Ausschnaufffen im Altweibersommer - Rita Kasparek - E-Book

Ausschnaufffen im Altweibersommer E-Book

Rita Kasparek

4,8

Beschreibung

Marlene mailt, weil sonst nichts geht. Strikt vertraulich und humorvoll erzählt sie kleine Alltagsepisoden, wie sie jedem schon passiert sind. Ihre Strategie heißt: Lange tief durchatmen und dann die Zähne zeigen - um zu lächeln! Dieser zugleich witzige und tiefgründige Ratgeber zeigt, wie man die Widrigkeiten des Lebens mit einem Augenzwinkern meistert.

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Zum Andenken an meinen geliebten Klaus, ohne den dieses Buch nie hätte entstehen können

Und ein tief empfundenes Dankeschön an Karl-Heinz, der die Geduld aufbrachte, mich fertig schreiben zu lassen!!

Inhaltsverzeichnis

Im Vertrauen gesagt

Kapitel Eins: „Schlimmer geht`s immer?“

Be-Rücken-d

Vermieterfreuden

Alle Jahre wieder

Falscher Wechsel

Arme Schweine

Die Hinterlassenschaft des Müllers

Panta rhei

Auszug des Gladiatoren

Problem gelöst

Guter Hoffnung

Vermieter-Nebenjob

Eine Bahnfahrt die ist lustig

Fliegende Enten

Abflug

Zahnarzt

Menschlich

Molwanien

Österliches

Ein Hauch von Esoterik

Ziele braucht die Frau

Ausgemistet

Tag und Nacht zu tun

Pfingstausflug

Schwülwarm

Man muss auch essen

Unter Verwandten

Nur teilweise heiter

Beratung a la Marlene

Urlaub mit Überraschungen

Opa von und zu

Kapitel Zwei: Stelle Dich neuen Herausforderungen!

Neumodische Sitten

Feiern

Geschenk-Enthüllungen

Ein Lichtlein brennt

Gute Besserung

Suchspiele

Kein Scheidungsgrund

Weihnachtliche Chorgesänge

Computerkrankheiten

Die höhere Mathematik des Tauschens

Adventlicher Vortrag

Dschennifer

Schuldenabbau

Bloß koin Stress

Nach - und Vorfreude

Zurück

Das war`s dann

Reparaturarbeiten

Auf den Hund gekommen

Tierische Erwartungen

Hundesitting

Nebenjob für Zwei- und Vierbeiner

Urlaub!!

Laminier- und freie Tage

Kapitel Drei: Lass Dir keine grauen Haare wachsen!

Tröstungen

Allgemeinwissen

Wechseljahre

Oldies

Jacke wie Hose

Angebote

Versessen

Hingeführt zu guten Werken

Das bequantete Navi

Vertraue

Sein oder Nichtsein

Jakobi-Äpfel

Sichel

Ein Märchen

Sitzende Tätigkeit bevorzugt

Wirf nichts weg!

Diebische Alte

Nebelfrei

Wocheneinkauf

Urlaubskarte

Grabpflege

Für die Katz

Bus- und Bettag

Fromme Einsichten

Abstecher ins Altersheim

Seminar erfolgreich

Türkischer Frühling

Fürchtet euch nicht!

Kapitel Vier: Liebe Deine Nachkommen so, wie sie sind!

Der Kusseng ist da

Telegramm

Familienglück

Regeneration

Schon wieder!

Sprachwunder

Herausforderungen gehören dazu

Der stolze Opa

Fromme Erwartung

Die Einladung

Große Abwechslung

Weinselig

Kommandeuse

Vorfreude

Ostereier

Erstkommunion

Das Wandern ist der Oma Lust

Gruß der Berge

Wirtschaftswissenschaft

Fütterstation

Neuer Versuch

Babylonische Sprachverwirrung

Hilferuf

Kinder Gottes

Überraschung gelungen

Im grimmigen Norden

Eheberatung

Zum Schluss noch die kleine Nordsee-Werbung

Familienurlaub auf Umwegen

Marlenes goldene Tipps für Beifahrer

Begrüßungsrituale

Kontaktaufnahme

Bratgeber

Das Unwort des Jahres

Dank und Unschuldserklärung

Im Vertrauen gesagt

Liebe Betti! Meine lieben Leserinnen! Und ja doch, auch Ihr lieben Frauenversteher!

Ehrlich, bis zum heutigen Tag habe ich durchgehalten und mein Leben war quasi ein einziges Selbstgespräch. Von nun an gibt es zu meinem Glück DICH und ich finde es herrlich, dass Du mir ZUHÖREN willst.

Aber psssst, alles, was ich Dir künftig schreiben werde, muss natürlich unter uns bleiben! Geheimhaltungsstufe ROT!

Für Karl Theo wurde es mit der Zeit einfach zu anstrengend, den ganzen Tag die Ohren auf Durchzug zu halten. So bin ich also regelrecht entwöhnt, Dinge zu erzählen, die für mich von Bedeutung sind. Da ist die Grenze zur Geheimhaltung schnell mal überschritten. Ich will ja niemanden verletzen, aber ab und zu muss die Wahrheit auf den Tisch. Also, Betti, in diesem Sinne! Sag nichts weiter!

Dass ich DEINE Mitteilungen für mich behalte, habe ich Dir felsenfest gelobt. Ich schweige wie ein Grab!

Deine auf Mitteilungen ganz versessene Marlene

P.S.

Ich fürchte fast, das Ganze läuft auf einen Bratgeber für Frührentner/innen, Omas und andere Esoteriker hinaus.

Keine Sorge: RAT-Schläge findest Du bei mir nicht!

Einen BRATGEBER kannst Du benützen

wie ein schlechtes Kochbuch:

Lesen, nach Gutdünken die eigenen Zutaten einfügen

und dann koch Dein eigenes Süppchen

Kapitel Eins: „Schlimmer geht`s immer?“

Bedenke:

Solange Du auf das nächste Loch wartest, wird es auch kommen, und schwupps stolperst Du hinein. Fazit: Hier ist umdenken angesagt!

