Augenstern - Band 3: Genese - Susanne Roßbach - E-Book

Augenstern - Band 3: Genese E-Book

Susanne Roßbach

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Beschreibung

Band 3 "Genese": David erschleicht sich ein Leben an Jessis Seite in der Gestalt von Liam. Doch Jessi entdeckt seine Täuschung und ist fortan nur noch von Hass beseelt. Ein totes Schwein, Liams Messer und Jessis unbedingter Wille, ihre Liebe zu verteidigen, versetzen selbst David in Erstaunen. Aber reichen Jessis Fähigkeiten, um aus der Falle zu entkommen, die den Liebenden gestellt wird? Denn die Invasoren sind nicht nur zu zweit auf die Erde gekommen, und auch von Seiten der Gestaltwandler gibt es einige unliebsame Überraschungen ... Augenstern – Die Serie: Jessi steht kurz vor dem Abi, ist in Liebesdingen nicht gerade erfolgsverwöhnt und führt ein überschaubares Leben in Frankfurt, als plötzlich mehrere Männer in ihr Leben einbrechen. Nicht alle sind von dieser Welt, und einige bedrohen sogar den Fortbestand der Erde. Kann Jessi ihren Gefühlen trauen, und welches Wesen verbirgt sich hinter welcher Gestalt? Es beginnt ein Verwirrspiel um Emotionen und Fassaden, das Jessi nur gewinnen kann, wenn sie lernt zu kämpfen: für sich, für ihren Planeten und für ihre Liebe.

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Augenstern – Die Serie:

Jessi steht kurz vor dem Abi, ist in Liebesdingen nicht gerade erfolgsverwöhnt und führt ein überschaubares Leben in Frankfurt, als plötzlich mehrere Männer in ihr Leben einbrechen. Nicht alle sind von dieser Welt, und einige bedrohen sogar den Fortbestand der Erde. Kann Jessi ihren Gefühlen trauen, und welches Wesen verbirgt sich hinter welcher Gestalt? Es beginnt ein Verwirrspiel um Emotionen und Fassaden, das Jessi nur gewinnen kann, wenn sie lernt zu kämpfen: für sich, für ihren Planeten und für ihre Liebe.

Band 3 „Genese“:

David erschleicht sich ein Leben an Jessis Seite in der Gestalt von Liam. Doch Jessi entdeckt seine Täuschung und ist fortan nur noch von Hass beseelt. Ein totes Schwein, Liams Messer und Jessis unbedingter Wille, ihre Liebe zu verteidigen, versetzen selbst David in Erstaunen. Aber reichen Jessis Fähigkeiten, um aus der Falle zu entkommen, die den Liebenden gestellt wird? Denn die Invasoren sind nicht nur zu zweit auf die Erde gekommen, und auch von Seiten der Gestaltwandler gibt es einige unliebsame Überraschungen …

Die Autorin

Susanne Roßbach ist 1966 in Frankfurt am Main geboren und lebt mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter im Süden Frankfurts. Sie ist Diplom Betriebswirtin (BA) und Diplom-Psychologin und arbeitet als Senior Business Analystin in der IT-Abteilung einer Großbank. In ihrer Freizeit widmet sie sich ihrem Pferd und ihrem Hobby als Romanautorin. Veröffentlichungen „Der Tote vom Odenwald“ (Ullstein Midnight 2017), „Schatten über dem Odenwald“ (Ullstein Midnight 2018). „Augenstern – Die Invasoren“ (2018) ist ihr erstes Buch bei mainbook.

eISBN 978-3-947612-38-3

Copyright © 2019 mainbook Verlag

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Gerd Fischer

Covergestaltung und -rechte: Nona Roßbach

Auf der Verlagshomepage finden Sie weitere spannende Taschenbücher und E-Books www.mainbook.de

Susanne Roßbach

Augenstern

Band 3:

Genese

Fantasy-Romance-Serie

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 16 – Mummenschanz

Kapitel 17 – Das raffinierte Biest I

Kapitel 18 – Abschied

Kapitel 19 – Der Tropfen fällt

Kapitel 20 – Das raffinierte Biest II

Kapitel 21 – Übung macht den Meister

Kapitel 22 – Der Albtraum

KAPITEL 16 – Mummenschanz

Das Gefühl, Jessi wie selbstverständlich in den Armen zu halten, war unbeschreiblich. Sie schmiegte sich an mich und erwiderte die Zuneigung, die ich ihr entgegenbrachte. Zumindest dem gegenüber, für den sie mich hielt.

