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Nichts hält ewig – oder doch? Die Science Busters über die Wissenschaft von Ende und Unendlichkeit. Ab Oktober 2025 auf großer Tournee Schluss! Aus! Vorbei! Warum wollen manche Dinge einfach nicht aufhören, während andere sich irgendwann krachend verabschieden? Die Science Busters beschäftigen sich mit dem Ende. Des Universums. Des Lebens. Der Menschheit. Der Klimakrise. Der Unendlichkeit. Aber auch mit den Dingen, die nicht wissen, wann es genug ist. Long Covid. Aberglauben. Verschwörungserzählungen. Strahlendem Atommüll. Der Unendlichkeit. Pi. Ist nach dem Urknall vor dem Urknall? Sind nach dem Weltuntergang noch Weltreisen möglich? Wie kriegt man einen Planeten kaputt? Und wie kann der Gewitterfurzer helfen, das Ende hinauszuzögern? Methodisch korrekt, selbstgeschrieben, unter Einhaltung aller Naturgesetze des Universums! Mit einem Vorspiel im Himmel, einem Nachspiel in der Hölle –Wissenschaft für alle in einer verrückter werdenden Welt.
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Seitenzahl: 303
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Nichts hält ewig — oder doch? Die Science Busters über die Wissenschaft von Ende und Unendlichkeit. Ab Oktober 2025 auf großer TourneeSchluss! Aus! Vorbei! Warum wollen manche Dinge einfach nicht aufhören, während andere sich irgendwann krachend verabschieden? Die Science Busters beschäftigen sich mit dem Ende. Des Universums. Des Lebens. Der Menschheit. Der Klimakrise. Der Unendlichkeit. Aber auch mit den Dingen, die nicht wissen, wann es genug ist. Long Covid. Aberglauben. Verschwörungserzählungen. Strahlendem Atommüll. Der Unendlichkeit. Pi. Ist nach dem Urknall vor dem Urknall? Sind nach dem Weltuntergang noch Weltreisen möglich? Wie kriegt man einen Planeten kaputt? Und wie kann der Gewitterfurzer helfen, das Ende hinauszuzögern? Methodisch korrekt, selbstgeschrieben, unter Einhaltung aller Naturgesetze des Universums! Mit einem Vorspiel im Himmel, einem Nachspiel in der Hölle —Wissenschaft für alle in einer verrückter werdenden Welt.
Science Busters
Aus! Die Wissenschaft vom Ende
Warum manche Dinge krachen gehen und andere einfach nicht aufhören wollen
Hanser
Die Wissenschaft vom Ende. Ob das eine gute Idee für ein Buch im Jahr 2025 ist? Gerade jetzt, wo auf der halben Welt immer öfter Wahnsinnige, Gierige oder Skrupellose (Mehrfachnennungen sind möglich) das Ruder übernehmen oder längst übernommen haben, ihre Brutalität und Unersättlichkeit ins Kraut schießen lassen und die Klimakatastrophe in der Regel derart ignorieren, dass apokalyptische Zustände nach dem Zusammenbruch der Zivilisation ohnedies nur mehr eine Frage der Zeit zu sein scheinen? Da muss man doch die Stimmung nicht noch zusätzlich mit einem Buch übers Ende in den Keller ziehen …
Na ja. Muss man natürlich nicht. Aber über das Ende gibt es trotzdem viel zu sagen, und meistens sogar anders, als man denkt. Erstens: Auch wenn die Überhandnahme von Psychopathen und drogensüchtigen Verrückten für die meisten von uns ungünstig ist, geht die Welt davon keinesfalls unter. Der ist das herzlich egal. Und zweitens: Enden gibt es viele. Nicht nur eines. Die Wurst hat sogar drei, wie Sie sehen werden. Aber nicht immer ist es leicht, zu sagen, wo etwas anfängt. Oder aufhört. Manche Sachen hören gar nie auf. Und nicht nur das — von der Unendlichkeit gibt es sogar mehr als nur eine. Da schauen Sie. Und zu Recht. Wenn Sie zu Hause eine alte Unendlichkeit haben, die langsam fadenscheinig wird, dann könnten Sie sich ganz leicht eine zweite zulegen. Wenn Sie wollten. Und wenn ein Chemiker vom Ende spricht, dann bedeutet das wieder was anderes. Und das ist alles deutlich interessanter als irgendwelche Blödmänner und -frauen, die anderen das Leben zur Hölle machen, nur weil sie den Hals nicht vollkriegen.
Von uns bekommen Sie wie immer nur wissenschaftlich belegte Informationen zum Ende. Die Nachweise, Video-Links und wie immer ein paar Bonus-Aufsätze finden Sie hier:
https://sciencebusters.at/aus
Ende der Durchsage.
Herzlich willkommen im neuen Buch der Science Busters. Es heißt Aus!, beginnt mit einem Vorspiel im Himmel, endet mit einem Nachspiel in der Hölle, und es geht, das wissen Sie bereits, ums Ende.
Wie das hier zum Beispiel. Denn das war’s auch schon wieder für dieses Mal. Danke, dass Sie das Buch gekauft haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen, empfehlen Sie es gerne weiter. Wenn Sie den Buchdeckel schließen, geht das Licht automatisch aus, Sie brauchen es nicht auszuschalten.
So sieht man sich wieder. Natürlich würden wir es uns gern leicht machen. Nach 18 Jahren Science Busters müssen wir ja nicht immer auf dem Gas stehen. Aber Sie haben recht. Zuerst wichtigmachen mit »wie interessant es ist, sich mit der Wissenschaft des Endes zu beschäftigen«, aber dann keine Lust dazu haben und zudrehen … Das sollte man uns nicht so ohne Weiteres durchgehen lassen. Wenn ein Vorspiel im Himmel angekündigt ist, dann wollen Sie es natürlich auch haben. Bekommt man ja auch nicht mehr alle Tage.
