(Auto)mobile Disruption - Stefan Müller - E-Book

(Auto)mobile Disruption E-Book

Stefan Müller

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Beschreibung

Die Automobilindustrie ist mitten im größten Umbruch der letzten Jahrzehnte. Unternehmen, Politik, Medien und Verbraucher haben das inzwischen verstanden. Doch was passiert in Deutschlands wichtigstem produzierendem Gewerbe? Vor welchen Herausforderungen stehen die Unternehmen? Was ändert sich? Dieses Buch versucht Einblick zu gewähren in die Themen, die die Branche aktuell beschäftigen. Denn auch wenn viele erkannt haben, dass Innovation und Wandel dringend geschehen müssen, ist damit allein die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit noch lange nicht gesichert.

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INHALT

Vorwort

A.

Einleitung

(Auto)mobile Disruption

B.

Elektromobilität – der Umbruch ist bereits heute da

1. Elektromobilität: Stand der Dinge

2. Infrastruktur als Voraussetzung für den Wandel

3. Wie nachhaltig ist Elektromobilität wirklich?

4. Die Zukunft aus Fernost: Elektroautos „Made in China“

5. „The next Tesla“: Startups, die mit viel Geld auf Marktanteile hoffen

6. Neue Batterietechnologien und der schnelle „Battery Swap“

7. Die Brennstoffzelle und Wasserstoff als Alternative

8. Synthetische Kraftstoffe: Oder bleibt alles beim Alten?

C.

Software im Auto und autonomes Fahren

9. Betriebssysteme im Auto und die neue Leidenschaft der Automobilhersteller für Software

10. Software-over-the-air (SOTA) – der nächste Schritt zum „Connected Car“

11. Autonomes Fahren – Stand der Dinge

12. Was steckt dahinter: Technologie des autonomen Fahrens

13. Die autonom fahrende Zukunft: Herausforderungen für Hersteller und Zulieferer

D.

Automotive heute und morgen: Ein Blick auf die weltweiten Märkte

14. Snapshot 2021 – die weltweite Automobilindustrie heute

15. Neue Technologien und die weltweiten Märkte

16. Online Sales und die Veränderung des Automobilhandels

17. Mobilität 2045: Die Zukunft unserer Mobilität und die Bedeutung für die Automobilindustrie

18. Das Jahr 2022 wird das vielleicht spannendste Jahr der Automobilgeschichte

Über den Autor

Bildnachweise

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

die „Disruption“ der Automobilindustrie ist ein Thema, das es inzwischen fast wöchentlich in die Tagespresse schafft – sei es der zunehmende Wandel hin zur Elektromobilität oder der Angriff neuer Wettbewerber (bspw. Tesla) auf die Platzhirsche der Branche. Auch Fortschritte auf dem Weg zum autonomen Fahren und die Mobilität der Zukunft sind regelmäßig Grundlage medialer und öffentlicher Diskussion.

Die Vielzahl der Meldungen lässt dabei leicht in Vergessenheit geraten, dass die Automobilbranche mitten im größten Umbruch der letzten 100 Jahre steckt und ein lauter Weckruf wesentlich wichtiger für viele Beteiligte wäre als eine leise Dauerbeschallung. Wenigstens die schlechten Nachrichten – Stellenabbau, Werksschließungen und auch einbrechende Verkaufszahlen während der Covid-19-Pandemie – zeigen regelmäßig auf, wie stark eine der wichtigsten Branchen in vielen Ländern Europas, der USA und Asiens gerade erschüttert wird.

Bei den Automobilherstellern, bei Zulieferern sowie bei Händlern wird – in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren – in der Automobilindustrie kein Stein auf dem anderen bleiben. Der Grund dafür ist genauso einfach wie dramatisch: In der für Deutschland so wichtigen Branche treffen aktuell gleich mehrere parallele Disruptionen aufeinander. Das vorliegende Buch soll wesentliche Aspekte der bevorstehenden Veränderungen aufzeigen. Dabei soll es weniger ein Abgesang auf die ewig gestrigen Branchenriesen sein, sondern vielmehr auch zeigen, dass der Wandel endlich in den Unternehmen ankommt. Noch sind nicht alle Chancen vertan!

Nicht alles geht so schnell wie es sollte, aber meiner Meinung nach ist die deutsche Automobilindustrie noch nicht abgeschrieben. Ganz so leicht wird sie sich nicht geschlagen geben im Wettbewerb mit neuen Anbietern rund um die Welt.

