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Den Gefährten ist es gerade so gelungen, Ravenna zurückzuschlagen, doch nach einem Sieg fühlt sich das für niemanden an: Simon kämpft mit einem Verlust, den er verschuldet hat. Alexis durchlebt einen tödlichen Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Alana leidet unter dem Auftrag, einen Unschuldigen zu töten. Und Katharina wird von dunklen Kreaturen durch Sarmela gehetzt. Als wäre das noch nicht genug, holen Ravenna und ihre Schergen zum finalen Schlag aus. Das Schicksal Sarmelas steht auf Messers Schneide. Wenn die Gefährten das Unglück noch abwenden wollen, müssen sie ihre persönlichen Kämpfe überwinden und zusammenhalten …
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Inhaltsverzeichnis
Teil 1
Verloren
Abschied
Traumpfade
Tiefe Wunden
Alter Verrat
Schwelende Wut
Teil 2
Varlik
Handel
Überfall
Grüne Pfade
Verborgen
Schwesternblut
Fluch
Warnung
Teil 3
Drohendes Unheil
Schwarze Fesseln
Freiheit
Rückkehr
Hinterhalt
Täuschung
Nebelreise
Warten
Entscheidung
Splitter
Epilog
Danksagung
Die Autorin
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Janika Hoffmann
Drachenkralle
Der Quell der Finsternis
Für Luna. Es ist nur ein kleiner Auftritt, aber nun seid ihr wieder vereint.
Copyright © 2021 by Janika Hoffmann.
Janika Hoffmann, Gebrüder-Grimm-Straße 6, 63322 Rödermark
Titel- und Umschlaggestaltung: Clara Vath
Buchgestaltung: Medienagentur Holger Kliemannel
Lektorat & Korrektorat: Sabrina Železný
Printed in EU
Alle Rechte vorbehalten.
Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.
»Simon! Simon, wach auf!«
Etwas regte sich in Simon. Um ihn herum war nichts als Dunkelheit, er hatte das Gefühl, zu schweben. Wie lange war er schon hier? Wo war ›hier‹? Und wer rief da nach ihm? Die Stimme erreichte ihn nur wie aus weiter Ferne, und doch meinte er Verzweiflung darin zu erkennen.
»Ich bitte dich!«
Simon ließ sich wieder forttreiben; er war so erschöpft. Die Stimme verklang zu einem undeutlichen Hallen. Wozu sollte er ihr auch zuhören? Wenn es wichtig wäre, hätte er das sicher gewusst. Langsam ließ er seine Gedanken abdriften, zurück in die Dunkelheit.
»Simon!«
Er schreckte auf. Diesmal hatte die Stimme deutlich näher geklungen – fast, als würde ihre Besitzerin direkt in seinem Kopf stecken. Auch die Panik darin schien auf ihn überzugreifen, brachte sein Herz für einen Moment zum Stolpern.
»Was?«, antwortete er lautlos. »Wo … bin ich?« Seine Gedanken flossen zäh und machten es ihm schwer, die Frage hervorzubringen.
»Zurück bei den anderen. Bitte, Simon – komm zurück zu mir!«
Die Stimme klang schrill, und Simon hatte das Gefühl, dass das ungewöhnlich war. Angestrengt versuchte er, den zähen Strom der Erinnerungen zu durchdringen. »Ich … Maya?«
Schlagartig schwand die Schwärze. Als er die Augen aufschlug, blinzelte er in helles Licht. Schemenhaft konnte er vor sich Grashalme ausmachen, spürte, wie sie sich an seine Wange schmiegten.
»Endlich«, erklang die Stimme, die er nun wieder als Mayas erkannte. »Ich dachte, du würdest nie mehr aufwachen!« Verzweiflung und Erleichterung schwangen gleichermaßen in ihren Worten mit.
Simon kniff die Augen zusammen, um sie vor dem hellen Licht zu schützen, und rappelte sich in eine sitzende Position auf. Er fühlte sich sonderbar ausgelaugt, als habe er seit Tagen nicht geschlafen.
Er ließ den Blick schweifen, und endlich kehrten die Erinnerungen zurück. Das Tal. Der Kampf. Sie hatten mit Ravenna gekämpft – und mit Igor. Sein Blick streifte eine Gestalt, die sich in einiger Entfernung zusammengekauert hatte. Alexis. Er war kaum zu sehen, weil sein Seelengefährte Aron sich an ihn schmiegte und die Flügel halb um ihn geschlungen hatte.
Simons Blick wanderte weiter, zurück zu seiner eigenen Seelengefährtin. Maya. Nach dem Kampf war sie herbeigestürmt. Angst hatte in ihrer Stimme gelegen, etwas, das Simon bei der sonst so starken Drachin noch nie erlebt hatte. Selbst jetzt waren ihre Pupillen noch drachenuntypisch geweitet, während sie über ihm kauerte …
Lisa.
Mit einem Mal war alles wieder da. Die Schwärze wich endgültig von ihm, gab die Erinnerung an seine jüngste Schwester frei – eine Erinnerung, die sich wie ein Albtraum anfühlte und doch eine grausame Wahrheit zeigte.
»Nein!«, presste Simon gequält hervor. Beinahe wäre er wieder umgekippt, doch im nächsten Moment war Maya da, gab ihm Halt, zog ihn an sich. Dennoch hatte er das Gefühl, zu fallen, endlos zu stürzen ohne Aufprall. Ein Stich fuhr in sein Herz; er fasste sich ächzend an die Brust.
»Simon? Bleib wach!« Mayas Worte klangen drängend. Sie neigte den Kopf, bis sie ihm in die Augen sehen konnte, und ihr Blick war so intensiv, dass sie ihn damit in dieser Welt festhielt. Zugleich leuchtete Trauer daraus. »Es tut mir so leid«, sagte sie leise.
In diesem Moment brach der Damm, der Simons Gefühle zurückgehalten hatte. Er spürte, wie ihm eine erste Träne über das Gesicht lief, dann noch eine und noch eine, bis sich ihm ein abgehacktes Schluchzen entrang. Mit letzter Kraft klammerte er sich an Maya, schmiegte sich an ihre warmen, vertrauten Schuppen, während der Schmerz über ihn hereinbrach. »Warum sie?«, brachte er schluchzend hervor. »Sie hat niemandem etwas getan!«
»Ach Simon«, stieß Maya bekümmert hervor. Er fühlte, dass sie eine Schwinge über seine Schulter deckte, doch das vermochte seine Qualen nicht zu lindern.
»Sie war nicht einmal bei uns … Taran! Sie müssen nach Taran geflogen sein.« Sein Entsetzen wuchs. »Ich hätte sie beschützen –«
»Das konntest du nicht wissen!«, unterbrach Maya ihn. »Niemand konnte das. Bitte rede dir das nicht ein.«
Simon vermochte nicht zu antworten. Die Tränen flossen ihm in Strömen über die Wangen, und der Schmerz in seiner Brust machte ihm das Atmen schwer. Das Bild von Lisas Leiche hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Er hätte da sein müssen. Hätte seine Familie niemals allein lassen dürfen. Hätte –
»Simon?«
Langsam hob er den Kopf. Die Stimme gehörte Alexis. Simon hatte überhaupt nicht gemerkt, dass der Freund aufgestanden und herübergekommen war.
Unsicherheit zeichnete sich auf Alexisִ’ Zügen ab. »Was ist passiert?«, fragte er leise.
Simon starrte ihn an, ohne ein einziges Wort über die Lippen zu bringen. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins erinnerte ihn eine Stimme daran, dass auch Alexis heute Schockierendes entdeckt hatte. Dass er womöglich ebenfalls Trost und Beistand benötigte. Mehr noch – Hilfe, immerhin war er von einer Kugel schwarzer Magie getroffen worden. Doch der Gedanke zerstob sofort wieder. ›Schon seltsam‹, dachte er bei sich. ›Er ist so schockiert, weil jemand am Leben ist, während Lisa …‹ Erneut überrollte ihn der Schmerz, und er schmiegte seinen Kopf wieder an Mayas Brust. Arons tiefe Stimme konnte er damit nicht aussperren.
»Da kommt jemand!«, verkündete der Silberdrache alarmiert. Einen Moment später wich der wachsame Unterton aus seiner Stimme. »Es sind Mary und die anderen!«
Erschöpft hob Simon den Kopf und spähte in den Himmel. Mary und Leandra kamen mit zügigem Flügelschlag näher. Auf dem Rücken der orangegeschuppten Jungdrachin konnte er, verschwommen durch Tränenschleier, die Gestalt eines Mädchens erkennen. Alana. Simon wandte den Kopf wieder ab. Er wollte sie nicht sehen. Er wollte niemanden sehen.
»Jetzt, da sie zurück sind, sollten wir von hier verschwinden«, schlug Aron vor. »Dieser Ort ist nicht sicher.«
Maya senkte kummervoll den Kopf. »Ja, lasst uns einen geschützten Lagerplatz suchen«, antwortete sie leise. »Aber wir dürfen uns nicht zu weit entfernen.«
Aron blickte sie an, als zweifelte er an ihrem Verstand. Es war mehr als deutlich, dass er nichts lieber wollte als so viel Distanz zwischen die Gruppe und diesen Ort zu bringen wie möglich. Doch er fragte nicht weiter nach.
