BASF Handbuch Lackiertechnik - Artur Goldschmidt - E-Book

BASF Handbuch Lackiertechnik E-Book

Artur Goldschmidt

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Beschreibung

Neben traditionellen Standardinformationen werden im BASF Handbuch Lackiertechnik neueste Entwicklungen der Beschichtungstechnik beschrieben und miteinander in Verbindung gebracht. Die aktuellen Schwerpunkte: Lackapplikation, wie Automobilserienlackierung, Coil Coating, Autoreparaturlackierung und allgemeine Industrielackierung. Auch Lacktechnologien werden ausführlich dargestellt. Der Einfluss des Untergrundes auf den Lackierprozess und das Lackierergebnis spielt ebenfalls eine große Rolle und wird eingehend untersucht. Nicht zu vergessen: der aktuelle Stand der europäisch-deutschen Gesetzgebung in Sachen Umweltschutz, Sicherheit, Gesundheit und Qualität sowie Aspekte zur gesellschaftlichen Verantwortung. Besonders interessant für Neueinsteiger und praxisorientierte Leser: Eine Reise durch die verschiedenen Lackierbranchen, mit vielen Abbildungen anschaulich dargestellt. Normtabellen, allgemeine Kennzahlen und Begriffsdefinitionen sowie ein umfangreiches Stichwortverzeichnis komplettieren dieses unverzichtbare Standardwerk der Lackiertechnik.

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Seitenzahl: 1216

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Prof. Dr. Artur Goldschmidt und Dr. Hans-Joachim Streitberger

BASF Handbuch

Lackiertechnik

Umschlagsbild: © plainpicture/Biwa Inc.

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Prof. Dr. Artur Goldschmidt und Dr. Hans-Joachim Streitberger

© 2014 BASF Coatings GmbH, Glasuritstraße 1, 48165 Münster, Germany, (alle Rechte vorbehalten)

Vincentz Network, Plathnerstraße 4c, 30175 Hannover, Germany

ISBN 3-86630-836-1

ISBN 978-3-86630-836-7

Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung der BASF Coatings unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern:

Vincentz Network, Plathnerstraße 4c, 30175 Hannover, Germany

Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029

E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de

Satz: Vincentz Network, Hannover, Germany

ISBN 3-86630-836-1

ISBN 978-3-86630-836-7

eBook-Herstellung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Prof. Dr. Artur Goldschmidt und Dr. Hans-Joachim Streitberger

BASF Handbuch

Lackiertechnik

Vorwort

Das Glasurithandbuch „Lacke und Farben“ ist bei seinem ersten Erscheinen im Jahr 1934 zu einem Standardwerk auf dem Gebiet der Beschichtungsstoffe geworden.

Nachdem die letzte komplett neue Version aus dem Jahr 2002 wegen der umfangreichen Grundlagen- und Anwendungsteile ebenfalls große Akzeptanz am Markt gefunden hatte, folgt nach elf Jahren nun eine dem neuen Wissen und Stand der Technik überarbeitete Auflage.

Durch die Ausrichtung der BASF auf Kernsegmente des Beschichtungs-Marktes werden entsprechende Schwerpunkte stärker behandelt. Dazu zählen die Automobilserien- und Autoreparaturlackierung, Coil Coating und allgemeine Industrielackierungen. Dies bedeutet dennoch eine weitgehend komplette Abdeckung aller industriellen Lackiertechnologien und den dazu gehörigen Produkten.

Für diese neue Auflage des BASF Handbuches Lackiertechnik werden neben den aktuellen Marktzahlen und Entwicklungen in der Gesetzgebung neue Rohstoffe, neue Verfahren und Applikationstechniken aufgezeigt. Dazu zählen u.a. das stärker in den Focus gerückte Gebiet der Nanotechnologie, die für wässrige Lacksysteme bedeutenden Polyurethan-Dispersionen und neue Funktionen der Beschichtungen, sogenannten Smart Coatings. Neue Vorbehandlungs-, Applikations- und Aufbereitungsverfahren wie die Rotations-Elektrotauchverfahren, der integrierte Lackierprozess und die Overspray-Behandlung in der Automobilindustrie als besonders effiziente Lackierverfahren und -techniken werden aufgegriffen.

Die Entwicklung umweltfreundlicher Beschichtungsstoffe und Verfahren in Bezug zur Nachhaltigkeit wird an verschiedenen Stellen des Buches hervorgehoben.

Ein besonderes Anliegen der Autoren für die Neuauflage ist es, durch mehr als 200 neue und ca. 500 aktualisierte Literaturangaben eine Vertiefung des durch das Buch vermittelten Wissens zu ermöglichen.

Bei den zahlreichen Änderungen wurde Wert darauf gelegt, den bewährten Aufbau des Buches unverändert zu belassen. Details über Rohstoffe, Herstell- und Verarbeitungsverfahren sind durch Aussagen über Qualitätssicherung und die spezifischen technischen Anforderungen der einzelnen Branchen ergänzt.

Das BASF Handbuch beginnt mit einem kurzen historischen Abriss des Lackierens, seiner heutigen wirtschaftlichen und technischen Bedeutung sowie den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Ein Kapitel über die Rohstoffe, die Prinzipien zur Produktformulierung und den Herstellverfahren für Beschichtungsstoffe schließt sich an. Es folgen Erläuterungen zu den Eigenschaften der flüssigen und festen Beschichtungsstoffe für die jeweiligen Applikationsarten. Kapitel 5 vermittelt die Anforderungen an Umwelt, Sicherheit und Gesundheit sowie an umweltfreundliche Beschichtungsstoffe auf Basis der aktuellen Gesetzeslage in Europa und Deutschland. Mit vielen Abbildungen werden im Kapitel 7 die wichtigsten Lackierbranchen vorgestellt. Normtabellen, allgemeine Kennzahlen, Abkürzungsdefinitionen, wichtige Internet-Adressen und ein umfangreiches Stichwortverzeichnis bilden den Abschluss des Buches. Die Literaturzitate sowie die allgemeine Literaturhinweise sind den einzelnen Kapiteln zugeordnet.

Unser Dank gilt der BASF Coatings, die die Auflage ermöglicht hat, und den zahlreichen Helfern für ihre Unterstützung und wertvollen Hinweise. Insbesondere gilt unser Dank Dr. Walter Jouck, Dr. Peter Betz, Sabine Rüttgers, Rolf Döring, Jürgen Book, Heike Thöne und Dr. Peter Bachhausen von der BASF Coatings. Außerdem danken wir Bernd Reinmüller, Geschäftsführer im Deutschen Institut für Normung, für die umfassende Hilfe bei der Aktualisierung der Normen. Wir danken Markus Lubig für die bewährte Hilfe bei der Korrektur und Neugestaltung von chemischen und mathematischen Formeln.

Zum Schluss gilt unser Dank den vielen Firmen, die uns die Abbildungen zur Verfügung gestellt haben.

Prof. Dr. Artur Goldschmidt und Dr. Achim Streitberger

Paderborn und Münster, im September 2013

Inhaltsverzeichnis

1Einführung

2Beschichtungsstoff

3Beschichtung

4Lackiertechnologie

5Sicherheit, Umweltschutz und Gesundheit

6Prinzipien des Qualitätsmanagements

7Lackierbranchen

8Normen

9Appendix

10Stichwortverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1Einführung

1.1Definition, Aufgaben und wirtschaftliche Bedeutung

1.2Rückblick

1.3Literatur

2Der Beschichtungsstoff

2.1Rohstoffe

2.1.1Filmbildner

2.1.1.1Naturstoffe

2.1.1.2Syntheseharze

2.1.2Lösemittel

2.1.2.1Theorie des Lösens

2.1.2.2Physikalische Eigenschaften

2.1.2.3Chemisch-physiologische Eigenschaften

2.1.2.4Lacktechnisch wichtige Lösemittel

2.1.3Pigmente und Füllstoffe

2.1.3.1Physikalische Grundlagen für Farbigkeit und Deckvermögen

2.1.3.2Die wichtigsten Pigmente für Beschichtungsstoffe

2.1.3.3Füllstoffe

2.1.4Weichmacher und Additive

2.1.4.1Weichmacher

2.1.4.2Additive

2.1.5Nanoprodukte

2.1.5.1Beschreibung und Definition

2.1.5.2Herstellung von Nanoprodukten

2.1.5.3Anwendungsbeispiele

2.1.5.4Ausblick

2.1.6Zusammenfassung

2.2Vom Rohstoff zum Beschichtungsstoff

2.2.1Allgemeine Regeln zur Rezeptgestaltung

2.2.1.1Verwendungszweck und Qualität

2.2.1.2Produktionsmittel, Applikationsanlagen und Lackierobjekt

2.2.1.3Funktion im Lackieraufbau

2.2.1.4Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit

2.2.1.5Arbeits- und Umweltschutzauflagen

2.2.2Materialfluss in einer Lackfabrik

2.2.3Theorie der Dispergierung

2.2.3.1Pigmentspezifische Eigenschaften zum Dispergierverhalten

2.2.3.2Die Benetzung und Agglomeratzerteilung

2.2.3.3Stabilisierung von Pigmentdispersionen

2.2.3.4Optimale Mahlgutformulierung

2.2.4Produktion von Beschichtungsstoffen

2.2.4.1Schema der Abläufe in einer Lackfabrik

2.2.4.2Rührwerkzeuge

2.2.4.3Dispergiermaschinen

2.2.4.4Trennprozesse bei der Lackherstellung

2.2.5Zusammenfassung

2.3Charakterisierung von Beschichtungsstoffen

2.3.1Messgenauigkeit

2.3.2Prüfung von Rohstoffen und Beschichtungsstoffen

2.3.2.1Sicherheitstechnische und umweltrelevante Kennzahlen

2.3.2.2Chemische Charakterisierung

2.3.2.3Physikalische Kenngrößen

2.3.3Pigmentspezifische Prüfungen

2.3.3.1Kenngrößen des Pigmentes als Rohstoff

2.3.3.2Prüfungen mit dem pigmentierten Beschichtungsstoff

2.3.4Verarbeitbarkeit von Beschichtungsstoffen

2.3.5Zusammenfassung

2.4Literatur

3Die Beschichtung

3.1Vom Beschichtungsstoff zur Beschichtung: Filmbildung

3.1.1Benetzen und Verlaufen

3.1.2Verfestigung des Films

3.1.2.1Physikalische Trocknung

3.1.2.2Chemische Härtung

3.1.2.3Strömungen im sich verfestigenden Film

3.1.3Filmschrumpf

3.1.4Besonderheiten bei festkörperreichen und wässrigen Lacken

3.1.5Messtechnisches Verfolgen des Filmbildeprozesses

3.1.5.1Verlaufen und Ablaufen

3.1.5.2Verfilmen lufttrocknender Lacke

3.1.5.3Indirekte Methoden

3.1.6Zusammenfassung

3.2Eigenschaften und Prüfung von Beschichtungen

3.2.1Schichtdicken

3.2.1.1Nassfilme

3.2.1.2Trockenfilme

3.2.2Trockenfilmdichte

3.2.3Messung von Poren in Lackfilmen

3.2.4Visuelle Eigenschaften

3.2.4.1Glanz

3.2.4.2Farbe und Farbmetrik

3.2.5Mechanisch-technologische Eigenschaften

3.2.5.1Haftfestigkeit

3.2.5.2Elastizität

3.2.5.3Härte

3.2.5.4Abrieb- und Kratzfestigkeit

3.2.5.5Sonstige Prüfungen

3.2.6Zusammenfassung

3.3Beständigkeit von Beschichtungen

3.3.1Grundsätzliches zur Alterung

3.3.2Alterungsprüfungen

3.3.2.1Prüfmethoden zur Oberflächenbeständigkeit

3.3.2.2Korrosionsschutzteste

3.3.2.3Chemikalienbeständigkeit

3.3.3Zusammenfassung

3.4Literatur

4Die Lackiertechnologie

4.1Substrateinfluss

4.1.1Holz und Holzwerkstoffe

4.1.1.1Holz als Werkstoff

4.1.1.2Holz als Werkstück

4.1.1.3Vorbehandlung von Holz

4.1.1.4Veredelung von Holzplatten

4.1.2Metallische Werkstoffe

4.1.2.1Eigenschaften von Metallen

4.1.2.2Vom Werkstoff zum Werkstück

4.1.2.3Vorbehandlungen

4.1.3Kunststoffe

4.1.3.1Kunststoffarten und deren Eigenschaften

4.1.3.2Vorbehandlung

4.1.4Mineralische Untergründe

4.1.4.1Beton, Mörtel, Putze

4.1.4.2Gläser

4.1.5Sonstige Untergründe

4.1.5.1Gummi

4.1.5.2Leder

4.1.6Konstruktion und Lackierbarkeit

4.1.7Zusammenfassung

4.2Lackverarbeitung

4.2.1Verarbeitung von Nasslacken

4.2.1.1Tauchverfahren (Objekt zum Lack)

