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Robert Zimmer

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Beschreibung

Welches sind die wichtigsten Werke der Philosophie? Und wie kann man sich ihnen nähern? Dieser Band bietet Einstiegshilfen in Form von 100 Artikeln: Jeder Artikel zeichnet Argumentation und Inhalt eines Werks nach, von den Vorsokratikern bis zu Jürgen Habermas, und gibt Hinweise zur Rezeptionsgeschichte. Ein Personen- und Werkregister verknüpft die Artikel und ermöglicht es auf diese Weise, durch Querlektüre gleichzeitig einen guten Überblick über die Philosophiegeschichte zu bekommen.

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Seitenzahl: 350

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Robert Zimmer

Basis-Bibliothek Philosophie

100 klassische Werke

Reclam

John Aubrey zum Gedächtnis

 

2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Coverabbildung: Klosterbücherei Strahov, Prag

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2019

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961490-8

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019632-8

www.reclam.de

Inhalt

Vorbemerkung6.–4. Jahrhundert v. Chr.Die Fragmente der VorsokratikerPlatonApologiePhaidonDas GastmahlDer StaatAristotelesNikomachische EthikMetaphysik1. Jahrhundert v. Chr. – 6. Jahrhundert n. Chr.CiceroTuskulanische GesprächeÜber die PflichtenSenecaBriefe an LuciliusEpiktetHandbüchlein der MoralMarc AurelDie SelbstbetrachtungenPlotinEnneadenAurelius AugustinusBekenntnisseVom GottesstaatBoëthiusTrost der Philosophie10.–14. JahrhundertAnselm von CanterburyProslogionThomas von AquinDas Seiende und das WesenSumme der TheologieDuns ScotusAbhandlung über das erste PrinzipWilliam von OckhamSystem der gesamten LogikNikolaus von KuesDie belehrte UnwissenheitNiccolò MachiavelliDer FürstMichel de MontaigneEssaisGiordano BrunoVon der Unendlichkeit des Weltalls und der Welten17. JahrhundertFrancis BaconDas Neue OrganonRené DescartesAbhandlung über die MethodeMeditationen über die Erste Philosophie, in welcher die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele bewiesen werdenThomas HobbesLeviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen StaatesBlaise PascalHerrn Pascals Gedanken über die Religion und über einige andere ThemenBaruch de SpinozaEthik, nach geometrischer Methode dargelegtIsaac NewtonDie mathematischen Grundlagen der NaturphilosophieJohn LockeVersuch über den menschlichen VerstandZwei Abhandlungen über die Regierung18. JahrhundertGeorge BerkeleyAbhandlung über die Prinzipien der menschlichen ErkenntnisGottfried Wilhelm LeibnizNeue Abhandlungen über den menschlichen VerstandMonadologieGiambattista VicoPrinzipien einer neuen Wissenschaft von der gemeinschaftlichen Natur der VölkerCharles de MontesquieuVom Geist der GesetzeDavid HumeUntersuchung über den menschlichen VerstandJulien Offray de La MettrieDer Mensch als MaschineVoltaireCandide oder der OptimismusJean-Jacques RousseauÉmileVom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des StaatsrechtesImmanuel KantKritik der reinen VernunftKritik der praktischen VernunftJeremy BenthamEinführung in die Prinzipien der Moral und der GesetzgebungImmanuel KantKritik der UrteilskraftJohann Gottlieb FichteGrundlage der gesamten Wissenschaftslehre19. JahrhundertGeorg Wilhelm Friedrich HegelPhänomenologie des GeistesFriedrich Wilhelm Joseph SchellingÜber das Wesen der menschlichen FreiheitGeorg Wilhelm Friedrich HegelWissenschaft der LogikArthur SchopenhauerDie Welt als Wille und VorstellungGeorg Wilhelm Friedrich HegelGrundlinien der Philosophie des RechtsAuguste ComteAbhandlung über die positive PhilosophieAlexis de TocquevilleÜber die Demokratie in AmerikaLudwig FeuerbachDas Wesen des ChristentumsSören KierkegaardEntweder – Oder. Ein Lebensfragment, herausgegeben von Victor EremitaMax StirnerDer Einzige und sein EigentumKarl Marx / Friedrich EngelsMarx/EngelsManifest der Kommunistischen ParteiSören KierkegaardDie Krankheit zum TodeJohn Stuart MillÜber die FreiheitUtilitarismusHerbert SpencerSystem der synthetischen PhilosophieKarl MarxDas KapitalFriedrich NietzscheDie Geburt der Tragödie aus dem Geiste der MusikAlso sprach ZarathustraZur Genealogie der Moral20. JahrhundertBenedetto CroceÄsthetik als Wissenschaft vom Ausdruck und allgemeine SprachwissenschaftHenri BergsonSchöpferische EntwicklungWilliam JamesPragmatismus: ein neuer Name für eine alte DenkmethodeLeninMaterialismus und EmpiriokritizismusEdmund HusserlIdeen zu einer reinen Phänomenologie und einer phänomenologischen PhilosophieOswald SpenglerDer Untergang des AbendlandesLudwig WittgensteinTractatus logico-philosophicusGeorg LukácsGeschichte und KlassenbewusstseinErnst CassirerPhilosophie der symbolischen FormenMartin HeideggerSein und ZeitRudolf CarnapScheinprobleme in der PhilosophieMax SchelerDie Stellung des Menschen im KosmosAlfred North WhiteheadProzess und RealitätKarl Raimund PopperLogik der ForschungNicolai HartmannDer Aufbau der realen WeltAlbert CamusDer Mythos von SisyphosJean-Paul SartreDas Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen OntologieTheodor W. Adorno / Max HorkheimerAdorno/HorkheimerDialektik der AufklärungKarl Raimund PopperDie offene Gesellschaft und ihre FeindeSimone de BeauvoirDas andere GeschlechtHannah ArendtElemente und Ursprünge totaler HerrschaftLudwig WittgensteinPhilosophische UntersuchungenErnst BlochDas Prinzip HoffnungHans-Georg GadamerWahrheit und MethodeWillard van Orman QuineWort und GegenstandHerbert MarcuseDer eindimensionale MenschMichel FoucaultDie Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der HumanwissenschaftenJacques DerridaDie Schrift und die DifferenzJohn RawlsEine Theorie der GerechtigkeitPaul FeyerabendWider den Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen ErkenntnistheoriePeter SingerPraktische EthikJürgen HabermasTheorie des kommunikativen HandelnsRegister

Vorbemerkung

Dass kein bedeutendes Werk der Philosophie in einem zwei- oder dreiseitigen Kurzessay auch nur annähernd befriedigend dargestellt werden kann, bedarf kaum einer Erläuterung. Ein philosophisches Werk lässt sich nicht kurz zusammenfassen und es lässt sich auch nicht einfach so durchlesen. Für eine gründliche Lektüre benötigt man Zeit, zuweilen Monate. Akademische Philosophen widmen zuweilen sogar ihr gesamtes Forscherleben einem einzigen Werk.