Alexis stand noch immer vor Simon, überragte ihn. Sein Gesicht war fahl, die tiefstehende Sonne malte Schatten darauf. Dennoch zuckten die Mundwinkel des Jungen, als wolle er sich an einem Lächeln versuchen. Er streckte die Hand aus. »Nichts wie weg von hier.«
Einen Moment lang blickte Simon die dargebotene Hand nur reglos an, wartete darauf, dass seine Gedanken sich sortierten. Dann hob er langsam und geradezu schwerfällig den Arm, spreizte die Finger und griff zu.
Ein Stich durchfuhr seine Hand, ließ die Haut und das darunterliegende Fleisch regelrecht in Flammen aufgehen. Die Pein benötigte kaum einen Herzschlag, um sich seinen Arm hinaufzufressen und seine Schulter zu erreichen.
Mit einem Schrei riss Simon sich los, prallte gegen Mayas Brust. Der Schmerz versengte seinen Arm, ließ ihn vergessen, wie man atmete. Erst etliche angestrengte Herzschläge später ebbten die Qualen endlich ab.
»Was ist passiert?«, fragte Maya alarmiert und beugte sich über ihn. Mit ihrer gegabelten Zunge berührte sie verschiedene Stellen seiner Haut, als wolle sie ihn auf Verletzungen untersuchen.
Entgeistert blickte Simon auf seinen Arm, erwartete fast, die Haut verkohlt zu sehen. Doch nichts deutete darauf hin, was er gerade durchlebt hatte.
Anders erging es Alexis. Ächzend ging er in die Knie, krümmte sich und hielt sich mit einer Hand die Brust.
»Alexis!« Aron war an die Seite seines Seelengefährten gesprungen. Er neigte den Kopf, versuchte den Jungen aufzurichten, doch der jaulte nur schmerzgeplagt auf. Hilflos breitete der Silberdrache die Schwingen aus und legte sie wieder an. Seine Schwanzspitze zuckte.
Schnelle Flügelschläge näherten sich, dann setzten Mary und Leandra auf dem Boden auf. Alana sprang sofort vom Rücken der Drachin, drängte sich an der Greifin vorbei und eilte zum Ort des Geschehens. Hektisch blickte sie zwischen Simon und Alexis hin und her, schien sich nicht entscheiden zu können, was sie tun sollte. »Was ist hier los?«
»Mach, dass es aufhört!«, stöhnte Alexis. Mittlerweile lag er beinahe auf dem Boden, so sehr hatte er sich zusammengekauert. Er neigte den Kopf zur einen, dann zur anderen Seite, dabei stieß er angestrengt Luft zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor.
»Dass was aufhört?« Alana trat an seine Seite, hob eine Hand und ließ sie ratlos wieder sinken. »Was tut dir weh?«
Mit einem Aufschrei ließ Alexis sich fallen, wälzte sich auf den Rücken und zog dabei den Saum seines Hemds in die Höhe. Er bäumte sich auf, dann verebbte sein Schmerzenslaut. Keuchend blieb der Junge liegen, die Augen geschlossen.
Alana schlug die Hände vor den Mund. Simon hatte noch immer das Gefühl, das Geschehen nur aus weiter Ferne zu beobachten, dennoch war ihm klar, dass die Gefährtin gerade zum ersten Mal die schwarze Verfärbung erblickte, die Alexis’ Brustkorb zeichnete. Der gewaltige Fleck pulsierte, zumindest sah es durch die schnellen Atemzüge des Jungen so aus. Außerdem hatte Simon den Eindruck, dass die schwarzen Verästelungen, die sich von dem Mal entfernten, zahlreicher geworden waren.
Alexis öffnete die Augen wieder, stöhnte und richtete sich auf. Offensichtlich hatte der Anfall endlich nachgelassen. Dafür war ein neuer Ausdruck in seine Augen getreten – Angst.
*
Alarmiert wich Katharina zurück.
Seit sie in der Vergangenen Stadt angekommen waren, hatten Maro und sie niemanden gesehen, weder Bewohner der Ruinen noch weitere Monster, die Ravenna ihnen geschickt haben könnte.
Nun lag ihre tierische Begleiterin, das kleine Kätzchen, reglos vor ihr im Staub. Aus dem Fell des Tieres schien Nebel zu tropfen. Die Dunstschlieren stiegen auf und formten eine gewaltige, gräuliche Wolke, die stetig dichter wurde. Ein tiefes Brüllen drang aus dem Inneren der Schwaden, hallte von den Tribünen der verfallenen Arena wider.
Katharina umfasste den Griff des Schwerts fester. Kurz überlegte sie, es fortzuwerfen und zu ihrem Florett zu greifen, doch das lag noch immer im Lager am anderen Ende der Stadt. Innerlich schalt sie sich für ihre Arglosigkeit. Prüfend wog sie die gefundene Waffe in der Hand. Doch wie sollte sie eine Klinge gegen eine Nebelwolke führen?
Maro trat schräg vor sie, sodass er sie halb verdeckte. Den Kopf hielt er kampfbereit gesenkt. Katharina meinte ein leises Knurren zu hören, das aus seiner Kehle drang, im Grollen der Nebelwolke jedoch beinahe unterging.
»Sei vorsichtig!« Sie wollte nicht wissen, was passieren würde, wenn ihr Seelengefährte die grauen Schwaden berührte. Doch er zuckte nur mit der Schwanzspitze.
»Ich werde nicht zulassen, dass dir jemand etwas tut«, verkündete er entschlossen.
»Es besteht kein Anlass zur Sorge«, erklang da eine helle, leicht undeutliche Stimme. »Ich hege keine Absicht, euch ein Leid zuzufügen.«
Entgeistert starrte Katharina das Dunstgebilde an. Hatte die Wolke gerade zu ihnen gesprochen?
Der Nebel geriet in Bewegung, zog sich noch enger zusammen und formte eine Gestalt. Das Wesen schien die gräulichen Fetzen in sich einzusaugen und Teil seines Körpers werden zu lassen. Blassblaue Schuppen schimmerten im Sonnenlicht, ein langer, sich verjüngender Schwanz pendelte dicht über dem staubigen Boden der Arena. Innerhalb weniger Sekunden stand an der Stelle, an der zuvor noch die Dunstwolke geschwebt war, ein zierliches Drachenweibchen.
Fassungslos trat Katharina einen weiteren Schritt zurück und schüttelte den Kopf. Drachen, die sich in Nebelwolken verwandelten? Davon hatte sie noch nie gehört!
»Seid gegrüßt«, sprach die fremde Drachin und neigte den Kopf. Noch immer klang ihre Stimme ein wenig undeutlich. »Es tut mir leid, wenn ich euch erschreckt habe, doch es besteht kein Anlass, euch gegen mich verteidigen zu müssen.«
»Das werden wir ja sehen«, meinte Maro abweisend. Ganz offensichtlich dachte er nicht daran, seine wachsame Haltung aufzugeben. »Wer bist du? Und was bist du?«
Die Fremde legte den Kopf schief und betrachtete Maro einen Moment lang. »Mein Name ist Darisa«, antwortete sie dann. »Zumindest war er das einmal. Und ich bin ein Drache wie du.«
Maro gab ein kurzes Schnauben von sich. »Das bist du ganz sicher nicht«, grollte er und grub die Krallen in den staubigen Boden. »Es gibt keine Drachen, die sich in Nebel verwandeln können. Also, was bist du und was willst du von uns?«
Die Worte ihres Seelengefährten bestätigten Katharinas Vermutung. Ihr kam der Gedanke, dass es vielleicht besser war, sich auf Maros Rücken zu schwingen und mit ihm davonzufliegen. Wer wusste schon, was dieses Wesen noch anstellen konnte? Auf der anderen Seite … Wenn es die Form eines Drachen annehmen konnte, würde es womöglich auch in der Lage zu sein, ihnen nachzufliegen. Unschlüssig ließ sie den Blick zwischen der Nebelkreatur und dem Drachen an ihrer Seite hin- und herwandern.
Darisa schien die Reaktion der beiden zu amüsieren. »Dass du etwas noch nicht gesehen hast, bedeutet nicht, dass es nicht existiert«, wandte sie sich wieder an Maro. »Aber in diesem Fall hast du recht. Eigentlich können Drachen können sich nicht in Nebel auflösen. Ich hingegen habe meine körperliche Hülle hinter mir gelassen.«
»Du hast … was?«, fragte Katharina verwirrt. Sie hatte diese Formulierung zwar schon gehört – doch dass das Wesen vor ihnen verstorben und folglich ein Geist sein sollte, erschien ihr noch unglaubwürdiger als der Gedanke, dass es Nebeldrachen geben könnte.
Darisa betrachtete sie aufmerksam, fast, als habe sie Katharinas Gedanken gelesen. »Ich weile noch in dieser Welt, aber ich kann mich nicht mehr frei bewegen. Ich bin zu einer Erinnerung geworden. Die Form, die ich jetzt für euch angenommen habe, kostet mehr Energie, als ich selbst noch in mir trage, daher kann ich sie ohne Hilfe nicht annehmen.«
»Dann bist du nicht allein.« Das Misstrauen in Maros Stimme leuchtete auch aus seinen Augen, als er sich umblickte.
Darisa schüttelte sachte den Kopf. »Und wieder irrst du. Ihr wart es, die mir geholfen habt.« Sie nickte in Richtung des alten Schwerts, das Katharina noch immer in den Händen hielt.