4.2.1.2Streichen, Rollen, Walz-, Flut- und Gießverfahren (Lack direkt zum Objekt)

4.2.1.3Sprühverfahren (Lack indirekt zum Objekt)

4.2.1.4Lackversorgungsanlagen

4.2.1.5Kabinenkonditionierung und Spritznebelbeseitigung

4.2.1.6Automaten und Roboter zur Lackverarbeitung

4.2.1.7Fördereinrichtungen

4.2.1.8Entlacken

4.2.2Verarbeitung von Pulverlacken

4.2.2.1Rückblick

4.2.2.2Geräte- und anlagentechnische Details

4.2.2.3Lackmaterialien

4.2.2.4Pulverspezifische Prüfmethoden

4.2.3Zusammenfassung

4.3Trocknung und Härtung

4.3.1Filmbildung durch Wärmeübertragung

4.3.1.1Theorie

4.3.1.2Aufbau von Trocknern

4.3.2Härtung durch UV- und Elektronenstrahlen

4.3.3Zusammenfassung

4.4Literatur

5Sicherheit, Umweltschutz und Gesundheit

5.1Gesetzliche Rahmenbedingungen

5.2Sicherheit

5.2.1Fertigung

5.2.2Lagerung

5.2.3Transport

5.2.4Applikation

5.3Umweltschutz

5.3.1Abluft

5.3.2Abwasser

5.3.3Recycling/Entsorgung

5.4Gesundheit

5.5Ökobilanzen

5.6Umweltfreundliche Lacke

5.6.1Emissionsarme Beschichtungen

5.6.1.1High Solids

5.6.1.2Wässrige Lacke

5.6.1.3Pulverlacke

5.6.1.4Strahlenhärtbare Lacke

5.6.1.5Sonstige Lacksysteme

5.6.2Biobasierte Lacksysteme

5.6.3Lackierung durch Folien

5.7Wirtschaftlichkeit von Lackierverfahren

5.8Literatur

6Prinzipien des Qualitätsmanagements

6.1Qualitätsbegriffe im Wandel der Zeit

6.2Lackier- und Lackfehler

6.2.1Fehleridentifikation und Ursachenfindung

6.2.2Die häufigsten Ursachen für Oberflächenstörungen

6.2.3Zusammenfassung

6.3Materialkontrolle

6.4Fehlervermeidung durch Prozesskontrolle und Regelkreise

6.5Qualitätsmanagement

6.6Literatur

7Lackierbranchen

7.1Automobilserienlackierung

7.1.1Vorbehandlung

7.1.2Elektrotauchlackierung

7.1.3Nahtabdichtung und Unterbodenschutz

7.1.4Füller

7.1.5Decklackieren

7.1.6Reparatur der Serienlackierung

7.1.7Ausblick

7.2Automobilreparaturlackierung

7.3Automobilzulieferindustrie

7.4Coil Coating

7.5Nutzfahrzeuge

7.6Maschinenbau

7.7Weiße Ware

7.8Baubedarf

7.9Schienenfahrzeuge

7.10Holzlackierung

7.11Sonstige Anwendungsgebiete

7.11.1Objektschutz

7.11.2Stahlmöbel

7.11.3Flugzeugindustrie

7.11.4Elektroisolierlacke

7.11.5Kommunikationstechnik

7.11.6Straßenmarkierungsfarben

7.11.7Schiffsbau

7.11.8Windenergie

7.11.9Smart Coatings

7.11.10Sonstige Lackieranwendungen

7.12Literatur

8Normen

8.1Allgemeines zur Normenarbeit

8.2DIN-Normen für die Lackindustrie und deren Anwenderkreise (Auswahl)

8.2.1.Normen nach Nummerierung aufsteigend geordnet

8.2.1.1Begriffsnormen

8.2.1.2Normen für Beschichtungsstoffe

8.2.1.3Normen für Beschichtungen

8.2.1.4Normen für Aluminium

8.2.1.5Normen für Bandbeschichtungen (Coil Coatings)

8.2.1.6Normen für verzinkten Stahl

8.2.1.7Normen für Holz im Außenbereich

8.2.1.8Normen für den Korrosionsschutz von Stahlbauten

8.2.1.9Normen für kerntechnische Anlagen

8.2.1.10Normen für Luft- und Raumfahrt

8.2.1.11Normen für mineralische Untergründe und Beton im Außenbereich

8.2.1.12Normen für den Schiffbau

8.2.1.13Dispersionsbeschichtungen für den Innenbereich

8.2.1.14Kunstharzputze

8.2.1.15Pulverlacke

8.2.1.16Straßenmarkierungsfarben

8.2.1.17Heizkörper-Beschichtungen

8.2.1.18Oberflächenvorbereitung

8.2.1.19Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS)

8.2.1.20Farbmetrik

8.2.1.21DIN-Fachberichte

8.2.2Normen nach Stichwort geordnet

8.3Literatur

9Appendix

9.1Liste der physikalischen Größen

9.1.1Lateinische Symbole

9.1.2Griechische Symbole

9.2Internet-Adressen von Beschichtungsstoff relevanten Institutionen (Auswahl)

9.2.1Organisationen/Verbände/Behörden

9.2.2Publikationen/Informationen

9.2.3Institute/Hochschulen

9.2.4Verschiedenes

9.3Lacktechnische Begriffe/Akronyme/Abkürzungen

Autoren

Stichwortverzeichnis

1Einführung

1.1Definition, Aufgaben und wirtschaftliche Bedeutung

Die Lackiertechnik hat die Aufgabe, Wirtschaftsgütern durch organische Beschichtungen Oberflächenschutz, Schmuck und zahlreiche Sonderfunktionen zu verleihen. Die Produkte des täglichen Gebrauchs werden häufig erst durch die Oberflächenbehandlung gebrauchstüchtig und damit verkaufsfähig. Um dieses zu erreichen, müssen entsprechende Lackformulierungen, deren Produktionsanlagen, der Beschichtungsstoff und für das Produkt geeignete Beschichtungsprozesse zur Verfügung stehen. Die durch den Beschichtungsprozess zu erzielende Qualität ist allerdings nicht allein eine Funktion des für die Beschichtung eingesetzten Lackmaterials. In erheblichem Umfang sind das Lackierobjekt selbst mit seinem spezifischen Werkstoff, seiner Formgebung bzw. Konstruktion und ein angepasstes Applikationsverfahren weitere entscheidende Größen. Will man den permanenten Aufgaben der Qualitätsoptimierung und der Rationalisierung bei geringer Belastung für Mensch und Umwelt gerecht werden, sind die erwähnten Abhängigkeiten nicht nur zu kennen, sondern als Rahmenbedingungen von der Entwicklung bis zur Anwendung zu berücksichtigen. Die Lackiertechnik ist somit eine Querschnittsdisziplin.

Abbildung 1.1.1: Lackierte Güter des täglichen Lebens

Quelle: VdL

Lacke und Farben sind keine Endprodukte, sondern lediglich Vor- bzw. Zwischenprodukte, die aus den erwähnten Gründen noch des sachkundigen und gewissenhaften Anwenders bedürfen, um sich in das eigentliche Endprodukt, die Lackierung zu verwandeln. Erst der ausgehärtete Lacküberzug, in vielen Fällen eine aus mehreren Einzelschichten bestehende Beschichtung vermag die Wünsche und Forderungen zu erfüllen, die an die lackierten Produkte gestellt werden.

Abbildung 1.1.2: Bestimmende Faktoren für die Qualität von Lackierungen

Zwei der wichtigsten von den vielfältigen Funktionen, die Lackierungen zu erfüllen haben, sind Schutz und Dekoration. Ebenfalls beachtenswert sind die informativen Aufgaben sowie das Erzielen spezieller physikalischer Effekte. Die Auffälligkeit von Feuerwehrwagen, das Tarnen von militärischen Objekten oder die Markierungen auf Straßen oder Flughäfen sind nur einige der informativen Aufgaben von Lackierungen. Mit Farbmarkierungen können Flächen oder Räume deutlich begrenzt oder unterteilt werden. Hilfreich zeigen typisierte Farben den Inhalt von Behältern oder das Transportgut in Rohrleitungen an. Durch Farb- und Metallpigmente hervorgerufene optische Effekte vermitteln einer Lackierung einen besonderen optischen Reiz. Gezielt erzeugte Oberflächenstrukturen wie Narben oder Runzeln erweitern die Palette der erzielbaren Effekte. Eine unter Berücksichtigung von physiologischen und farbpsychologischen Erkenntnissen ausgeführte Farbgebung von Räumen und Maschinen trägt in verschiedener Hinsicht auch zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einer Erhöhung der Sicherheit bei. Funktionelle Pigmente erzeugen beispielsweise durch thermochromes Verhalten wärmeabhängige Farbigkeit und erlauben damit indirekt die Messung von Objekttemperaturen.

Die aus ökonomischer Sicht wichtigste Aufgabe von Beschichtungen ist der Oberflächenschutz. Lackierungen dienen somit dem Werterhalt und der Verbesserung der Gebrauchseigenschaften fast aller Produkte und sind deshalb von herausragender volkswirtschaftlicher Bedeutung. Besonders hervorzuheben ist der Schutz metallischer Werkstoffe, die durch Lackieren erst einen dauerhaften Korrosionsschutz erhalten.

Dabei ist z.B. im Automobilbau die Resistenz des Lackieraufbaus gegenüber äußeren, z.T. aggressiven natürlichen und anthropogenen Atmosphärilien wie Baumharz, Vogelkot, Säuren, Laugen, Salzen und organischen Lösemitteln zu garantieren.

Die Schutzfunktion darf selbst unter extremen mechanischen Belastungen wie Steinschlag durch aufgewirbelten Straßenschmutz oder durch die Bürstenstriche auf Automobillackierungen nicht beeinträchtigt werden.

Außerdem müssen Lackierungen kombinierten, d.h. physikalischen und chemischen Einflüssen standhalten, wie sie z.B. bei der Belastung im Wetter vorliegen. Durch das Wechselspiel von Sonnenschein, Regen, Hitze und Frost in Verbindung mit Emissionen aus Feuerungsanlagen und Verbrennungsmotoren, durch Ozon und Salznebel werden hohe Ansprüche an die Widerstands- und Schutzfähigkeit einer Beschichtung gestellt.

Das Aufbringen eines Oberflächenschutzes kann aber auch der Erfüllung ganz anderer Aufgaben dienen. Zur Erhöhung des Gebrauchswertes lassen sich durch raue oder griffige Lacküberzüge Fußböden und Treppenstufen rutschfest machen. Im Gegensatz dazu vermag man durch glatte Lacke die Oberflächenreibung herabzusetzen, um so eine hohe Gleitfähigkeit einzustellen. Brennbare Materialien können durch flammhemmende Beschichtungen gesichert werden. Keimtötende Anstriche helfen bei der Sterilhaltung von Arbeits- und Lagerräumen in Molkereien und Brauereien oder verhindern Muschel- und Algenbewuchs an Schiffsrümpfen. In der Elektrotechnik lassen sich Drähte, Wicklungen, Kondensatormaterialien mit Isolierlacken wirksam und beständig isolieren. Anderseits kann man mit Hilfe von Leitlacken der Oberfläche von isolierenden Untergründen elektrische Leitfähigkeit verleihen oder sogar elektrische Schaltungen aufdrucken. Ferner können organische Beschichtungen zur Reduzierung von Lärmbelastungen beitragen. Antidröhnbelege für Maschinen und Unterbodenschutz für Pkw sind als Beispiele zu nennen.