Marlenes Empfehlungen:

*Beglückwünsche Dich dazu, dass es NICHT NOCH SCHLIMMER kommen kann. Du sitzt bereits im Loch!!!

*Entscheide Dich in diesem Augenblick:

Willst Du hier für immer festsitzen oder doch lieber nach oben krabbeln, notfalls auf allen Vieren?

*Nütze Deine freie Zeit, solange Du eine hast!

Mal ehrlich, Du würdest doch nicht wirklich lieber schuften?

*Gönne Dir ab und an etwas Schönes, eine kleine Reise mit deinem Liebsten oder eine Zahnsteinentfernung!

*Extratipp für besonders einsame Menschen:

Liiere Dich zur Ablenkung mit dem Besitzer eines Mehrfamilienhauses! Dann solltest Du Dir allerdings schon mal einen Platz in der Nervenheilanstalt reservieren lassen!

Be-Rücken-d

Liebe Betti!

Erinnerst Du Dich an meine Postkarte von vor sechs Wochen, als ich endgültig DRAUSSEN WAR? Das war wirklich die Allerletzte!!

Ich hatte meinen Karl Theo „von und zu“ extra gebeten, eine WASSERDICHTE zu besorgen, und dann hat sie sich doch gewellt, unter meiner scheinheiligen Tränenflut.

Heute, wo Du HOFFENTLICH mein ERSTES selbst versendetes Mail erhältst, kam die wunderbare Regierungspost, mit der mir noch mal schriftlich bestätigt wurde, dass ich tatsächlich zu überhaupt nichts zu gebrauchen bin!!!! Und das ZWEI bis DREI Jahre lang bis zur VERMUTLICH LETZTMALIGEN Untersuchung.

Ich könnte diesen netten Doktor tatsächlich küssen, aber auch das wäre wohl zu anstrengend für mich und vor allem für meine Psyche!!

Der Gedanke, nicht mehr in die Schule zu DÜRFEN, und das mir, die Kinder in jeglicher Form so sehr geliebt hat und immer noch liebt, ist zugleich erschreckend und berauschend. Ich mache es wie immer: nämlich das BESTE draus.

Also ergehe ich mich im süßen Nichtstun, besuche meine kranken Nachbarn, humple (selber auf zwei Stöcke gestützt) in den Altersheimen ein und besonders gerne wieder aus und erfreue in der restlichen Zeit meinen geliebten Karl. Der konnte es heute gar nicht fassen, dass ich schon um 17.30 Uhr wieder zuhause war. Dafür sitze ich jetzt am Computer!!

Mittlerweile habe ich mich (wahrscheinlich voreilig, weil EWENG GEHT NOCH!!) daran gewöhnt, BEDIENT zu werden. Ich fülle meine Zeit- und Erinnerungslücken mit möglichst angenehmen Dingen und denke weder an Schulkinder noch an Tanzkurse, und schon gar nicht an die Türkei, wo es sich jetzt so billig Urlaub machen ließe.

Dafür habe ich mir hinter dem Rücken meiner maulenden Jugend das Computern doch noch beigebracht, obwohl mich Helen, Peter und sogar die sonst so geduldige Jana „für UNFÄHIG“ erklärt haben. Weil ich keinem Rektor und Schulrat mehr beweisen muss, dass ich es NICHT KANN, hab ich es wirklich erstaunlich schnell gelernt (lächel).

Zwar bin ich noch immer kein begeisterter Laptop-Besitzer, aber immerhin glaube ich, dass ich heute mitsamt der Mail sogar ein erstes Bild an Dich geschickt habe. Ich erwarte FEEDBACK!!!

Nachdem mir einige mitleidige Tauschbörsenmitglieder angedroht haben, mir anstelle meiner Kinder zu HELFEN, habe ich alles daran gesetzt, es allein zu schaffen. Schließlich war das Handbuch, das Du mir geschickt hast, bestimmt „sau“ teuer.

Vielleicht wunderst Du Dich, was auf dem Foto an Karls Rücken so interessant sein mag. Aber Du sollst wissen, dass ich ihn beim ABSPÜLEN erwischt habe! Sicher das pure Mitgefühl, weil ich immer noch die Stöcke unter die Achseln klemme, wenn ich länger stehen muss. Aber immerhin, ich KANN STEHEN!! Karl spült mithin FREIWILLIG!

Schade, dass Peter ihm nicht zusehen kann. Der hat mit 16 Jahren, als ich die für arbeitende Mütter so überaus praktischen Haushaltspläne eingeführt habe, beim Spülen jedes Mal die Küche überschwemmt. Als ich mal interessiert nachfragte, warum, erklärte er, er müsse die Teller INS WASCHBECKEN FALLEN LASSEN, weil es zu niedrig sei: „Wegen seinem armen Rücken!!“

Oh, Karl Theo ruft!!! Er BRAUCHT MICH. Sicher was Unangenehmes mit den Mietern.

Du siehst, meine Schonfrist ist vorbei. Es gibt wieder was zu tun. Und ach herrje, keine einzige Ausrede gilt. Vielleicht war Schule gar nicht mal soooo schlecht?!?

Ganz im Vertrauen nur zu Dir, murmel, murmel: „Rutsch mir doch mit deinen Mietern den Rücken runter.“

Aber welche kluge Frau sagt so was einem ABSPÜLENDEN Mann??

Herzlich Deine sich allmählich erneuernde Marlene

Vermieterfreuden

Liebe Betti!

Meine üblen Vorahnungen haben sich LEIDER bewahrheitet. Die neuesten Nachrichten des glücklichen Vermieterpaares eines bald ganz leer stehenden Wohnhauses: Karl Theo hat zeitgleich zwei Briefe erhalten, die Kündigung vom Erdgeschoss und eine Vorladung zum Gerichtstermin wegen dem 1.Stock.