Ich genoss den Augenblick, so lange er währte. Hoffentlich würde ich alles richtig machen.

„Mensch, bin ich froh, dass es dir gut geht!“ Sie strich mit ihren Lippen an meinem Hals entlang, und meine dort befindlichen Nerven feuerten aus allen Rohren.

„Dir auch, wie ich sehe.“ Ich atmete in ihre Haare.

„Ja, David hat den Invasor getötet.“

Mein Einsatz. Ich schob sie ein wenig von mir, um ihr in die Augen sehen zu können. „Ich weiß, ich habe ihn eben getroffen. Stell dir vor, mein Auto ist nicht angesprungen, ist das zu glauben? Ich habe ein bisschen im Motorraum herum werkeln müssen, und das hat leider endlos gedauert. Jetzt bin ich zwar damit hergekommen, aber ich werde es Montag gleich mal in die Werkstatt bringen, damit sie das Problem endgültig lösen.“ Bis Montag hatte ich also Zeit herauszufinden, wo Liam sein Auto geparkt hatte.

„Oje, das beruhigt mich wirklich. Ich dachte schon, du hättest einen Unfall gehabt. Und weißt du was, der Invasor hatte tatsächlich eine Pistole dabei, aber David hat sich in einen Kolibri verwandelt, sodass er praktisch nicht zu treffen war. Und dann hat sich David in einen Gorilla verwandelt und wurde mehrmals angeschossen. Oh Gott, du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich das war! Aber schließlich hat er dem Invasor doch das Genick gebrochen. Ich hatte vielleicht Angst! Inzwischen könnte ich die ganze Welt umarmen, weil alles vorbei ist! Liam, die Erde ist gerettet! Wir sind gerettet! Ist das nicht toll! Ich glaube nur, ich habe einen leichten Schock, oder ich erfriere gleich oder beides auf einmal … Ich merke selber, wie viel ich quassel, aber ich kann nicht aufhören.“

Wir strahlten um die Wette. Sie würde mir gehören, mir ganz allein, solange ich nur keinen Fehler machte.

Sie nahm mich bei den Händen und lachte. Dabei fiel ihr Blick auf meine Handgelenke.

„Oh, hast du das Armband verloren?“

Ich sah betroffen an mir herunter. Liams Armband! Ich hatte vergessen, es mir anzulegen. Ich überlegte fieberhaft.

„Ach je, bitte entschuldige. Ich muss es irgendwo verloren haben. Vielleicht finde ich es noch im Auto oder in meiner Wohnung. Das tut mir echt wahnsinnig leid.“ Mittlerweile war es sicher schon verbrannt.

Jessi drückte meine Hände. „Egal, Hauptsache, du selber bist in Ordnung.“

Apropos verbrannt, das Feuer dürfte mittlerweile in vollem Gange sein, und wir mussten uns noch über das Treppenhaus in Sicherheit bringen.

„Lass uns gehen.“ Ich zog sie Richtung Tür.

„Was ist mit David? Er wollte, dass ich hier auf ihn warte.“

„Ja, aber eben sagte er … Wir sollen schon mal runtergehen und heimfahren, er kommt nach.“

„Okay.“

Mein Plan schien zu funktionieren, und meine Anspannung ließ ein wenig nach. Aber wir mussten jetzt wirklich hier raus. Keinesfalls wollte ich riskieren, dass Jessi eine Rauchvergiftung bekäme.

