

Van-Magie

Aufbruch ins Abenteuer

1. Auflage März 2024

Copyright © 2024 by Janika Hoffmann.

Janika Hoffmann, Gebrüder-Grimm-Straße 6, 63322 Rödermark

Titel- und Umschlaggestaltung: Juliana Fabula

Lektorat & Korrektorat: Alea Libris

Printed in EU

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN der Druckausgabe: 978-3-949758-21-8

Für Stefan.

Ohne dich wäre die Idee zu dieser Reise nie entstanden.

Kapitelübersicht

Wer sind Kiara und Noctus?

Kapitel 1: Startklar

Kapitel 2: Die erste Fahrt

Kapitel 3: Neue Bekanntschaften

Kapitel 4: Erkundungstour

Kapitel 5: Neue Freunde, alte Geschichten

Kapitel 6: Der rollende Alleskönner

Kapitel 7: Ein Tag am Meer

Kapitel 8: Unter Beobachtung

Kapitel 9: Wiedersehen

Kapitel 10: Wollersum

Kapitel 11: Frühstück hinterm Deich

Kapitel 12: Ertappt

Kapitel 13: Ein Versprechen

Danksagung

Gastauftritte in dieser Geschichte

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Die Autorin

Wer sind Kiara und Noctus?

Kiara hat vor kurzem ihr Abitur gemacht. Als die Abschlussreise mit ihren Freundinnen kurzfristig platzt, weckt das in ihr einen so sehnlichen Wunsch nach Freiheit, dass sie ins Reich der Träume gerät – jene Welt, in der die Traumgreife daheim sind. Diese magiebegabten Wesen sind in der Lage, unsichtbar in unsere Welt zu reisen und Menschen dabei zu helfen, ihre sehnlichsten Wünsche wahrzumachen.

In jener Welt lernt Kiara den Traumgreifen Noctus kennen. Es braucht seine Zeit, bis sie wirklich an seine Existenz glaubt, doch die Abenteuer, die sie gemeinsam erleben, schweißen sie zusammen. Als sie sich voneinander verabschieden müssen, hat sie ihn als Freund fest ins Herz geschlossen.

Als Abschiedsgeschenk erfüllt Noctus Kiara ihren Wunsch nach Freiheit: Er bringt sie auf die Idee, den alten Kastenwagen ihrer Eltern zum Campervan umzubauen. Damit gibt er Kiara eine neue Perspektive.

Jetzt, drei Monate später, ist der Ausbau ihres Campervans ›Heather‹ beendet. Kiara kann es kaum erwarten, auf ihre erste Reise aufzubrechen, auch wenn bei all der Freude auch immer noch etwas Wehmut mitschwingt, dass sie Noctus niemals wiedersehen wird …

Kapitel 1: Startklar

»Gas?« Der Mann im blauen Overall blickte auf die Liste auf seinem Klemmbrett und zog dann die Augenbrauen in die Höhe, als er sich Kiara wieder zuwandte.

»Klar«, erwiderte diese hastig, stolperte fast über die eigenen Füße, als sie um den weißen Transporter herumlief und mit fahrigen Fingern die Klapptüren öffnete. »Hier ist die Flasche. Also, hinten«, stammelte sie. Sie hatte Probleme, den Schnappverschluss des kleinen Holzschranks zu öffnen, hinter dessen Tür sich die Gasflasche verbarg. Erst nach etlichen Versuchen gelang es ihr, ihn zu entriegeln und die Klappe zu öffnen. Schnell trat sie beiseite, um nicht länger im Weg zu stehen. »Entschuldigung«, nuschelte sie dabei. Verlegen strich sie sich die schwitzigen Hände am T-Shirt ab.

Nun hielt ihr Gegenüber doch kurz inne, betrachtete sie ausführlicher und schenkte ihr dann ein Lächeln. »Na, na, na, junge Dame«, brummte er freundlich. »Kein Grund, so nervös zu sein. Wir wollen doch beide, dass hier alles seine Richtigkeit hat und Sie bald mit Ihrem Fahrzeug auf Ihre erste Tour aufbrechen können, oder nicht?«

Kiara atmete tief durch, dann nickte sie knapp. Der Mann warf ihr noch einen aufmunternden Blick zu, dann beugte er sich vor und griff in den Schrank, um die Gasflasche zu überprüfen. »Na sehen Sie«, befand er nach einem Moment, »es ist doch alles in Ordnung. Die Flasche ist sicher befestigt, die Anschlüsse sehen gut aus und die Leitung scheint mir ordentlich ins Fahrzeug geführt.«

»Dann ist ja gut.« Sie seufzte erleichtert, und als sie nach dem identisch aussehenden Holzschrank im linken Teil des Wagens griff, klopfte ihr Herz schon nicht mehr ganz so stark. »Wollen Sie sich auch gleich die Sicherungen ansehen? Die sind hier links.«

Der Prüfer notierte sich etwas auf seinem Zettel, dann folgte er der Aufforderung und kam herüber. Konzentriert begann er auch hier mit der Überprüfung. Zwischendurch zog er einen Schraubenzieher aus dem Gürtel hervor – oder vielleicht war es auch ein Phasenprüfer, Kiara war zu aufgeregt, um genau darauf zu achten.

