Philosophie zum Selberdenken. Denksportaufgaben zum Erkenntnisgewinn - Robert Zimmer - E-Book

Philosophie zum Selberdenken. Denksportaufgaben zum Erkenntnisgewinn E-Book

Robert Zimmer

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Beschreibung

Philosophie ist nicht nur harter Tobak, sondern auch Spaß am Denken. Und philosophisches Fragen schärft den Blick auf unser Leben. Denn Philosophie ist »aufgeklärter Alltagssachverstand«, wie Karl Popper meinte, und den kann man schulen. Jedes Kapitel enthält mehrere Bausteine: eine kompakte Einführung in ein zentrales philosophisches Problem, eine Infothek, die historisches Material dazu liefert und wesentliche Begriffe erläutert, und spannende Aufgaben zum Selberdenken, zum Beispiel philosophische Kopfnüsse und Gedankenexperimente, Logik-Checks und Pro-und-Contra-Challenges.

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Seitenzahl: 352

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Robert Zimmer

PhilosophiezumSelberdenken

Die großen Fragen der Philosophie undwas man mit ihnen anfangen kann

 

Anaconda

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Dieses Buch erschien zuerst 2015 bei der dtv Verlagsgesellschaft, München, unter dem Titel Denksport Philosophie.

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung der dtv Verlagsgesellschaft, München© 2015 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe 2023 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: Bernardo Ramonfaur /Alamy Stock FotoUmschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, Bad Honnef

ISBN 978-3-641-30986-2

www.anacondaverlag.de

INHALT

1 Beipackzettel: Eine kurze Gebrauchsanweisung zu diesem Buch

2 Einführung: Worum es in der Philosophie geht, warum sie auch ein Denksport ist und was sie schon alles hinter sich hat

3 Philosophische Themen und Probleme

4 Die Antike als Ursprung der westlichen Philosophie

5 Logik, Sprache, Argumentation: Aus dem Werkzeugkasten der Philosophie

6 Gott

7 Raum und Zeit, Kosmos und Geschichte

8 Kausalität, Zufall, Freiheit

9 Ich-Bewusstsein, Leib/Seele, Individuum

10 Gerechtigkeit

11 Moral und Glück

12 Anhang: Lösungen, Argumente und Ideen

KAPITEL 1

Beipackzettel Eine kurze Gebrauchsanweisung zu diesem Buch

Ich danke Martin Morgenstern für die Durchsicht einzelner Kapitel und für seine Bereitschaft, die Entstehung des Buches kritisch zu begleiten.

Robert Zimmer

Dieses Buch hat eine Gebrauchsanweisung, weil es nicht im üblichen Sinne gelesen, sondern benutzt werden will. Es ist ein Philosophiebuch, aber keine philosophische Abhandlung. Es ist auch kein Lehrbuch, was aber nicht heißt, dass man nichts mitnehmen und lernen kann. Doch das Menü muss man sich selbst zusammenstellen. Die Menükarte ist ein Angebot zum Self-Service. Wer normal lesen will, sei gleich vorgewarnt: Es gibt hier keinen vorgezeichneten Weg, keinen fortlaufenden Text, der sich in einer von der ersten bis zur letzten Seite fortschreitenden Lektüre erschließt.

Stattdessen gibt es ein vielfältiges Angebot: ein Arsenal von Informationen, Anregungen und Aufgaben, sprich: Denkmaterialien, die zwar in einer bestimmten Weise angeordnet, aber in ihrer möglichen Zusammensetzung keineswegs festgelegt sind.

Doch einfaches Zugreifen und Konsumieren genügt hier nicht. ›Denksport Philosophie‹ ist ein Werkstattbuch, das aktive Mitarbeit einfordert. Man geht hinein, wie man in eine Werkstatt geht, in der man einige gesuchte Instrumente und Arbeitsmittel zu finden hofft. Philosophieren heißt immer »Selber denken«: Man will Gedanken kennenlernen, man will sich aber auch selbst Gedanken machen. Man will nicht nur Bauanleitungen zur Verfügung gestellt bekommen, sondern auch selbst etwas bewerkstelligen, ein Problem auch auf eigene Faust lösen. Wer philosophiert, lässt sich immer auf Versuch und Irrtum, auf eigene Probe- und Werkstücke ein.

Dass ein Philosophiebuch ein Werkstattbuch sein kann, sollte einen deshalb nicht überraschen. Die Philosophie steckt voller ungelöster Fragen und Probleme. Für diejenigen, für die Denken keine Last, sondern eine Lust ist und die sich nicht nur für Kreuzworträtsel, sondern für die grundlegenden Rätsel der menschlichen Existenz interessieren, sind diese Probleme eine gesuchte sportliche Herausforderung. Wer mit diesem Buch die Werkstatt betritt, hat sich bereits auf den »Denksport Philosophie« eingelassen.

