Ballett bricht Herzen - Sissi Kaipurgay - E-Book

Ballett bricht Herzen E-Book

Sissi Kaipurgay

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Beschreibung

Merlin ist Mitte dreißig und weiß, dass er bald seine Karriere als Tänzer beenden muss. Sein Körper ist der intensiven Beanspruchung nicht mehr gewachsen. Was er danach machen will, steht noch in den Sternen. Fazel Yildirim hat seine Leidenschaft fürs Ballett erst spät entdeckt. Aktuell ist er von dem Primaballerino Allessandro fasziniert. Als er am Hinterausgang rumlungert, um von selbigem ein Autogramm zu ergattern, trifft er Merlin. Außerdem sind da noch Pjotr, den der Ballett-Chef als Ersatz für einen krankheitsbedingten Langzeitausfall in Warschau rekrutiert hat und Gunnar, der sich in den hübschen Tänzer verliebt.

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Inhaltsverzeichnis

Ballett bricht Herzen

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Epilog – einige Monate später

Ballett bricht Herzen

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Korrekturen: Aschure, Dankeschön!

Fotos: shutterstock_1846328656, Silhouette Balletttänzer erstellt mit KI, IStock, lizensiert

Kontakt:https://www.sissikaipurgay.de/

Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

c/o Autorenservice Karin Rogmann

Kohlmeisenstieg 19

22399 Hamburg

Ballett bricht Herzen

Merlin ist Mitte dreißig und weiß, dass er bald seine Karriere als Tänzer beenden muss. Sein Körper ist der intensiven Beanspruchung nicht mehr gewachsen. Was er danach machen will, steht noch in den Sternen.

Fazel Yildirim hat seine Leidenschaft fürs Ballett erst spät entdeckt. Aktuell ist er von dem Primaballerino Allessandro fasziniert. Als er am Hinterausgang rumlungert, um von selbigem ein Autogramm zu ergattern, trifft er Merlin.

Außerdem sind da noch Pjotr, den der Ballett-Chef als Ersatz für einen krankheitsbedingten Langzeitausfall in Warschau rekrutiert hat und Gunnar, der sich in den hübschen Tänzer verliebt.

1.

Manchmal wünschte sich Merlin, wie sein berühmter Namensvetter zaubern und die Zeit zurückdrehen zu können. Auf der anderen Seite wollte er auf die Erfahrungen dieser Jahre nicht verzichten. Insofern war es okay, dass ihm keine Magie innewohnte.

Mit zwanzig war er ins Ensemble des Hamburger Balletts aufgenommen worden. Inzwischen hatte er die Mitte dreißig etwas überschritten. Obwohl er fit wie ein Turnschuh war, fiel es ihm zunehmend schwerer, sein Pensum zu leisten. Ihm war bewusst, dass er nicht mehr ewig auf der Bühne stehen konnte. Seit einiger Zeit hatte er daher sein altes Hobby – Fotografieren – wiederaufgenommen. Vielleicht schaffte er es, an die Erfolge seiner Teenagerzeit anzuknüpfen. Damals hatte er mit seinen Bildern ein paar Preise abgeräumt. Sollte das nicht gelingen, musste er eben von dem, was die von seinen Eltern geerbte Mietskaserne abwarf, leben. Auch kein schlechtes Los. Die Einnahmen reichten locker für seinen Lebensunterhalt und ein bisschen Luxus.

„Traume nicht“, flüsterte ihm Pjotr zu. „Wir mussen gleich heraus.“

Pjotr stammte aus Polen und kämpfte noch mit den Finessen der deutschen Sprache.

Merlin lauschte. In der Tat stand ihr Einsatz unmittelbar hervor. Er folgte Pjotr auf die Bühne. Sobald er im Rampenlicht stand, gab es für ihn nur noch die Musik und seinen Körper. Und – klar – die Choreografie, aktuell die des Stückes Illusionen - wie Schwanensee. Er hatte die Rolle des Prinzen Leopold inne, Pjotr die des Grafen Alexander.