Die Eisengittertreppe hinunter und durch die zerbrochene Glastür mussten wir hintereinander laufen, aber auf der Wendeltreppe nahm ich ihre Hand, und wir gingen nebeneinander. Jessi beeilte sich nicht sonderlich.

„Bitte lauf etwas langsamer, ich bin total steif von der Kälte.“

Wie konnte ich sie zu einer schnelleren Gangart bewegen, ohne mein Wissen preiszugeben? „Riechst du nichts?“

Sie atmete tief ein.

„David wollte den Invasor im Garten verbrennen, eventuell kommt von draußen was rein.“

Ich wusste darauf nichts zu sagen und zog sie einfach weiter die Treppe hinunter.

Als wir unten ankamen, roch es nach Barbecue. Aus dem Aufzug drang dicker Qualm. Wir bückten uns unter der Qualmwolke hindurch und nun beeilte sich auch Jessi, aus dem Turm zu kommen.

Draußen rangen wir nach frischer Luft. Jessi hustete ein wenig.

„Warum hat David den Invasor im Aufzug in Brand gesetzt? Will er die komplette Bude abfackeln?“ Sie schaute verständnislos zurück.

„Ich weiß nicht.“ Jessi lag offensichtlich am Erhalt des Gebäudes. Ich sah auf die Straße. „Vielleicht sollte ich ein Auto anhalten und darum bitten, dass die Feuerwehr angerufen wird. Wenn ich mit dem eigenen Handy anrufe, kann man das zurückverfolgen.“

„Aber wenn du ein Auto anhältst, kann man eine Personenbeschreibung von dir machen.“

„Ach, die sind doch eh meistens so mies, dass man keinen wiedererkennt.“ Spätestens, wenn ich mir ein anderes Gesicht verpasste.

Wir liefen zur Straße und hatten Glück, denn schon bald näherte sich ein Auto.

„Lauf weiter und dreh dich nicht um“, sagte ich und drückte Jessi Richtung Dantestraße, wo ich mein Auto geparkt hatte. „Es reicht, wenn sie nur einen von uns beiden beschreiben können.“

Jessi ging mit gesenktem Kopf weiter und drehte sich nicht um. Als das Auto an ihr vorbeigefahren war, veränderte ich mein Aussehen, schwenkte meine Arme und bedeutete dem Autofahrer, anzuhalten. Ein junges Pärchen erklärte sich bereit, die Feuerwehr zu rufen, nachdem ich behauptet hatte, dass der Akku meines Handys leer wäre. Ich bedankte mich, verwandelte mich wieder in Liam und joggte bis zu Jessi. Es machte Freude, sich mit Liams durchtrainiertem Körper zu bewegen. Ich nahm Jessis Hand, und wir liefen weiter.

„Wo hast du geparkt?“, fragte Jessi plötzlich.

„Äh, hier um die Ecke.“ Ich zeigte unbestimmt nach links. „Aber ich traue meinem Wagen nicht mehr. Als ich es David erzählt habe, hat er uns sein Auto angeboten.“

„Und wie kommt David heim?“

Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. „Ähm … vielleicht fliegt er?“ Ich grinste mit zusammengepressten Lippen.

„Was macht er denn jetzt überhaupt noch?“

„Er wollte den Teleskop-Vorsatz zerstören.“

„Ach so.“

Die Kälte kroch mir unter die Ärmel, und ich schüttelte mich unwillkürlich.

„Oh, du hast ja gar keine Jacke an! Ist dir nicht kalt?“

Die Jacke hatte zu viele Blutspritzer abbekommen. „Nö, geht schon. Ich bin so schnell aus dem Haus gestürzt, dass ich vergessen habe, mir eine anzuziehen.“

Wir hatten mein Auto erreicht. Ich öffnete Jessi die Beifahrertür, lief um das Auto herum und setzte mich hinter das Steuer. Schon als ich ihr den Rücken zudrehte, stellte ich mit meinen Kernen fest, dass Jessi mich ein wenig erstaunt ansah. Hatte ich etwas falsch gemacht? Womöglich hatte ihr Liam nie die Türen geöffnet. Ich sollte mich etwas bremsen.