Eine Weile hantierte der Mann auch in diesem Schrank herum. Schließlich gab er einen beifälligen Laut von sich und hakte etwas auf seiner Liste ab. »Haben Sie das selbst gemacht?«

Kiara wich seinem Blick aus, als er sich ihr zuwandte. »Oh, nein!« Sie hob abwehrend die Hände. »Wir wollten sichergehen, dass bei der Elektrik alles doppelt und dreifach abgesichert ist. Ein Elektriker hat sich darum gekümmert, ein Freund meines Vaters.«

Sie erntete ein wohlwollendes Nicken des Prüfers. »Eine gute Entscheidung.« Er tippte mit dem Kugelschreiber auf sein Klemmbrett. »Nun gut, damit wären wir fast fertig. Meine Kollegen werden den Wagen noch einmal kurz auf der Hebebühne ansehen und wie bei einer ganz normalen Hauptuntersuchung prüfen. Wir können solange schon einmal ins Büro gehen.« Er streckte die Hand aus, und sobald Kiara ihm den Schlüssel überreicht hatte, wandte er sich an einen Kollegen und besprach sich kurz mit ihm.

Kiara atmete tief durch, um die Aufregung niederzukämpfen. Sie wusste, dass es eigentlich keinen Grund gab, nervös zu sein. Sie hatte alle Vorgaben beachtet, die Checkliste für die Wohnmobil-Zulassung doppelt und dreifach überprüft. Dennoch war sie hibbelig und sehnte sich das Ende der Fahrzeugabnahme herbei. Hoffentlich hatte sie auch wirklich nichts vergessen!

Als sie wieder an die Seitentür des weißen Kastenwagens trat, richtete ihr Blick sich auf das Fach über der Fahrerkabine, oder genauer auf die Schwungfeder, die am Übergang zur Decke des Fahrzeugs befestigt war.

Sofort spürte sie, wie sie ruhiger wurde. Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Ihr Ausbau entsprach allen Vorgaben, und außerdem hatte sie einen Freund, der über sie wachte. Der dafür gesorgt hatte, dass alles seine Richtigkeit hatte und gutgehen würde – er hatte es ihr versprochen.

Kiara schreckte aus ihren Gedanken hoch, als die Hintertüren des Transporters zugeschlagen wurden. Der Prüfer trat neben sie, folgte ihrem Blick ins Innere des frisch umgebauten Campervans. »Ein wirklich schöner Ausbau. Darin werden Sie sich sicher wohlfühlen.« Er betrachtete das Interieur, dann deutete er mit dem Kugelschreiber auf die Schwungfeder. »Und sehr interessante Deko. Von was für einem Vogel stammt die?«

»Ach, die habe ich gefunden«, antwortete Kiara ausweichend. Das war nicht gelogen – allerdings war es auch nicht die ganze Wahrheit. Insgeheim schmunzelte sie bei der Vorstellung, wie der Prüfer auf die ganze Geschichte wohl reagiert hätte.

So zuckte der Mann einfach nur mit den Schultern. »Toller Fund«, entgegnete er. »Das muss ja ein ziemlich großer Greifvogel gewesen sein.«

›Das ›Vogel‹ können sie weglassen‹, dachte Kiara bei sich, verkniff sich aber ein Grinsen. Gut gelaunt folgte sie dem Prüfer in Richtung des Bürokastens am anderen Ende der Werkstatt.

***

Keine halbe Stunde später hatte Kiara ihren Autoschlüssel wieder in der Hand, zusammen mit der erfolgreichen Zulassung des kleinen Kastenwagens als Wohnmobil. Sie konnte spüren, dass sie über das ganze Gesicht strahlte, und die Anspannung war einem freudigen Kribbeln gewichen, das ihren kompletten Körper erfüllte.

Der Prüfer begleitete sie noch mit zum Wagen, um eine Lichttest-Plakette in der Ecke der Windschutzscheibe zu befestigen. Abschließend streckte er ihr die Hand hin. »Damit wären Sie dann wirklich startklar«, verkündete er und lächelte Kiara freundlich zu. »Sehen Sie? Ich habe doch gesagt, dass alles gut werden wird.« Er zwinkerte ihr zu. »Eine Frage noch, von einem Vanlifer zum anderen: Hat Ihr Van schon einen Namen?«

Kiara ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie kurz. »Heather«, bestätigte sie dabei und spürte, wie sie bei dem Wort zu strahlen begann.

Der Mann runzelte sichtlich verdutzt die Stirn. »Wie das Heidekraut? Warum?«

Kiara zuckte mit den Schultern. »Nur so«, gab sie ausweichend zurück, dann beschloss sie, dass die Wahrheit doch ungefährlich war. »Na ja, und wegen der Feder. Ich habe mit dem englischen ›Feather‹ herumgespielt, bin dadurch auf Heather gekommen und dabei geblieben.«

Der Prüfer blinzelte verdutzt, nahm die Erklärung jedoch hin. »Nun, die Hauptsache ist doch, dass der Name zum Fahrzeug passt. Und zum Fahrer.«

»Wie heißt denn Ihr Van?«, hakte Kiara neugierig nach, nachdem ihr Gegenüber nun bereits angedeutet hatte, ebenfalls einen Camper zu besitzen.