Dieses breite Spektrum an Anforderungen macht es begreiflich, dass es kein Lackmaterial gibt, das allen Wünschen gleichzeitig gerecht werden kann. Das angestrebte Ziel, zu vertretbaren Preisen Beschichtungsstoffe für den dauerhaften Schutz, die Verschönerung und Veredlung von Gegenständen aus Holz, Metall, Kunststoff oder mineralischen Werkstoffen zur Verfügung zu stellen, lässt sich nur auf verschiedenen Wegen mit unterschiedlichen Materialien und Materialkombinationen erreichen. Jede dieser Kombinationen zielt auf ein begrenztes Feld von Untergründen, eine ausgewählte Auftragstechnik und ein spezifisches Bild von Filmeigenschaften ab.

Abbildung 1.1.3: Regionale Aufteilung des Weltmarktes für Lacke und Farben im Jahre 2010

Lackiert wird bei der Metallverarbeitung, im Maschinen- und Gerätebau sowie in der Elektroindustrie. Wichtige Lackträger sind Fahrzeuge aller Art, Schiffe und Flugzeuge. Ein wirksamer Oberflächenschutz durch Lacke und Farben ist auch im Hoch- und Tiefbau, bei Stahlkonstruktionen, Betonbauten und in der Holzverarbeitung unerlässlich. Selbst Kunststoffe und Leder bedürfen in vielen Fällen der Beschichtung. Moderne Verpackungen aus Papier, Kunststoff oder Blech sind ohne Veredelung in Form von Schutz und Schmuck durch Lack nicht denkbar.

Der weltweite Lackmarkt reflektiert die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen. So ist er in der sogenannten Triade (Nordamerika, Europa, Südostasien) am weitesten entwickelt. Der Lackverbrauch in diesen Regionen beträgt ca. 4,5 kg per Einwohner. Das Wachstum des Lackverbrauches wird durch die wirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen Regionen bzw. Ländern bestimmt [1.3.1].

Der hohe Wert und große Nutzen von Beschichtungen machen das weite Feld ihres Einsatzes und ihrer Verbreitung verständlich. Es gibt nur wenige Gegenstände, die nicht eines Überzuges durch einen Beschichtungsstoff bedürfen. Daraus lässt sich die enorme Bedeutung des Lackierens erahnen. Die Bemessung dieser Bedeutung allein anhand der weltweit produzierten Menge an Beschichtungsstoffen von 30,5 Mio. t im Jahre 2010 mit einem Wert von ca. 80 Mrd. Euro (Abbildung 1.1.3) führt nur zu einem unvollkommenen Bild.

Mengenangaben über Lackmaterialien sind zwar keine direkten Aussagen über die Wertschöpfung von industriellen Gebrauchsgütern, erlauben aber unter Berücksichtigung der aufzubringenden Schichtdicke die Berechnung von Flächen, die durch Beschichtungsstoffe geschützt bzw. ästhetisch gestaltet werden können. Bei einer jährlichen Produktionsmenge von 30,5 Mio. t und einer Nassfilmdicke von 100 μm (0,1 mm) errechnet sich, dass etwa 340.000 km2 Fläche mit einem Lacküberzug versehen werden können. Das sind etwa 3/4 der Fläche Deutschlands. Lackiert man andererseits mit dieser Menge ein 10 m breites Band von 100 μm Schichtdicke, so könnte man dieses etwa 100-mal zwischen Erde und Mond spannen oder 650-mal um die Erde wickeln.

Um zu einer noch besseren Beurteilung zu gelangen, sollte man den Wert der wirkungsvoll geschützten und veredelten Produkte zu Grunde legen. Unter der Annahme, dass durchschnittlich eine Wertsteigerung von 20 % der produzierten Güter durch Lackierung in Form von Verlängerung des Gebrauches und Steigerung der Attraktivität erzielt wird, bedeutet dies auf Deutschland bezogen 140 Mrd. Euro für das Jahr 2012. Dies stellt das 70-fache des Verkaufswertes der Lacke dar.

Abbildung 1.1.4: Weltweiter Lackmarkt 2010 aufgeteilt nach Branchen

Die Aufteilung des Marktes in Branchen bzw. Segmente ist weltweit nicht einheitlich. Man findet in einigen Darstellungen jedoch übereinstimmend die Segmente Bautenanstrichmittel, allgemeine Industrielacke, Automobillacke und Druckfarben.

Mengenmäßig den größten Lackmarkt mit 54 % stellen die Bautenanstrichmittel dar. Es folgt mit 38 % der Markt der industriellen Lackierung verschiedenster Objekte angefangen bei Compact Discs über Kunststoffstoßfänger für Automobile bis hin zu Schienenfahrzeugen und Flugzeugen. Die Automobilserien- und -reparaturlackierung sind jeweils klar definierte Segmente mit hohem technologischen Wert, allerdings im Absatz weniger bedeutend. Die in der Abbildung 1.1.4 nicht aufgeführten Druckfarben machen ca. 4 % vom weltweiten Bedarf an Beschichtungsstoffen aus und sind zwar technologisch und marktmäßig, nicht aber von ihrer Zusammensetzung her ein deutlich separates Segment.

Die Größe des Marktes in Europa betrug im Jahre 2011 9,4 Mio. t. Die Branchenaufteilung ist leicht zu Gunsten der industriellen Lackierung und Druckfarben im Vergleich zur Welt verschoben. Deutschland führt mit einem Verbrauch von ca. 1,5 Mio. t vor Italien, Frankreich, Großbritannien und Spanien, die alle zwischen 0,8 und 1,0 Mio. t liegen. Die Größe des nordamerikanischen Marktes (NAFTA) betrug 6,6 Mio. t in 2010, die von etwa 800 Lackunternehmen erwirtschaftet wurden.

Die Abbildung 1.1.5 gibt einen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung der Lackindustrie in Deutschland seit 2006, die eng mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verknüpft ist.

Kennzeichnend für die Lackiertechnik ist neben dem Lackverbrauch der immer noch hohe Energieverbrauch für die Lackverarbeitung, der weltweit auf ca. 200 Milliarden kWh pro Jahr geschätzt wird. Dieser Wert entspricht dem Energieinhalt von ungefähr 30 Mio. Tonnen Erdöl. Addiert man hierzu noch die zur Materialproduktion notwendigen Rohstoffe ebenfalls in Form von Erdöläquivalenten, so ergibt sich für die weltweite Herstellung und Verarbeitung von Beschichtungsstoffen eine Gesamtrohölmenge von ungefähr 120 Mio. Tonnen oder ungefähr 3 % der jährlichen Welterdölförderung von ca. 4 Mrd. Tonnen in 2012.

Die gesetzlichen Anforderungen an umweltfreundliche Lackierprozesse haben in den letzten 20 Jahren zu einer verstärkten Anwendung entsprechender Beschichtungsstoffe geführt. Zu diesen zählen vorrangig lösemittelfreie Pulverlacke, wässrige Lacke, bei denen organische Lösemittel ganz oder teilweise durch Wasser ersetzt sind, festkörperreiche („High Solid-“) Lacke und strahlenhärtende Lacke, die entweder in wässriger Lösung oder gänzlich ohne konventionelle Lösemittel mit Hilfe von niedermolekularen Reaktivverdünnern verarbeitet werden. Wie Statistiken des Verbandes der deutschen Lackindustrie (VdL) zeigen, haben diese Lacke in den letzten 10 Jahren das größte Wachstum erzielen können.

Die immer wieder verbesserten Kenntnisse und verstärkte Gesetzgebung zur Toxikologie der Einsatzstoffe führen zu einem regelmäßigen Austausch von Rohstoffen, der mit entsprechendem Entwicklungsaufwand verbunden ist, will man den erreichten Stand der Qualität halten.

Abbildung 1.1.5: Produktion von Lacken und Farben in Deutschland 2006 bis 2010

Abbildung 1.1.6: Aufgliederung des Lackmarktes 2010 in Deutschland nach Produktklassen

Quelle: VdL

Was den Energieverbrauch angeht, besteht immer noch Bedarf, Rohstoffe und Energie wirtschaftlicher einzusetzen. Ein Teil des Materials geht auf dem Weg zur Beschichtung verloren. Eine besondere Rolle spielt dabei das Spritzapplikationsverfahren, das für viele Lackierobjekte wegen der optischen Attraktivität und gewünschten Farbtonvielfalt erforderlich ist. Bei der Beschichtung von Holz und Kunststoffen haben sich die effektiveren elektrostatischen Spritzverfahren noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Zusätzlich verlassen erhebliche Mengen an Wärmeenergie die Lackieranlagen. In den vergangenen Jahren haben viele Entwicklungen die Effizienz der Lackierprozesse so weit gesteigert, dass der Lackmarkt in den industriell hoch entwickelten Ländern nur noch unterhalb des Bruttoinlandsproduktes (BIP) wächst.

Bedingt durch die Verwendung von Lösemitteln als Applikationshilfe für Lacke wurden bei einem durchschnittlichen Lösemittelanteil von 50 % Kohlenwasserstoff-Emissionen von etwa 200.000 t im Jahre 2007 allein in Deutschland erwartet [1.3.2].

Während die durch Kraftfahrzeuge bedingte Emission organischer Stoffe durch die Einführung des Katalysators in den letzten 30 Jahren auf weniger als 1/3 reduziert werden konnte, sind die Erfolge in der Lackiertechnik bedeutend schwieriger zu erreichen. Trotz der Verwendung von wässrigen Lacksystemen und Pulverlacken auch in den kleinen und mittelgroßen Betrieben nach dem Inkrafttreten der EU-VOC (Volatile Organic Compounds)-Richtlinie von 1999 und der Umsetzung in Deutschland durch das 31.BImSchG wird bei konstanter Anwendung lösemittelhaltiger Lacksysteme nach Schätzung des Bundesumweltamtes im Jahre 2020 die Lackindustrie immer noch 30 % der gesamten Lösemittelemissionen ausmachen [1.3.3].

Bedeutende Erfolge in den Lack produzierenden wie auch Lack verarbeitenden Unternehmen sind im Hinblick auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu verzeichnen. So steht seit einiger Zeit die chemische Industrie an der Spitze der Unfallstatistiken in Deutschland mit den geringsten Vorkommnissen. Gesundheitsrisiken durch Lacke und Beschichtungen werden vor allem in Europa mit u.a. REACH [1.3.4] und der Biozid-Verordnung [1.3.5] sowie in Nordamerika mit u.a. der CAA (Clean Air Act) und TSCA (Toxic Substances Control Act) durch die Gesetzgebung und gesellschaftliche Auseinandersetzung so gering wie möglich gehalten und haben zur erheblichen Änderungen in den Lacktechnologien und -rezepturen geführt.

Bei der Erstellung dieser Situationsanalyse wird deutlich, dass Lackhersteller und Lackverbraucher, obwohl in verschiedenen Wertschöpfungsstufen angesiedelt, aus technischer Sicht aufs engste miteinander verbunden sind. Der Lackhersteller entwickelt und liefert Lacke an den Verbraucher, dieser verändert das Produkt während der Verarbeitung durch physikalische, physikochemische und chemische Prozesse und überführt es dadurch in eine haftende, mechanisch feste und gleichzeitig elastische Lackierung.

Der Weg der chemischen Veränderungen vom Rohstoff zur Lackierung wird beim Rohstoff- bzw. Lackhersteller begonnen, dann bewusst unterbrochen, um während der Verarbeitung vom Lackverbraucher wieder aufgenommen zu werden. Das Eigenschaftsbild einer Lackierung wird durch den Lack und damit durch den Lackhersteller zwar präformiert, aber durch den Verarbeiter erst erzeugt. Die industrielle Lackierung von Gebrauchsgütern ist somit ein Gemeinschaftswerk von Lackherstellern und Lackverarbeitern.