Ich sah mich um, als säße ich zum ersten Mal in diesem Auto, und bemühte mich, es etwas unbeholfen zu starten. Dann fuhr ich uns zu Liams Wohnung. Jessis Gehirnaktivitäten wiesen eine gewisse Besorgnis auf, aber ich sah nicht den Grund dafür. Schließlich war der Invasor besiegt, worüber konnte sie noch grübeln?

Glücklicherweise hatte Jessi bereits erwähnt, dass Liam unter dem Dach wohnte, sodass ich nicht Gefahr lief, an seiner Wohnungstür vorbeizulaufen. Als ich die Tür aufschloss, widerstand ich der Versuchung, Jessi den Vortritt zu überlassen. Ich scannte rasch die Räumlichkeiten. Was für ein schmales Bett! Ob sie schon zusammen darin gelegen hatten? Notfalls könnte ich Müdigkeit vorschieben, um nicht in eine Situation zu geraten, in der ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte.

Im Wohnzimmer blieben wir beide unschlüssig stehen.

„Hör mal, nur um sicherzugehen …“ Jessis Gehirn zeigte Nervosität an. „Ich hatte dir versprochen, bei dir zu übernachten, sobald der Invasor erledigt ist, aber du weißt ja, dass ich noch nicht die Pille nehme …“

Ich versuchte, mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. „Kein Problem. Also, ich meine, hat ja keine Eile. Ich bin sowieso total müde.“

„Ja, also ehrlich gesagt siehst du auch ziemlich fertig aus.“ Sie strich mir über die Wange.

Kein Wunder, nach mehreren Verwandlungen.

Als wir später nebeneinander im Bett lagen, sah ich, dass Jessi angespannt war, ohne es mir erklären zu können. Vielleicht lag es an den Anstrengungen der vergangenen Stunden.

Sie hatte mir den Rücken zugedreht. Ich überlegte. Liam hatte sie oft leidenschaftlich geküsst und war nicht der Typ, der lange fackelte. Wenn ich jetzt zu zurückhaltend agierte, könnte es auffälliger sein, als über die Stränge zu schlagen. Außerdem sehnte sich mein Körper nach ihrem. Ich rückte noch näher an sie heran, schlang den Arm um sie. Ein Glücksgefühl durchströmte mich. Allmählich verstand ich den Vorteil beengter Schlafstätten.

Ich streichelte sie sanft mit meinem Daumen, und sie schien sich etwas zu entspannen.

„Du weißt nicht, wie glücklich du mich machst“, flüsterte ich.

„Schlaf gut, Liam.“

„Du auch.“

Die Ereignisse der Nacht zogen noch einmal an mir vorüber. Der Planet war vorerst gerettet. Was auch immer die Zukunft bringen mochte, ich würde alles tun, um an Jessis Seite zu bleiben. Ich würde der Mann für sie sein, den sie brauchte und haben wollte. Ich würde sie umarmen und küssen, wie ich es vor der Sternwarte getan hatte. Ich würde ihr all die Liebe schenken, die sie verdient hatte. Und auch, wenn nicht ich es war, den sie liebte, so war doch der Abglanz ihrer Liebe mehr, als ich jemals hatte erhoffen dürfen.

Ich wollte ihn festhalten, so lange es irgend ging.

Jessi versuchte bereits vor dem Frühstück, David – also mich – telefonisch zu erreichen. Es war rührend zu sehen, wie sie sich um mich sorgte. Ich selber machte mir weniger Gedanken um David. Wichtiger war es, die Rolle von Liam glaubwürdig zu spielen.

Nach dem Frühstück bat sie mich, sie zu ihrer Wohnung zu chauffieren, damit sie sich die Zähne putzen und fortan ihr eigenes Auto fahren konnte. Auf der Fahrt dorthin merkte ich, dass sie beobachtete, wie Herr Wust hinter uns herfuhr. Ich war noch nicht dazu gekommen, die Personenschützer abzubestellen – das konnte ich erledigen, wenn Jessi fort wäre.

