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CINDERELLAS GEHEIMER PLAN von STEFANIE LONDON Endlich hat Damian die maskierte Rothaarige da, wo er sie haben wollte: in seinen Armen. Doch im entscheidenden Moment flieht sie, hinterlässt aber wie Cinderella einen Hinweis auf ihre Identität. Als Damian erfährt, dass hinter der Maske seine gute platonische Freundin Lainey steckt, ist er entsetzt! Wie kann es sein, dass er sie plötzlich so begehrt? Er sinnt auf Rache und hat bald einen wunderbaren Plan für die durchtriebene Lainey … VERTRAUT UND DOCH SO FREMD von CARA LOCKWOOD Ein One-Night-Stand mit einem Typen, den sie nur durch eine Dating-App kennt? Eigentlich kommt das für Emma nicht infrage. Aber als der mysteriöse Mr. X vor ihr steht, gibt sie der Versuchung nach und erlebt ungeahnte Höhen der Lust. Doch plötzlich wird Emma von einem Stalker verfolgt, der alles über sie zu wissen scheint. Es stellt sich die Frage: Wer ist Mr. X wirklich?
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Seitenzahl: 406
Stefanie London, Cara Lockwood
TIFFANY PURE LUST BAND 6
IMPRESSUM
TIFFANY PURE LUST erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage in der Reihe TIFFANY PURE LUST, Band 6 05/2023
© 2018 by Stefanie Little Originaltitel: „Unmasked“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Melanie Koster Deutsche Erstausgabe 2019 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Baccara Club, Band 11
© 2018 by Cara Lockwood Originaltitel: „No Strings“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Almuth Strote Deutsche Erstausgabe 2019 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Baccara Club, Band 19
Abbildungen: MariaTkach / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751517225
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Lainey Kline starrte die Schokoladentorte an, auf der in zittrigen Worten aus weißem Zuckerguss Sorry, dass ich euch verlasse stand. War ein Entschuldigungsdessert übertrieben? Subtilität war noch nie ihr Ding gewesen, und die Ankündigung, dass sie einen neuen Job an Land gezogen hatte – und von Melbourne nach London ziehen wollte –, vertrug ja schließlich einen besonderen Pfiff. Einen besonders schokoladigen Pfiff.
Ihre beiden besten Freundinnen, Imogen und Corinna, starrten sie an. „Du machst per Torte mit uns Schluss?“, fragte Imogen. „Im Ernst?“
„Ich mache nicht Schluss“, erwiderte Lainey und bemühte sich, eines der positiven Argumente anzubringen, die sie vor dem Spiegel geübt hatte. „Ich schlage euch einfach nur eine Fernbeziehung vor.“
Imogen schüttelte den Kopf. „Ein Monat ist viel zu kurz, um sich zu verabschieden.“
„Ich fasse es nicht, dass du es eine ganze Woche lang für dich behalten hast.“ Corinna grinste.
Die drei saßen an dem Picknicktisch im Garten von Corinnas Eltern. Corinna war zwar schon vor zwei Jahren ausgezogen, aber noch immer trafen sich die drei Frauen gern im Haus der Familie McKnight, vor allem im Sommer. Der üppige, weitläufige Garten stand voller einheimischer Bäume, die schillernd bunte Vögel anlockten. Normalerweise wirkte das Vogelgezwitscher beruhigend auf Lainey, doch heute nicht.
„Leicht war das nicht, das könnt ihr mir glauben. Als ich den Flug gebucht hatte, wollte ich es am liebsten überall herumposaunen. Aber euch beiden musste ich es unbedingt gleichzeitig erzählen, und es ist so schwierig, eure Termine unter einen Hut zu bekommen.“
Bei Imogens langen Arbeitszeiten und Corinnas aktivem Sozialleben hatte es eine Woche gedauert, einen Tag zu finden, an dem beide Zeit hatten. Aber so hatten sie es sich geschworen – alle Neuigkeiten mussten innerhalb ihrer Dreierclique verkündet werden. Lainey war vor lauter Sorge ganz flau im Magen. Sie war sich bewusst, dass ihre besten Freundinnen zwangsläufig enger zusammenrücken würden, sobald sie fort wäre, und hoffte, dass sie sie nicht völlig vergessen würden.
„Also, Stylistin der Stars, hm? Vielleicht frisierst du ja am Ende noch die königliche Familie.“ Ihre Augen schimmerten feucht. „Na ja, zumindest Prince Harry. Der gute alte Will hat ja kaum noch was. Der kann sich seine spärlichen Reste höchstens noch quer über die Glatze kämmen.“
„Ich bezweifle, dass sie mich in die Nähe der Royals lassen“, entgegnete Lainey. „Außerdem werde ich eher mit Social Media zu tun haben.“
Lainey war Friseurin, seit sie an ihrem sechzehnten Geburtstag die Schule abgebrochen hatte. Jetzt arbeitete sie schon seit acht Jahren in dieser Branche, länger, als sie je zuvor irgendetwas durchgehalten hatte. Vor zwei Jahren hatte sie dann damit begonnen, ihre Frisuren auf Instagram zu veröffentlichen. Innerhalb von einem Jahr hatte sie über eine Million Follower gehabt, und jede Menge Markenhersteller rissen sich darum, mit ihr zusammenzuarbeiten.
Und so hatte sie eine Stelle als Social-Media-Beraterin bei einem bekannten Promi-Hairstylisten in London ergattert.
„Der Vertrag läuft aber nur über sechs Monate, richtig?“, fragte Imogen. „Danach kommst du zurück?“
„Ich hoffe, dass sie mich fest anstellen.“ Die Endgültigkeit ihres Umzugs lag Lainey schwer im Magen.
„Wir werden dich natürlich vermissen“, sagte Corinna und warf Imogen einen Blick zu, „aber es freut mich für dich, dass du eine Möglichkeit gefunden hast, deine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Klingt nach einer fantastischen Chance.“
Als die Spätnachmittagssonne langsam tiefer sank, fragte Lainey sich, ob sie sich nicht besser einen anderen Ort für ihre große Bekanntgabe hätte aussuchen sollen. Hier gab es so viele Erinnerungen. Und so aufgeregt sie wegen ihres neuen Jobs auch war, beim Gedanken daran, ihre besten Freundinnen zurückzulassen, wurde ihr ganz schlecht.
„Ich freue mich ja auch für dich“, versicherte Imogen. „Aber ich wünschte, du hättest hier einen so coolen Job gefunden.“
„Ich muss einfach weg.“
Imogen runzelte die Stirn. „Weg wovon?“
Zu gern wäre sie mit ihrem Geheimnis herausgeplatzt, aber was würde das bringen? Die Entscheidung war gefällt. Schon in einem Monat würde sie abreisen, und Lainey hatte es sich zur Regel gemacht, nie auf den negativen Dingen herumzureiten.
„Ich meine damit nur, dass es in Übersee mehr Chancen gibt“, erklärte sie behutsam. „Hier kann ich mich nicht weiterentwickeln. Marsha schien es nicht das Geringste auszumachen, dass ich gekündigt habe. Sie hält jeden für ersetzbar. Und es ist ja nun mal auch nicht so, als hätte ich eine Beziehung, die mich hier hält. Zum Glück. Jedenfalls seid ihr zur Verschwiegenheit verpflichtet“, fuhr Lainey fort. „Ich will es allen anderen selbst erzählen.“ Sie sah den beiden fest in die Augen und lächelte, als sie nickten. „Ich möchte, dass die Leute es von mir persönlich erfahren.“
Das Bewerbungsverfahren für diesen Job lief zwar schon seit fast zwei Monaten, doch Lainey hatte niemandem ein Sterbenswörtchen erzählt, bis sie vor einer Woche den Vertrag unterschrieben und ihren Flug gebucht hatte. Irgendwie hatte sie nicht wirklich daran geglaubt, dass es klappen würde. Selbst jetzt noch kam ihr die ganze Sache ein bisschen unwirklich vor.