Der Lackhersteller kann heute, wenn er seine Aufgabe richtig versteht, nicht nur Lack entwickeln, herstellen und verkaufen. Er hat die zusätzliche Aufgabe, durch permanente technische Präsenz und Assistenz auch die Voraussetzungen für erfolgreiches Lackieren zu schaffen. Dies umfasst weitgehend Material und Verfahren und geht hin bis zu Detailfragen des Umwelt- und Arbeitsschutzes. Der Lackhersteller bietet gleichsam ein Paket an, in dem das Material nur eine Komponente von vielen Leistungen darstellt (siehe Abbildung 1.1.7). Dies hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Verantwortung für ein qualitätsgerechtes Lackierergebnis zunehmend in die Hände der Lacklieferanten gegeben wird (siehe Kapitel 7.1.7).

Neben den technischen Aufgaben der Herstellung und Verarbeitung von Beschichtungsstoffen ist besondere Aufmerksamkeit auf die Methoden der Qualitäts- und Gütesicherung zu richten. Die Qualitätssicherung verknüpft innerhalb des Unternehmens die Produktion mit den Forschungs- und Verkaufsabteilungen. Dabei muss die Produktion in der Lage sein, die vom Kunden geforderte Qualität reproduzierbar zu erzeugen, der Verkauf die Gesamtkosten erkennen, um entsprechende Preise zu erzielen.

Dem Lackhersteller erwachsen jedoch spezifische Probleme, da neben der Konstanz der Materialqualität gleichzeitig auch eine Konstanz der Verarbeitbarkeit der Lacke gefordert wird. Nur so werden die besten Voraussetzungen geschaffen, um ein gleichmäßiges Lackierergebnis zu erzielen. Das bedeutet, dass Lackkonfektionierung nicht allein darin zu sehen ist, eine mit einem Urmuster identische Zusammensetzung zu erzielen. Vielmehr bedeutet Lackprüfung dadurch, dass physikalische Größen nur in wenigen Fällen als ein Kriterium für das Praxisverhalten von Beschichtungen herangezogen werden können, notwendigerweise auch die Simulation des Applikationsverfahrens beim Lackverarbeiter. Daraus ergibt sich aufgrund sehr unterschiedlicher Spezifikationsbedingungen und den daraus erwachsenden unterschiedlichen Anforderungen an die Lackierung eine Vielzahl verschiedenartiger Prüfmethoden. Diese zu vereinheitlichen und in ihrer Gesamtzahl zu reduzieren, ist ebenfalls eine vornehmliche Aufgabe aller Beteiligten.

Abbildung 1.1.7: Technische Einflüsse auf das Lackierergebnis

Qualität und Kosten einer Lackierung werden, wie eingangs erwähnt, nicht nur durch das Lackmaterial und ein abgestimmtes Verarbeitungsverfahren, sondern sehr wesentlich auch durch den Lackieruntergrund, d.h. durch den Werkstoff und die Konstruktion des Lackierobjektes vorgeben. Hiermit wird erkennbar, dass es von großer Bedeutung ist, die Oberflächenbehandlung, die Auswahl des Werkstoffes bzw. seine konstruktiven Eigenschaften schon bei der Produktkonzeption zu berücksichtigen und sie in das Gesamtgeschehen zu integrieren.

Lackiertechnik ist also eine komplexe Verknüpfung chemischer, physikalischer, verfahrenstechnischer, ökologischer und ökonomischer Einflussgrößen. Bedingt durch den technischen Fortschritt und beschleunigt durch gesetzgeberische Auflagen befindet sich diese Disziplin in einem permanenten Wandel. Daraus erwächst die Aufgabe, Wohlbekanntes mit neuem Wissen zu verknüpfen. Dabei kann industrielle Lackiertechnik nur dann in ihrer Gesamtheit erfasst und verstanden werden, wenn neben einem detaillierten Wissen über die Lackverarbeitung in gleicher Weise auch die Eigenarten des Beschichtungsmaterials und des Lackierobjekts bekannt sind und darüber hinaus alle qualitätsbestimmenden Variablen im Spiegel ökonomischer und ökologischer Forderungen berücksichtigt werden.

1.2Rückblick

Der folgende Rückblick auf die Materialien und Lackiermethoden der Vergangenheit hat das Ziel, durch Aufzählen von wenigen Schlüsselereignissen die verschlungenen Wege der Lackiertechnik in die Gegenwart zu erhellen, um deren Fortschritte transparenter zu machen.

Beschichtungsmaterialien der frühen Vergangenheit waren Naturharze. Dioscorides und Plinius informieren aus der Zeit der Griechen und Römer u.a. über den Einsatz von zahlreichen exotischen Naturharzen. Später erfahren wir etwas über die Bedeutung von Kolophonium, Kopalen, Schelllack oder Dammar. Noch später im 12. Jahrhundert wird über die Kombination von harten Naturharzen wie z.B. Bernstein mit verharzenden, d.h. chemisch härtenden natürlichen Ölen berichtet [1.3.6].

Die Applikationsverfahren waren bis dahin ausschließlich Pinsel- oder Wischtechniken, ohne Emission, Abwasser und Lackierabfälle.

Der Mönch Rodgerus von Helmershausen berichtet in seinem Buch Schedula Diversarium Artium erstmals um die Jahrtausendwende ausführlich über die Zusammensetzung und Herstellung des damaligen Standardlackes [1.3.7]. Er gilt somit als der Ausarbeiter der ersten verbindlichen Lackrezeptur mit detaillierten Produktionshinweisen.

Leinöl und Bernstein (damals „Gummi“ genannt), werden im Verhältnis 2 : 1 miteinander verkocht, das Hartharz Bernstein als nichtflüchtiger Filmbildner, das Leinöl als chemisch vernetzender Reaktivverdünner. Lösemittel zur Viskositätseinstellung wurden zum damaligen Zeitpunkt wegen nicht ausreichender Verfügbarkeit nicht berücksichtigt.

Im 10. Jahrhundert waren es die Araber mit dem Arzt Abu Mansur, der den Europäern die Kunst des Destillierens vermittelte [1.3.8]. Diese Kunst wurde daraufhin u.a. zur Gewinnung von Terpentinöl eingesetzt. Als die Gebr. von Eyk am Anfang des 15. Jahrhunderts die von Rodgerus von Helmershausen erstmalig systematisch beschriebene Rezeptur durch die Position des Terpentinöls erweiterten, war die physikalische Trocknung und damit die Emission erfunden [1.3.9]. Dieses Ereignis ist deshalb bemerkenswert, weil sich dadurch zum einen die Anwendung des Lackierens erheblich ausweitete, andererseits die sich daraus entwickelte ökologische Problematik auch heute noch einen erheblichen Teil der lackspezifischen Forschungskapazität bindet.

Nach der denkwürdigen „Erfindung“ der Emission folgte dann sehr viel später die Erfindung des Abfalls. Gemeint ist die Einführung des Fließbandes durch Henry Ford Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts als Start der industriellen Lackiertechnik.

Das Fließband hat der Welt enorme Vorteile im Hinblick auf eine schnelle und damit auch wirtschaftliche Fertigungstechnik gebracht. Die dazu notwendigen rascheren Lackierabläufe waren aber nur mit schnelltrocknenden Lacken und einer neuen Applikationstechnik voll zu nutzen. Die Konsequenz daraus war die Substitution der über einen Zeitraum von mehreren Wochen härtenden Öllacke durch die schnelltrocknenden

Rodgerus von Helmershausen, genannt Theophilius, beschreibt um 1000 n. Chr. in seinem Buch „Schedula Diversarium Artium“ im Kapitel 21 die Herstellung von Beschichtungsstoffen und gibt detaillierte Hinweise zur Rezeptgestaltung:

•Bringe Leinöl in einen kleinen Topf und gib Gummi, welcher Forniß genannt wird hinzu ...

•Auf andere Weise stelle vier Steine zusammen ... setze darüber einen rohen Topf und fülle darein den genannten Gummi-Forniß, welcher römisch Glassa genannt wird ...

•Dann bringe sorgsam das Feuer darunter, bis der Gummi geschmolzen ist.

•Habe auch einen dritten Topf in der Nähe auf die Kohlen gestellt, worin sich warmes Leinöl befindet ...

•Gieße das warme Öl darauf und rühre mit dem Eisen ...

•Hinsichtlich der Masse siehe, dass es zwei Teile Öl und der dritte Gummi sei ...

Abbildung 1.2.1: Erstes Originalrezept eines Beschichtungsstoffes von Theophilius

Nitrolacke mit Lösemittelanteilen bis zu 80 %. Gleichzeitig musste die bis dahin übliche abfallfreie Pinseltechnik durch das Spritzverfahren ersetzt werden. Die Einführung der bereits im 19. Jahrhundert von de Vilbiss erfundenen Spritzpistole führte aber gleichzeitig aufgrund des äußerst schlechten Materialauftragswirkungsgrades von weniger als 50 % zu einem neuen Problem: der Entstehung von Farbabfällen und gleichzeitig wegen der erheblich höheren Lösemittelanteile der Nitrolacke zu einer drastischen Zunahme von organischen Emissionen.

Das Jahr 1920 bringt uns dadurch in eine völlig neue Situation ohne eine dem neuen Problem angepasste Sichtweise. Diese musste sich erst im Laufe der nächsten Jahrzehnte entwickeln. Das Fließband bedeutete technischen Fortschritt in Form einer gesteigerten Qualität der Beschichtungen durch verbesserte Applikation und einer ökonomischeren Fertigungstechnik, jedoch auf Kosten der Umwelt in Form von Abfall und Emission.

Die Einführung des Fließbandes manifestiert somit die auf die Gebr. van Eyk zurückgehende Problematik und ist gleichzeitig der Beginn der Metamorphose eines Handwerks zu einem Segment der industriellen Fertigungstechnik.

Bis zum endgültigen Bewusstwerden dieser Situation und einer entsprechenden konzertierten Aktivität bedurfte es der Unterstützung durch die Politik durch das Verabschieden von Umweltschutzgesetzen. Die in der Folgezeit erbrachten Innovationen waren nicht mehr nur Ergebnisse von Einzelideen, sondern zunehmend durch Kooperation aller am Lackierergebnis Beteiligten erreicht worden.

Erste Zielrichtung war die Rationalisierung der Prozesse und die Optimierung der Qualität auf der Basis der lösemittelhaltigen sog. konventionellen Lackiertechnik. Später entwickelte sich beginnend in den 1960er Jahren eine neue Forschungsrichtung an verschiedenen Stellen gleichzeitig und zunächst nur punktuell, dann doch auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet: die Entwicklung lösemittel- und abfallarmer Lackiertechniken [1.3.9].

Resultate dieser Arbeit sind neue Wasserlacke, strahlenhärtende Systeme und die abfallfreien Pulverlacke in Verbindung mit neuen Verarbeitungsverfahren. Dabei sind das Elektrotauchen, der Walz- und Gießauftrag z.B. für die Coil-Coating-Lackierung und die Applikation von festen Pulverlacken die nennenswerten Innovationen der letzten 50 Jahre. Der Umweltschutz auf der einen, aber auch der Arbeitsschutz auf der anderen Seite beginnen sich umfassender zu strukturieren. Spätestens mit der Verabschiedung des Bundesimissionsschutzgesetzes im März 1974 und dem Erleben der sog. Ölkrisen wird die Erforschung ökologischer Lackiertechnologien durch den Aspekt der Ressourcenschonung erweitert.

Abbildung 1.2.2: Lackgeschichtliche Höhepunkte

Dabei wurden auch die Verbände und technischen Einrichtungen der deutschen und europäischen Lackindustrie mit einbezogen. Verstärkt wurden die Anstrengungen in diese Richtung durch die freiwillige Selbstverpflichtung („responsible care“) der Lackindustrie in fast allen Regionen der Welt.