Was aber findet man in der Denksport-Werkstatt?

Ein ausgewähltes, aber kein umfassendes Angebot: Informationen darüber, mit welchen Bauprojekten sich die großen Meister der Philosophie beschäftigt, welche Instrumente sie entwickelt haben, was sie mit diesen Instrumenten anzufangen wussten und welche fertigen und auch unfertigen Werkstücke sie uns hinterlassen haben. Auf Vollständigkeit wird hier jedoch keinerlei Anspruch erhoben: Nicht alle wichtigen Philosophen, nicht alle wichtigen Theorien und auch nicht alle philosophischen Probleme kommen hier zur Sprache. Es ist nicht der Ehrgeiz des Buches, das breite Spektrum philosophischer Themen abzudecken, das in der akademischen Philosophie behandelt wird. Auch auf jene sehr komplexen Instrumente, zu deren Benutzung man nicht nur eine spezielle Ausbildung, sondern auch lange Übung braucht, wurde hier verzichtet.

Um im Bild zu bleiben: Dieses Buch richtet sich nicht an den akademisch bestallten philosophischen Handwerksmeister, sondern an den interessierten philosophischen Heimwerker, an den, der sich einmal umschauen will, worum es in der Philosophie geht und sich selbst an dem ein oder anderen Problem versuchen möchte. Es wurde deshalb versucht, die Baupläne verständlich und ein Angebot an handhabbaren, aber dennoch nützlichen Werkzeugen zu machen. Gebrauchsanweisungen sind, soweit notwendig, beigefügt. Wie in einer Werkstatt kann man sich die notwendigen Instrumente selbst zusammensuchen und auch kombinieren. Man kann sie auch für verschiedene Aufgaben verwenden.

Dies bedeutet: Das Buch beschränkt sich auf einige, aber in jedem Fall grundlegende Probleme der Philosophie. Es liefert Informationen darüber, wie man im Laufe der Philosophiegeschichte mit diesen Problemen umgegangen ist. Und es liefert Schnittmuster zum Selberbasteln: Aufgaben, Kopfnüsse und Anregungen zum Argumentationsaustausch.

Jedes der im Buch behandelten Kapitel kann eigenständig gelesen werden. Die Reihenfolge bestimmt der Leser selbst. Hier dennoch eine kleine Orientierungshilfe, was man wo finden kann.

Die ersten Kapitel sind dazu da, einen Rundgang durch die Werkstatt zu machen. Für die Anfänger gibt es eine kurze Einführung, was Philosophie eigentlich ist und worum es in ihr geht. Wer mit der Philosophie bereits Erfahrung hat, kann dieses Kapitel gern überspringen.

Danach wird es schon etwas konkreter: Mit welchen Problemen haben wir es zu tun und, in Kurzform, was ist mit ihnen in der Philosophiegeschichte alles passiert?

Bevor sich jedes Kapitel dann einem zentralen philosophischen Problem zuwendet, werfen wir in Kapitel 4 einen Blick in jene philosophische Epoche, in der alles anfing und in der unser gesamtes Philosophieverständnis geprägt wurde: in die Antike, genauer gesagt in die antike griechische Philosophie. Hier kommt jeder irgendwann an, der in der Philosophie nach den historischen Wurzeln gräbt.

Auch dieses Kapitel kann der kundige Leser natürlich überspringen. Wenn er es aber nicht tut, wird er vielleicht mit Erstaunen feststellen, wie wenig von dem, was uns heute philosophisch beschäftigt, wirklich neu ist und wie sehr wir immer noch auf den Gleisen fahren, die die griechischen Philosophen gelegt haben.

Damit ist der Einführungsrundgang beendet. Nun kann der Leser intensiver in einzelne Problembereiche einsteigen. Das Kapitel 5 bietet einen Crashkurs für den Werkzeugkasten der Philosophie, für die Fragen, die sich im Umgang mit Sprache und Logik ergeben. Dann kommen die dicken Brocken: Welche Rolle spielt Gott in der Philosophie? (Kap. 6); welches Bild von der Welt entwirft sie? (Kap. 7); gibt es Weltgesetze, die uns begreiflich machen, was notwendig, möglich oder zufällig geschieht? (Kap. 8); und: Was meinen wir Menschen eigentlich, wenn wir behaupten, wir hätten Bewusstsein, Geist oder gar eine Seele? (Kap. 9)

Die letzten beiden Kapitel widmen sich den Problemen des menschlichen Handelns. Tiere fragen sich bekanntlich nicht, ob sie richtig oder falsch, angemessen oder unangemessen handeln. Der Mensch schon. Und wenn es ganz grundlegend wird, kommt die Philosophie zum Zug, mit Fragen wie Was ist Gerechtigkeit? (Kap. 10) oder Fragen nach der Begründung der Moral und den Maßstäben des Glücks (Kap. 11).