»Schlurfie.« Er schenkte ihr ein breites Grinsen. »Es ist ein alter Bulli, damit ist man natürlich ganz gemütlich unterwegs. Na ja, und damit ärgert man natürlich einige Leute auf den Straßen. Da erschien der Name meiner Frau und mir passend.« Er trat einen Schritt zurück und nickte Kiara noch einmal zu. »Vielleicht sieht man sich ja mal auf einem Campingplatz. Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Freude bei Ihrem Einstieg ins Vanlife. Genießen Sie die ersten Erfahrungen, das sind die aufregendsten. Glauben Sie mir.« Mit einem letzten Winken wandte er sich ab und kehrte zu seinen Kollegen zurück.

»Das werde ich, danke!«, rief Kiara ihm noch nach, dann umrundete sie den Van und öffnete die Fahrertür. Sorgsam verstaute sie die erhaltenen Papiere, die den Wagen als Wohnmobil auswiesen. Erst dann schnallte sie sich an und startete den Motor. Langsam fuhr sie aus der Werkstatt der Prüfstätte heraus und vom Gelände zurück auf die Straße.

Der Weg nach Hause dauerte nur wenige Minuten, dennoch fühlte Kiara sich die ganze Fahrt über zappelig. Die letzte Hürde war genommen, ihrer Reise stand wirklich nichts mehr entgegen!

Als sie jedoch auf die Auffahrt vor dem Haus ihrer Eltern einbog und Heather vor dem Carport parkte, änderte sich ihre Stimmung erneut. Noch immer fühlte sie sich kribbelig, jedoch war es für sie in diesem Moment vollauf genug, sich abzuschnallen, jedoch weiterhin am Steuer zu sitzen und mit den Händen über das Lenkrad zu streichen. »Mein eigener Van«, murmelte sie gedankenverloren. »Wer hätte das gedacht?« Einen Moment später musste sie kichern. »Außer dir natürlich, nicht wahr, Noctus?«

Draußen konnte sie niemanden entdecken, dennoch erschien es ihr zu auffällig, sich im Sitz nach hinten zu wenden. Stattdessen blickte sie in den Rückspiegel, suchte nach irgendeinem Anzeichen, einem Schemen oder einer Bewegung. Dabei wusste sie bereits, dass sie nichts entdecken würde. »Bist du gerade da?«, fragte sie dennoch in den leeren Wohnbereich des Kastenwagens. »Ich hoffe es. Denn das hier ist dein Verdienst.«

Sie lächelte, doch zugleich verspürte sie einen Hauch von Wehmut. Wie gern hätte sie jetzt die Stimme von Noctus gehört, oder wenigstens ein Lachen.

Doch das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hatte, war drei Monate her, und sie wusste, dass sich daran auch nichts ändern würde. Mittlerweile erschien es ihr ja selbst manchmal wie ein wunderbarer Traum, was sie erlebt hatte. Eine Reise in eine fremde Welt, wo sie einen Traumgreifen kennengelernt und gemeinsam mit ihm nach seinen vier magischen Federn gesucht hatte, die er brauchte, um ihr wiederum helfen zu können, ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.

Kurzerhand glitt Kiara vom Fahrersitz, zog den Zündschlüssel ab und schlüpfte in den hinteren Teil des Vans. Sie hob eine Hand und berührte die cremefarbene Schwungfeder mit den rostroten Streifen. Ein Abschiedsgeschenk von Noctus, das er ihr hier im Wagen hinterlassen hatte, als sie in ihre Welt zurückgekehrt war – und damit einer von zwei Beweisen, dass sie all das wirklich erlebt hatte.

Kiara verharrte einen Moment, dann trat sie an die hüfthohe Kommode, die die linke Seite des Wohnraums einnahm. Zielsicher zog sie eine der Schubladen auf und hob einen Kompass aus Messing heraus, der an einer filigranen, goldenen Kette hing. Das zweite Erinnerungsstück ans Reich der Träume – und eines, das sie auf deutlich abenteuerlichere Weise erlangt hatte als die Schwungfeder von Noctus.

Lächelnd drehte sie den Kompass, bis die rote Spitze der Nadel über dem N schwebte, dann legte sie das Andenken zurück in die Schublade.