„Hast du eine ‚Bevor ich meine Heimat verlasse‘-Liste?“, fragte Corinna. „Es muss doch irgendetwas geben, das du vor deiner Abreise unbedingt noch abhaken willst.“
Nicht irgendetwas, sondern irgendjemanden. Laineys Umzug hatte genauso viel mit der Verwirklichung ihrer Karriereträume zu tun wie mit der Flucht aus ihrer aussichtslosen Situation in Melbourne. Sie hatte etwas Dummes getan. Idiotisches. Ungeheuer Dämliches.
Im Laufe der Jahre hatte Lainey sich über beide Ohren in den einen Mann verknallt, der absolut unerreichbar war – Corinnas großen Bruder.
Und zusehen zu müssen, wie Damian McKnight heiratete, sich scheiden ließ und schließlich in der Fernseh-Kuppelshow Australia’s Most Eligible groß herausgebracht wurde, hatte sie innerlich zerrissen. Ihr großer Traum, dass sich ihre Liebe erfüllte, hatte sich in Luft aufgelöst. Und jetzt blieb ihr nur noch eine Lösung: Irgendwohin zu gehen, wo sie sich auf die wichtigen Dinge – wie ihre Karriere – konzentrieren und vergessen konnte, dass sie den einen Mann, den sie haben wollte, nicht haben konnte.
„Das ist doch die perfekte Gelegenheit, mal über die Stränge zu schlagen“, sagte Corinna. „Du kannst hier anstellen, was immer du willst, und dann nach England abhauen, ohne dich den Konsequenzen stellen zu müssen. Es gibt doch garantiert jemanden, an dem du dich schon immer mal rächen wolltest. Vielleicht ein bescheuerter Kunde, der dir das Leben schwer gemacht hat?“
„Oder vielleicht sage ich einfach deinem Bruder, dass ich ihn scharf finde“, erwiderte Lainey augenzwinkernd. Corinna tat so, als würde sie sich die Finger in den Hals stecken, und alle lachten.
Es war ein Running Gag. Sowohl Lainey als auch Imogen hielten Damian McKnight für den heißesten Typen überhaupt. Aber darüber Witze zu reißen, war die einzige Möglichkeit, geheim zu halten, wie sehr Lainey sich zu ihm hingezogen fühlte – denn je mehr sie es übertrieb, desto weniger glaubten die beiden anderen, dass es ihr ernst wäre. So konnte sie ihre wahren Gefühle vor aller Augen verbergen.
„Apropos Damian“, bemerkte Corinna, „wusstet ihr, dass er eine Karte für den Carmina-Ball abgegriffen hat?“
„Wow.“ Imogen zwinkerte. „Der bescheuerte Verlobte meiner Schwester geht auch hin … ohne sie, wie ich hinzufügen möchte, was ja nun wirklich niemanden überrascht.“
Der Carmina-Ball war etwas, von dem Lainey nur wusste, weil sie im Internet die Ballkleider vom Roten Teppich bewundert hatte. Man kam nur mit Einladung hinein, und er war eindeutig den oberen Zehntausend vorbehalten – also nichts für einfache Friseurinnen wie sie.
„Angeblich kostet die Karte fünftausend Dollar“, fügte Imogen hinzu. „Fünf. Verdammte. Tausend!“
„Für die ist das bestimmt bloß Kleingeld“, sagte Lainey und verdrehte die Augen. „Trotzdem, Damian ist sicher aufgeregt, dass er eine Einladung bekommen hat.“
„Wir reden jetzt nicht über meinen Bruder“, entschied Corinna. „Außerdem will ich wissen, was es da mit deiner Schwester auf sich hat, Immie. Willst du mir erzählen, Richie Rich hätte es sich nicht leisten können, ihr eine Karte zu kaufen?“
„Er hat gesagt, es würde da nur um Geschäfte gehen und dass er das Geld lieber für eine romantische Reise mit ihr in irgendein schickes Resort in Thailand als für eine Karte zum Ball ausgeben würde.“ Imogen verzog die Lippen zu einem Grinsen. „Aber ich glaube, der wahre Grund ist, dass er sie mit einer Frau betrügt, die dort sein wird.“
„Langsam.“ Lainey hob die Hände. „Seit wann betrügt er sie denn?“
„Penny hat da etwas gesagt, das schon lange an mir nagt. Dass Dan jeden Monat für ein paar Tage zum Arbeiten nach Sydney fährt.“ Imogen spielte an ihrem Perlenohrring herum. „Letzten Monat war ich mit ein paar Arbeitskollegen etwas trinken, und da habe ich ihn gesehen.“
„Als er eigentlich in Sydney hätte sein sollen?“, fragte Corinna.
„Jepp, und ich hatte gerade an diesem Nachmittag noch mit Penny gesprochen. Sie meinte, er würde erst am nächsten Abend zurückkommen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er war mit so einer Blondine da, und sie sahen aus, als würden sie flirten, aber in der Menge habe ich ihn aus den Augen verloren.“
„Hast du es Penny erzählt?“, fragte Lainey.
Imogen seufzte. „Ich habe es versucht, aber sie hat mir vorgeworfen, ich hätte ihn von Anfang an nicht ausstehen können. Sie wollte nichts davon hören.“
„Vielleicht ist er früher zurückgekommen“, meinte Lainey. „Er wurde vielleicht wegen eines Meetings zurückbeordert. Das Ganze könnte völlig harmlos sein.“
„Ich kann’s nicht erklären …“, seufzte Imogen. „Ich weiß einfach, dass da irgendwas läuft. Ich bin mir sicher.“
„Und was willst du unternehmen?“, fragte Lainey.
Imogen zog ihr Handy aus der Tasche und rief ein Foto von einer Frau mit einer Maske auf. Die Maske war roséfarben und mit rosa Schmucksteinchen besetzt. Im oberen Rand steckten weiße Federn, und zu beiden Seiten hingen hauchzarte Ketten aus Roségold hinab.
„Bist du das?“, fragte Lainey, und Imogen nickte. „Ich verstehe nicht ganz.“
„Ich werde mich auf den Carmina-Ball einschleichen. Dann werde ich ihn in flagranti erwischen und dafür sorgen, dass meine Schwester nicht mit dem falschen Kerl vor den Altar tritt.“
Lainey sah sich das Bild an, fasziniert von dem aufwendigen Design aus Edelsteinen und Perlen. Es war unmöglich, Imogens Gesichtszüge auszumachen. Noch ein bisschen Make-up und eine Perücke oder eine andere Haarfarbe, und niemand würde sie erkennen.
„Du spinnst“, sagte Corinna und schüttelte den Kopf. Ihr Handy summte. „Sorry, Ladys, das ist Joe. Da muss ich rangehen.“
„Hi, Joe!“, riefen Lainey und Imogen im Chor, als Corinna den Anruf entgegennahm, und brachen in Gelächter aus.
„Und schon sind wir abgemeldet“, sagte Imogen und griff nach ihrem Sektglas.
„Er scheint echt ein netter Kerl zu sein“, bemerkte Lainey. „Sie hat jedenfalls mehr Glück als ich, so viel ist mal sicher. Ich hatte schon seit Monaten kein Date mehr.“
Imogen lachte. „Also besser gesagt: Dein Leben wurde schon seit Monaten nicht mehr unnötig verkompliziert.“
„Ich dachte, du hörst immer gern von meinen Dating-Desastern. Zumindest haben die immer großen Unterhaltungswert.“
Desaster war auf jeden Fall die richtige Bezeichnung. Während Corinna immer nur süße, anständige Männer abbekam, landete Lainey ständig in den schrägsten Dating-Situationen, die man sich nur vorstellen konnte. Sie war mal mit einem Typen ausgegangen, der sich als so alt wie ihr Vater entpuppte, außerdem mit zwei Ex-Knackis und mit einem Zirkusartisten, der ihr am liebsten dabei zusah, wie sie mit nichts außer zwei unterschiedlichen Socken bekleidet herumlief.