Verdattert betrachtete Katharina die Waffe. Was erzählte dieses fremde Wesen ihnen da? Jetzt, da sie genauer hinsah, entdeckte sie tatsächlich eine Veränderung. Der purpurne Stein, der unterhalb der Parierstange in den Schwertgriff eingelassen war, schimmerte leicht. Das Leuchten musste von innen heraus kommen, denn die Sonne stand in Katharinas Rücken und konnte nicht direkt auf den Knauf fallen.
Katharina lockerte den Griff um die Waffe etwas und streckte sie von sich. Vielleicht war es besser, sie einfach fallenzulassen.
Darisa schien ihr die Gedanken wieder am Gesicht ablesen zu können, denn sie trat einen Schritt vor. »Nein, bitte!«, rief sie aus.
Maro trat ihr knurrend in den Weg, doch die fremde Drachin machte keine Anstalten, noch näher zu kommen. Sie senkte den Kopf ein wenig und hielt den Blick einfach auf Katharina gerichtet. »Es ist die Energie des Steins, die es mir erlaubt, in dieser Form vor euch zu stehen. Aber ich kann nur auf diese Kraft zugreifen, solange jemand das Schwert hält. Bitte, ich muss mit euch sprechen.«
Unschlüssig ballte Katharina die Linke zur Faust. Was sollte sie tun? Konnte sie der Fremden glauben? »Du hast ihr wehgetan«, meinte sie anklagend und deutete auf das Kätzchen, das noch immer reglos im Staub lag.
Darisa senkte den Kopf noch weiter und reckte ihn vor, als wollte sie das schwarze Fellbündel anstupsen. »Das war nicht meine Absicht«, entgegnete sie. Sie klang bekümmert. »Ich wusste nicht, wie ich mich bemerkbar machen sollte. Daher sah ich keine andere Wahl, als durch sie zu agieren.«
»Gedankenkontrolle?«, rutschte es Katharina entsetzt heraus. Das klang verdächtig nach jener Fähigkeit, die auch die Klaue des Morero ihrem Träger verleihen sollte – und damit dem Grund, aus dem Simon und sie selbst vor so vielen Monaten ihr Zuhause verlassen hatten, um ihre Familien zu beschützen.
»Ich habe versucht, die Katze zu lenken, um euch den Weg zu weisen, ja«, bestätigte Darisa. »Aber ihr braucht euch nicht zu sorgen. Bei einem kleinen Wesen wie einer Katze ist dies möglich, nicht aber bei einem Menschen oder einem anderen Drachen. Und selbst wenn es in meiner Macht stünde, würde ich es niemals tun. Ich musste einfach mit euch in Kontakt treten und euch helfen, das Schwert zu finden.«
»Also wolltest du, dass wir dich befreien«, stellte Maro abweisend fest.
Die fremde Drachin zog sich wieder ein Stück zurück. »Natürlich. Ihr braucht mich. Und nur in dieser Form kann ich zu euch sprechen.«
»Um uns was zu sagen?« Katharina hielt das Schwert demonstrativ über den Boden. Wenn die Drachin noch einmal Anstalten machen würde, näherzukommen, würde sie es einfach fallen lassen in der Hoffnung, dass dies den Spuk wirklich beendete.
Darisa seufzte, dann ließ sie sich auf dem Boden der Arena nieder. Hauchzart wirbelte der Staub um sie herum auf. »Das Schwert gehörte meinem menschlichen Partner. Ihr seid unterwegs, um die schwarze Magie zu durchbrechen, die ihn in Ketten legte.«
»Ihn in Ketten legte?«, echote Katharina mit gerunzelter Stirn. »Du irrst dich. Wir sind nicht auf der Suche nach einem Menschen.« Dieses Wesen hielt sie nur hin. Besser, sie fanden schnell einen Weg, von hier zu verschwinden. Katharina warf Maro einen stummen Seitenblick zu, in dem sie ihm diesen Gedanken mitzuteilen versuchte, doch ihr Seelengefährte hielt seine Aufmerksamkeit auf die Nebeldrachin gerichtet. Seine Krallen gruben sich immer tiefer in den Sand der Arena.
Darisa schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass ihr keinen Menschen sucht. Aber Lorans letzte Schöpfung, das Feuer der Macht, ist mehr als nur die Feuerschale, die ihr vielleicht darin sehen mögt.«
Katharina zuckte unwillkürlich zurück. Auch Maro bewegten die Worte dazu, seine Wache einen Herzschlag lang zu vernachlässigen, um Katharina einen Blick zuzuwerfen.
Also wusste die Nebeldrachin doch etwas. Hatte sie den Schöpfer des Feuers der Macht wirklich gekannt? Oder hatte sie sie auf ihrer Reise belauscht und nutzte das nun gegen sie?
»Ihr werdet mir nicht einfach euer Vertrauen schenken.« Darisas Worte waren eine Feststellung, keine Frage. Sie erhob sich wieder, kam jedoch nicht näher. Stattdessen zog sie sich weiter von ihnen zurück und deutete dann mit der Schnauze auf die reglose Gestalt der Katze. »Versorgt eure kleine Freundin«, sagte sie milde. »Sie wird sich erholen, aber es kann nicht schaden, wenn sie es bequem und warm hat. Und dann nehmt euch Zeit, zu beraten. Wenn ihr bereit seid, mir zuzuhören, wisst ihr ja nun, wo ihr mich findet.«
Unschlüssig trat Katharina näher an Maro heran. Dabei betrachtete sie Darisas Züge, versuchte in ihren leicht durchscheinenden Augen zu lesen. Die Nebeldrachin begegnete ihrem Blick ruhig, aber auch etwas traurig, dann neigte sie leicht den Kopf und rollte sich zusammen, als wolle sie schlafen.
Zögerlich ging Katharina in die Hocke und machte Anstalten, das Schwert in den Sand zu legen. Ihr Seelengefährte wirkte hin- und hergerissen, doch dann nickte er. Eine seiner Schwingen legte sich federleicht auf ihre Schultern. Er war bei ihr. Katharina ließ den Griff los und zog die Hand zurück.
Einen Augenblick lang geschah nichts, dann begann das Leuchten des purpurnen Steins, der in die Waffe eingearbeitet war, zu verblassen. Darisa seufzte leise, und als Katharina hinüberblickte, sah sie, dass auch die Gestalt der Nebeldrachin immer durchscheinender wurde. Sie schien wieder zu dem Nebel zu zerfallen, aus dem sie entstanden war. Wenige Herzschläge später war sie nicht mehr zu sehen.
Als Katharina den Blick wieder senkte, war auch der Schimmer des Steins erloschen. Nichts erinnerte noch an den Spuk, den sie gerade erlebt hatten – nichts außer der leblosen Gestalt des Kätzchens. Katharina schüttelte den Kopf, als könne sie das gerade Erlebte damit als Traum abtun, dann brachten sie zwei schnelle Schritte an die Seite des schwarzen Fellknäuels.
»Vorsicht«, warnte Maro, als Katharina die Hand ausstreckte, doch sie schüttelte nur den Kopf.
»Der Nebel ist nicht zurück in ihren Körper gezogen. Sie ist wieder einfach die kleine Katze … oder?«
Ihr Seelengefährte hatte seine Anspannung noch nicht gänzlich abgelegt. Vorsichtig beugte er sich über das reglose Pelzknäuel und schnüffelte, dann zog er den Kopf zurück und blickte Katharina ratlos an. »Ich kann nichts feststellen. Aber wir haben bislang auch nicht bemerkt, dass sie …« Er schüttelte sich sichtlich nervös.
Unschlüssig nagte Katharina auf ihrer Unterlippe, dann gab sie sich einen Ruck und griff nach der Katze. Es würde ja doch nichts bringen, abzuwarten. Vorsichtig hob sie das Tier hoch und barg es an ihrer Brust. Sie spürte das kleine Herz unter ihren Fingern schnell und flach pochen, aber immerhin war die Katze am Leben.
Nahezu zeitgleich wandten Maro und Katharina ihre Blicke dem Schwert zu, das jetzt wieder nichts als eine alte, staubige Waffe war. »Wir sollten es in Stoff einschlagen«, schlug Katharina vor. »Hierlassen können wir es nicht.«
»Auf keinen Fall«, pflichtete Maro ihr bei. »Wenn Ravennas Monster es finden würden …«
»Dann glaubst du, dass Darisa die Wahrheit gesagt hat?« Katharina zögerte kurz, ehe sie mit einer Hand am Verschluss des Überwurfs nestelte, mit dem sie sich vor der frischen Seebrise schützte. Während sie weiterhin das Kätzchen an sich gedrückt hielt, wickelte sie den Umhang vorsichtig um den Griff des Schwerts und den unteren Teil der Schneide.
»Ich weiß es nicht«, sagte Maro zweifelnd. »Ich weiß es wirklich nicht.«
*
Als Simon die Augen aufschlug, war er in Grau gehüllt. So weit das Auge reichte, sah er nichts als Nebel. Zuerst dachte er, er befände sich in der Traumwelt, aber die trägen Schwaden hatten nicht die milchig weiße Farbe, die ihm mittlerweile geradezu vertraut war. Stattdessen waren sie grau wie sich am Himmel auftürmende Gewitterwolken.
Schaudernd blickte Simon sich um. Er konnte Himmel und Erde nicht unterscheiden. Der Nebel war überall, umgab ihn und war doch nicht greifbar. Obwohl Simon auf festem Boden stehen musste, konnte er diesen nicht durch seine Schuhe hindurch spüren. Da war einfach – nichts.
