Ayda, Bär und Hase - Navid Kermani - E-Book

Ayda, Bär und Hase E-Book

Navid Kermani

4,5

Beschreibung

Ayda ist erst fünf, aber sie kann schon eine ganze Menge: Gedichte aufsagen, sich alleine anziehen, Persisch und Deutsch sprechen, ohne Stützräder Fahrrad fahren. Trotzdem nehmen Lisa und Paul aus dem Kindergarten sie nie mit, wenn sie unterwegs sind. „Knirps“ nennen sie Ayda, weil sie so klein ist. Also zieht Ayda eines Tages allein los und trifft auf den Hasen und den großen Bären. Die beiden haben Angst vor den Menschen, weil man sie nicht ernst nimmt oder sogar fürchtet. Doch auf Ayda lassen sie sich ein. Gemeinsam entdecken die drei, wie aufregend die Welt ist, und schon bald verbindet sie eine tiefe Freundschaft. Da sind sie nur noch selten „üzüntülü“ – traurig.

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Über das Buch

Ayda kann schon eine ganze Menge: Gedichte aufsagen, sich alleine anziehen, Persisch und Deutsch sprechen, und ohne Stützräder Fahrrad fahren. Trotzdem nehmen Lisa und Paul sie nie mit, wenn sie unterwegs sind. »Knirps« nennen sie Ayda, weil sie so klein ist. Also zieht Ayda eines Tages alleine los – und trifft auf den kleinen Hasen und den großen Bär. Gemeinsam entdecken die drei, dass man trotz großer Unterschiede zusammen stark sein kann.

In seinem ersten Kinderbuch erzählt Navid Kermani (Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2015) von Freundschaft, Toleranz und dem friedlichen Miteinander unterschiedlichster Kulturen – aber vor allem von Ayda, die durch zwei ungewöhnliche Freunde herausfindet, dass das Leben zwar nicht perfekt, aber bis zum Himmel schön ist.

Navid Kermani

Ayda, Bär und Hase

Mit Illustrationen von Karsten Teich

Carl Hanser Verlag

ISBN 978-3-446-25639-2

© Carl Hanser Verlag München 2017

Alle Rechte vorbehalten

Der Text erschien erstmals 2006 im Picus Verlag, Wien

Umschlag: Stefanie Schelleis, München

Motiv: © Karsten Teich

Lithos: Fotosatz Amann, Memmingen

Satz im Verlag

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de.

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Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Erster Teil

So gemein

Yeki bud, yeki nabud, gheir az choda hietsch-kas nabud.

Einen gab’s, den anderen nicht, niemand gab’s außer Gott. Eine Ayda gab’s, die lebte in Köln. Das ist eine Stadt mit einer großen Kirche, einem Fluss, der Rhein heißt, und einem Fußballclub, der immer verliert. Na ja, nicht immer. Aber fast immer. Immer wenn Aydas Papa ins Stadion ging. Aydas Papa behauptete zwar dann immer, früher, ja früher, früher habe der 1. FC Köln immer gewonnen – aber das muss schon wirklich sehr viel früher gewesen sein, so früh, dass es Ayda damals noch gar nicht gab. Und Ayda gab’s schon fünf Jahre. Also eigentlich fast schon immer.

Genau gesagt wohnte Ayda in Köln-Eigelstein. Das ist das Viertel an der Rückseite der großen Kirche, dort, wo die Touristen normalerweise nicht hingehen, weil die Geschäfte dort nicht so schick sind und die Straßen nicht picobello sauber. Im Eigelstein lebten Menschen aus vielen verschiedenen Ländern, aus der Türkei, aus Italien, aus Griechenland, aus Deutschland und natürlich aus Köln. Köln liegt doch in Deutschland, sagt ihr? Ja, da habt ihr wohl recht, aber irgendwie ist Köln auch anders. Sagen jedenfalls die Kölner, ob sie nun Türken sind oder Griechen oder Deutsche. Die Kölner sind immer fröhlich – selbst wenn ihr Fußballclub verliert. Und ihre Kirche nennen die Kölner Dom.

