Aus toten Böden wird fruchtbare Erde - Gabe Brown - E-Book

Aus toten Böden wird fruchtbare Erde E-Book

Gabe Brown

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Beschreibung

Wie Sie ausgelaugte und nährstoffarme Böden in fruchtbares Ackerland verwandeln
Eine Farmerfamilie entdeckt den wahren Schatz der regenerativen Landwirtschaft


Gabe Brown hatte nicht vor, die Welt zu verändern, als er in die Landwirtschaft ging. Doch nachdem eine Reihe von Missernten seine Lebensgrundlage bedroht hatte, begann er einschneidende Umstellungen vorzunehmen, die seine Familie und ihn einen verblüffenden neuen Weg erkunden ließen: die regenerative Landwirtschaft.

Aus toten Böden wird fruchtbare Erde erzählt eine Geschichte von Verzweiflung und Hoffnung, die den Lesern eine Fülle an revolutionären Lösungen bietet, wie man Boden aufbauen, unsere Ökosysteme heilen und gewinnbringend einen Familienbetrieb führen kann.

Brown ist zur Stimme und zum Gesicht der regenerativen Landwirtschaft auf der ganzen Welt geworden. Er inspiriert eine Bewegung, von der die Zukunft der Landwirtschaft umgestaltet und die Art und Weise verändert wird, wie Bauern, Konsumenten und Politiker über Nachhaltigkeit denken.

Die fünf Säulen der Bodengesundheit

Vom Wunsch getrieben, seinen Hof zu retten, begann Gabe Brown mit neuartigen Methoden zu experimentieren, von denen er gelesen und in Gesprächen mit innovationsfreudigen Forschern und Landwirten erfahren hatte. Während seine Familie und er um den Fortbestand der Farm kämpften, befanden sie sich bereits mitten auf einer fantastischen Reise zu einer neuen Form der Bewirtschaftung.

Brown verzichtete bald auf Herbizide, Insektizide und Kunstdünger, die in der konventionellen Landwirtschaft üblich sind. Er sattelte auf die pfluglose Landwirtschaft um, baute artenreiche Zwischenfruchtmischungen an und änderte seine Weidestrategie. So gelang es ihm, dem degenerierten Ökosystem seiner Farm wieder Leben einzuhauchen – vom erneuerten Boden aus bahnte sich die organismische Vielfalt den Weg nach oben, Pflanze für Pflanze und Tier für Tier – mit nahezu unglaublichen Ernteerfolgen.

In Aus toten Böden wird fruchtbare Erde erzählt Gabe Brown die Geschichte dieser faszinierenden Entdeckungsreise und liefert gleichzeitig eine Fülle an zukunftsweisenden Lösungen für die dringlichste und schwierigste Herausforderung, der sich nicht nur die Landwirte, sondern auch jeder Gartenbesitzer in unserer Zeit stellen muss – die Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit.

»Wenn wir gesund bleiben oder werden möchten, brauchen wir gesunde Nahrung, die auf intakten, nicht auf toten Böden gewachsen ist. Dies ist nur mithilfe der Bodenlebewesen zu erreichen, keinesfalls mithilfe von Herbiziden und Kunstdünger.« Aus dem Vorwort

»Obwohl ich seit 40 Jahren biologische Landwirtschaft betreibe, hat es mich überrascht, wie viel ich aus der Lektüre von Aus toten Böden wird fruchtbare Erde lernen konnte. Deswegen ist das Buch jedem Landwirt und Lebensmittelunternehmer sehr zu empfehlen.« Frederick Kirschenmann, Distinguished Fellow des Leopold Center for Sustainable Agriculture

»In seinem richtungsweisenden Buch erklärt Gabe Brown Schritt für Schritt, wie Landwirte und Viehzüchter leblose Erde in gesunden Oberboden verwandeln können, wobei er einen fundierten und trotzdem elegant einfachen Entwurf anbietet, wie sich Bodendegradation überall auf der Welt rückgängig machen lässt.« Dr. Christine Jones, Bodenökologin

»Gabe Browns Buch wirkt wie ein frischer Wind; es führt beispielhaft vor Augen, was alle Landwirte, die sich um die Zukunft ernsthaft Gedanken machen, erreichen können, wenn sie fundierten ökologischen Prinzipien folgen und ihren gesunden Menschenverstand und ihre Vorstellungskraft einsetzen.« Allan Savory, Präsident des Savory Institute

»Als ein Vorreiter in der Bewegung, der es um die Erneuerung der Böden geht, ... hat Gabe Brown dazu beigetragen, die Wissenschaft voranzutreiben, zu zerren und zu schleifen, damit sie Lösungen für unsere derzeitige Landwirtschafts- und Ernährungskrise entwickelt.« Kris Nichols, Bodenmikrobiologin

»Gabe Brown ist der einzig Wahre. Aus toten Böden wird fruchtbare Erde sollte für jeden konventionellen Landwirt der Erde Pflichtlektüre sein.« Will Harris, White Oak Pastures, Bluffton, Georgia

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1. Auflage März 2020 2. Auflage März 2022Dirt to Soil by Gabe Brown Copyright © 2018 by Gabe Brown Kopp Verlag e. K. edition published by arrangement with Chelsea Green Publishing Co, White River Junction, VT, USA www.chelseagreen.com Titel der amerikanischen Originalausgabe:Dirt to Soil. One Family´s Journey into Regenerative Agriculture Copyright © 2020, 2022 bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Übersetzung aus dem Amerikanischen: Markus Lebmann und Alexandra Kühn Lektorat: Swantje Christow Satz und Layout: Martina Kimmerle Covergestaltung: Stefanie Huber ISBN E-Book 978-3-86445-741-8 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-10 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Widmung

Für die schüchterne Farmerstochter, die sich nichts sehnlicher wünschte, als einen Mann aus der Stadt zu heiraten, der sie fortholen sollte aus dem ländlichen Idyll. Der Mann, den sie heiratete, kam zwar aus der Stadt, doch irgendetwas lief trotzdem nicht ganz nach Wunsch, denn er brachte sie ausgerechnet dorthin zurück, wo sie hergekommen war. Dort verschrieb sie sich der Aufgabe, mich in allem zu unterstützen wie niemand sonst und mir zur Seite zu stehen bei unserer Mission, tote Böden in fruchtbare Erde zu verwandeln.

Besonderen Dank möchte ich auch unseren Kindern, Kelly und Paul, aussprechen. Eure unerschütterliche Zuneigung und Unterstützung ist alles, was sich ein Vater nur wünschen kann.

Shutterstock: Yevheniia Lytvynovych

Vorwort

Ich lernte Gabe Brown 2012 kennen, als ich ihn darum bat, einen Vortrag auf der Konferenz der Quivira Coalition zu halten. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: »Wie können wir eine Ernährungsgrundlage für 9 Milliarden Menschen schaffen?« Das Thema war mir ein Jahr zuvor spontan eingefallen, als ich Colin Seis, Schafzüchter aus New South Wales (Australien), einen Besuch abstattete. Zwischen uns hatte sich gerade ein intensives Gespräch über Pasture Cropping entsponnen – eine neue Methode innerhalb der regenerativen Landwirtschaft, die von Colin und seinem Nachbarn Darryl Cluff entwickelt worden war. Beim Pasture Cropping werden auf derselben Fläche 1-jährige Feldfrüchte und mehrjährige Weidepflanzen gemeinsam kultiviert. Im Verlauf der Unterhaltung wurde mir klar, dass Colins und Darryls Erfindung ein faszinierender Lösungsansatz für diese wachsende Herausforderung war – nämlich die schätzungsweise 9 Milliarden Menschen, die im Jahr 2050 auf unserem Planeten leben werden, auf eine umweltverträgliche Weise zu ernähren.