Ich parkte vor ihrem Haus und ergriff die Gelegenheit, Jessi zu küssen. Ich fand es immer noch unglaublich, meine Lippen jederzeit auf die ihren drücken zu können. Einfach wann ich wollte. Meine Haut wurde von einem elektrischen Kribbeln überzogen.

„Liam, du machst mich schwach.“ Sie lächelte, und mein Herz schlug vor Freude schneller.

„Echt?“ Ich strahlte. „Kommst du dann gleich wieder mit deinem Auto zu mir? Wir könnten spazieren gehen.“

Sie zögerte. „Oh, eigentlich wollte ich noch mal kurz zu David und nachsehen, ob er okay ist.“

Ich wusste, dass ich früher oder später mit meinem Verschwinden aufwarten musste, aber ich wollte dieses Geständnis gerne hinauszögern. Immerhin war ich ein Freund von ihr gewesen, und sicher wäre sie enttäuscht zu hören, dass ich einfach nach Hause geflogen war, ohne mich zu verabschieden.

„Sollen wir ihn nicht erst einmal ausschlafen lassen?“

„Es ist bald elf. Ich will nur kurz Hallo sagen.“

„Ich kann mitkommen, wenn du möchtest.“

Ihr Gehirn signalisierte ein leichtes Erschrecken, das ich nicht zu interpretieren wusste.

„Nö, nicht nötig. Ich fahre danach gleich wieder zu dir, und dann gehen wir spazieren, okay?“

Wollte sie mich nicht dabei haben? Ich war verwirrt. „Okay“, sagte ich gedehnt.

Sie verabschiedete sich von mir, und ich fuhr nachdenklich in Liams Wohnung zurück.

Ich war noch nicht lange dort eingetroffen, als Jessi mich anrief.

„Ich bin’s. David ist nicht zu Hause.“ Sie klang beunruhigt. „Sieht so aus, als wäre er gar nicht mehr im Bett gewesen, nachdem wir die Sternwarte verlassen haben. Hoffentlich ist ihm nichts passiert.“

„Mach dir keine Sorgen, er taucht bestimmt bald auf.“

„Ich weiß nicht. Das Appartement ist so leer, es ist irgendwie unheimlich. Hoffentlich ist ihm auf dem Heimweg nichts zugestoßen. Vielleicht sollte ich mal bei der Polizei nachfragen oder in den Krankenhäusern.“

Bloß nicht. „Das wäre David sicher nicht recht. Es gibt vermutlich eine einfache Erklärung. Komm erst mal zu mir, dann sehen wir weiter.“

Nun gut, ich würde ihr gleich Davids Verschwinden darlegen müssen. Es war mir unangenehm, weil meine Geschichte sie gegen mich aufbringen würde. Aber wenn ich als Liam an ihrer Seite leben wollte, musste ich darüber stehen.

Ich sah aus dem Fenster, wie sie vorfuhr und ihr Auto parkte. Dann rief sie David erneut an. Als sie die Treppe hochkam, erwartete ich sie bereits in der Tür.

„Hey, alles klar?“ Ich bemühte mich um ein unbefangenes Lächeln.

„Ich weiß nicht.“ Ihr Nacken war verspannt. Es sah einigermaßen schmerzhaft aus. Ihr Gehirn signalisierte Besorgnis.

Ich strich ihr sanft über die Wange und küsste sie vorsichtig.

„Komm erst mal rein.“

Sie lief drei Schritte ins Wohnzimmer und drehte sich dann nach mir um.

„Ich habe ein schlechtes Gefühl, was David angeht. Es sieht so aus, als ob er seit vergangener Nacht verschollen ist. Ich verstehe echt nicht, wieso er nicht mehr nach Hause gegangen ist. Wo könnte er nur stecken?“ Ihre Augen suchten in den meinen nach einer Antwort.

„Setz dich erst mal“, sagte ich.

Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und sah mich gespannt an.