Dies darf jedoch kein Grund sein, die philosophische Tradition vor denjenigen abzuschotten, die zwar Interesse an der Philosophie, nicht aber die Zeit haben, ein akademisches Fachstudium zu absolvieren. Auch sie haben Anspruch darauf, sich eine Überblickskenntnis über jene Werke verschaffen zu können, die seit 2500 Jahren die Weltsicht der westlichen Kulturen maßgeblich geprägt haben. Es muss Brücken geben, über die auch der philosophisch interessierte Nicht-Profi gehen kann, um im komplexen und umfangreichen Erbe der Philosophiegeschichte eine erste Orientierung zu erhalten.

Solche Brücken will das vorliegende Buch bauen. Es will die Lektüre philosophischer Werke damit natürlich nicht ersetzen, sondern Grundinformationen liefern und Entscheidungshilfen für eine solche Lektüre geben. Es stellt einhundert ausgewählte Werke vor, die in ihrem Anliegen, ihrer historischen Einbettung und in ihren wichtigsten Thesen skizziert werden sollen. Einbezogen werden auch Hinweise auf die philosophiegeschichtliche Diskussion, in der das Werk steht, und auf die Rezeption, die es in der Nachwelt erfahren hat. Die Philosophiegeschichte wird auf diese Weise als Problemgeschichte sichtbar: Jedes Werk greift Probleme auf, die von historisch gesehen früheren Werken entweder nicht gelöst oder erst aufgeworfen wurden. Der Leser kann sich individuell ein Netz oder Mosaik dieser Problemgeschichte zusammenstellen.

Jede Auswahl dieser Art ist anfechtbar. Neben unverzichtbaren, epochemachenden Klassikern wie PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.)Staat, René Descartes’Descartes, René (1596–1650)Abhandlung über die MethodeAbhandlung über die Methode (Descartes) oder KantsKant, Immanuel (1724–1804)Kritik der reinen VernunftKritik der reinen Vernunft (Kant), die in keiner Auswahl fehlen dürfen, gibt es eine Vielzahl von Werken, über deren Aufnahme man, je nach Standpunkt und Herkunft, wohl endlos diskutieren kann. Zweifelsfrei lassen sich aber alle hier ausgewählten Werke als Klassiker bezeichnen, als Werke also, die ihren zeitgenössischen Kontext überlebt haben und die philosophische Diskussion bis heute mitbestimmen.

Für die vorliegende Auswahl war entscheidend, dass ein national gefärbter Blickwinkel vermieden wird und Werke einbezogen werden, die, wie PascalsPascal, Blaise (1623–1662)GedankenGedanken (Pascal) oder SpencersSpencer, Herbert (1820–1903)System der synthetischen PhilosophieSystem der synthetischen Philosophie (Spencer), im westlichen Denken insgesamt einflussreich waren, auch wenn ihnen in einzelnen Ländern weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch fiel die Entscheidung zwischen Werken, die zwar in akademischen Diskussionen eine große Rolle spielen, aber aufgrund ihrer sprachlichen und argumentativen Komplexität nur wenigen Spezialisten zugänglich sind, und solchen, die eine Breitenwirkung über die Philosophie hinaus erzielt haben, regelmäßig zugunsten der letzteren aus. So wurde auf RussellsRussell, Bertrand (1872–1970) und WhiteheadsWhitehead, Alfred North (1861–1947)Principia Mathematica verzichtet, CamusCamus, Albert (1913–1960)’ Mythos von Sisyphos aber einbezogen; statt auf AdornosAdorno, Theodor W. (1903–1969)Negative Dialektik fiel die Wahl auf Peter SingersSinger, Peter (geb. 1946)Praktische EthikPraktische Ethik (Singer) oder Simone de BeauvoirsBeauvoirDas andere GeschlechtDas andere Geschlecht.

Der jüngste der im Band aufgenommenen Titel, Jürgen HabermasHabermas, Jürgen (geb. 1929)’ Theorie des kommunikativen HandelnsTheorie des kommunikativen Handelns, datiert von 1981. Auf Werke der neuesten Philosophiegeschichte wurde mit Absicht verzichtet. Dabei spielte die Überlegung eine Rolle, dass ein philosophisches Werk etwa eine Generation braucht, um seinen Status als Klassiker in der öffentlichen Diskussion durchzusetzen.

Die aufgenommenen Werke erscheinen chronologisch nach ihren bislang bekannten Erscheinungsdaten. Dort, wo, wie in der Antike und im Mittelalter, das Erscheinungsjahr entweder unbekannt ist oder Entstehungs- und Erscheinungsjahr weit auseinanderklaffen, wurden die Werke nach der uns bekannten Entstehungszeit angeordnet. Aber auch dies ist zuweilen (wie im Falle PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.), Aristoteles’Aristoteles (384–322 v. Chr.) oder PlotinsPlotin (um 205 – um 270)) nicht präzise möglich.

Im Inhaltsverzeichnis werden die Werke in Zeitclustern zusammengefasst, die sich nicht immer an dem konventionellen Einteilungsschema Antike – Mittelalter – Neuzeit orientieren. So wurde zunächst die frühe Phase der griechischen Philosophie im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. zusammengefasst. Sie schließt sowohl die sogenannten Vorsokratiker als auch die klassischen Werke des PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) und AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) ein.

Die hier aufgenommenen Werke der spätantiken Philosophie entstanden erst mehrere Jahrhunderte später. Eine eindeutige Grenze zwischen spätantikem und frühchristlichem bzw. frühmittelalterlichem Denken zu ziehen erschien aus mehreren Gründen problematisch, wenn man nämlich in Rechnung stellt, dass ein frühmittelalterlicher Kirchenvater wie AugustinusAugustinus (354–430) noch ganz im Umkreis der stoischen und neuplatonischen Philosophie erzogen wurde und dass das letzte bedeutende Werk der Antike, Der Trost der PhilosophieTrost der Philosophie (Boëthius) von BoëthiusBoëthius (zwischen 475 und 480 – zwischen 524 und 526), erst einhundert Jahre nach Augustinus erschien. In der Philosophie des 1. bis 6. Jahrhunderts n.Chr. durchdringen sich hellenistische und orientalisch-religiöse Motive gegenseitig.

Andererseits beginnt im 10. Jahrhundert mit der hochmittelalterlichen Scholastik, nach einer langen Phase der Völkerwanderung und der politischen und kulturellen Neuorientierung, erkennbar eine neue Phase der Philosophie, in der die rationale Erkenntnisbemühung sich Schritt für Schritt der Glaubensinhalte bemächtigt, ein Prozess, der bis zur Aufklärung des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus andauert.