Pasture Cropping ist eine mögliche Lösung, dasselbe gilt aber auch für andere Methoden der regenerativen Landwirtschaft. Diese Form der Bewirtschaftung zielt nicht nur darauf ab, Nahrungsmittel zu produzieren, sondern ist auch darum bemüht, degenerierte Böden wieder fruchtbar zu machen. Die regenerative Landwirtschaft ist bestrebt, den Gesundheitszustand unserer Böden Schritt für Schritt zu verbessern und bedient sich dabei besonderer Methoden, um die Aktivität der Bodenorganismen zu fördern, den Kohlenstoffkreislauf anzukurbeln, die Vitalität von Pflanzen und Tieren zu steigern sowie die Qualität der Nahrung und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern – jedes einzelne dieser Ziele kann dazu beitragen, sehr viele Menschen mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen. Zu den Methoden der regenerativen Landwirtschaft zählen Direktsaat, das heißt Verzicht auf Bodenbearbeitung, Anbau vielfältiger Zwischenfrüchte (Mischkultur), mehrgliedrige Fruchtfolge, Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, Einschränkung des Herbizideinsatzes und Vermeidung von Insektiziden und anderen Schädlingsbekämpfungsmitteln sowie von Kunstdünger. All diese Maßnahmen sind zudem auf die Weidehaltung von Nutztieren abgestimmt. Wie Colin Seis auf seinem Betrieb demonstriert hat, kann sich die regenerative Landwirtschaft als durchaus rentabel erweisen.

Voller Begeisterung stellten wir uns vor, welches Potenzial in dieser Konferenz stecken könnte, und als ich Colin nach weiteren Führungspersönlichkeiten der Bewegung fragte, die als gute Redner infrage kämen, fiel zuallererst der Name »Gabe Brown«.

Wie die Teilnehmer der Quivira-Konferenz erfahren sollten, hatten Gabe und seine Frau Shelly Anfang der 90er-Jahre den Bauernhof ihrer Eltern in der Nähe von Bismarck, North Dakota, erworben und begonnen, auf konventionelle Weise Getreide anzubauen und Fleischrinder zu züchten. Das heißt: Intensive Bodenbearbeitung sowie massiver Einsatz von Herbiziden, Insektiziden und Kunstdünger waren eine Selbstverständlichkeit. Doch schon 3 Jahre später wagten sie sich in die Grenzbereiche des konventionellen landwirtschaftlichen Produktionsmodells vor, indem sie das Pflügen einstellten, um die Feuchtigkeit im Boden zu halten und Treibstoffkosten zu senken. Als in 4 aufeinanderfolgenden Jahren wegen widrigster Wetterbedingungen die Ernte ausblieb, wurde die finanzielle Lage zwar immer hoffnungsloser, es entstanden aber auch die Voraussetzungen, damit die Familie Brown eine unerwartete, mit großen Umwälzungen verbundene Reise antreten konnte, die sie von der industriellen zur regenerativen Landwirtschaft führte.

Mittlerweile bringt ihre über 2000 Hektar große Ranch eine bunte Palette an Feldfrüchten wie Mais und Weizen sowie Zwischenfrüchte hervor und wirft Gewinne ab, wie Gabe seinen Zuhörern erzählte. Während der gesamten Vegetationsperiode baut Gabe Zwischenfrüchte an, um bestimmte Interessen im Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu verfolgen, beispielsweise den Boden zu schützen. Auf der Brown’s Ranch trifft man auf ausschließlich mit Grünfutter aufgezogene Rinder und Lämmer, in Freilandhaltung weidende Legehennen, Masthähnchen, Schweine, Honig, Gemüse und Obst – alle Erzeugnisse werden direkt vermarktet. Die Missstände, die konventionellen Landwirten das Leben schwer machen, beispielsweise Bodenverdichtung, Winderosion, Überschwemmungen, Krankheiten, Schädlinge, Unkraut, gewaltige Kosten für Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger sowie niedrige Ernteerträge, erachtet Gabe als Symptome eines gestörten Ökosystems. Die Produktionsweise der Brown’s Ranch, die sich in 20 Jahren des Experimentierens und Verfeinerns herausgebildet hat, sieht eine Vielzahl an Methoden vor, um der Gefährdung der natürlichen Ressourcen entgegenzuwirken – besonderer Wert wird jedoch darauf gelegt, die Bodenlebewelt wiederherzustellen.

Gabes Vortrag auf der Konferenz der Quivira Coalition erwies sich als so inspirierend und erfolgreich, dass ich ihn 2014 mit seinem Sohn Paul einlud, einen Workshop zu leiten.

Eines der Themen ihres Workshops, das den Teilnehmern die Augen öffnete, war der bewusste Aufbau der Humusschicht. Wie bitte, lässt sich eine Humusschicht tatsächlich aufbauen? Herkömmlichen Ansichten zufolge dauert es Tausende Jahre, bis sich einige Zentimeter Oberboden bilden. Doch wie Gabe bemerkte, war es ihnen auf der Ranch gelungen, etliche Zentimeter Humus in lediglich 20 Jahren dazuzugewinnen, indem man sich die Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft zu eigen gemacht hatte. Sie entdeckten, dass das Zusammenwirken von Bodenmikroorganismen, Mykorrhizapilzen, Regenwürmern, organischem Material, Pflanzenwurzeln, Wasser, Sonnenlicht und »flüssigem Kohlenstoff«, den die Pflanzen mittels Photosynthese erzeugen, einen natürlichen Prozess in Gang setzt, der den verdichteten, nährstoffarmen Schmutz des industriellen Ackerlandes in fruchtbaren, luftigen Boden verwandelt. Diese Umwandlung ließe sich ganz einfach erklären, erzählten Gabe und Paul im bis zum letzten Platz gefüllten Raum: mit der Kraft, die dem Leben innewohne. Wenn diese Kraft erst einmal entfesselt sei, entwickle sich das Leben unweigerlich weiter und brächte neues Leben hervor.

Es ist wenig überraschend, dass Gabe zu einem beliebten Redner wurde, der auf seinen zahlreichen Reisen für die regenerative Landwirtschaft eintritt. Allein im Winter 2016/2017 hielt er mehr als 100 Vorträge und sprach dabei vor über 23000 Zuhörern; von den 250000 Aufrufen seiner Website, um seine Präsentationen abzurufen, ganz zu schweigen. Sommer für Sommer strömen Hunderte Menschen auf die Brown’s Ranch, und auch die Homepage der Familie wird von unzähligen Interessierten besucht. In den vergangenen Jahren berief sich eine Reihe von Dokumentarfilmen, die sich mit Nahrungsmitteln und Bodengesundheit beschäftigten, auf Gabe. Wie er glaubt, ist all das ein Beweis dafür, dass die regenerative Landwirtschaft auf immer breiteres Interesse stößt, ob unter Konsumenten oder alternativen Landwirten und sogar unter konventionellen Bauern, die Änderungen herbeiführen möchten.

Alles, was noch fehlte, war ein Buch. Die Autorenbetreuer bei Chelsea Green hatten Gabe dazu ermuntert, seine Erfahrungen zu Papier zu bringen. Er musste jedoch feststellen, dass es praktisch ein Ding der Unmöglichkeit war, ausreichend Zeit für das Projekt zu erübrigen. Ein zufälliges Gespräch mit Fern Marshall Bradley, Cheflektor bei Chelsea Green, sollte mich ins Spiel bringen. Wir stimmten darin überein, dass ein Buch von Gabe ein wertvoller Beitrag wäre, um die Anliegen der regenerativen Landwirtschaft zu verdeutlichen. Und so fragte ich, ob ich auf irgendeine Weise dabei helfen könne, das Buch zu realisieren. Gabe war bereit, mit mir zusammenzuarbeiten, und so machten wir uns einige Monate später an die Arbeit. Meine Aufgabe bestand hauptsächlich darin, am Stil zu feilen. Ich fühlte mich geehrt, an diesem Projekt beteiligt zu sein, und bin heute noch genauso begeistert von den Leistungen der Familie Brown wie damals, als ich sie kennenlernen durfte.

In diesem Zeitalter extremer gesellschaftlicher Spaltung, der virtuellen Realitäten und der Missachtung von Tatsachen führt uns die Brown’s Ranch vor, dass es etwas gibt, das uns vereint – der Bedarf an intakten Böden. Nichts ist weniger virtuell als der Anbau von Nahrungsmitteln. Pixel kann man nicht essen. Unser Körper benötigt eine natürliche Ernährung, was bedeutet, dass wir die Landwirtschaft brauchen, die wiederum auf Böden angewiesen ist. Wenn wir gesund bleiben oder werden möchten, brauchen wir gesunde Nahrung, die auf intakten, nicht auf toten Böden gewachsen ist. Dies ist nur mithilfe der Bodenlebewesen zu erreichen, keinesfalls mithilfe von Herbiziden und Kunstdünger. Wenn wir nicht nur Gegensätze verbinden und stressresistent sein wollen, sondern auch unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft ermöglichen möchten, dann sollten wir schleunigst auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und uns von dort aus hinaufarbeiten: Pflanze um Pflanze und Tier um Tier.