Aydas Eltern kamen aus dem Iran. Das ist das Land mit den fliegenden Teppichen, die es gar nicht gibt, jedenfalls nicht in Wirklichkeit, wie Ayda lange schon wusste, da sie jedes Jahr einmal dorthin fuhren. Genau gesagt fuhren sie nach Isfahan. Das liegt genau wie Köln an einem Fluss. Die Kirchen heißen dort Moscheen und sind nicht schwarz und spitz wie der Dom, sondern rund und blau. Das Beste an den Moscheen war aber, dass sie einen großen Hof hatten, den die Kinder als Spielplatz oder Freibad benutzen durften. In Köln gab’s zwar auch Spielplätze und Freibäder, aber nicht in den Kirchen. Da mochte der Dom groß sein, wie er wollte – für einen kleinen Springbrunnen hatte es nicht gereicht.

Aber das war gar nicht Aydas Problem. Aydas Problem war, dass sie keine richtigen Freunde hatte. Das heißt, sie hatte schon Freunde, ihre vielen Cousinen und Cousins, aber die lebten im Iran oder in Amerika. In Köln hatte sie nur Paul und Lisa. Und die waren eben keine Freunde, sondern nur im gleichen Kindergarten wie Ayda. Beide waren zwar genauso alt wie Ayda, aber viel, viel größer: bestimmt einen ganzen dicken runden Kopf größer oder noch mehr. Man könnte auch sagen, dass Ayda kleiner war, denn sie war wirklich richtig mächtig klein für ihr Alter.

Aber es ist auch egal, ob Ayda zu klein oder Paul und Lisa zu groß waren. Die Hauptsache war, dass Paul und Lisa Ayda behandelten wie ein kleines Kind, wie einen Knirps. So nannten Paul und Lisa sie oft: Knirps. Und dann musste Ayda immer weinen. Genau deshalb nannten Paul und Lisa sie einen Knirps – weil sie genau wussten, dass Ayda dann weinen musste. Und Ayda wusste, dass sie Paul und Lisa auch noch einen Gefallen tat, wenn sie zu weinen anfing. Hätte sie einfach mit den Schultern gezuckt und gesagt: »Pöh, wichtig ist nicht, wie hoch die Birne hängt, sondern was drin ist«, ja, dann hätten Paul und Lisa schon die Lust verloren, sie zu ärgern. Aber das konnte Ayda nicht. Das war einfach so gemein. Knirps. Dabei hatte Ayda ziemlich viel in der Birne.

Manchmal erlaubten Paul und Lisa der kleinen Ayda mitzuspielen, zum Beispiel wenn sie eine Familie sein wollten: Dann war Paul der Vater, Lisa die Mutter, und Ayda durfte das Kind sein. Oder Paul war das Herrchen, Lisa das Frauchen, dann konnten sie Ayda als Hündchen gebrauchen. Meistens jedoch hatten Paul und Lisa für Ayda keinen Bedarf. Dann blieb ihr nichts anderes übrig, als mit den anderen Kindern aus dem Kindergarten zu spielen, die viel jünger waren als sie und nur eine Nase lang größer, wenn überhaupt. Die spielten noch mit Bauklötzen, durften nicht allein auf den Spielplatz und trauten sich nicht, bei anderen zu übernachten.

Ayda dagegen konnte sogar vieles, was Paul und Lisa nicht konnten: Sie konnte mit ihren fünf Jahren schon bis dreiundzwanzig rechnen, Gedichte aufsagen, allein schlafen gehen und sich am nächsten Morgen allein anziehen, Rad fahren ohne Stützräder, und wenn es Rätsel zu lösen gab, war sie immer die Erste, die die Antwort rief. Im Eigelstein sprach sie jeden Händler mit dem Namen an. Außerdem hatte sie immer die besten Ideen. Das werdet ihr selbst noch feststellen. Und sie beherrschte nicht nur Deutsch, sondern auch Persisch, zwei Sprachen also, doppelt so viele wie Paul und Lisa. Auf Persisch hieß Papa Bâbâ, und Mama hieß Mâmân. Bruder hieß Barâdar, Tochter Dochtar, fast wie im Deutschen. Aber Bruder und Schwester hatte Ayda ohnehin nicht. Das machte sie oft traurig. Mâmân hatte zwar zwei- oder dreimal einen kugelrunden Bauch bekommen, aber dann hatten es sich Aydas Geschwister doch anders überlegt und sind wieder in den Himmel zurückgekehrt.

