Bad Boss - Stefanie London - E-Book

Bad Boss E-Book

Stefanie London

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Beschreibung

Ja, Wes ist gut im Bett. Und dank der Bad Bachelors App weiß das ganz New York …   Wes Evans, Sohn eines Broadway-Produzenten, möchte endlich selbst etwas erreichen. Der sexy Millionär ist für seine preisverdächtigen Auftritte auf der Bühne bekannt. Doch seit die Bad Bachelors App erschienen ist, scheint die ganze Welt nur noch über sein Privatleben zu sprechen. Als er durch Zufall eine talentierte Balletttänzerin entdeckt, weiß er, dass sie genau das ist, was er braucht, um seiner neuen Show zum Erfolg zu verhelfen. Remi Drysdale hatte nur einen Gedanken, als sie aus Australien floh und nach New York zog: Niemals wieder Arbeit mit Privatem zu mischen. Und mit Wes zu arbeiten ist die perfekte Chance, um ihre Karriere zu retten. Deshalb nimmt sich Remi vor, nichts mit dem Mann anzufangen, der ihre berufliche Zukunft in seinen Händen hält. Egal wie sehr er ihr Avancen macht und wie gut seine Bewertungen bei Bad Bachelors sind … Von Stefanie London sind bei Forever by Ullstein erschienen: Bad Bachelor (New York Bachelors 1) Bad Boss (New York Bachelors 2) Bad Billionaire (New York Bachelors 3)

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Seitenzahl: 521

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Bad Boss

Die Autorin

Stefanie London stammt ursprünglich aus Australien, lebt aber inzwischen mit ihrem ganz persönlichen Helden in Toronto. Sie ist USA Today und iBooks Bestseller Autorin und hat bereits mehr als fünfzehn Liebesromane veröffentlicht. Für ihre Bücher erhielt sie verschiedene renommierte Auszeichnungen. Stefanie wuchs in einer Familie von Frauen auf, die es lieben zu lesen. Sie absolvierte ein Studium der Betriebswissenschaft und arbeitete eine Zeit lang im Kommunikationsbereich, bevor sie zum Romanschreiben fand. Stefanie liebt es, die ganze Welt zu bereisen. Sie hat eine Schwäche für guten Kaffee, Lippenstift, Love Storys und alles, was mit Zombies zu tun hat.

Das Buch

Ja, Wes ist gut im Bett. Und dank der Bad Bachelors App weiß das ganz New York …

Wes Evans, Sohn eines Broadway-Produzenten, möchte endlich selbst etwas erreichen. Der sexy Millionär ist für seine preisverdächtigen Auftritte auf der Bühne bekannt. Doch seit die Bad Bachelors App erschienen ist, scheint die ganze Welt nur noch über sein Privatleben zu sprechen. Als er durch Zufall eine talentierte Balletttänzerin entdeckt, weiß er, dass sie genau das ist, was er braucht, um seiner neuen Show zum Erfolg zu verhelfen. Remi Drysdale hatte nur einen Gedanken, als sie aus Australien floh und nach New York zog: Niemals wieder Arbeit mit Privatem zu mischen. Und mit Wes zu arbeiten ist die perfekte Chance, um ihre Karriere zu retten. Deshalb nimmt sich Remi vor, nichts mit dem Mann anzufangen, der ihre berufliche Zukunft in seinen Händen hält. Egal wie sehr er ihr Avancen macht und wie gut seine Bewertungen bei Bad Bachelors sind …

Von Stefanie London sind bei Forever by Ullstein erschienen:Bad Bachelor (New York Bachelors 1)Bad Boss (New York Bachelors 2)Bad Boss (New York Bachelors 3)

Stefanie London

Bad Boss

Aus dem Englischen von Christiane Bowien-Böll

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever.Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMai 2019 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019© 2018 by Stefanie LondonTitel der amerikanischen Originalausgabe: Bad Reputation

Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Übersetzung: Christiane Bowien-BöllAutorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-334-6

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Vorspann

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

Epilog

Leseprobe: Bad Bachelor

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Cover

Titelseite

Inhalt

Vorspann

Vorspann

An: <Wes Evans>Von: <Sadie Marshall>Betreff: Du bist berühmt … jedenfalls ein Teil von dir.

Wes,so eingebildet bist du doch wohl nicht, dass du einen Google Alert für deinen eigenen Namen erstellt hast? (Falls doch, kein Kommentar. Oder … nun ja. ); deshalb hast du es wohl noch nicht mitbekommen: Dein Ding ist ein Promi! Nein, ich habe mich nicht vertippt.

»Ich bin keine Frau, die auf One-Night-Stands steht, aber nachdem ich dieses Urlaubsfoto von ihm mit dem Victoria’s-Secret-Model Nadja Vasiliev auf Bora Bora gesehen habe, MUSSTE ich einfach herausfinden, ob es echt war. Und, Ladys, ich kann euch sagen, diese Beule verdankt er keineswegs einem Photoshop-Trick.

Ich formuliere es mal so: Die meisten Jungs sind Haus- und Wiesenschlangen. Wenn man Glück hat, kriegt man eine Königsschlange ab. Aber Wes gehört zur Kategorie Anakonda … und er versteht sie einzusetzen.«

O. Mein. Gott.Mehr fällt mir dazu nicht ein. Es gibt da eine App. In der können Frauen aus New York wohl so etwas wie eine Bewertung über Männer abgeben, mit denen sie ausgegangen sind. Total verrückt. Ich habe die App mal für eine Freundin abgecheckt – hüstel, in Wirklichkeit natürlich für mich selbst, hüstel – und habe dich dort gefunden. Die Beiträge über dich sind richtig spannend, mein Lieber. Vielleicht sollte ich meine Forderung, dass wir beide uns niemals an die Wäsche gehen sollten, überdenken. Anscheinend hast du ja einen echten Tiger in der Hose.Hier ist der Link: www. Badbachelors.com/reviews/Wes-Evans/Viel Spaß beim Lesen.

Sadie

1. Kapitel

Etwas stimmte nicht. Das Ding war entweder zu lang oder zu … breit. Remi Drysdale legte den Kopf schief und blickte skeptisch. »Ich glaube, es geht nicht.«

»Das sagen alle.« Der Mann schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das durch seinen Zweitagebart noch attraktiver wirkte.

Remi verdrehte die Augen. Sie wusste ja, dass dreiste Typen gerne angaben. Aber eines hatte sie beim Online-Dating dazugelernt: Männer neigten generell dazu, sich selbst stark zu überschätzen.

Als sie sich wenig beeindruckt zeigte, fügte er hinzu: »Es wird gehen. Ganz bestimmt.«

»Hm, ich weiß nicht recht.« Sie beugte sich vor und verengte die Lider. »Ich nehme an, es ist nicht das erste Mal?«

Er hörte auf zu lächeln. »Natürlich nicht.« Plötzlich wirkte er nicht mehr ganz so selbstsicher.

Remi trat auf ihn zu und berührte seinen Arm, dabei lächelte sie zuckersüß, damit er nicht etwa auf den Gedanken kam, einen Rückzieher zu machen. »Nicht, dass etwas kaputtgeht. Einfach … vorsichtig vorgehen. Immer schön langsam, okay?«

»Alles klar. Das wird schon hinhauen, wie ein Finger im Handschuh.«

»Wenn Sie meinen.«

Sie trat zurück, als der Mann und sein Partner die lange Holzstange durch das Ballettstudio trugen und in den glänzend polierten Halterungen befestigten, die sie kurz zuvor montiert hatten. Die Ballettstange passte … haargenau. Das abgerundete Ende stieß fast an die Wand, und Remis Chefin hatte ausdrücklich darauf bestanden, dass die frischgestrichenen Wände des Studios auf keinen Fall einen Kratzer abbekommen durften.

»Sehen Sie.« Der Mann zwinkerte ihr zu. »Hab ich’s doch gesagt.«

»Es war ganz schön knapp.« Sie inspizierte die Stange und strich mit der Hand über die glatte, polierte Oberfläche. »Aber ich gebe zu, Sie hatten recht.«

»Wir bringen jetzt die andere rein, zusammen mit den Beweglichen«, erklärte er. »Und dann brauche ich eine Unterschrift. Wenn Ihre Chefin nicht da ist, von Ihnen. Ich muss danach noch etwas ausliefern.«

Remi nickte. »Ich rufe sie noch mal an.«

Sie wartete, bis die Männer draußen waren, bevor sie sich gestattete, breit zu grinsen. Sie drückte ihre Freude aus, indem sie eine Pirouette drehte, bei der die Gummisohlen ihrer Sneakers auf dem glatten Boden quietschten.

Das Studio war einfach perfekt. Die Räume hatten früher eine Buchhaltungsfirma beherbergt und waren so heruntergekommen gewesen, dass sie als Kulisse für einen Endzeit-Zombie-Film getaugt hätten. Aber Remis Chefin Mish hatte Fenster und Böden erneuern, die Wände streichen und an zwei Seiten – hinter der Ballettstange und an der Frontseite, wo die Kursleiterin stehen würde − deckenhohe Spiegel installieren lassen. Die Spiegel ließen den Raum riesengroß wirken und sorgten für eine helle, luftige Atmosphäre.

Das Beste war, dass das Studio nur zehn Gehminuten von Remis Apartment in Park Slope entfernt lag, und das bedeutete, sich nie mehr in der Morgendämmerung aus dem Bett quälen und quer durch Manhattan zur Upper East Side schleppen zu müssen.