Dafür gibt es allerdings gute Gründe, denn so einfach wie Goethe in seinem Faust können wir es uns heute nicht mehr machen. Der schreibt einfach hin: »Prolog im Himmel«, dann treten ein paar Engel, ein gefallenes Exemplar und ein Herrgott auf und reimen fröhlich vor sich hin. Nur: Wo soll das sein, »im Himmel«? Da fängt es schon einmal an. Und es hört bei der Frage »Warum können die während ihrer Plauderei ihre Flughöhe halten, ohne dauernd mit den Flügeln zu schlagen — sitzen die in einem Lagrange-Punkt?« noch lange nicht auf. Und da reden wir noch gar nicht vom Herrgott. Warum spricht der Deutsch? Und im Knittelvers? War das eine aktuelle Mode oder schon immer so? Hat er bereits damals gereimt, als er Adam und Eva den Garten Eden erklärt hat? Welchen Endreim hat er auf Apfel genommen? Und warum hatte sein Sohn dann Aramäisch als Muttersprache? Fragen über Fragen. Der 2015 verstorbene Mitbegründer der Science Busters Heinz Oberhummer hat Gott zur Erklärung des Universums deshalb als viel zu komplizierte Hypothese abgelehnt. Und ich glaube, Sie haben bereits eine Ahnung bekommen, warum.
Schon was Engel genau sein sollen, ist selbst deren Anhänger:innen seit jeher unklar. Woraus bestehen sie eigentlich? Denn immer wieder kann man sie sehen, nicht nur bei Goethe im Himmel. Dabei hieß es lange, sie hätten weder einen biologischen Körper — auch wenn sie offenbar himmlisch rochen — noch seien sie völlig körperlos. Also, was jetzt bzw. was wann? Die beiden theologischen Fanboys Augustinus und Thomas von Aquin konnten sich immerhin darauf einigen, dass Engel »mit angenommenen Körpern« in Erscheinung treten würden. Und zu ihrer Zeit in ihrer Welt waren die beiden nicht irgendwer, sondern klerikale Opinion-Leader erster Güte. Aber was sind »angenommene Körper«? Von wem nehmen sie die Körper an? Kann man sich das so vorstellen wie in dem Science-Fiction-Film Terminator 2, in dem die außerirdische Killermaschine, bestehend aus einer Metalllegierung, jederzeit flüssig werden und jede beliebige Form annehmen kann? Ganz abgesehen davon, dass Engel angeblich nicht deswegen Gestalt annehmen, weil sie es selber bräuchten, sondern damit wir sie sehen können. Ein Service für uns Sterbliche.
Was also sind Engel dann, bevor sie »Körper« annehmen? Luft? Heiße? Kalte? Dazu wieder die theologische Fachkraft für eh alles, Thomas von Aquin: »Im Zustand der Verdünnung hat Luft zwar weder Form noch Farbe; verdichtet aber kann sie durchaus sowohl geformt als auch farbig sein, wie sich an den Wolken zeigt. Solcherart nehmen die Engel Körper an, indem sie die Luft kraft göttlicher Macht so weit verdichten, als es zur Ausformung des angenommenen Körpers erforderlich ist.« Aber durchsichtig seien sie auch. Und wer schon einmal erlebt hat, welche Wirkung verdichtete Luft haben kann, etwa als Sturm, der dürfte sich wundern, dass Engelsbesuche so friedlich ablaufen, wenn die Herrschaften mit Karacho die Atmosphäre passieren und auf der Erde landen. Heute würde sich da vielleicht sogar der Katastrophenalarm am Handy melden.
Aber damit noch nicht genug der Kuriositäten. Denn in ausgewählten Fällen essen Engel auch. Und wenn es ihnen schmeckt, schnalzen sie möglicherweise mit den berühmten Engelszungen. Aber wer isst, muss auch verdauen und ausscheiden. Dass Engel als verdichtete Luft einen fahren lassen können, leuchtet umgehend ein, aber von einem Engel, der nach dem Weg zur Toilette fragt, hört man nie. Und das ist nur ein kleiner Teil der Probleme, die man zu lösen hat, wenn man einfach einen Engel behauptet.
Wir hingegen wissen, wovon wir sprechen, denn der Frage »Wie viel Sprit verbraucht ein Erzengel?« sind wir bereits in unserem ersten Buch Wer nichts weiß, muss alles glauben und in der TV-Show Crucifixion Party: Die Physik des Christentums experimentell zu Leibe gerückt. Im Zuge dessen haben wir auch die Flügelspannweite berechnet und uns angeschaut, unter welchen Umständen Engel fliegen können. Denn ein Erzengel ist ja laut Ikonografie kein Spaghetti-Sultan, sondern ein ordentlicher Ast. Eher so was wie ein austrainierter Wrestler. 100 Kilo bringt so ein englischer Muskelberg locker auf die Waage. Minimum. Wären bei so einem Riegel die Flügel am Rücken angewachsen, würden sie beim Start einfach die Wirbelsäule rausreißen und mit dem Rückgrat davonfliegen. Und der restliche Erzengel bleibt am Boden und kann seinen Fittichen nur nachschauen. Falls Sie sich jetzt noch immer fragen, woher auf einmal der kräftige Engländer gekommen ist, wenn wir doch grad noch bei religiösen Fabelwesen waren, so seien Sie froh, dass Goethe Sie nicht hören kann, wie Sie nicht einmal das Adjektiv zu Engel bilden können …
Er selbst ist allerdings auch nicht viel besser, denn er erfindet einfach einen weltraumtauglichen Mephisto. Bekanntlich schließt der im Himmel eine Wette mit dem Herrgott ab und fliegt dann zu Faust auf die Erde. Wenn wir jetzt einmal außer Acht lassen, dass er dafür zumindest eine Raumkapsel bräuchte, um nicht in der Atmosphäre als Sternschnuppe zu verglühen, gilt er bei seiner Einreise als Außerirdischer. Und: Von wo genau startet er eigentlich, und wie lange ist er unterwegs? Wo ist »der Himmel«? Noch in unserem Sonnensystem? Und wenn ja, eher in der Nähe der Erde, damit sich die Treibstoffkosten in Grenzen halten, wenn Mephisto auf Außendienst fliegt, oder eher im Speckgürtel am Rand des Sonnensystems, damit er es nicht zu weit ins Grüne hat oder zu den Sportanlagen im Paradies? Und wenn am Rand … wo ist der — wo hört das Sonnensystem auf? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Auch heute noch, wo wir deutlich mehr darüber wissen als damals Goethe …