Unten wohnen zwei junge Männer, die am 1. Mai eingezogen sind und sich von ihrer Mama die Miete zahlen ließen. Aber Mama musste jetzt zurück in ihre alte Heimat, weil Papa nicht nachkommen wollte.

Die jungen Kerle haben massive Schlafstörungen und können angeblich vor halb zwölf nicht aus dem Bett. Deshalb (???) findet sich im Umkreis von fünf Kilometern keine Arbeitsstelle, die ANSTÄNDIG zahlt, und von einer Zeitarbeitsfirma wollen sie sich schon gar nicht ausnutzen lassen. Bei ihrer ersten Stelle waren sie grade mal zehn Tage („10 Kilometer, viel zu weit, reine Benzinverschwendung"). Jetzt suchen sie ein Häuslein in der Stadt, in der Nähe des großen Bruders. Ich staunte wegen der zu erwartenden Miete, da meinte der eine großzügig:

„Ach, es darf ja auch FÜNF Kilometer VOR der Stadt sein".

Na dann! Jetzt nehmen die zwei Schlingel auch noch ihre eigene Einbauküche mit und ich werde, stöhn seufz, wohl eine neue kaufen, weil ich die Wohnung für zukünftige eigene Projektzwecke nutzen möchte. Karl konnte ich breitschlagen, mir EIN Jahr lang grünes Licht zu geben, solange ich für alle entstehenden Kosten aufkomme.

Der Gerichtstermin ist für den ehemaligen Mieter vom ersten Stock, der Ende Februar vor knapp zwei Jahren raus geklagt wurde und noch für zwei Monate Miete schuldet. Ich staunte nicht schlecht, dass der Gute mittlerweile Vater von FÜNF Jungs ist. Der Letzte muss nach meiner Berechnung gezeugt worden sein, nachdem unser Anwalt ihnen den zweiten Brief zugeschickt hatte, wobei wir eine einvernehmliche Lösung vorschlugen, um das Gericht zu vermeiden.

Anbei anhand meiner Tagebuchaufzeichnungen die Vorgeschichte in kurzen Zügen:

3.November

Herr W. hat gekündigt, VON ALLEIN, weil es seinen vier Buben langsam zu eng wird, Karl und mir schon längst!! Ob er zum 31.12. raus darf, von wegen Kündigungsfrist?

Ich jauchze innerlich und sage eigenmächtig zu. Hauptsache es tut sich endlich was!

16.Dezember

Familie W. ist klammheimlich verschwunden, schon seit einigen Tagen. Obwohl, die Garage quillt schier über und die alte Rostlaube steht noch da, aber die fährt ja schon lang nicht mehr. Und das Badezimmerfenster steht offen!!

Es hat null Grad draußen.

21.Dezember

Das Badezimmerfenster steht offen. 6 Grad Minus, keiner da. Ich hänge einen Zettel für W. an die Haustüre:

Bitte beim Vermieter melden wegen Abnahmetermin! FENSTER SCHLIESSEN, FROSTGEFAHR!!!

29.Dezember

Das Fenster ist zu! Von Familie W. weit und breit keiner zu sehen, kein Telefon, keine Adresse.

2.Januar

Zwei von den W.- Jungs gesichtet. Ich renne runter, erwische den Vater in der VOLLEN Garage. Wir vereinbaren als Auszugstermin den 15. Januar, um 14 Uhr, definitiv!!

15.Januar

Wir warten den ganzen Tag, bis es dunkel wird. KEIN MENSCH KOMMT!!!

18.Januar

Das Küchenfenster steht offen. 4 Grad Minus!! Die Garage ist immer noch voll.

19.Januar

Das Küchenfenster steht offen. 8 Grad Minus!!

20.Januar

Ich hänge einen neuen Zettel auf. Obwohl, heute hat es 2 Grad Plus, allerdings untertags!

Letztes Februar-Wochenende:

Wir haben verzweifelt zur Selbsthilfe gegriffen. Nachdem wir dreimal umsonst auf die Wohnungsübergabe gehofft hatten, erschien wieder NIEMAND! Dafür aber lagen fünf Schlüssel im Briefkasten, die NICHT PASSTEN. Das spielte keine Rolle, weil Karl sowieso die meisten Schlösser aufbrechen musste, um überhaupt in die leere Wohnung zu kommen. Er hat kurzerhand den restlichen Müll und die Öl tropfenden Säcke in unser schnuckeliges WEISSES Auto geladen, zu guter Letzt noch mich als Schützenhilfe, und wir machten einen Ausflug nach Hinterherbstwalde.

Hier leben die glücklichen oder doch eher bemitleidenswerten Vermieter, die unseren sechs Ehemaligen eine neue Bleibe zur Verfügung gestellt haben. Man kann die Adresse schwer verfehlen, weil unter lauter wunderbaren frisch verputzten nobligen Villen ein ebenso schönes Haus steht, das von außen mit Müllbergen und verrotteten Sofas aufgehübscht ist!

Unser Problem war einzig und allein die nicht ausgeschilderte UMLEITUNG. Wir kamen bis auf zwei Kilometer an die Adresse heran, dann war eine riesen Baustelle. Ich triumphierte heimlich, weil ich mir diesen Büßergang gerne erspart hätte. Aber Karl chauffierte unser blitzblankes Schnuckelchen durch dreißig Zentimeter tiefen Matsch bis zur abgesperrten Eisenbahnbrücke. Von da an ging´s zu Fuß. Wir sangen aus voller Kehle: "DAS WANDERN IST DES MÜLLERS LUST.“

Ich schleppte einen Sack und den verrosteten Fahrradhelm, Karl zerrte zwei Säcke und eine Hand voller Fahrradreifen. Die nobligen Dorfbewohner begrüßten uns mit Hallo und wiesen uns freudig den Weg. Sie wüssten schon, wo wir hin wollten!!!