Remi holte ihr Handy aus der Tasche und wischte mit dem Daumen über das Display. Sie wollte gerade auf die »Anrufen«-Taste tippen, als Mish hereinstürmte.

»Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid!«

Remi lachte. »Ich weiß ja, du bist Kanadierin, aber drei Entschuldigungen sind ein bisschen viel. Sogar für dich.«

»Klappe, Aussie.« Mish zog ein Haargummi von ihrem Handgelenk und versuchte, ihre wilde blonde Mähne in einem Pferdeschwanz zu bändigen. »Das sieht ja toll aus hier.«

»Ja, das tut es. Die Männer bringen jetzt noch die zweite Stange herein, die beweglichen Ballettstangen haben sie auch dabei. Wo wolltest du die haben?«

»Wahrscheinlich im Abstellraum. Bevor wir öffnen, weiß ich ja nicht, wie voll die Kurse sein werden. Vielleicht brauchen wir die erst, wenn das Geschäft richtig anzieht.«

Mish hatte ihr erstes winziges Studio unter dem Namen Allongé Barre Fitness an der Upper East Side eröffnet. Als Remi vor vier Jahren dort angefangen hatte zu arbeiten, hatte sie nur zwei Kurse pro Woche zu unterrichten gehabt. Aber im Lauf der Jahre hatten sie und Mish sich angefreundet und Remis Stundenplan war immer umfangreicher geworden. Jetzt war Mish dabei, ihr drittes Studio zu eröffnen – das erste in Brooklyn – und Remi sollte hier die Hauptkursleiterin werden.

Eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf hörte nicht auf zu nerven, wie ein winziger Nadelstich. Nicht stark genug, um wirklich schmerzhaft zu sein, aber nichtsdestotrotz spürbar. Es ist nicht das, was du eigentlich tun solltest.

Remi verscheuchte den Gedanken, schlang die Arme um Mish und drückte sie fest an sich. »Ich kann es noch nicht fassen, dass du Studio Nummer drei eröffnest. Ich bin ja so stolz auf dich.«

»Das könnte ich nicht ohne dich«, erwiderte Mish. »Im Ernst. Man hat es nicht leicht als kleines Unternehmen. Es gibt mir so viel Sicherheit, zu wissen, dass du zu mir stehst.«

»Immer. Das hier wird ein großer Erfolg, das weiß ich.«

Die Männer kehrten mit der zweiten Ballettstange zurück und befestigten sie etwa dreißig Zentimeter unterhalb der ersten. Remi stellte sich ihre kleinen Schützlinge vor – die Eltern-Kind-Kurse mochte sie am liebsten. Sie sah zu gerne das Staunen und die großen Augen der Kinder, wenn sie etwas Neues lernten; die Art, wie sie etwas in Angriff nahmen, ohne Angst vor Blamage oder Versagen zu haben wie die Älteren.

Nein, das hier war nicht wirklich Ballett. Aber vielleicht war es ja genau deshalb das Richtige für sie.

»Die Stellage für die Handgewichte stellen wir dorthin.« Mish deutete zur hinteren Ecke des Studios. »Und die Yogamatten können zusammengerollt in Container gesteckt werden. Wenn man sie einfach nur aufeinanderstapelt, werden sie mit der Zeit schmuddelig.«

»Stimmt.«

Mish ging zu den Lieferanten und entschuldigte sich für ihre Verspätung. Sie dirigierte sie hinaus in den Empfangsbereich und Remi blieb allein.

Dieser Trainingsraum war genau das, wovon sie schon als junges Mädchen geträumt hatte – hell und geräumig, mit einer langen Stange. Ein Raum voller Möglichkeiten. Mit einem Boden, der nur auf ihr Frappé zu warten schien, auf das anmutige Sssst, wenn ihre Zehen sich zu einem Grand Battement vom Boden erhoben. Die geräuschlose Landung in einem perfekten Pas de Chat. Und dann waren da die Spiegel, die das alles bewundern würden. Um Remis Enthusiasmus und Kreativität und das Glücksgefühl, das sie empfand, wenn der Luftzug ihren Pferdeschwanz wippen ließ – sodass sogar das Haarband ein wenig verrutschte – während sie sich drehte und drehte, in sich aufzunehmen.

»Remi?«

Sie zuckte zusammen, als Mishs Stimme sie aus ihren Gedanken herausriss. »Alles fertig?«

»Ja.« Mish lächelte bedauernd. »Vielen Dank, dass du in letzter Minute gekommen bist, um die Lieferung in Empfang zu nehmen. Das war die Rettung.«

»Kein Problem.« Remi schob den Schulterriemen ihrer Tasche ein Stück höher. »Hoffentlich hat das Kätzchen jetzt keine Magenprobleme mehr.«

»Wer weiß. Das hat man wohl davon, wenn man Streuner bei sich aufnimmt, oder?« Mish schüttelte den Kopf. »Wir haben heute noch einen Termin beim Tierarzt, dann wird es richtig untersucht.«

»Du hast so ein gutes Herz.«

»Aber nicht für meinen Teppichboden.«

Remi lachte und sah auf ihre Armbanduhr. »Ich muss los. Ich habe Darcy versprochen, mich heute Nachmittag mit ihr auf einen Kaffee zu treffen und ich möchte zu Fuß gehen, so schön wie das Wetter heute ist.«

»Nur zu.« Mish wedelte mit der Hand, wie um sie zu verscheuchen. »Ich rufe dich morgen an, dann können wir den Stundenplan besprechen.«

Remi winkte im Hinausgehen. Es war ein perfekter Frühherbsttag – sonnig und mild, aber auch schon ein klein wenig frisch – vielleicht schon kühl genug für eine Jacke. Nach dem langen, schwülen Sommer sehnte sich Remi nach dieser Art von Klima. Ganz zu schweigen davon, dass der Herbst in New York immer schön war – mit den vielen goldenen Braun- und satten Rottönen. Das gab es in Australien so gut wie nicht. Dort waren zu viele immergrüne Pflanzen heimisch.

»Apropos Australien«, murmelte sie, als sie in die Flatbush Avenue einbog. Demnächst war wieder ein Skype-Gespräch mit ihren Eltern angesagt. Diese würden bald aus ihrem »Urlaub« zurückkehren. Für die meisten Paare in ihrem Alter bedeutete ein Entspannungsurlaub wahrscheinlich so etwas wie eine Kreuzfahrt oder einen Hotelaufenthalt. Oder eine Sightseeing-Reise durch ein fremdes Land. Oder wenigstens eine Tour mit dem Wohnwagen beziehungsweise– wie zum Teufel nannte man das hier … Winnebago? Wohnmobil?

Wie auch immer, ihre Eltern waren nicht wie die meisten Paare in ihrem Alter. O nein. Für Opal und Dan Drysdale gab es keinen Urlaub ohne irgendeine Art der Horizonterweiterung. Diesmal war es ein tantrisches Seminar für Paare in Nimben, auch bekannt als die Hippie-Hauptstadt von Australien.

Ihre Eltern hatten sich für einen Sex-Workshops eingeschrieben.

Remi krümmte sich innerlich. Zweifellos würde ihre Mutter ihr alles darüber erzählen wollen. Und wie üblich würde sie sich Opals Kritik anhören müssen, dass sie, Remi, zu einer dieser »konservativen, spießigen, prüden Frauen« geworden sei, total zimperlich, was Sex betraf. Remi war nicht zimperlich in Bezug auf Sex. Kein bisschen. Sie konnte durchaus ein gelegentliches Abenteuer mit einem heißen Typen genießen. Ja, sie hatte jenes erotische Wochenende mit diesem Sexgott in Texas, der sie aufgefordert hatte, nackt bis auf ein Paar pinkfarbener, mit Glitzersteinen besetzter Cowboystiefel in seinem Hotelzimmer herumzustolzieren SEHR genossen. Nein, sie war definitiv nicht prüde.

Aber sie wollte nichts darüber hören, ob und wie ihre Eltern es taten. Auf keinen Fall.

Remi zog ihr Handy heraus und setzte sich eine Erinnerung, damit sie nicht vergaß, sich am Wochenende bei ihren Eltern zu melden. Opal und Dan mochten in vieler Hinsicht New Age, vegan oder was auch immer sein, aber sie erwarteten einmal im Monat ein Gespräch mit ihrer Tochter. Da waren sie ganz traditionell.

Nach etwa einer halben Stunde bog Remi in die Schermerhorn Street ein. Aus irgendeinem Grund machte sie auf dem Weg zu Darcys neuem Apartment in DUMBO immer diesen Umweg. Die Straße selbst war nicht besonders interessant. Um diese Jahreszeit herrschte hier der typische vorwinterliche Renovierungseifer, was bedeutete, dass man unter Baugerüsten hindurchgehen und Verkehrshütchen ausweichen musste.

Aber es gab noch etwas, und das zog Remi immer wieder hierher.

»Entschuldigung.« Eine zierliche junge Frau, die ihr schwarzes Haar zu einem strengen Knoten zusammengefasst hatte, eilte anmutig an Remi vorbei. Sie trug schwarze Leggings, die bis zur Mitte ihrer Wade reichten, sodass man zwischen Leggings und knöchelhohen Sneakers ein paar Zentimeter ihrer pinkfarbenen Strumpfhose sah.

Sie gehörte zu etwa einem Dutzend Personen, die gerade das Gebäude des Brooklyn Balletts betraten oder verließen. Hauptsächlich Frauen, doch es waren auch ein paar junge Männer dabei. Alle mit durchtrainierten, aber schlanken und geschmeidigen Körpern, wie man es von Balletttänzern kannte.

