The Dangerous Bachelors Club - Mit Sicherheit sexy (4in1) - Stefanie London - E-Book

The Dangerous Bachelors Club - Mit Sicherheit sexy (4in1) E-Book

Stefanie London

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Beschreibung

Vier erotische Geschichten über die Männer der New Yorker Sicherheitsfirma "Cobalt and Dane", die sich nicht nur dem Schutz ihrer Kunden vor jeder Bedrohung verschrieben haben, sondern gleichzeitig auch noch gefährlich sexy sind.

DEM BODYGUARD GEFÄHRLICH NAH
Einen Bodyguard für sie - albern, was ihr Vater verlangt! Rose lässt den breitschultrigen Max Ridgeway abblitzen. Doch dann wird bei ihr eingebrochen, und plötzlich fühlt es sich so gut an, dass Max sie beschützt. Bei Tag. Und auch in der Nacht, wenn es richtig gefährlich wird …

SEXY PARTY FÜR ZWEI
Groß, dunkelhaarig, gefährlich sexy: Der Fremde von der Party ist genau der Richtige für die schöne Quinn, um bei einem One-Night-Stand ihre Sorgen zu vergessen! Bis sie am Morgen danach entdeckt, dass sie ausgerechnet mit ihrem größten Rivalen ins Bett gestiegen ist …

SINNLICHES GEHEIMNIS
Ein sexy Hippie-Look, eine hinreißende Ausstrahlung! Security-Experte Rhys ist von den prickelnden Küssen seiner neuen Nachbarin überwältigt. Doch schon bald wird für ihn ein Albtraum wahr: Denn Wren ist nicht nur an ihm interessiert, sondern auch an geheimen Infos aus seinem Job …

HEIßES SPIEL MIT DER GEFAHR
Für wen hält er sich eigentlich? Addison ist empört, weil Logan ihre gemeinsame Securityfirma alleine kontrollieren will - und sie gleich mit! Doch als Addison gestalkt wird, gibt es für sie nur einen sicheren Ort auf der Welt: die starken Arme ihres unwiderstehlichen Partners …

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Seitenzahl: 722

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MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2018 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

A Dangerously Sexy Christmas Copyright © 2015 by Stefanie Little

A Dangerously Sexy Affair Copyright © 2016 by Stefanie Little

A Dangerously Sexy Secret Copyright © 2016 by Stefanie Little

Mr. Dangerously Sexy Copyright © 2017 by Stefanie Little

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with Harlequin Enterprises II B.V., SARL

Covergestaltung: HarperCollins Germany GmbH, Hamburg / Birgit Tonn Coverabbildung: GettyImages E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783955769697

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Dem Bodyguard gefährlich nah

1. KAPITEL

Sein Job als Personenschützer unterschied sich eigentlich kaum von dem eines Babysitters. Max Ridgeway musste nur herausfinden, ob es sich bei der zu beschützenden Person um einen Sonnenschein oder um einen Teufelsbraten handelte.

„Ist Ihnen Ihre persönliche Sicherheit tatsächlich so egal, Miss Lawson?“, fragte er.

Sie blickte zu ihm auf, und ihre Augen blitzten finster. Doch wenn er sie beschützen sollte, musste er wissen, ob sie sich willentlich jeglichen Gefahren in die Arme werfen würde. Oder doch eher davonrennen. Oder ob sie mitten in der Nacht eine dunkle Gasse entlanglaufen würde.

„Sie sagen, dass ich Sie nicht beschützen soll. Oder habe ich Sie falsch verstanden?“ Er beugte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf.

Sie saß ihm gegenüber und streckte ebenfalls den Rücken durch, während sie ihm ihr strahlendstes Lächeln präsentierte. Rose Lawsons Augen waren mandelförmig und von einem höchst ungewöhnlichen Gelbgrün. Ihre Wimpern waren lang, ihr Gesicht herzförmig und ihr voller Schmollmund zum Küssen gemacht. Sie war verdammt sexy und wahrscheinlich hätte sie jeden anderen Mann im Handumdrehen dahinschmelzen lassen. Er jedoch ließ sich von ihrem Äußeren nicht ablenken – sosehr er ihren Anblick auch genoss.

„Bitte entschuldigen Sie dieses kleine Missverständnis“, sagte sie, und ihre Stimme war so geschmeidig und warm, dass ihm plötzlich ganz heiß wurde. Sie hatte einen auffälligen Akzent, der verriet, dass sie eine ganze Weile nicht in New York gelebt hatte. Stattdessen in London, wie seine Recherchen ergeben hatten. „Mein Vater hat Sie engagiert, aber er kann ein wenig … überfürsorglich sein. Ich brauche Sie nicht.“

Wie sie sich so vehement gegen seinen Schutz wehrte, ließ vermuten, dass sie ihm als Klientin wahrscheinlich ganz schön auf die Nerven gehen würde. Allerdings war sie selbst ja gar nicht seine Klientin – ihr Vater hatte ihn engagiert. Sie stand auf und fuhr sich mit der Hand durch ihr kinnlanges braunes Haar, das ihr Gesicht in perfekten Locken rahmte. Sie musterte ihn und schien seine Züge einen Moment lang ganz genau zu studieren, bevor sie den Blick zu ihrem Handy wandte.

„Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe“, sagte sie in einem Ton, der alles andere als reumütig klang.

Das Ticken der Wanduhr in seinem Büro war laut und deutlich zu hören. Jede Sekunde, die verging, würde er nie wiederbekommen.

Rose ging zum Ausgang, ihre Absätze klackerten auf dem Boden. Sie trug eine hautenge schwarze Jeans, die die Form ihrer schönen Beine betonte, und ein weites schwarzes Seidentop, auf dem ihre lange, kunstvoll verzierte rot-goldene Kette besonders gut zur Geltung kam. In ihrer Akte stand, dass sie Schmuckdesignerin war. Vielleicht hatte sie die Kette selbst gemacht.

Er ließ sie bis zur Tür kommen, bevor er sie aufhielt. „Ich habe nicht gesagt, dass Sie schon gehen können.“

Sie hielt inne und wandte sich ihm wieder zu. Ihr charmantes Lächeln war verschwunden und ihr Blick kühl. „Mir war nicht bewusst, dass ich dazu Ihre Erlaubnis brauche.“

Sie zog sich ihren schweren schwarzen Mantel an und dabei klimperten die glitzernden Goldarmreifen an ihren Handgelenken wie Begleitmusik zu ihren Bewegungen.

„Ich bin ab jetzt für Sie verantwortlich.“ Max stand auf, ging zu ihr und lehnte sich entspannt mit dem Rücken an die Wand. „Ihr Vater hat mich engagiert, damit ich ein Auge auf Sie habe, bis wir wissen, wer in Ihren Laden eingebrochen ist.“

Als er ihren Vater erwähnte, wurde Rose noch distanzierter. „Das waren wahrscheinlich nur ein paar Kids. Ich arbeite bei einem Juwelier – da kommt so ein Gelegenheitseinbruch schon mal vor. Es ist ja nicht einmal mein Laden. Und wenn die Eigentümerin keine höheren Sicherheitsvorkehrungen braucht, warum sollte ich dann welche brauchen?“

„Ihr Vater sieht das offensichtlich anders“, erwiderte Max gespannt auf ihre Reaktion.

„Er hat keine Ahnung, was gut für mich ist.“ Ihr Blick wurde noch kühler. „Abgesehen davon ist die Sache jetzt schon zwei ganze Tage her. Wenn es wirklich jemand auf mich abgesehen hätte – hätte derjenige nicht längst schon wieder zugeschlagen?“

„Nicht unbedingt. Und was ihre Kids-Theorie angeht – es ist zwar eingebrochen worden, aber geklaut wurde nichts.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Das klingt für mich nicht gerade nach einem Gelegenheitseinbruch.“

„Die Juwelen werden sowohl im Laden als auch in der Werkstatt sicher im Safe verwahrt.“ Sie hob genervt den Blick. „Das sind Hochsicherheitssafes – die öffnet man nicht einfach mit dem Brecheisen. Die Safes verschließe ich immer, wenn ich den Laden verlasse. Und außerdem haben wir ein Sicherheitssystem, Kameras und einen Alarmknopf.“

Max entging das feurige Funkeln der bunten Kette um ihren Hals nicht. Das gleiche Funkeln lag auch in ihren Augen. Sie war ziemlich resolut, so viel war klar. Er würde alle Hände voll damit zu tun haben, auf sie zu achten. Vor allem, wenn der Verdacht ihres Vaters sich bewahrheiten sollte.

„Das Sicherheitssystem war ausgeschaltet, genauso wie die Kameras. Und trotzdem wurde nichts geklaut. Finden Sie das nicht seltsam?“

„Nein, das tue ich nicht. Vielleicht sind die Einbrecher unterbrochen worden, vielleicht war es auch einfach Vandalismus.“ Sie ging einen weiteren Schritt in Richtung Tür. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen …“

Wenn es ein paar Kids aus der Nachbarschaft gewesen wären, die randalieren wollten – warum hatten sie sich dann ausgerechnet den Laden ausgesucht, in dem Rose arbeitete? Einen Laden mit offensichtlich gutem Sicherheitssystem? Warum hatten sie nicht einfach die Scheiben der Nachbarläden eingeworfen? Nein, hier hatte es jemand ganz sicher auf Rose Lawson abgesehen. Max legte die Hand auf den Türrahmen gleich neben ihrem Kopf, sodass sie nicht vorbeikonnte.