In diesem Moment wurde die Seitentür aufgezogen. Kiara hatte nicht bemerkt, dass jemand zum Auto gekommen war, und zuckte überrascht und ein wenig ertappt zusammen, doch ihr Vater schien davon nichts zu bemerken. Stattdessen blickte er sie erwartungsvoll an. »Und? Wie ist es gelaufen?«

Kiara schenkte ihm ein Lächeln und reckte einen Daumen in die Höhe. »Keinerlei Beanstandungen, genau wie du gesagt hast.«

Ihr Vater setzte einen Fuß auf die Schwelle des Vans und trat ein, dann schloss er Kiara in die Arme. »Na siehst du«, gratulierte er ihr. »Da hast du wirklich ganze Arbeit geleistet.«

»Wir«, korrigierte sie ihn und erwiderte die Umarmung. »Danke, dass ihr mir geholfen habt. Und dass ich Heather überhaupt haben durfte.«

Ihr Vater trat einen Schritt zurück, und kurz huschte ein Schatten über sein Gesicht. »Natürlich, Schatz. Das war das mindeste.«

»Papa!« Kiara versetzte ihm einen energischen Stupser gegen die Schulter. Sie hatten sich darauf geeinigt, dieses Thema nicht mehr anzusprechen. Eigentlich hatte Kiara nach dem Abitur auf Abschlussfahrt nach Spanien fliegen wollen, doch weil ihre Eltern spontan zu einer Geschäftsreise gerufen worden waren, war der Urlaub mit Kiaras Freundinnen geplatzt. Auf der anderen Seite hätte sie andernfalls niemals ihr Abenteuer mit Noctus erlebt – und würde jetzt vermutlich nicht mit einem eigenen Campervan hier stehen. Aber das konnte sie ihren Eltern natürlich nicht sagen, und so hatte sie nur darauf bestanden, das Thema ruhen zu lassen, damit ihre Eltern sich nicht länger schuldig fühlten. Erst recht, wo sie ihr den alten Transporter aus dem Carport so bereitwillig überlassen und ihr mit Rat, Tat und auch Geld beim Ausbau zur Seite gestanden hatten.

Auch ihr Vater schien gerade an diesen Schritt zurückzudenken. Er blickte sich in dem Campervan um, als würde er ihn zum ersten Mal sehen, und gab dann ein beifälliges Schnalzen von sich. »Ist wirklich schön geworden, deine Heather.«

Kiara musste grinsen. Das war ein Spruch, der schon fast Tradition geworden war. Heute tat Kiara es ihrem Vater gleich und blickte sich ebenfalls in ihrem neuen, rollenden Zuhause um.

Der Campervan war von außen weiß und knapp fünfeinhalb Meter lang. Innen hatten Kiara und ihr Vater die Wände und die Decke mit Längsbalken aus hellem Zedernholz verkleidet. Lediglich die Wand über der Kommode rund um das Schiebefenster hatten sie weiß angestrichen, ansonsten hatten sie das Holz naturbelassen. Dafür waren die Schubladen, der Bettkasten und die Front der Küchenzeile weiß. Arbeitsplatten und Hängeschränke waren dann wieder holzfarben, und das Ergebnis war eine helle, ausgewogene Kombination aus beiden Farben, mit der Kiara sich rundum wohlfühlte.

Zur Gemütlichkeit trugen zudem die roten Vorhänge bei, mit denen die Fenster in Schiebetür, linker Seitenwand und Heckklappen zugezogen werden konnten. Nur das Dachfenster hatte ein schlichtweißes Schiebe-Rollo bekommen.

Kiara trat an das Querbett im Heck, drehte sich um und ließ sich auf die ebenfalls rostrote Kuscheldecke fallen. Von dort aus blickte sie sich zufrieden zu Ende um.

Über der Fahrerkabine war das Ablagefach mit Noctus’ Feder darüber, und die Küchenzeile, die in die Seitenöffnung des Wagens hineinragte, verfügte über zwei Gasflammen und ein Waschbecken.

Für den Kühlschrank war darunter zwar kein Platz gewesen, doch den hatte Kiara kurzerhand im Bettkasten verbaut. Es blieb immer noch genug Stauraum, an den sie über die Hecktüren oder durch Hochklappen des Lattenrosts gelangen konnte. Überhaupt hatte Kiara das Gefühl, dass ihr Campervan insgeheim länger war als gedacht. Sie fühlte sich kein Stück eingeengt, im Gegenteil.

»Ich finde es immer noch bewundernswert, dass der Wagen nach all der Zeit im Carport so gut in Schuss ist.« Ihr Vater strich sich nachdenklich über das Kinn. »Da scheine ich damals wirklich einen guten Kauf gemacht zu haben.«

Kiara gab einen zustimmenden Laut von sich. Insgeheim jedoch fragte sie sich bis heute, ob Noctus’ Traumgreifen-Magie hier womöglich etwas bewirkt hatte. Immerhin hatte der Wagen auf sie einen deutlich heruntergekommeneren Eindruck gemacht, als sie ihn das erste Mal betreten hatte. Nach ihrem Abenteuer mit dem Traumgreifen war davon jedoch nichts mehr zu merken gewesen, und Motor, Getriebe und Unterboden hatten allen Untersuchungen anstandslos standgehalten.

Die Antwort auf ihre Vermutung würde sie zwar nie in Erfahrung bringen, dennoch war es eine schöne Vorstellung, dass etwas von Noctus’ Magie in den Wagen geflossen sein könnte.