Ihre Bewegungen waren fließend und ließen alles wie perfekt choreografiert aussehen. Vom leichten Anwinkeln eines Armes bis zu der Art, wie sie zwischen fahrenden Autos hindurch die Straße überquerten. Selbst so etwas Profanes wie das Hinabbeugen, um sich die Schuhe zu binden, zeugte von einer Grazie, die aus einer anderen Welt zu kommen schien.

Remi nahm das alles gierig in sich auf, bevor sie die Straße entlangeilte und dabei ihre Kopfhörer aufsetzte, um den Lärm der Stadt auszusperren.

Wes Evans war daran gewöhnt, dass Frauen ihn anstarrten. Er trainierte oft und achtete auf sein Äußeres – und befolgte damit den Rat seines Vaters, sich stets so zu kleiden, als ob er jemand Wichtigem begegnen würde. New York City war nämlich ein Ort, an dem so etwas jederzeit passieren konnte. Im Aufzug, im Taxi oder in der Warteschlange eines Coffeeshops.

Seitdem er eine Zeit lang Gastjuror in der Show Dance Idol gewesen war, waren noch mehr Menschen auf ihn aufmerksam geworden. Fans der Show wollten ihm ihre tollen Fotos präsentieren und Möchtegern-Kandidaten versuchten, einen Termin zu ergattern.

Aber das hier war … etwas anderes.

»Was darf ich Ihnen bringen?« Die Barista verschlang ihn mit Blicken, das kurze Aufblitzen ihrer Zungenspitze hinterließ eine glänzende Spur auf ihren pinkfarbenen Lippen.

»Cold Brew.« Wes fischte seine Brieftasche aus der Gesäßtasche seiner Jeans. »Ohne Milch.«

Sie neigte leicht den Kopf. Hinter ihrer breitrandigen Brille ließ sie den Blick an seinem Körper abwärtsgleiten und südlich seiner Gürtelschließe verweilen. »Welche Größe?«

»Groß.«

Sie griff nach einem transparenten Plastikbecher, steckte die Kappe ihres Filzmarkers in den Mund und zog mit einem hörbaren Plop den Stift heraus. Eine andere Barista ging hinter ihr vorbei und musterte Wes ebenfalls. »Ich habe gehört, er ist eher ›extra-large‹«, flüsterte sie nicht gerade leise.

Die andere Barista presste die vollen Lippen zusammen, als ob sie versuchte, ein Lachen zu unterdrücken, und markierte den Becher. »Du bist Wes, nicht wahr?«

»Ja.« Er wollte sie fragen, woher sie seinen Namen kannte, doch er hatte er keine Lust auf noch mehr abschätzendes Anstarren. Er kam sich vor wie eins dieser Steaks, die man in teuren Restaurants auf Servierwägen präsentierte; als ob er nur darauf warten würde, dass Leute seine Figur und seine Größe kommentierten.

»Sonst noch einen Wunsch?«, fragte sie.

»Nein, danke.« Er gab ihr einen Zehn-Dollar-Schein und trat ein paar Schritte weg, bevor sie Zeit hatte, sein Wechselgeld abzuzählen.

Eigentlich reichte es ihm für heute. Und je schneller er zu seiner Koffeindosis kam, desto besser. Vielleicht hätte er einen etwas weniger öffentlichen Ort für dieses Treffen wählen sollen. Aber als Sadie, seine beste Freundin und jetzt auch Geschäftspartnerin, ihm am Vormittag die E-Mail über die Bad-Bachelors-Website geschickt hatte, hatte er die Sache nicht weiter ernst genommen. Kaum hatte er jedoch sein Apartment an der Upper East Side verlassen, wurde ihm klar, dass Sadie nicht die einzige war, die diesen Abschaum von Klatsch- und Tratsch-Website nutzte.

Die Barista stellte seinen Cold Brew auf den Tresen und zwinkerte ihm zu. Sie hatte ihre Telefonnummer auf seinen Kaffeebecher geschrieben.

»Wes!« Sadie winkte ihm von einem Tisch in der hinteren Ecke des Raumes zu. Ihr Haar war auf einer Seite rasiert, auf der anderen halblang. Blau und lila gesträhnt, fiel es locker um eine Seite ihres Kopfs. »Oder sollte ich sagen Mr. Anakonda?«

»Hör bloß auf.« Er ließ sich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen. »Ich fange an mich zu fragen, ob die menschliche Spezies auf einmal Röntgenfähigkeiten entwickelt hat, so wie die Leute mich anstarren.«

»Das werden sie wohl kaum benötigen. Jemand hat eine digitale Nachbildung auf dieses Foto montiert, das Foto von dir und … wie hieß sie gleich? Dieses russische Mädel. Natasha? Natalia?«

»Nadja.«

»Richtig.« Sadie schnippte mit den Fingern. »Wie auch immer, es ist online. Man hat wohl extra Photoshop bemüht, um zu zeigen, was sich unter deinen Shorts abspielt, und ich muss sagen …«

»Nein, musst du nicht.«

Sadie grinste und rührte mit ihrem Strohhalm in der Sahnehaube einer wahrhaft monströsen Karamell-Mokka-Kreation. »Du hast Geheimnisse vor mir.«

»Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.«

Wes und Sadie waren befreundet, solange sie denken konnten. Sie waren in einem der exklusiven Apartmenthäuser in Manhattan Tür an Tür aufgewachsen, hatten auf dem Spielplatz Butterbrote getauscht und nach einem katastrophalen Kuss mit etwa achtzehn Jahren beschlossen, dass sie für immer Freunde bleiben wollten. Nicht mehr.

»Ja, ich weiß. Aber das war, bevor ich wusste, dass du so überdurchschnittlich ausgestattet bist.« Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und prustete. »Ieh. Nein, ich kann nicht einmal darüber scherzen, ohne mich schmutzig zu fühlen.«

»Wow, danke sehr.«

»Nicht persönlich gemeint. Außerdem wird ab jetzt jede Frau in dieser Stadt versuchen dich zu umgarnen. Da brauchst du nicht auch noch meine Zuwendung.«

»Hervorragend.« Er klatschte in die Hände. »Können wir jetzt mit diesem schlüpfrigen Kram aufhören und über die Arbeit sprechen?«

»Kein Grund, schnippisch zu werden.« Sadie sah so verdammt zufrieden aus. »Du weißt schon, dass Frauen so etwas ständig ertragen müssen, oder?«

»Ja, weiß ich, und ihr habt mein Mitgefühl.« Wes fischte sein Tablet aus der Tasche und wischte mit dem Daumen über den Bildschirm, um es zu entsperren. »Vielleicht sollten wir uns beide ein ›Achtung, ich bin hier oben‹ auf die Stirn tätowieren lassen.«

»Tittenwunder McGee und Mr. Anakonda, was für ein Paar wir abgeben würden.« Sie warf den Kopf zurück und lachte.

»Zum Thema kommen«, mahnte er.

»Na gut.« Sie seufzte theatralisch.

Wes öffnete die Spreadsheet-Datei, in der ihr Produktionsbudget bis ins kleinste Detail aufgelistet war. Die Gesamtsumme belief sich auf einen Betrag, bei dem den meisten Leute wohl die Augen aus dem Kopf gefallen wären. Broadway-Produktionen waren teuer. Selbst die, die als »Off-off-Broadway« klassifiziert waren, also in kleinen Theatern mit weniger als hundert Sitzplätzen gespielt wurden, kosteten eine ordentliche Stange Geld. In diesem Fall arbeiteten viele der Beteiligten nahezu ohne Entlohnung, in der Hoffnung, die Show würde ein großer Erfolg werden. Aber nichtsdestotrotz mussten Kostüme designt, das Theater bezahlt und ein Bühnenbild gestaltet werden. All das erforderte ein großzügiges Budget.

»Ich habe jetzt den Endbetrag von The Attic«, sagte Wes. Das Boutique-Theater war nicht ihre erste Wahl für Out of Bounds gewesen, aber die anderen Etablissements hatten nicht erlaubt, dass zusätzliche Sitze auf der Bühne installiert wurden. Offenbar hatte man nicht gewusst, wie das Ticketsystem an eine Änderung des normalen Sitzplans anzupassen war. »Er ist höher als das, was wir im Budget haben, aber wir können das stemmen. Ich werde den Investoren noch ein bisschen mehr Druck machen und ich habe noch etwas Spielraum, was meine eigenen Finanzen angeht.«

»Du gibst dafür schon so viel von deinem eigenen Geld aus.« Sadie runzelte die Stirn.

Sie ließ es sich nicht oft anmerken, wenn sie gestresst war, sondern zog sich in schwierigen Zeiten lieber in sich selbst zurück, und stellte wie ein Igel die Stacheln auf. Aber Wes kannte sie zu gut, um nicht den Anflug von Besorgnis in ihrer Stimme zu bemerken. Sie machte sich Sorgen und sie hatte allen Grund dazu. Er gab wirklich alles für diese verrückte Idee.

Out of Bounds war sein Baby, eine Tanzproduktion, bei der es keine Trennung gab zwischen Bühne und Bestuhlung. Das Ensemble spielte ins Publikum hinein und das Publikum war in die Show integriert. Es war das Gegenstück zu der Welt, in der er aufgewachsen war, einer Welt, die auf Regeln und Posen und Traditionen basierte. Er wusste, mit seiner Vision und Sadies Talent, aus seinen verschwommenen Angaben etwas Lebendiges, Sprühendes zu zaubern, verfügten sie über etwas ganz Besonderes. Sie mussten einander nur lange genug gegenseitig bestärken, damit der Rest von New York die Chance bekam, ihnen zuzustimmen.