Bâbâ und Mâmân, Barâdar und Dochtar – zugegeben, so schwer war das also nicht mit den beiden Sprachen. Aber das musste Ayda ja nicht allen verraten. Das Wichtigste, was man lernen musste, war, dass es im Persischen zwei verschiedene A’s gibt: das helle A wie in Arbeit oder Ananas, und das dunkle  mit so einem Häkchen drauf, das fast schon ins O übergeht: Â. Ayda hieß im Persischen Âydâ, also mit zwei dunklen Â, aber auf Deutsch nannten sie alle Ayda. Manchmal sagte Ayda im Scherz, dass sie zwei Namen habe: Ayda und Âydâ. Und dann dehnte sie immer das Â, dass es gar kein Ende nahm: Âââydââââ. Das klang dann fast wie Oooydooooo.

Aydas Eltern waren lange vor Aydas Geburt nach Deutschland gekommen. Sie hatten hier studiert, Mâmân in Köln und Bâbâ irgendwo anders. Nach Köln ist er nicht wegen Mâmân gezogen (die kannte er damals noch nicht) und auch nicht weil der Dom so hoch oder der Rhein so breit war, sondern wegen des FC Köln. Das ist dieser Fußballverein, der immer verliert, jedenfalls immer, wenn Bâbâ ins Stadion geht. Das Komische an dem Verein war aber nicht nur, dass er ständig verlor, sondern dass er einen Geißbock hatte. Geißbock klingt so komisch. In Wirklichkeit ist das eine gewöhnliche Ziege, ein Ziegenmännchen, um genau zu sein. Auf dem Aufkleber, der auf Bâbâs Auto klebte, hatte der Geißbock seine Vorderfüße auf die beiden Türme des Kölner Doms gestellt. Stellt euch das mal bitte schön vor: eine riesengroße Kirche und dann ein Geißbock, also eine gewöhnliche Ziege, die sich mit den Vorderpfoten auf die Türme stützt.

In Wirklichkeit war der Geißbock natürlich nicht so groß wie der Dom. Das konnte man bei den Spielen des FC Köln erkennen, denn da stand der Geißbock immer an der Seitenlinie. Kein Wunder, dass der FC immer verlor, dachte Ayda: Der Geißbock sah zwar süß aus – aber was er auf dem Fußballplatz zu suchen hatte, blieb ihr schleierhaft. Auch Bâbâ konnte das nicht erklären. Nur sich ärgern, das konnte er ziemlich gut. Wahrscheinlich hatte Ayda das von ihm gelernt.

Die Wochenenden waren immer ein Problem mit Bâbâ. Entweder kam er mit dem Fahrrad vom Stadion, dann öffnete er die Tür schon mit so einem müden Klicken im Schloss, und Ayda wusste: O ooo, wieder eine Pleite. Oder Bâbâ sah Sportschau oder wie das zwischendurch mal hieß, dann setzte sich Ayda immer schon am Anfang der Sendung auf Bâbâs Schoß, um sich bereitzuhalten, wenn sie Bâbâ wieder trösten musste. Heute aber war kein Samstag, sondern Montag, und das hieß, dass Ayda nicht Bâbâ trösten musste, sondern umgekehrt: Ayda brauchte Trost. Das ganze Wochenende hatte sie gehofft, dass Paul und Lisa sie mit auf Streifzug durch den Eigelstein nehmen würden. Aber als Mâmân Ayda aus dem Kindergarten abholte, sah sie gleich, dass wieder alles schiefgelaufen war.

»O ooo«, sagte Mâmân.

»Ja, o ooo«, antwortete Ayda und fügte schluchzend hinzu: »Âch, Mânno« (ja, genauso sagte sie es: nicht ach und Manno, sondern âch Mânno, beinah oooch und Monnooo, mit dem persischen dunklen Â).

Den Eigelstein zu erkunden, mit seinen Plätzen und Hinterhöfen, den Geschäften und Menschen aus aller Welt, den türkischen Kültürvereinen und afrikanischen Restaurants, dem chinesischen Schnellimbiss und der vietnamesischen Eckkneipe, den unzähligen Cafés und Restaurants, den Kölschen Brauhäusern und den arabischen Teehäusern, in denen Bâbâ sogar seine Wasserpfeife rauchen konnte, das war eines von den vielen Abenteuern, für das Paul und Lisa einen Knirps wie Ayda nicht gebrauchen konnten.