Also, auf geht’s – den bevorstehenden Herausforderungen entgegen. Im Folgenden beschreibe ich in einzelnen Kapiteln die aus meiner Sicht wesentlichen Thesen mit Blick auf die (Auto)mobile Disruption. Viele der Kapitel sind Blogbeiträge der letzten Monate, die nochmals überarbeitet und angepasst wurden.

Viel Spaß beim Lesen!

Stefan Müller im August 2021

A. Einleitung

(AUTO)MOBILE DISRUPTION

Die Komplexität der Veränderungen in der Automobilindustrie wird selten wirklich klar. Auch wenn viele verstanden haben, dass ein Wandel stattfinden wird, werden oft nur einzelne Dimensionen hervorgehoben. Der Wandel der Antriebstechnologie aus ökologischen Aspekten heraus hin zur Elektromobilität ist hier ein gutes Beispiel. Die Herausforderung, der sich die Branche stellen muss, ist jedoch nicht eindimensional, sondern es sind viele einzelne Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen. Und das gilt für die Automobilhersteller und Zulieferer genauso wie für Händler, Werkstätten und alle weiteren Beteiligten der automobilen Wertschöpfungskette. Welche verschiedenen Disruptionen gleichzeitig an den Grundpfeilern der Geschäftsmodelle rütteln, wollen wir im Folgenden betrachten.

Im Grunde genommen sind es drei wesentliche Veränderungen, die gleichzeitig und in Wechselwirkung zueinander mit voller Wucht zuschlagen: neue Antriebstechnologien, Digitalisierung und veränderte Mobilität.

Antriebstechnologien: Elektromobilität als Fluch und Segen für die Branche zugleich

Der Wandel vom Verbrennungsmotor ist die aktuell am meisten medienwirksame Veränderung in der Branche. Die neuesten Ankündigungen der Hersteller, in den nächsten Jahren eine Vielzahl neuer Elektroautos mit immer besseren Reichweiten und damit immer besserer Nutzbarkeit auf den Markt zu bringen, gehen dabei einher mit parallel steigender Akzeptanz auf Kundenseite. Und auch, wenn Elektromobilität noch kontrovers in der öffentlichen Meinung diskutiert wird, bereits jeder sechste in Deutschland neu zugelassene PKW in den letzten Monaten war ein Elektroauto (BEV: Battery Electric Vehicle) oder wenigstens ein Plug-In Hybrid (PHEV: Plug-In Hybrid Electric Vehicle).

Aber was bedeutet das für die Automobilindustrie? Der Auftrieb neuer Antriebstechnologien hat Schwung in die Branche gebracht. Tesla hat die Branche gehörig aufgemischt und die großen Automobilhersteller haben inzwischen alle erkannt, dass der technologische Wandel kommen wird. Inzwischen haben auch die meisten alteingesessenen Platzhirsche der Branche ihr Produktportfolio der kommenden Jahre daraufhin ausgerichtet. Schon heute verkauft Volkswagen in Deutschland mehr E-Autos als Tesla. Rechtliche Vorgaben, wie beispielsweise die geplanten Emissionsgrenzen der EU, die inzwischen bereits von einigen Ländern angekündigten Verbrenner-Verbote in den Jahren ab 2030 und die Umweltregularien in China haben ebenfalls einen guten Beitrag geleistet, den Wandel in Gang zu bringen.

Aber ist die Elektromobilität eine wirkliche Revolution? Ja, es wird neues Know-how benötigt. Ja, viele Mitarbeiter, insbesondere bei Zulieferern, werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Und ja, Werkstätten müssen überlegen, was der geringere Servicebedarf für sie bedeutet. Auch Tankstellen werden sicher merken, dass die gewinnbringenden Verkaufsbereiche leer stehen, wenn immer weniger Menschen zum Tanken kommen. Aber an vielen Stellen bleiben die Geschäftsmodelle gleich: OEMs bauen Autos, Zulieferer liefern Komponenten, Händler verkaufen Autos und es gibt Ladesäulen, an denen gegen Geld neue Reichweite „getankt“ werden kann.

Im Gegensatz zu den großen Disruptionen anderer Branchen und oft zitierten Beispielen wie Kodak oder Nokia haben die großen Automobil-Unternehmen zwar spät reagiert, aber inzwischen sehr gut verstanden, dass sich das Rad weiterdreht. Viele der bisherigen Prozesse und Strukturen müssen zwar angepasst werden, diese werden aber nicht komplett obsolet. Auch wenn dies trotzdem riesige Anstrengungen bei allen Unternehmen im Markt kostet, ist es trotzdem für viele zu schaffen, sich der Veränderung zu stellen.