Imogen war normalerweise die Stimme der Vernunft. Was ihren Plan, sich auf den Carmina-Ball zu schleichen, umso interessanter machte. Denn wenn Imogen sich irgendetwas vornahm, selbst etwas so Verrücktes, dann hatte es Hand und Fuß. Sie würde einen handfesten Plan parat, sämtliche Eventualitäten abgewogen und alle notwendigen Einzelheiten ausgeklügelt haben.
Imogen kicherte. „Wenn man vom Teufel spricht.“
Lainey warf abrupt den Kopf herum. Das Objekt ihrer Fantasien stand im Türrahmen. Damian McKnight in all seiner Pracht. Ein Anblick, bei dem Lainey ein Ziehen zwischen den Beinen verspürte. Er trug eine verwaschene Jeans, die sich perfekt um seine Schenkel schmiegte. Sein blau kariertes Hemd stand am Kragen offen, und er hatte die Ärmel hochgekrempelt, was Laineys Blick auf seine samtige, olivfarbene Haut lenkte.
„Was redet ihr da gerade über mich?“, fragte er argwöhnisch, während er näher kam.
Wie üblich schenkte Lainey ihm ein zuckersüßes Lächeln, das er nicht erwiderte. Damian McKnight war eine absolute Spaßbremse. Mr. Stock-im-Hintern hatte sie ihn einmal genannt. Es war ihr wirklich ein Rätsel, wieso sie seine Ernsthaftigkeit so verdammt anziehend fand.
Damian hatte sich immer so verhalten, als wäre sie ein lästiges Insekt, das ihn umschwirrte und sich ihm aufdrängte. Und dann diese Sache in dem Jahr nach seiner Scheidung. Als sie betrunken gewesen war und versucht hatte, ihn zu küssen. Da hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich nicht darauf einlassen würde, obwohl er ihr den ganzen Abend über Blicke zugeworfen hatte. Sie war damals einundzwanzig und sich voll und ganz im Klaren darüber gewesen, was sie von ihm wollte.
„Wir haben in Erinnerungen an ein paar von Laineys denkwürdigen Dating-Erlebnissen geschwelgt“, antwortete Imogen.
Damian schmunzelte. „Wie das eine Mal, als du bei diesem Anwaltstypen aus dem Fenster klettern musstest, weil seine andere Freundin früher nach Hause kam?“
„Er hatte mir erzählt, er wäre Single“, protestierte Lainey. „Ich wäre nie mit ihm ausgegangen, wenn ich das gewusst hätte.“
Er schüttelte den Kopf. „Wo steckt euer dritter Musketier?“
„Drinnen und telefoniert mit ihrem Loverboy“, erwiderte Lainey.
„Und was ist mit dir?“ Er musterte sie. „Irgendwelche neuen Opfer in letzter Zeit?“
Lainey trank den Rest ihres Sekts aus und versuchte, so zu tun, als hätte sie seinen glühenden Blick nicht bemerkt. Damian beherrschte den „Blue Steel“-Blick perfekt, und sie wusste genau, dass Frauen in ganz Melbourne ihren rechten Arm dafür geben würden, um einmal mit diesem Blick von ihm bedacht zu werden. Und seit seinem Abstecher ins Fernsehen hatte der Typ sogar einen Fanclub auf Facebook. Einen Fanclub, Himmel noch mal!
„Ich bin gern Single, das weißt du. Aber vielleicht ziehe ich später noch um die Häuser und schaue, ob mir irgendjemand ins Auge fällt.“
„Wenn ja, dann richte demjenigen doch bitte mein Beileid aus.“ Ein seltsamer Unterton schwang in Damians Stimme mit. Kam das daher, dass es ihm einfach nur egal war, oder gefiel ihm die Vorstellung nicht, dass sie auf Anmachtour ging?
Bei ihm wusste sie nie, woran sie war. Er hatte gesagt, er wäre nicht interessiert, aber seine Körpersprache erzählte etwas anderes.
„Und was hast du heute Abend vor?“, fragte sie.
„Nicht viel. Mum brauchte Hilfe bei den Rohrleitungen in der Küche“, sagte er. „Ich leiste Frondienste und bekomme Lasagne.“
Bei diesen Worten schmolz Lainey innerlich dahin. Trotz seines rasanten und lukrativen Aufstiegs in der Geschäftswelt vergaß Damian nie, wo er herkam oder wer in seinem Leben wichtig war. Seine Familie ging ihm über alles, und er war immer und jederzeit für seine Eltern oder seine Schwester da.
Es verblüffte Lainey noch immer, wieso ihn seine Frau verlassen hatte.
Damian musterte sie erneut kurz, und sie spürte seinen Blick bis in die Zehenspitzen. „Ich mache mich dann mal besser an die Arbeit. Benehmt euch, okay?“
„Nie.“ Lainey musste sich das Lachen verkneifen, als er die Augen verdrehte und ging.
Der Mann hatte einen so perfekten Hintern, dass er in einer Galerie ausgestellt gehörte.
„Total verkrampft“, murmelte Lainey, den Blick auf seine Hüften gerichtet, während er im Haus verschwand. „Aber verdammt heiß.“
Imogen schnaubte. „Du meinst wohl ‚verdammt unerreichbar‘.“
„Kommt aufs Gleiche raus.“ Lainey klopfte mit den Nägeln auf den Tisch. „So, und jetzt will ich mehr über diesen Carmina-Ball-Plan hören.“
„Ich wollte es eigentlich geheim halten.“ Imogen vergrub das Gesicht in den Händen. „Aber Corinna hat mir dauernd Sekt nachgeschenkt, und dann der Schock über deine Neuigkeiten … ooh. Bitte erzähl’s keinem.“
„Meine Lippen sind versiegelt.“ Lainey tat so, als würde sie einen Schlüssel im Schloss drehen. „Wie willst du denn ohne Einladung überhaupt reinkommen?“
„Ich kenne die Chefin vom Catering-Service.“ Imogen beugte sich vor. „Ich gehe mit ihrem Team rein, und sobald die Party beginnt, schleiche ich mich davon und ziehe mein Kostüm an.“
Lainey saugte an ihrer Unterlippe. Der Plan war völlig verrückt. Absolut und total beknackt.
Corinnas Worte hallten ihr durch den Kopf. Alles tun zu können, worauf sie Lust hätte, bevor sie nach London abreisen würde. Wenn Imogen sich verkleidet auf den Ball schleichen konnte, dann konnte Lainey das auch. Sie lächelte verrucht. Sie würde alles tun können, was sie wollte.
„Bei deinem großen Abenteuer ist nicht zufällig noch ein Platz frei?“, fragte Lainey.
„Ach, und was hättest du davon?“
Im Allgemeinen war sich Lainey ihrer Verführungskünste bei Männern wohl bewusst – doch an Damian biss sie sich die Zähne aus. Er widerstand ihr, wo andere Männer ihr verfielen, und sie glaubte nicht, dass es an mangelnder körperlicher Anziehungskraft lag. Ihr Körper entflammte lichterloh, wann immer er ihr nahekam. Sie hatte ihn schon früher dabei ertappt, wie er sie mit diesem heißen Blick ansah. Doch aus irgendeinem Grund ging er nie auf ihre Flirts ein.