Auch die Epochenschwelle zwischen Mittelalter und Renaissance, zwischen christlicher Exegese und wissenschaftlicher Weltzugewandtheit, ist in der Philosophie keineswegs eindeutig markiert. Es fällt schwer, zwischen dem spätmittelalterlichen Kardinal Nikolaus von KuesNikolaus von Kues (1401–1464) und dem mehr als einhundert Jahre später von der Kirche als Häretiker verbrannten Dominikanermönch Giordano BrunoBruno, Giordano (1548–1600) einen Epochenbruch auszumachen. Mit größerem Recht lässt sich behaupten, dass BrunosBruno, Giordano (1548–1600) Philosophie ohne die Denkansätze des Kardinals gar nicht denkbar ist. Die Übergangszeit des 15. und 16. Jahrhunderts, aus der ohnehin nur vier Werke aufgenommen wurden, wurde deshalb in einem eigenen Cluster zusammengefasst.

Ab dem 17. Jahrhundert steigt die Anzahl der aufgenommenen Werke kontinuierlich an – nicht nur deshalb, weil uns ab jetzt eine größere Zahl von Texten überliefert ist, sondern auch, weil die in den letzten vierhundert Jahren geführten Diskussionen sich besonders intensiv bis in die Gegenwartsphilosophie hinein abbilden.

Nun entsteht neben der zunehmenden Schwierigkeit, Periodisierungen (Aufklärung, Moderne usw.) vorzunehmen, auch das Problem der Zugehörigkeit eines Werks zu einer bestimmten Denkrichtung und Tradition (Rationalismus, Empirismus, Deutscher Idealismus). Um unvermeidliche, komplizierte Zuordnungsdiskussionen zu vermeiden, wurden ab dem 17. Jahrhundert die Zeitcluster mit den Jahrhunderten zusammengelegt.

Der Band schließt mit einem Personen- und einem Werkregister, damit der Leser das Buch auch wie ein Lexikon benutzen kann.

Basis-Bibliothek Philosophie ist damit ein Pocket-Reiseführer in die Welt der philosophischen Klassiker. Er soll helfen, diese Welt zu betreten, die ersten Wegweiser und Inschriften zu entziffern und sich einen Eindruck von einigen der größten Sehenswürdigkeiten zu verschaffen. Wird man durch ihn in dem Vorsatz bestärkt, diese Welt auf einer längeren Reise näher kennenzulernen, so ist sein Zweck erfüllt. Als Handbuch im wörtlichen Sinne kann er aber auch zu einem dauerhaften Begleiter werden.

Die Fragmente der VorsokratikerFragmente der Vorsokratiker

Entst. im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr.

Mit dem Begriff »Vorsokratiker« wird die früheste Phase der griechischen Philosophie im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. und gleichzeitig eine sehr heterogene Gruppe von Denkern bezeichnet. Sie umfasst nicht nur die Philosophen »vor SokratesSokrates (469–399 v. Chr.)«, sondern auch diejenigen seiner Zeitgenossen, die nicht zur klassischen, durch Sokrates, PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) und AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) repräsentierten Phase der griechischen Philosophie gerechnet werden. Gemeinsam ist allen diesen Denkern, dass nur noch Bruchstücke ihrer Werke erhalten sind. Im deutschen Sprachraum hat sich seit der klassischen, von Hermann Diels herausgegebenen und von Walther Kranz fortgeführten gleichnamigen Ausgabe der Werktitel Fragmente der VorsokratikerFragmente der Vorsokratiker eingebürgert.

Im 6. Jahrhundert v. Chr. erlebte die griechische Welt tiefgreifende Umwälzungen. Traditionelle Herrschaftsformen wurden ebenso in Frage gestellt wie überkommene mythische Weltbilder. Demokratisierung, Ausweitung des Handels und die weitere Verbreitung von Schriften trugen dazu bei, dass die Philosophie als Forum der rationalen Weltdeutung und des Austauschs von Argumenten entstand.

Die ersten Vorsokratiker traten an der ionisch besiedelten Küste Kleinasiens auf. Sie stellten die Frage nach den letzten Prinzipien des Kosmos, die sie mit der Frage nach der »arché«, dem Urstoff der Welt, verbanden. Für ThalesThales (um 624 – um 546 v. Chr.) war dies das Wasser, für AnaximanderAnaximander (um 610 – nach 547 v. Chr.) das Unbegrenzte und für AnaximenesAnaximenes (um 585 – zwischen 528 und 524 v. Chr.) die Luft. Der aus Sizilien stammende EmpedoklesEmpedokles (um 494 – um 434 v. Chr.) sah die »Wurzel aller Dinge« in den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Luft. Sein Zeitgenosse AnaxagorasAnaxagoras (499–428 v. Chr.) übte mit seinem Begriff des »nous«, des reinen unendlichen Geistes als Urprinzip der Welt, großen Einfluss auf die spätere Metaphysik des AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) aus.

Für PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) und AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) noch wichtiger wurden allerdings drei andere, sehr unterschiedliche Denker: PythagorasPythagoras (um 570 – nach 510 v. Chr.), HeraklitHeraklit (zwischen 540 und 535 – zwischen 483 und 475 v. Chr.) und ParmenidesParmenides (zwischen 540 und 535 – zwischen 483 und 475 v. Chr.). PythagorasPythagoras (um 570 – nach 510 v. Chr.), als Mathematiker noch heute berühmt, glaubte, dass sich die Ordnung des Kosmos symbolisch in Zahlenverhältnissen ausdrücken lasse, und übernahm aus orientalischen Lehren die Vorstellung von der Seelenwanderung. Heraklit begriff die Welt als einen ständigen, durch den Zusammenprall von Gegensätzen hervorgerufenen Prozess der Veränderung (»Alles fließt«) und gilt daher als der Vater der Dialektik. Allerdings glaubte er auch, dass diesen Veränderungen der »logos«, eine gesetzmäßig wirkende Weltvernunft, zugrunde liegt. ParmenidesParmenides (zwischen 540 und 535 – zwischen 483 und 475 v. Chr.) aus Elea, der Gründer der »eleatischen« Schule, hielt wiederum jede Veränderung für bloßen Schein und vertrat die Auffassung, dass das wahre Sein ewig und unveränderlich ist. Diese Idee eines unveränderlichen ewigen Seins floss unmittelbar in die Ideenlehre PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) ein. Im Anschluss an HeraklitHeraklit (zwischen 540 und 535 – zwischen 483 und 475 v. Chr.) und ParmenidesParmenides (zwischen 540 und 535 – zwischen 483 und 475 v. Chr.) wurde der Versuch, »Veränderung« zu erklären, zu einem zentralen Anliegen der klassischen Metaphysik.