Das Ende des Sonnensystems
Moment, wir sind noch nicht fertig. So weit kommt es noch, dass die Kapitel einfach anfangen, wann sie wollen, und selber entscheiden, wann sie beginnen. Das Vorspiel im Himmel dauert noch, wir geben Ihnen als Überschrift Bescheid, wenn Sie an die Reihe kommen, denn …
Das Ende des Sonnensystems
Dass unser Sonnensystem aus einer Sonne und acht Planeten besteht, sollte allgemein bekannt sein. Hinzu kommen ein paar Hundert oder Tausend Monde und nahezu unzählige Asteroiden. Das war natürlich nicht immer so. Bis Anfang des Jahrtausends galt Pluto als Planet Nummer neun, bis zur überraschenden Entdeckung von Uranus im Jahr 1781 waren es jahrtausendelang nur sechs Planeten gewesen, fast genauso lange galt die Erde als Zentrum des Sonnensystems, und während wir hier reden, verdichten sich wieder einmal die Anzeichen, dass es doch noch einen weiteren Planeten geben könnte und die Wiederaufstockung auf neun nur noch eine Frage der Zeit ist. Wer weiß. Aber nicht nur das Inventar, auch die Ausdehnung und damit das Ende des Sonnensystems war, wenn man so möchte, weltanschaulichen Moden unterworfen. Bis heute ist nicht klar, wie groß das Sonnensystem eigentlich ist. Warum, das weiß auch Bob Dylan nicht.
Danke, liebes Kapitel »Das Ende des Sonnensystems« … Das ist schön und gut und sicher auch interessant, und der Teaser mit dem weltberühmten Literaturnobelpreisträger ist auch gelungen … Aber wenn wir gerade erzählen möchten, dass Faust nicht allzu aufgeregt war, obwohl neben ihm gerade der erste Außerirdische der Menschheitsgeschichte gelandet ist, und er ihn nur beiläufig zur Kenntnis nimmt, statt zu überlegen, was ein guter erster Begrüßungssatz für so einen Besucher sein könnte, dann möchten wir nicht, dass uns das Kapitel über das Ende des Sonnensystems ungefragt und vor seiner Zeit dazwischenschwadroniert … Wenn wir so was wollen, dann sagen wir das auch. »Bitte jetzt ein Zwischenruf zum Ende des Sonnensystems« oder »Bitte jetzt ein Kapitel über das Ende der Milchstraße«. Aber wenn nicht, dann …
Das Ende der Milchstraße
…
Nein! Haben Sie nicht aufgepasst? Die Kapitel beginnen, wenn wir das sagen, und nicht einfach so, nur weil ihr Name fällt. Wo kommen wir denn da hin? Alle verstanden? Das will ich auch hoffen.
Wir bleiben jetzt erst einmal bei den Außerirdischen und ihrer Landung auf der Erde. Denn auf die Ankunft eines oder einer Außerirdischen bereitet sich die Menschheit seit Jahrtausenden vor. Mehr oder weniger wissenschaftlich. Geschichten über Außerirdische sind in den Schöpfungsmythen fast aller Kulturen fest verankert. In unserem Kulturkreis kann Weihnachten vielleicht als die beliebteste Aliengeschichte gelten: Erst landet ein Erzengel als fliegender Schwangerschaftstest und bedeutet einer arglosen jungen Frau, sie sei gebenedeit. Warum? Vermutlich auch, weil die Übermittlung des Testergebnisses anhand zweier Streifen damals noch nicht ausgereift war. Das Resultat hat offenbar trotzdem gestimmt, und pünktlich neun Monate später wird ein nagelneuer Messias geliefert. Als Empfangskomitee treten die Hirten ihren Dienst an, gehen zum Stall und grüßen, möglicherweise sogar wahrheitsgemäß, mit: »Grüß Gott«. Das ist allerdings viele Tausend Jahre her. Und heute, in einer säkularen, materialistisch-naturwissenschaftlich geprägten Welt, würde man das Gespräch vermutlich eher anders eröffnen. Aber gibt es da eigentlich ein Protokoll? Offizielle erste Fragen an die weit gereisten Besucher:innen? »Habt ihr gut hergefunden?« »War viel Verkehr?« »Schuhe könnt ihr anlassen.« »Habt’s schon Mittag gegessen?« Und wer wäre zuständig und befugt, den Erstkontakt wahrzunehmen? Dürfen das alle, die einen Alien sehen? Oder sollte das besser wer aus der Wissenschaft oder der Politik machen? Und aus welchem Land? In welcher Sprache?
Tatsächlich ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Österreicher die Begrüßung übernehmen könnte. Florian Freistetter, Hofastronom der Science Busters, wäre wissenschaftlich natürlich qualifiziert, behauptet er doch stets, die Astronomie sei fürs gesamte Universum zuständig. Es gibt allerdings einen Österreicher, der den Aliens deutlich näher sein dürfte als der Rest der Menschheit: Dr. Kurt Waldheim. Als UN-Generalsekretär in den 1970er-Jahren war er zuständig, eine Grußbotschaft an alle Außerirdischen einzusprechen:
As the Secretary General of the United Nations, an organization of 147 member states who represent almost all of the human inhabitants of the planet Earth, I send greetings on behalf of the people of our planet. We step out of our solar system into the universe seeking only peace and friendship, to teach if we are called upon, to be taught if we are fortunate.