Sein Herz begann stärker zu pochen, gleichzeitig hatte er das Gefühl, als würde ihm etwas die Luft abschnüren. »Maya?«, versuchte er seine Seelengefährtin in Gedanken zu erreichen, aber es kam keine Antwort. Er war allein.
Unruhig wandte Simon sich zur einen Seite, dann zur anderen. Wohin sollte er sich wenden? Und was war hier los? Er spürte, wie sein Herz immer schneller klopfte. Es war, als würde etwas auf ihn lauern, eine drohende Gefahr im nicht enden wollenden Grau. Doch noch immer konnte er nichts entdecken.
Die Unruhe in seinem Inneren gewann die Oberhand. Er lief los, erst langsam, dann immer schneller. Wohin er rannte, wusste er nicht, aber er konnte nicht stehenbleiben. Etwas in ihm drängte ihn, vor der unsichtbaren Gefahr zu fliehen, zu rennen, so schnell seine Füße ihn zu tragen vermochten. Mit jedem Schritt beschleunigte sich sein Herzschlag; er begann zu keuchen. Seine Atemzüge schienen in der Welt aus Grau einen sonderbaren Nachhall zu hinterlassen.
Plötzlich drang noch ein anderer Laut an seine Ohren. Simon unterbrach seine kopflose Flucht, konnte sich endlich dazu durchringen, innezuhalten. Angespannt verharrte er und lauschte, drehte den Kopf nach links und rechts in der Hoffnung, nun endlich etwas erspähen zu können. Vergeblich.
»Simon?«, hallte plötzlich eine ferne Stimme durch das ewige Grau.
»Ja?« Die Antwort rutschte Simon heraus, ehe er genauer darüber nachdenken konnte. Er zuckte vor seiner eigenen Stimme zurück, doch kein Monster brach aus dem grauen Nebel hervor, um ihn zu verschlingen. Stattdessen ertönte wieder die entfernte Mädchenstimme.
»Simon, wo bist du?«
»Ich bin hier«, antwortete Simon, ohne genau zu wissen, was er mit ›Hier‹ eigentlich meinte. »Wie kann ich dich finden?«
Ein wortloses Grollen wie von fernem Gewitter rollte durch das Nichts. Simon spürte, wie sich eine Gänsehaut auf seinen Armen bildete. Ein eisiger Schauer rollte über seine Schultern und sein Rückgrat hinab.
Das Mädchen begann zu wimmern. »Simon«, rief sie kläglich, »ich habe Angst!«
»Warte, ich komme!« Simon spürte, wie die Unruhe in seinem Inneren wieder wuchs. »Sag mir, wo du bist!«, rief er in das Nichts hinaus. Dann rannte er wieder los, lenkte seine Schritte in eine wahllose Richtung in der Hoffnung, fündig zu werden.
Anstelle einer Antwort wimmerte das Mädchen wieder, leiser als zuvor diesmal. »Ich habe es gewusst«, jammerte sie. »Wir werden uns nicht wiedersehen. Du wirst mich verlassen, für immer!«
Die Kälte erreichte Simons Herz. Irgendetwas lösten die Worte in ihm aus, rührten an seiner Erinnerung. Er hatte diese Sätze schon einmal gehört, doch wann und wo? »Ich bin unterwegs«, presste er hervor. »Sag mir doch, wie ich dich finden kann!« Er änderte die Richtung, um seine Suche an einer anderen Stelle der Nebelwelt fortzusetzen.
Urplötzlich wurde die Stimme des Mädchens lauter, schraubte sich in die Höhe. »Aufhören!«, kreischte sie. »Das tut weh!«
Simon blickte sich mit wachsender Verzweiflung um. »Was meinst du? Ich habe nichts gemacht!« Die grauen Dunstschwaden schluckten seine Worte.
»Sei still, kleines Gör!«, erklang stattdessen eine andere Stimme, tief und bedrohlich. Simon hielt inne und presste sich eine Hand auf die Brust, unter der ein Stich in sein Herz gefahren war. Er war sich ganz sicher, auch diese Stimme schon einmal gehört zu haben, wie sie genau diese Worte sprach. Etwas Schlimmes würde passieren, wenn er das Mädchen nicht schnell fand – doch wie sollte er das anstellen?
»Du hast es nicht anders gewollt«, setzte die dunkle Stimme nach. Ein neuerliches Grollen rollte durch die Welt aus Grau wie ein eisiger Windhauch. Die Zeit war beinahe abgelaufen!
Verzweifelt drehte Simon sich um sich selbst – und erstarrte. Im Nebel war eine Gestalt in einer Kutte auszumachen. Unter der Kapuze leuchteten kleine, boshafte Augen hervor. »Warum hast du sie alleingelassen?«, fragte die Fremde mit kratziger Stimme.
»Das habe ich nicht«, wollte Simon protestieren, doch seiner Kehle entrang sich nur ein dünnes Krächzen. Er wich einen Schritt von der gebeugten Gestalt zurück.
»Nein, nicht!«, erklang in diesem Moment wieder die Stimme des Mädchens irgendwo in der Nähe. »Bitte …«, flehte sie.
Die Fremde hob einen Arm und richtete den knochigen Zeigefinger auf Simon. »Du solltest dich daran gewöhnen, zu verlieren, wen du alleinlässt«, verkündete sie hämisch.
Dann zerriss der gellende, spitze Schrei des Mädchens das Grau, brach durch den Nebel und riss ihn entzwei. Schlagartig konnte Simon das Mädchen sehen, wie es rückwärts zwischen einige Sträucher zu kriechen versuchte. Ihre dunklen Haare verhakten sich im Geäst, doch schon im nächsten Moment wurden sie freigerissen, als die große, geflügelte Bestie sich mit aufgerissenem Maul auf das Mädchen stürzte.
»Lisa!«, schrie Simon, als er aus dem Albtraum auffuhr. Einen Augenblick lang war er überzeugt, sich weiterhin in der Welt aus endlosem Nebel und Grau zu befinden, doch dann erkannte er, dass es sich nur um den Rauch des herunterbrennenden Lagerfeuers handelte.
Seinen Schmerz minderte das in keinster Weise. Die Erinnerungen und Traumfetzen hatten sich zu einem grausigen Gesamtbild vereint, das nun wieder und wieder auf ihn einstürzte und tiefe Wunden in sein Herz riss.
»Simon!« Natürlich hatte sein Schrei das gesamte Lager aufgeweckt. Maya riss den Kopf in die Höhe und blickte sich hektisch um, als erwarte sie einen Überfall.
Simon fehlte die Kraft, sie zu beruhigen. Sein Herz pochte zum Zerbersten stark, und mit jedem Schlag traf ihn der Schmerz.
Einen Augenblick lang war er wie gelähmt, dann wandte er sich um und schlang die Arme um den Hals seiner Seelengefährtin. Verzweifelt barg er das Gesicht an ihren Schuppen. »Es ist meine Schuld«, presste er heiser hervor. »Ich hätte sie niemals alleinlassen dürfen!« Er schluchzte, erste Tränen rannen ihm über das Gesicht.
»Oh Simon«, hörte er Maya brummen, dann spürte er einen warmen Hauch über seinen Nacken streichen. Dieses Mal jedoch vermochte der Drachenatem ihn nicht zu beruhigen. »Du darfst dir das nicht einreden«, sagte seine Seelengefährtin sanft. »Niemand konnte wissen, wie weit Ravenna gehen würde. Und du kannst nicht –«
»Du verstehst nicht!« Simon verschluckte sich beinahe an den Worten und seinen Tränen. All der Schmerz, als der Kummer bahnte sich einen Weg ins Freie. »Sie hat es gewusst! Lisa hat gewusst, was passieren würde, und ich habe ihr nicht geglaubt!« Wimmernd drückte er sich enger an seine Seelengefährtin, als er die Worte seiner Schwester erneut in seinen Erinnerungen hörte. ›Wir werden uns nicht wiedersehen‹, hatte sie gesagt – damals, als er zusammen mit seinen Freunden Taran verlassen hatte. Er hatte ihr versprochen, bald zurück zu sein – und er hatte sein Versprechen gebrochen.
»Simon, das ist Unsinn«, drang Mayas Stimme an seine Ohren. »Woher hätte Lisa das wissen sollen? Bitte, ich weiß, dass es schmerzt, aber du darfst dich nicht in deinen Schuldgefühlen verrennen!«
Er klammerte sich nur noch fester an ihre Halszacken, musste zu sehr schluchzen, um auch nur den Kopf schütteln zu können. »Sie hat es gewusst«, wiederholte er mit brechender Stimme, die durch die Tränen sicher nicht mehr zu verstehen war.
»Hör auf!«, erklang Mayas Stimme plötzlich sehr viel deutlicher. Obwohl er direkt neben ihr saß, war das Band, das die beiden im Geiste verband, sogar noch enger. Ihre Gedankenstimme klang energisch, auch wenn er seinen eigenen Schmerz darin gespiegelt hörte. »Was bringt es Lisa, wenn du dich jetzt in Schuldgefühlen verlierst? Was bringt es irgendwem? Katharina, Jana? Deiner Mutter daheim in Taran? Für sie musst du weitermachen!«
Simon wollte aufschreien, wollte der Drachin sagen, dass sie still sein sollte. Der Schmerz war zu stark. Im Geiste sah er wieder Lisas Leichnam vor sich, und nun gesellte sich seine verbliebene Familie nach und nach dazu. Vor seinem inneren Auge sah er sie zu Boden gehen, einen nach dem anderen – reglos, mit zerfetzten, blutigen Kleidern.