»Knirps haben sie mich wieder genannt, Mâmân!«, sagte Ayda, und zwei Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, eine links, eine rechts: »Immer nennen sie mich Knirps!« Und schon kullerten die Tränen die Wangen runter bis hinunter auf die rotweiße Jacke, die Bâbâ ihr gekauft hatte, weil sie für das Stadion etwas Rot-Weißes brauchte (Rot und Weiß sind nämlich die Vereinsfarben des FC). »Üzüntülü«, murmelte Ayda.

Es war das einzige türkische Wort, das sie konnte. Üzüntülü. Das heißt »betrübt«. Frau Özturk hatte es ihr beigebracht, als sie mit Mâmân beim Einkaufen war und so traurig guckte. Frau Özturk hatte in der Weidengasse eine türkische Konditorei und war sehr nett. Ayda wäre auch gern mal ohne Mâmân oder Bâbâ in Frau Özturks türkische Konditorei spaziert, um Bakhlava spendiert zu bekommen. Bakhlava, das sind so türkische Süßigkeiten mit Pistazien und viel, viel Honig, sehr süß und sehr lecker. Ayda liebte Bakhlava, aber allein durfte man als Kind noch nicht in die Weidengasse. Nicht einmal Paul oder Lisa durften das. Aber die waren ja auch nicht allein.

Ayda malte sich aus, wie Paul und Lisa von Frau Özturks Konditorei – die Backen voll Bakhlava – ein paar Häuser weiterzogen zum Friseur Müller, den sie vom Haareschneiden mit Bâbâ kannte. Anschließend würden sie dann bestimmt für Stunden im Antiquitätenlager stöbern, in dem es alles Mögliche und Unmögliche zu entdecken gab, von uralten Grammofonen bis zu echten Marterpfählen, von Porzellanpuppen bis zu Bauchtanzkostümen. Das Lager gehörte dem Mann mit dem dicken Schnurrbart, der seinen Stuhl immer auf den Bürgersteig stellte, als sei die Weidengasse sein Wohnzimmer. Der hatte vielleicht einen Schnurrbart: Die Kurven erinnerten Ayda an die Carrera-Bahn, die sie zum Trost, weil Paul und Lisa so selten mit ihr spielten, geschenkt bekommen hatte. So eine Carrera-Bahn ist normalerweise erst für Kinder ab sechs, hatte Bâbâ gesagt, und Ayda war erst fünf geworden. Aber trotzdem gewann sie meistens gegen Bâbâ, weil der immer so viel Gas gab, dass sein Rennauto aus der Kurve flog.

Traurig radelte Ayda mit Mâmân nach Hause.

»Sollen wir noch auf den Spielplatz gehen?«, rief Mâmân beim Fahren.

»Keine Lust«, knurrte Ayda.

»Ach, Ayda, wieso denn nicht?«, fragte Mâmân.

»Da sind doch nur die Knirpse.«

Das war ein bisschen gemein, und Ayda wusste das. Aber wenn überhaupt, dann waren doch die Jüngeren die Knirpse und nicht Ayda, die schon fünf war und schon nächsten Sommer in die Schule kam.

Bis zum Himmel

»Du, Bâbâ?«, sagte Ayda, als Bâbâ schon am Bett gesungen hatte und sie sich wie jeden Abend noch mal an ihn schmiegte.

»Ja, Âydâ?« (Dunkles Â, fast wie Oydo.)

»Mein Schwesterchen und mein Brüderchen sind doch in den Himmel zurückgekehrt, statt auf die Welt zu kommen, oder?«

»Ja, warum?«

»Ich denke manchmal«, schluchzte Ayda, »ich denke manchmal, dass … dass ich vielleicht auch besser umgekehrt und in den Himmel zurückgegangen wäre statt auf die Erde.«

»Wenn du das sagst, denke ich, du freust dich gar nicht, dass es uns gibt.«

»Doch, Bâbâ, das tue ich. Aber ich bin oft so allein.«

Bâbâ wusste, dass Ayda sich oft einsam fühlte. Er wusste, dass sie ihre Cousinen und Cousins zwar heiß und innig liebte – aber die lebten eben alle im Iran. Einige lebten auch in Amerika. Aber in Köln gab es nur Mâmân, Bâbâ und Ayda.