»Ich kann noch etwas mehr drauflegen«, erwiderte er. »Ich will, dass das ein Erfolg wird.«

Sadie biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Ich auch, aber ich habe Angst, du bist ruiniert, wenn es schiefgeht.«

»Es wird nicht schiefgehen.« Noch während er das sagte, wirbelten in seinem Kopf die Zahlen durcheinander. Die Broadway-Produktionen, die von Erfolg gekrönt waren, waren in der Minderheit, weniger als fünfundzwanzig Prozent warfen einen Gewinn ab. Und das waren die, die über große Werbebudgets verfügten. Ein Durchbruch wie das Musical Hamilton war ein seltener Glücksfall auf einem Friedhof gescheiterter Träume.

Tatsache war, dass die Zahlen gegen sie sprachen. Es war sehr viel wahrscheinlicher, dass sie bankrottgehen würden mit Bankkonten so leer wie ein ausgetrocknetes Flussbett.

»Außerdem …«, fügte Wes hinzu, » … arbeitet für mich die beste Choreografin der ganzen Stadt.«

Sadie schnaubte. »Schmeichelei bringt dich nicht weiter, Wes. Aber ich hoffe, du hast recht. Ich bin ein verdammt hohes Risiko eingegangen, als ich die Firma meiner Eltern verließ, um das hier mit dir zu machen.«

»Du und ich, wir beide «, murmelte er.

Aber dieser Shitstorm konnte warten.

Out of Bounds würde seine Zukunft oder sein Untergang sein und Wes war nun einmal nicht der Typ, der vor einer Herausforderung zurückschreckte.

»Jetzt müssen wir nur noch die Finanzierung absichern und unsere perfekte Ballerina finden.« Er grinste. »Gar kein Problem.«

2. Kapitel

All die Frauen, die behaupten, dass das »Aussehen keine Rolle spielen sollte«, machen sich selbst etwas vor. Physische Anziehung ist eine Voraussetzung dafür, dass es zwischen zwei Personen funkt. In Wirklichkeit möchte jeder genau diese aufregende Erfahrung machen.

– JamieChoo

»Das ist ein Tendu, o Mann!« Wes′ fünfjährige Nichte Frankie zeigte ihre allerbeste Version eines Tendu, es ähnelte allerdings einer Mischung aus einem Ninja-Tritt und einem Jack Russel, der an eine Wand pinkelte.

»Na klar«, sagte Wes und unterdrückte ein Lachen. Nach seinem Treffen mit Sadie war er in Gedanken immer noch mit Ideen und Plänen beschäftigt, aber Frankie machte es ihm wie immer schwer, sich auf irgendetwas anderes als auf sie zu konzentrieren. Die Kleine war ein Wirbelwind und einfach unwiderstehlich.

»Ihre Anmut hat sie von mir.« Chantal legte die Hand auf Wes‘ Schulter, als sie, umgeben von einer feinen Parfumnote, an ihm vorbeischwebte. »Siehst du das nicht?«

Wes grinste seine Zwillingsschwester an. »Wie hat Mutter dich immer genannt? Elefant im Porzellanladen?"

»Wie, was?« Frankie legte den Kopf schief, doch ihr Fuß arbeitete weiterhin wie von selbst an den »Tendus«.

»Nichts, Schätzchen.« Chantal beugte sich vor, küsste Frankie auf die Wange und verwischte rasch mit dem Daumen den schwachen Abdruck, den ihr Lippenstift hinterließ.

Wes musste lächeln. Ihre Mutter hatte es immer genauso gemacht, wenn sie sie küsste. Aber das erwähnte er nicht. Chantal mit ihrer Mutter zu vergleichen war ein Vergehen, das mit einem tödlichen Blick bestraft wurde.

»Danke, dass du sie zu ihrer Ballettstunde bringst.« Chantal richtete sich auf und strich über ihr komplett schwarzes Outfit. »Ich habe Marnie schon vor Wochen zugesagt, sie heute zu vertreten. Aber hier ist jemand wild entschlossen, keine Unterbrechung seines Stundenplans zu akzeptieren.«

Offenbar hatte es Tränen von der ›Ende-der-Welt‹-Sorte gegeben, als Chantal Frankie erklären wollte, dass das Eltern-Kind-Stangentraining ausfallen würde. Da die Produktion von Wes‘ Show noch nicht begonnen hatte, konnte er eine Stunde abzwacken, um seine Nichte glücklich zu machen. Und er tat es gern.

Sobald Out of Bounds erst einmal gestartet wäre, würde Wes wochenlang Tag und Nacht auf den Beinen sein, um dafür zu sorgen, dass es ein Erfolg wurde. Und das bedeutete, dass er dann so Dinge wie Spielstunden mit Frankie und ihrer kleinen Schwester Daisy opfern musste.

»So, so. Jemand ist wild entschlossen? Jetzt bin ich aber geschockt.« Er zwinkerte Frankie zu, die um die eigene Achse wirbelte und dabei mit ihren fuchtelnden Armen um ein Haar eine Vase und ihre alte Katze Nellie vom Regal gefegt hätte.

»Der menschliche Tornado schlägt wieder zu.« Chantal schüttelte den Kopf.

Frankie lehnte sich an Wes und flüsterte: »Das bin ich.«

»Geh und hol deine Tanzsachen, Frankie«, befahl Chantal. Als ihre Tochter hinausrannte, drehte sie sich zu Wes um. »Als ich Mutter das letzte Mal um Rat fragte, wie ich mit ihrem ›lebhaften Temperament‹ umgehen soll, sagte sie nur, das sei Karma.«

Wes schnaubte. »Klingt ganz nach ihr.«

»Ich sollte mich wohl nicht beklagen. Wir reden ja zurzeit sogar miteinander. Das ist immerhin schon etwas, oder?« Sie rieb sich die Schläfen. »Und sie war einverstanden, Daisy für den Nachmittag zu übernehmen.«

»Aber sie hatte keine Lust auf Stangentraining?«, scherzte er, wohl wissend, wie die Antwort lauten würde.

»Machst du Witze? Sie findet den Trend, Ballett zu einem Breitensport zu machen, abscheulich. Du weißt schon, weil Ballett nur etwas für Leute ist, die es mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit betreiben.«

Schwarz oder weiß, das war das Lebensmotto seiner Mutter. Entweder man tanzte Ballett und verfolgte seinen Traum, bis man die höchsten Weihen erlangte oder seine letzten Reserven verbrannte. Oder man hatte nicht genügend Willenskraft, sich selbst für die Kunst bis an die Grenzen zu fordern, dann hatte man kein Recht, an der Stange zu stehen. Diesen Spruch hatte Wes als Kind immer wieder zu hören bekommen. Und genau das war der Grund, weshalb die Beziehung zwischen seiner Mutter und Chantal fast in die Brüche gegangen wäre, als diese mit achtzehn die Welt des Balletts hinter sich ließ. Und es war auch der Grund dafür, dass er niemals selbst Tänzer werden wollte. Sein Platz war hinter der Bühne, als Regisseur und kreativer Geist. Er wollte seine Visionen Realität werden lassen.

»Wie läuft es mit der Show?«, erkundigte sich Chantal.

»Sie kommt zustande. Langsam, aber sicher.« Er nickte bedächtig. »Wir sind fast so weit, dass wir mit den Proben anfangen können, und wir haben uns einen Spielort gesichert.«

»Großartig.« Chantal kniff die Augen zusammen. »Du siehst allerdings nicht aus wie jemand, der den Fesseln seines Angestelltenjobs entkommen ist, um einen großen, verrückten Traum zu verfolgen. Du solltest himmelhoch jauchzen.«

Wes lachte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich werde himmelhoch jauchzen, wenn ich weiß, dass wir ein fertiges Produkt haben.«

»Immer noch keine perfekte Ballerina?«

Er schüttelte den Kopf. Die Suche nach dem Herzstück der Show hatte sich als schwierig erwiesen, trotz seiner Verbindungen in der Branche. Letzte Woche hatte er die Ballerina verloren, mit der die Hauptrolle in Out of Bounds besetzt worden war. Ashleigh hatte alle Voraussetzungen erfüllt – absolut untadelig, was Technik und Training betraf, und außerdem eine begabte Schauspielerin. In ihrer Jugend hatte sie eine Musical-Ausbildung absolviert, was ihrer Bühnenpräsenz eine größere Intensität verlieh.

Nachdem sie den Vertrag mit Wes unterschrieben hatte, hatte sie jedoch gefragt, ob sie einen Termin bei seiner Mutter bekommen könnte, um sich beraten zu lassen. Wes hatte natürlich zugestimmt. Er hatte gehofft, Adele Evans würde erkennen, wie ernst es ihm war mit seiner Arbeit. Doch alles, was er damit erzielt hatte, war ein weiterer Beweis, dass jeder immer nur an sich selbst dachte. Ashleigh hatte die Verbindung genutzt, um sich eine Rolle in einem etablierten Ensemble zu verschaffen und war in letzter Minute aus seinem Projekt ausgestiegen. Seine Mutter hatte sie dabei unterstützt.

Und du bist immer noch überrascht, wenn Leute dich als Karrieresprungbrett benutzen? Wann war denn das nicht der Fall?