Damian McKnight übte eine Faszination auf sie aus wie noch niemand je zuvor. In ruhigen Augenblicken hatte sie sich schon oft gefragt, ob er der Grund für ihre Dates mit flatterhaften, unzuverlässigen Typen war. Sie konnte Damian niemals haben, also suchte sie sich das genaue Gegenteil – die tickenden Zeitbomben und die Spaßvögel. Typen, bei denen nicht das geringste Risiko bestand, sich in sie zu verlieben.
„Ich korrigiere“, sagte Imogen und kniff die Augen zusammen. „Will ich das überhaupt wissen?“
„Wahrscheinlich nicht“, gab Lainey zu. Ihr Blick hing an dem leeren Türrahmen, durch den Damian gerade verschwunden war.
„Hast du das vor, was ich gar nicht zu vermuten wage?“, fragte Imogen. „Keine gute Idee.“
„Bitte, Immie“, sagte Lainey. „Er wird doch gar nicht wissen, dass ich es bin. Ich behalte meine Maske an, und falls es schiefläuft, mache ich mich aus dem Staub.“
„Ich dachte immer, du willst Corinna bloß aufziehen. War es dir die ganze Zeit über ernst mit ihm?“
„Ja“, gab Lainey zu. „Aber er hat mich immer nur wie eine Art kleine Schwester behandelt. Bitte. Das ist vielleicht meine einzige Chance. Wenn ich erst mal weg bin … dann war’s das.“
Imogen zögerte einen Augenblick. „Von mir aus. Aber ich werde nicht Partei ergreifen, wenn dir das Ganze um die Ohren fliegt.“
Lainey biss sich auf die Lippe, und versuchte, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Eine Nacht, um ihre Fantasien in die Tat umzusetzen. Danach würde sie weiterziehen und so tun, als wäre es nie passiert.
Damians Woche hatte schon nicht gut begonnen und endete noch schlimmer. Dass er am Wochenende Lainey gesehen hatte, hatte ihn mit allerlei unangemessenen Gedanken abgelenkt. Er kam sich vor wie Schneewittchens verstoßener achter Zwerg.
Mit Ablenkung konnte er umgehen. Eine Niederlage andererseits … das war nicht zu ertragen.
„Wie ist das Meeting gelaufen?“ Aaron griff nach seinem üblichen Gin Tonic. Sie hatten sich in ihrer Stammkneipe verabredet. Und da der Carmina-Ball morgen Abend bevorstand, wollte Damian Energie tanken, um sich zu wappnen. Partys waren nicht wirklich sein Ding, aber dass er eine Einladung zu diesem Event erhalten hatte, zeigte, dass er in die richtigen Kreise vordrang. Zwar würden alle verkleidet sein, doch man hatte ihm gesagt, dass dort jede Menge Geschäfte abgewickelt würden, wenn man die richtigen Menschen kannte und die richtigen Fragen stellte.
Ihm kam das alles wie eine kleine Geheimgesellschaft vor.
Er knurrte. „Frag nicht.“
„So gut, ja?“
Das Meeting vorhin hätte der Beginn einer neuen Ära für seine Unternehmensberatung sein sollen. Eine weitere Sprosse auf der Leiter. Anerkennung. Vergeltung.
Stattdessen hatte man ihm eine dicke, fette Ablehnung mitten ins Gesicht geschmettert. Nach weniger als fünf Minuten. Nicht, dass Damian je Angst vor dem Wort Nein gehabt hätte. Aber bei diesem Klienten war es etwas anderes, etwas Persönliches.
„Er meinte, er will nicht, dass sein familienfreundliches Image mit jemandem wie mir in Verbindung gebracht wird. Als wäre ich ein beschissener Geächteter.“
Er bereute seine Teilnahme bei Australia’s Most Eligible mehr als jeden anderen Mist, den er im Laufe seiner Karriere gebaut hatte. Er war nicht auf der Suche nach Liebe gewesen, wie die Show vorgab – das war keiner der Kandidaten. Sie alle wollten bloß Publicity. Bekanntheit. Sein PR-Berater hatte ihm damals versichert, dass die Show sein junges Melbourner Unternehmen landesweit bekannt machen würde … und das hatte sie ja auch. Damian war auf dem Bildschirm gut rübergekommen, und sein Geschäft hatte nach Ausstrahlung der Show einen ordentlichen Zuwachs an Aufmerksamkeit erhalten.
Doch die neuen Kunden waren größtenteils nur kleine Fische. Und Damian gab sich nicht mit Brotkrumen zufrieden – er wollte das ganze verdammte Brot.
Nur durch harte Arbeit hatte er sein Unternehmen so weit bringen können. Er hatte zahllose Überstunden gemacht und sich schwer ins Zeug gelegt. Jetzt hatte er eine Ebene erreicht, von der andere nur träumen konnten, doch die Tage seiner Reality-TV-Show hafteten ihm noch immer an wie ein übler Geruch.
„Und der verdammte Scheiß läuft nach Drehbuch. Die machen dich zu einer bestimmten Figur – das weiß doch jeder.“ Damian schüttelte den Kopf. „Aber er sagte, Leute, die sich ‚billiger Tricks‘ bedienen, um voranzukommen, seien nicht die Art von Menschen, mit denen er Geschäfte machen will. Ach ja, und offenbar sind diese Art von Fernsehshows der Grund, wieso unsere Gesellschaft den Bach runtergeht. Weil niemand mehr ‚gute, altmodische Werte‘ besitzt.“
„Klingt nach einem Arschloch. Aber du landest doch immer wieder auf den Füßen“, erwiderte Aaron. „Du findest einen anderen Klienten.“
„Klar. Aber ich will diesen. Ich muss es einfach irgendwie schaffen, familienfreundlicher zu wirken.“
„Du? Keine Beleidigung, Kumpel, aber du bist nicht gerade der familienfreundliche Typ.“
Das wusste er. Sechs Monate vor seinem dreißigsten Geburtstag die Scheidungspapiere zu bekommen, hatte bei ihm einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, was das Thema Familie anging. Und Beziehungen. Weshalb er sich bei diesen auch immer an ein festes Ablaufdatum hielt. Damit kam er gut klar, und es verhinderte, dass die Dinge kompliziert wurden. Doch seit seinem Abstecher ins Fernsehen nahmen mehr Menschen Notiz von seinen Dating-Gewohnheiten. Und darunter eben auch potenzielle Klienten.
„Um welche Firma geht es?“, fragte Aaron.
„McPartlin & Co.“
Das Unternehmen hatte mit einem einzigen Restaurant begonnen, besaß mittlerweile sieben gehobene Speiselokale. Außerdem hatte der Inhaber einen lukrativen Deal mit der Supermarktkette Coles abgeschlossen. Es gab sogar Pläne, schon innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Singapur, Hongkong und Dubai zu expandieren.
Der Unternehmenschef war allerdings bekanntermaßen stockkonservativ und traditionsverbunden.
„Jerry McPartlins Unternehmen.“ Aarons Gesicht war abzulesen, dass ihm nun einiges klar wurde. „Der Klient deines Ex-Bosses?“
„Genau der.“
„Okay, Kumpel. Du solltest mal tief durchatmen und gründlich nachdenken. Ich weiß, du bist stinksauer auf Ben, aber …“
„Er hat meine Frau gevögelt, Aaron.“
Darum ging es hier. Rache. Der Deal mit McPartlin & Co. hatte Bens kleine Beratungsfirma in die Oberliga katapultiert. Dieses Unternehmen war Bens Aushängeschild.
Und Damian würde alles in seiner Macht Stehende tun, um ihm diesen Kunden wegzunehmen, genauso, wie Ben Damian etwas Kostbares genommen hatte.