Wir luden alles klammheimlich ab und klemmten einen Brief mit unseren Weihnachtswünschen in die Haustüre: sechs passende Schlüssel, die fehlende Schuldennachzahlung, zwei Kopf voll neue bessere Nerven.

Seitdem warten wir gottergeben auf Antwort!

((Die ja jetzt ENDLICH vom Amtsgericht PERSÖNLICH daher geflattert ist!! Du siehst, Betti, man muss bloß WARTEN können!!))

Zwischenzeitlich trocknet eine Firma in der oberen Küche einen Wasserschaden aus, der angeblich NIE PASSIERT IST und der Installateur bemüht sich im unteren Klo um die verstopften Rohre, da mittlerweile im ganzen Haus nichts mehr geht! Halleluja, es lebe der Wohlstand! Karl nützt das herrliche Tauwetter zum Autoputzen!

Ansonsten geht es uns prächtig. Wir werden in zwei Wochen in die Türkei fliegen. Die Preise sind gerade sehr günstig, die Menschen dort sehr nett, man kennt keine vorösterliche Fastenzeit und es gibt kein Telefon!

16. April

Nachdem Karl bereits zum dritten Mal im Mietshaus bis zum Anschlag in der Sch ... steckt, weil das Rohr dauernd verstopft ist, und ich über den komplizierten Heiz- und Nebenkostenabrechnungen brüte, wären wir recht froh, wenigstens eine Wohnung IN ZWANZIG Jahren verkaufen zu können. D. h. im Klartext: Wer 20 Jahre brav die Miete zahlt, wird selber Eigentümer, sprich von da an hat er selber die ... am Hals, praktisch, gell!!! Auf dieses Mietkaufangebot hin haben sich nur ausländische Mi(e)tbürger gemeldet. Der Familie aus Marokko, die am Sonntag da war (OHNE ihre drei Kinder, oder doch vier, fünf????), ist es so ernst, dass sie mich dauernd anrufen, wann wir endlich zum Notar gehen. Also das auch noch, denn wir haben keine Ahnung, wie so was genau abgewickelt wird.

20.Mai

Die Kloverstopfung im Mietshaus hat ein zwar teures, aber doch gutes Ende genommen, weil sonst vielleicht unbemerkt alles überschwemmt worden wäre. Ursache war eine Windel! Nun fragt man sich, wo kommt die her?

Das kleinste Kind vom ersten Stock war ja über drei Jahre und ward seit Mitte Dezember nicht mehr gesehen. Im DG wohnt ein junges Paar ohne Kind. Die haben einen unangemeldeten, "geschenkten“ SÜSSEN kleinen Hund, eine Französische Bulldogge, die nicht bellt, sondern grunzt.

Und besagtes Tierlein braucht untertags nie raus, weil...

„wir ihm beigebracht haben, auf ausgelegte Pampers zu pinkeln und zu kacken!!", hat das junge Fräulein dem nachfragenden Karl ins mahnende Vermieterohr gezirpt.

Jetzt, wo nach dem Windeltäter gefahndet wird, schwört der junge Mann Stein und Bein:

„WIR haben keine Windeln!! Der SÜSSE Hund pi ... und ka ... auf eine DECKE!!!!"

Und, können wir´s beweisen???

24.Juni

Wie schon im Herbst liefen Wichtiges und Unwichtiges derart nebeneinander her, dass mein Kopf, geschweige denn meine Gefühle nicht mehr recht nachkamen.

Am Montag saßen noch die neuen Mietkäufer samt ihren beiden Kleinkindern mit unterdrückten Tränen bei uns im Wohnzimmer und baten, ihre Möbel wieder abholen zu dürfen (am 1.7. wäre der Einzug gewesen). Da der Vater in Marokko schwer erkrankt ist und finanzielle Hilfe braucht, können sie die teure Miete so weit ab von Anderswostadt nicht aufbringen, geschweige denn eine Wohnung abbezahlen.

Karl hat schon aufmerksam gemacht, dass bei Rücktritt eigentlich drei Mieten fällig wären, aber er will halt kein Unmensch sein. Jetzt sind wir froh, wenn uns wenigstens die anfallenden Unkosten für Notar und Landratsamt erstattet werden.

13.August

Felix ist bis heute Morgen bei mir geblieben und hat mich beraten, wie ich bezüglich der Mietwohnungen endlich VERNÜNFTIGE Entscheidungen treffen kann. Denn mitten im Chaos hat sich eine neue Käuferfamilie gemeldet, diesmal ein Autohändler aus Rumänien. Er will das ganze Haus komplett mieten (natürlich möglichst billig), die wunderschönen Wiesen an der Wasa zupflastern, um seine teuren Schlitten abzustellen, und das Haus in 1 bis 3 Jahren kaufen, sobald er von der Bank Kredit bekommt.

Solche unsicheren Versprechungen machen mir total Bauchschmerzen, außerdem liebe ich die Aussicht und die Schönheit dieses Grundstückes. Karl dagegen wartet natürlich sehnsüchtig auf Mieteinnahmen, und hier draußen finden sich von Jahr zu Jahr weniger Interessenten.

Manchmal würde ich gerne flüchten, vielleicht zu Helen, zu Moni trau ich mich nicht, und Jana ARBEITET!

23.September

Mit Karl habe ich die letzten Wochen eine Vermietungsanzeige nach der anderen für die beiden leeren Wohnungen ausgekartet. Spannend wurde es immer, wenn es wirklich zur Besichtigung kam.

Die untere Wohnung ist ja besonders attraktiv, weil sie, wie der ausziehende Mieter immer stolz betont, "ein ARBEITS-Zimmer" hat.