„Wir sind noch nicht fertig.“

Ein tiefes Rot legte sich auf ihre Wangen, was ihren hellen Teint noch stärker leuchten und ihre gelbgrünen Augen noch lebhafter funkeln ließ. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“

„Ich bin der Typ, der dich beschützen wird, Rose.“ Aus irgendeinem Grund schlug sein Herz plötzlich schneller. „Und das meine ich ernst.“

„Pass auf“, sagte sie und pochte mit dem Zeigefinger auf seine Brust. „Ich brauche niemanden, der mich beschützt. Und schon gar keinen muskelbepackten Möchtegern-Superhelden.“

Autsch. Die Frau hatte eine scharfe Zunge, aber das hätte er sich ja denken können. Frauen, die so schön waren wie sie, lag die ganze Welt zu Füßen – was sie jedoch oft ganz und gar nicht zu schätzen wussten. Er unterdrückte den Drang, ihr zu erklären, wie falsch ihr Bild von ihm war, wie ignorant und engstirnig.

„Habe ich da etwa einen wunden Punkt getroffen?“, fragte sie grinsend.

„Aus leeren Worten mache ich mir nicht so viel.“ Max beugte sich nach vorn, sodass sein Gesicht ihrem ganz nah kam. „Ich halte viel Schlimmeres aus, glaub mir. Du kannst deine kleinen Beleidigungen also gern weiterhin von dir geben – sie werden nichts an der Tatsache ändern, dass ich ab jetzt dein Schatten bin.“

Um sie herrschte absolute Stille, und er konnte ihrem Atem anhören, dass sie empört war. Sie fuhr mit den Fingern über die Glieder ihrer Kette, als wäre es ein Rosenkranz, den sie betete.

„So“, sagte er, trat einen Schritt zurück und ließ den Arm sinken. „Und jetzt bringe ich dich nach Hause.“

„Den Teufel wirst du tun.“ Rose starrte zu ihm hinauf. „Ich will keinen Bodyguard oder als was auch immer du dich bezeichnest.“

„Personenschutz“, korrigierte Max sie, innerlich bei ihrem Augenrollen lachend.

„Das brauche ich auch nicht. Es geht mir gut. Das war ein einmaliges Ereignis.“

„Ich bringe dich trotzdem nach Hause.“

Er war damit beauftragt worden, Rose zu beschützen, und das würde er auch tun. Max’ Stelle beim Sicherheitsdienst war ganz bestimmt nicht der Job, von dem er als kleiner Junge in Australien mal geträumt hatte. Aber als er einen Job brauchte, war es dieser gewesen, den er bekommen hatte. Die Arbeit war alles, was er noch hatte. Seine alte Karriere lag in Trümmern und sein bester Freund …

Max schluckte. Keine Chance – diesmal würde er nicht scheitern. Auch wenn das bedeutete, Rose gegen ihren Willen zu folgen.

„Was auch immer.“ Rose angelte ihre Autoschlüssel aus ihrer Tasche. „Wenn du deine Zeit damit verschwenden willst, bitte schön.“

Sie verließ sein Büro und ging am Empfang vorbei direkt auf den Aufzug zu, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen. Wieder und wieder drückte sie genervt den Liftknopf, während sie wartete.

Max stand hinter ihr, dicht genug, um sie im Blick zu behalten – aber nicht so dicht, dass sie ihm weitere Beleidigungen an den Kopf schmeißen konnte.

Der Aufzug kam, und Rose stieg mit gebeugtem Kopf ein, Max mit dem Blick fest auf ihr Handydisplay gerichtet ignorierend. Schweigend standen sie in der engen Kabine. Er konnte ihr blumiges Parfüm riechen, höchstwahrscheinlich irgendein teures Zeug, direkt aus Einhorntränen gepresst. Sie lehnte sich an die Wand des Aufzugs und schlug das eine schlanke Bein über das andere.

Du wirst dafür bezahlt, auf sie aufzupassen, schon vergessen? Ihre Beine anzustarren, stand nicht in der Jobbeschreibung.

Er schluckte und konzentrierte sich auf die leuchtenden Nummern, die über der Aufzugtüre die Etagen zählten. Sobald sie unten angekommen waren und die Türen sich öffneten, schoss Rose mit klackernden Absätzen an ihm vorbei hinaus in die kalte Dezemberluft.

Selbst wenn die Zentralverriegelung ihres Autos nicht geblinkt hätte, hätte Max sofort gewusst, welches Auto ihres war. Der knallrote Wagen hob sich extrem von den unauffälligen schwarzen und grauen Dienstwagen des Sicherheitsdienstes ab.

Er stieg ebenfalls in sein Auto, einen perfekt-unscheinbaren grauen Ford. Während sie ausparkte, drehte er die Heizung auf und folgte ihr dann.

Auf New Yorks Straßen war viel los, aber es war für ihn völlig unproblematisch, ihrem leuchtend roten Auto zu folgen – selbst wenn sie offensichtlich versuchte, ihn durch diverse Spurwechsel abzuhängen. In New York Auto zu fahren, war schon eine Sache für sich. Wenn sein Job nicht von ihm verlangen würde, höchst flexibel unterwegs zu sein, hätte er auf ein Auto gut verzichten können. Das unablässige Hupen der Taxis übertönte selbst sein Radio und führte dazu, dass er extrem angespannt war.

Manchmal vermisste er Australien sehr, aber die unnötige Sentimentalität, die bei dem Gedanken an zu Hause in ihm aufstieg, und vor allem die damit verbundenen Erinnerungsqualen unterdrückte er sofort.

Sie fuhren über die Brooklyn Bridge, und kurze Zeit später bog sie in Richtung einiger Stadthäuser ab. Sie parkte ein, und auch er fand eine Parklücke nicht weit von ihr entfernt. Die Straße war von Bäumen gesäumt, deren leere Äste mit Lichterketten geschmückt worden waren. Er hätte nicht gedacht, dass die schillernde Rose in einer so gediegenen Gegend wohnen würde. Die Häuser sahen anständig aus, gemütlich und irgendwie maßvoll. Einige hatten Kränze aus Tannenzweigen an den Türen hängen.

Schnee knirschte unter seinen Sohlen, als er ausstieg und ihr zu ihrer Eingangstüre folgte. Er hielt die Arme gegen die Kälte um seinen Oberkörper geschlungen.

Während Rose in ihrer Tasche nach ihrem Haustürschlüssel kramte, spürte er plötzlich, wie seine Sinne schärfer wurden. Er hatte eine untrügliche Intuition, die sich über seine Jahre als Polizist und die damit verbundenen Erfahrungen geschärft hatte. Er spürte die kühle Luft auf seiner Haut, doch da war noch etwas anderes. Ein entferntes Geräusch, das seine Aufmerksamkeit einen Sekundenbruchteil lang gewonnen hatte, sodass sich ihm die Haare im Nacken aufstellten.

„Warte.“ Er legte seine Hand auf ihre, kurz bevor sie den Schlüssel ins Schloss stecken konnte.

Sein Blick wanderte über den Weg und ihren Vorgarten und zunächst fiel ihm nichts weiter auf. Doch dann sah er einen Zigarettenstummel, der direkt vor ihrer Eingangstüre lag. Max schob sich vor sie und versuchte, die Türe zu öffnen. Sie war jedoch verschlossen. Und auch das Fenster gleich daneben war unberührt.

„Was machst du da?“, fragte sie, und er brachte sie mit einem einzigen Blick zum Schweigen.

„Rauchst du?“

Sie schüttelte den Kopf und sah ihn skeptisch an. „Das ist schlecht für die Haut. Wieso?“

Ein Spaziergänger, der auf der Straße geraucht hatte, hätte den Stummel ganz bestimmt nicht bis zu ihrem Eingang geschnippt. Nein, der Raucher musste genau hier gestanden haben.

Rose schnaubte, als er ihr nicht antwortete, und steckte den Schlüssel ins Schloss. „Du verrennst dich da in irgendetwas.“

Doch Max’ Sinne blieben alarmiert. Denn seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, immer auf seine Intuition zu hören. Unter seinen Kollegen hatte ihm seine Intuition damals sogar den Spitznamen Spiderman eingebracht, weil seine „Spiderman-Sinne“ auch im Einsatz so zuverlässig gewesen waren.

Nur einmal hatte er nicht auf sein Bauchgefühl gehört. Und dafür bitter bezahlt …

Sie öffnete die Tür und betrat den Flur, das laute Klackern ihrer Absätze war auf dem dunklen Holzboden deutlich zu hören. Während sie den Zahlencode in ihre Alarmanlage eingab, ließ sie ihren Haustürschlüssel in eine kristallene Schale fallen. Auch dieses Geräusch schien die Stille in ihrer leeren Wohnung beinahe zu zerreißen.

„Ich habe dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist“, fuhr Rose fort, während sie sich aus ihrem Mantel schälte und aus den Pumps stieg. „Ich brauche keinen Sicherheits…“

Das letzte Wort erstarb auf ihren Lippen, währen sie fassungslos um sich blickte. Ihre Wohnung war völlig verwüstet. Die Schubladen eines Sideboards waren aufgerissen worden, der Inhalt lag überall verstreut. Eine Stehlampe lag umgeworfen zwischen Flur und Wohnzimmer, umgeben von den glitzernden Scherben eines zu Bruch gegangenen Bilderrahmens.