Als erfolgreiche Beispiele einer solchen übergreifenden Problembearbeitung durch viele Institutionen ist die Entwicklung des neuen Lackierverfahrens der Mercedes A-Klasse Ende der 1990er Jahre durch Kooperation eines Lackherstellers, eines Lackverarbeiters und eines Anlagenherstellers genauso zu nennen, wie das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte und von der Deutschen Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung (DFO) koordinierte Forschungsprojekt „Erweiterung der Anwendungsbereiche der Pulverlacktechnologie“ zusammen mit insgesamt 20 Unternehmen aus den Bereichen Lackherstellung, Lackverarbeitung, Anlagenbau, Rohstoffindustrie und zahlreichen Forschungsinstituten. Die gleiche Vorgehensweise kann man in Nordamerika beobachten, wo das industriell unterstützte LEPC (Low Emission Paint Consortium) unter der Schirmherrschaft von USCAR (United States Council for Automotive Research) in den 1990er Jahren viel Geld in die Entwicklung emissionsarmer Lacktechnologien für die Automobillackierung investierte [1.3.10].

Die Globalisierung der Weltwirtschaft, insbesondere des produzierenden Gewerbes, stellt die Lackindustrie gegenwärtig vor neue Herausforderungen. Da im Gefolge der Konsolidierung zum Beispiel in der Automobilindustrie die Qualitätsanforderungen weltweit standardisiert wurden, haben sich die wichtigen Lacklieferanten global positioniert und garantieren mittlerweile überall den gleichen Qualitätsstandard der Lackierungen. Ein Ende dieser Entwicklung ist derzeit noch nicht abzusehen. Daneben haben sich in den letzten Jahren die Vertriebswege durch die Einführung von e-Commerce, der elektronischen Abwicklung von Käufen durch das Internet, für viele Lackanbieter erweitert. Alle Aspekte führen zwangsläufig zu Konsolidierungsschritten.

Die Qualitätsanforderungen speziell durch die Automobilindustrie im Rahmen der ISO-Normen, VDA-Normen und QS9000-Serie haben dazu geführt, dass der gesamte Prozess von der Produktidee über Entwicklung, „Scale-up“, Fertigung, Vertrieb bis schließlich zur Anwendung mehr und mehr komplett in den Verantwortungsbereich der Lackfirmen geht. Aus heutiger Sicht schätzt man, dass die Prozesskette mit dem Startpunkt Fertigung der Lackmaterialien bis hin zum lackierten Objekt Kernkompetenz der großen Lackfirmen wird. Deshalb ist es sicher, dass die Beteiligten zukünftig noch weiter zusammenwachsen werden. Nur so können effiziente Prozesse für die jeweiligen Branchen bzw. Aufgaben entwickelt werden.

Für Lackiertechnologien ohne Umweltbelastung bei höchster Resourcenschonung sind die Voraussetzungen im Wesentlichen geschaffen. Der Erfolg wird zukünftig davon abhängen, ob ganzheitliche Konzepte gefunden werden [1.3.11]. Produktlebenszyklus- oder auch Ökoeffizienzanalysen [1.3.12] nach den Vorgaben einer nachhaltigen Entwicklung („sustainable development“) werden deshalb immer häufiger in den Forschungs- und Entwicklungsprogrammen als Grundlagen für Projekte herangezogen [1.3.13] (siehe Kapitel 5.5).

Ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Einführung ökologischer Lackiertechniken bei gleichzeitiger Umsetzung neuer Ideen in Technologien ist ein fundiertes Wissen. Dies beinhaltet Details über Zusammenhänge und Abhängigkeiten der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen und damit der einzelnen am Lackierprozess beteiligten Branchen. Nicht zuletzt deshalb wurde dieses Buch geschrieben.

1.3Literatur

1.3.1A. Mehta, PPCJ 194 (4481), S.20 (2004)

1.3.2T. May, JOT 12/2000, S. 34; N. J. Sarginson, ECJ 11/2000, S. 27

1.3.3H. Schrübbers, JOT 48 (2), 30 (2008)

1.3.4T. May, MO 58 (4), S. 44 (2004), M. Carrol, PPCJ 202 (4570), S. 29 (2012)

1.3.5D. Leroy, ECJ 04/2006, S. 16

1.3.6Kittel, Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Band 1 (2. Aufl.), S. 25ff, Hirzel Verlag, Stuttgart, 1998

1.3.7Rodgerus von Helmershausen, schedula diversarium artium, Hrsg. V. Albert Ilg, Verlag W. Braumüller, Wien 1874

1.3.8O. Krätz, 7000 Jahre Chemie, Nikol S. 15ff, Verlagsgesellschaft Hamburg 1990

1.3.9Die Lack Story, 100 Jahre Farbigkeit zwischen Schutz, Schönheit und Umwelt, Verband der Lackindustrie aus Anlass seines 100-jährigen Bestehens

1.3.10T. Meschievitz, Y. Rahangdale, P. Pearson, Proceedings XVII Surcar, Cannes, 1995

1.3.11P. Svejda, Coat.World 16 (6), S. 34 (2011)

1.3.12D. Engel, T. May, R.R. Matheson, P.Q. Nguyen, ECJ 01-02/2004, S. 40

1.3.13G. Kirchner, C. Kraft, ECJ 07-08/2011, S.22

2Der Beschichtungsstoff

Nach der DIN EN ISO 4618 und nach der ergänzenden DIN 55 945 lautet die korrekte Bezeichnung von Stoffen für oberflächenschützende organische Überzüge Beschichtungsstoffe. Lacke als übliche Bezeichnung hingegen sind Beschichtungsstoffe mit einem bestimmten Eigenschaftsbild.

Die Norm definiert Lacke bzw. Anstrichstoffe als flüssige, pastenförmige oder auch pulverförmige Beschichtungsstoffe, die optisch deckende Beschichtungen mit dekorativen, schützenden und gegebenenfalls auch spezifischen technischen Eigenschaften herzustellen erlauben. Es ist anzumerken, dass im allgemeinen Sprachgebrauch viele Begriffe, wie z.B. Klarlack, von den Angaben der internationalen Normung abweichen (siehe Kapitel 8). Lacke stellen somit nur eine Teilmenge der großen Familie der Beschichtungsstoffe dar, haben aber trotzdem ein breites Spektrum an unterschiedlichsten Aufgaben zu erfüllen. Dabei kann ihre Einteilung nach mehreren Prinzipien erfolgen: nach der Funktion der Lackierung (Klarlack, Metalliclack, Unilack), dem Lackieraufbau (Grundierung, Füller, Decklack), nach dem Verwendungszweck (Autolack, Malerlack, Industrielack), nach der Umweltfreundlichkeit (Wasserlack, High-Solid-Lack, strahlenhärtende Systeme, Pulverlack), nach der Art des Filmbildners (Alkydharzlack, Acrylatharzlack, Cellulosenitratlack) oder nach den Verarbeitungsbedingungen (Einbrennlack, oxidativ härtender Beschichtungsstoff), um die wichtigsten Kriterien der Klassifizierung zu nennen.

Die Auswahl der für ein optimales Eigenschaftsbild richtigen Beschichtungsstoffe ist deshalb in gleicher Weise abhängig von den Qualitätsforderungen, den vorgegebenen Applikationsbedingungen, dem Härtungsprozess, den konstruktiven Merkmalen und den unterschiedlichen Werkstoffen des Lackierobjekts. Alle Beschichtungsstoffe, sei ihre Verwendung noch so unterschiedlich, haben die gemeinsame Eigenschaft, Untergründe zu benetzen, sich in einen geschlossenen Film zu verwandeln, zu verlaufen, sich danach zu verfestigen, um dadurch den gewünschten mechanischen und chemischen Schutz des Lackierobjekts herbeizuführen.

Das Eigenschaftsprofil der Lacke ist deshalb nicht nur auf die Applikation, sondern auch auf die sich anschließende Filmbildung abzustimmen. Das Tropfengebirge einer z.B. durch Spritzapplikation erzeugten frischen Lackierung muss fließfähig genug sein, um alle Poren zu verschließen und gleichzeitig bzw. anschließend die durch die Applikation hervorgerufenen Täler und Berge in der Filmoberfläche ausgleichen zu können. Oberflächenspannung und Viskosität sind diesbezüglich die wichtigsten Lackparameter. Außerdem sollen ggf. spezielle Effekte wie Glanz, Farbigkeit und gerichtete Reflexion (Metalleffekt) erzielt werden. Somit besitzen beispielsweise Klarlacke für Holzpaneele eine ganz andere Zusammensetzung als Korrosionsschutzlacke oder Beschichtungsstoffe zur farbigen Gestaltung von Leder.

2.1Rohstoffe

Harze als Filmbildner, häufig fälschlich als Bindemittel bezeichnet, Additive, Lösemittel, Pigmente und Füllstoffe sind die üblichen Bestandteile flüssiger Beschichtungsmaterialien. Bindemittel sind analog DIN EN ISO 4618 die pigment- und füllstofffreien Anteile der getrockneten bzw. gehärteten Beschichtung. Sie setzen sich somit aus dem Filmbildner und dem nichtflüchtigen Anteil der Additive zusammen.

Fehlen Pigmente und Füllstoffe, so handelt es sich um einen Klarlack, fehlen Lösemittel bei Verwendung von höher molekularen Filmbildnern, kann der Beschichtungsstoff durch Vermahlen in einen Pulverlack überführt werden. Sind die Filmbildner niedermolekulare Flüssigprodukte, so kann auf den Einsatz von Lösemitteln ebenfalls teilweise oder ganz verzichtet werden. Wasserlösliche Harze oder Dispersionen gestatten eine Substitution der Lösemittel durch Wasser.

Abbildung 2.1.1: Typische Zusammensetzung von Beschichtungsstoffen

Unabhängig vom Verwendungszweck ist ein sich durch physikalische oder chemische Prozesse verfestigender Filmbildner die unverzichtbare Komponente eines Beschichtungsstoffes. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an die Adhäsion zum Untergrund, an die mechanische Festigkeit bei gleichzeitiger Elastizität und Resistenz gegenüber atmosphärischen Einflüssen sind klassische Filmbildner ausschließlich oligomere bis polymere organische Materialien. Diese können nach chemischer Modifizierung aus Naturstoffen oder durch industrielle Synthesen hergestellt werden.

Trotz der Existenz einer breiten Palette von Syntheseharzen haben die Naturstoffe bzw. modifizierten Naturstoffe nur wenig an Bedeutung eingebüßt. Cyclo- oder Chlorkautschuk, Celluloseester, Alkydharze auf Basis natürlicher Fettsäuren sind nur einige Beispiele für die technisch wichtige Gruppe der nachwachsenden Lackrohstoffe. Die absehbare Verknappung der Rohstoffe auf Erdölbasis lässt zunehmend nach einer neuen Basis für die synthetischen Chemierohstoffe und Zwischenprodukte suchen (siehe Kapitel 5.6.2) [2.4.1].

Unabhängig von ihrer Herkunft können Filmbildner grundsätzlich in zwei Gruppen eingeteilt werden. Zu nennen sind zunächst die höher molekularen physikalisch trocknenden Filmbildner wie Cellulosenitrat, Celluloseacetobutyrat, thermoplastische Acrylate oder auch PVC-Mischpolymerisate. Diese Harze verfestigen sich durch Abgabe der Lösemittel, ohne bei der Filmbildung eine chemische Veränderung zu durchlaufen.

Für hochwertige Bauten- und Industrielacke werden hingegen chemisch reaktive Filmbildner bzw. Filmbildnerkombinationen eingesetzt. Die nach der Applikation durch Wärme oder Katalysatoren initiierte Vernetzungsreaktion erlaubt die Verwendung niedermolekularer und damit festkörperreicher Grundharze. Als Beispiel seien Einbrennlacke auf Basis Acrylat-Aminoharz, Alkyd-Aminoharz- oder auch Phenolharzkombinationen genannt. Bereits bei Raumtemperatur, aber viel langsamer, vernetzen die sogenannte oxidativ härtenden, fälschlich als lufttrocknend bezeichneten Alkydharze.

Eine recht schnelle Härtung selbst bei Raumtemperatur gehen aktuelle Polyurethan- und Epoxidharzlacke ein. Letztere können wegen ihrer hohen chemischen Reaktivität in der Regel nur in Form von zwei Komponenten zum Einsatz kommen.