Wie die Familie Brown beweist, ist dies möglich, sofern wir uns dazu entschließen.

Courtney White

Einführung – Die beste Lehrerin

Einführung
Die beste Lehrerin

Unser Leben hängt von der Qualität des Bodens ab. Das Wissen um diese Wahrheit ist heute so tief in mir verwurzelt, dass ich kaum glauben kann, wie vieler Maßnahmen ich mich als junger Landwirt bediente, um dem Boden Schaden zuzufügen. Ich wusste es einfach nicht besser. Auf dem College wurde mir alles beigebracht, was es über das gängige, auf Massenproduktion ausgerichtete Bewirtschaftungssystem zu wissen gab. Dieses System fußt auf den Ergebnissen einer reduktionistischen Wissenschaft, nicht darauf, wie reale Ökosysteme funktionieren. Die Geschichte der Brown’s Ranch handelt von der Umwandlung eines schwer angeschlagenen, kaum gewinnbringenden Betriebes, der dem industriellen Produktionsmodell entsprechend bewirtschaftet wurde, in ein intaktes, gewinnträchtiges landwirtschaftliches Unternehmen. Auf unserer Reise wurden wir vor viele Herausforderungen gestellt; der Versuch war unser treuer Begleiter. Als fast genauso treu erwies sich der Irrtum, doch machte er gerne Platz für die Erfolge, die sich allmählich einstellten. Viele Lehrer durfte ich auf meiner Reise kennenlernen, darunter andere Landwirte, Forscher, Ökologen und nicht zuletzt meine Familie. Doch die beste Lehrerin von allen ist die Natur.

Die meisten Entscheidungen, die ich treffe, wenn ich meinen tagtäglichen Aufgaben auf meiner Farm nachgehe, stehen im Zeichen der Bodenregeneration und des Bodenschutzes. Dabei befolge ich fünf Prinzipien, die im Laufe der Zeitalter von der Natur hervorgebracht worden sind. Sie sind auf der ganzen Welt dieselben und haben überall dort Gültigkeit, wo die Sonne scheint und Pflanzen leben. Alle Gärtner und Landwirte dieser Welt, die diese Prinzipien anwenden, tun dies, um auch wirklich fruchtbaren, tiefgründigen Boden zu erhalten und die Wasserkreisläufe zu verbessern.

Die fünf Prinzipien der Bodengesundheit lauten:

Entlastung des Bodens: Reduzieren Sie die mechanische, chemische und physikalische Störung des Bodens. Bodenbearbeitung zerstört die Bodenstruktur. Sie nimmt das »Haus« immer wieder auseinander, welches die Natur errichtet, um das Edaphon (die Gesamtheit der im Boden lebenden Organismen) zu schützen, das für die natürliche Bodenfruchtbarkeit sorgt. Zur Bodenstruktur zählen Bodenkrümel und Poren (Hohlräume, die ein Versickern des Wassers ermöglichen). Bodenbearbeitung führt zu Bodenerosion, also zur Verschwendung einer wertvollen natürlichen Ressource. Kunstdünger, Herbizide, Insektizide und Fungizide wirken sich ebenfalls ausnahmslos negativ auf das Bodenleben aus.

Schutz der Erdoberfläche: Sorgen Sie dafür, dass der Boden stets bedeckt ist. Dabei handelt es sich um eine sehr wichtige Maßnahme, wenn man die Bodengesundheit wiederherstellen möchte. Unbedeckter Boden darf als Anomalie gelten – die Natur ist stets darum bemüht, den Boden bedeckt zu halten. Wenn wir für eine natürliche »Panzerung« sorgen, schützen wir den Boden vor Erosion durch Wind und Wasser und sorgen gleichzeitig dafür, dass die größeren Lebewesen des Bodens und die Mikroorganismen mit Nahrung versorgt werden. Auch wirken wir so der Verdunstung von wertvollem Wasser und der Keimung von Unkrautsamen entgegen.

Erzeugung von Vielfalt: Streben Sie nach Vielfalt, das gilt sowohl für Pflanzen- als auch für Tierarten. Wo trifft man in der Natur auf Monokulturen? Nur dort, wo der Mensch sie hingestellt hat! Wenn ich meinen Blick über die naturbelassene Prärie schweifen lasse, fällt mir zuerst die unermessliche Vielfalt ins Auge. Gräser, andere krautige Pflanzen und Sträucher leben und gedeihen hier in gegenseitiger Harmonie. Stellen Sie sich vor, was jede dieser Arten zu bieten hat. Einige verfügen über flache Wurzeln, manche über tiefgründige, die einen über faserige Wurzelsysteme, die anderen über Pfahlwurzeln. Manche Pflanzen enthalten mehr Kohlenstoff, andere weniger, beispielsweise Leguminosen. Jede einzelne unter ihnen ist wichtig für die Bewahrung der Bodengesundheit. Die Vielfalt wirkt darauf hin, dass das Ökosystem seine natürlichen Aufgaben wahrnehmen kann.

Durchwurzelung des Bodens: Sorgen Sie dafür, dass sich Jahr für Jahr so lange wie nur möglich lebende Wurzeln im Boden befinden. Sie müssen nur einen Spaziergang im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze machen und werden beobachten können, dass sich die ersten Pflanzen ihren Weg durch den letzten Schnee bahnen. Wenn Sie dieselbe Route im späten Herbst oder frühen Winter beschreiten, werden Sie feststellen, dass manche Pflanzen noch immer grün sind und somit auch noch so spät im Jahr über lebende Wurzeln verfügen. Diese aktiven Wurzeln ernähren die Bodenlebewesen, indem sie ihnen ihre Nahrungsquelle schlechthin bereitstellen: den Kohlenstoff. Die Bodenorganismen wiederum kurbeln die Nährstoffkreisläufe an, von denen die Pflanzen profitieren. In meiner Heimat im zentralen North Dakota treten die letzten Frühlingsfröste ungefähr Mitte Mai auf und die ersten Herbstfröste Mitte September. Einst habe ich geglaubt, dass diese 120 Tage die gesamte Vegetationszeit umfassten, die mir für den Anbau meiner Kulturen zur Verfügung stünde. Wie man sich irren kann. Jeden Herbst bauen wir nun 2-jährige Pflanzen an, die bis in den frühen Winter wachsen. Im Vorfrühling beenden sie ihre Winterruhe und führen den Bodenorganismen zu einer Zeit im Jahr Nahrung zu, in der das Ackerland früher brachlag.

Einbindung von Tieren: Ohne Tiere geht in der Natur gar nichts, so einfach ist das. Es hat viele Vorteile, Tiere in die landwirtschaftlichen Prozesse einzubeziehen. Zu den größten Vorzügen zählt, dass die Beweidung die Pflanzen dazu stimuliert, mehr Kohlenstoff in den Boden zu befördern. Dadurch, dass die Bodenlebewesen Nahrung erhalten, werden die Stoffkreisläufe angeregt. Natürlich wirkt das auch effektiv dem Klimawandel entgegen, weil der Atmosphäre verstärkt Kohlenstoff entnommen wird, der in der Folge in den Boden gelangt. Wenn Sie auf Ihrem Bauernhof ein gesundes, funktionstüchtiges Ökosystem hervorbringen möchten, müssen Sie nicht nur einen Lebensraum für Ihre Nutztiere zur Verfügung stellen, sondern auch Habitate für Bestäuber, räuberische Insekten, Regenwürmer und Mikroorganismen. Die Vielfalt an Mikroorganismen ist wichtig, denn sie stellt sicher, dass dieses Ökosystem seine Aufgaben auch erfüllen kann.

Auf diese fünf Prinzipien werde ich im weiteren Verlauf immer wieder zu sprechen kommen. Ihrer Bedeutung ist sogar ein eigenes, ausführliches Kapitel gewidmet (Kapitel 7). Sie durchdringen alle Tätigkeiten, die ich auf meiner Ranch verrichte. Ich hoffe, dass Sie diese Prinzipien nicht nur im Schlaf aufsagen können, wenn Sie das vorliegende Buch zu Ende gelesen haben, sondern auch, dass Sie selbst Nutzen daraus ziehen möchten, um Ihr Ökosystem zu regenerieren. Nun wollen wir uns aber auf die Reise machen, um herauszufinden, wie aus toten Böden fruchtbare Erde wird.