Ravennas Bestien waren in Taran gewesen. Sie hatten Lisa entführt und umgebracht. Wieso hätten sie seine Mutter verschonen sollen? Auch auf Katharina und Maro machten die Kreaturen bereits Jagd – und wer sagte, dass nicht auch einige von ihnen die Burg der Antike belagerten, um an Jana heranzukommen?
›Du solltest dich daran gewöhnen, zu verlieren, wen du alleinlässt.‹ Ravennas Worte waren keine leere Drohung gewesen. Und nun waren seine Liebsten zu verstreut, als dass er sie vor ihr hätte beschützen können. Er hatte versagt, und sie alle würden dafür bezahlen müssen.
»Simon!«
Die Stimme klang so scharf, dass er zusammenzuckte und reflexartig den Kopf drehte. Alana stand über ihm, die Hände in die Hüften gestemmt. Selbst durch den Tränenschleier hindurch und im Licht der glimmenden Kohlen konnte er erkennen, dass es in ihren Augen blitzte. Instinktiv lehnte er sich zurück, erwartete, dass auch sie ihn anschreien und beschuldigen würde. Ihr Blick hielt den seinen gefangen.
Schon wenige Herzschläge später wandelte sich jedoch der Ausdruck in ihren Augen, wurde milder. Sie neigte leicht den Kopf, dann ging sie in die Hocke, sodass sie sich auf Augenhöhe mit ihm befand. Sie streckte eine Hand vor und umfasste sein Handgelenk, kräftig, jedoch nicht schmerzhaft. »Maya hat recht«, sagte sie. »Wenn du zulässt, dass deine Schuldgefühle dich kontrollieren, erreichst du gar nichts.«
Simon konnte nicht antworten. In seinem Inneren tobte der Schmerz, wollte die Bilder zurück in seine Gedanken zwingen. Doch Alanas Augen blieben, schoben die Erinnerungen fort.
»Ich weiß, wie diese Träume sind«, sprach sie leise und drückte seine Hand.
Die Worte drangen direkt in Simons Herz. Der Schmerz blieb, doch er wuchs zumindest nicht weiter an. Simon gelang es, einen tiefen Atemzug zu tun, dann noch einen.
»Sie hat recht«, schaltete Maya sich ein. Irgendwie gelang es ihr, im Liegen einen Vorderlauf anzuheben und Simon mit ihren starken Klauen zu umschließen. Sie zog ihn eng an sich, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. »Wir sind alle bei dir«, verkündete sie. »Wir lassen dich nicht allein. Glaub mir, wir werden Ravenna für das büßen lassen, was sie Lisa angetan hat. Wir werden sie finden und gemeinsam dafür sorgen, dass sie nie wieder jemandem etwas antun wird.«
Simon löste seinen Blick von Alana und betrachtete seine Seelengefährtin. Es mochte das Glimmen der Kohlen sein, doch die Entschlossenheit loderte in ihren Augen wie Feuer, und als er den Blick langsam schweifen ließ, sah er diese Emotion in den Blicken von Alana, Mary, Leandra und Aron gespiegelt. Selbst Alexis blickte herüber, und Simon glaubte zu sehen, dass er leicht nickte.
Simon atmete erneut tief durch und ließ sich die Worte seiner Freunde durch den Kopf gehen. Mit jedem Mal, dass er sie sich in Erinnerung rief, legte der Sturm in seinem Inneren sich ein wenig. Er war noch nicht in der Lage, den Gefährten eine Antwort zu geben, doch er fühlte sich auch nicht mehr, als würde er durch ewige Schwärze stürzen.
Wortlos ließ er Mayas Hals los, legte sich wieder an ihre Seite und drückte sich eng an sie. Er wagte es nicht, die Augen zu schließen, also konzentrierte er sich auf das Gefühl von Mayas Schwinge, die sie über ihn deckte.
Seine Gefährten hatten ihm ein Versprechen gegeben. Und daran musste er festhalten.
Fröstelnd blickte Alana in den Himmel. Die Sonne kletterte gerade erst über den Horizont und war durch den Nebel, der über dem Land lag wie ein Zeltdach, nur als milchige Scheibe zu erkennen. An dem steinernen Überhang, unter dem die Gefährten ihr Lager aufgeschlagen hatten, hingen einzelne Wassertropfen. Während Alana an dem Felsvorsprung vorbei in die Höhe spähte, nahm sie immer wieder wahr, wie einzelne Tropfen sich vom Gestein lösten und zu Boden tropften.
Neben Alana regte sich etwas, dann strichen weiche Federn über ihren Arm. Leandra richtete den Blick gen Himmel, betrachtete den verhüllten Sonnenaufgang einen Moment lang reglos. Dann stand die cremefarbene Greifin auf und schüttelte ihr Gefieder aus. Eine einzelne Feder löste sich dabei und glitt zu Boden.
Alana beugte sich vor, hob die Feder auf und drehte sie langsam zwischen den Fingern. Dabei sah sie hinüber zu Simon. Sie konnte ihn unter Mayas Flügel nicht ausmachen, doch offenbar schlief er noch – oder vielmehr endlich. Die Drachin hatte die Augen geöffnet, regte sich aber nicht. Vermutlich wollte sie ihren Seelengefährten nicht stören. Alana konnte ihr das nicht verdenken.
Kurzentschlossen drehte Alana sich in die andere Richtung und klopfte Mary sachte auf eines ihrer Vorderbeine. Die junge Drachin erwachte sofort, hob den Kopf und machte Anstalten, etwas zu sagen. Schnell legte Alana einen Finger an die Lippen und bedeutete ihrer geschuppten Freundin, still zu sein. Dann deutete sie wortlos in Simons Richtung, anschließend auf die gegenüberliegende Seite des Lagerfeuers. Auch Alexis schlief noch, doch er zuckte immer wieder unruhig im Schlaf; seine Züge waren zu einer Grimasse verzogen. Aron war ebenfalls schon wach und hatte den Schwanz um seinen menschlichen Partner gelegt, als könne er ihn damit schützen.
Alana wandte ihren Blick wieder Mary zu und versuchte ihr mit wortlosen Gesten klarzumachen, dass sie im Lager bleiben sollte. Die beiden Jungen hatten jeden Moment Ruhe, den sie bekommen konnten, bitter nötig. Aber ihre Drachengefährten waren zu beschäftigt damit, über ihren Schlaf zu wachen. Sollten Ravennas Monster wieder auftauchen, würden sie es vielleicht zu spät bemerken.
Mary betrachtete sie fragend, dann schien sie zu verstehen. Unwillen blitzte in ihren Augen auf, doch sie gab sich geschlagen und richtete ihren Blick auf den Ausgang des kleinen Talkessels, in dem die Gefährten die Nacht verbracht hatten.
Alana nickte ihr dankbar zu, dann kam sie leise auf die Füße. Sie griff in Leandras Gefieder und sprang mit einem Satz auf den Rücken der Greifin. Die richtete die Ohren in alle Richtungen, als wolle sie sich ein letztes Mal davon überzeugen, dass alles in Ordnung war. Erst dann setzte sie sich in Bewegung. Ihre Krallen schabten kaum hörbar auf dem steinernen Untergrund. Sie richtete den Schnabel in die Höhe, wollte ganz offensichtlich am liebsten direkt losfliegen. Doch der steinerne Überhang, der den Gefährten Deckung vor Pfeilen oder magischen Geschossen gab, versperrte ihr den Weg. Leandra hätte zwar mit etwas Geschick auch direkt davor aufsteigen können, doch stattdessen lief sie weiter – womöglich, um nicht zu verraten, wo genau sich ihr Lager befand, falls sie jemand im Flug entdecken sollte.
Alana spürte ihr Herz voller Ungeduld pochen. Sie sehnte sich danach, den Wind in ihren Haaren zu spüren und den Boden weit unter sich verschwinden zu sehen. Ob die Greifin dieses Gefühl auffangen konnte oder Alana ihr unbewusst die Beine in die Seiten gedrückt hatte – Leandra blickte sich um, ein wissendes Funkeln in den Augen. Dann beschleunigte sie ihre Schritte, bis sie die Felsenge hinter sich gelassen hatten. Vor ihren senkte der Boden sich sanft ab, in einiger Entfernung befand sich die Baumgrenze eines kleinen Wäldchens.
Endlich spannte die Greifin die Flügel auf, drückte sich vom Boden ab und erhob sich in die Luft. Mit kräftigen, gleichmäßigen Flügelschlägen stieg sie empor, bis die Bäume weit unter ihnen lagen, umgeben von dünnen Nebelschwaden.
Jetzt, da sie sich so hoch oben in der Luft befand, schlug Alanas Herz etwas freier. Sie seufzte erleichtert und schloss einen Moment lang die Augen.
»Es ist viel passiert, seit die Sonne gestern aufgegangen ist«, stellte Leandra fest, als habe sie die Gedanken ihrer Reiterin gelesen.