Natürlich darf man dabei manche negativen Aspekte nicht vergessen. Insbesondere die deutschen Automobilhersteller haben in den letzten Jahrzehnten ihre Kernkompetenz auf die besten und leistungsstärksten Verbrennungsmotoren konzentriert und auch viele Zulieferer von Einspritzsystemen, Motorkomponenten und auch Getrieben hängen nach wie vor stark vom Verbrennungsmotor ab. Mit Blick auf die mit der Elektromobilität neu gemischten Karten sind daher nicht nur Marktanteile bedroht, sondern auch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen. Aber die Unternehmen stellen sich dieser Herausforderung und richten ihr Produktportfolio neu aus, sei es einerseits durch Zukäufe (wie bspw. den Merger der Unternehmen ZF und TRW) oder die Ausweitung des Portfolios auf Zukunftstechnologien (wie bspw. Batteriezellen).

Dass der heutige Stand der Technik noch nicht der Endpunkt der Evolution der Elektromobilität ist, ist allen Beteiligten klar. Ob neue Batterietechnologien, Brennstoffzellen als mögliche Energieträger oder auch Wechselsysteme für einen Tausch der Batterie anstelle des Nachladens; der Forschungs- und Innovationsbedarf bleibt weiterhin hoch. Nicht jeder wird sich leisten können, dort mitzuspielen und eine Konsolidierung am Markt (sowohl bei Herstellern als auch Zulieferern) wird die neue, vereinfachte Technik dementsprechend sicherlich mit sich bringen. Der Trugschluss, dem viele bei der medialen Diskussion aufsitzen, ist, dass es bei der seit Jahren immer wieder gestellten Frage um die Rolle von Tesla als Innovator im globalen Wettbewerb nur um den Elektroantrieb geht. Das „Problem“ der Marktbegleiter mit Tesla ist eher ein ganz anderes. Was macht der kalifornische Autobauer anders?

Digitalisierung des Autos: Von der benzinbetriebenen Kutsche hin zum fahrenden Smartphone

Im 20. Jahrhundert war das Automobil im Wesentlichen eine Spielwiese für Maschinenbauingenieure. Der Verbrennungsmotor war der Kern, die Karosserie das Kleid. Auch beim Fahrwerk, der Bremse und der Lenkung bestimmte die Mechanik den Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Herstellern.

Seit mehreren Jahrzehnten wird nun die Elektronik und damit auch die darin steckende Software immer wichtiger. Dass der deutsche Ausbildungsberuf inzwischen nicht mehr „Kfz-Mechaniker“, sondern „Kfz-Mechatroniker“ heißt, ist hierfür ein untrüglicher Beweis. Hier spielt die nächste – die wirkliche – Disruption der Automobilindustrie mit: Tesla machte die Software plötzlich zum Kern des Autos. Das Auto wurde ein IT-Produkt und nicht mehr nur ein Mechanik-Baukasten mit vereinzelten Steuergeräten.

Dabei geht es keineswegs darum, dass einzelne neue Funktionen ergänzt werden, wie Navigation, Online Services, Fahrassistenten oder ähnliches. Es ist vielmehr der komplette Entwicklungsprozess und das Mindset dahinter, das sich ändert und viel weitreichendere Veränderungen in der Folge nach sich ziehen wird, als das beispielsweise für Elektromobilität an sich gilt.

Der wesentliche Unterschied besteht im Blickwinkel auf das Produkt „Auto“. Für die Automobilindustrie war das Auto bislang in erster Linie „Hardware“, ein komplexes System aus mechanischen und elektrischen Komponenten, die im arrangierten Zusammenspiel eine tadellos funktionierende Fahrmaschine ergaben. Diese wurde im optimalen Wertschöpfungsprozess arbeitsteilig produziert und als fertiges Produkt verkauft.

Betrachtet man das Auto alternativ aus der Perspektive der Software, dann wird es eine Art fahrendes Smartphone und die Unterschiede werden schnell deutlich: Genau wie Apple den Handymarkt vor inzwischen 15 Jahren zerbersten ließ, so kann sich auch hier in den nächsten Jahren eine echte Revolution ankündigen. Mit der Idee einer Softwareplattform von Millionen Anwendern und unzähligen Anbietern, die ein in sich geschlossenes Set aus Hard- und Software über sein Betriebssystem und seine Basisfunktionen (Telefonieren, SMS) hinaus, erst nach und nach zu immer wieder neuen Lösungen und immer mehr Nutzen für die Kunden wachsen ließ, hat das iPhone die perfekte Blaupause geschaffen. Was, wenn wir uns genau so etwas für Mobilität vorstellen? Das Auto beherrscht seine Basisfunktion und fährt perfekt und sicher. Das ist die Grundlage.