© Shutterstock: Yevheniia Lytvynovych

Teil 1 – Die Reise

Teil 1
Die Reise

© Shutterstock: ingk, hadkhanong

Kapitel 1 – Das Lehrgeld der frühen Jahre

Kapitel 1
Das Lehrgeld der frühen Jahre

Wie um alles in der Welt kann sich jemand, der in der Stadt groß geworden ist und dessen einziger Kontakt mit Pflanzen darin bestanden hat, im Sommer den Rasen zu mähen, mit einer derartigen Begeisterung der Bodengesundheit und Regeneration von Ackerland verschreiben? Manchmal, wenn ich darüber nachdenke, was ich der regenerativen Landwirtschaft alles zu verdanken habe, taucht diese Frage wieder in mir auf.

Ich bin in Bismarck, North Dakota, als zweitjüngster von vier Brüdern aufgewachsen. Mein Vater verbrachte seine gesamte berufliche Laufbahn im örtlichen Elektrizitätswerk, und meine Mutter widmete sich hauptsächlich der Aufgabe, ihre vier Söhne davor zu bewahren, in Schwierigkeiten zu geraten. Meine Kindheit, die ohne größere Zwischenfälle dahinplätscherte, verbrachte ich mit Baseball, Bowling und Hausaufgaben. Mit Landwirtschaft hatte ich nicht viel zu tun, abgesehen von einigen seltenen Stippvisiten zur Farm meines Onkels. Das änderte sich allerdings in der neunten Klasse, als ich auf Anregung meines älteren Bruders Jay einen berufsbildenden landwirtschaflichen Lehrgang besuchte.

Bald darauf schloss ich mich den Future Farmers of America an. Ich fühlte mich von allem angezogen, was mit Ackerbau und Tierhaltung zu tun hatte und wollte alles in Erfahrung bringen, was es darüber zu wissen gab – dies bedeutete damals, dass man sich umfassend mit Düngern, Herbiziden, Insektiziden, Fungiziden, künstlicher Besamung, Mastbetrieben, Futteroptimierung, Dieselmotoren und vielen anderen Themen beschäftigen musste, die sich um die industrielle landwirtschaftliche Produktionsweise drehten.

Während ich die Highschool besuchte, verbrachte ich so manchen Nachmittag nach der Schule damit, im Auftrag eines Landwirts aus der Umgebung Steine von seinen Äckern zu klauben – in North Dakota ist das übrigens keine ungewöhnliche Tätigkeit. Das war das erste Mal, dass ich auf einer richtigen Farm arbeitete – und abgesehen von den Steinen habe ich es sehr gerne gemacht. Dass der Farmer bald mein Schwiegervater werden sollte, konnte ich damals noch nicht ahnen. Meine geliebte Shelly und ich heirateten im Jahr 1981.

Meine Schwiegereltern Bill und Jeanne arbeiteten ungemein hart. Als sie 1956 anfingen, hatten sie kaum mehr vorzuweisen als einen Traum. Im Laufe der Jahre, die im Zeichen des Fleißes standen, schafften sie es, die Raten für eine Farm mit einer Fläche von mehr als 700 Hektar abzuzahlen, während sie drei Töchter aufzogen. Nachdem ich auf dem College Agrarökonomie und Tierwissenschaften studiert hatte, zogen Shelly und ich auf Bill und Jeannes Farm, wo wir in einem Trailer House (einer Art Wohnwagen) wohnten. Sie hatten uns gefragt, ob wir ihren Betrieb gerne irgendwann übernehmen würden. Selbstverständlich wollten wir das, liebend gern. Halt! Das ist nur die halbe Wahrheit, denn eigentlich hatte Shelly unbedingt einen jungen Mann aus der Stadt heiraten wollen, um dem Landleben entfliehen zu können. Und nun hatte sie ausgerechnet einen erwischt, der sie dorthin zurückbrachte! Sie musste mich einfach geliebt haben, denn sonst hätte sie sich wohl geweigert. Ihre Eltern bewirtschafteten den Hof bis 1991. Weil es keinen männlichen Nachkommen gab, der den Betrieb hätte übernehmen können, mussten sie sich mit einem Schwiegersohn begnügen, der in der Stadt aufgewachsen war und über keine nennenswerte Erfahrung in landwirtschaft-lichen Dingen verfügte.

Bill und Jeanne bewirtschafteten ihre Felder konventionell, was mit intensiver Bodenbearbeitung verbunden war. Ich gebe gerne zum Besten, dass Pflügen das liebste Hobby meines Schwiegervaters gewesen ist. Auf dem Traktor zu thronen und schweres Gerät über den Acker zu schleifen bereitete ihm das reinste Vergnügen. Alljährlich ließen Bill und Jeanne die Hälfte ihrer Anbaufläche über den Sommer brach liegen, also ruhen. Diese Felder pflügten sie wiederholt, um das Unkraut am Aufkommen zu hindern. Sie ließen das Land brach liegen, weil sie dachten, man könne auf diese Weise die Feuchtigkeit für das nächste Anbaujahr speichern. Auf der anderen Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche wurden für den Verkauf bestimmte Feldfrüchte angebaut, hauptsächlich kleinkörnige Getreidearten wie Sommerweizen, Hafer und Gerste. Jahr für Jahr wurde Dünger ausgebracht, wenn auch nicht in großen Mengen. Auch Herbizide wurden jährlich verwendet, um das Unkraut zu vernichten.

Die Rinderherde meiner Schwiegereltern zählte rund 65 Stück, dazu kamen noch ungefähr zwanzig 1-jährige Färsen. Das Vieh, das auf drei Gruppen aufgeteilt war, graste die gesamte Vegetationsperiode über jahrein, jahraus auf drei natürlichen Grünlandflächen, die zu dem Anwesen gehörten; daran änderte sich nie etwas. Wenn der Herbst hereinbrach, weideten die Rinder die Stoppeln auf den abgeernteten Feldern ab und danach erhielten sie während des Winterhalbjahres 5–6 Monate lang Heu in großen Mengen. Die Kälber wurden im Oktober abgesetzt und dann ebenfalls eine Zeit lang gefüttert, bevor man sie verkaufte. Die Tiere wurden auch einem Standardverfahren unterzogen, das heißt, einer Kombination aus Impfung und Insektizidbehandlung – sie wurden jedes Jahr mit Insektiziden übergossen und mehrfach geimpft.

1978 verkauften Bill und Jeanne all ihre Rinder. Sie verpachteten das Weideland, bis Shelly und ich auf die Farm zogen und unsere erste Herde mit registriertem Gelbvieh anschafften – eine Zuchtform, die ursprünglich aus Europa stammt und in den 1970er-Jahren erstmals in die USA eingeführt worden war. Das Gelbvieh zeichnet sich durch seine hervorragende Milch, seine kräftigen Muskeln und seine guten Muttereigenschaften aus. Ich fand, dass die Tiere hervorragend auf unsere Ranch passten.

Meine ersten Gehversuche als Landwirt

Als ich während meiner Anfangsjahre als Farmer mit Bill zusammenarbeitete, erfuhr ich so manches über die konventionelle landwirtschaftliche Produktion. Doch schon zu Beginn wunderte ich mich über die zugrunde liegende Logik. Beispielsweise pflegten Bill und ich im Frühling zu pflügen, und ich kann mich erinnern, dass Bill mir erzählte, wir würden »den Boden bearbeiten, um ihn auszutrocknen«. Das ergab für mich so gar keinen Sinn, weil wir im Juli regelmäßig beteten, dass es bald regnen möge. Ich erinnere mich genau, wie er mir weismachen wollte: »Je mehr man den Boden bearbeitet, umso besser!« Warum eigentlich?, fragte ich mich im Stillen. Von Zeit zu Zeit wagte ich, seine Ansichten anzuzweifeln, was ihm nicht so recht gefallen wollte, zeichnete er sich doch als Nachfahre preußischer Einwanderer nicht gerade durch Flexibilität aus. Die Erfahrungen, die ich während unserer gemeinsamen Zeit sammeln durfte, waren dennoch wertvoll für mich, besonders seit ich begonnen hatte, Veränderungspläne für die Zeit zu schmieden, nachdem Shelly und ich die Farm übernommen hätten. Shelly räumt inzwischen ein, dass diese Zeit recht anstrengend für sie gewesen sei, musste sie doch mit dem einen Ohr hören, wie sich ihre Eltern über mich beklagten, und mit dem anderen Ohr, was ich über Bill und Jeanne zu meckern hatte.