Bei der Erinnerung daran flackerte es ihm rot vor den Augen. „Und dann hat er noch die Dreistigkeit besessen, mir zu sagen, ich würde es nie zu etwas bringen. Dass ich nie auch nur annähernd die Liga erreichen würde, in der er spielt.“
„Er ist ein Arschloch, das ist eine wohlbekannte Tatsache. Aber du musst loslassen. Das ist jetzt vier Jahre her. Es ist nicht gesund, so lange an so etwas festzuhalten.“
„Bist du fertig?“
„Lass ihn doch reden, Kumpel. Ich sage das nur, weil du wie ein Bruder für mich bist. Kipp ein paar Drinks, such dir eine Frau und vergiss Ben. Und vergiss auch Jenny, wenn du schon mal dabei bist. Die beiden sind es nicht wert.“
Aaron war der Einzige außerhalb seiner Familie, der wusste, was es mit seiner Scheidung und seinem abrupten Weggang aus Bens Firma auf sich hatte. Vertrauen gehörte nicht zu Damians Stärken, aber in Aarons Hände würde er sein Leben legen, wenn es die Situation verlangte.
Allerdings hatte der Mann seine Jugendliebe geheiratet und führte ein Leben voller Sonnenschein. Er verstand Damians Bedürfnis nach Vergeltung nicht.
„Ein paar Drinks zu kippen und mir eine Frau zu suchen ist genau das Verhalten, weswegen McPartlin & Co. mich für ungeeignet für ihr Unternehmen halten. Ich muss mein Image ändern.“
„Und wie willst du das anstellen?“
„Vielleicht sollte ich mich verloben. Das würde mich auf jeden Fall familientauglich machen.“
Aaron sah ihn an, als sei er verrückt geworden. „Und mit wem willst du dich verloben?“
„Mit einer Frau, die mir nichts bedeutet.“ Anders ausgedrückt, mit einer Frau, die ihn nicht würde bescheißen können.
„Ich hab immer gedacht, wenn ich mich mal nackt in einer Scheune wiederfinde, wäre wenigstens ein sexy Cowboy mit von der Partie.“ Lainey wand sich auf der Stelle, um sich das Kleid über die Hüften zu ziehen. Es saß einen Hauch zu eng, aber es war geliehen, also musste sie sich damit begnügen.
Imogen grinste. „Jetzt hör auf zu jammern und mach mir den Reißverschluss zu.“
Beide Kleider gehörten einer Freundin von Imogen, die eine Boutique in Malvern besaß. Die Größenauswahl für Leihgaben war begrenzt gewesen, und da Lainey es sich nicht leisten konnte, ein paar Tausend Dollar für ein schickes Abendkleid hinzublättern, musste sie eben den Bauch einziehen und aufs Essen verzichten, weil sich die Korsettstäbe im Mieder nicht dehnen ließen. Sie waren gerade dabei, sich in einem Stall umzuziehen.
Lainey packte den Reißverschluss in Imogens Rücken und zog. Das Kleid saß eng, aber es würde gehen.
„Wie sehe ich aus?“, fragte sie.
Imogens Kleid bestand komplett aus schwarzer Spitze und verführerischem Satin. Ihre juwelenbedeckte Maske verbarg den Großteil ihres Gesichts, und der pflaumenfarbene Lippenstift machte ihre Verwandlung perfekt.
„Unglaublich.“
„Und du …“ Imogen kreischte. „Mit der Frisur siehst du aus wie ein völlig anderer Mensch.“
Lainey hatte Jahre damit verbracht, ihrem von Natur aus dunkelblonden Haar ein perfektes Platinblond zu verleihen. Doch Anfang dieser Woche war sie zu einem feurigen Rotschopf geworden.
„Du wirst jeden Mann in diesem Ballsaal in Bedrängnis bringen.“
„Eine falsche Bewegung und meine Möpse hüpfen raus. Gut möglich, dass Damian mich völlig ignoriert und ich lediglich die High Society von Melbourne schockiere.“
„Zumindest bist du aus einem positiven Grund hier“, sagte Imogen.
„Es wird schon alles funktionieren. Du hast deinen Plan gut durchdacht. Du sorgst dich um deine Schwester“, sagte Lainey. „Aber du tust nichts Falsches.“
Imogen nickte. „Genau. Ich suche einfach nur Beweise, dass er sie hintergeht.“
Imogen packte die beiden Uniformen zusammen, die sie getragen hatten, um sich zusammen mit der Inhaberin der Catering-Firma aufs Gelände zu schleichen. „Die können wir hierlassen, und Marie holt sie später ab.“
„Was hat sie eigentlich von der Sache?“
„Ich setze sie bei der Arbeit auf die Liste der Vorzugslieferanten“, sagte Imogen. „Wir brauchen ständig Caterer, und somit würde ihr das jede Menge Aufträge einbringen. Weil ich weiß, dass sie einfach großartig ist, habe ich auch kein allzu schlechtes Gewissen deswegen. Du weißt ja, dass es nicht meine Art ist, Vorschriften zu umgehen, aber immerhin geht sie ein ziemliches Risiko für mich ein … Egal, legen wir los.“
„Wir schaffen das.“ Lainey drückte Imogen die Hände und blieb zurück, während ihre Freundin am Gebäude entlang zum Seiteneingang schlich.
Eine Sekunde später gab Imogen Lainey das Daumen-hoch-Zeichen. Dann war sie weg. Der Plan sah vor, dass Lainey bis dreißig zählen und dann denselben Weg nehmen sollte.
„Eins Katze Hund, zwei Katze Hund“, murmelte Lainey. „Drei Katze Hund, vier Katze Hund …“
Bei etwa zwanzig Katze Hund hielt sie es nicht mehr aus. Sie fasste mit den Fingerspitzen an ihre schwarze Spitzenmaske. In Kombination mit dem skandalösen Kleid verlieh ihr dies ein Gefühl enormer Macht. Sie fühlte sich so sexy, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Mit klackernden Absätzen lief Lainey über den Steinweg, und als sie um die Ecke bog, lag ein offener Hof vor ihr. Er war von weißen Rosen umringt. Zwei große Glastüren, die zum Ballsaal führten, standen offen, und es war Musik zu hören. Lainey flatterte der Magen.
Lainey ging auf die offenen Türen zu. Der Carmina-Ball war in vollem Gang.
Lainey holte so tief Luft und betrat den Ballsaal. Es war wie in einem Film – geheimnisvolle, maskierte Männer in Smokings, Frauen in atemberaubenden Abendkleidern, die funkelnden Kronleuchter, als wären all ihre Liebesfilm-Märchenträume wahr geworden.
Und heute Nacht würde sie ihre lang gehegte Fantasie Wirklichkeit werden lassen.
Damian machte es nichts aus, einen Smoking zu tragen. Aber wie eine Mischung aus dem Phantom der Oper und einem verschmähten Freier aus Eyes Wide Shut auszusehen, trieb ihn an seine Grenzen.
Vor ihm erstreckte sich der Ballsaal mit all seinem goldenen Prunk. Das Gebäude war Ende des neunzehnten Jahrhunderts erbaut worden, doch den Ballsaal hatte man in den Dreißigern umgestaltet. Ein passender Ort für eine solche Veranstaltung – voller Geschichte und altem Geld. Die Frauen trugen spektakuläre Ballkleider, die Männer Smokings. Jeder trug eine Maske.
Damian zupfte an seiner schwarzen Ledermaske. Sie sollte an eine Krähe erinnern und war mit Satinfedern versehen. Offenbar ließ sie ihn geheimnisvoll aussehen. Das hatte er nun davon, dass er Aarons Frau eine Maske für ihn hatte besorgen lassen. Aber er hatte sie gebeten, unbedingt eine auszusuchen, die sein Gesicht nur halb verdeckte. Er fand es unsinnig, zum Ball zu kommen und dann nicht erkennen zu lassen, dass er hier war. Vor allem, da eine Einladung zum Carmina-Ball angeblich das Leben verändern konnte – eine Einführung in den Kreis der Menschen, die „von Bedeutung“ waren. Eine Chance, sich mit den Mächtigen von Melbourne gut zu stellen.