»Was ist mit dem ›ungeschliffenen Diamanten‹, den Mom in Detroit gefunden hat?«

»Oh, ich habe an sie gedacht. Aber sie ist jetzt der perfekte kleine Schützling.« Wes lachte bitter. »Ich glaube, ich würde meine Beziehung zu unserer liebsten Mama dadurch komplett in die Luft sprengen.«

»Lieber nicht.« Chantal schüttelte den Kopf. »Hast du mit ihr über die Sache mit Ashleigh geredet?«

»Als ich das wollte, hat sie mich mit irgendwelchen Sprüchen abgespeist, sie müsste eben im besten Interesse der jeweiligen Tänzer handeln. Danach habe ich es nicht mehr versucht. Es ist, als wenn man gegen eine Wand reden würde.«

»Ah, dann unterstützt sie dich also immer noch nicht bei deinen ›merkwürdigen‹ Ideen?«

Das war noch untertrieben. »Wie hat sie es ausgedrückt? Ich schlage mit dem Hammer auf alles, was in ihren Augen wertvoll ist. «

Jahrelang hatte Wes sich vorgemacht, dass das Dramatisieren einen Teil von Adele Evans‘ persönlichem Charme ausmachte. Aber die letzten sechs Monate hatten ihm gezeigt, dass das Gegenteil zutraf. Seine Mutter hatte sich verhalten, als wäre Wes‘ Traum, seine eigene Show zu produzieren, ein persönlicher Angriff gegen sie und die Kunstform, die sie so schätzte.

»Gehen wir endlich?« Frankie stemmte die Fäuste in die Hüften. Sie trug einen rosa Ballettanzug, Strumpfhosen und dazu knöchelhohe lila Sneaker. »Es gehört sich nicht, zu spät zu kommen.«

Wes hob eine Braue, Chantal zuckte mit den Schultern. »Hey, ich habe nichts dagegen, wenn sie pünktlich sein möchte.«

»Na schön, menschlicher Tornado. Lass uns gehen.« Er streckte die Hand aus und Frankie legte ihre pummelige kleine Faust in seine Handfläche. »Erst Ballett, danach können wir ein Eis essen.«

»Ich will Pfefferminz.« Frankie nickte langsam, als würde sie ernsthaft darüber nachdenken. »Mit Schokoladenstückchen.«

»Was immer du möchtest, Prinzessin.«

Remi ging in die erste Position, drehte sich aus der Hüfte heraus und legte beide Hände auf die Stange. Sie berührte sie nur ganz leicht, wie eine Feder, als ob sie mit den Fingerspitzen das polierte Holz streifen wollte. Sie erhob sich zu einem Relevé und hielt die Position eine Sekunde, bevor sie wieder auf den Fersen landete.

Diese sanfte Aufwärts-Abwärts-Bewegung war für sie so selbstverständlich wie das Atmen. Es war ein Teil ihrer Existenz.

Auch wenn in ihrem Inneren ein Gefühlschaos herrschte, wenn es ums Tanzen ging, wusste ihr Körper noch genau, was er wollte. Was sich richtig anfühlte.

Sie wiederholte die Bewegungen ein paar Mal, um Sprunggelenke und Waden vor der nächsten Kursstunde aufzuwärmen. Worte gingen ihr durch den Kopf, Gesprächsfetzen aus dem Skype-Gespräch mit ihren Eltern vom Abend zuvor.

Ihre Mutter hatte Remi die Geschichte von der »tollen Chance, ein lokales Unternehmen zu unterstützen« nicht abgekauft, mit der sie ihre Arbeit in dem neuen Ballett-Studio beschrieben hatte. Opal Drysdale mochte sich mit ihrer Vorliebe für Kristallheilung und täglich neuen positiven Mantras ganz dem Motto von Frieden, Liebe und Licht verschrieben haben, aber sie merkte immer sofort, wenn man versuchte, ihr etwas vorzumachen. Und Remi war keine Schauspielerin. Wie immer hatte ihr Vater nicht viel dazu gesagt, sondern nur seine Frau ergeben angeschaut, während sie geredet hatte.

Aber alles Geschimpfe von Opal würde nichts ändern. Und Remi würde ganz sicher nicht darüber »meditieren.«

»Entschuldigung.« Eine tiefe, sonore Stimme riss Remi aus ihren Gedanken.

Sie drehte sich um und ihr Herz pochte schneller, als sie den Mann sah. Es war einer von diesen Typen, die so heiß waren, dass sie ohne Hinweisschild auf Feuergefahr keine Ausgangserlaubnis haben sollten. Dunkles, gewelltes Har. Intensive blaue Augen. Ein Hauch von Stoppeln auf einem Kinn, so markant, dass man es einfach berühren musste. Also einer von den Typen, denen Remi normalerweise aus dem Weg ging, denn es waren meistens eingebildete Blödmänner, die innerhalb und außerhalb des Schlafzimmers total egoistisch waren.

Und du denkst gerade an Schlafzimmer, weil …?

Er kam auf sie zu. Allein schon seine Art zu gehen könnte fast so etwas wie einen feuchten Traum verursachen. Sie holte Luft. »Kann ich etwas für Sie tun?«

»Das hoffe ich.« Sein Blick zuckte kurz über ihren Körper, so als würde er gerne verweilen, gleichzeitig aber wenigstens den Anschein von Zivilisiertheit wahren wollen.

Ganz recht, mein Lieber. Immer schön Blick nach oben.

»Meine Nichte ist in Ihrem Kurs.« Er krümmte die Daumen um die Gürtelschlaufen seiner Jeans. »Francesca Mancini.«

Francesca. Der Name klang gar nicht vertraut, dabei war Remi stolz darauf, die Namen all ihrer Schützlinge auswendig zu wissen, besonders die der jüngeren. Verdammt, wie hatte sie Francesca vergessen können?

Das liegt an seinem Heiße-Typen-Voodoo, es verwirrt den Verstand.

»Frankie«, fügte er hinzu.

»Oh ja, Frankie.« Remi nickte. Fünf Jahre alter Wildfang, nicht ganz einfach zu handhaben, weil zu viel Energie. Aber total süßes Kind, unwiderstehlich. Lag wohl in der Familie. »Natürlich. Chantals Tochter.«

»Und ich bin Chantals Bruder.« Der Mann lächelte und Remi ignorierte sorgfältig die magnetischen Anziehungskräfte − dieses Kribbeln, das ihr blitzartig so heiß werden ließ, als wenn sie zu nahe an ein offenes Feuer geraten wäre. »Ich habe heute Frankie-Dienst.«

Remi erwiderte unwillkürlich sein Lächeln. »Sie Glücklicher.«

»Absolut. Ich würde jeden Tag den ganzen Tag mit dem Kind verbringen, wenn ich könnte.«

Ihr Herz schmolz wie Butter an der Sonne. Okay, also kein totaler Blödmann.

»Wann ist der Kurs zu Ende?«, fragte er und trat noch einen Schritt näher. Ein blau-kariertes Hemd umspannte breite Schultern und starke Arme, die umgekrempelten Manschetten enthüllten eine dicke Armbanduhr und starke Hände. Die Art von Händen, die unglaublich… geschickt wirkten.

Eigentlich kam er Remi doch bekannt vor, wenn sie es recht überlegte. Aber sie wusste nicht, woher.

Vielleicht aus deinen Träumen über namenlose heiße Typen?

»Nach fünfundvierzig Minuten, aber manchmal dauert es ein wenig länger, es hängt davon ab, wie viele Teilnehmer es sind.«

»Dann komme ich also in fünfundvierzig Minuten zurück?«

»Zurück?«

»Ja.« Er nickte und seine dunklen Brauen schoben sich leicht zusammen. »Um Frankie abzuholen.«

»Das ist ein Eltern-Kind-Kurs«, erklärte Remi und unterdrückte ein Grinsen. »Es ist so gedacht, dass die Erwachsenen ihre Kinder beim Unterricht begleiten.«

Ihr Blick glitt über seinen Körper – über den braunen Gürtel, der seine schmale Taille betonte, bis zu den verwaschenen Jeans, die sich an seine Schenkel schmiegten und an … oh. Diese Jeans schmiegten sich an ALLES.

Hey, keine Doppelmoral. Immer schön Blick nach oben.

»Und mit begleiten meinen Sie wohl am Unterricht teilnehmen?«, vermutete er.

»Ganz genau.«

Er lächelte sarkastisch. »Komisch, das hat meine Schwester gar nicht erwähnt.«

Die Vorstellung, dass dieser wahnsinnig attraktive Mann ihren Befehlen folgen würde, löste ganz unaussprechliche Dinge in Remis Körper aus. Dinge, die etwas mit Kribbeln und Erregung zu tun hatten. Dinge, die definitiv nichts bei der Arbeit verloren hatten. Remi fühlte sich zu Männern, die tanzen konnten, hingezogen, seit sie zum ersten Mal Paul Mecurio in Strictly Ballroom gesehen hatte. Und später hatte sich ihre Theorie, dass Talent auf der Tanzfläche gleichzusetzen war mit Talent im Bett, fast immer bewahrheitet.

Ihr Instinkt sagte ihr, dass dieser Mann sie da nicht enttäuschen würde.

»Ich bin sicher, Sie schaffen das«, sagte sie, als sie an ihm vorbeiging, um die anderen Tanzschüler zu begrüßen, die hereinströmten. »Sie sehen aus, als hätten Sie ein paar gute Moves drauf.«

»Mehr als ein paar«, erwiderte er. Sein Blick folgte ihr, als sie mit leichtem Schritt an ihm vorbeiging.

»Ich freue mich darauf.«

Frankie rannte herbei und zerrte an der Hand ihrer Onkels. Dessen intensiver, glühender Blick verwandelte sich und nahm einen weichen Ausdruck an. Er bückte sich und half seiner Nichte mit ihrem Haarband. Die Kleine winkte Remi enthusiastisch zu und schlug ihren Onkel dabei fast ins Gesicht.