Beim ersten Rundgang hielt ich noch neugierig Ausschau, wo denn die Schreibtische oder sonstigen Arbeitsgeräte versteckt wären. Aber ich sah nur lauter kleine Arbeiter hinter Gittern, die sich eifrig mit der Vermehrung ihrer Nachkommenschaft beschäftigten oder gar gelangweilt vor sich hin mümmelten. Man könnte den ehemals für Kinder gedachten Raum wohl besser als "Hasenzimmer" titulieren.

Das war natürlich eine supi Werbung fürs coole Landleben und kein einziger Städter ließ sich zur Hasenzucht überreden.

Tja Betti, so war das damals.

Vom Bubenvater hatten wir seit 16 Monaten niemals eine Antwort erhalten, obwohl die Frau Mutter selbst Rechtsanwaltsgehilfin ist und sich auskennt. UND WIE! Kurz vor dem offiziellen Termin haben die zwei Schlaumeier direkt ans Gericht geschrieben, wie arm sie sind, bloß reich an Kindern, und dass sie sich keinen Anwalt leisten können!!!! Drum nehmen sie das Urteil an (das ja noch nicht erfolgte), und bieten max. monatlich fünf bis zehn Euro. Persönlich zum Termin erscheinen könnten sie nicht, da sie sich so vor Karl FÜRCHTEN.

Karl fürchtet sich übrigens auch, drum hat er mir bereits Arztattest und Vollmacht verpasst, wie immer steht "Herz" gegen "Nerven", und als geschulte Psychologin müsste ich den Stress aushalten, ist ja bloß alle ein bis zwei Jahre!

Dem Richter muss vor Rührung das eigene Herz geblutet haben. Jetzt wurde der Termin um vier Wochen verlegt, "damit sich die Rechtsvertretung der ARMEN und ENTRECHTETEN einarbeiten kann".

Ätsch, dafür fliegen wir, sobald ich wieder richtig laufen kann, in die Türkei. Schließlich muss ich nicht nur zu neuen Kräften kommen, sondern auch mein Nervenkostüm aufpolieren!!

Und vielleicht kriegen wir ja vom Bubenvater 15 Euro Urlaubszuschuss, falls uns der Richter nicht ganz abblitzen lässt, weil wir ihm zu UNSOZIAL sind!

Herzlich Deine leicht genervte Marlene

Alle Jahre wieder

Liebe Betti!

Danke für Dein Mitgefühl! Wie Du vorausgesehen hast, wir sind tatsächlich WIEDER MAL auf Mietersuche.

Unter dem Dach haust seit März ein leicht gemeingefährlicher Hüne mit seiner Freundin und einem riesigen Hund. Aber der wird BALD ausziehen. Wir haben ihm gekündigt und Recht bekommen!

Eigentlich fast schade, um den Hund! Er ist Bernhardiner und somit erstaunlich gutmütig. Wahrscheinlich gerät er nach der Freundin. Wenn er könnte, würde er mir im Winter glatt ein Fläschchen Klosterfrau Melissengeist vorbei bringen, damit ich nicht friere. Stattdessen verpasst er mir, sobald ich ihm begegne, einen kleinen Schubs. Bei seinen geschätzt zweihundert Kilo Lebendgewicht bringt er mich manchmal ganz schön aus dem Gleichgewicht, KÖRPERLICH. Für solche Fälle hat das Haus am Eingang ein stabiles Geländer zum Festhalten, und es ist ja nie bös gemeint, von dem Hund!!

Aber da das Dachgeschoss also bald leer stehen wird, könnten wir es für Dich frei halten und Du musst in zehn Jahren nicht ins Altersheim!!! Ich werde hier draußen sehnsüchtig auf Euch warten!

Fragt sich bloß, ob Sigbert und Du nicht auch zu denen gehören, die NICHT SO WEIT raus wollen.

Davon gibt es nämlich jeden Samstag eine Menge Mietprobanden! Ich probiere es ja immer noch mit dem Mietkauf, vielleicht findet sich ein Schlauer, der gerne nach 20 Jahren selber Eigentümer ist. Denn Karl weiß ja auch nicht, wem er das Mietshaus geben soll, wegen Erbschaftssteuer und fehlendem Interesse sämtlicher Verwandten. Jeder hat schon oder will nicht weit von der Stadt, von den Eltern, vom Arbeitsplatz.

Deine vergeblich suchende Marlene

Falscher Wechsel

Liebe Betti!

Danke für Dein Mitgefühl, und das, obwohl Du selber Mieterin bist, also quasi von der gegnerischen Seite. Nein, nein, ich weiß doch, DU nicht!

Unsere hoffentlich bald letzte Wohnungsübergabe fand SOEBEN statt! Nachmittags um DREI war vereinbart, da wäre es nicht mehr ganz so heiß. Der ausziehende Mieter, ich nenne ihn mal Ali Baba, weil er wirklich wie ein echter Räuberhauptmann aussieht, baumlanger Kerl mit brustlangen Haaren und einer bedrohlichen Oberarmtätowierung, hatte den EINUNDDREISSIGSTEN gewählt:

„Schließlich haben wir den VOLLEN Monat bezahlt!!“

Dass die Neuen sich gern ein wenig mehr Zeit zum Einräumen gewünscht hätten, zählte nicht.

„Und ist dann auch sicher alles sauber geputzt?“, flüsterte ich kleinlaut.

Da rollte Ali Baba die Augen, schaute in Richtung Karl, den er erst kürzlich derart am Kragen gepackt hatte, dass wir beide glaubten, er wolle ihn zum Fenster hinaus werfen – UND KARL NICKTE.

Um 13 Uhr fuhr ein kleiner Lieferwagen vors Mietshaus. Acht fleißige Hände hatten binnen einer halben Stunde alles ausgeräumt. Weil wir nicht in die Wohnung konnten, die Ali Baba standhaft besetzt hielt, standen Sofa, Fernseher und etliche Kartons sowie mehrere leere KÄFIGE (???) und ein leicht ramponierter Blumentopf vor der noch gefüllten Garage.