Die Tiere hielten wir natürlich ebenfalls auf konventionelle Weise. Während der Vegetationsperiode galt es drei Dinge zu beachten – und nur drei: die Rinder, das Gras und das Wasser. Doch nachdem ich einen Rancher namens Ken Miller kennengelernt hatte, der seine eigenen Methoden entwickelt hatte, stellte ich auch unsere Weidestrategie infrage. Ken war ein Mentor für mich und ist es immer noch. Seine Frau Bonnie und er züchten ihr Vieh unter ziemlich rauen Umweltbedingungen nahe Fort Rice, North Dakota. Die Böden in dieser Gegend enthalten einen recht hohen Anteil Bentonit und bringen in der Regel nicht einmal genug Gras hervor, um Nagetiere, wie zum Beispiel die Präriehunde, satt zu machen – außer auf Bonnie und Kens Ranch. Durch aufmerksames Beobachten und sorgfältige Bewirtschaftung haben Ken und Bonnie ihr Land so weit erneuert, dass es heute überaus produktiv und rentabel ist. Ken brachte mir Dinge bei, die meine College-Professoren niemals auch nur angedeutet hatten. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

Zu Bills und Jeannes Ehrenrettung sei gesagt, dass sie sich in Geduld übten und mir erlaubten, einige Wiesen zu unterteilen, damit ich unterschiedliche Weidestrategien ausprobieren konnte. Es handelte sich um meine ersten Versuche, Landflächen zu erneuern – allerdings hatte ich zu jener Zeit nicht die geringste Ahnung davon. Nachdem ich das Land 8 Jahre lang gemeinsam mit Bill und Jeanne bestellt hatte, trafen sie eine unerwartete Entscheidung: Sie wollten jeder ihrer drei Töchter jeweils ein Drittel der Farm verkaufen und nicht Shelly und mir den gesamten Betrieb. Das war nicht das Ergebnis, auf das Shelly und ich hingearbeitet hatten. Wir hatten beabsichtigt und erwartet, den ganzen Hof erwerben zu können. 20 Jahre später beeinflusste die Lehre, die wir aus diesem Erlebnis gezogen hatten, unseren Beschluss, auf welche Weise wir den Betrieb an unsere Kinder übergeben würden – ein Beschluss, den ich in Kapitel 5 ausführlicher erläutern werde.

Im Jahr 1991 kauften wir Bill und Jeanne das insgesamt 250 Hektar umfassende Anwesen ab. Glücklicherweise ließen wir den Natural Resources Conservation Service (NRCS) des Landwirtschaftsministeriums zu uns kommen und eine Ausgangsanalyse der Böden durchführen. Zwei Testergebnisse erwiesen sich als besonders wichtig für unsere Geschichte. Die ersten Untersuchungen zeigten, dass unsere Ackerböden zwischen 1,7 und 1,9 Prozent an organischer Substanz enthielten. Inzwischen habe ich erfahren, dass der Humusgehalt an unserem Standort Bodenkundlern zufolge ursprünglich zwischen 7 und 8 Prozent betragen haben soll. Rund drei Viertel des organischen Materials, das sich einst in meinem Boden befunden hatte, gingen mit der Zeit aufgrund von Bodenbearbeitung und untauglichen Bewirtschaftungsmethoden verloren. Eine Verarmung an organischem Material wirkt sich negativ auf die Nährstoffkreisläufe im Boden aus. (Dieses Konzept knüpft an die überaus wichtigen Prinzipien der Bodengesundheit an, die ich in der Einleitung angesprochen habe und später, in Kapitel 7, ausführlicher behandeln werde.) Viele Landwirte greifen zu Kunstdünger, um die Pflanzen mit den Nährstoffen, die sie benötigen, zu versorgen. Übrigens setzen sich die Böden landesweit normalerweise aus 50 Prozent mineralischen Bestandteilen (Sand, Schluff, Ton), 25 Prozent Wasser, 15 Prozent Luft und weniger als 10 Prozent organischem Material (heutzutage erheblich weniger) zusammen.

Beim zweiten Test, den der NRCS auf unserem Gelände durchführte, wurde die Geschwindigkeit ermittelt, mit der die Niederschläge in unseren Böden versickerten, ohne dass sie sich in Pfützen sammelten und dann verdunsteten oder den Grund durch Oberflächenabfluss verließen. Dabei wurde eine Versickerungsgeschwindigkeit von 13 Millimetern (13 Liter pro Quadratmeter) pro Stunde festgestellt – ein Wert, der für viele landwirtschaftliche Betriebe in unserer Gegend charakteristisch ist. Das Problem bestand darin, dass wir jeden Tropfen, den wir nur kriegen konnten, bitter benötigten. Der durchschnittliche Jahresniederschlag auf unserer Ranch betrug lediglich etwas mehr als 400 Millimeter, ungefähr 280 davon in Form von Regen, und der Rest stammte von den über 1,5 Metern Schnee, die jeden Winter fielen. Erschwerend kam hinzu, dass ein großer Teil des Regens bei Gewittern niederging, sodass 25–50 Millimeter binnen kurzer Zeit herunterkommen konnten. Eine niedrige Versickerungsgeschwindigkeit bedeutete, dass der größte Teil des Wassers oberflächlich abfloss und den Pflanzen somit nicht zur Verfügung stand. Dies stellte uns bereits in Jahren mit durchschnittlichen Niederschlagsmengen vor ernsthafte Probleme, in Dürrejahren war es aber besonders schwierig. Rückblickend wäre es wohl vorteilhaft gewesen, einige dieser Bodenproben aus dem Jahr 1991 zu archivieren. Eine Untersuchung mit den heutigen technischen Möglichkeiten wäre aufschlussreich, um zu ermitteln, wie stark unsere Böden damals von Erosion betroffen und arm an Lebewesen waren.

In den ersten Jahren, die auf den Kauf des Bauernhofs und der umliegenden Ländereien folgten, führte ich den Betrieb mit konventionellen Methoden weiter. So bearbeitete ich den Boden, setzte Kunstdünger und Herbizide ein und baute kleinkörniges Getreide an – genauso, wie es meine Schwiegereltern getan hatten. Ich wusste nicht im Geringsten, was ich daran ändern sollte. Schließlich war es mir auf dem College und auch von Bill so und nicht anders beigebracht worden. Der Umgang mit unseren Tieren bereitete mir große Freude, und so fasste ich den Entschluss, meine Rinderherde zu vergrößern. Weil ich zusätzliche Weide-fläche benötigte, die ich im Frühjahr nutzen konnte, wandelte ich rund 80 Hektar Ackerland wieder in Dauergrünland mit mehrjährigen Gräsern um. Bill glaubte, mich hätte ein tollwütiges Karibu gestreift. Niemand bei klarem Verstand verwandelte »schönes« Ackerland wieder in eine Wiese! Daran durfte man noch nicht einmal denken! Nach einer Unterredung mit den Regionalvertretern des NRCS entschloss ich mich dazu, eine Saatgutmischung aus Wehrloser Trespe, Blau-Quecke und Flaumiger Blau-Quecke anzubauen. Rasch entwickelte sich auf dem vormals mit 1-jährigen Pflanzen bedeckten Ackerland ein dichter Bestand an ausdauernden Pflanzen, die allerdings nicht sehr ertragreich waren. Durch diese Erfahrung konnte ich wichtige Erkenntnisse über die Funktion von Böden gewinnen, wie ich in Kapitel 3 erläutern werde. Auch möchte ich keineswegs verschweigen, dass ich sehr viel Lehrgeld zahlen musste, und diese Lektion war eine der heftigsten.