„Um Gottes willen.“ Roses Atem stockte, als ihr das ganze Ausmaß der Verwüstung bewusst wurde.

Sie beugte sich zu Boden und hob den Silberrahmen auf. Das Foto hatte dort, wo das Glas zerbrochen war, einen Riss davongetragen. Das Gesicht des jungen Mädchens, das auf dem Bild mit einer Frau zu sehen war, war nicht mehr zu erkennen. Rose fuhr mit einem Finger über den Riss.

Überall lagen Papierskizzen mit Schmuckentwürfen wie überdimensionale Schneeflocken verteilt. Ein Bücherregal war umgeschmissen worden, sein Inhalt über den ganzen Boden verstreut. Max hob es kurz an, um zu prüfen, wie schwer das Regal war. Derjenige, der hier gewütet hatte, musste ziemlich stark sein.

Rote Scherben einer zertretenen Kugel, die von ihrem Weihnachtsbaum gefallen war, übersäten den Boden. Zwei weitere Christbaumkugeln lagen unversehrt daneben und an der Spitze ihres Weihnachtsbaums hing eine Engelfigur bedenklich schief in der Luft.

„Bleib dicht bei mir“, sagte Max leise.

Er funktionierte beinahe automatisch, wusste genau, was zu tun war. Zuerst musste er sich einen Überblick über den Tatort verschaffen. Zugleich galt jedoch, dass er das Einbruchsopfer nicht allein lassen durfte, solange nicht klar war, ob der Einbrecher noch im Haus war. Da sie nur zu zweit waren, musste sie bei ihm bleiben, während er ihre Wohnung inspizierte.

Mit einem schnellen Griff zum Halfter unter seiner Lederjacke zog er seine Waffe. „Wir müssen checken, ob noch jemand im Haus ist.“

Sie presste die Lippen aufeinander, nickte und trat ohne Widerrede noch dichter an ihn heran. Zusammen gingen sie durch den Essbereich zur Küche. Auch hier waren die Schränke geöffnet, lagen Scherben am Boden. Eine Tür, die zum kleinen Innenhof führte, war geschlossen.

Er drückte die Klinke nach unten, sie war nicht verriegelt.

„Hast du die Tür abgeschlossen, bevor du das Haus verlassen hast?“

„Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung.“

Max bewegte sich ruhig und langsam, sodass Rose dicht bei ihm bleiben konnte. Doch das Blut raste durch seine Adern, seine Sinne waren bis zum Äußersten gespannt, er wartete nur darauf, das kleinste Geräusch, die kleinste Veränderung wahrzunehmen. Einen beinahe lautlosen Schritt. Einen Atemzug.

Er konnte ihre Präsenz bei jedem Schritt in seinem Rücken spüren, ihren Körper dicht an seinem, während sie jeden Winkel ihres Hauses durchcheckten. Ihr Schlafzimmer lag neben der Haustür. Es war genauso verwüstet worden wie der Rest ihres Zuhauses.

Auch die Schubladen ihrer Kommode waren aufgerissen worden, bunte feine Stoffe quollen aus ihr heraus. Am Griff einer der Schubladen hing ein lila BH, und am Boden gleich daneben häuften sich mehrere bunte Slips wie ein zerknitterter Regenbogen. Die Luft war von einem starken, blumigen Duft erfüllt. Max sah den Parfümflakon, der umgekippt auf der Kommode lag und dessen Inhalt sich über die Schubladen zu einer Pfütze am Boden ergossen hatte.

Rose hob den Flakon auf, ihr Mund war nur noch eine dünne Linie. Sanft berührte sie den abgebrochenen Hals der Flasche. „Das gehörte meiner Mutter. Sie hatte es bei sich, als wir Amerika verlassen haben.“

Die Schrift auf dem Label war nicht mehr zu lesen, das ausgetretene Parfüm hatte sie verschwimmen lassen. Ihre Hände zitterten. Max nahm ihr den Flakon ab, damit sie sich nicht verletzte, und stellte ihn auf die Kommode zurück.

„Wir finden raus, wer das getan hat, Rose. Aber du musst mir glauben, dass das hier bestimmt nicht mehr zufällig passiert ist.“

Sie nickte stumm, ihre Züge waren zu einer harten Maske erstarrt. Emotionslos. In sich verschlossen.

Sie gingen ins Wohnzimmer. „Kann man innerhalb des Gebäudes in die obere Etage gelangen?“

Rose schüttelte den Kopf. „Die obere Wohnung ist völlig von dieser getrennt. Der Typ, der oben wohnt, nimmt immer die Treppe außen am Gebäude.“

„Vielleicht hat er etwas gesehen.“

„Ich bin mir beinahe sicher, dass er im Schichtdienst arbeitet. Abends ist er eigentlich nie zu Hause.“ Sie zuckte mit den Schultern, ihr Blick ging ins Leere. „Aber ich kann ihn ja mal fragen.“

Rose stand dicht bei ihm, die Hände in den Hosentaschen ihrer schwarzen Jeans vergraben, als wollte sie nicht riskieren, irgendetwas zu berühren. Doch ihr Blick verriet ihm, was sie mit ihrer lässigen Haltung überspielen wollte. Angst.

Die Einbrecher hatten es zuerst in ihrem Laden versucht, dort aber nichts entwendet. Jetzt hatten sie bei Rose zu Hause zugeschlagen. Sie waren offensichtlich auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem.

„Fehlt irgendetwas?“, fragte Max, so sanft er konnte. Es fiel ihm schwer, nicht wie ein Cop zu klingen, obwohl er eigentlich genau dafür ausgebildet worden war.

„Nicht dass ich wüsste.“ Ihre grüngelben Augen verdunkelten sich, sie zog die Brauen zusammen. Unglaublich, wie schön diese Frau war – selbst wenn sich auf ihrem Gesicht deutlich die Wut abzeichnete, die in ihr brodeln musste.

Er lauschte erneut und versuchte, etwas Auffälliges auszumachen. Doch einzig Roses schneller Atem durchbrach die Stille. Während er seine Waffe wieder ins Halfter steckte, betrachtete er Rose intensiv.

Dann wandte Max sich von ihr ab, um den Schrank, der in ihrem Eingangsbereich stand, zu inspizieren. Es war kein eingebauter Wandschrank, aber zur Stabilisierung war er an die Wand geschraubt worden. Seine Türen waren nur angelehnt.

Im Schrank hingen zwei identische Mäntel, einer in Schwarz, einer in Grau. Am Boden standen ein Paar Schneestiefel und zwei Paar schwarze Pumps. Max kniete sich hin, um eine neben den Schuhen stehende Kiste zu betrachten, die ebenfalls geöffnet worden war.

„Hebst du hier drin irgendetwas Wertvolles auf?“, fragte er und drehte sich zu ihr um. Doch sie stand nicht mehr hinter ihm. „Rose?“

Plötzlich hörte er ein Krachen in der Küche und augenblicklich schoss Adrenalin durch seinen ganzen Körper. Er sprang auf und hatte mit ein paar großen Schritten ihre Wohnung durchquert. Alle seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt, seinem Blick entging nicht das kleinste Detail.

„Rose!“, rief er, die Waffe gezückt.

Etwas Hartes stieß ihn zur Seite, als irgendjemand an ihm vorbei zur Tür hastete. Max fing sich sofort wieder und folgte ihm, doch als Max mit gezogener Waffe aus der Tür auf die Straße rannte, konnte er nur noch feststellen, dass der Eindringling verschwunden war.

Weit und breit war nur eine Dame zu erkennen, die mit ihrem Hund spazieren ging und Max neugierig musterte. Als sie die Waffe in seinen Händen sah, blickte sie erschrocken zu Boden und eilte davon. Max schlug verärgert mit der Faust auf den Briefkasten, der an der Straße stand, dann steckte er seine Waffe zurück ins Halfter und ging ins Haus zurück.

„Alles okay bei dir?“, rief er, während er schnellen Schritts den Flur durchquerte.

Rose saß am Boden, die Augen weit aufgerissen, hektisch atmend. Mit bebender Brust starrte sie zu ihm hoch. Ohne zu blinzeln. Er ging vor ihr in die Knie und inspizierte ihr Gesicht. Zum Glück schien sie – vom offensichtlichen Schock einmal abgesehen – nicht schwer verletzt worden zu sein.

„Ich bin in die Küche zurückgegangen, und er hat mich von hinten gepackt.“ Sie fuhr mit den Fingerspitzen zu einem hellroten Fleck unter ihrem Auge und zuckte bei der Berührung zusammen.

„Hast du sein Gesicht gesehen?“

„Es ging alles so schnell. Er war groß und hatte dunkle Haare … Ich habe ihn nicht gesehen, bevor er mich umgerissen hat.“ Sie schluckte. „Doch, er hatte ein Tattoo im Nacken.“

„Konntest du es erkennen?“

Sie überlegte. „Irgendetwas Schwarzes … Ein Pik-Zeichen, glaube ich.“

„Hat er etwas gesagt?“

Sie atmete tief durch, endlich beruhigte sich ihr wirrer Blick, sie sah ihm in die Augen. „Wo ist er?“

„Wer?“

„Er sagte ‚Wo ist er?‘“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, was er meinte.“

Max hätte wetten können, dass sie als Nächstes in Tränen ausbrechen würde. Doch Rose Lawson hielt sich tapfer. Erschüttert, aber tapfer. Ihre Seifenblase der Verdrängung musste spätestens jetzt mit einem lauten Knall geplatzt sein, doch sie nahm es wie ein Profi, und das respektierte er.