Die hier auf verschiedene Kapitel verteilten Themen entsprechen nicht immer den philosophischen Disziplinen, wie sie in der akademischen Lehre üblich sind. Sie folgen vielmehr der Intuition, dass bestimmte Fragen zusammengehören wie die Glieder eines Körpers. Schneidet man sie ab und steckt sie irgendwo anders hin, wirkt der Rest wie amputiert. Man wird auch sehr schnell feststellen: Alles hängt mit allem irgendwie zusammen. Immer wieder gibt es Fragen eines Problembereichs, die in einen anderen Problembereich übergreifen. Deshalb gibt es in jedem Kapitel Querverweise auf andere Kapitel. Kreuz und quer im Buch Herumsurfen ist deshalb ausdrücklich erwünscht. Niemand muss die Kapitel in der hier gewählten Reihenfolge angehen. Man wähle einfach ein Thema aus, das einen interessiert, und steige ein.

Jedes Kapitel enthält ganz unterschiedliche Texte: erstens solche, die Informationen zu Philosophen, philosophischen Begriffen oder philosophischen Themen liefern, und zweitens die Aufgabentexte, die sozusagen die konkrete Problemstellung liefern, mit denen sich der Denksportambitionierte auseinandersetzen soll. Es gibt in diesem Buch keine langen Traktate. Jeder dieser Texte ist kurz, prägnant und kann wie ein Baustein mit anderen Texten verknüpft werden, die dem Leser hierzu passend erscheinen.

Die unterschiedlichen Texttypen kehren immer wieder. Der Informationsvermittlung dienen drei davon: Jedes Kapitel enthält eine knappe »Einführung« in das behandelte Thema. In den »Info-Portal« genannten Texten erfährt der Leser, welche Schritte in der Philosophie im Lauf der Zeit gemacht wurden, welche Haltung bedeutende Philosophen zu einem Problem eingenommen haben. »Apropos« liefert eine Kurzinfo zu einem oder mehreren Begriffen, einem philosophischen Thema, einem Werk oder einer Person. Was »An die Pinnwand« kommt, ist weniger Information als eine kleine konzentrierte Infusion, die das Nachdenken anregen soll: Auch Philosophen haben manchmal richtig gute Sprüche drauf.

Ein Kernstück des Buches sind die philosophischen »Denksport-Aufgaben«. Aber Vorsicht! Philosophie ist kein Rätselraten, aber auch keine Mathematik. Zwar gibt es manchmal auch in der Philosophie eindeutige Antworten. Doch dies ist eher die Ausnahme als die Regel. Philosophische Probleme angehen heißt meistens, gute und bessere Argumente finden. Oder es heißt, eine Aussage auf ihre logische Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit zu überprüfen. Es kann auch heißen: Brainstorming, Austausch von neuen Ideen.

Deshalb gibt es in diesem Buch ganz unterschiedliche Aufgabentexte: »Der kleine Philosophensteckbrief« fragt nach dem Namen eines bedeutenden Philosophen; »Die philosophische Kopfnuss« konfrontiert den Leser mit einem wichtigen philosophischen Grundsatzproblem, bei dem auch mal der Denkhochleistungsgenerator angeworfen werden muss. In »Pro und Contra« geht es um die besseren Argumente in weniger grundsätzlichen und konkreteren Fällen dort, wo philosophische Prinzipien mit dem Kopf auf die harte Realität stoßen. Der »Logik-Check« ist so etwas wie ein kleiner philosophischer TÜV: Hier werden Sätze und Begriffe auf logische Fahrtüchtigkeit hin überprüft. Und schließlich wird unter dem Titel »Denk dir was!« der Leser aufgefordert, seine philosophische Fantasie kreativ spielen zu lassen. Wie, in welcher Reihenfolge und mit welchem Ziel sich der Leser den einzelnen Textbausteinen und Aufgaben zuwendet, bleibt ihm überlassen.

Wer es nicht aushält, kann ja in Kapitel 12 nachsehen. Dort sind die Lösungen und Lösungsvorschläge für alle Aufgaben aufgeführt.

Wer überhaupt noch nicht weiß, was Philosophie ist und was sie eigentlich soll, kann jetzt zu Kapitel 2 übergehen.

Texttypen

Info-Texte

INFO-PORTAL

Informationen zu einem übergreifenden oder Kapitelthema, in Kurzabschnitte gegliedert

APROPOS

Kurzinfo zu einer im Text prominent erwähnten Person oder zu einem erwähnten Thema

AN DIE PINNWAND

Kurze eingestreute, prägnante, zum Thema passende philosophische Aussagen

Aufgaben-Texte

DIE PHILOSOPHISCHE KOPFNUSS

Ein traditionelles philosophisches Problem, das den Sinn für philosophisches Fragen schärfen soll

DENK DIR WAS!