Umstellung auf Direktsaat

Im Jahr 1994 empfahl mir ein guter Freund aus dem nördlichen Teil unseres Staates, der sich der »pfluglosen Landwirtschaft« verschrieben hatte, auf Direktsaatmethoden umzusteigen, um mit meiner Zeit und der Bodenfeuchtigkeit sparsamer umzugehen. Sein Ratschlag leuchtete mir ein. Zu den Vorteilen, die da-raus erwuchsen, dass ich nicht auf einer Farm aufgewachsen war, zählte meine Unvoreingenommenheit. Wenn ich etwas nicht vorweisen konnte, so waren es vorgefasste Meinungen. Er ließ seinem Vorschlag noch einen schlauen Rat folgen: »Wenn du auf Direktsaat umstellst, verkaufe deine Bodenbearbeitungsgeräte, damit du nicht in Versuchung gerätst, rückfällig zu werden.« Als Neuling unter den Landwirten konnte ich es mir ohnehin nicht leisten, einfach draufloszulaufen und eine Direktsaatmaschine zu erwerben, also beherzigte ich seinen Ratschlag. Ich verkaufte Pflug und Egge und erwarb mit dem Erlös eine Direktsaatmaschine der Serie 750 von John Deere mit einer Arbeitsbreite von 4 Metern, die mir in den 12 folgenden Jahren gute Dienste leisten sollte. Danach sattelte ich auf ein neueres Modell um.

Bill konnte sich nicht dazu durchringen, meine freudige Erregung wegen der Umstellung auf Direktsaat zu teilen. Er hatte größte Bedenken, und dass er mit ansehen musste, wie ich die neue Saat auf einem Acker ausbrachte, auf dem sich noch die Stoppeln vom letzten Jahr befanden, machte die Sache nicht besser. Normalerweise war er sorgfältig bestellte, ratzekahle Böden gewohnt und ließ sich nur schwer davon überzeugen, dass die Direktsaat einen Versuch wert sei. Gleichwohl verlief mein erstes Jahr, in dem ich »pfluglose Landwirtschaft« betrieb, einfach fantastisch. Nicht nur, dass unsere Ernteerträge stiegen, ich konnte auch die Menge an Kunstdünger langsam verringern, indem ich stickstofffixierende Felderbsen in die Fruchtfolge mit aufnahm. Ich hatte gehört, dass über jedem Hektar Land ungefähr 80000 Tonnen atmosphärischen Stickstoffs schweben, also dachte ich, es käme einem Schildbürgerstreich gleich, wenn jemand so viel wie ich für Stickstoffdünger ausgab. Die Erbsen entwickelten sich ausgezeichnet, und der Sommerweizen mit einer Ernte von 3,75 Tonnen pro Hektar bei einem Preis von 17 Cent pro Kilogramm stand dem in nichts nach. Damals war das ein verdammt guter Preis und ein exzellenter Flächenertrag. Ich schwebte im siebten Farmerhimmel! In jenem Herbst baute ich eine Saatmischung aus Wintertriticale und Zottiger Wicke an, weil ich Pflanzen für meine Rinder benötigte, die ich abmähen und als Heu verfüttern konnte. Die Saat ging gut auf und sah einfach großartig aus. Wie einfach das Leben als Landwirt doch ist, dachte ich.

Da wusste ich natürlich noch nicht, was auf uns zukommen würde.

Doch bevor ich mit unseren Erlebnissen fortfahre, möchte ich Ihnen mehr über die Direktsaatmethode und ihre Bedeutung für die Bodengesundheit erzählen – das zentrale Thema dieses Buches, um das sich die meisten Geschichten drehen werden. Einfach ausgedrückt wird bei der Direktsaattechnik eine spezielle Sämaschine eingesetzt – ein Gerät mit Einscheibenscharen, die eine Rille – nicht breiter als eine Messerklinge – in den Boden ziehen. Wenn sich Ernterückstände auf dem Feld befinden, können die Scharen leicht durch sie hindurchschneiden. Die Maschine besitzt mehrere Saatgutförderschläuche, die darüber befestigt sind. Die Samen fallen durch die Mitte der Förderschläuche und werden in dem schmalen Spalt, der von der Schare erzeugt wird, in einer voreingestellten Tiefe abgelegt. Die von der Schare verdrängte Erde wird von Andruckrollen wieder vorsichtig über die Stelle gestrichen, an der sich die Samen befinden. Durch Direktsaat werden also Feldfrüchte, beispielsweise Weizen, angebaut, ohne dass es zu einer Störung des Bodens kommt.

Welche Vorteile hat die Direktsaat? Durch das Pflügen wird die Bodenstruktur, die den Bodenorganismen Lebensraum bietet, zerstört und die Sickerfähigkeit des Erdreichs gemindert. Die »pfluglose Landwirtschaft« hingegen fördert die Wasserspeicherkapazität des Bodens, was dem Anbau von Pflanzen zugutekommt. Zurückzuführen ist dies auf eine raschere Versickerungsgeschwindigkeit infolge eines besseren Krümelgefüges, einen erhöhten Anteil an organischem Material und eine ausreichende Bodenbedeckung (Ernterückstände), die als Verdunstungsschutz dient. Der Boden ist darüber hinaus in geringerem Maße der Erosion durch Wind und Wasser ausgesetzt. Dadurch, dass sich auf den Feldern zur Zeit des Anbaus noch die Rückstände des letzten Bewuchses befinden, verbessert die Direktsaat die Bedingungen für die Mikroorganismen im Boden. Auf diese Weise werden die Nährstoffkreisläufe angekurbelt und der Bedarf an Kunstdünger gesenkt. Darüber hinaus sind weniger Traktorfahrten notwendig, sodass sich Arbeitsaufwand, Treibstoff- und Wartungskosten verringern.

Mit welchen Nachteilen ist die Direktsaat verbunden? In erster Linie wird das Unkraut nur unzureichend in Schach gehalten. Allerdings führt jede Art der Bodenbearbeitung früher oder später zu einem größeren Aufkommen von Unkraut, das häufig nur durch die vermehrte Verwendung von Herbiziden reguliert werden kann. Der Einsatz von Herbiziden wäre aber gleichbedeutend damit, dass einer Farm, die auf Direktsaat setzt, die Anerkennung als Bio-Betrieb verwehrt bleibt, was mit wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden sein kann. Die »pfluglose Landwirtschaft« kann darüber hinaus im Frühjahr zu einer Verzögerung der Bodenerwärmung führen, die für die Keimung notwendig ist. Dieser verzögerten Erwärmung kann man durch einen Fruchtwechsel entgegenwirken, um für ein angemessenes Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis zu sorgen. Darauf werde ich später zurückkommen.

Die Ursprünge der Direktsaat-Bewegung gehen auf Edward Faulkner zurück. Der radikale Bodenkundler und Farmer aus Ohio stellte in seinem Buch Plowman’s Folly aus dem Jahr 1943 fest: »In Wirklichkeit hat bisher noch niemand einen wissenschaftlichen Grund für das Pflügen vorgebracht.«

Im oberen Mittleren Westen wurde die »pfluglose Landwirtschaft« von Dr. Dwayne Beck eingeführt, dem Direktor der Dakota Lakes Research Farm, die in der Nähe von Pierre, South Dakota, gelegen ist. Dr. Beck wuchs auf einem regionalen landwirtschaftlichen Mischbetrieb auf, studierte Chemie und arbeitete eine Zeit lang für einen Düngemittelhändler, bevor er an der South Dakota State University promovierte, wobei er seinen Forschungsschwerpunkt auf Bodenfruchtbarkeit gelegt hatte. Als er die Versuchsfarm ins Leben rief, wollte er die Erosion der Nutzflächen verlangsamen, die sich bis Ende der 1980er-Jahre zu einem großen Problem ausgewachsen hatte. Besonders auf bewässerten Flächen wurden große Mengen der fruchtbaren Ackerkrume einfach weggespült. Während er landwirtschaftliche Praktiken, bei denen die Felder wenig oder gar nicht bearbeitet wurden, auf ihr Bodenerhaltungspotenzial hin untersuchte, beobachtete er eine dramatische Vermehrung der Bodenlebewesen. Es blieb ihm auch nicht verborgen, dass weniger Wasser benötigt wurde, um mithilfe dieser Methoden eine ertragreiche Ernte hervorzubringen; gleichzeitig sanken Treibstoff- und Düngemittelverbrauch. Als die Ernteerträge die Durchschnittswerte des Landkreises erreichten und schließlich überflügelten, wusste er, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hatte.