»Das kannst du laut sagen«, murmelte Alana, dann erhob sie die Stimme, damit die Greifin sie trotz des Flugwinds hören konnte. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, meine Gedanken zu sortieren. Ravenna, Alexis’ Vater, die sonderbare Wunde und Alexis’ Anfälle, Simons Schwester …« Sie erschauderte bei der Erinnerung daran, wie Maya ihnen am neuen Lagerplatz von ihrem grausigen Fund berichtet hatte. »Wieso tun die Bestien so etwas?«, fragte sie beklommen. »Sie haben Lisa einfach umgebracht!«
»Das macht die schwarze Magie«, zischte Leandra und legte die Ohren zurück. »Die Bestien sind grausam, blutrünstig, aber sie waren nicht immer so. Einst waren sie ganz normale Zwerggreife. Ravenna ist es, die sie verwandelt hat. Und die ihnen den Auftrag gab, das Mädchen zu entführen. Da bin ich ganz sicher.«
Die Worte sorgten nicht gerade dafür, Alanas Stimmung aufzuhellen. »Sie hat ganz genau gewusst, womit sie Simon treffen kann. Und sie hat versucht, Katharina und Maro zu entzweien. Das wäre ihr sogar beinahe gelungen … was wird sie als nächstes tun, um uns loszuwerden?« Das war nicht die Frage, die sie eigentlich hatte stellen wollen. Zumindest nicht die ganze. Ravenna hatte Katharina und Maro ins Visier genommen, dann Simon und mit ihm auch Maya. Wann würde sie ihre Aufmerksamkeit auf Alana, Mary und Leandra richten?
»Alana.« Leandra war langsamer geworden, bis sie beinahe auf der Stelle flog. Den Kopf hatte sie so weit wie möglich nach hinten gewandt, um Alana ansehen zu können. In den Augen der Greifin loderte ein Feuer. »Lass dich nicht einschüchtern. Was sie auch versucht, sie wird keinen Keil zwischen uns treiben können. Wir werden sie aufhalten. Das ist unsere Aufgabe.«
»Aber wir müssen dafür …«, hob Alana an, führte den Satz dann aber doch nicht zu Ende. Das war noch so ein Gedanke, mit dem sie sich gerade nicht näher beschäftigen wollte. Stattdessen beugte sie sich lieber vor und schlang der Greifin die Arme um den Hals. »Ich danke dir«, sagte sie leise.
Leandra krächzte verwundert, doch dann neigte sie leicht den Kopf. Anschließend wandte sie den Blick wieder nach vorn, beschleunigte ihre Flügelschläge und trug Alana weiter durch die Lüfte, bis der Nebel sich endlich lichtete und die Sonne ihre ersten Strahlen gen Boden schicken konnte.
*
»Das kannst du nicht machen!«
Simons wütender Ausruf schallte ihnen entgegen, noch bevor Leandras Krallen wieder den Boden berührten. Die Greifin landete, verharrte kurz und spitzte alarmiert die Ohren. Dann rannte sie in Richtung des Felsüberhangs, unter dem sich das Lager befand.
Alanas Herz begann schneller zu schlagen. Was war passiert? Hatten Ravenna und ihre Monster sie doch gefunden? Stand ihnen ein weiterer Kampf bevor? Innerlich wappnete sie sich dafür, jeden Moment einem Haufen Gegner gegenüberzustehen.
Als Leandra jedoch um die letzte Kurve bog und scharf abbremste, war das Lager unter dem Felsüberhang unversehrt. Mary, Aron und Alexis hockten auf der einen Seite des Feuers. Sie beachteten die Ankunft der beiden kaum, stattdessen hatten sie ihre Aufmerksamkeit auf Simon und Maya gerichtet, die einander auf der anderen Seite des Feuers gegenüberstanden.
»Ich lasse sie nicht hier!«, fauchte Simon in diesem Moment.
Maya senkte den Kopf und blickte ihn bekümmert an. »Ich weiß, dass das schwer für dich ist«, sprach sie auf ihn ein. »Aber es ist die einzige Möglichkeit.«
»Das hast du nicht zu entscheiden!« Simon deutete mit dem Zeigefinger der ausgestreckten Rechten anklagend auf die Drachin. Er war außer sich. »Ich habe sie einmal im Stich gelassen und sie hat dafür bezahlt. Ich werde sie jetzt nicht einfach hier zurücklassen!«
»He!«, rief Alana energisch, während sie von Leandras Rücken glitt. Sie stemmte die Hände in die Hüften und machte ein paar Schritte auf die Streitenden zu. »Was ist hier eigentlich los?«
Für einen kurzen Moment gelang es ihr, Simon aus seiner Rage aufzurütteln. Er blickte sie grimmig an, seine Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Maya hingegen wirkte eher bekümmert.
»Es geht um Lisa«, erklärte die Drachin schließlich. »Es würde Wochen dauern, sie nach Taran zu bringen. Wir haben aber womöglich nur Tage, ehe Ravenna uns erneut attackieren wird. Außerdem ist sie schon …« Maya zögerte sichtlich. »Sie ist schon eine ganze Weile tot«, brachte sie schließlich zurückhaltend hervor, dabei warf sie ihrem Seelengefährten einen sorgenvollen Seitenblick zu. »Wenn wir ihr die Totenruhe geben wollen, müssen wir sie hier begraben.«
»Sie gehört nach Taran, zu unserer Familie«, knurrte Simon. Er hatte die Hände mittlerweile zu Fäusten geballt. »Das bin ich ihr schuldig! Genauso wie unserer Mutter! Sie wird bei unserem Vater –«
»Simon!«, unterbrach Maya ihn verzweifelt und machte einen Schritt auf ihn zu. »Wenn ich könnte, würde ich dir diesen Wunsch erfüllen, aber siehst du nicht, dass das nicht möglich ist? Bis wir dort wären, wäre ihr Körper … ich will dir das nicht antun!« Sie musste sich sichtlich sammeln. »Und Ravenna hätte sich mit Sicherheit wieder gefangen. Wer weiß, ob sie noch weitere Dämonen freizusetzen vermag. Wir müssen sie aufhalten, sie und … ihr Gefolge!«
Die Umschreibung vermochte nicht zu verhindern, dass Alexis zusammenzuckte und sich enger an Aron schmiegte.
»Sie können gehen.« Unvermittelt sah Alana Simons Finger auf sich selbst gerichtet, dann auf Leandra und zuletzt auf Mary. »Es ist nicht unsere Aufgabe, Ravenna aufzuhalten. Das war immer ihre, sie sind die Auserwählten. Wir bringen Lisa nach Hause, während sie Ravenna finden.«
»Und dann was?« Maya wirkte fassungslos. »Sollen sie es vielleicht allein mit den Bestien und Ravennas dunkler Magie aufnehmen?«
Simon blickte seine Seelengefährtin mit leerem Blick an. »Das ist mir egal«, entgegnete er tonlos.
Alana konnte nicht glauben, was sie da gerade hörte. Bislang hatte sie stumm zugehört, doch nun spürte sie Unwillen in sich aufwallen. Mit schnellen Schritten lief sie zu Simon hinüber, und bevor dieser reagieren konnte, packte sie ihn bereits bei den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. »Sag das nochmal!«, forderte sie. »Hörst du eigentlich, was du da redest? Ich verstehe ja, dass du deine Schwester zu Hause begraben willst, aber willst du dafür wirklich deine Freunde im Stich lassen?«
Simon versteifte sich in ihrem Griff, wehrte sich jedoch nicht. Stattdessen verengte er die Augen und öffnete den Mund, vermutlich, um ihr zu widersprechen. Doch so weit ließ Alana es nicht kommen. »Oh nein!«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Jetzt rede ich!« Sie schüttelte ihn noch einmal, dann holte sie tief Luft, um die Worte in ihrem Herzen zu sortieren. »Wenn ihr jetzt geht, sind wir in drei Gruppen aufgespalten«, versuchte sie so gefasst wie möglich zu erklären, doch sie spürte, wie sich ein scharfer Unterton in ihre Stimme schlich. »Was glaubst du wohl, wie lange es dauern wird, bis Ravennas Monster uns finden und eine Gruppe nach der anderen erledigen? Wir hatten ihnen beim letzten Mal schon kaum etwas entgegenzusetzen!«
»Sie werden nicht –«, gelang es Simon diesmal hervorzubringen, ehe Alana ihn erneut ausbremste.
»Nein, das werden sie nicht«, bestätigte sie. »Weil wir uns nicht noch einmal aufteilen werden! Du kannst mir erzählen, was du willst, aber ich werde dir nicht glauben, dass wir dir egal sind. Nicht nach den letzten Monaten. Du wirst uns nicht im Stich lassen, hörst du? Alexis und Aron nicht. Mary und Leandra nicht. Mich nicht. Maro nicht. Und schon gar nicht … Katharina.« Alanas Ärger verflog, machte einer sonderbaren Leere Platz. Langsam ließ sie Simon los und trat einen Schritt zurück. »Sie ist deine Freundin. Und du willst sie mindestens genauso sehr wiedersehen und in Sicherheit wissen wie ich. Das weiß ich. Also lass sie jetzt nicht im Stich.«
Mit ihren letzten Worten war sie offenbar endlich zu Simon durchgedrungen. Ihm blieb der Mund offen stehen, in seinen Augen begann es verdächtig zu schimmern. Seine Hände ballte er nicht länger zu Fäusten, stattdessen sanken seine Schultern herab. »Ich …«, stammelte er und streckte eine Hand aus, nur um sie dann wieder sinken zu lassen. »Ich wollte doch nicht …«
»Schon gut.« Alana winkte ab. »Das wissen wir.«
»Simon?«, sagte Maya vorsichtig und machte einen Schritt auf ihn zu. »Ich will dir doch nichts Böses. Ich würde niemals etwas tun, das dir schaden könnte. Und ich weiß, wie sehr dich der Gedanke schmerzt, Lisa nicht nach Hause bringen zu können. Aber wir haben keine Wahl.« Sie drückte ihre Schnauze sanft gegen seine Wange. Als er sich nicht länger wehrte, kam sie noch näher, ließ sich auf die Hinterbeine sinken und zog ihnen mit einem Vorderlauf an sich.