Eine philosophische Denkaufgabe, die konstruktive Fantasie erfordert

DER KLEINE PHILOSOPHENSTECKBRIEF

Gefragt wird nach einem bekannten Denker der Philosophiegeschichte.

DER LOGIK-CHECK

Hier werden Aussagen auf logische Widersprüchlichkeit überprüft.

PRO UND CONTRA

Hier wird ein Problem gestellt, zu dem die besten Argumente gesucht werden.

Joseph von Keller: Die Philosophie (1833)

KAPITEL 2

Einführung: Worum es in der Philosophie geht, warum sie auch ein Denksport ist und was sie schon alles hinter sich hat

Warum überhaupt Philosophie? Was soll ich damit? Dem Wort jedenfalls begegnen wir des Öfteren auch im Alltag. »Unsere Philosophie: Glückliche Paare sind unser Erfolg« – so steht es z. B. in der Werbung einer Partnervermittlung. Aber hier hat sich wohl jemand ein Kleidchen umgehängt, das gar nicht für ihn geschneidert war. Hier geht es nicht wirklich um Philosophie, ebenso wenig wie es um Wissenschaft geht, wenn ein Kaninchenzüchter über seine Tätigkeit sagt, das sei eine Wissenschaft für sich.

Wo also stecken die »richtige« Philosophie und die »richtigen« Philosophen?

Sie kommen, so scheint es vielen, irgendwie in dicken und ziemlich schwierigen Büchern vor. Die meisten machen deshalb um sie herum lieber einen großen Bogen. Der Ruf der Philosophie ist nicht immer der beste. Für die einen handelt es sich um etwas Hochgestochenes und Abstraktes, das irgendwelchen intellektuellen Eierköpfen vorbehalten ist. Für die anderen ist es so ziemlich das Unpraktischste, was man sich vorstellen kann, etwas, was mit dem normalen Leben kaum etwas zu tun hat. Einige haben schon mal ein philosophisches Buch in der Hand gehabt und nichts oder noch weniger verstanden. Kurz gesagt: Philosophie ist anstrengend, nutzlos und macht keinen Spaß.

Jetzt könnten wir das Buch eigentlich schon wieder zuklappen, einen sarkastischen Kommentar auf Facebook hinterlassen und uns den schöneren Seiten des Lebens zuwenden. Komisch nur, dass die Leute immer wieder auf die Philosophie zurückkommen. Manche werden sogar magisch von ihr angezogen.

Dies hat einen ganz einfachen Grund: Philosophie ist etwas Universales. Hier werden Fragen behandelt, auf die jeder irgendwann einmal stößt. Die Philosophie liegt sozusagen in der Luft. Wer die Philosophie abschaffen will, muss den Menschen abschaffen. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass der Mensch ein so merkwürdiges und einzigartiges Wesen ist, wie er es eben ist. Ein Wesen, das nicht mit sich im Reinen und sich nicht sicher ist, was und wer es ist, und welche Rolle es in der Natur spielt. Der Mensch ist das Wesen, das sich und die Welt nicht von selbst versteht. Er wird, so hat es einer der Granden unter den Philosophen, Arthur Schopenhauer (1788–1860), formuliert, von einem »metaphysischen Bedürfnis« getrieben, von dem philosophischen Bedürfnis also, sich und die Welt in einem größeren Zusammenhang erklären zu können. »Den Menschen ausgenommen«, schreibt Schopenhauer, »wundert sich kein Wesen über sein eigenes Daseyn.«

»Sich wundern« ist ein gutes Stichwort, wenn man in die Philosophie einsteigen will. Denn genau damit, mit dem »Staunen« – so ist es uns von Platon (427–347 v. Chr.), einem der Väter der westlichen Philosophie, überliefert – fängt die Philosophie an: Staunen über den Menschen und die Welt und Staunen darüber, dass überhaupt etwas ist und nicht nichts.

Es gibt also Philosophie, weil wir mit uns selbst noch eine Rechnung offen haben. Philosophie hat es mit den Fragen und Problemen zu tun, die wir zwar im Alltag normalerweise verdrängen, weil uns die praktischen Anforderungen des Lebens oft drängender erscheinen, die aber dennoch unmittelbar aus der menschlichen Existenz erwachsen. Endgültig wegschieben können wir sie nie, weil Philosophie zu unserer Natur gehört.

Die Philosophie und ihre Fragen

Wer Philosophie betreibt, fängt an zu fragen. Philosophie entsteht aus ungelösten Fragen, und zwar aus den großen und grundlegenden, die den Menschen und sein Verhältnis zur Welt betreffen.