Um 14 Uhr (Ende der Mittagsruhe!!) klingelte ich bei Ali Baba Sturm. Keine Freundin, kein Bernhardiner … Nach fünf Minuten riss er selber die Türe auf. „WAS GIBT`S??“, donnerte er mich an.

„Die neuen Mieter warten“, flüsterte ich.

„Ich hab´s mir so eben überlegt. Ich zieh erst um halb zwölf aus, schließlich hab ich den vollen Monat bezahlt“, sprach Ali Baba, griff die Schirmmütze, knallte seine Tür zu und stolzierte von dannen, vorbei an Vermieterin, Vermieter und Mieterin in guter Hoffnung samt Pflegesohn.

Die etwas muskelbepackteren Helfer der frühen Stunde hatten sich vom Acker gemacht, der Mietermann war noch gar nicht erschienen.

Verdutzt sahen wir uns an.

Die Mieterin nahm gottergeben auf der Therapiecouch Platz und schloss die Augen. Der vierzehnjährige Pflegebube legte sich bäuchlings vor die Garage und küsste den Asphalt. Karl holte sich ein Bier.

„Woll`n Sie auch?“ „Neee“.

Ich griff zum Telefon und rief die Polizei. Wohnungsübergabe nachts um halb zwölf, das erschien mir denn doch zu gefährlich. Vor allem, wenn alle Lampen rausgeschraubt wären!

Der Polizeioberwachtmeister schien interessiert.

„Ja, das Haus kenn ich doch! Da haben wir mal den Heiner B. verhaften wollen, den Einarmigen. Der ist uns mit dem alten Mercedes entwischt, stell `n Sie sich vor, mit EINEM ARM!!!“

„Ja, ja“, unterbrach ich. „Aber was sollen wir nun tun, mit Ali Baba? Helfen Sie uns??“

„Tja, solang er keinen angreift … Speichern Sie mal unsere Handynummer ein. Falls was passiert, rufen Sie an. Wir kommen dann gleich, halt so schnell wie möglich.“

Das war jetzt echt kein wirklicher Trost.

Karl versuchte, sich nicht zu betrinken. Die Neue therapierte uns alle kostenlos. Um 17 Uhr fuhr sie samt Pflegesohn frustriert von dannen, heim zu Mutti.

Um halb elf, als es ganz dunkel war, klingelte Ali Baba bei uns Sturm. Er habe die blöde Warterei jetzt satt. Wir könnten kommen.

Karl schritt mit der Taschenlampe mutig voran, ich trippelte mit eingeschaltetem Handy hinterher.

Vorsichtshalber informierte ich noch schnell die Polizei.

Der Oberwachtmeister meldete sich mit schläfriger Stimme. Als er meinen Namen hörte, wirkte er wie elektrisiert.

„Oh, hat er ihn schon zusammengeschlagen?“

Aber es ist alles gut gegangen. Ein paar kleinere Kollateralschäden: verdreckte Badewanne, fünf ausgehängte Zimmertüren, zerbrochene Fußbodenleisten.

Aber wir LEBEN, und morgen wird alles anders!!

Am nächsten Tag rannten wir um halb sieben in die Wohnung.

Wir putzten und scheuerten, Karl hängte die Zimmertüren ein, bei zweien fehlten die Zargen. Dann eben nicht!

Um halb zehn wankten wir bedrückt nach Hause.

Um zehn fuhr ein kleines Schrottauto hinunter zum Mietshaus. Wir klingelten, stellten uns vor, beglückwünschten Frau und Ziehsohn.

Ihr Freund sei irgendwo draußen. Aha.

Tatsächlich sah ich einen unbekannten Mann am Fluss sitzen. Zuerst dachte ich, es sei Ali Baba, Hals, Schultern und Rücken tiefblau tätowiert, die langen Haare zum Zopf gebunden. Falls Du das Buch „Tausendundeine Nacht“ besitzt, mit den großen bunten Bildern, er ähnelt dem gruseligen Flaschengeist in Aladdins Wunderlampe.

Ich stellte mich kurz vor.

Der Mann knurrte „Ja“, der Hund knurrte auch.

„Aladdin“ blickte ernst und traurig und zeigte auf seinen Hund, einen schwarzen Labrador.

„Die Alte ist schon oben“.

„Ja, ja“, sagte ich und hob konsterniert die Augendeckel. „Ich hab mit Ihrer Frau schon gesprochen“.

„Nee“, murrte Aladdin. „Die Katze! Und übermorgen holen wir die Ratten, zehn Stück, sehr brav, stinken nicht“.

Dann wandte er sich gleichgültig dem Wasser zu.

Panta rhei. Alles fließt …..

Du musst zugeben, FRÜHER WAR SCHON VIELES EINFACHER! Da haben auch die Mieter besser gespurt!

Sogar der Auszug hat sich damals problemloser gestaltet, als die Mieter noch friedlich verstarben.

Deine von Gott geprüfte Marlene

Arme Schweine

Liebe Betti!

Du hast schon recht. Vermieter sind manchmal arm dran. Aber keine Sorge! Damit komm ich schon klar. Du musst wissen, dass wir, ehe ich Dich kennenlernte, schon ganz andere Exemplare zu bewältigen hatten.

Als ich bei Karl Theo einzog, lebte im Mietshaus ein alleinstehender Schwerbeschädigter mit nur einem Arm und hunderttausend Ideen im Kopf, wie man schnell und einfach zu ganz viel Geld kommen könnte. Er beherrschte die Kunst des Warentausches bis zur Vollendung. Wenn einer seiner besonderen „Spezeln“ nicht zahlen konnte, nahm er gerne eine ganze Lieferung Gewinn verheißender Artikel entgegen: einen Schwung gepökelte Schweinehälften aus dem Schwarzwald, fünfhundert Tischfeuerzeuge (die aus seinem Nachlass später an ein hocherfreutes Altersheim gingen), wunderbare Schokoeiswaffeln, (zeitlich nur knapp über der Haltbarkeitsgrenze), mit denen er mein Herz und das meiner Kinder eroberte!