Vorgetragen mit starkem österreichischem Akzent. Das würden die Aliens hören, sollten sie eine der beiden Voyager-Sonden abfangen, die seit 1977 durchs Sonnensystem unterwegs sind. Und die es möglicherweise sogar schon verlassen haben, wie es allenthalben heißt. Aber dazu
Das Ende des Sonnensystems
…
Dazu später. Versprochen.
Um Kurt Waldheim zu lauschen, müssten die Aliens die mitgeschickte Goldene Schallplatte zum Spielen bringen. Sie müssten also erstens wissen, was eine Langspielplatte ist, und, um die Botschaft zu verstehen, zweitens auch noch Englisch sprechen. Vielleicht ist Ersteres die größere Herausforderung, denn heute wissen vermutlich selbst auf der Erde mehr Menschen, wie man Englisch spricht, als was eine Langspielplatte ist. Sollten die beiden Sonden die Aliens jedoch verfehlen, was bei der Größe des Weltalls sehr wahrscheinlich ist, würden sie vielleicht, ohne von Kurt Waldheim begrüßt worden zu sein, auf der Erde landen. Wo genau sie das tun würden … Da sind die Quellen uneinheitlich. In Science-Fiction-Filmen ist es in der Regel der US-amerikanische Präsident, der die Außerirdischen begrüßt. Und da muss man als Alien ehrlich gesagt auch ein wenig Glück haben mit dem Landungszeitpunkt. Denn man kann es auch blöd erwischen, würde man etwa im Jahr 2025 ankommen. Aber Science-Fiction ist Science-Fiction, und auch wenn die USA ein großes Land sind: Theoretisch kann die Kapsel der Aliens überall als Erstes aufschlagen. Auch im winzigen Österreich. Wer wäre da zuständig für die Begrüßung? Vielleicht der Bundeskanzler? Wobei aktuell im Jahr 2025 sollte man da vielleicht vorsichtig sein, damit die Aliens nicht misstrauisch werden und gleich wieder kehrtmachen, nachdem er leichte Ähnlichkeiten mit Jabba the Hutt aufweist. Dann lieber der Kardinal? Immerhin hat es im Stephansdom schon Marienerscheinungen gegeben, und der könnte somit als einschlägige Fachkraft für Außerirdische gelten.
Tatsächlich fängt das Problem weit früher an, lange bevor die Repräsentant:innen darüber streiten könnten, wer offiziell begrüßen und das erste Foto mit den Gästen machen darf. Denn realistisch betrachtet können die Aliens ja nicht aus dem Nichts erscheinen, sondern fliegen von irgendwoher mit dem Raumschiff zu uns. Und so ein Raumschiff macht das, was alle Himmelskörper tun: Es reflektiert das Licht der Sonne. Und so, wie wir auch Asteroiden und andere Himmelskörper im Weltall beobachten, könnten wir auch ein Raumschiff sehen, bevor es auf der Erde landet. Woher wüssten wir aber, dass es sich um ein Raumschiff handelt und nicht um einen Asteroiden?
Asteroiden bewegen sich nur wegen der Gravitationskräfte der anderen Himmelskörper, weshalb ihre Bahn gut vorhersehbar ist. Was sich einmal mehr beim Ende 2024 entdeckten Exemplar namens 2024YR4 gezeigt hat. Am 22. Dezember 2032 soll er, quasi als Weihnachtsgeschenk, der Erde sehr nahe kommen, aber dass er unseren Planeten tatsächlich touchieren wird, ist nahezu ausgeschlossen. Das wissen wir, weil wir Asteroiden sehr gut beobachten und ihre Route vorhersagen können. Und wenn Sie das Buch ganz durchlesen, wissen Sie es spätestens danach auch, weil wir noch ausführlich darauf zurückkommen werden.
Ein Raumschiff hat, in der Regel einen Antrieb und bewegt sich deshalb anders. Was wir ebenfalls erkennen könnten. Und dann würden wir sofort dem österreichischen Bundespräsidenten Bescheid geben, damit er sich gleich darum kümmern kann, bevor die Aliens nach der Landung irgendwelchen Sautrotteln mit Finka auf Ibiza über den Weg laufen und er sich dann am Ende wieder entschuldigend hinstellen muss, um zu erklären: »So sind wir nicht!«
Na ja. Nicht ganz. Denn die Entdeckung eines Raumschiffes dauert. Da schaut nicht irgendwer durch ein Teleskop und ruft sofort entzückt: »Ha! Ein Alien-Raumschiff!« Man muss ein unbekanntes Objekt schon etwas länger beobachten, um herauszufinden, worum es sich genau handelt. Das kann Tage dauern, Wochen oder noch länger. Es müssen auch sehr viele Astronom:innen mit Teleskopen überall auf der Welt beteiligt sein, weil man ja nicht immer alles von überall aus gleichermaßen beobachten kann. Die Daten müssen erst sorgsam geprüft werden, um Fehler auszuschließen, und dafür müssten Forscher:innen, die ja normalerweise mit Forschungsarbeit eingedeckt sind, erst einmal Zeit haben. Grundsätzlich aber würde es sich dabei um denselben Prozess wie bei der Entdeckung von Asteroiden handeln. Und dafür gibt es praktischerweise bereits eine offizielle Stelle: das Minor Planet Center der Internationalen Astronomischen Union, das dafür zuständig ist, die entsprechende Kommunikation innerhalb der Wissenschaft zu organisieren. Und deshalb wüssten schon vor einer potenziellen Landung und Begrüßungszeremonie sehr viele Menschen über den Besuch von Außerirdischen Bescheid.
Sie und wir und viele andere. Wenn Sie möchten, könnten Sie also in so einem Fall Ihren Balkon mit Blumen schmücken, Girlanden über den Türstock hängen, ein Gedicht auswendig lernen oder ein Meme erstellen, um einen guten Eindruck zu machen, sollten die Aliens tatsächlich bei Ihnen im Garten aufschlagen.