Tiere stellen keine Fragen über sich selbst und schon gar keine Grundsatzfragen. Der Mensch dagegen stellt immer wieder mal solche Fragen wie: Was ist das für eine Welt, in der ich lebe, welchen Gesetzen gehorcht sie und wie kann ich diese erkennen? Was für ein Wesen bin ich eigentlich? Gibt es einen Kompass, eine Orientierungshilfe für mein Handeln? Damit haben wir bereits einige der wichtigsten philosophischen Fragen kennengelernt: die nach dem Wesen der Welt, nach den Grenzen unserer Erkenntnis, nach der Natur des Menschen und nach den Normen unseres Handelns. Die Frage z. B., was der Mensch ist und wodurch er sich vom Tier unterscheidet, ist eine der ältesten und bis heute diskutierten Fragen der Philosophie. Immanuel Kant (1724–1804) hat die großen Fragen der Philosophie folgendermaßen zusammengefasst: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Gebündelt sieht er sie in der einen zentralen Frage vereint: Was ist der Mensch?

Am Ursprung allen Philosophierens steht jedoch eine Frage, die direkt aus dem Staunen Platons entspringt, eine Frage, die man fast als den Urknall des Philosophierens bezeichnen könnte: Warum ist etwas und nicht nichts? Wie lässt sich überhaupt erklären, dass es Wirklichkeit gibt? Ist es überhaupt denkbar, dass es sie nicht gibt?

Die Philosophie stellt scheinbare Selbstverständlichkeiten in Frage und hat damit bis heute das Denken auf Trab gehalten. Böswillige meinen, Philosophen machen sich Gedanken um nichts. Ganz falsch ist das nicht. Genauer müsste man sagen: Sie machen sich Gedanken um »Sein« und »Nichtsein«. Schon unter den ganz frühen europäischen Philosophen gab es diejenigen, die nicht nur nach dem Ursprung der Wirklichkeit fragten, sondern die Wirklichkeit selbst in Frage stellten. Was auf den ersten Blick absurd erscheint, ist auf den zweiten Blick geeignet, unsere Augen für eine ganze Reihe von Problemen zu öffnen. An dem, was wir Wirklichkeit nennen, ist vieles nicht so selbstverständlich, wie wir meinen.

EINE GROSSE KOPFNUSS DER PHILOSOPHIE

Kann das Sein auch »nicht sein«?

Der frühgriechische Philosoph Gorgias (485–380 v. Chr.) gab auf die Frage: Warum ist etwas und nicht nichts? folgende überraschende Antwort: Dass überhaupt etwas existiert, können wir gar nicht nachweisen. In Wahrheit existiert nichts. Selbst wenn etwas existiert, ist es doch nicht erkennbar; selbst, wenn es erkennbar ist, ist es doch nicht mitteilbar. Der berühmte Spruch aus Shakespeares ›Hamlet‹: »Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage« hat also durchaus einen tieferen philosophischen Hintergrund.

Dieser vor mehr als 2400 Jahren formulierte, sehr weitgehende Skeptizismus scheint unserer normalen Erfahrung zu widersprechen.

Gibt es Argumente gegen die These des Gorgias? Oder hat er etwas Richtiges gesehen?

Philosophie als Denksport

Zur Philosophie gehört zwar, dass unablässig diskutiert wird und alles in Frage gestellt werden kann. Doch es bleibt nicht beim Fragen. Klar ist inzwischen auch, dass Philosophie eine Herausforderung ans Denken ist. Philosophen streben auch nach Antworten, wenn es sich auch nicht immer um endgültige, sondern um vorläufige Antworten handelt. Es sind Antworten, die dazu da sind, dass man weiterfragt. Nicht nur das Fragen hört in der Philosophie nie auf, sondern auch das Antworten. Das Wechselspiel zwischen neuer Frage und neuer Antwort ist es, was die Philosophie weiterbringt. Deshalb ist die Philosophie auch kein Bauchladen mit Welterklärungssystemen und lebensfernen Theorien, sondern eine an den Rätseln der menschlichen Existenz sich abarbeitende große und unentwegte Denkanstrengung, die die Menschheit über Jahrhunderte begleitet und die uns ununterbrochen Kopfnüsse vor die Füße wirft. Die Philosophie ist ein Diskussionsforum und ein riesiges Trainingsgelände für Denksportler. Dabei haben wir es nicht mit den kleinen Bällen, sondern mit den großen, sozusagen den Medizinbällen der Menschheit zu tun, die wir immer wieder stemmen müssen. Und wie bei allen anstrengenden sportlichen Tätigkeiten, kann man auch hier nicht erwarten, dass man auf Anhieb Höchstleistungen erzielt. Auch hier gilt: Übung, Übung, Übung. Wer sich regelmäßig mit philosophischen Fragen beschäftigt, wird feststellen, dass sie keineswegs abstrakt und abgehoben sind, sondern sehr viel mit den immer wiederkehrenden Problemen unseres Lebens zu tun haben. In diesem Sinne ist dieses Buch ein Übungsbuch: Wir machen mit unseren Hirnmuskeln ein paar erste Dehnübungen und später ein paar Übungseinheiten in Sachen Philosophie.