Remi winkte zurück und machte sich bereit, mit dem Unterricht zu beginnen. Es hatte den Anschein, als wäre sie nicht die Einzige, die sich für den gutaussehenden Neuankömmling interessierte. Die Klientel der verschiedenen Studios von Allongé Barre Fitness war unterschiedlich, je nachdem, in welchem Teil der Stadt sie sich befanden. In Brooklyn waren eher Gruppen von untereinander Befreundeten zu erwarten, Leute, die Spaß haben wollten und Wert auf eine entspannte Atmosphäre legten. In Midtown Manhattan kamen sehr viele Büroangestellte, die vor oder nach der Arbeit Stress abbauen wollten. Und im Studio an der Upper East Side sah man viele sehr gut gekleidet Frauen, die mit Designerklamotten und perfekt gestylten Frisuren trainierten. Auf jeden Fall aber war die überwiegende Mehrheit der Kundschaft weiblich, egal an welchem Ort.

Was bedeutete, dass Mr. Augenschmaus ins Auge stach wie ein bunter Hund. Oder sollte man sagen, ein sexy Hund?

Konzentration. Mish legt bestimmt keinen Wert darauf, dass du dich mit Kunden anfreundest.

Remis Verstand arbeitete sofort dagegen an. Rein technisch war dieser Mann kein Kunde. Er half nur seiner Schwester aus. Eins zu null. Und davon, dass Mish Nicht-Anfreunden-Regeln aufgestellt hätte, war ihr eigentlich nichts bekannt. Außerdem war ein wenig anschauen und genießen ja wohl kein Grund zur Sorge.

»Wenn alle ihre Plätze an der Stange eingenommen haben, können wir jetzt beginnen.« Remi wartete ab, bis die Klasse sich auf den Unterricht eingestellt hatte. Ein paar Frauen versuchten, sich unauffällig etwas näher an Frankies Onkel heran zu stehlen.

»Man darf keine Schuhe anhaben«, verkündete Frankie laut. Sie deutete auf die Füße ihres Onkels, die in Sneakers steckten, und er blickte zu Remi.

Der Blickkontakt wirkte auf sie wie ein Stromschlag und sie holte unwillkürlich Luft. Seit wann ließ sich eine erfahrene Frau wie sie von einem sexy Blick erschüttern? Niemals. Remi war alles andere als ein schamhaft errötendes Mauerblümchen. Aber es hatte den Anschein, als hätte sich ihre ganze, sorgfältig erarbeitete Contenance in Luft aufgelöst.

»Schuhe weg«, bestätigte sie mit einem Nicken und unterdrückte das Gefühl prickelnder Erregung, das ihre Selbstkontrolle zu erschüttern drohte.

»Siehst du.« Frankie drehte sich wieder zur Stange, ihre kleinen Füße stellten sich wie von selbst in einer perfekten ersten Position auf. »Hab ich’s doch gesagt.«

Man hörte die Gummisohlen quietschen, als der Mann seine Sneakers wegkickte. Remi hatte das Gefühl, als wäre die Luft plötzlich dicker geworden. Sie wartete ab, bis er barfuß war.

»Wir fangen an mit dem Aufwärmen der Sprunggelenke.« Remi stellte sich an die Stange und demonstrierte die Übung. »Gleitet mit dem rechten Fuß nach vorne, Zehen gestreckt. Dann beugt den Fuß und streckt ihn. Beugen und strecken.«

Die Anweisungen gingen ihr ganz leicht über die Lippen – sie hatte das inzwischen so oft gemacht, dass sie bestimmt schon im Schlaf »beugen und strecken« murmelte. Zu ihrem Erstaunen schien der Mann über ziemlich viel Beweglichkeit in Knöchel und Füßen zu verfügen und er krümmte den Fuß nicht, was viele Leute taten, die neu im Ballett waren.

»Jetzt bringt den Fuß wieder in die dritte Position und dann nach außen zur Seite. Beugen und strecken …«

Während der Rest der Klasse sich auf die Aufgabe konzentrierte – die Kleinen in allen möglichen Positionen und mit angewinkelten Armen und Beinen – richtete der Mann den Blick auf Remi. Seine Bewegungen waren sicher und selbstbewusst. Wie die eines Raubtiers. Remi war überzeugt, jeder andere Mann in seiner Situation wäre mehr oder weniger entsetzt darüber gewesen, völlig unvorbereitet an einem Stangentraining teilnehmen zu müssen. Er ließ sich scheinbar nicht beirren.

Als sie die Klasse anwies, sich in die entgegengesetzte Richtung zu drehen, ließ er keine Sekunde den Blick von ihr. Es war, als ob er alles an ihr durchschauen würde, ihre Kleidung, ihr kesses Lächeln, ihren Ballerinen-Haarknoten. Und sämtliche Schichten von rosa Lycra und Elasthan, die im Moment ihre Rüstung bildeten.

Das war mehr als Anziehung. Es war elektrisch.

Schluss damit. Du bist es Mish schuldig, dich professionell zu verhalten.

Richtig, sie musste hier ihren Job machen … aber nur für die nächsten fünfundvierzig Minuten.

3. Kapitel

Auf einer Skala von eins bis Jon Hamm gehört Wes eindeutig ans Ende der Skala, wenn diese um zwanzig Zentimeter erweitert wird.

– PlainSlice

Wes genoss ausgiebig das subtile Katz- und Mausspiel zwischen ihm und der Kursleiterin von Frankies Ballettklasse. Ihr süffisanter Gesichtsausdruck, als sie erklärte, er müsse am Unterricht teilnehmen, war für ihn eine Herausforderung gewesen – sie hatte wohl geglaubt, er würde versuchen sich zu drücken. Sie hatte eben keine Ahnung …

Es war verdammt lange her, seit Wes zum letzten Mal getanzt hatte. Inzwischen rannte er lieber eine Runde im Central Park oder er jagte Frankie herum, bis sie beide außer Atem waren. Aber das Muskelgedächtnis war faszinierend, sein Körper wusste genau, was er zu tun hatte. Wes hatte sich etwas von seiner früheren Beweglichkeit erhalten, etwas von der festen, aufrechten Haltung, etwas von der selbstbewussten, geschmeidigen Art sich zu bewegen. All dem verdankte er die Fähigkeit, beim Betreten eines Raumes die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zu ziehen.

Die meisten Männer in seinem Alter waren Schränke – groß und stark, aber klobig. Schwerfällig. Obwohl er in seiner Jugend wegen des Tanzens gnadenlos gemobbt worden war, wusste Wes, dass er dem Tanzen verdankte, was aus ihm geworden war: Er war wie ein Sportwagen – formschön und elegant. Ein Hingucker.

Machte ihn das eingebildet? Verdammt, ja. Aber mit Bescheidenheit erreichte man nichts. Jedenfalls nicht in dieser Stadt.

Zu sehen, wie die Kursleiterin ganz leicht eine Braue hob, als er ihren Anweisungen Folge leistete, war unglaublich befriedigend. Sie hatte ihn unterschätzt.

»Gut gemacht. Noch ein paar Dehnungen zum Abschluss, dann sind wir fertig.« Die selbstbewusste Kursleiterin lächelte ihren Schützlingen zu, doch ihr heiterer Blick verschleierte sich, als er auf Wes fiel. »Bewegt eure Arme in einem Port-de-Bras über den Kopf und beugt euch aus der Hüfte nach vorne. Bis hinab zum Boden, wenn ihr könnt.«

Die erste Stufe ihrer Demonstration erregte Wes‘ Aufmerksamkeit, die sanfte Aufwärtsdrehung der Arme zu einem perfekten Port-de-Bras. Aber als sie sich dann vorbeugte und ihren Körper wie ein Klappmesser in der Mitte faltete, vergaß er fast zu atmen. Diese Frau hatte Feuer.

Dank der deckenhohen Spiegel hinter ihr hatte Wes eine perfekte Aussicht auf ihre langen, wohlgeformten Beine und ihren herzförmigen Po. Aber es war nicht nur ihr fantastischer Körper, es waren auch ihre Bewegungen, die ihn faszinierten. Sie zeugten von einer Musikalität und Anmut, die eine professionelle Schulung vermuten ließen. Vielleicht nicht viel, denn Wes kannte eigentlich jeden in der New Yorker Ballettszene. Allerdings hatte sie einen leichten Akzent.

»Onkel Wes«, zischte Frankie. »Du sollst aufstehen.«

Er brummte unwillig, als ein kleiner, aber spitzer Ellenbogen gegen seine Rippen stieß. »Entschuldige, Frankie.«

Er richtete sich auf, wie die gesamte übrige Gruppe, und freute sich an dem leicht triumphierenden Lächeln der Kursleiterin. Erwischt! Sie wusste, dass er sie angestarrt hatte. Als der Kurs zu Ende war, rannte Frankie los, um ihre Sneakers anzuziehen. Ihre charakteristische Stimme war deutlich über das Gemurmel der anderen hinweg zu hören.

»Danke, dass Sie so gut mitgemacht haben.« Die Kursleiterin kam zu ihm herüber, sie hatte die Füße beim Gehen ganz leicht nach außen gedreht, die Hände streiften ganz sachte ihren Körper. Oh ja. Sie war ganz sicher professionell ausgebildet. Und auch talentiert, darauf könnte er wetten. »Obwohl Sie doch keine Ahnung hatten, was auf Sie zukam.«

»Sie haben mich ganz schön auf Zehenspitzen gehen lassen.«

»Soll das etwa ein Ballett-Witz sein?« Ihre Augen wurden schmal, doch ihre Mundwinkel zuckten.