»Nun denn.« Ihr Vater hatte offenbar gemerkt, dass sie mit den Gedanken woanders gewesen war, doch er bohrte nicht nach. »Soll ich euch beide noch ein bisschen alleinlassen oder kommst du mit rein?«

Kiara grinste und sprang auf. »Heather ist schon groß«, witzelte sie. »Außerdem möchte ich gern meine Sachen holen und alles einladen.«

Gemeinsam mit ihrem Vater verließ sie den Wagen, drückte auf die Verriegelung – das Upgrade vom altmodischen Schlüssel war das Abi-Geschenk ihrer Eltern gewesen – und lief dann mit ins Haus.

Sie gelangte nicht einmal in die Nähe der Treppe, ehe Kinderfüße über den Flurboden polterten und ihr Bruder Tommy angerannt kam. »Und, und, und?«, rief er und warf sich ihr stürmisch in die Arme. »Wie ist es gelaufen?«

Kiara musste einen großen Schritt rückwärts machen, um den Anlauf ihres Bruders abzufangen. Der Neunjährige mochte schüchtern sein, dennoch hatte er unheimlich viel Energie. Und er war vor der Überprüfung genauso aufgeregt gewesen wie sie selbst, immerhin war er beim gesamten Ausbau dabei gewesen und hatte tatkräftig geholfen, wo immer es für ihn etwas zu tun gegeben hatte.

Sie schenkte ihm ein breites Lächeln. »Wie soll es schon gelaufen sein?«, fragte sie und strubbelte ihm kurz durch die braunen Haare. »Heather hat mit fliegenden Fahnen bestanden. Ich muss nur noch mein Zeug in die Schränke räumen, dann kann es losgehen.«

»Jaaa!«, jubelte Tommy und hüpfte aufgeregt auf und ab. »Darf ich dir einräumen helfen? Was muss denn alles mit? Und wann fahren wir los?«

»Nicht so hastig«, erklang die Stimme ihrer Mutter aus der Küche. »Tommy, du weißt, dass du deiner Schwester ein Versprechen gegeben hast!«

Der Junge setzte eine zerknirschte Mine auf. »Ja, ich weiß«, sagte er gedehnt. »Aber ich habe doch auch beim Ausbau geholfen! Vielleicht kann ich ja doch mitkommen? Nur für ein paar Tage?«

Seine Begeisterung brachte Kiara zum Schmunzeln. »Du magst doch eigentlich nur in deinem Bett schlafen, nirgends anders.« Sie ging vor ihm Hocke und schenkte ihm ein Lächeln. »Wenn du wirklich möchtest, nehme ich dich irgendwann einmal mit. Aber jetzt muss ich mich erst einmal selber zurechtfinden und schauen, wie alles funktioniert, wohin ich fahre und wie lange ich dort bleibe. In Ordnung?«

Tommy wirkte enttäuscht, nickte jedoch tapfer. »Aber irgendwann fahre ich mit.« Er hob die Faust, von der er nur den kleinen Finger abgespreizt hatte.

Kiara reckte ihren eigenen kleinen Finger und hakte ein, um den Schwur zu besiegeln. »Versprochen.« Hinter Tommy konnte sie ihre Mutter im Türrahmen stehen und lächeln sehen.

»Bis es so weit ist, hast du ja deinen kleinen Camper«, erinnerte ihr Vater ihren Bruder in diesem Moment. Schlagartig begannen Tommys Augen zu leuchten, er wirbelte herum und rannte in Richtung deines Kinderzimmers.

»Genau!«, quietschte er im Weglaufen. »Heser 2!«

Kiara musste jedes Mal aufs Neue prusten, weil ihr Bruder den Namen ihres Vans nicht richtig aussprechen konnte. Er hatte zwar lang und hart geübt, aber da er in der Schule gerade erst mit dem Englischunterricht begann, fiel die Aussprache des Worts ›Heather‹ ihm noch schwer. Irgendwann würde sich das sicher ändern, doch bis dahin musste Kiara immer schmunzeln, wenn er den Namen des Fahrzeugs mit so viel Begeisterung falsch aussprach.

»Das sollte ihn eine Weile beschäftigen« Die Worte ihres Vaters waren leise, fast schon verschwörerisch. »Wenn du packen willst, solltest du das am besten jetzt tun. Nach dem Essen kannst du dann alles ins Auto bringen, wenn Tommy seine Serie schauen darf.«

Kiara antwortete nichts, sondern hauchte ihrem Vater ein Küsschen auf die Wange, ehe sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufstieg. Möglichst leise schloss sie die Tür hinter sich, dann atmete sie tief durch. Die Blödeleien mit ihrer Familie waren lustig gewesen, doch jetzt genoss sie es, einen Moment für sich zu haben.

Es war wirklich geschafft, ihr stand nichts mehr im Wege. Ihr Campervan war umgebaut und zugelassen, ihre Abi-Feier vorüber. Den Sommer über hatte sie keinerlei Verpflichtungen. Wenn sie Heather heute noch vollständig belud, konnte sie morgen bereits aufbrechen.

Und das hatte sie tatsächlich vor. Nicht, dass sie unbedingt von ihrer Familie wegkommen wollte. Aber sie freute sich unheimlich auf die bevorstehenden Abenteuer und ihren ersten Ausflug ins Vanlife, und sie wollte keinen Tag länger als nötig warten, ehe es losging.