Eine Aufklärung in Form von Religionskritik gibt es bereits im 6. Jahrhundert bei Xenophanes von KolophonXenophanes von Kolophon (um 580 – nach 478 v. Chr.), der religiöse Vorstellungen als Projektionen der menschlichen Lebenswelt deutet. Mit den von PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) als »Wortverdrehern« verleumdeten Sophisten, den griechischen Aufklärern des fünften vorchristlichen Jahrhunderts, wandte sich die Philosophie dem Menschen und seinem Handeln zu. Programmatisch wurde der Satz des ProtagorasProtagoras (490–411 v. Chr.): »Der Mensch ist das Maß aller Dinge.« Die Unterscheidung zwischen Naturgesetzen und den von Menschen gemachten Gesetzen ebnete den Weg für eine rationale Kritik ungerechtfertigter Herrschaft. Gegen eine elitäre Auffassung von Philosophie verstanden sich die Sophisten als in der Öffentlichkeit wirkende professionelle Philosophen. Sie schufen die Rhetorik als eine von allen erlernbare Technik der Argumentation. Viele Sophisten wurden zu Fürsprechern der athenischen Demokratie und nicht zuletzt deswegen von konservativer Seite angefeindet.

Das Schicksal, von seinen Gegnern heftig bekämpft und an den Rand gedrängt zu werden, traf auch DemokritDemokrit (460–371 v. Chr.), selbst ein materialistischer Naturphilosoph, Demokrat und Zeitgenosse des SokratesSokrates (469–399 v. Chr.). Wie sein Lehrer LeukippLeukipp (5. Jh. v. Chr.) deutete er die Welt als eine Zusammensetzung unteilbarer kleinster Elemente, der Atome, und inspirierte damit noch die neuzeitliche Naturwissenschaft.

PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.)

428/427–348/347 v. Chr.

ApologieApologie (Platon)

(Apología)Entst. zwischen 399 und 389 v. Chr.

SokratesSokrates (469–399 v. Chr.), der erste der drei großen klassischen griechischen Philosophen, hat, im Gegensatz zu PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) und AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.), keine einzige Schrift hinterlassen. Den besten und umfassendsten Eindruck seines philosophischen Selbstverständnisses vermittelt eine frühe Schrift seines Schülers Platon, die ApologieApologie (Platon), die die Verteidigungsreden des zum Tode verurteilten Sokrates rekonstruiert und nicht lange nach dessen Tod entstanden ist. Während in den mittleren und späten Schriften PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) die Figur des Sokrates vor allem ein Sprachrohr des Autors ist, entspricht der Sokrates der ApologieApologie (Platon) weitgehend, soweit man das heute beurteilen kann, seinem historischen Vorbild.

470 v. Chr. geboren, hatte SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) als junger Mann die demokratischen Reformen des Perikles erlebt und später als Soldat im Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta gekämpft. Nach der Kapitulation Athens im Jahre 404 errichtete ein konservatives, von den alten Aristokratenfamilien getragenes Marionettenregime Spartas in Athen eine Schreckensherrschaft, die aber bereits ein Jahr später durch die Wiederherstellung der Demokratie abgelöst wurde.

SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) war inzwischen zu einer stadtbekannten Athener Figur geworden. Wie die Sophisten, aus deren Milieu er kam, trug er die Philosophie ins Volk, indem er auf den Straßen und Plätzen seiner Heimatstadt Athen die Menschen mit Grundsatzfragen wie »Was ist Gerechtigkeit?« oder »Was ist Tapferkeit?« konfrontierte – ohne jedoch selbst endgültige Antworten zu formulieren. Die neuen demokratischen Herrscher misstrauten ihm jedoch, da viele seiner Schüler zu den Gegnern der Demokratie gehörten. 399 stellten sie ihn unter Anklage, machten ihm den Prozess und verurteilten ihn zum Tod.

PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.), ein entschiedener Gegner der Demokratie, verfolgte mit der ApologieApologie (Platon) die Absicht, seinem Lehrer ein philosophisches Denkmal zu setzen und gleichzeitig die athenische Demokratie zu diskreditieren. Die offizielle Anklage lautete, SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) habe durch seine öffentliche Lehrtätigkeit die Jugend verdorben und die politische und religiöse Ordnung untergraben. In der ersten großen Rede der Schrift bestreitet Sokrates dies und beschreibt sein eigenes philosophisches Projekt als das der intellektuellen Bescheidenheit und rationalen Selbsterforschung. Zwar habe ihn das Orakel von Delphi als den weisesten aller Menschen bezeichnet, doch nur in dem Sinne, dass er als Einziger sich bewusst sei, nichts zu wissen. Auch die Gespräche mit den Athener Bürgern habe er mit dem Ziel geführt, falsche Gewissheiten zu zerstören. Den Vorwurf der Gottlosigkeit kontert er mit dem Hinweis, dass er sehr wohl ein Göttliches anerkenne, nämlich ein »daimonion«, eine göttliche innere Stimme, die seine Seele vor Schaden bewahre, indem sie ihn vor moralisch zweifelhaften Handlungen warne.

Das Bewusstsein, vor der eigenen Gewissensinstanz des »daimonion« bestehen zu können, führt SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) in einer zweiten Rede dazu – anstatt den Schuldspruch anzuerkennen –, für sich die höchste öffentliche Ehrung, die Speisung im Prytaneion, zu beantragen. Dennoch akzeptiert er das Todesurteil in der dritten abschließenden Rede mit dem Hinweis, dass seine Seele lediglich von einem Ort zu einem anderen ziehe und es für einen guten Menschen kein Übel, weder im Leben noch im Tode, gebe.

Prozess und Tod des SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) lassen bis heute Fragen offen. Historisch erwiesen ist, dass Sokrates tatsächlich enge Verbindungen zu den Feinden der Athener Demokratie hatte und dass andererseits die Richter keineswegs seinen Tod, sondern lediglich seine Verbannung wollten und ihm zahlreiche Hintertürchen offenließen. Die Nachwelt folgte allerdings der Darstellung des PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) und sah ihn als philosophischen Märtyrer.

Die vom Umfang her sehr kleine Schrift bietet eine unübertroffene und sprachlich klare Einführung in das sokratische Denken. Sie trug wesentlich dazu bei, dass SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) in der gesamten Philosophiegeschichte als Prototyp der Weisheit, der moralischen Tapferkeit und intellektuellen Redlichkeit gesehen wurde.

PhaidonPhaidon (Platon)

(Phaídōn)Entst. zwischen 399 und 347 v. Chr.

PhaidonPhaidon (Platon) gehört aus zwei Gründen zu den berühmtesten Werken der Philosophiegeschichte: PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) schildert hier die letzten Stunden seines philosophischen Lehrers SokratesSokrates (469–399 v. Chr.), der wegen Einführung neuer Götter und ideologischer Verführung der Jugend zum Tode verurteilt worden war. Er enthält aber auch die von Sokrates vorgetragenen Argumente für die Unsterblichkeit der Seele, die weit in die Geistesgeschichte hineingewirkt haben. Nicht zufällig öffnet Platon hier den Blick auf eine transzendente, übersinnliche Welt. Der PhaidonPhaidon (Platon) gehört in die sogenannte mittlere Schaffensperiode PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.), in der er seine »Ideenlehre« entwickelte, also die Lehre von den geistigen, ewigen und unveränderlichen Formen, die unserer sinnlich wahrnehmbaren Welt vorausgehen und ihr als Modell dienen.