Wozu soll das gut sein? Auch hier hilft vielleicht der Vergleich mit dem Sport. So wie wir uns im Sport von unnötigen Pfunden befreien und unseren Körper fit halten, so befreit uns die Philosophie von unnötigen Vorurteilen und Fehlschlüssen. Und sie hält unseren Geist wach für das Abenteuer des Denkens.

Vielleicht könnt man sagen: Philosophie hat etwas mit geistiger Hygiene zu tun. Sie ist vielleicht manchmal ein bisschen anstrengend, aber es ist eine Anstrengung, die sich lohnt. Wir können von der Philosophie keine endgültigen Antworten erwarten, aber sehr wohl Befreiung von Illusionen. Sie lässt uns fehlerhafte Begründungen durchschauen und sie bewahrt uns vor der Scharlatanerie derjenigen, die uns billig Überzeugungen und Theorien verkaufen wollen. Mit dem immer scharfen Messer der Kritik bleibt der Geist wach und klar.

AN DIE PINNWAND

Was Du für ein Geschenk hältst, ist ein Problem, das Du lösen solltest.Ludwig Wittgenstein

Rationale Argumentation und Kritik sind die Werkzeuge, mit denen die Philosophen ans Werk gehen. Und dies bedeutet auch: Kommunikation, Diskussion, Austausch mit anderen. Philosophie entfaltet sich am besten dort, wo möglichst viele beteiligt sind: nicht im akademischen Elfenbeinturm, sondern in der Öffentlichkeit. Die ersten Zentren der Philosophie waren Handelsstädte, in denen Waren und Ideen ausgetauscht wurden. Die bekannteste und wichtigste davon war Athen. Von Beginn an gingen die Philosophen ganz verschiedene Wege, um ihre Philosophie zu entwickeln. Die einen gingen auf die Marktplätze und sprachen die Menschen direkt an. Andere versammelten Anhänger um sich und gründeten, abgeschottet von der Öffentlichkeit, philosophische Schulungszentren. Solche philosophischen Trainingscamps gab es in der Antike viele. Die antike Philosophie ist ein Tummelplatz konkurrierender Philosophenschulen. Ob hinter Mauern oder auf der Straße: Das Philosophieren wurde als eine Folge von Denk-und Lebensübungen, als eine »Lebensform« praktiziert.

APROPOS

Akademiker und Streetworker

Platon (427–347 v. Chr.), der berühmteste Schüler des Sokrates, gilt als der Urgründer der westlichen Universitäten und er ist zugleich der Namensgeber für alle, die sich »Akademiker« schimpfen. Im ehemaligen Hain des Akademos in Athen gründete er seine eigene Philosophenschule. Wie es sich für eine »Akademie« gehört, war das eine ziemlich elitäre Angelegenheit, eine Art Internat mit festem Lehr- und Tagesplan für ausgesuchte Schüler.

Epikur (ca. 341–271 v. Chr.), auf den sich jene Genussmenschen berufen, die sich zu Recht oder Unrecht »Epikureer« nennen, nannte seine Schule »Der Garten«. Auch dies war ein räumlich abgeschlossenes Areal in Athen, doch öffnete Epikur seine Schule für alle Schichten. Revolutionär für seine Zeit war, dass auch Frauen zugelassen waren.

Die akademische Tradition hat, wie wir wissen, viele Nachfolger gefunden. Die Zahl der Philosophieprofessoren ist Legion. Aber es gibt auch eine andere Tradition. Man konnte auch außerhalb der »Schulen« Philosophie lehren und lernen. Der berühmteste philosophische Streetworker der Philosophiegeschichte ist Sokrates (469–399 v. Chr.). Sokrates wählte den Marktplatz in Athen als Katheder: Er war berüchtigt dafür, dass er dort die Leute anquatschte und ihnen Fragen stellte wie »Was ist Tapferkeit?« oder »Was ist Gerechtigkeit?«. Er wollte ihnen demonstrieren, dass sie im Grunde keine befriedigenden Antworten geben konnten, aber auch die Grundlage für vorurteilsfreies Philosophieren schaffen, indem er zeigte, dass wir im Grunde noch nichts wissen.

2300 Jahre später trat ein anderer philosophischer Streetworker auf einem anderen Marktplatz auf den Plan. Man nannte ihn den »Sokrates von Kopenhagen«: der Däne Sören Kierkegaard (1813–1855). Auch er begriff Philosophie als eine Form der öffentlichen Kommunikation. Kierkegaard, ein etwas schief gewachsener Exzentriker, pflegte mit seinem Spazierstock umherzufuchteln, gegen Kirche und Staat zu stänkern und ein Leben zu kritisieren, das nur in der Anpassung an Konventionen bestand. Er wollte die Leute wachrütteln und ihnen klarmachen, dass sie für ihr Leben verantwortlich sind und eigenständige Entscheidungen treffen müssen. Im 20. Jahrhundert entdeckte man ihn wieder und machte ihn zu einem der Väter der Existenzphilosophie.