Aber auch damit ist das Protokoll-Problem ja noch nicht gelöst. Wen sollten Sie also danach benachrichtigen, wer wäre offiziell für die weitere Betreuung der außerirdischen Staatsgäste zuständig? Der Bundespräsident, der die Aliens mit Salutschüssen des Bundesheeres auf dem roten Teppich empfängt? Oder der Innenminister, der sie eigenhändig über die Schengen-Außengrenzen hinausjagt und umgehend den Familiennachzug verbietet, weil das Weltall als sicheres Drittland gilt? Oder die Parkraumüberwachung, weil das Raumschiff in einer Feuerwehreinfahrt steht?
Das Erstaunliche ist, Sie können anrufen, wen Sie wollen: den ADAC, die Obfrau des Tourismusverbandes, den Bürgermeister vom Erdbeerland oder niemanden. Tatsächlich gibt es für einen solchen Fall keine Gesetze und offiziellen Regeln. Das ist angesichts der Vorliebe für Aliengeschichten, die wir Menschen uns seit Jahrtausenden erzählen und auf die unzählige Religionsgründungen zurückgehen, einigermaßen erstaunlich.
Wissenschaftler:innen haben sich allerdings schon vor vielen Jahren Gedanken darüber gemacht, wie man in so einem Fall vorgehen sollte. Die Vorschläge laufen im Wesentlichen darauf hinaus, alle Informationen so schnell wie möglich öffentlich zu machen. Keine Geheimniskrämerei, um dem eigenen Staat etwaige Vorteile zu verschaffen. Und am besten ein internationales Komitee gründen, das sich schon im Vorfeld die weitere Vorgehensweise überlegt. Das klingt vernünftig, weshalb es aller Voraussicht nach nicht passieren wird, wenn man sich die politische Lage der Welt in Erinnerung ruft. Die Gründung des Komitees wäre nun wirklich eine einfache Übung gewesen. Und noch nicht einmal das ist in den letzten Jahren gelungen.
Ersatzweise wird immer wieder die UNO als offizieller Ansprechpartner genannt, wie etwa im sogenannten Weltraumvertrag. Der wurde 1967 geschlossen und von fast allen Ländern der Welt unterzeichnet, als im Zuge der Mondlandungsbemühungen die Raumfahrt in Schwung kam und man sich überlegte, was man tun sollte, würde man was Cooles entdecken. Aber viel mehr als »Unbedingt dem UN-Generalsekretär oder der -sekretärin Bescheid geben!« stand da auch nicht drinnen, wobei die Entdeckung von Außerirdischen bis heute fast ebenso spektakulär wäre wie die Besetzung des UN-Generalsekretariats mit einer Frau.
In Deutschland hat im Jahr 2018 ein Bundestagsabgeordneter offiziell bei der Bundesregierung angefragt, welche Pläne es für den Erstkontakt mit Aliens gäbe. Zur Antwort bekam er, dass solche nicht existierten, da man es für äußerst unwahrscheinlich halte, dass Aliens ausgerechnet in Deutschland landen würden. Klingt eigentlich eher nach einer österreichischen Lösung — gibt’s nicht, hamma nicht, müsste ich erst im Lager schauen, ob wir das überhaupt schon einmal bestellt haben …
Aber Österreich ist tatsächlich ein Spezialfall in dieser Angelegenheit. Da schauen Sie! Wir gehören nämlich zu den wenigen Ländern, die nicht nur den Weltraumvertrag unterzeichnet haben, das kann jeder. Sondern auch den sogenannten Mondvertrag, eine Erweiterung des Weltraumvertrags. Und der hat einen sehr exklusiven Unterzeichnerkreis. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Länder, die zu arm oder unbedeutend für die Raumfahrt waren und deshalb kein kommerzielles oder militärisches Interesse am Weltraum unter besonderer Berücksichtigung des Mondes anmelden konnten …
Dieser Zusatzvertrag regelt in Artikel 5, Absatz 3, was zu tun wäre, wenn im Weltall »eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Menschheit« oder »irgendwelche Anzeichen von organischem Leben« entdeckt würden. Was beides auf Aliens durchaus zutrifft. (Und was im Falle etwa von Mikroben, die auf links gedreht sind, auch nicht ganz ungefährlich sein könnte für das Leben auf der Erde, wie wir später noch besprechen werden.) In diesem Fall muss auf jeden Fall sofort der UN-Generalsekretär unterrichtet werden. So lautet das Prozedere für Österreich. Oder: So würde es lauten, wenn ausreichend viele Länder den Mondvertrag unterzeichnet hätten, um ihm offizielle Gültigkeit zu verschaffen. Das war aber nicht der Fall, also ist es am Ende doch wieder egal, wem man wann Bescheid sagt. Aber vielleicht landen die Aliens ja praktischerweise direkt in der UNO-City in Wien, dann sind wir in Österreich auf jeden Fall auf der sicheren Seite und müssen gar nichts tun. Das ist uns eigentlich immer am liebsten. Und falls die außerirdischen Gäste als Allererstes sagen sollten: »Hello, we are se Aliens. We send greetings to all se inhabitans of se planet earth«, dann wissen wir, sie haben unterwegs Kurt Waldheim getroffen.