Alana atmete tief durch, während sie die beiden betrachtete. Sie war erleichtert, Simon zur Vernunft gebracht zu haben, doch zugleich war sie auch erschöpft davon, überhaupt mit ihm gestritten zu haben. Es war das erste Mal, seit sie sich den Gefährten angeschlossen hatte, dass sie die Führung übernommen und ihre Entscheidung durchgesetzt hatte. Dieses Gefühl behagte ihr nicht. Im Stillen hoffte sie, dass es zugleich auch das letzte Mal gewesen sein möge, doch ein flaues Magengrummeln zeigte ihr, dass sie selbst nicht recht daran glaubte. Nicht, solange Simon und Alexis beide in ihrer Schockstarre gefangen waren.
Sie wurde zurück in die Gegenwart geholt, als Leandra sie mit dem Schnabel an der Schulter anstieß. Die Greifin machte eine vielsagende Geste in Simons Richtung, dann blickte sie gen Himmel und legte die Ohren zurück. Alana verstand nur zu gut, was ihre gefiederte Begleiterin sagen wollte: Die Sonne stieg stetig höher. Je länger sie zögerten, desto mehr Zeit gaben sie Ravenna, sich zu fangen. Sie hatten einen Auftrag zu erfüllen – und sie mussten sich beeilen. Dennoch widerstrebte es Alana, Simon und Maya aus dem Moment der Zweisamkeit zu reißen. Der Jugendliche konnte den Trost und die Nähe seiner Seelengefährtin gerade dringend brauchen.
Leandra hatte da offenbar weniger Skrupel. »Wir sollten uns beeilen, ein Grab auszuheben«, schnarrte sie. »Bevor die Bestien womöglich zurückkommen und uns den Weg abschneiden.«
Simon zuckte zusammen. Maya schnoberte ihm beruhigend über die Haare, dann hob sie den Kopf und blickte Leandra mit leichtem Tadel an. »Ich schlage vor, dass wir sie dort begraben, wo ich sie gefunden habe«, sagte sie leise, ohne den Grimm, der aus ihren Augen leuchtete, einen Weg in ihre Stimme finden zu lassen. »Dort ist sie geschützt, nun, da das Feuer der Macht wieder über das Tal wacht. Und der Boden der Lichtung ist weich genug, ein Grab auszuheben.«
Alana biss sich auf die Zunge. Wenn Mary, Leandra und sie den Auftrag ausführten, den der Geist der silbernen Flamme ihnen erteilt hatte, würde das Tal nicht mehr lange von dem magischen Schutz profitieren. Wenn sie das jedoch laut aussprach, würde Simon bestimmt wieder darauf beharren, Lisas Leiche nach Taran bringen zu wollen.
Hilflos blickte Alana erst zu Leandra, dann zu Mary. Sie konnte das Thema hier nicht offen ansprechen. Doch ebenso erschien es ihr undenkbar, mit Maya allein zu reden. Sie würde Simon nicht von der Seite weichen. Was also sollte Alana tun?
Die blaugeschuppte Drachin legte den Kopf schief. Ganz offensichtlich war ihr der Blickwechsel der drei nicht entgangen. Doch sie schüttelte nur stumm den Kopf, ehe sie ihre Aufmerksamkeit erneut Simon zuwandte.
»Lass sie«, raunte Leandra Alana zu. »Dies ist nicht die Zeit zum Reden.« Mit Sicherheit war ihre Stimme laut genug, dass auch Maya die Worte auffangen würde, doch zumindest Simon schien nichts zu merken.
»Aber –«, wisperte Alana zögerlich zurück, dann seufzte sie ergeben und nickte. »Sollen wir schon einmal vorfliegen?«, fragte sie laut in die Runde, auch wenn ihr bei der Vorstellung, die verwesende Leiche des Mädchens zu sehen, übel wurde. »Wir können das Grab ausheben, während ihr das Lager abbaut. Und dann …« Sie zuckte ratlos mit den Schultern.
»Das ist eine gute Idee«, ging Maya auf das Angebot ein, die Stimme eine Mischung aus Milde und Kummer. »Ich danke euch.«
Simon löste sich von seiner Drachengefährtin. Seine Augen waren gerötet, als er Alana den Blick zuwandte, doch auch er nickte. Dann lief er steif zu den Taschen, die an der Felswand aufgestapelt waren, öffnete eine davon und griff hinein. Als er sich wieder umwandte, hielt er seinen langen Umhang in den Händen. Damit lief er auf Alana zu und streckte ihn ihr entgegen. »Sie soll etwas von mir bei sich haben«, sagte er mit rauer Stimme.
Alana musste schlucken. Sie war nicht in der Lage, zu antworten, daher nahm sie den Umhang nur stumm entgegen. Sie ertrug den Anblick der Tränen in Simons Augen nicht, also wandte sie sich schnell ab und zog sich erneut auf Leandras Rücken. »Kommt ihr hier zurecht?«, presste sie hervor.
»Mach dir keine Sorgen.« Aron hatte sich bislang aus dem Geschehen herausgehalten, doch nun erhob er sich und stupste auch Alexis an, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. »Wir werden das Lager abbrechen und euch dann folgen.«
»Ich komme jetzt schon mit«, rief Mary aus und sprang mit einem Satz über die Feuerstelle hinweg. »Einer von uns sollte die Umgebung prüfen, nur zur Sicherheit.«
Alana blickte zu Maya hinüber, doch auch die schien keine Einwände zu haben. Also ließ Alana zu, dass Leandra sich herumdrehte, die Felsenge mit schnellen Schritten durchschritt und sich dann mit kräftigen Flügelschlägen erneut in die Luft schwang, diesmal dicht gefolgt von Mary.
»Der Schutz durch das Feuer der Macht wird nicht anhalten«, wagte sie ihre Gedanken endlich auszusprechen, sobald sie sich ein Stück vom Nachtlager entfernt hatten. »Simon wird ausrasten, wenn er das erfährt.«
»Wir haben keine Wahl«, rief Mary entschieden aus.
»Einen anderen Schutz wird es ohnehin nicht geben«, pflichtete Leandra ihr bei. »Wir haben keine Zeit. Wir müssen zu Katharina und dem Schwert. Wenn Ravenna erfährt, was wir vorhaben, wird sie uns ihre Bestien sofort wieder auf den Hals hetzen.«
»Das weiß ich doch«, rief Alana verzweifelt aus. »Es ist nur … ich wünschte …« Sie brach ab. Was sollte sie auch sagen? Es würde keine Worte geben, um Simon zu beruhigen. Keine Erklärung, weshalb sie ihm die Wahrheit verschwiegen hatte. Und zurückbringen würde seine Schwester auch nichts. Es gab nichts mehr zu sagen.
Niedergeschlagen schwieg Alana und drückte den Umhang an sich, während Leandra und Mary mit schnellen Flügelschlägen in Richtung des verborgenen Tals steuerten, in dem sich tags zuvor der verhängnisvolle Kampf abgespielt hatte.
Viel zu schnell waren sie an ihrem Ziel angekommen. Alana wagte es nicht, nach unten zu blicken, während die Drachin und die Greifin dicht über den Bäumen dahinglitten und nach der Lichtung suchten. Sie wollte nicht sehen, was sie dort erwartete, wollte ihr Herz so lange wie möglich vor dem verschließen, was ihr bevorstand. Als ihre geflügelten Begleiterinnen schließlich zur Landung ansetzten, holte Alana tief Luft und hielt anschließend den Atem an. Dabei krallte sie die Hände noch fester in den Umhang.
*
Stocksteif stand Simon vor dem Loch, das Leandra und Mary auf der Lichtung ausgehoben hatten. Es erschien ihm kalt und dunkel – der letzte Ort, an dem er seine kleine Schwester wissen wollte. Ein tonloses Schluchzen brach aus seiner Kehle. Für den Moment waren seine Tränen versiegt, und sein Herz war zu Eis erstarrt.
Neben dem offenen Grab lag ein Bündel. Lisa, eingewickelt in seinen Umhang. Eine einzelne Haarsträhne lugte unter dem Wollstoff hervor und zeugte davon, dass es wirklich seine Schwester war, die darunter verborgen lag. »Verzeih mir«, presste er hervor und ballte die Hände zu Fäusten. »Du hast mich gewarnt, aber ich habe dich im Stich gelassen.«
»Du hast alles getan, was du konntest«, meinte Maya sanft. Sie war die ganze Zeit über nicht von seiner Seite gewichen. Jetzt neigte sie den Kopf vor dem eingewickelten Körper. »Finde Ruhe, Lisa«, sprach sie geradezu feierlich. »Möge deine Seele den Weg zu den Ahnen finden.«
Simon musste alle Willenskraft aufbringen, die ihm geblieben war, um einen Schritt vorwärts zu machen. Zittrig sank er vor dem leblosen Bündel in die Knie. Der schwere, widerlich süße Gestank der Verwesung erfüllte die Lichtung, bewirkte, dass sich ihm der Magen umdrehte, doch er unterdrückte die Übelkeit. Mit fahrigen Bewegungen griff er an seinen Gürtel, löste die Halterung, in der sein Jagdmesser befestigt war, und zog das Werkzeug aus der Scheide.