Die Landwirte, denen die Dakota Lakes Research Station gehört, ließen Dr. Beck die Freiheit, alternative Methoden auszuprobieren und einen systemischen Ansatz für die Landwirtschaft anzustreben. Schon früh machte er sich für den Anbau von Zwischenfrüchten stark; diese sollen in erster Linie das Bodenleben fördern und die Bodenfunktion verbessern. Dr. Beck vertrat den Standpunkt, dass der Anbau von Zwischenfrüchten die aussichtsreichste Methode sei, um die Fruchtbarkeit in der Landwirtschaft zu erhöhen. Er bemühte sich darum, den Farmern in der näheren Umgebung die Direktsaat schmackhaft zu machen – und das in einer Gegend, in der intensive Bodenbearbeitung jahrzehntelang die Norm gewesen war. Einen nach dem anderen überzeugte er davon, die Direktsaat auszuprobieren. Dem Einwand, Pflügen wäre notwendig, um Unkraut zu bekämpfen, begegnete Dr. Beck mit dem Hinweis auf seine Forschungsergebnisse und seine Erfahrung. Diese bewiesen, dass die Konkurrenz einer gesunden Zwischenfrucht das Unkraut regulierte. Er sagte voraus, dass der Einsatz chemischer Unkrautvernichtungsmittel – allen voran Glyphosat, das von Chemieunternehmen vehement beworben wurde – letztlich zu einer Resistenz des Unkrauts gegen diese Mittel führen werde. Diese Einschätzung hat sich als zutreffend erwiesen.

Dr. Beck war einer der Ersten in unserer Gegend, der sich dafür einsetzte, die Natur zum Vorbild zu nehmen, vor allem die einheimische Prärie. »Die Natur bearbeitet den Boden nicht«, sagte er häufig. Vielmehr sei die Natur darauf bedacht, Vielfalt hervorzubringen. Im Lebensraum Prärie treten Dutzende verschiedener Pflanzen auf – in erster Linie ausdauernde Arten –, die Symbiosen bilden. Die Natur ist eine Opportunistin und verabscheut den leeren Raum – den kahlen Boden – und trachtet stets danach, die Menge und die Vielfalt der Pflanzen zu erhöhen, solange man ihr nicht ins Handwerk pfuscht. Ein Bauer, der den Richtlinien der Direktsaat folgt, kann die Vielfalt der Pflanzen, die auf einem bestimmten Feld wachsen, beeinflussen. Was angebaut wird, hängt von den jeweiligen Zielen ab. Wer Tiere hält, für den kommen Grünfutterpflanzen infrage. Möchte man Stickstoff binden, so bietet es sich an, die Saatgutmischung mit Leguminosensamen zu ergänzen. Dr. Beck zufolge hatten schon die amerikanischen Ureinwohner in der Gegend Direktsaat praktiziert, lange bevor die ersten Siedler kamen. In diesem Zusammenhang empfiehlt er das Buch Buffalo Bird Woman’s Garden, das die Geschichte einer Hidatsa-Frau aus North Dakota erzählt, die im 19. Jahrhundert lebte. Sie beschreibt die Direktsaat als traditionelle Anbaumethode, mit deren Hilfe unter anderem dreizehn verschiedene Maissorten gezüchtet worden sind. Es handelt sich um ein großartiges Beispiel dafür, wie man im Einklang mit der Natur Nahrungsmittel kultivieren kann. Heutzutage gleicht der Anbau von Nutzpflanzen eher dem Abbau von Rohstoffen. Die im Boden enthaltenen Nährstoffe, beispielsweise Kohlenstoff, werden von Landwirten ausgehoben und weggeschafft. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass dieses System nicht nachhaltig ist.

Das Ziel eines nachhaltigen Systems ist ein gesunder Boden. Laut Dr. Beck wird der Begriff »Bodengesundheit« bereits seit den 1990er-Jahren vermehrt verwendet, obwohl er lange Zeit schwer zu definieren war. Heute verstehen wir die Faktoren, von denen die Bodengesundheit abhängt, besser: unversehrte Wasser- und Nährstoffkreisläufe, umgewandelte Sonnenenergie, die Vielfalt des Bodenlebens, die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs und die Widerstandskraft gegen Erosion. Eigentlich läuft es da-rauf hinaus, wie sehr die Eigenschaften eines Bodens denjenigen von Prärieböden ähneln. Es gibt jedoch keine Patentlösung, auch die »pfluglose Landwirtschaft« ist keine. Ein integrativer, ganzheitlicher Ansatz ist notwendig, um die Komplexität und Fruchtbarkeit eines Prärieökosystems auf einer Farm nachzuahmen.

So etwas wie eine magische Zahl gibt es ebenfalls nicht: Keine einzelne Kennziffer, kein Analyseergebnis kann Landwirten den einen Wert liefern, an dem sie ablesen können, ob ein Boden gesund ist. Stellen Sie sich vor, Sie fahren während eines Schneesturms auf der Straße. Die Analyseergebnisse entsprechen den weißen Streifen am Straßenrand, die Ihnen verraten, wann Sie Gefahr laufen, im Straßengraben zu landen. Die Aufgabe des Farmers besteht darin, sich so gut es nur geht an die Mittelstreifen zu halten und dem Wetter zu trotzen. Dr. Beck treibt diesen Vergleich noch einen Schritt weiter: Woher weiß man, ob man sich überhaupt auf dem rechten Weg befindet? Wissen Sie, wohin er führt? Haben Sie eine Landkarte dabei? Welche Ziele verfolgen Sie?

Katastrophenjahre

Im Frühjahr 1995 wähnte ich mich auf dem rechten Weg. Auf meinen Feldern baute ich Erbsen, Gerste, Hafer und – insgesamt 485 Hektar – Sommerweizen an. Die Feldfrüchte wurden ohne Ausnahme mit Kunstdünger bedacht und mit Herbiziden behandelt. Der Sommer meinte es gut mit uns. Einen Teil des Wintertriticale- und Zottelwickenbestandes, den ich im Herbst zuvor ausgesät hatte, machte ich zu Heu, und den Rest erntete ich mit dem Mähdrescher ab, um für neues Saatgut zu sorgen. Aber dann, ausgerechnet am Tag, bevor ich den Sommerweizen ernten wollte, suchte ein schrecklicher Hagelsturm die gesamte Anbaufläche heim – ein kompletter Ernteausfall. Meine Schwiegereltern hatten die Äcker 35 Jahre lang bewirtschaftet, und während dieser Zeit wurde die Ernte nur zweimal durch Hagel geschädigt. Beide Male hatten sich die Einbußen in Grenzen gehalten. Aufgrund ihrer Erfahrungen hatte ich natürlich auf den Abschluss einer Hagelversicherung verzichtet. Ich war der Meinung gewesen, dass diese Investition nicht nötig wäre. Ein Irrtum, der mich teuer zu stehen kam. Nicht nur die Ernte war am Boden zerstört.

Zum Glück waren unsere 150 registrierten Gelbviehrinder verschont geblieben. Wir wussten, dass uns die Kälber – darunter einige Stierkälber – eine schöne Summe bescheren würden. Angesichts eines Betriebsmittelkredits und einer Hypothek, die wir zurückzahlen mussten – die junge Familie, die es zu ernähren galt, nicht zu vergessen –, entwickelte sich alles nicht so reibungslos, wie ich es mir vor einem Jahr noch versprochen hatte.

In jenem Herbst entschloss ich mich, die Mischung aus Wintertriticale und Zottelwicke auf einer größeren Fläche anzubauen, doch aus Geldmangel konnte ich keines der Felder düngen. Der Verkauf von Stieren, jungen Ochsen und weiblichen Kälbern erbrachte so viel Erlös, dass wir es damit und mit dem Geld, das wir anderweitig zusammenkratzen konnten, schafften, die Zinsen an die Bank zu zahlen. Für die Rückzahlungsrate reichte es freilich nicht aus. Ich erinnere mich noch gut an das bange Gefühl in meinen Eingeweiden. Wie sollte ich jemals aus diesen Schulden herauskommen?

1996 nahmen wir Mais neu in unsere Fruchtfolge auf. Zusätzlich bauten wir vermehrt Felderbsen an, die wir nicht düngten. Unser Betreuer bei der Bank war bereit, zu uns zu stehen, doch machte er es davon abhängig, dass wir die bundesstaatliche Ernteausfallversicherung abschlossen. Allerdings ließen wir uns wieder nicht gegen Hagelschäden versichern. Das sollte sich als großer Fehler erweisen, denn Ende Juli wurden wir erneut von einem schweren Hagelsturm heimgesucht, der unsere Feldfrüchte vernichtete. Wir waren der Verzweiflung nahe. Wohin sollte das noch führen?