Wie der Name wohl schon verriet, handelte es sich um eine moderne Inszenierung. Na ja, modern ... die Uraufführung fand 1976 statt. Die Choreografie stammte von John Neumeier. Kernpunkt war die Person Ludwig II., bayerischer Märchenkönig, der Irre, der Schloss Neuschwanstein hatte erbauen lassen. Diese Rolle hatte Alessandro, gebürtiger Spanier, bekommen.

Als Merlins Einsatz vorüber war, huschte er hinter den Vorhang und spähte durch einen Spalt ins Publikum. In den ersten Reihen und vorderen Logen saßen die üblichen Verdächtigen: Honoratioren der Stadt sowie Geldadel. Er kannte viele der Gesichter aus der Presse. Einer der Logengäste beäugte durch ein Opernglas das Bühnengeschehen. Vermutlich begutachtete der Typ Allessandros Vorzüge. Der Ballerino performte nämlich gerade allein auf weiter Flur. Es gab also nichts anderes zu sehen.

Er gesellte sich zu Pjotr und den anderen Kollegen. Nur zwei waren genauso lange wie er dabei. In einem Beruf, den man nicht ewig ausüben konnte, fand nun mal häufiger ein Wechsel statt. Manche Tänzer gingen in seinem Alter, manche mit vierzig, manche früher.

Während der Aufführung neigte keiner der Kollegen zum Reden. Lampenfieber empfand Merlin nicht mehr, doch die Anspannung war geblieben. Genau wie die anderen wollte er stets sein Bestes geben, obwohl die Aussicht, vor seinem Ausscheiden noch eine Hauptrolle zu ergattern, inzwischen minimal war. Darum war’s ihm eh nie gegangen. Sein Talent reichte nicht für einen Ballerino.

Eine halbe Stunde später fiel der letzte Vorhang. Es gab frenetischen Applaus. Dreimal musste das gesamte Ensemble wieder auf die Bühne, um sich zu verbeugen. Danach eilte Merlin in den Umkleideraum. Nur die Primaballerina und der Ballerino hatten eigene Kabinen. Er teilte sich eine mit den übrigen männlichen Tänzern.

Wie üblich flogen dumme Sprüche hin und her. Es gab Sprach-Kauderwelsch, weil viele Nationen vertreten waren. Beispielsweise kam Amal aus Indien und benutzte ein Englisch, das kein Mensch verstand.

Rasch schminkte er sich ab, befreite sich aus seinem Kostüm, griff nach einem Handtuch und begab sich in den Waschraum. Schwaden von Wasserdampf schlugen ihm entgegen. Einer der Kollegen sang etwas, das türkisch klang.

Er stellte sich in eine freie Duschnische und die Brause an. Das heiße Wasser war wohltuend. Allzu lange verweilte er jedoch nicht darunter, denn sein Bett rief nach ihm. An den Tagen, an denen Aufführungen stattfanden, beschränkte sich seine Freizeit auf wenige Stunden. Morgen in aller Frühe klingelte der Wecker. Dann ging’s zum Yoga, danach Frühstück und ab zum Training.

Zum Glück stand bald die Sommerpause an. Dass er sich darauf freute war ein weiteres Indiz, dass sich seine aktive Zeit dem Ende näherte. Früher hatte ihm davor gegraust, so viele Wochen der Bühne fernzubleiben.

In Windeseile trocknete er sich ab, zog sich an und winkte den Kollegen zum Abschied zu. Auf dem Weg zum Hinterausgang checkte er sein Smartphone. Keine Anrufe, keine Nachrichten. Von wem auch? Sein soziales Leben fand in der Oper statt – wenn man es denn so bezeichnen wollte. Leute wie er führten ein einsames Leben. Zwischen Tanzen, Tanzen und Tanzen blieb keine Muße, Kontakte zu Menschen, die nicht tanzten, zu pflegen.