Plötzlich verspürte er den Drang, sie in seine Arme zu ziehen und zu küssen, bis sie alles vergessen würde – den Schock, den Stress, die Wirklichkeit – alles, bis auf seine Lippen. Doch schnell schob er diesen Gedanken beiseite. Eigentlich war es überhaupt nicht seine Art, über irgendetwas anderes nachzudenken als die bloßen Fakten. Wie konnte es sein, dass Rose nach nur so kurzer Zeit seine Gedanken beherrschte?

Max räusperte sich. „Hast du Schmerzen?“

„Nur im Hirn“, sagte sie und schaffte es, ihn anzugrinsen. „Er hat mich im Gesicht erwischt, als er mich umgerissen hat, aber sonst ist alles okay.“

„Ich sehe mich draußen noch mal um.“ Er stand auf und reichte ihr die Hand. „Und du kommst mit, damit ich dich nicht wieder aus dem Blick verliere. Bleib diesmal bitte bei mir, bis ich Entwarnung gebe.“

„Okay.“ Sie stand alleine auf und wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab.

„Das ist mein Ernst. Bleib bei mir.“

„Ich sagte okay.“ Sie folgte ihm ohne Widerrede, aber ihr Blick war mehr als düster. Die Stelle unter ihrem Auge würde sich bis zum nächsten Tag zu einem ordentlichen Veilchen auswachsen.

Sie schlängelten sich einen Weg durch das Chaos, und Max ging erneut auf den Bürgersteig hinaus, um sich noch einmal umzusehen. Dabei ließ er Rose, die im Eingang stehen geblieben war, nicht aus den Augen. Eigentlich sah alles so aus wie vorher – bis auf ein schwarzes Auto, das eben in der Straße geparkt hatte und jetzt verschwunden war. Doch wer wusste schon, ob es dem Eindringling gehört hatte oder einem Nachbarn, der in der Zwischenzeit ausgegangen war? Max jedenfalls erinnerte sich nicht, einen Motor aufheulen gehört zu haben – doch vielleicht war das Geräusch auch nur vom Lärm der Baustelle ein paar Häuser entfernt verschluckt worden.

Max rieb sich das Kinn, während er sich an das Modell zu erinnern versuchte. Doch bis auf die Tatsache, dass es sich um einen Fünftürer gehandelt hatte, fiel ihm kein markantes Detail ein. Der Wagen war weder besonders alt noch brandneu gewesen.

In der kalten Luft konnte er seinen eigenen Atem sehen, mit dem Sonnenuntergang waren auch die Temperaturen empfindlich gesunken. Roses Silhouette zeichnete sich vor dem Licht ihrer Wohnung ab.

„Was passiert jetzt?“, fragte sie, als er zu ihr zurückkam.

„Wir sollten dich diese Nacht bei deiner Familie oder Freunden unterbringen“, sagte er und ging mit ihr ins Haus zurück. Er schloss die Tür hinter sich und genoss die Wärme, die innen herrschte.

Stille.

„Was, wenn ich niemanden habe?“, fragte sie mit eisiger Stimme.

„Was ist mit deinem Vater?“

„Schwierig. Wir sind nicht …“ Sie versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht recht. „Nein, ich kann nicht.“

„Er hat mich engagiert, damit ich auf dich aufpasse. Er sorgt sich also offensichtlich sehr um dich.“

Sie hob die Hand und ließ ihn damit verstummen. „Ich werde nicht zu ihm fahren. Ende der Geschichte. Außerdem schlägt der Blitz doch nie zweimal in denselben Baum ein, stimmt’s? Ich kann also auch genauso gut hierbleiben.“

Sie sehnte sich offensichtlich danach, dass er ihr irgendetwas Beruhigendes sagte. Doch das konnte er nicht, nicht nach dem, was hier passiert war. Um nichts in der Welt würde er ihre Sicherheit riskieren.

„Hast du sonst niemanden? Keine Freunde oder andere Verwandte?“ Er wusste, dass ihre Mutter verstorben war, aber sie musste doch sonst irgendwen in ihrem Leben haben.

„Ich bin erst seit einem Monat wieder in New York. Bis auf die Kellnerin in dem Café, wo ich mir jeden Morgen meinen Kaffee hole, kenne ich hier eigentlich noch niemanden“, sagte sie und sah ihm fest in die Augen.

Sie wollte auf keinen Fall, dass er sie bemitleidete, so viel war klar.

„Du solltest nicht allein sein.“ Max schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

Die ganze Geschichte war irgendwie faul. Sein Instinkt hatte ihm gesagt, dass es sich beim Überfall auf Rose um etwas anderes gehandelt hatte als einen bloßen Einbruch. Die Frage, die der Eindringling ihr gestellt hatte, bestärkte seinen Verdacht noch mehr. Soweit er das überblicken konnte, waren die Juwelen in Roses Schlafzimmer unberührt geblieben – davon abgesehen, dass sie im ganzen Zimmer verteilt worden waren. Er war zwar kein Experte, doch er war sich ziemlich sicher, dass ihre Stücke viel wert waren.

Nein, sie hatten es hier ganz bestimmt nicht mit einem gewöhnlichen Einbruch zu tun. Irgendein Typ, mit dem ganz und gar nicht zu spaßen war, wollte etwas von Rose Lawson. Er musste nur noch herausfinden, was das war.

2. KAPITEL

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass in ihren Laden und ihr Zuhause eingebrochen worden war – jetzt musste sie ihr trauriges Privatleben auch noch vor diesem Möchtegern-Superhelden ausbreiten. Diesem superheißen, muskelbepackten Möchtegern-Superhelden.

Rose erschauderte; bei ihrem Dad würde sie ganz bestimmt nicht Unterschlupf suchen. Sie hatte ihn vor elf Jahren das letzte Mal gesehen und wollte nichts weniger, als wieder Kontakt zu ihm aufzubauen. Ihr Vater jedoch schien sehr um eine Aussöhnung bemüht, seit sie wieder in den Staaten war.

In London zu bleiben, war jedoch auch keine Option für sie gewesen, denn dort erinnerte sie einfach alles an ihre Mutter. New York war der einzige Ort gewesen, an dem sie sich ansonsten je zu Hause gefühlt hatte, auch wenn ihre Rückkehr bedeutete, dass sie ganz von vorne anfangen musste … schon wieder. Sie hatte damals zu allen ihren Schulfreunden den Kontakt verloren. Doch das bedeutete nicht, dass sie inzwischen wieder bereit dazu war, ihrem Vater zu vertrauen.

„Wie gesagt, mir wird hier schon nichts passieren.“ Rose atmete tief durch und zwang sich dazu, nicht zu weinen. Auf keinen Fall würde sie zulassen, vor Max Ridgeway zusammenzubrechen.

Sowenig sie es laut zugeben würde, war auch sie langsam davon überzeugt, dass ihre Situation nichts mit einem einfachen Überfall zu tun hatte. Sie war keineswegs reich, aber in ihrer Wohnung befand sich schon das eine oder andere, womit ein Einbrecher ein paar Dollars hätte machen können. Die Perlenkette, die ihrer Mutter gehört hatte, zum Beispiel. Oder ihr neuer Laptop und das iPad auf ihrem Nachttisch, das sie sich gerade erst gekauft hatte. Alles war unberührt geblieben.

Eine Welle der Gefühle rauschte über sie hinweg, und ihr wurde schlecht. Seufzend sah sie sich in ihrer Wohnung um. Wenn sie einfach nur im Flur stehen bleiben würde, könnte sie sich vielleicht noch einen Moment lang einreden, dass nichts vorgefallen war.

„Komm schon“, sagte Max und legte seine Hand einen Augenblick lang auf ihre Schulter, bevor er sie schnell zurückzog, als wäre es eine schlechte Idee gewesen, sie zu berühren. „Hier kannst du nicht bleiben. Wir packen dir ein paar Sachen zusammen. Die Polizei benachrichtigen und aufräumen können wir morgen.“

Seine Stimme klang bestimmt und professionell, doch die Falte auf seiner Stirn und der feste Blick seiner tiefbraunen Augen sprachen für sich. Er sorgte sich um sie und strahlte eine enorme Entschlossenheit aus, was ihre Sicherheit betraf. Und trotz des Chaos, das um sie herum herrschte, fühlte Rose sich zum ersten Mal seit Langem sicher … sosehr sie es auch hasste, das zugeben zu müssen.

Der einzige Mensch, der um dich besorgt ist, ist der, der dafür bezahlt wird. Typisch.

Jemandem zu vertrauen, war eine lästige Angelegenheit für sie. Sie fühlte sich dann immer so, als würde sie eine Jacke tragen, die viel zu eng war und ihr Innerstes zusammenpresste, sodass es ihr langsam, aber sicher die Luft zum Atmen raubte. Jemandem zu vertrauen, bedeutete für sie, in Schweiß auszubrechen und panisch nach dem Ausgang zu suchen. Ihr Wohlbefinden hatte sie nie einem anderen Menschen überlassen. Sie war ihr eigener Beschützer, ihr eigener Lehrer, ihr eigener Anführer. Jeder andere musste sich darum herum sortieren, egal ob Rose es wollte oder nicht.

„Ich weiß nicht, ob es so gut wäre, die Polizei einzuschalten“, sagte sie kopfschüttelnd.