Aber an die Einladung waren Bedingungen geknüpft … in Form von fünftausend Dollar Eintrittsgebühr und einer erwarteten Teilnahme an den gemeinnützigen Veranstaltungen des Abends.
„Du siehst großartig aus“, sagte Aarons Frau Jessie und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Ich wusste, dass du eine Bereicherung für diesen Kreis sein würdest.“
„Wieso, weil du etwas zum Anhimmeln haben wolltest?“
„Nimm dich in Acht“, sagte Aaron. „Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich eifersüchtig werde, aber Jessie versteht es, sich zu rächen, wie es nur eine Frau kann. Die Hölle selbst kann nicht so wütend sein wie eine abgewiesene Highschool-Schülerin.“
Aaron und Jessie waren im Gegensatz zu Damian als Angehörige der Elite aufgewachsen, hatten teure Privatschulen besucht und mit etlichen Nullen gepolsterte finanzielle Sicherheitsnetze gehabt. Doch ungeachtet ihrer Privilegien waren beide unglaublich hart arbeitende Menschen. Damian hatte Aaron kennengelernt, als sie nach dem Studium mit Anfang zwanzig in einer der vier größten Beratungsfirmen angefangen hatten. Sie hatten sich gemeinsam eingearbeitet und waren die Karriereleiter gemeinsam aufgestiegen, bis Damian zu Bens Firma wechselte. Ihre enge Freundschaft hatten sie seither aufrechterhalten.
Und wegen Aaron und Jessie war er heute Abend hier, also sollte er wirklich versuchen, sich zu amüsieren.
„Du streitest es nicht ab, hm?“, sagte Damian und stupste sie mit dem Ellbogen an.
Jessie lachte. „Man hätte dich nicht ins Fernsehen geholt, wenn du nicht entsprechend aussehen würdest.“
„Bestärke ihn nicht auch noch“, murmelte Aaron. „Ich musste sowieso schon ein Zusatzticket auftreiben, damit sein Ego heute Abend auch kommen konnte.“
Damian schmunzelte und ließ den Blick über den Raum schweifen. „Also, her mit den Fakten. Wer ist hier wer?“
„Das da ist Arthur Wentworth mit seinen Söhnen, Parker und Ian“, sagte Jessie. „Ihnen gehört die Wentworth Group. Kaufhäuser, Luxuswagen, Haute Couture – alles Mögliche.“
„Sie gehören zu meinen Klienten“, fügte Aaron hinzu. „Denk nicht mal dran, sie abzuwerben.“
„Ich stecke meine Finger nicht in deine Keksdose, versprochen“, sagte er gedehnt.
„Wer ist sonst noch von Interesse?“ Jessie schnalzte mit der Zunge. „Die Familie Allbrook ist hier – ihnen gehört eine riesige Architekturfirma, die jede Menge Highend-Wohntürme in der Stadt baut. Dann wären da noch Richter, Politiker, Generaldirektoren, Anwälte, sogar ein paar Promis.“
Aaron schmunzelte. „Der feinen Gesellschaft anzugehören ist praktisch eine Voraussetzung, um hier reinzukommen.“
Jessie verdrehte die Augen und fuhr fort damit, ihm die Menschen im Saal aufzuzeigen. „Oh, und meine Freundin Amelia hat erzählt, dass der Restaurantbetreiber Jerry McPartlin hier sein würde. Ich habe letzte Woche in seinem neuen Lokal, dem Gilt, gegessen. Es war absolut himmlisch.“
Damian horchte auf. Auf einmal war der Abend ein gutes Stück interessanter geworden. Jetzt hätte er die perfekte Gelegenheit, in geselliger Runde mit dem verklemmten Familienmann zu reden und herauszufinden, was er anstellen musste, um ihn als Kunden zu gewinnen.
Musste er sich eine Freundin zulegen? Eine Verlobte? Was auch immer erforderlich war, Damian würde es tun. Sich McPartlin & Co. zu schnappen, war ein sinnvoller Schachzug, denn ein weiterer Kunde mit großem Namen bedeutete zusätzliche Sicherheit. Tatsache war, dass jeder große Klient ihm helfen würde. Aber er wollte diesen hier.
McPartlin & Co. unter Vertrag zu nehmen, würde ihm die Genugtuung verschaffen, die er brauchte, um die Tür zu seiner Vergangenheit schließen zu können. Oder vielmehr, zu all denen, die ihm das Herz gebrochen hatten.
Eine Weile später stand Damian am Rand des Saals und beobachtete die Menge. Das alles hier war ihm fremd. Es war nicht seine Welt … noch nicht.
Sicher, in den Augen der meisten Menschen war er reich. Er wohnte in einem Luxushotel, das pro Woche mehr kostete, als er für sein erstes Auto ausgegeben hatte. Aber das wären Peanuts für diese Menschen.
Und er wusste, dass ein Abend wie dieser ihn entweder zum Erfolg oder zum Scheitern führen konnte. Knüpfte er die richtigen Verbindungen, würde sich sein Unternehmen in neue Höhen aufschwingen. Verärgerte er die falsche Person … tja, dann könnte er im Nu wieder ganz unten landen und Routinearbeiten für irgendein Arschloch machen.
Damian ballte die Fäuste und ließ die Vorstellung, wie er seinem Ex-Boss ins Gesicht boxte, durch sich hindurchfluten wie eine Welle. Der Betrug war auch heute noch genauso frisch wie vor vier Jahren, als er eines Abends spät noch kurz ins Büro zurückgekehrt war, um seinen Laptop zu holen, und seine Frau mit allen vieren von sich gestreckt auf Bens Schreibtisch vorgefunden hatte.
Der Carmina-Ball war der Schlüssel zu allem. Zur Rache. Um mit der Angelegenheit abschließen zu können.
Er musste nur irgendwie an Jerry McPartlin herankommen.
Der Mann stand ein paar Meter entfernt, umringt von einer Gruppe Frauen in so voluminösen Kleidern, dass sie eine richtige Barriere um ihn bildeten. Und er schien die Aufmerksamkeit auch zu genießen. Aber Damian konnte warten. Geduld und Entschlossenheit waren zwei seiner größten Stärken, und er würde schon noch den perfekten Augenblick finden, um seinen Zug zu machen. Bevor der Abend um wäre.
„Ich hatte nicht erwartet, dass jene Gäste, die die beste Gesellschaft wären, hier Mauerblümchen spielen würden“, sagte eine samtige Stimme.
Eine Frau näherte sich ihm, über dem Gesicht eine schillernde Maske aus weißer Spitze, übersät mit Edelsteinen, die ihm entgegenfunkelten. Schwarzes Haar floss ihr über eine Schulter und bildete einen krassen Kontrast zu ihrem bodenlangen weißen Ballkleid.
„Das kommt darauf an. Nach welcher Art Gesellschaft suchen Sie denn?“ Er streckte die Hand aus. „Ich bin Damian.“
„Hannah“, erwiderte die Frau. „Ihr Gesicht kommt mir bekannt vor.“
Damian wollte gerade antworten, als etwas Rotes ihm die Sprache verschlug. Nässe durchdrang sein Smokinghemd, und der Klang zerspringenden Glases durchdrang den dezenten Lärm des Ballsaals.
„Oh mein Gott.“ Eine Frau mit feuerroten Haaren streckte die Hand aus und berührte mit den Fingerspitzen seine Brust. „Das tut mir so leid.“
Damian sah an sich hinab. Auf seiner Brust prangte ein leuchtend roter Weinfleck, der das schicke weiße Baumwollhemd durchtränkte. Das zerbrochene Glas glitzerte in einer Lache auf dem Boden.