Wie die meisten Schriften PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) ist auch der PhaidonPhaidon (Platon) als Gespräch zwischen mehreren beteiligten Personen abgefasst, eine literarische Form, die den Zugang des Lesers zu den angesprochenen philosophischen Themen erheblich erleichtert. PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) hat die Gespräche jenes Tages aus Erzählungen der Anwesenden und gemäß den eigenen philosophischen Absichten rekonstruiert. Er selbst war, wie in der Schrift berichtet wird, an jenem Tag wegen Krankheit nicht anwesend. Die im Text von SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) vorgetragenen Thesen müssen deshalb auch als indirekte Wiedergabe der philosophischen Position PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) gelesen werden.

Der Namensgeber des Dialogs, PhaidonPhaidon (Platon), ein Schüler des SokratesSokrates (469–399 v. Chr.), berichtet dem Pythagoreer Echekrates von dem letzten Tag des großen Philosophen, als dieser noch einmal alle Schüler um sich versammelt hatte, und lässt über diese Erzählung die Diskussionen jenes Tages lebendig werden.

Unter den anwesenden Schülern herrscht wegen des bevorstehenden Todes des SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) eine gedrückte Stimmung. Dem tritt Sokrates mit der berühmten Aussage entgegen, wahres Philosophieren bedeute, auf den Tod hin zu leben, denn im Tod trenne sich der Mensch von der vergänglichen körperlichen Existenz. Die Wahrheit der Dinge, also die unvergänglichen Ideen seien dem Menschen nur über die Seele, nicht über den Körper zugänglich. Die Seele kann aber diese Rolle als Erkenntnisorgan der unsterblichen Ideen nur spielen, wenn sie selbst unsterblich ist. Deshalb stehen im Zentrum der Schrift die Argumente für eine Unsterblichkeit der Seele. PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) stützte sich dabei auf Thesen der religiösen Bewegung der Orphiker und der vorsokratischen Schule der Pythagoreer, die beide die Unsterblichkeit der Seele mit der Vorstellung einer Seelenwanderung verbanden.

Im Mittelpunkt stehen vier Argumente: Weil in der Entwicklung der Natur ständig natürliche Gegensätze ineinander übergehen, kann auch angenommen werden, dass neues Leben aus dem Tod entsteht. Dies setzt eine unvergängliche Seele voraus. Auch die Lehre von der »anamnesis«, also die These, dass alles Lernen eine Form der Wiedererinnerung ist, führt nach PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) zu der Erkenntnis, dass etwas immer schon vorher existiert hat, nämlich eine unsterbliche Seele. Drittens ist die Seele von ihrer einheitlichen und immer gleich bleibenden Struktur her den unvergänglichen Ideen ähnlich. Und viertens ist die Seele dasjenige, was den Körper lebendig macht, sie ist das Lebensprinzip selbst und kann deshalb nicht sterblich sein.

Die Faszination der Schrift rührt u.a. daher, dass SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) diese Thesen durch sein Handeln beglaubigt, indem er in völligem Gleichmut den ihm zugedachten Giftbecher trinkt und noch im Sterben gegenüber seinen Schülern die Rolle des Tröstenden einnimmt. Diese Haltung hat ihm während der gesamten Philosophiegeschichte den Ruf eines vorbildlichen Weisen eingebracht. So wurde der PhaidonPhaidon (Platon) zu einer der Schlüsselschriften, die das Sokrates-Bild der westlichen Philosophie nachhaltig geprägt haben. Die These, dass Philosophieren bedeutet, sterben zu lernen, übernahm im 16. Jahrhundert MontaigneMontaigne, Michel de (1533–1592) als Titel für einen seiner berühmtesten Essays. Enorm einflussreich war auch die im PhaidonPhaidon (Platon) entwickelte Auffassung von der Unsterblichkeit der Seele. Sie hat nicht nur die Philosophie der Antike bestimmt, sondern auch Eingang in das Christentum gefunden und dadurch das gesamte europäische Denken geprägt.

Das GastmahlDas Gastmahl (Platon)" \t "s. Symposion (Platon)

(SympósionSymposion (Platon))Entst. zwischen 399 und 347 v. Chr.

Dass ein Zusammensein unter Freunden, bei gutem Essen und gutem Wein, auch die geistige Kreativität fördern und wichtige philosophische Gedanken hervorbringen kann, war in der antiken Philosophie eine vertraute und immer wieder erlebte Erfahrung. In PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.)SymposionSymposion (Platon), wörtl. »Trinkgelage«, wird sie zur literarischen Form gestaltet. Das SymposionSymposion (Platon) führt ein Brainstorming zum Thema »Eros«, »Liebe« und »Schönheit« vor. Dabei verzichtet PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) nicht auf bühnenreife Effekte: So erscheint SokratesSokrates (469–399 v. Chr.), das philosophische Sprachrohr PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.), verspätet zum Gastmahl, nachdem er im Hof eines Nachbarn meditierend stehen geblieben war, und Alkibiades, der berühmte Athener Feldherr, taucht am Ende des Mahls im betrunkenen Zustand auf und bringt eine Liebeserklärung an Sokrates vor, in der sich philosophische Wertschätzung und homoerotische Neigungen verbinden.

Die philosophische Absicht der Schrift ist es, den Begriff »Eros« in neuer, philosophischer Weise zu deuten. Eros wird nun mit dem Streben des Menschen verknüpft, zur Erkenntnis jener ewigen »Schönheit« zu gelangen, die allen schönen Dingen zugrunde liegt. Das SymposionSymposion (Platon) gehört deshalb neben dem PhaidonPhaidon (Platon) und dem Staat zu jenen großen klassischen Schriften PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.), in denen er seine »Ideenlehre« entwickelt hat, die Lehre von den ewigen, unveränderlichen geistigen Formen (»Ideen«), die als wahre Wirklichkeit für unsere sinnlich wahrnehmbare Welt Modell steht.

Das SymposionSymposion (Platon) beginnt mit einer Reihe von Lobreden, die die einzelnen Teilnehmer auf den Eros halten. Unter den Sprechern sind so prominente Figuren wie der Tragödiendichter Agathon, der Gastgeber des Gastmahls, oder der Komödiendichter Aristophanes. Zunächst wird Eros in Zusammenhängen dargestellt, die den Teilnehmern aus der Alltagserfahrung bekannt waren, wie die Wahrsagekunst oder die homoerotische Liebe. Aristophanes begreift den Eros als denjenigen, der die Menschen zu ihrer ursprünglichen, mythischen Natur zurückführt, in der es keine Geschlechtertrennung gab.