Man kann den Denksport Philosophie zwar auch immer zwischen den eigenen vier Wänden betreiben. Doch ganz allein ist man dabei nie. Wir bewegen uns im Medium der Sprache, die wir mit anderen teilen, und befinden uns damit immer in Auseinandersetzung mit den Gedanken anderer. Ludwig Wittgenstein (1889–1951), einer der Großen in der Philosophie der Moderne, war der Meinung, dass es keine Privatsprache geben kann. Sprache ist danach immer eine Form der sozialen Kommunikation. Dasselbe gilt für die Philosophie. Es gibt keine Privatphilosophie. Die Philosophie äußert sich in öffentlich zugänglichen Büchern, sie kann sich aber auch in direkterer Form, durch Gespräche, Interviews oder Diskussionen, in die Öffentlichkeit einschalten. Im Zeitalter des Internets eröffnen sich für die Philosophie dazu neue Formen. Philosophische Erkenntnis lebt von öffentlicher Auseinandersetzung, weswegen sie nicht im Elfenbeinturm verweilen darf. Sie muss sich dem Volk zeigen. Und die Philosophen müssen erklären können, was sie denken und warum sie es denken.

Philosophie, Religion, Wissenschaft

Alles schön und gut, sagt jetzt jemand. Aber das Ganze kann ich doch viel billiger haben: Wenn es um die letzten Fragen der menschlichen Existenz geht, wende ich mich an die Religion. Und wenn es um die Erklärung unserer Welt geht, haben wir ja noch die Wissenschaft. Warum also Philosophie?

Zunächst einmal: Philosophie, Religion und Wissenschaft stehen historisch in einem engen Zusammenhang. Bei den frühesten uns bekannten Philosophen kann man kaum unterscheiden, ob sie Philosophen, religiöse Gurus oder Wissenschaftler waren. Es gab noch nicht einmal die Begriffe, um diese drei Bereiche auseinanderhalten zu können. Die ersten Philosophen waren Lehrer, die Schüler um sich versammelten und ihnen mit Hilfe des gesamten damals bekannten Wissens die Welt erklärten.

AN DIE PINNWAND

Wage es, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen.Immanuel Kant

Die heutigen empirischen Wissenschaften sind als eigenständige Disziplinen erst viel später aus der Philosophie heraus entstanden. Noch bis ins 18. Jahrhundert wurden die Naturwissenschaften als »Naturphilosophie« bezeichnet. Fast alle frühen Philosophen und viele der späteren waren gleichzeitig Philosophen und Wissenschaftler und haben bahnbrechende (natur-)wissenschaftliche Leistungen vollbracht. Auch Philosophie und Religion sind lange Zeit Hand in Hand gegangen. Im Mittelalter galt die Philosophie sogar als »ancilla theologiae«, also als »Magd der Theologie« und noch bis zur Aufklärung haben die meisten Philosophen die Grundlagen der Religion nicht in Frage gestellt. Wenn Immanuel Kant als eine der philosophischen Grundfragen formuliert: »Was darf ich hoffen?«, so spricht er nicht nur eine philosophische, sondern natürlich auch eine religiöse Thematik an. Gemeint ist die Hoffnung auf Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Kant glaubte noch, dass sich die Fundamente des christlichen Glaubens zwar nicht beweisen lassen, dass aber doch vieles auf sie hindeutet.

Heute allerdings würden dies nicht mehr viele Philosophen unterschreiben. Philosophie, Religion und Wissenschaft haben inzwischen ihre eigenen Claims abgesteckt. Jedenfalls kann man einen wichtigen Unterschied herausstellen: Philosophie ist radikal offen und kritisch, sie vertraut allein der Erfahrung, der Logik und der Vernunft. Für sie zählt das, was sich in rationaler Argumentation bewährt. Sie setzt auf Beweisbarkeit und überzeugende Argumente und arbeitet ohne Netz und doppelten Boden. Anders als die Religion stützt sich die Philosophie auf keine Offenbarung und keine heiligen Bücher. In der Philosophie gibt es überhaupt keine Erkenntnistabus. Weder Gott noch seine Propheten können irgendeine besondere Autorität beanspruchen.

AN DIE PINNWAND

Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird keiner erkennen Über die Götter und alle die Dinge, von denen ich spreche. Sollte einer auch einst die vollkommene Wahrheit verkünden, Wissen könnt’ er das nicht: Es ist alles durchwebt von Vermutung.Xenophanes

Esoterik, transzendentale Meditation und Ähnliches haben in der Philosophie nichts zu suchen, weil sie den Menschen vorgaukeln, im Besitz der allein selig machenden Wahrheit zu sein und sie auffordern, diese Wahrheit bedingungslos anzunehmen, statt sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen.