Die Rezeptur eines Beschichtungsstoffes beinhaltet neben einem Filmbildner in den meisten Fällen zusätzlich auch Lösemittel. Erst deren richtige Auswahl und Kombination ermöglichen eine problemlose Verarbeitung und Filmbildung. Die gebräuchlichsten Lösemittel sind aromatische Kohlenwasserstoffe wie Xylol und Solventnaphta, aliphatische Kohlenwasserstoffe wie Testbenzin oder Kristallöl, Ester wie Ethylacetat oder Butylacetat, Alkohole wie Propanol oder Butanol, Ether wie Butylglykol, Etherester als Ethyl- oder Butylglykolacetat sowie diverse Ketone. Je nach Harztyp sind aus der großen Vielfalt der zur Verfügung stehenden Lösemittel geeignete Kombinationen auszuwählen.

Für die Applikation ist es besonders wichtig, Lösemittelkombinationen mit dem richtigen Verdunstungsverhalten auszuwählen. Nur so ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verlaufen und Standfestigkeit der frisch aufgebrachten Lacke an senkrechten Flächen zu garantieren.

Abweichend vom klassischen Prinzip, Lösemittel ausschließlich als Viskositätsregulanz zu verwenden, können sie auch über die Verdünnerfunktion hinaus während der Filmbildung mit den Lackharzen chemisch reagieren. Diese sogenannten Reaktivverdünner verbleiben somit im sich verfestigenden Film und leisten deshalb einen Beitrag zur Reduzierung organischer Emissionen. Durch UV- oder Elektronenstrahlen härtbare Lacke sind in diesem Zusammenhang genauso erwähnenswert, wie durch organische Peroxide härtende ungesättigte Polyester.

Die in den Beschichtungsstoffen verwendeten Pigmente verleihen der Beschichtung Farbigkeit und Deckvermögen. Füllstoffe beeinflussen anwendungstechnische Eigenschaften, wie z.B. Schleifbarkeit und Härte, erhöhen aber auch den nichtflüchtigen Anteil des Beschichtungsstoffes. Pigmente und Füllstoffe verhindern in vielen Fällen durch Absorption von UV-Strahlen einen frühzeitigen Abbau des zu schützenden Lackieruntergrundes sowie den der polymeren Schutzschicht selbst. Eine weitere wichtige Aufgabe spezieller Pigmente und Füllstoffe besteht in der Optimierung des Korrosionsschutzes.

Die vielfältigen Typen der Pigmente werden in anorganische und organische Absorptionspigmente, in Metall- und Interferenzpigmente sowie Korrosionsschutzpigmente eingeteilt. Die beiden erstgenannten Gruppen bestehen aus feinst zerteilten, im Allgemeinen kristallinen Feststoffen. Unter den anorganischen Pigmenten sind die Oxide des Titans, des Eisens und die Mischphasenpigmente die wichtigsten. Die Zusammensetzung organischer Pigmente ist sehr vielfältig. Aktuelle, synthetisch hergestellte organische Pigmente sind ebenfalls sehr licht- und wetterbeständig. Ihre besondere Stärke liegt in der Brillanz und dem hohen Färbevermögen. Bei hohen Temperaturen sind sie jedoch, sieht man von Ausnahmen ab, den anorganischen Pigmenten in ihrer Beständigkeit unterlegen.

Spezielle optische Effekte werden durch Perlglanz- oder Interferenzpigmente, aber auch durch Metallpigmente erzeugt. Vom Betrachtungswinkel abhängige Farbe oder Helligkeit sind aufgrund ihrer Attraktivität im Automobilsektor von besonderem Interesse.

Als letzte Komponente der Beschichtungsstoffe sind die Additive und Weichmacher zu nennen. Mit Ausnahme der Weichmacher werden diese Stoffe zum Teil in kleinsten Mengen dem Harz/Lösemittel- bzw. Pigmentgemisch hinzugefügt. Sie beeinflussen die Eigenschaften von Beschichtungsstoffen und Beschichtungen trotz geringer Konzentration zum Teil erheblich.

Additive vermögen bei der Produktion das Dispergieren der Pigmente zu erleichtern. Im gebrauchsfertigen Anstrichstoff unterdrücken sie die Absetzneigung der Pigmente, beeinflussen das Fließverhalten beim Lackauftrag, verbessern bei der Verfilmung den Verlauf und durch Beeinflussen der Oberflächenglätte bzw. Rauigkeit das anwendungstechnische Verhalten. Sie verhindern das Auf- und Ausschwimmen der Pigmente, sie beschleunigen die Härtung, haben auch Einfluss auf den Glanz, erhöhen die Resistenz gegenüber schädigenden UV-Strahlen und verzögern frühzeitigen Abbau durch lackzerstörende Bakterien oder Pilze.

Während in der Vergangenheit bei der Rohstoffauswahl die stofflichen, d.h. die chemischen und physiko-chemischen Eigenschaften im Vordergrund standen, sind aufgrund neuerer Erkenntnisse die Morphologie von Teilchen sowie deren Ausmaß und die damit verbundene Wechselwirkung mit anderen Oberflächen mehr und mehr in den Fokus getreten. Dabei zeigen Teilchen oder Oberflächenstrukturen mit Ausmaßen im Nanometerbereich besonders interessante strukturabhängige Eigenschaften. Derartige Nanoteilchen können sich in ihrem Verhalten von den Einzelmolekülen ebenso wie von Teilchen größeren Ausmaßes erheblich unterscheiden. Dadurch eröffnet sich für viele technische Bereiche eine zusätzlich Variable, u.a. auch für die Komposition und Rezeptierung von Beschichtungsstoffen.

Eine breite Palette von bewährten und neuen Rohstoffen wird deshalb zum Trimmen der Teilchengrößen abhängigen Eigenschaften gezielt durch Anpassen von Größe, Form und Oberflächenstruktur auf das für den Bedarfsfall optimale Ausmaß eingestellt. So gelingt es beispielsweise TiO2- oder SiO2-Partikeln so zu dimensionieren, dass sie die Fähigkeit zur Lichtstreuung verlieren, ihre UV-Stabilität und Immobilität in der Beschichtung aber behalten. So kann man bei der Rezeptierung von Klarlacken durch den Einsatz von mikronisiertem, also nanoskaliertem TiO2, stabile UV-Absorption ohne Beeinträchtigung der Durchlässigkeit für sichtbares Licht erreichen.

Zahlreiche weitere Anwendungen von Nanoteilchen bzw. nanostrukturierten Oberflächen haben in der Lackforschung neue Wege zu Problemlösungen geebnet (siehe Kapitel 2.1.5).

2.1.1Filmbildner

Während in einen Beschichtungsstoff von den im ersten Abschnitt genannten Rohstoffen ggf. Lösemittel, Additive oder Pigmente fehlen können, ist ein Filmbildner oder eine Filmbildnerkombination für die Erfüllung der geforderten lacktechnischen Aufgaben zwingend erforderlich. An den Filmbildner werden zahlreiche Anforderungen gestellt. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf die Haftung zum Untergrund (Adhäsion) und die mechanische Festigkeit des Films (Kohäsion) bei gleichzeitig gegebener Elastizität. Bei einem derartigen Anforderungsspektrum ist man auf den Einsatz makromolekularer polymerer Stoffe angewiesen. Sie sind aufgrund ihrer molekularen Struktur in der Lage, durch mechanisches Verschlaufen der Molekülketten viele Forderungen zu erfüllen. Solche Eigenschaften sind mit synthetisch hergestellten oligo- oder polymeren Stoffen genauso zu realisieren, wie mit geeigneten polymeren Naturstoffen. Letztere bedürfen im Einzelfall jedoch zur praktischen Anwendung einer chemischen Modifizierung. Allerdings sind optimale Eigenschaften von Beschichtungen nur zu erreichen, wenn der Filmbildner entweder als Harzlösung, als Dispersion oder als aufgeschmolzener Pulverlack den Untergrund benetzen und sich durch anschließendes Verlaufen in einen optisch attraktiven glatten Film verwandeln kann.

Die Ausbildung der mechanischen Festigkeit kann also durch Lösemittelabgabe (physikalische Trocknung) oder Molekülvergrößerung bei gleichzeitiger Vernetzung der Filmbildnermoleküle (chemische Härtung) erfolgen.

Alle durch physikalische Trocknung, d.h. allein durch Lösemittelabgabe verfestigenden Filmbildner bleiben somit lösemittelempfindlich und können durch Erwärmen wieder verflüssigt werden. Solche Filmbildner sind thermoplastisch. Aus ihnen hergestellte Beschichtungen sind demzufolge Thermoplasten.

Anders hingegen verhalten sich chemisch reaktive Filmbildner. Diese werden während der Filmbildung durch reaktive Gruppen der Harzmoleküle chemisch vernetzt und dadurch in einen unlöslichen und gleichzeitig nicht mehr zu verflüssigenden duromeren Film überführt.

Diese zusätzliche chemische Härtung erlaubt im Gegensatz zur ausschließlich physikalischen Trocknung die Verwendung von niedermolekularen Filmbildnern. Damit können in den chemisch reaktiven Systemen die zur Verarbeitung notwendigen Lösemittelanteile deutlich reduziert werden. Chemisch reaktive Systeme leisten somit im Vergleich mit den Thermoplasten einen Beitrag zur Senkung von Lösemittelemissionen.

Die vielfältigen Formen und Größen der Filmbildnermoleküle (siehe Abbildung 2.1.2), aber auch die funktionellen Gruppen an den Verknüpfungsstellen innerhalb der polymeren Ketten genauso wie diejenigen am Ende der Molekülketten, bestimmen die Eigenschaften der Filmbildner und damit ihren Einsatzbereich.

Linear aufgebaute Moleküle verhalten sich in vielerlei Hinsicht anders als verzweigte. Die große Zahl an Kettenenden von Dendrimeren (Baumpolymeren) erlaubt eine ungleich höhere Funktionalität trotz niedriger Molmasse gegenüber den erstgenannten und schafft so die Voraussetzungen für eine hohe Vernetzungsdichte.

Abbildung 2.1.2: Unterschiedliche Bauformen von Filmbildnermolekülen

Von besonderem Einfluss auf die Verarbeitungseigenschaften, aber auch auf die Qualität des Endprodukts, ist die Größe bzw. die Größenverteilung dieser Harzmoleküle. Letzteres gilt für den Zustand der Verarbeitung genauso wie für die Struktur des molekularen Verbundes in der fertigen Lackierung. Diese verbleibt bei Thermoplasten, also bei nichtreaktiven Filmbildnern auch nach der Verarbeitung von der Größe der Moleküle her unverändert. Bei chemisch reaktiven Beschichtungsstoffen hingegen finden erhebliche Veränderungen bezüglich Molekülgröße durch chemische Vernetzung statt. Zur Charakterisierung der Lackharze und ihrer Verwendbarkeit sind deshalb die über die Molekülgröße informierende Molmasse bzw. Molmassenverteilung wichtige Kennzahlen.

Zu ihrer Ermittlung haben sich in der Polymerchemie zahlreiche Methoden etabliert. Die Viskosität der Harzlösungen (Viskosimetrie) wie auch die Diffusionsfähigkeit bzw. der sich bei der Verwendung von semi-permeablen Membranen einstellende osmotische Druck (Osmometrie) werden als Kenngrößen für die Molmassen herangezogen. Aktueller und informativer sind Methoden der chromatographischen Trennung der einzelnen, zum Teil sich in der Größe erheblich unterscheidenden Filmbildnermoleküle. Unterschiedliche Aufenthaltsdauer in Hohlräumen von Polystyrol-Gelen erlauben bei geeigneter apparativer Voraussetzung, durchschnittliche Molmassen und Molmassenverteilung gleichzeitig zu ermitteln (siehe Kapitel 2.3.2). Die Molmassenverteilung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die anwendungstechnischen Eigenschaften nicht allein durch die durchschnittliche Molmasse festgelegt werden.