Einen Moment lang verharrte er so, dann presste er die Klinge in seine linke Handfläche und ballte die Hand abermals zur Faust. »Ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert«, versprach er leise. »Ich werde unsere Familie beschützen. Koste es, was es wolle.«
Mit einem Ruck zog er das Messer aus der Umklammerung, presste die Linke noch eine Weile zusammen, bis die erste Welle des Schmerzes abebbte. Dann öffnete er die Faust, betrachtete kurz das Blut, das aus dem Schnitt hervorquoll, und presste die Handfläche dann auf den Umhang, der Lisa verdeckte. »Ich schwöre es«, brachte er noch hervor, ehe der Würgereiz ihn überkam und er sich abwenden musste. Er kämpfte die Übelkeit zurück und erlaubte stattdessen der Trauer, sich einen Weg ins Freie zu bahnen. Nun waren auch die Tränen wieder da.
Eine Schwinge legte sich auf seine Schulter, hauchzart nur. Im nächsten Moment spürte er Mayas Atem in seinem Nacken. »Wir schwören es«, korrigierte sie ihn sanft. »Ich werde an deiner Seite sein. Wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass deiner Familie nichts mehr zustößt. Und wir werden Ravenna aufhalten.« Sie schickte ein tiefes Grollen in den Himmel, dann senkte sie den Kopf und presste ihre Schnauze sanft an seine Wange.
Simon erschauderte, und zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, vermochte ihre Wärme nicht zu ihm durchzudringen, Kälte kroch seinen Rücken hinab, wollte ihn lähmen. Verzweifelt ließ er seinen Tränen freien Lauf und klammerte sich an seine Seelengefährtin.
»Finde Ruhe, Lisa«, setzte Maya leise hinzu.
*
Alana wäre in diesem Augenblick überall lieber gewesen als auf dieser Lichtung. Simons Trauer zu sehen zerriss ihr fast das Herz, doch zugleich hatte sie auch das Gefühl, hier fehl am Platz zu sein. Das war ein verletzlicher Moment für Simon. Sie hatte kein Recht, hier zu sein. Sie konnte nicht nachempfinden, wie es ihm gehen musste.
›Doch, das kann ich‹, korrigierte sie sich einen Herzschlag später selbst. Nur allzu lebendig war die Erinnerung daran, wie die Hüter ihre Mutter vor ihren Augen getötet hatten. Dass sie mittlerweile wusste, dass es sich bei der Frau in Wahrheit um ihre Tante gehandelt hatte, änderte nichts an dem Stich, der in ihr Herz fuhr, wann immer sie die Bilder zuließ. Schaudernd verschränkte sie die Arme und presste die Kiefer aufeinander, während sie die giftigen Gedanken fortzuschieben versuchte.
Leandra und Mary betrachteten sie beide aufmerksam von der Seite. Sie begegnete den Blicken der beiden und versuchte sich an einem beruhigenden Lächeln, doch sie spürte selbst, dass es ihr nicht gelingen wollte. Die Greifin nickte in Richtung des Waldes; eine stumme Frage. Ein Zeichen von Alana würde genügen, damit ihre geflügelten Freundinnen sie von hier fortbrachten, sie ablenkten von den trüben Gedanken, die ihr zu schaffen machten.
Nein. Sie richtete sich auf, drückte den Rücken durch. Sie war ein Teil dieser Gruppe. Sie würde bleiben und Simon in seiner Trauer nicht alleinlassen. Also verharrte sie angespannt an Ort und Stelle und ertrug den Anblick des Jugendlichen, der seinen Schwur mit Blut bekräftigte und die Tränen anschließend nicht mehr zurückzuhalten vermochte.
Alana war froh, dass Maya an seiner Seite war. Simon war ihr immer so stark vorgekommen, so unerschütterlich. Auch wenn es die Drachen waren, die am meisten über das Land wussten, so war es in Alanas Augen doch immer Simon gewesen, der an der Spitze der kleinen Gruppe gestanden hatte. Der die Führung übernommen hatte, wenn es notwendig gewesen war. Egal, wie ausweglos die Situation erschienen war – er hatte immer Hoffnung bewahrt. Für sie alle.
Und jetzt war er gebrochen. Ravenna hatte ihm nicht nur seine Schwester genommen, sondern auch seine innere Stärke. Sie hatte ihn zu Boden geschmettert, ohne ihn auch nur berührt zu haben.
Alana krallte die Finger in die eigenen Unterarme. Ravenna hatte ihm das angetan, ohne dass sie sich zuvor jemals begegnet wären. Am liebsten hätte sie in den Schwur, den Simon und Maya leisteten, mit eingestimmt, doch sie hielt sich zurück. Das war eine Sache zwischen Seelenpartnern. Sie würde die beiden begleiten, doch dies war Simons Kampf, nicht ihr eigener.
Die Gedanken hatten sie einen Moment lang von der Zeremonie abgelenkt. Maya hatte Simon vorsichtig aufgerichtet und ihn mit sanfter Bestimmtheit dazu gedrängt, von der verhüllten Leiche zurückzutreten. Sie blickte ihn an, als wolle sie sich versichern, dass er ohne ihre stützende Schulter stehen konnte, dann wandte sie selbst sich wieder der ausgehobenen Grube zu.
Alana verstand. Die Drachin würde Lisa greifen und in dem Loch niederlegen. Ihr würde das viel leichter möglich sein als Simon, erst recht, da der Leichnam bereits einen so starken Verwesungsgestank verströmte.
Simon schien das anders zu sehen. Er blieb zitternd stehen, das Gesicht tränenüberströmt, und starrte auf das leblose Bündel unter seinem Umhang, als wolle er jeden Moment vorstürzen und es in seine Arme schließen. Seine Unterlippe bebte.
Kurzentschlossen setzte Alana sich in Bewegung. Auch wenn sie sich fehl am Platze fühlte – Simon brauchte in diesem Moment jemanden an seiner Seite. Und eigentlich wäre dieser Jemand Katharina. Doch seine Freundin war weit entfernt. Also musste Alana als ihre Schwester für Simon da sein.
Langsam schlug sie einen Bogen um das Grab. Sie spürte, dass aller Blicke auf ihr ruhten. Lediglich Simon starrte noch immer auf die verborgene Leiche. Erst, als Alana vor ihm stehen blieb und eine Hand auf seine Schulter legte, wandte er ganz langsam den Kopf.
Als er sich nicht wehrte oder vor ihr zurückwich, schloss Alana ihn in die Arme. Es war das einzige, das ihr in diesem Moment einfiel.
Maya hatte sich mit einem aufmerksamen Blick versichert, was Alana tat und wie Simon darauf reagierte. Nun wandte sie sich wieder Lisa zu. Sie verlagerte ihr Gewicht auf die Hinterbeine, kauerte sich halb zu Boden und hob beide Vorderläufe, um den Leichnam samt Umhang vorsichtig zu umfassen. Einen Moment lang schien sie mit ihrer Balance zu kämpfen, die ungewohnte Haltung bereitete ihr offenbar Probleme. Dann fing sie sich und reckte ihren Schwanz, um sich besser ausbalancieren zu können. Langsam beugte sie sich vor, reckte die Vorderläufe und senkte das Bündel in die Grube hinab.
Es musste furchtbar anstrengend für sie sein, nicht vornüberzukippen, dennoch legte sie das tote Mädchen sanft auf dem Grund des Erdlochs ab, ehe sie sich zurückzog und wieder auf alle Viere stellte.
Damit war die Zeremonie jedoch noch nicht vervollständigt. Maya blickte sich besorgt nach Simon um, schien ihm mit ihrem Blick Kraft schenken zu wollen. Dann hob sie den rechten Vorderlauf erneut an, versenkte ihn in der neben dem Loch aufgetürmten Erde und schob langsam den ersten Haufen davon zurück in die Tiefe.
Das leise Geräusch, mit dem die Erde auf den Leichnam des Mädchens fiel, ließ auch Alanas Magen rumoren. Sie schluckte und versuchte, so flach wie möglich zu atmen. Simon in ihren Armen verharrte stocksteif. Er beobachtete starr und wortlos, wie seine Seelengefährtin nach und nach alle Erde zurück in das Grab schob und es damit verschloss. Erst dann kam er wieder in Bewegung, machte sich frei und taumelte an die Seite der Drachin.
»Kannst du ihr Grab versiegeln?«, hörte Alana ihn sagen. Sie meinte sich zu erinnern, eine solche Geschichte schon einmal gehört zu haben. Minerva, eine Drachin, der die Gefährten auf der Suche nach der Klaue des Morero begegnet waren, hatte das Grab ihrer getöteten Seelengefährtin Sophie mit Hilfe eines Drachenrituals versiegelt, um Aasräuber fernzuhalten.
Maya senkte bedrückt den Kopf. »Wir waren nicht verpflichtet«, verneinte sie kummervoll.