Wenn man sich aktuell das Ängste schürende Gerede aus diversen Innenministerien der Welt anhört, dann muss man fast davon ausgehen, dass illegale Einreisen selbst aus Outta Space ein realistisches Szenario sind. Wesentlich schwieriger würde es hingegen wohl, als extraterrestrischer Ausländer einen permanenten Aufenthaltstitel zu bekommen. Oder nicht auf einen sicheren Dritt-Planeten abgeschoben zu werden. Verhaltensauffällige Multimilliardäre würden jederzeit ihre Raumschiffe dafür zur Verfügung stellen, wenn sie mit einem derartigen PR-Stunt ihr Ego streicheln könnten. Allerdings muss man für die Einreise auf die Erde erst einmal unser Sonnensystem betreten. Illegal, das ist klar, oder illegitim, wie solche, die sich für ein bisschen sophisticateder halten, es neuerdings lieber nennen. Aber anders geht es nicht, denn es gibt keine Einreisebehörde und keinen Grenzübergang. Was daran liegt, dass wir auch nach Jahrtausenden Himmelsbeobachtung eines immer noch nicht kennen, nämlich
Ganz genau, liebes Kapitel »Ende des Sonnensystems«. Jetzt passt es, wir sind ja kompromissbereit, und Sie sehen, unsere Hand ist jederzeit ausgestreckt. Also, Zimtschnecke oder Croissant? Nein, wir möchten Sie nicht hungrig machen. Beides hat tatsächlich etwas mit dem Ende des Sonnensystems zu tun. Aber der Reihe nach.
Die überraschende Entdeckung des Uranus Ende des 18. Jahrhunderts hat die Ausdehnung des Sonnensystems auf einen Schlag verdoppelt — also nicht wirklich, aber für unsere beschränkten Gehirne. Damit hat sich auch das angenommene räumliche Ende des Sonnensystems gewaltig verschoben. Bis dahin war Saturn der äußerste Grenzposten — Uranus ist beinahe doppelt so weit von der Sonne entfernt. Überraschend war die »Entdeckung« des Uranus auch insofern, weil man den Guten schon seit Jahrtausenden kannte, denn man kann ihn gerade noch so mit freiem Auge am Himmel sehen. Nur hatte ihn niemand als Planeten identifiziert. Bis Wilhelm Herschel mit seinem selbst gebastelten Teleskop daherkam, den vermeintlichen Stern von seinem Garten in Bath, UK, aus beobachtete und sich (wahrscheinlich) dachte: »Der sieht aber irgendwie komisch aus.«
Herschels Teleskop hatte zum ersten Mal die notwendige Vergrößerung, um zu erkennen, dass der Punkt nicht ganz so punktförmig war wie die Punkte der anderen Sterne. »Da schau ich einmal nach«, mag er sich gesagt haben und war vermutlich ähnlich aufgeregt wie Edwin Hubble anderthalb Jahrhunderte später. Wie Sie noch sehen werden. Details sind allerdings nicht überliefert. Vielleicht war er anfangs auch gar nicht so sehr aus dem (Garten-)Häuschen, denn er beschrieb Uranus zunächst als »nebulösen Stern« und glaubte, einen neuen Kometen entdeckt zu haben. Die Kometenjagd war ja ein beliebtes Hobby bei den Herschels, in dem sich vor allem Wilhelms Schwester Caroline hervortat. Als durch die Arbeit anderer Astronomen jedoch klar wurde, dass das Ding doch eine ziemlich kreisförmige Bahn hatte und eher in die Kategorie der Planeten passte, dürfte Herschel jedoch auch nicht enttäuscht gewesen sein über die anfängliche Fehleinschätzung. Die Entdeckung eines neuen Planeten war natürlich besser und ein großes Trara. Wer hat schon eine Planetenentdeckung in seinem Portfolio! Es war der Beginn seiner Karriere als hauptberuflicher Astronom, denn König George III. stellte ihm fortan ein jährliches Stipendium zur Verfügung — unter der Voraussetzung, dass er nach Windsor zog und die königliche Familie durch sein Teleskop schauen ließ.
Als Entdecker durfte er sich auch einen Namen für den Planeten aussuchen und wollte ihn »George« nennen. Wie obigen englischen König. Das macht ihn nicht ganz so korrupt und unterwürfig, wie wenn man sich (als Staatschef) Anfang 2025 Trump-Coin gekauft hat. Aber sein Vorschlag resultierte doch auch nicht nur aus gutmütigem Überschwang, sondern war einer realistischen Einschätzung seines Gönners geschuldet. Das wiederum kam in der internationalen astronomischen Community so halbgut an, woraufhin einige Kompromissalternativen vorgeschlagen wurden, darunter »Neptune George« oder »Neptune Great Britain«. Der Zwist wogte lange hin und her, und erst im Jahr 1850 sollte der vom deutschen Astronomen Johann Bode vorgeschlagene Name »Uranus« mit der Aufnahme in den Nautical Almanac offiziell werden. Das war also, ein paar Jahre nachdem schon der nächste Planet entdeckt worden war: genau, Neptun. Der durfte dann anscheinend die erste Hälfte der verschmähten Namensvorschläge abstauben.
Neptun ist wiederum selbst etwas Besonderes: Er ist der einzige Planet, der nicht durch Beobachtung, sondern durch Berechnung entdeckt wurde. Gut, zuerst wurde schon etwas beobachtet, nämlich Abweichungen des Uranus von seiner erwarteten Position am Himmel. Aus diesen Abweichungen errechneten die zwei Mathematiker John Couch Adams und Urbain Le Verrier unabhängig voneinander die zu erwartende Position des Störenfrieds, der den Uranus von seiner Bahn abbrachte. Dieser wurde dann 1846 von Johann Gottfried Galle auch genau dort gefunden, wo Le Verrier ihn vorhergesagt hatte — allerdings erst nach einiger Bettelei seitens des Theoretikers, denn die Beobachter mit ihren großen Teleskopen waren zunächst einmal mit Kometen beschäftigt, oder zumindest mit wichtigeren Dingen als den Vorhersagen von Mathematikern.