Ich setzte mich neben sie und nahm ihre Hand. Dann holte ich tief Luft.

„Ich muss dir etwas sagen.“

Ich schaute auf unsere Hände.

„Also, weißt du, David konnte nicht abschätzen, wie du es auffassen würdest.“

„Was denn?“

„Ich musste ihm versprechen, dass ich es dir erst heute Mittag sage.“

„Jetzt sag doch schon!“ Sie drückte meine Hände, als könnte sie die Informationen aus mir herauspressen.

Ich schnaufte noch einmal und blickte auf. Sie starrte mich gebannt an.

„Jessi, David wird nicht mehr zurückkommen. Er ist nach Hause geflogen.“

Ihre Neuronen feuerten wie verrückt. Trauer? Entsetzen? Angst?

„Nein!“ Sie flüsterte fast, und ihr schossen sofort Tränen in die Augen. „Nein, nein!“ Sie schluchzte. „Das ist nicht wahr!“

Ich hatte nicht mit dieser heftigen Reaktion gerechnet. „Es tut mir leid“, sagte ich. „Er hat mich gebeten, es dir erst auszurichten, wenn er schon weg ist.“

„Das glaube ich nicht!“ Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos.

Ich hatte überhaupt nicht mit einer derart drastischen Reaktion gerechnet. Unsicher legte ich den Arm um sie.

„Jessi, bitte …“

„Nein, nein, nein!“ Ihre Tränen rannen in Bächen über ihre Wangen.

Ihr übergroßer Schmerz machte mich zutiefst betroffen. Hatte sie mehr an mir gehangen, als ich gedacht hatte? Aber ich bot ihr doch stattdessen Liam an, den Mann, den sie liebte! War er nicht Trost genug? Ihr Gehirn signalisierte nach wie vor sehr viel Liebe, also sollte ihre Beziehung zu Liam immer noch intakt sein. Doch offensichtlich war ich ihr wesentlich wichtiger als Freund gewesen, als ich gedacht hatte.

Ich wusste nichts zu tun, als sie zu streicheln. Nach einiger Zeit beruhigte sie sich.

„Was genau hat David gesagt heute Nacht?“, presste sie hervor.

Ich blinzelte und räusperte mich. Welche Worte würden sie trösten?

Jessi sah mich an.

„Oh, bitte entschuldige … Es ist nur so … endgültig … Er hat sich noch nicht einmal von mir verabschiedet.“ Ihr erneutes Schluchzen verzerrte ihre letzten Worte bis zur Unkenntlichkeit.

Ja, ich hatte offensichtlich verkannt, wie viel ihr unsere Freundschaft wert gewesen war. Ich drückte sie leicht und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.

„Du musst dich doch nicht entschuldigen. Ich verstehe völlig, dass das für dich hart ist. Ihr habt viel zusammen durchgemacht. Ihr wart sehr gut befreundet.“ Ich reichte ihr ein Taschentuch.

„Also was hat er gesagt? Wieso ist er so schnell heimgeflogen?“ Sie putzte sich die Nase.

„Er sagte, dass ihr den Invasor besiegt habt und dass er noch den Teleskop-Aufsatz vernichten und dann heimfliegen wird. Er sagte, seine Aufgabe hier sei jetzt beendet, und er freue sich wieder auf seinen Heimatplaneten.“

Sie sah mich mit großen Augen an.

„Das war alles? Hat er mir nichts weiter ausrichten lassen?“

Oh, sie erwartete eine Erklärung von mir, weshalb er ohne Verabschiedung von ihr fortgegangen war. „Er wollte, dass ich es dir erst nach ein paar Stunden sage, damit sichergestellt sei, dass er bereits weg wäre, wenn du es erfährst.“ Ich räusperte mich erneut und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er wollte nicht, dass du versuchst, ihn aufzuhalten. Keine große Abschiedsszene, hat er gesagt.“

Sie starrte mich an. Die Tränen liefen ihr erneut die Wangen herunter.