Sein Betriebssystem kann aber erweitert werden und über eine riesige Plattform immer neuen und immer mehr Nutzen schaffen, der eben nicht schon beim Projektstart der Fahrzeugentwicklung vorgedacht werden musste – mehrere Jahre vor dem Start der Produktion. Es wird spannend zu sehen, welche Geschäftsmodelle und Nutzenpotenziale sich dadurch entwickeln werden.

Fakt ist jedenfalls, dass Tesla mit der neuen Denkweise, wie ein Auto entwickelt und aktualisiert wird, das komplette bisherige Geschäftsmodell der Automobilhersteller (OEMs) in Frage stellt. Der Jahrzehnte lang funktionierende Weg, ein produziertes Auto einmalig zu verkaufen und sich danach bereits mit der Entwicklung der nächsten Generation zu beschäftigen, wird so nicht mehr funktionieren. Aus den langlebigen Entwicklungszyklen über mehrere Jahre werden kurzfristige, softwaregetriebene Iterationen werden, die ein Auto über seine komplette Lebenszeit begleiten.

Der Grat, auf dem sich die Hersteller hier zukünftig bewegen, ist ein schmaler. Ein Auto kann nicht einfach halbfertig auf den Markt gebracht und dann erst im Betrieb voll funktionsfähig entwickelt werden. Tesla versucht dies zwar vereinzelt – bspw. mit Blick auf den sog. „Autopilot“, der autonomes Fahren verspricht. Im aktuellen Stand ist er aber durchaus noch fehleranfällig – wie regelmäßige Unfälle zeigen, die während der Fahrt mit dem Fahrassistent und ohne Aufmerksamkeit des Fahrers passieren. Die Warnhinweise, dass der Fahrer sich nicht auf das System verlassen kann, helfen da erfahrungsgemäß wenig, wenn das System doch in der Mehrzahl der Fälle und über viele gefahrene Kilometer hinweg gut funktioniert. Am Ende wird es die Mischung sein, zwischen Funktionen, die 100% und mit doppeltem Boden funktionieren müssen und vielen, vielen zusätzlichen Themen, die kontinuierlich ein Fahrzeug weiter verbessern und einen konsequenten Mehrwert schaffen.

Der Weg dorthin ist für die alteingesessenen Platzhirsche noch weit. Viel zu tief verankert ist der klassische Produktentstehungsprozess mit einem fertigen Produkt am Ende noch in der DNA der großen OEMs. Ein Umdenken findet seinen Weg erst langsam in die Organisation, in die Prozesse und auch in die Köpfe. Aber es führt kein Weg dran vorbei: Das Auto wird zukünftig kein Produkt mehr sein, das einmal verkauft die Hersteller nicht mehr interessiert. Vielmehr wird es darauf ankommen, Kunden mit immer wieder neuen Funktionen regelmäßig eine kontinuierliche Verbesserung und einen Mehrwert des Produkts zu bieten. Was das angeht, ist Tesla dem restlichen Markt in der Denkweise, den agilen Prozessen und der Software-Architektur um Jahre voraus. Das muss aber nicht so bleiben. Die Botschaft ist inzwischen angekommen und die Branche bewegt sich. Prozesse und Organisationen werden schlanker und agiler werden müssen, damit tatsächlich alle paar Wochen neue Funktionalitäten für die Kunden bereitgestellt werden können. Komplexe Lieferantennetzwerke und lange Lieferketten werden dann für Unternehmen nicht immer nur von Vorteil sein. Vielmehr wird die eigene Wertschöpfung wieder an vielen Stellen verstärkt in den Vordergrund rücken.

Warum fällt den gestandenen Herstellern die Digitalisierung ihrer Produkte so schwer? Zwei Argumente: Einerseits ist die Entwicklung eines Fahrzeugs seit jeher in einzelne Teilumfänge aufgeteilt, die am Ende als Gesamtsystem funktionieren müssen. Für jedes Teilsystem sind die geometrischen und funktionalen Schnittstellen bestimmt, sodass alles zusammenpasst. Aus Sicht der Software gedacht, dreht sich diese Logik um. Das Betriebssystem und neue Software-Architekturen als Herz eines digitalen Autos stehen im Vordergrund. Es wird also eine ganzheitliche Betrachtung nötig – und nicht nur modulare Einzelbausteine wie „Infotainment“ oder aufgesetzte „digitale Services“. Auch die große Varianz im Produktangebot und die vielfältigen Möglichkeiten, sich im Zusammenspiel einzelner Elemente ein individuelles Fahrzeug zu konfigurieren, werden dabei zukünftig vermehrt auf dem Prüfstand stehen.