Damit hatte man also Neptun, doch auch der verhielt sich auf seiner Bahn nicht ganz regelkonform. Was ziemlich schnell für Spekulationen über die Existenz eines weiteren Planeten sorgte, der die Bahnen der anderen störte: Planet X. Ja, der hieß auch schon damals so und war genau wie heute auch schon vor 120 Jahren irgendwie ein bisschen fragwürdig. Von Anfang an schien der Suche nach Planet X ein leicht pseudowissenschaftlicher Geruch anzuhaften. Der wohlhabende Unternehmer und Astronomie-Enthusiast Percival Lowell gründete zu dem Zweck ein eigenes großes Observatorium, wo der Planet 1930 schlussendlich auch gefunden wurde — allerdings nicht genau dort, wo er hätte sein sollen. Er war außerdem wesentlich weniger hell als erwartet und darum auch viel kleiner als gedacht. Schnell wurde klar, dass so ein kleines Ding nicht genug Masse haben konnte, um die beobachteten Störungen zu verursachen. Pluto, wie man die Neuentdeckung nannte, war also im Endeffekt ein Zufallsfund — und eigentlich nicht Planet X. Seine Umlaufbahn unterschied sich zudem von denen der beiden zuvor neu entdeckten Planeten, denn sie war nicht beinahe kreisförmig, sondern sehr elliptisch. Zudem befand sie sich nicht auf einer Ebene mit den Bahnen der anderen Planeten. Wegen dieser planetenuntypischen Bahn wurde sein Planetenstatus auch sofort angezweifelt. Schon ein paar Monate nach seiner Entdeckung wurden Vermutungen laut, dass es sich bei dem neu entdeckten Himmelskörper um eine andere, vielleicht neue Art von Objekt handeln könnte, die Kometen oder Asteroiden ähnelte, aber größer war.
Und das war völlig richtig. Die Internationale Astronomische Union (IAU) bequemte sich allerdings erst 75 Jahre später, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Bis in die 1990er-Jahre war Pluto das entfernteste Objekt — also quasi das Ende — des Sonnensystems, obwohl er dank seiner elliptischen Bahn schon ab 1979 näher an der Sonne dran war als Neptun. Das blieb zwar nur für 20 Jahre so. Trotzdem sollte Pluto seinen Status als Randerscheinung des Sonnensystems nicht mehr zurückbekommen. Denn schon Anfang der 1990er-Jahre wurden andere, plutoähnliche Objekte im äußeren Sonnensystem gefunden, die sogenannten Transneptunischen Objekte. Da die aber alle kleiner waren als Pluto und die Welt damals noch nicht so woke war wie heute, konnte man deren Existenz und Bedeutung für das Sonnensystem noch eine Zeit lang recht einfach ignorieren. Doch spätestens 2005 war mit der Entdeckung von Eris Feuer am Dach. Eris war nicht nur circa gleich groß wie Pluto, sondern hatte sogar deutlich mehr Masse. Törööö — hier war Planet Nummer zehn, denn es gab keinen vernünftigen Grund, Eris vom Planetendasein auszuschließen, solange Pluto dazugehören durfte. Glücklicherweise traf die IAU dann 2006 auch die vernünftige Entscheidung, Pluto aus dem Kreis der Planeten zu verbannen. Zum Preis der Einführung einer neuen Kategorie an Objekten: den Zwergplaneten. Unglücklicherweise sah sich die IAU aber im Zuge dessen auch dazu gezwungen, die Kategorie Planet neu zu definieren, was leider weniger gut gelungen ist. Die Astronomie sollte sich generell von Definitionen fernhalten.
Aber auch die Zwergplaneten und die anderen Transneptunischen Objekte sind eigentlich nur der Anfang des Endes. Der Bereich jenseits der Bahn des Neptun, in dem sich auch Pluto und die anderen Zwergplaneten befinden, heißt Kuipergürtel, nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper. Und das ist ein ganz guter Indikator dafür, wie schlecht wir uns in diesem Grenzbereich des Sonnensystems auskennen. Im Science-Busters-Buch Das Universum ist eine Scheißgegend stand dazu: »Gerard Kuiper war zwar ein hervorragender Astronom, aber den Kuiperbelt hat er eben gerade nicht entdeckt. Er hat vielmehr das Gegenteil behauptet, nämlich dass Pluto gravitativ so ein Chef sei, dass er mit seiner Schwerkraft alle Objekte raus zur Oortschen Wolke schickt. Das bedeutet, er hat postuliert, dass es dort, wo heute bekanntermaßen der Kuiperbelt liegt, mit geschätzten mehr als 70.000 Objekten mit einem Durchmesser von mehr als 100 Kilometern und noch zigtausendmal mehr kleineren, gar nichts gibt. Er hat also die Nichtexistenz eines Kuipergürtels vorhergesagt, und deshalb wurde folgerichtig der Kuipergürtel nach ihm benannt. Spitze! Richtiggelegen sind andere, aber deren Namen trägt der Gürtel nicht.«
Das waren der amerikanische Astronom Frederick Leonard, der schon 1930, nach der Entdeckung von Pluto, darüber spekuliert hat, ob Pluto nicht eines von vielen Objekten hinter der Bahn des Neptun sein könnte, und der irische Astronom Kenneth Edgeworth, der 1943 in einer wissenschaftlichen Arbeit erklärt hat, dass sich so fern der Sonne eigentlich keine Planeten bilden können. Weshalb die Region hinter der Neptunbahn von vielen kleinen Himmelskörpern bevölkert sein sollte. Erst 1951 erschien eine Arbeit von Gerard Kuiper, der ähnliche Gedanken wie Edgeworth äußerte, allerdings eben zu einer ganz anderen Schlussfolgerung kam. Dass der nun aber doch existierende Asteroidengürtel gerade nach dem Mann benannt ist, der behauptet hat, es würde ihn nicht geben, ist eine der vielen historischen Kuriositäten in der Wissenschaft. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, würde man die Region heute Leonard-Edgeworth-Gürtel nennen. Tun wir aber erstens nicht, und zweitens können Sie durch die Erwähnung der Oortschen Wolke erahnen: Der Kuipergürtel ist auch noch nicht das Ende der Fahnenstange im Sonnensystem.