Vor der Tür erwartete ihn frischgewaschene Luft. Wie so oft hatte es geregnet. Der Duft von Frühling hing in der Luft. Obwohl sich das Gebäude in Hamburgs dichtbesiedelter Innenstadt befand, war der Jahreszeitenwechsel deutlich spürbar; wahrscheinlich, weil sich in unmittelbarer Nähe ein großer Park befand.

Nachdem er sie tief in seine Lungen gesogen hatte, wandte er sich nach links und stoppte abrupt, als er unversehens einem Typen gegenüberstand. Der Mann hielt das aktuelle Programmheft in der einen, einen Kuli in der anderen Hand.

„Entschuldigung. Sind Sie ... sind Sie Herr Martinez?“, stotterte der Typ.

Ihre Fotos waren in dem Heft abgedruckt. Besondere Ähnlichkeit zwischen ihm und Allessandro, abgesehen von den kurzen, braunen Haaren, gab es nicht. Da die Lichtverhältnisse auf der Rückseite des Gebäudes nicht berauschend waren, konnte man sie aber durchaus verwechseln.

War das einer von Alessandros Verehrern? Es kam vor, dass jemand aus dem Publikum versuchte, einen der Tänzer abzuschleppen. Ihm passierte das auch gelegentlich.

„Nö. Und falls Sie planen, Alessandro mit Ihrem Kuli zu erstechen: Bitte, tun Sie das nicht. Es gibt keinen Ersatz.“ Das stimmte nicht, aber das brauchte der Mann ja nicht zu wissen.

„Ich ... Nein! Ich möchte nur ein Autogramm“, erwiderte der Typ.

Der Mann - schwarze Locken, dunkle Augen - besaß bestimmt südländische Wurzeln und wirkte verunsichert. Merlin fand das sehr charmant. Die Möchtegern-Liebhaber, die sonst am Hinterausgang standen, waren zumeist arrogante Schnösel und hielten sich für ein Geschenk an die Menschheit.

„Sie sind Ballett-Fan?“, erkundigte er sich.

Der Typ nickte eifrig. „Ich hab Schwanensee schon viermal gesehen. Es ist wunderschön.“

Jap, der Mann war eindeutig sehr süß. „Ich bin Merlin. Möchten Sie von mir vielleicht auch ein Autogramm?“

Die Miene des Typen hellte sich auf. „Ja! Natürlich! Bitte ... bitte unter Ihrem Foto.“

Als er versuchte, die Seite mit den Konterfeis der Darsteller aufzublättern, entglitt ihm das Heft. Gleichzeitig bückten sie sich, stießen mit den Köpfen aneinander und taumelten zurück.

Merlin rieb sich die schmerzende Stelle und lachte. „Nun haben Sie zusätzlich noch einen Kopfabdruck von mir.“

Der Typ lächelte zaghaft, hob das Heft auf und wischte übers Cover, wohl, um eventuellen Dreck zu entfernen. „Tut mir leid.“

„Ist ja nichts passiert.“ Merlin nahm ihm das Programmheft weg, schlug die richtige Seite auf und streckte eine Hand nach dem Kuli aus. Nachdem er schwungvoll seinen Namen unter sein Bild gesetzt hatte, schrieb er seine Mobilnummer dazu. Anschließend gab er Schreiber und Heft zurück. „Ich bin Hobbyfotograf. Es würde mich freuen, wenn ich Porträts von Ihnen machen dürfte. Sie haben ein interessantes Gesicht.“

Der Einfall war ihm spontan gekommen. Seine Profession waren eigentlich Detailaufnahmen, wie ein Glassplitter im Sonnenlicht, ein Tropfen und ähnliches. Damit konnte er den Mann, den er gern kennenlernen würde, aber schlecht ködern.

Der Typ guckte verdutzt. „Ich?“

Merlin nickte.

Wieder erschien ein zögerliches Schmunzeln und ließ weiße Zähne erahnen. Jap, definitiv sehr süß. „Ich ... ich überleg’s mir.“

Hinter Merlin sprang die Tür auf. Kollegen strömten nach draußen. Die Aufmerksamkeit des Typen richtete sich auf die Neuankömmlinge.