Lass Dir mal von Karl Theo die Geschichte mit den Liegestühlen persönlich erzählen! Heiner brachte ihm einen Prototyp seiner Neuerwerbung und bat um kleine Hilfestellung: „Ich kann den Stuhl nicht allein aufklappen. Würdest Du mal?? Beste Ware, Echtholz, und der tolle Stoffbezug“.

Karl klappte, stemmte, schraubte und studierte. Alles ohne Erfolg!

Der Liegestuhl kippte, drehte zur Seite, bekam keinen Stand. Bis Karl entnervt seinen Freund Bruno zu Hilfe holte, der beste Schreiner vor Ort. Der kuckte zweimal von oben und unten, hob die Schultern und sagte lapidar: „Die Schrauben sind falsch.“

Das war´s dann wohl, nichts zu machen.

Aber keine Bange! Heiner fand einen gut betuchten russischen Abnehmer. Und im Gegenzug erhielt er eine Eisenbahnwagen-Ladung Joghurt im 500 Gramm-Becher, knapp am Verfall, also quasi noch FRISCH.

Leider erhielt er an der polnischen Grenze keine Einfuhrgenehmigung für sein geplantes Riesengeschäft und der Joghurt wurde zusehends älter. Selbst im Dorf hatten alle sich an Joghurt satt gegessen und satt gesehen. Und Karl begannen die riesigen Becherstapel hinter dem Haus im wahrsten Sinne des Wortes zu „stinken“.

Daraufhin kaufte sich Heiner im Nachbardorf vier Schweine, um die weiße Pracht gewinnbringend zu verfüttern. Schließlich ist Joghurt gesund!! Und Bioschweine sind IN!!!

Da in unseren Vierzimmerwohnungen so viele Tiere nicht Platz haben, mietete er beim Nachbarn einen Stall an. Jetzt brauchte er noch einen Schweinehirten, den fand er in Gestalt unseres soeben arbeitslos gewordenen Erdgeschossmieters, und alle schienen glücklich.

Die Joghurtpalette wurde 30 Kilometer weiter beim „Türken“ untergestellt, der Hirte fuhr täglich in Heiners Mercedes zur Abholung, kochte im riesigen neu erworbenen Kartoffeldämpfer das Zubrot für die hungrigen Tiere (gegen den bereits drohenden Dünnpfiff!!!) und die Schweine wurden größer. Sie wurden größer, aber auch stärker. Eines Tages ging mit Hallo die Kunde durchs Dorf: Heiners Schweine sind los!!!

Der Hirte fing nach drei Stunden die völlig verängstigten Tiere wieder ein und der ehemalige Besitzer nahm sie zu einem schändlichen Spottpreis wieder zurück. Der Schweinehirt genoss sein Hartz 4, das ihm jetzt weit weniger „stank“, und Heiner legte sich mit der Russenmafia an.

Noch als er schwerst krank im Bett lag, hörte ich ihn nachts mit Furcht einflößend lauten Männerstimmen telefonieren.

Drei Tage vor Heiners Tod kam ein Oberwachtmeister vorbei und erklärte mir streng:

“Ich muss zu Ihrem Mieter.“ „Aber der liegt im Sterben“, seufzte ich.

„Egal“, knurrte er. „Fluchtgefahr (!!!!!!), ich muss mich mit eigenen Augen überzeugen“.

Ins Gefängnis musste Heiner nicht mehr. Als er gestorben war, wurde seine Wohnung über Nacht weitgehend leer geräumt, von wem auch immer. Nur seine alten Anzüge und die Tischfeuerzeuge blieben erhalten.

So sparten wir uns den Müllcontainer! Da hatten wir ja noch Schwein gehabt!

Deine nicht nur damals glückliche Marlene

Die Hinterlassenschaft des Müllers

Liebe Betti!

Vielleicht hätte ich Dir lieber nicht von Heiner erzählen sollen, weil jetzt in der Nacht all die alten Erinnerungen hochkommen und ich manchmal (jetzt also auch OHNE Amtsarzt!?) stundenlang schweißgebadet im Bett liege.

Der verstorbene Mieter war ein sehr netter, charmanter Mensch, bis zuletzt ein rechter Weiberheld und sowohl haupt- als auch nebenberuflich "MÜLLER".

Karl sagte damals ehrgeizig, wie er immer ist:

„Das kriegen wir GEBACKEN!"

Anbei die Kopie eines damals HANDGESCHRIEBENEN Briefes an meine mitfühlende Tochter:

Liebe Helen!

Seit Heiners Tod backen bzw. packen wir bis zum täglichen Umfallen in Kisten und Kartons, Tüten und Säcken, und wir sind Vollprofis der Mülltrennung geworden.

Nachdem ich heute einen riesigen Aktenschrank entleert habe und neun Zehntel nicht auf den Papiermüll dürfen, weil es aus lauter Gerichtsurteilen, Vollzugsandrohungen und sonstigen Delikatessen besteht, kommt mir sein Leben vor wie ein Krimi.

(P.S. Doch glaub mir Betti, um den aufzuschreiben, reicht ein kleines Frühpensioniertenleben wohl nicht aus!)

Auf jeden Fall wurde hier alles erdenklich Mögliche, was europaweit verkauft, verkitscht und gemopst werden konnte, von einer ungewaschenen Hand zur anderen weitergereicht, seien es nun Gänse, Motoren, nicht vorhandene Grundstücke, bis hin zu Briefmarken und Diamanten.

Die kleinen üblen Restbestände, z. B. 100 Tischfeuerzeuge, 30 uralte leider völlig vergammelte gefüllte Schoko-Ostereier, 70 unbrauchbare Dampfreiniger und andere Leckereien dürfen mein über alles geliebter, sich den Profi ersparender Karl und ich nun unter das begehrliche Volk bringen.