In einer Ecke des Raums lag bereits ein faltbarer Tragekorb bereit. Kiara klappte ihn auf, stellte ihn in die Mitte ihres Zimmers und spähte dann auf ihren Schreibtisch, wo eine Packliste bereitlag. Sie hatte schon viele Sachen bereitgelegt, jedoch auf mehreren, im Zimmer verteilten Stapeln. Eigentlich war sie nicht abergläubisch, doch sie hatte noch nichts in die Tragekiste packen wollen, ehe nicht ganz sicher war, dass ihre Reise auch wirklich losgehen konnte. Jetzt freute sie sich dafür umso mehr darauf, alles final zu packen und zu verstauen.

Kiara hakte die verstauten Sachen auf ihrer Packliste ab, überflog die notierten Zeilen und versah einige mit Ausrufezeichen, Kulturtasche, Handy, Geldbörse – das waren Dinge, die sie erst direkt vor der Abfahrt würde einpacken können. Aber sie wollte sie besonders hervorheben, da sie sie sonst womöglich vergessen würde. Seit jeher führte sie Packlisten, und doch gab es immer irgendetwas, das sie einzupacken vergaß. Diesmal war sie fest entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen.

Vorerst fuhr sie jedoch damit fort, all jene Dinge zusammenzupacken, die sie heute Abend noch im Van verstauen konnte. Dazu gehörte auch ein Reisetagebuch, in dem sie ihre Erfahrungen festhalten würde. Sie wollte ihre Erlebnisse unbedingt niederschreiben, um sich auch in vielen Jahren noch daran erinnern zu können.

Abschließend legte Kiara einen Schlafsack, eine dünne Wolldecke und ihr zweites Set Bettzeug ganz oben auf die Kiste. Prüfend betrachtete sie die gesammelten Sachen, die Hände in die Hüften gestemmt. Ja, das sollte alles sein.

Zufrieden hob sie den Korb hoch und verließ das Zimmer. Vorsichtig tastete sie sich die Treppe hinunter, Stufe für Stufe – der Korb war ganz schön schwer, und über die obenauf liegenden Decken hinweg konnte sie die Stufen nicht sehen. Das letzte, was sie jetzt brauchte, war ein Sturz. Doch dank ihrer Vorsicht gelangte sie sicher ins Erdgeschoss hinab.

Ihre Schritte auf der Treppe bewegten zudem ihre Mutter dazu, aus der Küche zu kommen. »Das Essen ist in etwa zwanzig Minuten fertig. Kommst du dann bitte von selbst – herrje, warum sagst du denn nichts!« Eilig lief sie zur Haustür und zog diese weit auf, dann hob die sie Decken und den Schlafsack von der Kiste und lief selbst nach draußen. »Anstatt die Sachen in zwei Fuhren rauszubringen«, tadelte sie dabei.

Kiara musste grinsen. »Es ging schon so. Aber danke für die Hilfe, Mama.« Sie drückte die Entriegelung des Autoschlüssels, den sie die ganze Zeit über in der linken Hand bereitgehalten hatte.

Ihre Mutter seufzte nur, zog die Seitentür des Campers für sie auf und trat dann beiseite. »Ich lege dir die Decken auf den Beifahrersitz, ja? Denk daran, in 20 Minuten zum Essen reinzukommen.« Mit diesen Worten ließ sie Kiara allein und lief zurück in Richtung Haustür.

Kiara hievte die Kiste in den Wohnraum von Heather. Einen Moment lang fühlte sie sich ein wenig unentschlossen, wo sie anfangen sollte. Beinahe alle Schränke warteten darauf, bestückt zu werden. Dann kehrte die freudige Aufregung zurück und verdrängte alles systematische Vorgehen.

Kiara öffnete einfach alle Schranktüren und mehrere der Schubladen. Nach und nach begann sie die Dinge aus dem Korb zu nehmen und an die richtigen Stellen im Van zu sortieren.

»Kiara!«, erklang irgendwann Tommys Stimme, dann seine hastigen Schritte auf der Auffahrt. Mit leuchtenden Augen schaute er sich in Heathers Innerem um, ehe er sich zusammenriss. »Entschuldige, ich will dich nicht stören. Aber Mama sagt, das Essen ist fertig und dass du es sicher doch vergessen hast.«

Sie sah von ihren Klamotten auf, die sie gerade nach und nach eingerollt und in den Hängeschränken über dem Bett verstaut hatte, dann musste sie lächeln, als sie sah, wie zerknirscht ihr Bruder noch immer dreinblickte Er wirkte sogar zu schüchtern, ins Innere des Wagens zu klettern.