Agathon schließlich sieht Eros als den Gott, der in seiner Schönheit die Grundtugend verkörpert, alle Vermögen des Menschen miteinander zu harmonisieren, eine ästhetische Tugend also, die zugleich alles ethisch Gute befördert.

Hieran knüpft nun SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) an, der mit Agathon in einen gesonderten Dialog eintritt und schließlich dort die philosophische Neudefinition des Eros vornimmt. Dabei beruft er sich auf eine Einsicht, die ihm durch die Seherin Diotima zuteil geworden sei. Eros ist danach nicht selbst etwas Gutes und Schönes, sondern eine Kraft und Fähigkeit, die das Schöne und Gute erst hervorbringt. Analog zur körperlichen Liebe, in der wir unsere Sehnsucht nach Unsterblichkeit durch Erzeugen von Nachkommen zu verwirklichen suchen, zielt der wahre Eros auf die Verwirklichung einer geistigen Unsterblichkeit. Eros ist ein Erzeugerdrang der Seele, der eine Erkenntnis, die in uns angelegt ist, zur Verwirklichung bringt. Dabei beschreitet die Seele einen Stufenweg: von dem einzelnen, konkreten sinnlichen Schönen schreitet sie fort zur Idee der körperlichen Schönheit, die in allem einzelnen Schönen verwirklicht ist, und von dort zu den geistigen Schönheiten: den schönen Handlungsweisen, den schönen Kenntnissen bis schließlich zum Schönen selbst. In der geistigen Schau des Schönen, das PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) mit dem Wahren und mit der höchsten Idee, der Idee des Guten identifiziert, gelangt der Mensch in Kontakt mit der Unsterblichkeit, die nur in der unveränderlichen und ewigen Welt der Ideen zu finden ist.

Sowohl wegen seiner literarischen, mit zahlreichen plastischen Details und Anekdoten gespickten Präsentation, aber auch wegen seines Themas ist das SymposionSymposion (Platon) bis heute eine der beliebtesten und wirkungsreichsten Schriften PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) geblieben. So hat Sören KierkegaardKierkegaard, Sören (1813–1855), von PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) inspiriert, den ersten Teil seiner Stadien auf des Lebens WegStadien auf des Lebens Weg (Kierkegaard) als SymposionSymposion (Platon) über die Liebe gestaltet, und auch Michel FoucaultFoucault, Michel (1926–1984) setzt sich im zweiten Band seiner Trilogie Sexualität und WahrheitSexualität und Wahrheit (Foucault) mit den Diskussionen des SymposionSymposion (Platon) auseinander.

Der StaatDer Staat (Platon)

(Politeía)Entst. zwischen 399 und 347 v. Chr.

PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) Hauptwerk ist die erste erhaltene und bis heute einflussreichste Staatsutopie der westlichen Philosophiegeschichte. Sie enthält aber nicht nur PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) politische Philosophie, sondern auch die ausgearbeitetste Form seiner Metaphysik, in deren Zentrum die Lehre von einer ewigen, geistigen und unveränderlichen Wirklichkeit steht, die unserer wahrnehmbaren Wirklichkeit übergeordnet ist.

Der griechische Titel »Politeía«, wörtlich die »Lehre von der Polis«, also der Stadt, zeigt bereits an, dass es in PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) Werk nicht um einen Staat im heutigen Sinne, sondern um ein Gemeinwesen nach dem Vorbild der altgriechischen Stadtstaaten geht, die von Größe und Bevölkerung etwa einem Schweizer Kanton vergleichbar waren. PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) gehörte der alten, über Generationen herrschenden Athener Aristokratie an, die sich durch die demokratischen Reformen des Perikles und die Aufklärungsbewegung der Sophisten im 5. Jahrhundert v. Chr. herausgefordert sah. Nach Ansicht der Sophisten waren moralische und politische Gesetze, im Unterschied zu Naturgesetzen, Produkte des Menschen und damit veränderbar. Die Frage »Was ist Gerechtigkeit?« konnte nun nicht mehr alleine durch Heranziehung der Tradition beantwortet werden.

PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) reagierte auf diese Herausforderung der sophistischen Aufklärung mit dem Modell eines idealen, vor jeder Veränderung geschützten Staates. Wie frühere Schriften Platons ist auch Der StaatDer Staat (Platon) in der Art eines Dialogs verfasst, in der PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) Lehre durch den Mund des SokratesSokrates (469–399 v. Chr.) vermittelt wird.

Für PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) ist Gerechtigkeit identisch mit einer stabilen Ordnung, in der jeder Teil seinen naturgegebenen Platz einnimmt und seine natürliche Funktion ausübt. Diese Ordnung findet sich sowohl in der Seele des einzelnen Menschen als auch, analog dazu, im großen Rahmen des Staates. Den drei Vermögen der Seele: der herrschenden Vernunft, dem ihm dienenden Willen und den von ihm beherrschten Leidenschaften, entspricht im Platonischen Staat eine Dreiklassengesellschaft von Herrschern, Kriegern und arbeitender Bevölkerung. In beiden Fällen gibt es also eine eindeutige und festgelegte Rangordnung, die es entweder herzustellen oder zu schützen gilt. So werden, nach dem Vorbild der Militärdiktatur in Sparta, Herrscher und Krieger durch ein asketisches Leben und militärisches Training in ständiger militärischer Bereitschaft gegen das Volk und gegen Feinde von außen gehalten. Die berühmte »Frauen- und Kindergemeinschaft« soll das Entstehen privater Bindungen verhindern und den Zusammenhalt unter Herrschern und Kriegern sichern.

Dem Anspruch, dass nur die Besten herrschen sollen, kann nur dadurch entsprochen werden, dass die Herrschenden die Fähigkeit erwerben, das Gute und Gerechte zu erkennen. Wie es zu einer solchen Erkenntnis kommen kann, klärt PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) im Rahmen seiner Metaphysik, der sogenannten »Ideenlehre«. Danach ist die Welt der sinnlich wahrnehmbaren, veränderlichen Dinge nur eine Scheinwelt, der eine Welt der idealen Formen, der sogenannten Ideen, gegenübersteht. Die Ideen dagegen liefern der Wahrnehmungswelt unvergängliche Muster und gehören einem Bereich der Wirklichkeit an, der nur der unmittelbaren Schau der Vernunft zugänglich ist. Genau in diesem Sinn entspricht auch PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) Staat der »Idee« eines Staates.

Die höchste Idee, die auch die Idee der Gerechtigkeit umfasst, ist die Idee des Guten. In einem Kernstück des Buches, dem »Höhlengleichnis«, vergleicht PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) die Idee des Guten mit der Sonne, die nur wenigen philosophisch Eingeweihten direkt zugänglich ist, während die Mehrheit wie in einer Höhle nur eine Schattenwelt wahrnimmt. Durch ihre Befähigung zu einer solchen Schau des Guten erwerben die Herrscher ihre Legitimation und ihren Namen als »Philosophenkönige«. Bis sie zu solchen geworden sind, müssen sie allerdings eine langjährige wissenschaftliche und philosophische Erziehung durchlaufen.