Ich rieb mir die Stirn. Das war keine gute Begründung gewesen. Ich versuchte es noch einmal. „Also, er hat mir natürlich auch gesagt, dass ihm eure Freundschaft wahnsinnig wichtig war … und er unglaublich viel von dir gelernt hat. Dass er … uns alles Gute wünscht, dass er uns unsere Beziehung von Herzen gönnt und er nur möchte, dass du glücklich wirst.“

Sie schniefte. Ihr Gehirn signalisierte immer noch starke Gefühle der Liebe. Wie konnte sie gleichzeitig so sehr in Liam verliebt sein und mir hinterher trauern? Waren freundschaftliche Gefühle doch näher mit Liebesgefühlen verwandt, als ich geahnt hatte? Wie konnte ich sie nur über den Verlust ihres Freundes hinwegtrösten?

Ich sah sie ernst an. „Es tut mir leid, dass er gegangen ist, ehrlich. Ich verspreche dir, ich werde dich niemals verlassen. Ich werde immer bei dir bleiben, so lange du es willst.“

Jessi umarmte mich einen Moment.

„Ich verschwinde mal kurz ins Bad.“

Sie putzte sich hörbar die Nase, und dann sah ich durch die geschlossene Tür, wie sie sich im Spiegel anstarrte. Sie war verwirrt. Abrupt wandte sie sich ab und trat aus dem Bad heraus.

„Wie konnte David die Personenschützer um elf Uhr abbestellen, wenn er zu diesem Zeitpunkt schon aufgebrochen war?“

„Was?“ Hatte ich einen Fehler gemacht?

„Ich hab vorhin mit Herrn Fober telefoniert, um die nächste Trainingsstunde auszumachen. Er sagte, David habe gegen elf Uhr die Personenschützer abbestellt.“

„Nun, möglicherweise ist er dann doch später geflogen.“ Ich blickte sie angestrengt an. „Ich glaube, du könntest ein bisschen frische Luft vertragen. Wollen wir nicht spazieren gehen?“

„Meinetwegen.“

„Dann los.“

Wir liefen eine Weile Hand in Hand durch Liams Wohngebiet und schwiegen. Meine Nähe schien sie über Davids Verlust hinwegzutrösten. Ich wischte die aufsteigende Missgunst beiseite. Es war albern, auf einen Toten eifersüchtig zu sein. Noch dazu, nachdem ich in seine Gestalt geschlüpft war.

Als ihr Herzschlag sich beruhigt hatte, sagte sie: „Du, ich muss noch was einkaufen für’s Wochenende und überhaupt. Soll ich dir was mitbringen?“

„Wie wär’s, wenn ich mitkomme? Ich könnte auch noch was brauchen.“

„Ja, klar.“

Wir nahmen den Porsche. Ich wollte nicht auf mein komfortables Auto verzichten und erklärte ihr, David habe mir das Auto überlassen. Ich könne mir den Kraftfahrzeugbrief aus seinem Appartement nehmen. Um Liams Auto wollte ich mich erst am Montag kümmern.

Es war halb eins, weswegen Jessi wohl im Autoradio nach einem Nachrichtensender suchte, aber ich fürchtete, sie könnte dadurch von der zweiten Leiche in der Sternwarte erfahren. Deshalb überredete ich sie mit etwas Mühe, über einen USB-Stick Musik zu hören. Nach dem Einkaufen musste ich rasch etwas kochen. Liams Körper verlangte nach wesentlich mehr Kohlehydraten, als ich es gewohnt war. Glücklicherweise hatte ich genügend Rezepte abgespeichert, die ich jetzt nach Belieben abrufen konnte.

„Wirst du heute noch trainieren?“, fragte Jessi nach dem Essen.

Das Essen hatte mich träge gemacht, weswegen ich einen Moment unachtsam war. „Gewiss, äh, klaro … Aber ich fahre nicht zum Sportplatz, sondern ich gehe eine Runde laufen. Willst du nicht mitkommen?“

„Ich bin zu schlapp. Mir fehlt der Schlaf von heute Nacht. Ich warte einfach hier auf dich.“

Sie sagte mir nicht die Wahrheit, aber ich verstand den Grund hierfür nicht.