Mobility Services und autonomes Fahren als Treiber des Wandels und dritte Disruption

Damit die OEMs wirklich flächendeckend in Zugzwang geraten, fehlt ein wesentliches Element: der Anreiz von Kundenseite, das Auto nicht nur während der Produktentstehung, sondern auch nach dem Übergang an den Fahrer weiter zu entwickeln. Bislang hat ein OEM davon nichts: Mit jedem verkauften Fahrzeug ist seine Arbeit getan. Warum danach noch kümmern, schließlich soll der Kunde doch schon in ein paar Jahren das nächste Modell kaufen. Wenn die zunehmende Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle es schaffen, davon mehrheitlich abzukommen, hat ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Software und neue Funktionen auch nach dem Verkauf erst einen wirtschaftlichen Sinn.

Spätestens wenn das autonome Fahren in einigen Jahren erstmals marktreif ist, wird diese Entwicklung unaufhaltsam sein. Für die Mobilität, wie wir sie kennen, wird das der wesentliche Wendepunkt sein. Alle Experten sind sich darüber einig, dass mit autonom fahrenden Fahrzeugen – für die kein Fahrer mehr benötigt wird – nur noch eine Nutzung „as a Service“ sinnvoll sein wird. Damit steigt die Auslastung der Fahrzeuge rapide an. Während viele Autos heute, während der meisten Zeit des Tages, nur parken, können sie dann ohne zusätzliche Kostenfaktoren wie bspw. einen menschlichen Fahrer mehr oder weniger dauerhaft eingesetzt werden, für den Personentransport, Kurierfahrten und viele andere denkbare Logistikdienstleistungen. Wenn Fahrzeuge dann nur noch genutzt werden und die Erlöse erst während des Lebenszyklus zurückfließen, macht die kontinuierliche Verbesserung über neue Features und regelmäßige Updates plötzlich Sinn.

Die Frage für die Unternehmen ist dabei aber, wer den autonom fahrenden Markt bestimmen wird. Heute sind viele OEMs mit einer großen Zahl Softwareentwickler dran, am autonomen Auto zu arbeiten und der Akquise-Markt für Spezialanbieter rund um entsprechende Sensoriklösungen und Algorithmen boomt. Trotzdem sind es aktuell die großen Technologie-Anbieter aus dem Silicon Valley und spezielle Start-Ups, die aktuell technologisch weiter zu sein scheinen. Insbesondere Waymo als Unternehmen des Alphabet Konzerns (zu dem auch Google gehört) gibt derzeit den Ton an (zumindest mit Blick auf die im öffentlichen Straßenverkehr autonom gefahrenen Kilometer und den daraus gewonnenen Daten-/Erkenntnisgewinn für die Systementwicklung).

Die bestehenden OEMs müssen zusehen, dass sie nicht das Nachsehen haben und die Technologiehoheit verlieren. Dann wird es schwer, auf der anderen Seite noch mit Mobilität Geld verdienen zu können. Vielmehr droht das Risiko, dass sie zu reinen Fahrzeuglieferanten der Tech-Konzerne degenerieren. Das kann aus heutiger Perspektive nicht das langfristige Geschäftsmodell sein, vor allem nicht mit Blick auf die Konsolidierung, die dabei am Markt wahrscheinlich ist.

Zulieferer müssen sich auch mit Blick auf diesen Wandel fragen, welchen Beitrag sie leisten können. Als Teilelieferant wird es wahrscheinlich nicht leichter, brauchbare Margen zu erzielen. Eine Investition in die richtigen, kommenden Technologien und vor allem in Software-Know-how könnte sich auszahlen. Dann bieten sich Potenziale, die die Hersteller ggfs. auf dem Weg in die Zukunft übersehen oder links liegen lassen.

Die Reise in die (Auto-)mobile Zukunft wird spannend für die gesamte Automobilindustrie. Ob Hersteller, Zulieferer, Handel oder Dienstleister – alle müssen gleichzeitig mit dem bestehenden Geschäft, bekannten Produkten und der vorhanden Organisation Geld verdienen. Gleichzeitig gilt es, vieles Altbewährte aktiv zurückzulassen und sich auf neue Abenteuer, neue Wagnisse und Wetten auf die Zukunft einzulassen. Nicht alle werden dabei gewinnen, aber die Branche ist noch längst nicht abgeschrieben.

B. Elektromobilität: der Umbruch ist bereits heute da

„DER NOTWENDIGE WANDEL HIN ZUR ELEKTROMOBILITÄT HAT BEGONNEN UND WIRD DEN MARKT NACHHALTIG VERÄNDERN.“

1. ELEKTROMOBILITÄT: STAND DER DINGE