„Sie haben mich voll erwischt.“ Er strich sich mit den Händen über die Brust in einem vergeblichen Versuch, sich zu säubern.
„Verzeihung.“ Die Rothaarige winkte einem Kellner, aber es war bereits eine kleine Armee im Anmarsch, um das Chaos zu beseitigen.
Sie hielt ihr silbernes Kleid in einer Hand zusammengerafft, was den Blick auf eine zartgliedrige Fessel in einem hochhackigen Riemchenschuh freigab. Sie versuchte, einen Schritt zu machen, konnte ihren Fuß jedoch nicht voll belasten.
„Sie könnten eine Scherbe im Schuh haben“, sagte Damian und streckte den Arm nach ihr aus.
„Es tut mir so leid. Der Saum meines Kleids hat sich verfangen …“
Ihre Stimme kam ihm bekannt vor, aber er konnte sie nicht einordnen. Sie sah so glamourös aus, dass sie durchaus zur Unterhaltungsindustrie gehören konnte. Aber ohne ihr Gesicht zu sehen, war das unmöglich zu sagen, und es konnte in seinem Bekanntenkreis nicht allzu viele Menschen geben, die sich eine Karte für den Carmina-Ball leisten konnten.
Außerdem war er sich sicher, dass er sich an eine Frau mit rubinroten Haaren erinnert hätte.
Er legte sich ihren Arm um den Nacken und stützte sie. Aber nach ein paar hoppelnden Schritten merkte er, dass sie Angst hatte, Gewicht auf ihren Fuß zu verlagern. Er hob sie ganz auf die Arme und trug sie vor aller Augen durch den Ballsaal.
Glasscherben und Blutvergießen hatten eigentlich nicht zum Plan gehört. Ganz zu schweigen davon, dass ihr geliehenes Ballkleid um ein Haar selbst Rotwein abbekommen hätte. Aber das blöde Kleid war ja überhaupt erst schuld gewesen.
Der Stoff hatte sich an ihrem Absatz verfangen, sie war gestolpert und der Wein hatte sich geradewegs über Damian ergossen, als ihr das Glas aus der Hand flog.
Aber schwerelos in Damians Armen zu liegen, war mehr, als sie sich hätte erhoffen können. Hoffentlich hatte sie sich keine Scherben eingetreten.
„Alles okay?“, fragte er, als sie den Ballsaal verließen und auf die Damentoilette zusteuerten.
Die Maske bedeckte sein Gesicht nur halb. Deshalb hatte sie ihn so schnell entdeckt.
„Ich stehe nicht aufgrund von Blutverlust vor einer Ohnmacht, wenn Sie das meinen“, erwiderte sie mit der Stimme, die sie die ganze Woche lang geübt hatte. Sie sprach langsamer und rauchiger als normal, um auch das Letzte zu tarnen, das sie verraten könnte.
„Das hoffe ich auch nicht.“ Er klang amüsiert. „Ich bezweifle, dass ich den Smoking zurückgeben kann, wenn er blutverschmiert ist.“
Fünftausend Dollar Eintrittsgebühr und Damian hatte sich einen Smoking geliehen? Aus irgendeinem Grund musste sie deswegen wie eine Idiotin grinsen. Ganz gleich, wie viel Geld er auch verdiente, unter seiner Fassade würden sich immer kleine Hinweise darauf verbergen, wo er herkam. Ihr ging das Herz auf.
„Zumindest hätten Sie dann was zu erzählen.“
„Ich habe jede Menge zu erzählen. Das ist nicht mein Problem.“
„Und was ist Ihr Problem?“ Ihr Herz schlug schneller, als er ihr in die Augen sah. „Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen.“
„Sie würden genau das Gegenteil bewirken, fürchte ich.“
„Lassen Sie’s drauf ankommen. Man kann nie wissen, ob nicht jemand Fremdes genau das sein könnte, was man braucht.“
Sie waren an den Damentoiletten angelangt. Im Patterson House gab es keine Reihentoiletten für die Gäste. Jede Damentoilette war ein separater, großzügiger Raum mit eigenem Waschbecken. So war ihnen etwas Privatsphäre sicher.
Damian hielt sie noch immer in den Armen, stieß die Tür mit dem Fuß auf und ließ diese hinter sich zufallen. Er setzte sie auf die marmorne Waschtischplatte, und Lainey sah sich um. Der Raum war anders als alle Toiletten, die sie je gesehen hatte – goldene, verschnörkelte Wasserhähne, frische Blumen in einer Vase, die höchstwahrscheinlich aus Kristall war.
„Sehen wir uns den Schaden mal an.“ Er hockte sich vor sie hin und schob ihr das Kleid hoch. Mit flinken Fingern löste er das Riemchen ihrer Sandale, dann hielt er ihren Knöchel mit einer Hand und zog ihr den Schuh aus.
Seine Bewegungen waren so sanft und behutsam, dass Lainey das Herz bis zum Hals schlug.
„Ich glaube, Sie können den Fuß behalten“, sagte er in ernstem Ton.
Zu ihrer großen Freude besaß Damian offenbar doch noch Sinn für Humor.
Lainey sah nach unten und wackelte mit den Zehen. „Das Wort glauben will ich im Zusammenhang mit Amputation nicht unbedingt hören.“
Er hob ihren Fuß höher, um sich die Sohle anzusehen. „Ich streiche Ihnen jetzt mit dem Daumen über den Fußballen. Wenn das wehtut, steckt möglicherweise ein Glassplitter unter der Haut.“
Lainey war sich nicht sicher, ob sie überhaupt Schmerzen würde wahrnehmen können, während Damian sie untersuchte.
„Spüren Sie etwas?“ Er sah zu ihr hoch.
Einen großen Mann wie ihn auf den Knien zu sehen, wie er durch diese sündhaft attraktive Maske zu ihr aufsah …
„Ich müsste schon aus Stein sein, um nichts zu spüren“, sagte sie mit leiser und sanfter Stimme. „Aber ich fühle keine Schmerzen.“
Er hielt ihren Fuß noch einen Augenblick länger und sie verharrten – gefangen in diesem intimen Augenblick.
„Dann wird alles wieder gut, Doc?“
„Aber sicher, bestens sogar. Ich bin froh, dass wir nachgesehen haben – einen Glassplitter im Fuß können Sie nun wirklich nicht brauchen.“
„Genau. Aschenputtel hatte Glas an den Füßen, und Sie wissen ja, wohin das geführt hat.“
„Sie hat den Prinzen bekommen, oder nicht?“
„Einen Prinzen, der sich darauf verlassen musste, dass ein Schuh passt. Was sie bekommen hat, war ein Typ mit schlechtem Gedächtnis und einem Fußfetisch.“
Damian schmunzelte. „Sie mögen also keine Märchen?“
„Oh, doch. Aber welche Frau will schon einen Mann, der sich nicht an ihr Gesicht erinnert? Ich mag lieber Romanzen, die ein bisschen mehr in der Realität verwurzelt sind.“ Lainey schluckte, als Damian an dem Fleck auf seinem Hemd herumtupfte.
„Meinen Sie die Art von Filmen, in denen die Frau den Mann mit Rotwein übergießt und ihn auf einer Toilette verführt?“ Er fing ihren Blick im Spiegel auf.
„Ich habe Sie noch nicht verführt.“
„Noch nicht.“ Sein amüsiertes Lächeln veränderte sich, wurde anzüglich und entblößte seine perfekten weißen Zähne. „Also besteht noch Hoffnung.“
„Sie kennen noch nicht einmal meinen Namen.“
Nein, er kannte ihren Namen nicht. Und eigentlich sollte er sich darauf konzentrieren, mit seinen Klienten anzubandeln, nicht mit geheimnisvollen Rothaarigen. Aber mit ihr allein zu sein, die Energie zu spüren, die sie ausstrahlte – er fühlte sich mit ihr so wohl … Nicht so wie dort draußen, wo er sich wie eine Anomalie vorkam.