„Wieso nicht?“

„Ich mache mir Sorgen um den Ruf meines Geschäfts. Irgendwer hat über den Einbruch im Laden etwas auf einem Blog geschrieben, und sofort haben mich Kunden gefragt, ob unser Sicherheitssystem auf dem neuesten Stand ist. Wir reparieren und restaurieren auch viele Schmuckstücke, und diese Kunden sind sich jetzt schon nicht mehr ganz sicher, ob sie ihre Sachen noch bei uns lassen wollen.“

„Der Laden gehört dir doch nicht.“

„Aber ich trage die Verantwortung für einen Teil des Geschäfts“, sagte sie eindringlich. „Ich habe dort einen festen Arbeitsplatz und baue mir gerade einen Kundenstamm auf. Das ist mehr für mich als ein bloßer Job als Verkäuferin. Der Laden ist meine Plattform, um mein Business zu vergrößern.“

Er seufzte. „Bist du sicher? Keine Polizei?“

„Im Laden konnten sie ja auch keine Spuren sicherstellen. Und hier ist ebenfalls nichts weggekommen.“

„Lass uns morgen einmal alles durchgehen, um da ganz sicher zu sein. Trotzdem müssen wir uns überlegen, wo du die Nacht verbringen kannst.“

„Das bekomme ich schon alleine hin.“

„Nein“, sagte er schroff. „Versuch nicht, mir einzureden, dass du bestens alleine zurechtkommst. Das wird nicht passieren.“

Sie wollte protestieren, aber inzwischen hatte sich Müdigkeit wie Blei in ihre Knochen geschlichen, und so schluckte sie den Drang, ihm erneut zu widersprechen, herunter. Sie wollte nichts mehr als ein heißes Bad und ein großes Glas Wein, das sie alles vergessen ließ, was sie die letzten Tage erlebt hatte. Morgen konnte sie noch immer einen Plan schmieden.

Sie ging in ihr Schlafzimmer und stieg dabei über die herumliegenden Papierseiten und ihre Unterwäsche. Der Duft des Parfüms ihrer Mutter hing in der Luft wie eine dichte Erinnerungswolke. Alles roch nach einem blumig-holzigen Grün. Chanel No. 19 war das einzige Parfüm gewesen, das ihre Mutter je getragen hatte. In der Zeit, in der sie wenig Geld gehabt hatten, hatte sie sich nur selten zu ganz besonderen Gelegenheiten einen Spritzer gegönnt, weil sie wusste, dass sie sich mehr nicht leisten konnte. Der Duft ließ Rose die Tränen in die Augen steigen.

Sie musste auf andere Gedanken kommen und schnappte sich schnell eine Reisetasche, die sie öffnete. Im Kopf überschlug sie, was sie für eine Nacht außer Haus brauchen würde. Das lenkte sie von der verletzenden Tatsache ab, wie sehr hier in ihr Leben eingedrungen worden war.

„T-Shirt, Jeans, Unterwäsche, Deo“, murmelte sie vor sich hin und packte die genannten Sachen nach und nach ein. „BH, Bürste, Mantel …“

Max stand an den Türrahmen zu ihrem Schlafzimmer gelehnt, gab ihr ihren Raum, aber behielt sie zugleich im Blick. Mit seinen breiten Schultern füllte er beinahe die ganze Tür aus, und Rose konnte nichts dagegen tun, dass ihr Blick immer wieder zu seiner Jeans wanderte, die so perfekt saß. Nicht nur an seinen festen Schenkeln, sondern auch anderswo …

Sie schluckte und konzentrierte sich wieder auf ihre Tasche.

Er war ein echter Muskelprotz, bestimmt verbrachte er seine Zeit am liebsten im Fitnessstudio. Er war ganz und gar nicht ihr Typ, auch wenn sie zugeben musste, dass sie seinen australischen Akzent wahnsinnig gern hörte. Eigentlich stand sie viel mehr auf kunstsinnige Männer mit akkuraten Bärten und schlanken Fingern, die ihre Arbeit für ihre Feinsinnigkeit und Schönheit zu schätzen wussten – und sie nicht frivol fanden. Warum nur blieb ihr Blick dann bei fast jeder Gelegenheit an Max hängen?

Du sehnst dich nach Ablenkung, das ist alles. Er ist heiß, und du versuchst, nicht weiter darüber nachzudenken, wie zur Hölle du in diesem Chaos gelandet bist. Völlig normal.

„Beeil dich.“ Max’ tiefe Stimme unterbrach ihren inneren Monolog. „Je schneller wir dich hier herausholen, desto besser.“

Rose sah auf und zuckte beinahe zusammen, als sie den Ernst in seinem Blick erkannte. Sie würde sich nicht fürchten. Dass sie sich jahrelang bestens um sich selbst hatte kümmern können, musste doch zu irgendetwas gut gewesen sein. Sie konnte das. Keine große Sache.

Max’ Stimme war kühl, doch er betrachtete sie auf eine so intensive Art und Weise, die seine Coolness Lügen strafte. Ganz abgesehen vom Trommeln seiner Finger gegen den Türrahmen.

„Okay, okay“, murmelte sie und zog den Reißverschluss ihrer Tasche zu.

Nachdem sie die Tasche auf den Boden gestellt hatte, zog sie sich ein Paar Ballerinas an. Ihr Schminktisch war von glitzernden Steinen übersät. Die Spieluhr, die sie von ihrer Mutter bekommen hatte, war geschlossen, doch die antiken Ohrringe, die sie darin aufbewahrte, lugten heraus. Offensichtlich hatte der Eindringling auch hier einen Blick hineingeworfen. Mit den Fingern schubste sie einen goldenen Ohrring, der einen leuchtenden grünen Stein in der Mitte hatte, wieder in die Spieluhr. Der zweite war zu Boden gefallen. Sie bückte sich, um ihn aufzuheben.

„Komm schon.“ Max’ Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie hatte nicht einmal gehört, wie er das Zimmer durchquert hatte, um zu ihr zu kommen. Sie nahm seinen Duft wahr, und der warme, männlich-erdige Geruch füllte sie völlig aus, ließ Bereiche ihres Körpers in Wallung geraten, an die sie in diesem Moment am wenigsten gedacht hatte.

Konzentrier dich ganz auf ihn und nicht darauf, dass jemand bei dir eingebrochen ist. Nur an den heißen Typen denken, nicht an den Stalker.

Sie folgte Max, während sie ihre Wohnung verließen, und ihr Blick fiel immer wieder auf seinen Hintern. Er trug eine kurze Jacke und hatte seine Arme um den Körper geschlungen, um sich draußen warm zu halten. Dieser Mann trug Jeans, und es wirkte so, als wären sie nur dafür erfunden worden, seine wunderbar muskulösen Beine zur Schau zu stellen. Er strahlte Stärke und Kontrolle aus, und sie hätte ihre Lieblingskette darauf verwettet, dass an seinem Körper kein einziges Gramm Fett zu finden war.

„Wohin gehen wir?“, fragte sie, während sie ihre Haustür abschloss.

Sie hatte dabei kein gutes Gefühl, denn das Schloss hatte den Eindringling beim letzten Mal ja auch nicht abgehalten. Dann aktivierte sie die Alarm-App auf ihrem Handy. Als sie jetzt darüber nachdachte, wunderte sie sich ein wenig, dass der Alarm gar nicht losgegangen war, als bei ihr eingebrochen wurde. Das konnte doch nur bedeuten, dass der Einbrecher entweder den Code kannte oder einen Weg wusste, die angeblich super-sichere Alarmanlage zu umgehen. Sie wusste nicht, welche Option sie schlimmer fand.

„Wir fahren in ein Hotel.“ Max’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken, während er ihr bedeutete, dass sie ihm folgen soll.

Er schloss sein Auto auf, einen unscheinbareren grauen Wagen, der wahrscheinlich dafür gemacht worden war, niemandem im Gedächtnis zu bleiben, und hielt ihr die Beifahrertür auf. Sie entschied, ihm später von ihrer Sicherheits-App zu erzählen, und stieg ein.

„Meintest du nicht, dass ich nicht allein bleiben soll heute? Gehört es jetzt schon zum Zimmerservice, beschützt zu werden?“, fragte sie beim Anschnallen.

Er räusperte sich. „Ich bleibe natürlich bei dir.“

Seine Worte waren wie Musik in ihren Ohren. Der Gedanke daran, die Nacht wie schon so oft allein in einem Hotelzimmer zu verbringen, war einfach zu deprimierend. Manche Leute liebten es, ein Hotelzimmer mit Riesenbett ganz für sich zu haben. Doch für Rose war das momentan nur eine Erinnerung daran, wie einsam sie war.

Puh – Schluss jetzt mit diesem Selbstmitleid. Dafür ist vielleicht später noch Zeit, wenn es niemand mitbekommt.

Zum Glück gab es da jemandem, mit dem sie sich hervorragend von dem Einbruch und ihrem schlechten Verhältnis zu ihrem Vater ablenken konnte. Max war exakt der richtige Mann dafür, um sie von ihren Ängsten abzulenken.

Er ließ den Wagen an und fuhr langsam die Straße entlang, sein Blick war konzentriert, und seine Züge waren hart wie Stein. Max sah gut aus, wenn man etwas für seine raue Schönheit übrighatte, für diesen unrasierten Typ Mann mit kantigen Zügen. Ganz ehrlich – wer hatte das nicht?