Reaktive Endgruppen sowie die Art der chemischen Verknüpfung der Grundbausteine sind ebenfalls eigenschaftsbeeinflussende Größen. Durch die experimentelle Ermittlung der Anzahl der freien Carboxyl-, Hydroxyl- oder Isocyanatgruppen in Form der Säure-, Hydroxyl- oder Isocyanatzahl sind Angaben über die Vernetzungsmöglichkeiten der Harze und zusätzlich deren Polarität zu machen. In gleicher Weise gibt die Jodzahl Auskunft über die Anwesenheit von Kohlenstoffdoppelbindungen, die wiederum für die Beschreibung der oxidativen Härtung von Alkydharzen herangezogen werden können (siehe Kapitel 2.3.2).

Will man eine Aussage über die Natur der Grundbausteine der Filmbildner machen, sind zunächst nasschemische Abbaureaktionen durchzuführen. Erst danach sind die entstandenen funktionellen Gruppen zu identifizieren. Das kann entweder durch die Bestimmung der o.g. Harzkennzahlen erfolgen oder durch die Identifizierung und Quantifizierung von funktionellen Gruppen oder charakteristischen Molekülteilen mit Hilfe der instrumentellen Analytik. Diese wird in spektroskopische, thermische und chromatographische Methoden unterteilt (siehe Kapitel 2.3.2).

Die im Laufe der Jahrtausende für den Schutz und Schmuck von Gebrauchsgegenständen bewährten Filmbildner sind vielfältig und gehören den verschiedensten chemischen Stoffklassen an. Will man sie systematisch einteilen, so kann man nach unterschiedlichen Gesichtspunkten vorgehen. Einerseits erfolgt eine Klassifizierung nach chemischen Prinzipien des Molekülbaus, andererseits besteht ein Ordnungsprinzip in der Einteilung in Filmbildner, die während der Filmbildung thermoplastisch verbleiben oder sich in Duromere verwandeln. Eine weitere sinnvolle Gliederung ist die Klassifizierung in Naturstoffe, modifizierte Naturstoffe und solche, die synthetisch gewonnen werden. Eine Einteilung in Natur- und Syntheseprodukte folgt dem lackgeschichtlichen Weg, deshalb wird auch dieses Kapitel entsprechend gegliedert.

Demnach sind zunächst die über Jahrtausende wichtigen natürlichen Öle zu nennen. Aufgrund ihrer sehr langsamen, allein chemisch verursachten Verfestigung wurden sie schon frühzeitig mit Hartharzen wie Schelllack zur Erhöhung der Anfangshärte kombiniert. Andere wichtige Vertreter solcher Hartharze sind Kolophonium, Kopal, Dammar oder Bernstein. Sie gehören zur großen Gruppe natürlicher Isopren-Abkömmlinge. Die von bestimmten Pflanzen produzierte Latexmilch ist als 1,4-cis-Polyisopren ebenfalls ein Isopren-Derivat. Sie wurde bereits vor Jahrhunderten als Naturkautschuk zur Herstellung Wasser abweisender Beschichtungen eingesetzt. Später durchgeführte Modifizierungen zu Cyclo- und Chlorkautschuk brachten den Zugang zu solchen Filmbildnern, die wegen ihres hydrophoben Verhaltens noch heute für den schweren Korrosionsschutz und den Schutz von Feuchträumen Verwendung finden.

Abbildung 2.1.3: Stammbaum der wichtigsten Filmbildner

Auch die von der Natur durch Photosynthese im Überfluss produzierten Kohlenhydrate Cellulose und Stärke erwiesen sich schon vor mehr als 100 Jahren in Form der organischen oder anorganischen Ester und Ether als brauchbare Lackrohstoffe. Cellulosenitrat und Celluloseacetobutyrat sind noch im 21. Jahrhundert technisch wichtige Basisharze für den Holz- und Möbelsektor auf der einen und für die Automobillackierung auf der anderen Seite.

Insgesamt haben die Naturstoffe wegen ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit und der nur begrenzten Adaptionsfähigkeit von Material und Verarbeitungsverfahren mit der Erfindung bzw. der Synthese von Kunstharzen ihre Vorrangstellung verloren.

Der wirtschaftliche Durchbruch gelang den Syntheseharzen mit der Erfindung der Phenolharze und den Kombinationen vergilbungsärmerer Aminoharze mit Alkydharzen und gesättigten Polyestern. Zu den ersten Syntheseharzen zählen auch die ungesättigten Polyester, die in Kombination mit chemisch reaktiven Lösemitteln aufgrund der chemischen Verknüpfung des Filmbildners mit dem Lösemittel die Formulierung von Lacken ermöglichten, die hohe Schichtdicken mit niedriger Emission verbinden. Eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht erreichte Wetterbeständigkeit und chemische Resistenz wurde durch die Erfindung der Polyurethan- und Epoxidharze möglich. Die gute Wärme- und Wetterbeständigkeit der Silikonharze gestattet es, Beschichtungsstoffe mit entsprechend herausragenden Eigenschaften zu konzipieren.

Abbildung 2.1.4: Weltweiter Harzmarkt für Beschichtungsstoffe in 2010 (eigene Schätzung)

Polymerisatharze wie Polyacrylate, Polyvinylchlorid, Polyvinylester und -ether, Polystyrol und Mischpolymerisate haben in allen Lacksystemen Anwendung gefunden z.B. als wässrige Dispersionen genauso wie als strahlenhärtende Systeme und Pulverlacke (siehe im Folgenden).

Abbildung 2.1.5: Relativer Anteil der Filmbildnertypen am Gesamtmarkt in 2010 (eigene Schätzung)

Filmbildner sind überwiegend in den Formulierungen von Beschichtungsstoffen die Komponente mit dem größten Mengenanteil. Ihr weltweiter Markt hat ein Volumen von etwa 8,9 Mio. Tonnen in 2010. Den größten Anteil haben die Emulsionspolymerisate inklusive Acrylatharze gefolgt von den Alkyd- und Epoxidharzen. Polyester, die meist wässrigen PUR-Dispersionen und die Vernetzer für die verschiedenen Harztypen haben etwa die gleiche Größenordnung.

Die technische Bedeutung des Filmbildners unter den Lackkomponenten für die Beschichtungsfunktion und auch für die Stabilität und Applikation liegt geschätzt bei 70 % im Durchschnitt aller Beschichtungsstoffe.

2.1.1.1Naturstoffe

Die für die Verwendung als Filmbildner weitaus wichtigsten Naturstoffe sind die auch als fette Öle bezeichneten natürlichen Öle. Sie haben als Tri-Ester des Glycerins mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren aufgrund ihrer Fähigkeit, sich mittels Luftsauerstoff aus einer niedrigviskosen Flüssigkeit in einen Feststoff zu verwandeln, schon in der frühen Vergangenheit eine außergewöhnliche Bedeutung als Filmbildner für den Oberflächenschutz gewinnen können. Sie unterscheiden sich in dieser Fähigkeit von den auf gesättigten Fettsäureestern basierenden Fetten. Fette Öle sind reine Naturstoffe und stehen in ausreichender Menge als preiswerte Lackrohstoffe zur Verfügung.

Auch wenn die Bedeutung der natürlichen Öle durch die Entwicklung synthetischer Filmbildner mehr und mehr zurückgegangen ist, so haben ihre Fettsäurekomponenten als Rohstofflieferanten für aktuelle Alkydharze weiterhin ihre Anwendung.

Abbildung 2.1.6: Fette Öle als Triglyceride ungesättigter Fettsäuren

Fette Öle werden von der Natur in diversen Pflanzen und bestimmten Seetieren in zahlreichen Varianten produziert. Für einen erfolgreichen technischen Einsatz müssen sie aus Samen und Früchten durch Kalt- oder Warmpressen isoliert und von Begleitstoffen befreit werden. Diese sind im wesentlichen Kohlenhydrate, Eiweiße und das als Lackadditiv interessante Lecithin. Letzteres ist wegen seines Tensidcharakters ein wichtiges Lackhilfsmittel zur Verbesserung der Dispergierfähigkeit von Farbpigmenten in Einbrennlacken. Es muss aufgrund seines inhibierenden Einflusses auf die oxidative Vernetzung der fetten Öle diesen quantitativ entzogen werden.

Die große Vielfalt lacktechnisch verwertbarer Öle, ausnahmslos Ester des Glycerins, resultiert aus dem breiten Angebot der sauren Veresterungskomponente, den Fettsäuren. Diese werden von der Natur mit unterschiedlichen Kettenlängen bei gleichzeitig schwankender Zahl an Doppelbindungen und unterschiedlichen cis/trans-Formen produziert.

Die in Abbildung 2.1.7 aufgeführten gesättigten Fettsäuren, nämlich Stearin- und Palmitinsäure sind der oxidativen Härtung nicht zugänglich. Ihr Analogon mit einer Doppelbindung in cis-Stellung ist die Ölsäure. Ihre Fähigkeit zur oxidativen Vernetzung ist nur wenig ausgeprägt, so dass sich ihre alleinige Verwendung als Lackrohstoff für die Praxis ausschließt. Wesentlich effektiver für die Lackhärtung unter Beteiligung von Luftsauerstoff sind die C18-Fettsäuren mit zwei bzw. drei Doppelbindungen. Bei der erstgenannten Gruppe spielen die 9,12- und 9,11-Octadekansäuren die wichtigste Rolle. Die 9,11-Octadekansäure kommt im Gegensatz zur 9,12-Variante, der Linolsäure, in der Natur nicht vor. Sie wird durch künstliche Umwandlung (Isomerisierung) der natürlichen Linolsäure oder durch Wasserabspaltung aus Rizinusöl bzw. Ricinolsäure gewonnen. Beide Doppelbindungen treten dabei anteilmäßig in Konjugen-Stellung und verleihen dadurch den Filmbildnern, in die sie chemisch eingebaut werden, eine gesteigerte Reaktivität.

Fettsäuren mit drei isolierten Doppelbindungen besitzen eine noch größere Reaktivität als solche mit zwei Doppelbindungen. Die Linolensäure, mit ihren drei isolierten Doppelbindungen als Hauptbestandteil des Leinöls, gibt diesem die schon von alters her genutzte und besonders ausgeprägte Fähigkeit zur oxidativen Härtung. Bei der Eläostearinsäure des Holzöls, gleichfalls mit drei Doppelbindungen jedoch in Konjugenstellung angeordnet, strebt die Reaktivität eine Spitzenstellung unter den Fettsäuren an. Leider sind die hoch ungesättigten Öle weniger vergilbungsbeständig und deshalb für weiße Beschichtungen nicht geeignet.

Aus der großen Gruppe der lacktechnisch wichtigen Öle sind Leinöl, Sojaöl, Holzöl, Oiticicaöl, Erdnussöl, Sonnenblumenöl, Baumwollsaatöl, Ricinusöl und Fischöl im Einzelnen hervorzuheben.

Abbildung 2.1.7: Wichtige natürliche Fettsäuren als Bestandteile von fetten Ölen

Ergänzend ist zu erwähnen, dass sich unter dem Namen Tallöl, ein für synthetische Lackharze wichtiger Rohstoff, gar kein echtes Öl verbirgt. Es handelt sich nicht, wie vom Namen her zu erwarten, um einen Tri-Ester des Glycerins, sondern um das bei der Cellulose-Herstellung durch alkalische Verseifung ölhaltiger Begleitstoffe gebildete Gemisch verschiedener Fettsäuren.

Abbildung 2.1.8: Auswahl wichtiger natürlicher Öle und deren Fettsäure-Zusammensetzung

Abbildung 2.1.9: Start der oxidativen Härtung bei Ölen durch Peroxid- bzw. Hydroperoxidbildung

Eine bewährte Maßzahl für die oxidative Härtung von Ölen ist die Iodzahl. Sie gibt die Menge Iod an, die bezogen auf 100 g Substanz an die Doppelbindungen addiert wird. Eine Iodzahl >150 weist dabei auf schnell härtende, eine von 150 bis 100 auf sogenannte „halb trocknende“, also weniger reaktive und eine von <100 auf nicht trocknende Öle hin. Letztere reagieren zwar auch mit Luftsauerstoff, verfestigen aber nur so unvollständig, dass auch nach längerer Reaktionszeit eine mechanische Härte nicht erzielt werden kann.