„Ich hoffe, von Ihnen zu hören“, verabschiedete er sich und schlug den Weg in Richtung Bahnhof ein.

Er vermutete, dass er den Mann wohl nie wiedersehen würde. Dazu war der Typ zu schüchtern. Schade. Es war eine Ewigkeit her, dass ihm jemand, bei dem sein Gaydar ausschlug, auf den ersten Blick so sehr gefallen hatte.

Daheim angekommen wärmte er Milch auf und rührte einen Löffel Honig hinein. Das war sein Entspannungsritual.

Auf der Couch im Wohnzimmer trank er sie in kleinen Schlucken, wobei er den Abend Revue passieren ließ. In der vierten Szene hatte er gepatzt. Daran musste er unbedingt arbeiten. Wenn sie in großen Gruppen agierten, fielen solche Kleinigkeiten zwar nicht besonders auf, trotzdem ... Eine Aufführung musste perfekt ablaufen. Alles andere war Käse.

Nachdem er im Bad seine abendliche Routine abgespult hatte, kroch er ins Bett. Der Schlummertrunk bewirkte, dass er nahezu sofort einschlief.

An den darauffolgenden Abenden hielt er, während Allessandros Solo, vergeblich nach dem Mann im Publikum Ausschau. Auch sein Handy, dem er mehr Beachtung als sonst schenkte, blieb stumm.

Nach einer Woche gab er es auf. Es hatte keinen Sinn sich etwas herbeizuwünschen, das nicht eintreten würde.

2.

Fazel hatte der Vorfall am Bühnenausgang derart mitgenommen, dass er kaum ein Auge zu bekam. Am nächsten Tag war er entsprechend unkonzentriert. Zweimal ertappte er sich bei einem Zahlendreher. Ein untragbarer Zustand. Zudem kleckerte er Tee auf seine Tastatur. Beides zusammen stellte für ihn eine Katastrophe dar.

„Fazel, krieg dich wieder ein“, mahnte seine Kollegin Mirja, mit der er sich ein Büro teilte, als er das vierte Feuchttuch für die Beseitigung des Schadens aus der Packung zog.

„Aber ich muss ...“ „Wenn die Tastatur im Arsch ist, kriegst du eine neue. Und nun hör mit der dämlichen Rumwischerei auf“, fuhr sie ihm über den Mund, die Augenbrauen verärgert zusammengezogen.

Weil er sich nicht mir ihr anlegen wollte, schob er das Tuch zurück in die Packung und verstaute diese in seiner Schreibtischschublade. Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Monitor richtete, zupfte er heimlich ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte damit über die Tasten.

„Ich kann dich sehen“, flötete Mirja, woraufhin er es hastig in den Papierkorb entsorgte.

Zugegeben: Er besaß einen Putzfimmel. An manchen Tagen war dieser stärker ausgeprägt als an anderen. Wenn er emotional aufgewühlt war, wurde es meist schlimmer.

Seufzend lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und nippte am Tee, eine neue Sorte im Programm von Rübezahl, seinem Arbeitgeber. Das Unternehmen hatte sich auf den Online-Handel mit Bio-Produkten spezialisiert. Für ihn, als Veganer, war das der optimale Job.

Der Sencha-Tee schmeckte hervorragend und besänftigte seine Nerven. Nach einigen Schlucken gelang es ihm, vom Putz- zurück in den Arbeitsmodus zu wechseln.

Erst nach Feierabend erlaubte er sich, an die Begegnung mit Merlin Bergmann, dem Tänzer, zu denken. Noch immer erstaunte es ihn, dass jemand sein Gesicht als interessant bezeichnete. Er fand es bestenfalls gewöhnlich.

Seine Faszination fürs Ballett hatte er erst vor Kurzem entdeckt, als er auf YouTube einen Clip anschaute. Danach war er in Illusionen – wie Schwanensee gewesen und für diese Inszenierung entbrannt.

---ENDE DER LESEPROBE---