Sein dunkles Haar war ein wenig zu lang, um wirklich modisch zu sein, und sein strenger Gesichtsausdruck trug nicht unbedingt dazu bei, seine eigentlich schönen, vollen Lippen zur Geltung zu bringen. Sie war sich allerdings sicher, dass ihr schon etwas einfallen würde, um ihn zum Lächeln zu bringen und seine Lippen für etwas viel Besseres einzusetzen …

„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ganz schön ernst dreinschaust?“, fragte sie, und ihre Stimme war gerade süß genug, um ihm klarzumachen, dass sie mit ihm spielte.

„Würdest du irgendetwas anderes von jemandem erwarten, der für deine Sicherheit zuständig ist?“ Er zog eine Augenbraue hoch, wandte den Blick aber keinen Millimeter von der Straße.

„Schon verstanden. Du hast einen wichtigen Job. Ich habe aber das Gefühl, dass du auch dann superernst wärst, wenn die Situation es nicht erfordert.“ Sie studierte seine Mimik eindringlich. „Wahrscheinlich hast du den gleichen Gesichtsausdruck auch dann drauf, wenn du Rührei machst.“

„Ich esse nur pochierte Eier. Bei der Zubereitung muss man sich sehr konzentrieren.“ Nicht ein einziger Muskel in seinem Gesicht zuckte.

„Erinnere mich daran, dass ich dich das nächste Mal mitnehme, wenn ich Poker spiele.“ Sie streckte sich im Beifahrersitz aus, dehnte ihren Rücken und drückte die Brust nach vorne, wobei sie genau beobachtete, ob er zu ihr hinübersah. Was er nicht tat.

„Ich spiele nicht.“

„Du spielst nicht Poker, und Rühreier gibt es bei dir auch nicht? Verdammt, was tust du nur, wenn du ein wenig Spaß haben möchtest?“

Er antwortete ihr nicht. Stille breitete sich im Auto aus, während Rose mit der Schnalle ihres Gurtes spielte. Sie hätte alles dafür getan, ein wenig Musik zu hören – hupende Autos hätten es auch schon getan. Irgendetwas. Diese Stille machte sie fertig.

„Du magst mich nicht besonders, stimmt’s?“, fragte sie.

Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit für sich gewonnen. Max wandte sich ihr zu und betrachtete sie mit einem intensiven Blick aus seinen dunklen Augen.

„Ich muss dich für meinen Job nicht mögen.“

„Danke, das ist genau die Bestätigung, nach der ich mich gerade gesehnt habe“, sagte sie und verdrehte die Augen. „Wenn ich mich dafür interessieren würde.“

„Warum hast du mich dann gefragt?“

Sie zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit den Fingern durch ihr welliges Haar. „Weil du meine letzte Frage nicht beantwortet hast.“

„Ich bin nicht hier, um mich um irgendetwas anderes zu kümmern als deine physische Sicherheit. Ich werde dich bestimmt nicht ins Bett bringen und dir eine Gutenachtgeschichte vorlesen.“ Er warf ihr einen weiteren Blick zu. „Auch wenn ich mir sicher bin, dass einige Typen dafür Schlange stehen würden.“

Neben ihrer Arbeit im Laden und dem Designen neuer Schmuckstücke blieb ihr nicht wirklich viel Zeit, um auszugehen. Sie verbrachte jede freie Minute damit, den Markt zu beobachten, ihre Stücke zu fotografieren, sie ins Netz zu stellen und an der Website zu arbeiten, mit der sie im nächsten Jahr online gehen wollte. Es stimmte schon, sie hatte in London eine Reihe Typen hinter sich gelassen. Aber bei jedem von ihnen war sie es gewesen, die die Initiative ergriffen hatte … Nicht, dass sie das stören würde.

„Es ist vielleicht ganz gut, dass du dich fürs Vorlesen nicht interessierst. Ich lese gerade dieses Buch über den Typen mit seinem Spielzimmer. BDSM ist gerade ziemlich angesagt, weißt du.“

Den Bodyguard zu ärgern, war vielleicht nicht das Klügste, was sie in letzter Zeit getan hatte – aber sie brauchte ganz dringend etwas Spaß. Und Max Ridgeway aus der Reserve zu locken, kam ihr in diesem Moment ziemlich spaßig vor. Zu ihrer Freude bemerkte sie, wie sich sein Gesicht beinahe unmerklich aufhellte.

„Da gibt es diese eine Szene, in der er ihr den Hintern versohlt. Oh, und dann ist da noch diese Sexschaukel. Ziemlich abgefahren. Ich bin mir nicht sicher, ob das etwas für dich wäre.“

Sie hielten an einer roten Ampel, und Max sah sie an. Seine dunklen Augen funkelten. Seine Mundwinkel zuckten. Seine Ernsthaftigkeit wurde von etwas anderem verdrängt; seine Maske schien Risse zu bekommen, und sie konnte dahinter etwas erkennen, das ihr einen wohligen Schauer durch den ganzen Körper jagte. Sie erhielt einen winzigen Blick auf eine köstlich-sinnliche Seite an ihm, mit der sie nicht gerechnet hatte.

„Du hast keine Ahnung davon, was mir gefällt.“

„Du kommst mir nicht wie einer vor, der auf besonders abgefahrene Sachen steht. Pochierte Eier scheint mir doch etwas langweilig zu sein … Aber das ist nur meine Meinung.“ Sie tätschelte ihm den Arm. „Du kannst mich aber natürlich gern eines Besseren belehren.“

Er wandte sich wieder der Straße zu und fuhr weiter. „Ich glaube, dass ich dich heute Morgen besser leiden konnte, als du mich noch unbedingt loswerden wolltest.“

„Ja, aber inzwischen sieht es wohl so aus, als würde ich dich wirklich brauchen.“ Sie verzog das Gesicht. Der Gedanke daran, ihn zu brauchen, irritierte sie. „Dann kann ich dabei doch wenigstens ein bisschen Spaß haben.“

„Das hier ist kein Spiel, Rose.“ Er schüttelte den Kopf, und seine Stimme klang so, als wäre sie ein ungezogenes Mädchen, das er gerade dabei erwischt hatte, wie es die Hand in der Keksdose versenkt hatte. Wenn die Keksdose doch nur seine Hose wäre …

„Das behauptest du.“

Sie fuhren in die Auffahrt eines kleinen, recht weit draußen liegenden Hotels, das Rose noch nie bemerkt hatte. Zwei Tannenbäume vor dem Eingang waren mit Weihnachtslichtern geschmückt. An der Tür hing ein Kranz.

„Es ist nicht das Plaza, aber es wird wohl reichen“, stellte sie vorlaut fest und war gespannt darauf, ob Max etwas erwidern würde.

„Bitte geh schon mal vor, ich folge dir dann mit dem Gepäck und treffe dich in einer Minute an der Rezeption. Sprich mit niemandem.“

„Jawohl, Sir.“ Sie salutierte scherzhaft, bevor sie sich kurz umsah und dann auf den Weg machte.

Sie war sehr nervös, war sich aber zugleich ziemlich sicher, dass Max es bemerkt hätte, wenn ihnen jemand gefolgt wäre. Das war schließlich sein Job, oder? Sie riss sich zusammen und betrat das Hotel. Im Inneren liefen Gäste umher, während das uniformierte Personal sich um sie kümmerte.

Eine Mutter mit einem kreischenden Kleinkind versuchte verzweifelt, es mit einem Schokoriegel in den Kinderwagen zu locken. Zwei Geschäftsmänner saßen im Foyer, ganz in ihre Laptops vertieft. Ein Typ mit Tattoos auf den Unterarmen saß alleine herum, eine Zeitung lag zusammengefaltet in seinem Schoß. Er betrachtete Rose intensiv, beinahe konnte sie seinen Blick auf ihrer Haut spüren. Sie schluckte und sah in der Hoffnung, dass er sie nicht ansprechen wollte, in die andere Richtung.

Plötzlich spürte sie ein Pochen unter ihrem Auge und fuhr mit den Fingern zu dem Veilchen, das sich dort gerade bilden musste. Kein Wunder, dass die Leute sie anstarrten. Wo zur Hölle steckte Max? Er müsste längst bei ihr sein.

Rose zuckte zusammen, als sie plötzlich spürte, wie sich eine Hand schwer auf ihre Schulter legte.

„Ich bin’s nur“, sagte Max und gab ihr eine Chipkarte für ihr Hotelzimmer. „Ich habe uns eingecheckt.“

„Ich habe dich nicht gesehen.“ Adrenalin rauschte durch ihre Adern, ihre Hände zitterten, als sie die Karte entgegennahm.

„Du bist bei mir sicher, Rose.“ Er zog ihren Koffer hinter sich her und legte eine Hand auf ihren unteren Rücken, um sie zum Aufzug zu geleiten. „Ich bin gut in meinem Job.“

Seine Geste war ganz einfach und beruhigend zugleich. Er wusste, was er tat, war Profi in Situationen wie diesen. Sie ließ sich von ihm leiten. Er hatte die Kontrolle.

Er hob die Hand erst von ihrem Rücken, als sie den Aufzug betraten, und sie spürte, wie ihre Haut sich an der Stelle, wo eben noch seine Hand gelegen hatte, beinahe augenblicklich nach seiner Berührung sehnte. War sie etwa so dermaßen ausgehungert, was Zärtlichkeiten anging, dass sie schon die Berührung eines Typen vermisste, der offensichtlich nur seinen Job machte?

Wie armselig. Konnte sie noch tiefer sinken?