Der Herbst und der Winter, die nun folgten, waren eine harte Zeit. Einige Jahre war es nun her, dass unserer Tochter Kelly eine schwerwiegende Wirbelsäulenverkrümmung diagnostiziert worden war, weshalb sie ein Stützkorsett tragen musste. Das Korsett war ihrer Körperform angepasst und musste dem Wachstum entsprechend vergrößert werden. Als sie 12 Jahre alt war, begann Kelly stark zu wachsen, sodass sie nun alle 6 Monate ein neues Korsett benötigte, das pro Neuanfertigung mehrere Tausend Dollar kostete. Die Versicherung übernahm die Kosten für die Korsette nicht. Shelly und ich hatten uns Nebenjobs gesucht, um die Rechnungen leichter bezahlen zu können, doch zu diesem Zeitpunkt wurde die Rückzahlung eines Schuldscheindarlehens fällig und es gab keine Ernte, die wir in bare Münze hätten umwandeln können. Gleichzeitig mussten wir die wachsenden medizinischen Kosten bewältigen – also insgesamt eine recht beschwerliche Zeit.

Ich lernte, mit sehr wenig Schlaf auszukommen – tagsüber ging ich meinem 40-Stunden-Job nach und nachts kümmerte ich mich um die Farm. Des Öfteren erwischte ich mich, wie ich einnickte, während ich den Traktor fuhr. Und mein Schwiegervater machte spitze Bemerkungen darüber, wie schief die Reihen waren, die ich gezogen hatte.

Immerhin gab es in dieser Zeit auch gute Nachrichten, denn wir machten uns einen Namen durch den Verkauf von erstklassigen Gelbvieh-Bullen. Das bedeutete zusätzliche Einnahmen für unseren Betrieb. Weil wir damals überzeugt waren, maximales Wachstum und größtmögliche Milchleistung wären erstrebenswert, verwendeten wir jeden eingenommenen Cent, den wir abzweigen konnten, um das Wachstum der Tiere weiter zu steigern. Dazu gehörten anabolische Implantate genauso wie Insektizide, Entwurmungsmittel, Impfungen – die Liste ist schier endlos. Für die züchterische Beurteilung der Rinder vertrauten wir auf eine Methode, die als »Expected Progeny Differences« (EPD)1 bezeichnet wird – ein Konzept, das zu jener Zeit noch recht neu war. Dabei wurden unter anderem genetische Marker herangezogen, die darüber Auskunft geben sollten, ob ein Stier oder eine Kuh über Wunschmerkmale verfügten. Ich konnte nicht ahnen, dass sich meine Rinderherde dadurch in die falsche Richtung entwickelte. Auch diese Lektion begriff ich erst sehr spät.

Inzwischen schritt das Jahr 1997 voran. Anfang April, als fast alle unserer 205 Gelbvieh-Kühe bereits gekalbt hatten, brach ein verheerender Schneesturm über uns herein. 3 Tage lang waren wir nie da gewesenen Minustemperaturen und Schneefällen ausgesetzt, die sich mit einem Sturm von über 80 Stundenkilometern zusammentaten, um für ziemlich unwirtliche Verhältnisse zu sorgen. Alle 2 Stunden sah ich nach jenen Kühen, die ihre Kälber noch nicht auf die Welt gebracht hatten. Es war schon schwierig, sie durch den dichten Schneefall hindurch ausfindig zu machen, geschweige denn, ihnen beizustehen, falls sie meiner Hilfe bedurften. Am Abend des 2. Tages steuerte ich auf den Stall zu, der sich keine 100 Meter von unserem Haus entfernt befindet. Das Schneegestöber war so dicht, dass ich das Gebäude nicht ausmachen konnte. Diesen Weg hatte ich im Laufe der Jahre hundert- und tausendfach zurückgelegt, doch diesmal fühlte ich, dass etwas nicht stimmte. Unvermittelt stieß ich mit dem Fuß gegen ein Hindernis, strauchelte und fiel hin. Da bemerkte ich, dass ich an eine Seitenwand des Stalls geraten war und sich mein Fuß am oberen Ende eines umgefallenen Windschutzes verfangen hatte. Die Scheewehe war so mächtig, dass ich einen 3 Meter hohen Windschutzzaun überquert hatte! Ich raffte mich wieder auf und kehrte ins Haus zurück. Da ich mein Leben nicht aufs Spiel setzen wollte, um ein Kalb zu retten, wartete ich bis zur Morgendämmerung, bevor ich wieder nach den Rindern sah. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich dachte: »Das kann doch gar nicht wahr sein.«

Am 4. Tag ließ der Sturm nach, sodass Shelly und ich uns daranmachen konnten, die riesigen Schneemengen wegzuschaufeln. Der Windschutz, in dem ich mich 2 Tage zuvor verfangen hatte, war inzwischen unter einem weiteren Meter Schnee begraben. Die Schneewehen hatten nun das Dach des Stalles erreicht. Ich besitze Fotos, auf denen zu sehen ist, wie Kälber durch den Schnee stapfen, der auf dem Stalldach liegt.

Zuallererst suchten wir nach den Rindern. Als wir sie schließlich fanden, rutschte uns das Herz in die Hose. Sie hatten sich zusammengerottet, und viele Jungtiere waren zertrampelt worden. Allein an jenem Tag bargen wir vierzehn tote Kälber aus dem Schnee, und in den folgenden Tagen und Wochen sollten es noch mehr werden. Es war herzzerreißend und in jeder Hinsicht erschreckend. Wir hätten die Einkünfte, die wir uns vom Verkauf dieser Kälber versprochen hatten, dringend benötigt, um den Schuldenberg abzutragen, der sich in den vorangegangenen 2 Jahren, in denen die Ernte ausgefallen war, angehäuft hatte. Stattdessen kamen noch weitere Schulden hinzu.

Unser Bankbetreuer eröffnete uns, dass wir nicht mehr Geld leihen durften, als wir durch den Verkauf der überlebenden Kälber auf dem Viehmarkt erzielen würden. Darüber hinaus durften wir für die geschätzten Einnahmen aus dem Verkauf der Feldfrüchte keinen Betrag veranschlagen, der die von der Ernteausfallsversicherung garantierte Summe übertraf. Diese war aufgrund der Totalausfälle in den vergangenen beiden Jahren recht bescheiden angesetzt. Wir stellten uns darauf ein, auf unserer Farm sehr kleine Brötchen zu backen. In der Absicht, Heu von hoher Qualität an Milchhöfe in Minnesota zu verkaufen, säte ich auf einem beträchtlichen Teil unserer Anbaufläche Luzerne (Alfalfa) aus. Auf etlichen Hektar Land baute ich außerdem Sorghum/Sudangras gemischt mit Augenbohnen an. Ich befand mich auf dem besten Weg, die Gründüngung für unseren Betrieb zu entdecken, obwohl mir damals noch der Hintergrund fehlte, um das Kind beim Namen zu nennen.

Der Frühling brachte trockenes, heißes Wetter. Die Hitze setzte sich den Sommer über fort, sodass die Pflanzen bis in den Herbst hinein nicht so recht gedeihen wollten und es uns deshalb nicht möglich war, auch nur einen einzigen Hektar unserer für den Verkauf bestimmten Feldfrüchte zu ernten. Dabei konnten wir uns noch glücklich schätzen, dass es uns gelang, genügend Heu zusammenzukratzen, um die Rinder zu füttern, damit für ein gewisses Einkommen gesorgt war. Unsere Nebenjobs, für die wir nicht viel mehr als den Mindestlohn bekamen, hielten uns ebenfalls über Wasser. Doch wieder einmal wuchsen unsere Schulden für Betriebsmitteldarlehen an. Wir waren eindeutig an einem Tiefpunkt angelangt. Ob wir aus diesem Loch jemals wieder herauskommen würden? Ich konnte es nicht sagen.

Es war das erste Mal, dass ich meine Berufswahl hinterfragte, und meine Frau zweifelte an der Wahl ihres Ehemannes – allerdings nicht zum ersten Mal, wie ich befürchte. Wenn wir uns heute zurückerinnern, schütteln wir den Kopf und brechen in Lachen aus – jeder mit ein bisschen Menschenverstand hätte aufgegeben.