»Auf gar keinen Fall«, erwiderte er mit gespieltem Ernst.

»Die finde ich nämlich nicht gerade spitze. Nicht, dass es mir an Haltung fehlte, aber da liegt mir die Stange einfach ein bisschen zu tief.« Ihre Augen blitzten schelmisch.

»Nicht schlecht.«

»Versuchen Sie gar nicht erst, mich zu übertrumpfen. Ich bin wie aufgezogen, wenn es erst einmal losgeht mit schlechten Witzen.«

Wes schmunzelte. »Was haben Sie denn noch auf Lager?«

»Welche Tiere sind schlecht als Tänzer?« Sie schwieg einen Moment. »Vierbeinige, weil sie zwei linke Füße haben.«

»Den muss ich Frankie erzählen.«

»Ehrlich gesagt, ich bin ziemlich sicher, dass ich ihn von ihr habe.« Remi schüttelte den Kopf. »Ihre Nichte ist ein lustiges Mädchen.«

»Liegt in der Familie.« Er tat, als würde er etwas von seiner Schulter wischen und wurde mit silberhellem Lachen belohnt. Verdammt, dieses Lachen kam direkt aus dem Himmel. »Gute Auswärtsdrehung und eine Schwäche für lahme Witze.«

»Ist das alles?«

»Nun ja, ich habe ein paar ganz individuelle Begabungen.«

Sie hob eine Braue. »Nämlich?«

»Ich mache eine ganz gute Nudelpfanne. Und mein Tendu war immer spektakulär, falls Sie es nicht bemerkt haben.« Er zwinkerte und es gelang ihm kaum, eine ernste Miene zu bewahren.

»Oh, ich habe es bemerkt.« Blitzschnell warfen sie sich die Sätze zu. Als ob Ping-Pong-Bälle zwischen ihnen hin und her tanzten.

»Ich bin übrigens Remi.« Sie streckte die Hand aus.

»Wes.« Ihre Hand glitt in seine und er schloss die Finger darum. Dem Beben ihrer Nasenflügel nach zu urteilen, war sie von der Berührung genauso elektrisiert wie er. »Ich kenne alle Ballerinen in New York, aber Sie habe ich noch nie gesehen.«

»Was für ein Glück für all die Ballerinen von New York.« Ihre Stimme klang plötzlich rauer und sie zog die Hand zurück und beendete den erregenden Kontakt. »Sind Sie Tutu-Fetischist?«

»Ja, ich stehe auf dieses kratzige Gefühl.« Er schob die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans. »Und netter Versuch, meiner Frage auszuweichen. Sie würden einem Politiker Ehre machen.«

»Ich wusste nicht, dass das ein Interview ist«, erwiderte sie und lächelte spöttisch. »Und ich glaube, Sie haben mir nicht wirklich eine Frage gestellt.«

Jetzt hatte sie ihn erst recht neugierig gemacht. »Wie kommt es, dass wir uns noch nie begegnet sind?«

»Ich bin nicht von hier, falls es Ihnen nicht aufgefallen ist.«

»Ich würde sagen, Sie sind aus Neuseeland oder aus Australien.« Er neigte den Kopf. »Aber ich kann nicht behaupten, ich würde mich gut genug auskennen, um das zu entscheiden:"

»Feigling«, scherzte sie.

Er schmunzelte. »Wollten Sie nicht eher sagen, ›wie klug von Ihnen‹?«

Sie spielte mit dem Saum ihres Trikots, es war langärmelig und oben auf ganz unkonventionelle Art ausgeschnitten, sodass nur eine Andeutung ihres Brustansatzes zu sehen war. Sommersprossen lugten zwischen kleinen Schlitzen hervor und Wes wurde fast überwältigt von dem Wunsch, diese mit den Fingerspitzen zu berühren.

»Ich bin ein Aussie, dort geboren und aufgewachsen.« Remi verengte die Lider, als müsste sie überlegen. »Aber ich bin keine Ballerina, das erklärt, warum Sie mich nicht kennen.«

Wes würde sein letztes Hemd darauf verwetten, dass sie ein klassisches Training absolviert hatte. In der Ballettschule seiner Eltern hatte er im Lauf der Jahre viele Tänzer kommen und gehen sehen. Wenn er eines mit Leichtigkeit auf Anhieb erkennen konnte, dann waren das die typischen Bewegungen einer echten Ballerina.

»Warum sehen Sie mich so an?«, fragte sie.

»Ich frage mich, warum Sie mich anlügen.«

Remi blinzelte. »Ich lüge nicht.«

»Sie behaupten, Sie wären keine Ballerina.«

»Ich sagte, ich bin keine Ballerina.« Sie schob sich eine lose Strähne hinters Ohr. Fast im selben Moment rutschte sie wieder hervor und schmiegte sich an ihre Wange, weich, aber widerspenstig. »Präsens.«

Aha, das erklärte es. Wes hätte jetzt gerne gesagt, dass man niemals aufhörte eine Ballerina zu sein, selbst wenn man nicht mehr trainierte und nicht mehr auftrat. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass dies wohl ein heikles Thema war. »Okay.«

»Aber Sie haben einen guten Blick dafür.«

War sie nur auf der Hut oder wirklich beeindruckt? »Sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass es nichts für Sie ist?«

»Umgekehrt.« Ein Schatten fiel über ihr Gesicht und der Blick ihrer ausdrucksvollen braunen Augen verdüsterte sich. »Die Ballettszene hat entschieden, dass ich nichts für sie bin.«

Rätselhaft. Und faszinierend.

»Woher wissen Sie so viel über Ballerinen?«, fragte sie, als sie beide den Raum verließen.

»Meine Mutter war Solotänzerin beim New York City Ballett. Jetzt besitzen sie und mein Vater eine Tanzschule.«

»Wes Evans.« Remis Kinn fiel herab. »Ich hatte schon den Verdacht, dass ich Sie von irgendwo kenne.«

Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Er würde sich wohl nie daran gewöhnen – daran, wie die Leute sich veränderten, sobald sie merkten, wer er war; an die Art, wie sich Erwartungshaltungen und Motivationen änderten. In dieser Branche hing ja so viel davon ab, wen man kannte. Ein Fuß in der richtigen Tür konnte den Unterschied ausmachen zwischen dem Beginn oder dem traurigen Ende einer Karriere. Genau deshalb hatte er solche Probleme, eine Tänzerin für die Hauptrolle in Out of Bounds zu finden. Zu viele Leute wussten, was Adele Evans von der ganzen Sache hielt, und gingen deshalb auf Abstand.

»Ich bin natürlich ein Riesenfan von Dance Idol. Ich fand, Sie waren großartig als Jury-Mitglied.« Sie erreichten den Ausgang des Studios und blieben in der Nähe der Tür stehen. »Es ist eine große Kunst, Kritik so rüberzubringen, dass der oder die Betroffene davon profitieren kann und nicht das Selbstwertgefühl verliert. Ich glaube, Ihre Mitarbeit wird sich positiv auf die Karrieren der Bewerber auswirken.«

Wes blinzelte. Also das hatte er nicht erwartet. Wenn jemand erwähnte, er sei ein Riesenfan von X oder Y, dann folgte normalerweise irgendeine Form von Bitte – entweder um Insiderinformationen oder, falls der Mut ausreichte, um einen ganz konkreten Gefallen.

»Gehen Sie mit mir essen«, platzte es aus ihm heraus.

Wie gewandt, Evans. Wie ein Elefant im Porzellanladen.

Remi lachte und sah ihn einen Moment an, als ob sie ernsthaft darüber nachdächte. »Nein, ich fürchte, ich kann nicht.«

Ohne weitere Erklärung berührte sie kurz seinen Arm und versetzte ihm damit einen Stromstoß. Ihre Lippen verzogen sich kurz zu einem Lächeln, dann ging sie zurück zum Empfangsbereich. Sie blickte nicht einmal kurz zu Wes zurück. Alles, was sie ihm gegeben hatte, war eine unverblümte Absage.

Du hast es nicht mehr drauf.

Oder vielleicht war da noch etwas anderes im Spiel. Wie auch immer, Remi hatte seine Neugier jetzt erst recht gesteigert.

»Sieht aus, als müsstest du noch einmal zur Ballettstunde«, murmelte er, als Frankie auf ihn zugerannt kam.