Max tippte etwas in sein Handy – von ihrem kurzen gedanklichen Ausraster hatte er anscheinend nichts mitbekommen. In seinen engen Jeans, dem ausgebleichten T-Shirt, seiner Lederjacke und den abgewetzten Schuhen sah er zum Anbeißen aus. Lässig und einfach ganz und gar perfekt. Seine Finger flogen über das Display seines Handys, behände und geschickt. Sie musste schlucken. Wie würden sich seine Finger wohl auf ihrer Haut anfühlen, wenn er sie streichelte? Mit ihr spielte?

Der Aufzug öffnete sich, und Max schob sein Handy in die Tasche, während er ihr den Vortritt ließ. Der Flur des Hotels sah mit den stellenweise freigelegten Backsteinwänden und dem verzierten Teppich aus wie aus einer anderen Zeit. Ihre Suite war direkt die erste neben dem Aufzug. Damit sie im Notfall schnell entkommen konnten?

Hör auf damit, du bist ja schon paranoid. Das Ganze ist bestimmt schnell gegessen. Führ dich bloß nicht auf wie ein Baby! Lenk dich lieber mit diesem Leckerbissen ab …

Max schloss sich mit der Firma kurz und gab durch, dass er die Nacht über auf Rose aufpassen würde. Er übermittelte auch ihren Aufenthaltsort – unter dem Codenamen des Hotels, wie gewohnt – falls etwas passieren sollte. Das Hotel war von seiner Firma überprüft und für sicher befunden worden, und er kannte gleich zwei Kollegen, die um die Ecke wohnten, falls er Verstärkung brauchen sollte.

Dinge genau nach Plan abzuwickeln, war schon immer seine Art gewesen. Er war in dritter Generation Polizist in Victoria geworden; sein starkes Pflichtbewusstsein und sein Gehorsam, was Regeln anging, hatte er quasi schon mit der Muttermilch aufgenommen. Doch längst gab ihm das Befolgen von Regeln nicht mehr die gleiche Sicherheit wie früher. Er hatte sich als Polizist jeden verdammten Tag an die Regeln gehalten – und genau deshalb war Ryan gestorben.

Sein bester Freund war tot. Er konnte es noch immer kaum glauben.

Jedenfalls würde er nie wieder den gleichen Fehler machen. Was mit jemandem wie Rose aber auch so gut wie ausgeschlossen war. Er fragte sich, ob er vielleicht vom Schicksal dafür bestraft wurde, dass zu Hause so viel schiefgelaufen war. Sie war nämlich genau die Art Klientin, die er am anstrengendsten fand: eigensinnig und streitlustig. Und wahnsinnig verführerisch.

Als er vorhin überall in ihrem Schlafzimmer die herumliegenden Luxusdessous gesehen hatte, war etwas Seltsames mit ihm passiert. Er konnte sich seitdem nicht dagegen wehren, sie vor seinem inneren Auge in diesem roten Spitzenbody zu sehen, der an dem einen Bettpfosten gehangen hatte. Vielleicht hatte sie dazu passende Strümpfe. Er seufzte leise und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Für wie lange hast du die Zimmer hier gebucht?“, fragte Rose, während sie die Tür zu ihrer Suite öffnete und das Licht anschaltete.

Die Räume waren einfach eingerichtet, aber die Couch sah gemütlich genug für ihn aus, und außerdem hatte er von hier aus die Schlafzimmertür genau im Blick. Was gut für seinen Job war – aber mies für seinen Verstand.

Draußen war es Nacht geworden. Der Himmel hatte ein tiefes Dunkelblau, vor dem die unzähligen funkelnden Lichter der Stadt schimmerten. Vom Hotel aus konnte man zum Teil die Skyline von Manhattan sehen – wobei zum Teil in diesem Fall zirka zehn Prozent bedeutete.

New York überwältigte ihn noch immer. Er war auf dem Land aufgewachsen, seine Familie war erst mit der Beförderung seines Vaters nach Melbourne gezogen. Und Melbourne war ihm damals riesig vorgekommen, aber New York kam ihm im Vergleich wie ein Monster vor, das mehrere Kleinstädte zum Frühstück verspeist hatte. Es war lauter, schneller, aggressiver. Die schiere Menge an Einwohnern und Fahrzeugen faszinierte Max noch immer, gab ihm noch immer das Gefühl, unheimlich weit von zu Hause weg zu sein.

„Ich habe das Zimmer nur für heute Nacht gebucht“, antwortete er, während er Roses Koffer abstellte. „Morgen können wir früh auschecken und uns gleich auf den Weg zu deiner Wohnung machen.“

„Um den Schaden zu begutachten“, murmelte sie. Dann schürzte sie für einen kurzen Moment ihre vollen Lippen, und ihre gelbgrünen Augen funkelten wie Feuer. „Aber mich kriegen die nicht klein.“

Genau in diesem Moment sah er Rose zum ersten Mal. Die echte Rose. Nicht die Prinzessin, die sich heute Morgen dazu herabgelassen hatte, sein Büro aufzusuchen. Nicht die teuflische Verführerin, die versucht hatte, ihn mit ihrer heißen Gutenachtlektüre aus der Reserve zu locken. Nein, Rose war eine leidenschaftliche Geschäftsfrau, die fest von ihrer Sache überzeugt war. Die für ihre Unabhängigkeit kämpfte. Und genau diese kämpferische Art war es, derentwegen er sie nur noch attraktiver fand … ganz im Gegensatz zu ihrer Annahme, dass er sie nicht leiden mochte.

„Hast du irgendeine Idee, wer hinter den Einbrüchen stecken könnte, Rose?“

Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nicht wirklich. Ich kenne in dieser Stadt doch kaum jemanden.“

„Ist dir vielleicht jemand aus London gefolgt?“

In ihrem Mundwinkel war der Ansatz eines Lächelns zu erkennen. „Ich habe mich in England ein paarmal mit einem Reporter getroffen, der für ein Hochglanzmagazin gearbeitet hat, die Geschichte ist dann ziemlich abrupt zu Ende gegangen. Ich bezweifle allerdings, dass der mir hierher folgen würde.“

„Du wirkst nicht allzu betrübt deshalb?“

„Er war furchtbar schlecht im Bett. Das hätte nie lang gehalten.“

Sie nahm ihre Ohrringe ab und spielte mit ihnen in der Hand, sodass sie das Licht einfingen und funkelten.

„Was ist mit deinem Vater? Hat er Feinde?“

„Das musst du jemanden fragen, der ihn kennt.“ Sie lachte bitter. „Er handelt mit Antiquitäten. Vielleicht hat er jemanden im Preis betrogen? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.“

Max nickte, nahm ihren Koffer und trug ihn ins Schlafzimmer. „Es ist wahrscheinlich besser, wenn du dich jetzt ausruhst.“

Das Zimmer wurde von einem großen Bett dominiert, die cremefarbene Bettwäsche stand in schönem Kontrast zu den auch hier freiliegenden rötlichen Backsteinen der Wand.

Er stellte sich vor, wie sie auf dem Bett lag und das Licht der Nachttischlampe auf ihrer seidigen Haut tanzte. Er konnte ihre nackten Brüste vor sich sehen, die in seinen Händen lagen. Die er mit seinen Lippen liebkoste.

„Was du wohl denkst?“, fragte sie und näherte sich ihm, um ihre Ohrringe auf den Nachttisch zu legen. Ihr Blick war neugierig, scharfsinnig. Wahrscheinlich las sie seine Gedanken genau.

„Das bleibt mein Geheimnis“, murmelte er in sich hinein, während er ihren Koffer aufs Bett legte.

Sie versuchte, den Verschluss ihrer Kette im Nacken zu öffnen. Nach einer Weile gab sie den Versuch jedoch auf. „Könntest du?“, fragte sie und wandte ihm den Rücken zu.

Und wie!

Sie beugte den Kopf nach vorn, sodass er ganz einfach an den Verschluss kam. Er strich ihre Haare zur Seite und spürte dabei, dass sie unter seiner Berührung ganz leicht erzitterte. Der Verschluss war winzig. Seine Finger berührten ihre weiche Haut wieder und wieder, während er sich anstellte wie ein Teenager, der das erste Mal einen BH öffnen wollte.

Ihm wurde heiß. Wenn sie doch nur näher käme, sich an ihn schmiegen würde … Endlich öffnete sich das Schloss, und er trat einen Schritt zurück, beinahe etwas benommen vom Duft ihres Parfüms und dem ungestümen Verlangen, das er gespürt hatte.

Stopp! Stopp! Raus hier, und zwar sofort!

„Ich lasse dich dann mal allein.“ Er räusperte sich. „Du findest mich auf der Couch, wenn etwas ist. Und denk dran, das Fenster zu verschließen.“

Er warf noch einen Blick in den Schrank, der sich in ihrem Zimmer befand, und in das angrenzende Bad. Zufrieden stellte er fest, dass alles sicher war. Sie streifte ihre Armreifen über ihre schlanken Handgelenke, und die feinen Hände und das leise Klimpern verzauberten ihn beinahe erneut. Als sie im Begriff war, sich das Top über den Kopf zu ziehen, drehte er sich schnell um und verließ den Raum.

„Träum süß“, rief sie ihm nach.