»Ich hätte auch gern Freunde«, sagte Ayda, »echte Freunde, mit denen man durch den Eigelstein ziehen kann.«

»Du kannst doch mit mir durch den Eigelstein ziehen.«

»Du willst doch immer nur Fußball gucken oder deine Wasserpfeife rauchen.«

»Dann eben mit Mâmân.«

»Meinst du, Mâmân würde stundenlang im Antikenlager stöbern?«

»Antiquitätenlager heißt das. In welchem denn?«

»Na, bei dem Mann mit dem Carrera-Bart.«

»Ach so.«

Bâbâ drückte Ayda ganz fest.

»Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe, Ââydâââ?«

»Nein.«

»Von hier bis zum Himmel«, sagte Bâbâ.

»Ich hab dich lieber«, antwortete Ayda.

»Geht nicht«, sagte Bâbâ.

»Doch«, sagte Ayda, und auf ihrem Mund sah Bâbâ ein klitzekleines verschmitztes Lächeln: »Ich hab dich bis zum Himmel lieb und wieder zurück.«

»Du kannst mich gar nicht so lieb haben, wie ich dich lieb habe«, behauptete Bâbâ.

»Klar kann ich«, beharrte Ayda. »Ich hab dich bis zum Himmel lieb und wieder zurück und dann bis zum Mars und hundert Trillionen Kilometer weiter und dann wieder zurück.« Beinah hätte sie beim Lächeln ihre Zähnchen gezeigt, aber das konnte sie so gerade noch verhindern.

»Ich hab dich lieber«, wiederholte Bâbâ.

»Geht nicht«, sagte Ayda: »Zum Himmel und wieder zurück und dann bis zum Mars und hundert Trillionen Kilometer und wieder zurück und achtmal um die Erde.«

»Ich hab dich lieber«, sagte Bâbâ.

»Das geht überhaupt nicht«, sagte Ayda. »Es kann überhaupt niemand niemanden so lieb haben, wie ich dich lieb habe. Dich und Mâmân.«

»Doch, das geht«, sagte Bâbâ und spielte seinen letzten Trumpf aus: »Ich habe dich unendlich lieb.«

»Was ist unendlich?«, fragte Ayda.

»Unendlich ist, wenn etwas überhaupt kein Ende nimmt«, erklärte Bâbâ: »So lieb hab ich dich.«

»Ich dich auch.«

Bâbâ küsste Ayda noch einmal und schlich aus dem Zimmer. Gerade als er die Tür hinter sich schließen wollte, hörte er das vertraute:

»Du, Bâbâ?« (Sprich: Booooboooo.)

»Ja?«

»Es ist schon schön auf der Erde, aber noch schöner wäre es, wenn ich zwei Freunde hätte.«

»Das Leben wird ganz schön werden, ich versprech’s dir«, sagte Bâbâ und trat noch einmal ans Bett.

»Wie schön?«, fragte Ayda.

»Bis zum Himmel schön«, sagte Bâbâ.

»Und wieder zurück?«, fragte Ayda.

»Ja, und dann zum Mars und hundert Trillionen Kilometer und wieder zurück, so schön.«

»Und achtmal um die Erde?«, fragte Ayda.

»Neunmal«, sagte Bâbâ.

Ayda vergrub ihr Gesicht in Bâbâs Hand, die auf dem Kopfkissen lag.

»Unendlich schön?«, fragte sie.

»Ja, unendlich schön. Aber nicht gleich morgen. Erst mal wird das Leben nur bis zum Himmel schön, das ist weit genug. Sonst verläufst du dich.«

»Wann denn?«, wollte Ayda wissen.

»Bald. Du musst nur ganz fest dran glauben, wirklich richtig mächtig fest dran glauben. Dann wird es auch passieren.«

»Und warum gibt es dann so viel Unglück auf der Welt, Bâbâ, und es sind viele Kinder traurig oder arm?«

»Weil wir Menschen nicht fest genug daran glauben, die Dinge ändern zu können.«

»Das heißt, es liegt an den Menschen, dass die Kinder traurig sind?«

»Na ja, Traurigkeit kann man nicht abschaffen«, sagte Bâbâ. »Die gehört zum Leben. Jeder ist mal traurig. Aber Armut und Kriege und so etwas, die gehören nicht unbedingt dazu. Wenn die Menschen wirklich wollten, könnten sie Hunger und Kriege abschaffen.«