Wie sieht dieser ominöse Etikettenschwindler namens Kuipergürtel nun aber aus? Man kann ihn sich als eine Art gigantische, aber sehr dünn besiedelte Scheibe vorstellen, in der sich Brocken aus Eis und Gestein auf sehr langen, aber stabilen Bahnen um die Sonne bewegen. Die Objekte sind dabei nicht gleichmäßig verteilt, sondern häufen sich, beeinflusst durch die Gravitationskraft des Neptun, in Ringen, ähnlich wie die Ringe des Saturn, nur eben nicht so dicht. Das ist der klassische Kuipergürtel, in einer Entfernung zwischen 30 und 50 Astronomischen Einheiten (AE), also 30- bis 50-mal der Entfernung zwischen Erde und Sonne. Weiter draußen allerdings wird die Situation etwas unklarer. Es gibt dort definitiv noch Unmengen an weiter entfernten Objekten, wie zum Beispiel die 2003 entdeckte Sedna. Momentan ist dieses Objekt etwa 80AE von uns entfernt, aber damit sehr nahe an seinem sonnennächsten Punkt. Auf der anderen Seite seiner extrem lang gezogenen elliptischen Bahn sind es 937AE, also fast 1000-mal die Entfernung zwischen Erde und Sonne. Das im Moment am weitesten von uns entfernte Objekt, das definitiv noch Teil unseres Sonnensystems ist, heißt 2018AG37, Spitzname: Farfarout. Das ist keine indigene Sprache oder französisch wie Passe-Partout, sondern einfach englisch verballhornt. 2018AG37 heißt also »Weitweitweg«. Astronomen sollten, wie Sie sehen, nicht nur keine Definitionen aufstellen, sondern auch keine Dinge benennen dürfen, die weit weg liegen.
Diese Objekte gehören also nicht mehr zum Kuipergürtel, da sie zu weit entfernt sind, um noch von Neptun beeinflusst zu werden. Sedna gilt als einer der ersten Bewohner der sogenannten Oortschen Wolke, ein immer noch nicht durch Beobachtungen nachgewiesenes Konstrukt, eine Art Asteroiden-Bubble von gigantischen Ausmaßen, die die Sonne, die Planeten und den Kuipergürtel umgibt wie eine Atmosphäre aus Stein und Eis.
Und wie groß soll diese unbequem klingende Wolke sein? Mindestens ein Lichtjahr, vielleicht auch zwei, also etwa 100.000AE. Aber genauer wissen wir nicht, wo das Sonnensystem endet. Ein intuitiv denkender Mensch könnte vermuten: warum nicht einfach da, wo die Anziehungskraft der Sonne aufhört? Doch so einfach ist die Sache leider nicht, denn die Gravitation hört nicht einfach irgendwo auf, sondern wird nur schwächer und schwächer. So lange, bis die Anziehungskraft der Sonne so schwach ist wie die ihres nächsten Nachbarsterns. Doch das Sonnensystem ist dreidimensional und hat nicht nur Nachbarsterne in allen möglichen Richtungen, sondern ist auch eingebettet in die galaktische Scheibe der Milchstraße, das sogenannte interstellare Medium, und im Endeffekt umgeben vom kollektiven gravitativen Einfluss von Milliarden von Sternen, Staub und Gas in unserer Galaxis. Und zu allem Überfluss bewegt sich das Ganze auch noch, Sterne und Gaswolken ziehen an uns vorbei. Sie können gerne mal versuchen, den Spaß als Hausübung auszurechnen — und wenn Sie es schaffen, sich in Stockholm Ihren Nobelpreis abholen.
Und Planet X, der ominöse Zeitgenosse, der die Umlaufbahnen der anderen Planeten zu stören scheint — ist er irgendwo da draußen in den eisigen Weiten des äußeren Sonnensystems? Wahrscheinlich eher nicht. Schon als die Raumsonde Voyager 2 im Jahr 1989 an Neptun vorbeiflog, konnte dessen Masse um einiges genauer bestimmt werden als zuvor. Und dabei stellte sich heraus, dass Neptun um etwa ein halbes Prozent schlanker war als gedacht. Das klingt jetzt nach nicht viel. Wenn solche wie wir ein Prozent unserer Körpermasse verlieren, dann gilt das noch nicht als Abnehmerfolg. Aber bei Neptun entspricht es der Masse eines kleinen Planeten wie etwa dem Mars. Und mit dieser neuen Neptunmasse verschwanden auch die Ungereimtheiten im Orbit des Uranus. Alles schien wieder zusammenzupassen. Und auch in den Bahnen der Pioneer- und Voyager-Sonden gibt es bisher keine Abweichungen, die auf die Anwesenheit eines großen Planeten X schließen ließen. Das heißt natürlich nicht, dass er nicht doch da ist, denn die Oortsche Wolke ist groß und bietet viel Platz, in dem sich diverse im Wesentlichen nicht selbst leuchtende Himmelskörper verstecken können. Aber zumindest ist der vermeintliche Planet X nicht so groß und so nah an der Sonne dran, dass er noch als klassischer Planet durchgehen würde.
Doch noch einmal zurück zu den beiden Voyager-Raumsonden. Hieß es vor ein paar Jahren nicht, Voyager 1 habe das Sonnensystem bereits verlassen — also dessen Ende quasi passiert? Stimmt, das wurde behauptet, aber nein, dem war nicht so. Also na ja, die Aussage ist zwar nicht richtig, aber so falsch, wie man annehmen könnte, ist sie auch nicht. Es gibt nämlich noch einen anderen Einfluss der Sonne auf ihre Umgebung als ihre Anziehungskraft. Es werde Licht. Genau. Die Sonne erzeugt nicht nur Licht, sondern auch einen ständigen Strom an geladenen Teilchen, hauptsächlich Protonen, die mit rasender Geschwindigkeit in alle Richtungen davonfliegen: den Sonnenwind. Und der hat es in sich, wie man gerade im Jahr 2024 auch aus dem ansonsten magnetisch gut geschützten Mitteleuropa beobachten konnte. Er verursacht auf der Erde in erster Linie nur die schönen Polarlichter. Zum Glück nicht mehr. Denn er könnte auch ganz anders. Ohne unser Magnetfeld