»Ich hab tatsächlich nicht auf die Uhr geschaut. Ich wollte so gern alles fertig haben. Da habe ich mich wohl in der Zeit verschätzt.«

»Vielleicht solltest du doch noch eine Uhr aufhängen?«, schlug Tommy vor. »Das habe ich doch gleich gesagt!«

Lachend legte Kiara die letzten Klamotten beiseite und ging zu ihm hinüber. »Wenn ich unterwegs bin, habe ich keinen Zeitdruck«, erklärte sie ihm geduldig. »Und ich möchte mich dann auch nicht stressen lassen. Das Lernen fürs Abi war anstrengend genug, und danach habe ich mich mit dem Ausbau so beeilt. Jetzt will ich einfach ein bisschen ausspannen.«

»Verstehe.« Tommy nickte, doch seine zweifelnde Miene strafte seine Worte Lügen. Dennoch ließ er das Thema auf sich beruhen. »Mama sagt, wir sollen uns wirklich beeilen, damit der Auflauf nicht kalt wird. Brauchst du noch Hilfe?«

»Alles gut, den Rest kann ich später erledigen«, winkte Kiara ab, dann überlegte sie kurz. »Wobei, etwas kannst du doch tun. Ich muss die Wolldecke und meinen Schlafsack unter dem Bett verstauen. Hilfst du mir? Der Lattenrost ist so schwer.«

Das war ein wenig geschwindelt, und eigentlich hatte es auch wirklich keine Eile. Aber nachdem Tommy zuvor so enttäuscht gewesen war, wollte sie ihm nun wenigstens eine kleine Freude machen.

Der Versuch gelang. Die Augen ihres Bruders begannen zu leuchten, und noch ehe sie ganz ausgesprochen hatte, war er doch noch ins Fahrzeug gehüpft. Seine Hausschuhe ließ er auf dem Tritt stehen und tapste selbstbewusst zum Bett hinüber. »Lass mich das machen«, verkündete er bemüht lässig. »Hol du die Decken.«

Kiara unterdrückte ein Prusten. Eigentlich war ihr Bruder eher schüchtern, aber wenn er einmal versuchte, den coolen Jungen raushängen zu lassen, war das immer furchtbar lustig. Doch sie wusste, dass ihr Lachen ihn gekränkt hätte, also riss sie sich zusammen. Mit ihm zusammen trat sie an das Bett heran, griff nach der Matratze und hielt diese in die Höhe, sodass Tommy nach dem Lattenrost darunter greifen und diesen in die Höhe klappen konnte.

Tommy fand den kleinen Riegel, der den Lattenrost fixierte, zog ihn zurück und hob das Gestell mit so viel Kraft an, dass es schwungvoll nach oben klappte. »Kleinigkeit«, sagte er gönnerhaft und machte Platz.

Kiara wandte sich schnell ab und lief zum Beifahrersitz, um die Schlafsachen zu holen und zugleich ihr Grinsen zu verbergen. »Danke Tommy! Dann sollten wir jetzt schnell essen gehen.«

Ihr Bruder verließ den Camper als Erster, schlüpfte in seine Hausschuhe und rannte zurück zur Tür. »Es gibt übrigens Brokkoli-Hack-Auflauf!«, jubelte er dabei, dann war er auch schon im Hausflur verschwunden.

Kiara stellte den Hocker zurück in ihr Auto, verschloss sorgfältig alle Türen und folgte ihm dann.

Kapitel 2: Die erste Fahrt

»Warte mal, Kiara«, bat ihr Vater, als sie nach dem Essen und dem Abräumen des Küchentischs wieder nach draußen schlüpfen wollte. »Wir haben noch etwas für dich.«

Verwundert hielt Kiara inne. Ihre Mutter verschwand kurz in der Waschküche, die an die Küche angrenzte, und kehrte einen Moment später mit einer großen Plastikbox zurück. Sie ächzte unter deren offensichtlichem Gewicht und machte nur kleine Schritte. Als Kiaras Vater hinzutrat, ließ sie sich die Kiste widerstandslos abnehmen. Schwungvoll platzierte er diese auf dem Küchentisch und öffnete den Deckel.

Kiara beugte sich neugierig vor. Die Box war gefüllt mit allerlei Lebensmitteln. Dazu lagen obenauf zwei brandneue Schneidemesser sowie eine kleine Pappschachtel mit magnetischen Gewürzstreuern, die Kiara während des Ausbaus im Internet entdeckt, aber bislang noch nicht gekauft hatte. Mit großen Augen betrachtete sie das Sammelsurium.

Ihre Mutter lächelte und zwinkerte ihr zu. »Es ist doch Unsinn, wenn du morgen erst noch einkaufen fahren willst. Da verlierst du doch unnötig viel Zeit an deinem ersten Reisetag. Also haben wir uns gedacht, dass wir dir ein paar Grundnahrungsmittel als Abschiedsgeschenk für deine erste, große Fahrt zusammenpacken. Und morgen früh können wir gemeinsam noch kurz schauen, was du an frischem Obst und Gemüse mitnehmen möchtest.«

Überwältigt starrte Kiara erst den Inhalt der Kiste, dann ihre Eltern an. »Das … das ist großartig. Danke!« Sie umarmte ihre Eltern stürmisch, beide zugleich. Ihr Vater lachte an ihrem Ohr.

»Nicht so voreilig, das war noch nicht alles.« Er machte sich los und verschwand seinerseits in der Waschküche.