Oxidative Trocknung von Ölen

Die durch den Einfluss von Luftsauerstoff hervorgerufene Verfestigung ist von zahlreichen Autoren beschrieben worden [2.4.2, 2.4.3]. Heute ist bekannt, dass ein für alle Öle in gleicher Weise gültiger Reaktionsmechanismus nicht existiert [2.4.4]. In Abhängigkeit von der Art der Fettsäuren bzw. der Zahl und Anordnung der Doppelbindungen, aber auch in Abhängigkeit von der Temperatur werden unterschiedliche Reaktionsmechanismen registriert. Während bei Vorliegen von konjugierten Doppelbindungen als erster Reaktionsschritt die Bildung von cyclischen Peroxiden nachgewiesen werden konnte, entstehen an isolierten Doppelbindungen zunächst Hydroperoxide. Der Angriff des Luftsauerstoffs erfolgt in Abhängigkeit von der Temperatur entweder direkt an den Doppelbindungen oder an der aktivierten Methylengruppe zwischen den Doppelbindungen. Während in der Kälte vornehmlich die aktivierte Methylengruppe angegriffen wird, addiert sich der Sauerstoff bei höheren Temperaturen an eine Doppelbindung, um gleichzeitig neue konjugierte Doppelbindungen zu bilden.

Mit dem Zerfall der Peroxide bzw. Hydroperoxide in Radikale setzt der molekülvergrößernde Vernetzungsprozess ein, der dann eine radikalische Polymerisation einleitet. Gleichzeitig starten wegen der hohen Radikaldichte zusätzliche Kettenübertragungsund Rekombinationsreaktionen. Dieser recht komplexe Vorgang wird durch zahlreiche Nebenreaktionen überlagert.

Eine erhebliche Beschleunigung der chemischen Vernetzung ist durch spezifische Katalysatoren, den sogenannte Sikkativen, zu erreichen. Als Sikkative eignen sich Metallseifen, deren Kationen durch reversible Wertigkeitsänderung den Peroxid-Zerfall beschleunigen.

Abbildung 2.1.10: Mechanismus der oxidativen Härtung ungesättigter Fettsäuren

Die sich durch Hydroperoxid- bzw. Peroxid-Zerfall bildenden Wasserstoff- und Hydroxylionen vereinigen sich zu Wasser. Sie verlagern das Gleichgewicht zur Seite der Radikale und sind dadurch die Triebkraft für die katalytische Wirkung.

Die natürlichen „trocknenden“ Öle sind mit einer Molmasse von ca. 880 relativ niedermolekulare Substanzen. Es muss deshalb aus chemischer Sicht ein langer Weg zurückgelegt werden, bis durch die oxidative Vernetzung ein harter und gleichzeitig widerstandsfähiger Überzug entsteht.

Resultat der geringen Molmasse der natürlichen Öle ist eine niedrige Viskosität und dadurch auch hohe Ablaufneigung an senkrechten Flächen. Um diese Mängel zu beheben, benutzt man seit Jahren verschiedene Verfahren, die durch eine vorgezogene und gezielte Molekülvergrößerung der Öle die Viskosität anheben. Zum einen erhitzt man die Öle unter Luftausschluss auf Temperaturen zwischen 260 °C und 300 °C über einen Zeitraum von wenigen Stunden. Man gelangt so durch thermisch angeregte Polymerisationsreaktionen der Doppelbindungen zu den höher viskosen sogenannten Standölen. Die angestrebte Molekülvergrößerung kann in der gleichen Zeit schon bei Temperaturen zwischen 100 °C und 150 °C erreicht werden, wenn das Erhitzen in Gegenwart von Luft erfolgt. Abweichend von den erst genannten Standölen kommt die Vergrößerung der molaren Masse bei den sogenannten geblasenen Ölen durch Molekülvergrößerung über Sauerstoffbrücken zustande.

Abbildung 2.1.11: Beschleunigung des Peroxid-Zerfalls durch Sikkative

Abbildung 2.1.12: Modifizierung von Ölen am Beispiel der Umsetzung mit Styrol

Die Umsetzung von Ölen mit Styrol oder Cyclopentadien führt ebenfalls zu einer Viskositätserhöhung und damit zu einer schnelleren Ausbildung mechanisch fester Filme.

Ein Weg, natürliche Öle reaktiver zu machen, besteht in der Erhöhung der Anzahl der Doppelbindungen bei gleichzeitiger Zunahme des Anteils konjugierter Doppelbindungen. Durch Epoxidierung der Doppelbindungen in den Fettsäuren, anschließende Ringöffnung und Dehydratisierung wird eine Zunahme der Doppelbindungen erreicht.

Fette Öle, im Besonderen das Leinöl lassen sich auch durch Umsetzung mit Maleinsäureanhydrid in interessante Lackrohstoffe überführen. Durch die Addition des Maleinsäureanhydrids an die Doppelbindungen der Fettsäuren, die Ringöffnung mit Butanol und die anschließende Neutralisation mit Aminen entstehen anionische und damit wasserlösliche Lackrohstoffe. Derartige Modifzierungsprodukte haben sich als Filmbildner für die anodische Elektrotauchlackierung über viele Jahre bestens bewährt (siehe Kapitel 4.2.1).

Abbildung 2.1.13: Erhöhung der Anzahl konjugierter Doppelbindungen durch Epoxidierung von Ölen

Abbildung 2.1.14: Wasserlösliche Harze durch Maleinisierung von Ölen

Ein anderer Weg, den oxidativ härtenden Ölen verbesserte Verarbeitungseigenschaften zu vermitteln, eröffnet sich durch das Verschneiden mit natürlichen Hartharzen. Die dadurch erzielte Viskositätszunahme muss allerdings durch Zugabe geeigneter Lösemittel wieder herabgesetzt werden. Hartharze dienen dabei der schnelleren physikalischen Trocknung, die Öle sorgen anschließend für die chemische Vernetzung.

Naturharze

Andere bedeutende Naturstoffe für Lackformulierungen sind die cyclischen Di- und Triterpene. Hierzu gehört neben den Kopalen, dem Bernstein und dem Dammar auch das Kolophonium. Aufgrund der gegenwärtig im Druckfarbenbereich noch hohen technischen Bedeutung des Kolophoniums wird es repräsentativ für die gesamte Palette der Naturharze beispielhaft vorgestellt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch der Bernstein, heute ausschließlich als Schmuckstück bekannt, in der Vergangenheit als Grundstoff für besonders abriebfeste Lackierungen diente. Während der Dammar und die Kopale ebenfalls an lacktechnischer Bedeutung eingebüßt haben, ist der Schelllack als natürlicher Polyester aus cycloaliphatischen hydroxyfunktionellen Polycarbonsäuren heute noch ein aktueller Rohstoff für die Oberflächenbehandlung von Möbeln.

Kolophonium

Das Kolophonium hat von allen Naturharzen die weitaus größte Bedeutung und erwähnenswerte Verbrauchsmengen. Das Kolophonium ist ein Inhaltsstoff der Koniferen und wird aus diesen als Balsam durch Lebendharzung gewonnen. Hierfür werden Kerben (Lachten) in die Bäume geschnitten, aus denen der Balsam als Verschlussmasse austritt. Der so gewonnene Rohstoff ist ein Gemisch aus Mono- und Di-Terpenen, verunreinigt durch zahlreiche Begleitstoffe.

Früher durch Wasserdampfdestillation, heute durch fraktionierte Destillation, wird der Balsam in flüchtiges Terpentinöl, ein Gemisch aus diversen Mono-Terpenen wie u.a. Limonen und Camphen und den Rückstand Kolophonium getrennt. Sein Hauptbestandteil ist die Abietinsäure (siehe Abbildung 2.1.15). Andere Quellen für Naturharze, in ihrer Zusammensetzung dem Kolophonium entsprechend, sind Baumstümpfe aus gerodeten Wäldern oder Abwässer aus der Cellulose-Herstellung.

Abbildung 2.1.15: Abietinsäure als Hauptbestandteil des Kolophoniums

Trotz der guten Verträglichkeit des Kolophoniums mit fetten Ölen sind der mit 65 °C zu niedrige Erweichungspunkt und der hohe Anteil saurer Gruppen Qualitätsmängel, die jedoch durch chemische Modifizierung zu beseitigen sind.

Die Anhebung der Erweichungstemperatur bei gleichzeitiger Absenkung des Säuregrades gelingt entweder durch Neutralisation oder durch Veresterung mit polyfunktionellen Alkoholen. Für die Salzbildung haben sich Calciumoxid und Zinkoxid, für die Molekülvergrößerung durch Esterbildung Glycerin und Pentaerythrit („Penta”) bewährt.

Die Veresterung der Abietinsäure zur Herstellung von unpolaren Kombinationsharzen für Öle kann einmal stöchiometrisch (siehe Abbildung 2.1.16) oder zum anderen zur Herstellung polarer Modifizierungsmittel für Cellulosenitrat mit Alkoholüberschuss erfolgen.

Während die Salze des Kolophoniums heute praktisch keine technische Bedeutung mehr haben, sind die Modifizierungsprodukte mit Maleinsäure im Druckfarbenbereich nach wie vor bedeutend (siehe Abbildung 2.1.17). Nach thermischer Umlagerung der Abietinsäure in Lävopimarsäure reagiert diese mit Maleinsäureanhydrid in Form einer 1,4-Diels-Alder-Addition zur Zwischenstufe einer Tricarbonsäure. Diese wird anschließend mit Polyolen zu den Maleinatharzen umgesetzt.

Abbildung 2.1.16: Modifizierung von Kolophonium durch Salzbildung oder Veresterung

Abbildung 2.1.17: Herstellung von Maleinatharzen aus Kolophonium, Maleinsäureanhydrid und Polyolen

Die Maleinatharze sind hell, hart, hochschmelzend, oxidationsfest, gut löslich und mit vielen anderen Filmbildnern vorteilhaft kombinierbar. Vor allem als Zusätze zu physikalisch trocknenden und oxidativ härtenden Beschichtungsstoffen spielen sie nach wie vor eine bedeutende Rolle.

Kautschuk

Die Natur ist nicht nur zur Synthese cyclischer Terpene oder Terpenoide befähigt. Sie kann in bestimmten Pflanzen aktiviertes Isopren auch in einer 1,4-Polymerisation stereospezifisch zu Makromolekülen zusammenfügen. 1,4-trans-Polyisopren hat als Guttapercha oder Balata eine geringere technische Bedeutung erlangt als das isomere 1,4-cis-Polyisopren, bekannt unter dem Namen Kautschuk. Letzterer wird in eigens für diesen Rohstoff angelegten Plantagen aus den Lachten der Hevea Brasiliensis als Latexmilch gewonnen. Nach Aufbereitung der wässrigen Dispersion wird dann der Rohkautschuk isoliert.

Trotz der mittlerweile synthetischen Herstellung von 1,4-cis-Polyisopren ist der Anteil des natürlichen Kautschuks im Markt immer noch hoch. Während der unmodifizierte, natürliche Kautschuk als Rohstoff für Gummi eine herausragende Rolle spielt, ist der Einsatz des Naturkautschuks als Filmbildner aufgrund seiner Unlöslichkeit in allen üblichen Lacklösemitteln und seiner Unbeständigkeit gegenüber Luftsauerstoff nur durch chemische Modifizierung möglich.

Abbildung 2.1.18: Kautschuk und Guttapercha als Isomere des 1,4-Polyisoprens

Die sehr hohe Molmasse und die durch Luftsauerstoff zur Vernetzung befähigten Doppelbindungen lassen sich durch eine gezielte thermische Behandlung in Gegenwart von Katalysatoren wirkungsvoll verringern. Dabei knüpfen sich durch Initiierung von Wasserstoffionen unter Öffnung der Doppelbindungen neue Valenzbindungen. Die neuen Bindungen führen intramolekular zu 6-gliedrigen Ringen aus der ursprünglich aliphatischen Molekülkette. Durch eine solche Cyclisierung werden mehr als 80 % der zuvor vorhandenen Doppelbindungen eliminiert. Bei zweckmäßiger Steuerung der Reaktion erfährt der so hergestellte Cyclokautschuk