Ob Der StaatDer Staat (Platon) jedoch tatsächlich, wie sein Autor beanspruchte, die Frage nach dem gerechten und besten Staat beantwortet oder nicht vielmehr als Entwurf einer totalitären Gesellschaft gelten muss, ist bis heute umstritten. PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) idealer Staat inspirierte jedenfalls die gesamte Tradition des utopischen Denkens, von den Staatsutopien der Renaissance bis zu marxistischen Philosophen wie Ernst BlochBloch, Ernst (1885–1977).

AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.)

384–322 v. Chr.

Nikomachische EthikNikomachische Ethik (Aristoteles)

(Ēthiká Nikomácheia)Entst. zwischen 335 und 323 v. Chr.

Wir sind gewohnt, die Ethik, die sich mit den Grundsätzen unserer Lebensführung und unseres Handelns beschäftigt, als eigenständige Disziplin der Philosophie zu betrachten. Der erste uns bekannte Philosoph, der diese Abgrenzung bewusst vollzogen hat, ist AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.). Die Nikomachische EthikNikomachische Ethik (Aristoteles) ist seine bekannteste und wichtigste Schrift zum Thema. Wie im Falle aller uns überlieferten Bücher des Aristoteles handelt es sich aber auch hier nicht um einen Text, der für die Veröffentlichung, sondern um einen, der für die Lehrtätigkeit bestimmt war und von späteren Herausgebern erst in eine bestimmte Ordnung gebracht wurde. Die Aufzeichnungen der Nikomachischen Ethik sind mit großer Wahrscheinlichkeit in der letzten Lebensphase des Aristoteles entstanden, als er in Athen seine eigenen Schüler um sich versammelte.

Auch in seiner Ethik geht AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) von seiner Grundüberzeugung aus, dass alles in der Natur dazu da ist, seine Wesensanlagen zur endgültigen, ausgereiften Form zu entwickeln. Dies gilt auch für den Menschen. Diese »teleologische«, d.h. zweckorientierte, auf ein Ende hin ausgerichtete Interpretation der menschlichen Existenz bedeutet, dass alle Menschen »von Natur aus« einem Ziel ihrer Selbstverwirklichung zustreben. Dieses Ziel ist das Glück. Moral- und Glückslehre, tugendhaftes und glückinspiriertes Handeln sind für Aristoteles, wie für die meisten Philosophen der Antike, gleichbedeutend. Das Glück ist das höchste Gut, auf das alles Handeln ausgerichtet ist und das die Menschen nicht als Mittel zum Zweck, sondern um seiner selbst willen anstreben.

Während für seinen Lehrer PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) Glück ausschließlich in der Versenkung oder Kontemplation in die ewige und geistige Idee des Guten besteht, gibt es in der Nikomachischen Ethik drei unterschiedliche Formen des Glücks, die mit drei ganz unterschiedlichen Lebensformen verbunden werden. Die erste und niedrigste Form des Glücks ist die Lust. Dem entspricht eine ausschließlich auf Lustgewinn orientierte Lebensform, der nach AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) die Mehrheit der Menschen anhängt, die er aber als »sklavenhafte Art des Lebens des Viehs« bezeichnet. Es sind dann die beiden anderen Formen des Glücks, die er positiv wertet und die der Verwirklichung des Menschen als Vernunftwesen entsprechen. Im Umgang mit anderen Menschen ist eine weltliche und soziale Form des Glücks möglich. Sie wird durch eine bestimmte Art von Vernunft erreicht, die Aristoteles Phrónesis, d.h. Klugheit, nennt. Sie leitet uns an, sogenannte Charaktertugenden wie Freigiebigkeit oder Tapferkeit auszuprägen. Nach der berühmten »Mesótes-Lehre« des Aristoteles, d.h. der Lehre von der richtigen Mitte, handelt es sich hierbei um soziale Verhaltensdispositionen, die unseren Affekten und Leidenschaften eine sozial verträgliche Form geben und immer in der Mitte zwischen extremen Verhaltensweisen wie Verschwendung und Geiz oder Tollkühnheit und Feigheit liegen.

Diese Form des Glücks ist jedoch erst die Grundlage für die höchste Form des Glücks. Wie bei seinem Lehrer PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.)handelt es sich um ein Glück der Kontemplation, das durch die Ausbildung der höchsten rationalen Fähigkeiten und die Ausprägung kontemplativer, d.h. rein geistiger Tugenden erreicht wird. Das Glück der »betrachtenden Tätigkeit«, der autarken selbstbezogenen Kontemplation, ist ein Produkt der »sophía«, der Weisheit, eine Form der Vernunft, die über die Klugheit hinausgeht. In der kontemplativen Lebensform, in der Betrachtung des ewig Seienden, nähert sich der Mensch den Göttern an.

Die Nikomachische EthikNikomachische Ethik (Aristoteles) hat für die gesamte antike Philosophie schulbildend gewirkt. Dass Glück das Ziel des tugendhaften Handelns ist und zu diesem Zwecke die Leidenschaften mit Hilfe der Vernunft kontrolliert werden müssen, wurde auch über die Antike hinaus zu einer allgemein akzeptierten Ansicht. Die grundsätzliche Ablehnung einer Glücks- und Klugheitsethik zugunsten einer Pflichtethik hat erst Immanuel KantKant, Immanuel (1724–1804) im 18. Jahrhundert formuliert. Die aristotelischeAristoteles Lehre von den Charaktertugenden hat als Theorie des klugen Sozialverhaltens, zusammen mit den CharakterenCharaktere (Theophrast) seines Schülers TheophrastTheophrast (um 371 – 287 v. Chr.), auch die neuzeitliche Moralistik beeinflusst.

MetaphysikMetaphysik (Aristoteles)

(Ta metá ta physiká)Entst. zwischen 367 und 322 v. Chr.

AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) hat nie ein Buch mit dem Titel »Metaphysik« geschrieben. Was uns vorliegt, ist eine Sammlung von Vorlesungsaufzeichnungen, die der in Alexandria lebende Bibliothekar und Philosoph Andronikos von Rhodos im ersten nachchristlichen Jahrhundert zusammengestellt und in der Werkliste »hinter« (griech. »metá«) die Physik eingeordnet hat. Sie kreisen um ein gemeinsames Thema, nämlich das, was Aristoteles »Erste Philosophie« nennt. Es geht dabei um die Grundlagen unserer Wirklichkeitsauffassung, um ein Verständnis dessen, was wir meinen, wenn wir sagen, etwas »ist«. Die Erste Philosophie hat es, in den Worten des Aristoteles, mit den »Prinzipien und Ursachen des Seienden, und zwar insofern es Seiendes ist«, zu tun und liegt deshalb allen anderen philosophischen Disziplinen zugrunde.

AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) war 20 Jahre lang Student der Akademie seines Lehrers PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) in Athen und nahm dort aktiv Anteil an den Diskussionen um PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) Ideenlehre. Für Platon lag die wahre Wirklichkeit in der Welt der ewigen, unveränderlichen und idealen Formen, der »Ideen«, nach deren Muster unsere sinnlich wahrnehmbare Welt geordnet ist und zu der sie sich verhält wie ein Abbild zum Urbild. Diese »Schattenwelt« der sinnlich wahrnehmbaren, vergänglichen Dinge ist nur dadurch »wirklich«, dass sie an den Ideen »teilhat«.

Von dieser Trennung zwischen Ideenwelt und sinnlich wahrnehmbarer Welt wandte sich AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) ebenso ab wie von der Vorstellung einer »Teilhabe« der sinnlichen an einer jenseitigen geistigen Welt. Grundlage seiner Ersten Philosophie ist vielmehr die Beobachtung von Wachstums- und Entwicklungsprozessen in der Natur. Entstehung und Veränderung ist für ihn ein Prozess, der bestimmten Gesetzen folgt, die in den Dingen und nicht außerhalb der Dinge angelegt sind. Zu beobachten ist ein ständiges Übergehen von Möglichkeit in Wirklichkeit, von Stoff in Form. Auf die Frage, warum etwas so ist, wie es ist, antwortet Aristoteles: Weil es aus einem bestimmten Stoff gemacht wurde, eine bestimmte Form hat, durch einen bestimmten Vorgang herbeigeführt wurde und die Verwirklichung eines bestimmten Zwecks ist. Entsprechend unterscheidet er zwischen vier verschiedenen Ursachen: der Stoffursache, der Formursache, der Wirkursache und der Zweckursache. Während für die heutige Wissenschaft nur noch die Wirk-, d.h. Kausalursache eine Rolle spielt, hatten für Aristoteles die Formursache und die Zweckursache eine größere Bedeutung. So wie ein Baum aus einem Samen entsteht, in dem die gesamte Entwicklung zum ausgewachsenen Baum schon angelegt ist, so können alle Dinge in ihrer Form, d.h. in ihrer vollendeten Gestalt, als Verwirklichung eines in ihnen angelegten Zwecks begriffen werden. Aristoteles nennt die Formursache deshalb auch »Wesensursache«, weil in der entwickelten Gestalt das eigentlich Charakteristische eines Dings sichtbar wird, nämlich seine Unveränderlichkeit und selbständige Existenz, Merkmale, für die er den Begriff »Substanz« einführt. Substanz ist der Wesenskern eines Gegenstands im Gegensatz zu den Akzidenzien, den wechselnden Eigenschaften. Ein Baum ist eine Substanz, weil er immer ein Baum bleibt, auch wenn seine Eigenschaften sich ändern können. Mit dem Begriff Substanz wird das wichtigste Verständnis von »Sein« bezeichnet. Etwas »ist« im eigentlichen Sinn erst, wenn es Substanz ist.

Die Welt ist für AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) eine ewige Bewegung, eine unendliche Entstehung von Substanzen, die in ihrer Gesamtheit selbst wieder auf einen großen Endzweck zuläuft, auf den sogenannten »unbewegten Beweger«. Er ist der aristotelische Gott, ein geistiges kosmisches Prinzip, das die Entwicklung des Universums steuert, ihr selbst aber nicht unterworfen ist.

Die in der MetaphysikMetaphysik (Aristoteles) zusammengefassten Aufzeichnungen erfordern wegen ihrer Argumentationsdichte eine konzentrierte und genaue Lektüre, die sich aber lohnt. Die Wirkung der Schrift war epochal: Der Begriff der Substanz sowie die Deutung des Universums als einer zweckgerichteten Ordnung haben viele Jahrhunderte Wissenschafts- und Philosophiegeschichte bestimmt. Der Name »Metaphysik« hat seither den der »Ersten Philosophie« als Bezeichnung der philosophischen Grundlagendisziplin abgelöst.

CiceroCicero (106–43 v. Chr.)

106–43 v. Chr.

Tuskulanische GesprächeTuskulanische Gespräche (Cicero)

(Tusculanae disputationes)Entst. 45 v. Chr.

Tusculum, das Landgut des römischen Staatsmanns und Philosophen CiceroCicero (106–43 v. Chr.), ist heute fast zu einem Synonym für ein Bildungsrefugium geworden, in dem man, abgeschottet von der Welt, sich mit den wichtigen Fragen des Lebens philosophisch auseinandersetzen kann. Als Cäsar die römische Republik zugunsten einer Alleinherrschaft beseitigte und CiceroCicero (106–43 v. Chr.) ins politische Abseits schob, zog sich dieser nach Tusculum zurück und schrieb eine Reihe von Werken, von denen die Tuskulanischen Gespräche bis heute das bekannteste sind. Wie mit seiner kurz zuvor verfassten Schrift HortensiusHortensius (Cicero) wollte CiceroCicero (106–43 v. Chr.) mit den Gesprächen der Philosophie in der römischen Kultur die Geltung verschaffen, die sie in der griechischen Kultur traditionell hatte – nicht nur als Hilfswissenschaft für Redner und Politiker, sondern als grundlegende und eigenständige Erkenntnisbemühung.

Die Tuskulanischen Gespräche widmen sich dem in der antiken Ethik wichtigsten Thema überhaupt: der Weisheit, einer Lebenshaltung, die es dem Menschen ermöglicht, mit Hilfe der Vernunft Konflikte, Krisen und Unglücke des Lebens souverän zu bewältigen. In der Zeit nach den drei großen klassischen Philosophen SokratesSokrates (469–399 v. Chr.), PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) und AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) hatten alle großen griechischen Philosophenschulen dieses Thema ins Zentrum gestellt – so die Anhänger der Akademie PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.), die als »Peripatetiker« (die, die beim Diskutieren herumwandeln) bekannten Anhänger des Aristoteles, die Epikureer und die Stoiker. CiceroCicero (106–43 v. Chr.) galt als Anhänger der Platonischen Akademie, doch in seiner Ethik bediente er sich bei den verschiedensten Schulen und teilte auch deren gemeinsamen Grundsatz: dass eine auf vernünftiger Einsicht beruhende Tugend zu einem glücklichen Leben führt. Lediglich die These EpikursEpikur (um 341 – 271 oder 270 v. Chr.), Tugend bestehe in Freude und Lust, lehnte er durchgehend ab.

Das Buch ist an CicerosCicero (106–43 v. Chr.) Freund Brutus, den späteren Mörder Cäsars, adressiert und in der Tradition der philosophischen Dialoge PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.)