»Wie jetzt?« Verdutzt sah sie ihm nach, bevor sie auf die Box deutete. »Das ist doch schon mehr als genug!«

Ihre Mutter legte ihr eine Hand auf die Schulter und lächelte geheimnisvoll. »Es ist genau richtig. Du hast so hart gearbeitet. Wir helfen dir nur ein bisschen zu Beginn deiner Reise, damit du diese vollauf genießen kannst. Immerhin ist ja auch unseretwegen deine Abschlussfahrt ausgefallen.«

Kiara erwiderte ihr Lächeln, wenn auch eher verwirrt. Ihre Eltern hatten ihr Heather überlassen und sie beim Ausbau unterstützt. Sie hatten mehr getan, als Kiara hätte erwarten können. Und jetzt kam noch ein Abschiedsgeschenk? Ein wenig beschämt, aber auch gerührt wartete sie ab.

Ihr Vater kehrte mit zwei Dingen in den Händen zurück, von denen er das erste direkt hochhielt. »Dreh dich um«, forderte er sie auf.

Staunend besah Kiara sich die Jacke, die er ihr anbot, dann folgte sie der Aufforderung und streckte die Arme aus, um sich helfen zu lassen. Es handelte sich um eine Jacke aus robustem, karamellfarbenem Stoff, an deren oberen Ende ein lockiger Kunstfellkragen angebracht war. Auch von innen war die Jacke flauschig – nur ein wenig, genau richtig für Regentage oder kühlere Sommernächte. Noch dazu saß die Jacke perfekt, als habe sie nur auf Kiara gewartet.

Andächtig strich sie über das Kleidungsstück. Schnitt und Farbe entsprachen genau ihrem Geschmack. »Wow. Aber die war doch sicher unglaublich teuer!«, Sie machte Anstalten, die Hände in die Hüften zu stemmen, und wollte sich ihren Eltern wieder zuwenden, doch ihr Vater hielt sie an der Schulter zurück.

»Halt, noch nicht.« Er drehte sie, sodass sie wieder mit dem Rücken zu ihm stand, und ein leises Klimpern erklang. Kiara konnte etwas aufblitzen sehen, ehe er ihr eine Kette um den Hals legte und verschloss.

Zögerlich zog sie ihre Haare unter dem feinen Kettchen hervor, das sie kühl auf ihrer Haut spüren konnte. Dann drehte sie sich zu ihren Eltern um, senkte den Blick und griff nach dem Anhänger.

Ihr stockte der Atem, als sie die silbrig funkelnde, filigrane Feder erblickte. Der Anhänger war etwa halb so lang wie ihre Finger und reflektierte das Sonnenlicht. Da er an einem kleinen, ebenfalls silbernen Ring befestigt war, klimperte er bei Berührung ganz leise.

»Wir dachten uns, das wäre ein schöner Glücksbringer.« Ihre Mutter blickte sie erwartungsvoll an. »Passend zu der Feder, mit der du Heather dekoriert hast.«

Kiaras Herz machte einen kleinen Hüpfer. ›Wenn ihr wüsstet, wie passend das ist‹, dachte sie bei sich, dann ließ sie den Anhänger sinken und drückte erst ihren Vater, dann ihre Mutter fest an sich. »Sie ist wunderschön«, flüsterte sie. »Aber ihr sollt mir doch nicht so viel schenken!«

»Es war eine Ausnahme.« Ihre Mutter wirkte höchst zufrieden, dass die Überraschung gelungen war. »Nicht, dass du uns auf deiner Fahrt direkt vergisst und einfach nicht mehr nach Hause kommst.«

»Als ob ich so etwas tun würde!« Kiara verzog das Gesicht und bemühte sich, empört auszusehen, doch im nächsten Moment musste sie kichern. Noch einmal betrachtete sie die Kette und strich über ihre neue Jacke. »Danke! Wirklich, die sind beide wunderschön.«

»Sie werden dir gute Begleiter sein.« In den Augen ihres Vaters schimmerte es verdächtig, und tatsächlich wischte er sich einen Moment später verstohlen über das Gesicht. »Wir sind sehr stolz auf dich, und wir wünschen dir auf deiner Reise alles Gute und vor allem viel Spaß. Versprich uns nur, dass du auf dich aufpasst, ja?«

»Aber Papa!« Kiara gab ihm einen kleinen Boxstoß in die Seite, um die rührselige Stimmung zu überspielen. »Ich passe doch immer auf mich auf. Außerdem bin ich doch noch gar nicht weg, ich fahre morgen erst los!«

»Trotzdem.« Er blinzelte auffällig stark.

»Versprochen.« Kiara spürte, dass bei seinem Anblick auch ihr selbst die Kehle ein wenig eng wurde. Schnell machte sie sich daran, den Inhalt der Kiste weiter zu begutachten.

»Gut. Dann geh jetzt und pack zu Ende, wenn du magst. Wenn du Hilfe brauchst, weißt du ja, wo du uns findest.« Ihr Vater legte einen Arm um ihre Mutter.

Kiara hob folgsam die Plastikkiste an und ächzte, als sie erkannte, wie schwer diese war.

---ENDE DER LESEPROBE---