„Ist es wirklich okay, wenn ich dich alleine lasse?“ Was nur wollte sie vor mir verbergen?

„Ja, geh nur, ich schlafe vielleicht noch eine Runde.“

Ich zog Liams Sportklamotten an, küsste sie und verließ die Wohnung. Ich joggte bis zur nächsten Grünfläche, verdrückte mich ins Gebüsch und nahm die Gestalt einer Krähe an. Dieser Körper war mir vertraut, und ich fühlte mich darin sicher. Ich flog zu Liams Wohnung zurück und landete auf dem Dach vor dem Fenster, das mir einen Einblick in sein Schlafzimmer erlaubte. Schon vor der Landung vernahm ich grausame, schreckliche Laute von Schmerz und Trauer, und sie kamen aus Jessis Mund. Mein Herz krampfte sich zusammen, und Mitleid schnürte mir die Kehle zu.

Jessi lag im Bett und weinte. Noch nie hatte ich einen Menschen in einem solchen Maß von Trauer überwältigt gesehen. Ich hatte mich in Liam verwandelt, um ihr genau diesen Schmerz zu ersparen. Sollte sie tatsächlich derart ausufernd unter meinem Fortgang leiden? Hatte ich nie verstanden, wie wichtig ihr unsere Freundschaft war? Oder trauerten alle Menschen auf diese Art, nur dass ich es bisher nie miterlebt hatte? Ich war verwirrt, aber vor allem verspürte ich übergroße Anteilnahme. Sie in diesem Zustand zu sehen, brach mir das Herz. Ich konnte es kaum ertragen und schlug den Kopf immer wieder an die Scheibe des Fensters, um meine eigene Qual zu lindern.

Doch Jessi wurde auf die Geräusche aufmerksam, die mein Kopfschlagen an der Scheibe verursachte. Sie zog die Bettdecke ein wenig zurück und schaute zum Fenster, wo sie mich entdeckte. Daraufhin richtete sie sich erstaunt auf und starrte mich an. Für den Bruchteil einer Sekunde erwiderte ich ihren Blick, doch ich fürchtete, sie könnte mich erkennen, wandte mich rasch ab und flog davon.

Dort, wo ich Liams Bekleidung versteckt hatte, nahm ich wieder seine Gestalt an und rannte noch eine Weile durch die Straßen, bis ich verschwitzt zu Jessi zurückkam. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen und schien gefasst, aber sie trug immer noch große Trauer in sich.

Ich umarmte sie, und sie sah mich besorgt an.

„Hey, du hast auch schon mal frischer ausgesehen. Du hättest lieber einen Mittagsschlaf machen sollen. Dir steckt genauso wie mir der Schlafmangel in den Knochen.“

Eher die ständigen Verwandlungen. „Ja, du hast recht.“ Ich strich mit den Fingern zärtlich über ihre Wange. „Ist alles in Ordnung?“

„Ja.“ Sie versuchte zu lächeln, als fühlte sie sich ertappt. „Es ist echt schlimm für mich, dass David so plötzlich und ohne sich zu verabschieden gegangen ist.“ Sie musste ihre Tränen unterdrücken. „Aber wahrscheinlich habe ich sowieso im Moment keine guten Nerven, weil die vergangene Nacht so aufregend war. Ich muss mich an das normale Leben erst wieder gewöhnen.“

Dies schien mir nicht ganz die Wahrheit zu sein, aber ich konnte mir keinen Reim auf ihr Verhalten machen.

Sie legte ihre Wange an meine und umarmte mich fest. Ich schmiegte mich an sie.

„Ich springe schnell unter die Dusche, dann können wir ja …“ Ob Liams Körper sie trösten konnte?

„… ein bisschen kuscheln“, ergänzte sie meinen Satz.

Ich sah sie unsicher an und lächelte dann.

„Bis gleich.“