Jetzt kein Aufschrei, Helen! Glaube mir, Dir diese Ostereier zu schicken, lohnt es die Briefmarke nicht!!!!!

Ach, könntest Du doch dabei sein, Du hättest nie mehr Langeweile! Allein das Packen von 20 riesigen Kleidersäcken, die dieser einzige Mann hinterlassen hat - alles schick und sauber, Kleidergröße ca. 64, gibt`s das?, und jedes Stück so schwer und gediegen, dass ich es kaum hochheben konnte. Ich bin mal gespannt, welchen gut gebauten Opa die Aktion Hoffnung mit diesen Erblasten beglücken wird, wahrscheinlich 20 Opas auf einmal!

Mein letzter Auftrag für heute lautet Problemmüllentsorgung. Ich hätte da noch diverse Spraydosen und Giftflaschen anzubieten. Also falls Du da was brauchst???!!!!!

Sorry, ich weiß doch, wie sehr Du Deinen Leo liebst …

Meine eigenen drei „Großen“ stehen im Übrigen dem Heiner in nichts nach! Als sie vor drei Jahren fast zeitgleich auszogen, haben sie uns „aus purer Nächsten- und Umweltliebe" alles unsortiert zurückgelassen, „weil das ja vielleicht noch ein anderer dringend braucht!!!"

Dabei ist besonders die Helen auf jedem Rümpelstück gesessen, wenn wir irgendwelche Waisenkinder oder rumänische Arme damit beglücken wollten. Erst als ihr zukünftiger Junge unterwegs war, der weder mit Puppen noch mit deren Kleidern oder diversem Strickzeug was anfangen könnte, DURFTE ICH plötzlich alles entsorgen.

Jana hat den Vogel abgeschossen. Sie wollte ein altes wieder entdecktes Sparbuch nicht, weil es „ja eh schon nix mehr wert ist". Ich musste es ihr regelrecht wieder aufzwingen.

Jetzt hat sie mir beglückt mitgeteilt, sie hätte von der Bank samt Zins und Zinseszins fast FÜNFHUNDERT EURO bekommen!!!

Für Peters beinah nagelneue Büroeinrichtung (Schreibtisch plus wunderschöner Regalschrank) haben wir erst nach drei Monaten einen gnädigen Abnehmer gefunden: die Caritas. Alle anderen hatten schon, brauchten nicht, zu groß, zu klein, obwohl geschenkt!!!

Übrigens herzliche Gratulation zur Beförderung an Deinen bewundernswerten Göttergatten! Also meine liebe Betti, halte bei eurem Umzug Deine Nerven beisammen, wie auch ich die meinen. Der liebe Gott wird`s schon richten. Schade, dass er für meinen Karl sicher KEINE Direktorenstelle wie für Sigbert frei hält - Karl würde sagen: Danke, ebenso!!!, bleibt er eben Müller, Metzger und Vermieter!

Deine aufgeräumte Marlene

Panta rhei

Liebe Betti!

Der „Flaschengeist“ hat GEKÜNDIGT!! Zugegeben, er wurde von Karl sanft GEZWUNGEN! (Ich weiß nicht mit welchen Mitteln, jedenfalls ohne Schläge!!) Aladdins geduldige Therapeutenfreundin ist samt Ziehsohn über Nacht verschwunden, schon vor Wochen. Karl und ich wollten es nie wahr haben. Aber da zum zweiten Mal die Miete fehlt, haben wir nachgefragt.

„Ja, schon“, hat Aladdin geknurrt. Aber ich brauch nix zu zahlen. Oder hab ich den Mietvertrag unterschrieben?“

Zugegeben, hat er nicht. Und wenn ihn Karl vorher gesehen hätte, samt Hund und Katz und Ratt, hätte er auch niemals die Gelegenheit dazu bekommen.

Dann steht also bald das ganze Haus leer? Aber dieses Mal ist Karl merkwürdig zuversichtlich.

Vielleicht, weil es bald abgeht in sonnige Gefilde! Oder hat er bereits NEUE in Aussicht?

Deine um eine bessere Zukunft betende Marlene

Auszug des Gladiatoren

Liebe Betti!

Aladdin hat mit wallendem Haupthaar die Wohnung verlassen. Im Schlepptau den schwarzen Labrador, die „Alte“ und die Rattenkäfige. Nur das Katzenklo ließ er stehen. Das wurde anscheinend die letzten acht Wochen nicht gesäubert und hat noch mehr gestunken als die Ratten.

Da hat Karl doch endlich mal richtig was zu tun: MIR die Nase zuklammern, abends die Hand halten und den Rücken massieren. Allerdings meinte er, ich STINKE!! So eine Gemeinheit!

Im Gegenteil, MIR stinkt´s!!! Aber was sollen wir machen?

Stell Dir vor, Karl hat es heimlich geschafft: Morgen kommen zwei Frührentner samt Anhang, um die Wohnung zu besichtigen. Sie wollen in einer Woche einziehen. Da kehrt endlich ORDNUNG ein!! Sie haben keine Ratten. Und dann FLIEGEN WIR!!

Deine Marlene, für IMMER die Nase voll!!!

Problem gelöst

Liebe Betti!

Jetzt ist mir alles klar! Karl hat die NEUEN Mieter in der Nachbarschaft gefunden. Die haben Streit mit ihrem jetzigen Vermieter: wegen Lautstärke und Schimmel. Wie schön, dann haben sie für ihren Einzug bei uns schon vortrainiert.

Außerdem wollen sie gleich beide Wohnungen, für VIER Personen recht üppig, die beiden alten sind Frührentner, die Jungen bekommen Wohngeldzuschuss, also wird es ganz schön knapp. Dafür brauchen sie unbedingt statt Badewanne eine Dusche, neue Fenster wären auch ganz nett. Der Garten ist bereits mit Beerensträuchern verplant. Aber sie freuen sich auf eine geregelte HAUSORDNUNG!!!