Sohn von Broadway-Star und seine neue Show überschattet von einer gigantischen Beule …

Von Peta McKinnis (Reporterin bei Spill The Tea, Themenbereich »Gesellschaft und Kultur«)»Je größer, je lieber«, nicht wahr? Das scheint zumindest auf einen ehemaligen Juror der Show Dance Idol zuzutreffen, der zufällig auch der Sohn von Adele Evans, der berühmten Ballerina, und ihrem Ehemann, der Broadway-Legende Rich Evans ist. Der junge Mann feierte letztes Jahr seinen dreißigsten Geburtstag in Begleitung eines Supermodels von Victoria’s Secret auf Bora Bora, wo die beiden fotografiert wurden, als sie am Strand und auf Jetskiern ihren Spaß hatten.Allerdings galt diesmal die allgemeine Aufmerksamkeit ausnahmsweise nicht dem internationalen Supermodel Nadja Vasiliev, sondern dem, was sich hinter dem Reißverschluss von Wes‘ Jeans verbarg. Gerüchten zufolge versucht Wes gerade, eine neue Show auf die Beine zu stellen, ganz unabhängig von seinen gut vernetzten Eltern. Bis jetzt gibt es noch kaum offizielle Verlautbarungen über diese Show, aber es heißt, es geht dabei um eine Tanzproduktion, die zunächst einmal in der Off-off-Broadway-Szene gezeigt werden soll.Spill The Tea hat eine ehemalige Mitarbeiterin befragt, die zufällig persönlich mit Evans bekannt ist. Unsere anonyme Quelle sagte Folgendes: »Ich bin nie mit Wes ausgegangen, aber wir waren zusammen auf der Tanzschule und ich habe ihn bei einer unserer Aufführungen einmal beim Umziehen hinter der Bühne erwischt. Mutter Natur hat diesen Mann so großzügig bedacht, wie es für eine einzelne Person nicht erlaubt sein sollte. Er hat den absolut perfekten Körper. Geradezu einschüchternd.«Bleibt nichtsdestotrotz die Frage, ob Wes es schaffen wird, dass die Leute über seine Arbeit reden anstatt über sein … nun, ihr wisst schon.Wahrscheinlich nicht, wenn die Bad-Bachelors-App eine Rolle dabei spielt. Diese App – die es den Frauen von New York ermöglicht, ihre Dates zu bewerten (die sich aber auch für eventuelle Vergeltungsmaßnahmen nach einer abgebrochenen Beziehung nutzen lässt, wie von Spill The Tea bereits zuvor gemutmaßt) – hat manch einem Mann großes Unglück gebracht, anderen zu großer Bekanntheit verholfen. Wie wird es wohl für Wes laufen?Die App ist offenbar schuld an seinem neuen Spitznamen »Mr. Anakonda« und enthält einige Beiträge von Frauen, die in der glücklichen Lage sind, die Gerüchte bestätigen zu können.

Auf einer Skala von eins bis Jon Hamm, gehört Wes eindeutig ans Ende der Skala, wenn diese um zwanzig Zentimeter erweitert wird.– PlainSlice

Eine Mitarbeiterin von Spill The Tea hat Bad Bachelors kontaktiert und nachgefragt, wie man dort die Auswirkungen der Beiträge auf die von dieser Website betroffenen Männer einschätzt, und erhielt folgende Antwort: »Bad Bachelors engagiert sich dafür, den Frauen von New York eine Plattform zur Verfügung zu stellen, auf der sie ihre eigene Position in der Dating-Szene stärken können. Wir rufen alle Mitglieder der Site dazu auf, eine Bewertung abzugeben, selbstverständlich in Übereinstimmung mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Bad Bachelors.«Alles klar. Als eure Nummer eins in Sachen Promi-News wartet Spill The Tea gespannt auf die nächste Folge der Story von David und seinem Goliath.

»Ich bin ernsthaft beunruhigt.« Darcy drückte den Handrücken an Remis Stirn und zog die Stupsnase kraus.

»Weil ich nein zu einem Date gesagt habe?« Remi schob die Hand ihrer Freundin weg und verdrehte die Augen. Remi, Annie und Darcy trafen sich grundsätzlich jedes Wochenende. Diese Woche hatten sie sich in einem Bowling-Center verabredet und Remi hatte ihren Freundinnen von ihrer Begegnung mit Wes erzählt. »Meinst du, ich bin ein Flittchen, das zu jedem ja sagt?«

»So würde ich es nicht gerade formulieren.« Lachend duckte Darcy sich unter Remis Hand weg. »Nur, dass du normalerweise selbstbewusster bist, wenn es ums Dating geht.«

»Das liegt daran, dass du keine Ahnung davon hast. Du warst verlobt, danach eine sexuelle Einsiedlerin und dann gleich wieder verlobt.«

Darcy betrachtete den riesigen Diamanten, der an ihrem linken Ringfinger funkelte, und ihr Gesicht nahm einen ganz untypisch verträumten Ausdruck an. Solange Remi ihre ehemalige Zimmernachbarin kannte, war diese stets das Gegenteil von verträumt gewesen. Das Mädel war ziemlich kratzbürstig, sie war tätowiert und sie kleidete sich, als ob sie ihre Teenagerphase nie ganz hinter sich gelassen hätte. Und all das war der Grund, weshalb Remi sie so mochte – Gegensätze zogen sich an, und so weiter …

Darcy war jetzt verlobt mit ihrem Freund Reed, der zuvor als der meistgefragte Junggeselle von Manhattan berühmt berüchtigt gewesen war. Auch die beiden passten eigentlich nicht zusammen. Reed war außerdem ein ehemaliges Opfer von Bad Bachelors. Nachdem er dort als Nummer eins auf der Liste der schlimmsten »Serientäter« gelandet war, hatte er eine Menge Probleme bekommen, besonders als er und Darcy begonnen hatten zusammenzuarbeiten. Am Ende hatte Bad Bachelors alle Beiträge über seine Person gestoppt, jedoch erst nachdem es in den Medien zu einem Shitstorm gekommen war, der dazu geführt hatte, dass sein Vater von Reportern belästigt wurde und er selbst schließlich seine lukrative Karriere als PR-Berater aufgab.

»Ph!« Darcy wischte Remis Bemerkung beiseite. »Jedenfalls hätte ich gedacht, dass von allen Leuten, die begeistert nach der Chance greifen würden, mit einem Mann, der Mr. Anakonda genannt wird …«

»Wonach greifen?« Annie, die Dritte im Bund, lachte spöttisch.

» … du die Erste wärst«, beendete Darcy ihren Satz.

Remi seufzte. Okay, die beiden hatten nicht unrecht. Sie ging gern mit Männern aus – nicht etwa mit einem ernsthaften Ziel vor Augen – sie genoss es einfach, schick ausgeführt zu werden, und hier und da genoss sie es auch, mit einem dieser Männer ins Bett zu gehen. Manchmal blieben sie eine Weile zusammen, wenn sie den Mann gut genug leiden konnte, aber meistens nicht. Alles nicht so ernstnehmen, hieß das Spiel. Und bis zu dem Augenblick, als sie erkannt hatte, wer Wes Evans tatsächlich war, wäre sie nur zu gern auf sein Angebot eingegangen.

Remi ergriff ihre Bowlingkugel und ging an den Start. Sie holte aus und – die Kugel rollte direkt an die Bande.

»Verdammter Mist«, brummte sie.

»Niemals bowlen, wenn man wütend ist«, riet Annie, die auf ihrem Stuhl saß, die Beine über eine Armlehne hängen ließ und dabei eine Colaflasche zum Mund führte.

»Sehr hilfreich, danke.« Remi wartete ab, bis ihre Kugel wieder im Rücklaufterminal landete.

Seit der gestrigen Ballett-Fitness-Stunde war sie innerlich völlig durcheinander. Es war, als hätte sich Wes in ihr Unterbewusstsein gegraben und steckte wie ein Springteufel ständig den Kopf hervor. Egal, wie sehr sie es versuchte, sie wurde ihn einfach nicht los. Seine Einladung abzulehnen, ging eigentlich gegen alles, was sie für richtig hielt, gegen alle Regeln, die sie sich selbst gesetzt hatte, als sie mit dem Einzelflugticket das Flugzeug nach New York bestiegen hatte:

Keine Angst haben.

Jede Chance nutzen

In erster Linie Spaß haben

Aber sie hatte Angst. Angst, dass ein Mann wie Wes ihre sorgfältig vernähten Wunden wieder aufreißen könnte, dass er all die Zweifel und die Reue, die zu verdrängen sie sich solche Mühe gab, wiederaufleben lassen könnte. Vor all dem war sie doch geflohen.

»Äh, Remi?« Darcys Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

Ihre pinkfarbene Bowlingkugel. Da das Förderband niemals stehenblieb drehte sie sich auf der Stelle. Genau wie ihre Gedanken.

»Schon gut.« Sie nahm die Kugel und schob die Finger in die drei dafür vorgesehenen Öffnungen. Dieses Mal würde sie nicht danebenschießen.

Einem Mann wie Wes Einlass in ihre Gedanken zu gewähren war gefährlich. Remi wusste genug über die »richtige Chemie«, denn sie suchte seit Jahren immer wieder bei ihren Tanzpartnern danach und sie spürte auf Anhieb, wenn etwas stärker war als das übliche Gefühl gegenseitiger Anziehung. Normalerweise verursachte ihr ein gutaussehender Mann einen elektrisierenden Schauer, ein angenehmes leichtes Kribbeln, das sogar ihren ganzen Körper durchströmte, wenn dieser Mann besonders charmant oder geistreich war.

Aber der intensive Blick von Wes, der war wie ein Tsunami, der sie hinterrücks überfiel.

»Tja, und du willst dich nicht davon hinwegspülen lassen wie ein dummes, kleines Gänschen.« Ruhig und gefasst holte sie zum Wurf aus. »Du hast hier die Kontrolle.« Als sie die Kugel losließ, flog sie in gerader Linie, landete mit einem satten Ton auf der Bahn und raste auf den mittleren Kegel zu. Ein Strike! »Ich hab’s noch drauf.« Remi wackelte mit den Hüften und schlenderte zurück zu ihren Freundinnen, ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen. »Wie viele Strikes waren das jetzt?«

»Rein technisch ist das ein Spare, denn beim ersten Mal ging die Kugel an die Bande«, stellte Annie fest und grinste.

»Wenn ich richtig gerechnet habe …« Remi verrenkte den Hals, um auf den Bildschirm über ihrer Bahn zu blicken. »Ha-ha, ich liege immer noch vorne.«