3. KAPITEL

Rose lag in ihrem Bett und starrte die Decke an. Mit jedem Knacken oder Knarren, das sie aus der oberen Etage hörte, rückte der Schlaf weiter von ihr weg. Bei jedem Ächzen des Gebäudes, jeder zufallenden Tür, jedem Geräusch, das von der Straße zu ihr hinaufdrang, wand sie sich in ihrem Bett, bis sich das Laken, mit dem sie sich zudeckte, wie eine Python im Todeskampf um sie gewickelt hatte.

Zu wissen, dass Max nur ein paar Meter neben ihr lag, machte die Sache nicht besser. Wie er ihren Nacken berührt hatte, als er die Kette öffnete, war Wasser auf ihre Mühlen gewesen. So griesgrämig und ernst er auch wirken mochte, sie hatte ein Feuer in ihm lodern spüren können. Er hatte sie beruhigt, als sie sich um ihre Sicherheit gesorgt hatte. Er hatte sie herausgefordert, als sie seinen Geschmack infrage gestellt hatte.

Genervt warf sie das Laken von sich und setzte sich auf. In New York wurde es einfach nie richtig dunkel. Die draußen funkelnden Lichter wurden von dem dünnen Vorhangstoff auch nicht wirklich aufgehalten. Der Schall einer Sirene durchbrach das nächtliche Summen der Stadt.

Vergiss es – einschlafen kannst du jetzt auch nicht mehr. Wie wäre es mit etwas Ablenkung …?

Rose zögerte. Sie sehnte sich so sehr danach, nicht mehr allein zu sein, endlich wieder in den starken Armen eines Mannes zu liegen. Sie war es so leid, jede Nacht allein ins Bett zu gehen. Natürlich wusste sie, wie sie sich selbst Freude bereiten konnte … aber das war nicht dasselbe. Max war zum Anbeißen, und er lag gleich nebenan. Was wäre denn so schlimm daran, wenn sie ihrer Sehnsucht nachgäbe? Eine Nacht, in der sie wenigstens einmal ihre Einsamkeit vergessen könnte.

Sie hätte es im Leben nicht laut zugegeben, aber sie brauchte Max. Brauchte ihn genau jetzt mehr als irgendetwas sonst. Was, wenn die Typen, die sie verfolgten, nicht fanden, was sie suchten, und sie vielleicht umbrachten?

Wollte sie wirklich ganz alleine sterben?

Rose schaltete die Nachttischlampe ein und betrachtete sich in dem verzierten großen Wandspiegel. Nein, alleine sterben war ganz und gar keine Option. Sie streifte die Shorts ihres Pyjamas ihre Beine hinunter und unterdrückte ein Lachen. Es war garantiert nicht ihr erster Versuch, einen Typen zu verführen – aber dass es sich dabei um ihren Bodyguard handelte, setzte dem Ganzen schon ein Sahnehäubchen auf!

Sie entschied sich dazu, Baumwolle gegen Seide und Spitze auszutauschen und zog sich den lila Tanga und den dazu passenden BH an – beides hatte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, vorhin noch in ihren Koffer geworfen. Dann zog sie sich den fluffigen weißen Hotelbademantel über und holte das „Notfall“-Kondom aus ihrem Portemonnaie, um es in der Manteltasche verschwinden zu lassen. Sie atmete tief durch und warf einen prüfenden Blick in den Wandspiegel. Ohne Make-up konnte man ihr ansehen, dass sie die letzten Nächte nicht besonders viel Schlaf abbekommen hatte. Aber egal – darauf würde er schon nicht achten.

Der Teppich verschluckte ihre Schritte, während sie zur Zimmertür schlich. Sie presste ein Ohr an die Tür und hielt die Luft an. Nichts. Er musste längst schlafen.

Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter, öffnete die Tür und schlich sich so leise wie möglich ins Wohnzimmer. Sie versuchte, nicht zu atmen, weil sie ihn nicht zu früh wecken und ihren Überraschungsauftritt damit vermasseln wollte.

„Was machst du da?“ Max’ tiefe Stimmer durchschnitt die Dunkelheit.

Rose ließ die Tür weit auffallen, und das Licht ihrer Nachttischlampe erhellte die restliche Suite. „Wieso bist du wach?“

„Ich habe einen leichten Schlaf. Gehört zum Job.“

Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen.

„Was machst du da?“, wiederholte er.

Er saß auf der Couch, trug immer noch sein T-Shirt und die Jeans, war aber barfuß. Sein strubbeliges braunes Haar stand in alle Richtungen ab. Unter seinem Kissen lag irgendetwas. Vielleicht seine Waffe?

„Ich kann nicht schlafen.“ Sie schlenderte zur Couch und setzte sich neben ihn. „Und da dachte ich mir, dass du vielleicht Gesellschaft möchtest.“

„Eben hast du doch noch gedacht, dass ich schon schlafe.“ Im Licht, das aus dem Schlafzimmer zu ihnen herüberschien, sahen seine Züge noch kantiger und umwerfender aus.

„Tust du aber nicht. Also können wir uns auch unterhalten.“

„Ich möchte mich nicht unterhalten.“

„Das wollt ihr Männer nie. Aber ich kann mich mit dir unterhalten, bis du dich zurückunterhältst.“ Sie grinste, als er genervt aufseufzte.

„Du bekommst immer, was du willst, kann das sein?“

Eigentlich müsste ihre Antwort darauf ein klares Nein sein. Denn alles, was sie je gewollt hatte, war, in einer normalen Familie aufzuwachsen. Sie hatte sich Eltern gewünscht, die sie liebten und einander auch. Aber das hatte sie nie bekommen und schließlich begriffen, dass Liebe und Vertrauen so wirklich waren wie der Weihnachtsmann.

Sie konzentrierte sich darauf, dass es in diesem Moment Sex war, den sie wollte – und schon wurde aus dem Nein ein klares Ja.

„Ich bin sehr zielstrebig, wenn du das meinst“, sagte sie. „Und gerade möchte ich mich mit dir unterhalten. Oder gehört das nicht zu deinem Job?“

Er schwieg einen Moment lang, währenddessen sie den Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen erkennen konnte. Dann machte er ihr Platz und wandte sich ihr zu.

„Warum bist du nach New York gekommen?“, fragte sie und beobachtete sein Gesicht dabei genau.

„Nächste Frage.“

„Das sollte eigentlich meine entspannte Gesprächseinleitung werden …“

Er verzog das Gesicht. „Leider habe ich darauf keine entspannte Antwort. Lass uns einfach sagen, dass ich zum Arbeiten hier bin.“

Schlagartig war er wieder angespannt. Seine Lippen formten eine harte Linie, und sein Blick war auf etwas gerichtet, das sie nicht sehen konnte. Etwas, das sie nicht sehen wollte, gemessen an dem Schmerz, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete.

„Was macht dir Vergnügen? Das habe ich schon gefragt, ich weiß, aber letztes Mal hast du nicht geantwortet.“

„Ich laufe.“

„Training ist kein Vergnügen. Das weiß jeder.“ Sie verdrehte die Augen und boxte ihn leicht. Sein Bizeps fühlte sich steinhart gegen ihre Faust an, und ihre spielerische Geste kam ihr sofort unangemessen vor.

„Und was machst du zum Vergnügen, Rose?“

„Ich sehe mir Filme an“, sagte sie. „Actionfilme ganz besonders gern. Mit Riesenwaffen und Explosionen. Die alten Arnie-Sachen zum Beispiel.“

Er zog eine Braue hoch. „Ich hätte dich nie für einen Fan von Actionfilmen gehalten.“

„Warum? Weil ich ein Mädchen bin?“ Sie verdrehte die Augen erneut. „Ich trinke auch Whiskey. Schockiert dich das?“

„Ich hätte eher an Thriller oder Mysteryfilme gedacht.“ Er lächelte. „Du kommst mir vor wie eine, die lieber knifflige Fälle löst, als dem Helden dabei zuzusehen, wie er die Welt rettet.“

Obwohl er damit falschlag, musste sie bei dieser Einschätzung ebenfalls lächeln. „Ich spiele auch manchmal Karten“, fügte sie noch hinzu.

„Ich habe mit meinem Vater früher Karten gespielt.“

„Ich dachte, dass du nicht spielst.“

„Das haben wir auch nicht, nicht wirklich.“ Sein Blick verschwand für einen kurzen Moment wieder in der Ferne, und seine Züge wurden irgendwie weicher. „Meine Mutter hatte eine Dose mit alten Ein- und Zweicentmünzen, die wir zum Spielen verwendet haben. Der Gewinner durfte den Nachtisch bestimmen.“

„Fehlen dir deine Eltern?“

„Ja.“

Etwas in seiner Stimme ließ sie innehalten und nicht weiterfragen. Vielleicht lag es daran, dass sie das Gefühl kannte, die eigene Familie zu vermissen. Auch wenn sie selbst nur die Familie vermissen konnte, die sie gehabt hatte, bevor ihre Eltern sich getrennt hatten.

„Bist du wirklich rübergekommen, um mich über meine Familie auszufragen?“

„Nein.“ Sie neigte den Kopf zur Seite und spielte mit dem Gürtel ihres Bademantels. „Aber ich habe das Gefühl, dass du nicht so viele Menschen hast, mit denen du reden kannst.“

„Warum? Weil ich ein Mann bin?“

„Touché.“ Sie lachte leise. „Du scheinst vor irgendetwas in Australien weggelaufen zu sein. Du warst ganz betrübt, als ich dich auf deine Familie angesprochen habe. Und du hast niemanden angerufen, um Bescheid zu geben, dass du hier übernachtest.“