Da sie hier ist, ist sie eine von denen. Eine reiche Prinzessin, die mehr Ärger machen wird, als sie wert ist.
Genau wie seine Ex.
„Vielleicht kann ich Ihren Namen ja erraten“, sagte er, gab den Versuch auf, den Fleck zu beseitigen, und warf das Handtuch in den Korb unter dem Waschbecken. „Kommt nicht in irgendeinem Märchen auch so etwas vor?“
„Rumpelstilzchen. Das ist aber kein sehr romantisches Märchen.“ Obwohl sie einander nicht kannten, wirkte sie völlig entspannt. „Aber Sie können es ja versuchen. Sie dürfen dreimal raten, und wenn Sie verlieren …“ Sie tippte sich mit einem Finger ans Kinn. „Dann müssen Sie oben auf dem Balkon etwas mit mir trinken.“
Er stützte sich mit den Händen auf die Waschtischplatte und beugte sich zu ihr vor. Sie roch nach Vanille und Pfirsich.
„Bei all den vielen Namen auf der Welt? Ich wäre schön blöd, so eine Wette anzunehmen.“ Er grinste. „Geben Sie mir einen Tipp?“
„Sie sehen nicht wie ein Mann aus, der Tipps braucht.“
„Einige würden Ihnen da widersprechen“, erwiderte er trocken. Damian fand selbst, dass er in diesem Augenblick einen Tipp ganz gut gebrauchen könnte – einen, der ihm anraten würde, diese Frau in Ruhe zu lassen, in den Ballsaal zurückzugehen und sich an Jerry McPartlin heranzumachen.
Sie drehte sich und schaute einen Moment lang in den Spiegel. „Mein Name hat nichts mit meiner Haarfarbe zu tun.“
„Also nicht Ruby oder Scarlett oder Rose?“
„Nein.“ Sie schob sich eine Strähne ihres feuerroten Haars hinters Ohr.
„Das grenzt die Möglichkeiten nicht wirklich ein. Bekomme ich einen Buchstaben?“
„Wir sind hier nicht beim Glücksrad.“
Seine Lippen zuckten. „Wie wär’s mit dem Geburtsjahr?“
„Ts, ts.“ Sie wackelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase. „Diese Frage sollten Sie einer Dame niemals stellen.“
Er überlegte kurz und ging einige Namen durch, die zu jemandem ihrer Altersgruppe passen würden. Ihrer glatten, makellosen Haut und der Art nach zu urteilen, wie sie entspannt und mit baumelnden Füßen da saß … würde er sie auf Mitte zwanzig schätzen.
„Verhandeln ist nicht ihr Ding, oder?“
„Nein. Ich bin Romantikerin und Träumerin.“
„Ah, dann sind Sie also arbeitslos?“
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte.
„Kennen wir uns?“, fragte er und betrachtete sie genauer.
„Nein.“ Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, und mit dieser Reaktion zog sie eine Grenze zwischen ihnen, die ihn wahnsinnig neugierig machte.
„Nehmen Sie wenigstens die Maske ab, bevor ich rate?“ Er legte den Kopf schief. „Helfen Sie mir ein bisschen, faire Voraussetzungen zu schaffen?“
„Heute Abend dreht sich doch alles um das Geheimnisvolle, finden Sie nicht? Fremde ohne Gesichter.“
„Okay, dann also drei Versuche.“
Die geheimnisvolle Rothaarige wusste, dass ihr der Sieg sicher war, das kleine Luder. Sie hielt drei Finger hoch. „Schießen Sie los.“
„Heißen Sie … Samantha?“
Sie knickte einen Finger ein. „Erster Fehlschlag.“
„Und was ist mit … Natalie?“
Sie schüttelte den Kopf. „Zweiter Fehlschlag.“
„Beim letzten habe ich Glück.“ Er stieß den Atem aus und genoss es, wie ihr eine leichte Röte ins Dekolleté stieg. „Amanda?“
Sie machte ein Buzzer-Geräusch und ließ die Hand sinken. „Jetzt schulden Sie mir einen Drink.“
Er wollte etwas anderes. Zweifellos würde sie besser schmecken als das edle Zeug, das im Ballsaal serviert wurde. Ein Drink erschien ihm viel zu bieder für ihre üppigen, vollen Lippen und ihre samtweiche Haut. Für dieses auffällige, feuerrote Haar und das Kleid mit dem tiefen V-Ausschnitt. Für den Schlitz, der ein hübsches Bein erkennen ließ und Sex und Sündhaftigkeit verhieß.
Er stand vor ihr, stützte die Hände rechts und links neben ihren Schenkeln auf die Waschtischplatte und kesselte sie so ein. Er beobachtete, wie sich ihre Pupillen weiteten – nicht aus Angst, sondern vor Verlangen. Ihre Brust hob und senkte sich, als sich ihr Atem beschleunigte, und ihre Lippen öffneten sich einen Spalt weit.
In seinem Innern rangen Lust und Logik miteinander – drängten ihn, zu bleiben und sie zu küssen. Zu gehen und sich auf Jerry McPartlin zu konzentrieren.
Schläge hämmerten an die Toilettentür, hektisch und schnell. „Entschuldigung? Ist jemand da drin?“
Damian trat zurück und half der Rothaarigen vom Waschtisch hinunter. „Das scheint unser Stichwort für den Abgang zu sein. Können Sie wieder auftreten?“
Sie nickte. „Ja.“
Er öffnete die Tür und ließ die Rothaarige zuerst hinausgehen. Ein Mann in einer kunstvollen Goldmaske wippte auf der Stelle auf und ab und hielt sich den Bauch. Mit einem verärgerten Schnauben drängte er sich an Damian und der Rothaarigen vorbei. „Die Toiletten sind nicht zum Rummachen gedacht. Manche Leute müssen sie benutzen.“
Kichernd nahm die Rothaarige Damians Hand und zog ihn den Flur hinunter, vom Ballsaal weg, zu einer großen, geschwungenen Treppe. „Kommen Sie, hier lang.“
„Ich glaube nicht, dass da oben irgendetwas ist, Arielle.“
„Das ist also jetzt mein Name? Arielle?“
„Passt doch. Langes rotes Haar und taucht auf geheimnisvolle Weise aus dem Nichts auf.“ Sein Blick fiel nach unten. „Tolle Beine.“
Sie lachte und zog ihn weiter. Im hinteren Teil des Flurs war niemand, doch es waren scheppernde Geräusche zu hören, die lauter wurden. Kurz bevor sie die Treppe erreichten, kam ein Kellner in einer akkurat gebügelten Uniform aus einer Schwingtür. Die Rothaarige marschierte geradewegs in die Küche, als hätte sie jedes Recht dazu, und schnappte sich zwei Champagnerflöten von einem Silbertablett, das dort bereitstand, um hinausgetragen zu werden.
„Was tun Sie da?“, fragte Damian, als sie lässig zurück in den Flur kam, als wäre es völlig normal für Gäste in Ballkleidern, Getränke zu stehlen.
„Oben gibt es keine Kellner.“ Sie reichte ihm ein Glas. „Kommen Sie, Sie haben mir einen Drink auf dem Balkon versprochen.“
Damian sah zum Eingang des Ballsaals, wo eine Gruppe Männer in Smokings beisammenstand. Ihr dröhnendes Gelächter schallte durch den Flur und es waren langweilige Stimmen zu hören, die langweilige Dinge diskutierten.
Letzte Chance. Geh wieder dort rein und arbeite an deinem Plan. Oder benimm dich wie der Mann, für den McPartlin dich hält.