Dies gilt natürlich auch für die Wissenschaft. Auch sie setzt auf Beweisbarkeit statt auf Glauben. Überhaupt sind Wissenschaft und Philosophie enger miteinander verbunden, als viele glauben. Der von vielen behauptete Unterschied, dass nämlich die Wissenschaft sicheres Wissen vermittelt, während wir es in der Philosophie mit eher lebensferner Spekulation zu tun haben, entpuppt sich jedenfalls bei näherem Hinsehen als nicht haltbar. Und mit der absoluten Beweisbarkeit hat es auch seine besondere Bewandtnis. Für den vielleicht bedeutendsten Wissenschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts, Karl R. Popper (1904 bis 1994), ist auch das wissenschaftliche Wissen nur vorläufiges Wissen, »Vermutungswissen« – ähnlich wie in der Philosophie auch. Sicheres Wissen kann es danach für den Menschen überhaupt nicht geben, weil wir nie ausschließen können, dass uns die Erfahrung irgendwann eines Besseren belehrt.

Überhaupt ist die Beziehung zwischen Philosophie und Wissenschaft sehr viel enger als die zwischen Philosophie und Religion. Philosophie und Wissenschaft haben sich immer gegenseitig beeinflusst. Beispiele gibt es von der Antike bis heute genug: Die Atomtheorie der frühgriechischen Philosophie, wie sie u. a. von Demokrit (ca. 460–371 v. Chr.), Leukipp (5. Jh. v. Chr.) oder Epikur (ca. 341–271 v. Chr.) vertreten wurde, war ursprünglich eine rein philosophische Theorie, die in der Neuzeit die naturwissenschaftliche Forschung inspiriert hat. Sie war, wie Popper sich ausdrückt, ein »metaphysisches Forschungsprogramm«, das bis heute von der Wissenschaft aufgenommen wird. Andererseits beeinflusst die wissenschaftliche Forschung wie die Neurophysiologie die heutigen philosophischen Theorien über den Menschen. Ob man z. B. Körper und Geist wirklich so deutlich trennen kann, wie dies die klassischen Philosophen taten, ist inzwischen höchst umstritten.

DER KLEINE PHILOSOPHENSTECKBRIEF

Gesucht wird: der Spion Gottes

Der Spion Gottes lebte in der Hauptstadt eines kleinen nordeuropäischen Landes und galt in jungen Jahren als Dandy, der das Geld seines reichen Vaters mit vollen Händen hinauswarf. Mit Ach und Krach beendete er sein Theologiestudium und predigte zuweilen auch bei Gottesdiensten. Doch ein bezahlter Pfarrer der lutherischen Staatskirche wurde er nie. Stattdessen trat er als einer der schärfsten Kritiker der Kirche auf, die er mit seinen scharfsinnigen, unter Pseudonym veröffentlichten Schriften verärgerte.

Sein Glaube an Gott war ein ganz besonderer: Er stützte sich nicht auf rationale »Gottesbeweise« und schon gar nicht auf die Praxis der bezahlten Kirchenfunktionäre. Er beruhte vielmehr auf einer grundlegenden »existenziellen« Wahl, mit der der Mensch – auch gegen alle Vernunft – sich Gott anvertraut und seinem Leben eine eindeutige Richtung gibt. Denjenigen, die es sich in ihrer wohlsituierten »christlichen« Existenz bequem gemacht hatten, hielt er unablässig den Spiegel vor. Dass er sich dabei beliebt gemacht hätte, kann man nicht sagen. Manche hielten ihn für arrogant, andere für verrückt.

Erst nach seinem Tod machte er Karriere, aber nicht als Theologe, sondern als Philosoph. Im 20. Jahrhundert entdeckte man in ihm den Vater der Existenzphilosophie.

Wer war’s?

Dennoch sind Philosophie und Wissenschaft keineswegs dasselbe. Die Wissenschaft setzt ihrer Tätigkeit Grenzen, die für die Philosophie nicht gelten. Vor den berühmten »letzten Fragen« macht sie halt. Ein Beispiel: Die Medizin beschäftigt sich mit den körperlichen Funktionen des Menschen und den Mitteln, mit denen Störungen dieser Funktionen behoben werden können. So untersucht sie auch die Schwangerschaft der Frau und die Entwicklung des Fötus. Doch die Frage, wann die Fötus genannte Ansammlung von Zellgewebe »Mensch« genannt werden darf, mit allen »Menschenrechten«, die damit verbunden sind, kann und will die Medizin allein nicht lösen. Sie verweist die Frage an die Ethik, also an jenen Teil der Philosophie, der sich mit moralischen Regeln und Konflikten befasst. »Medizinethik« als Teil der »Praktischen Ethik« ist zu einer der neuesten Teildisziplinen der Philosophie geworden und zu einem Beispiel dafür, wie Wissenschaft und Philosophie kooperieren. Sie steht auch in engem Zusammenhang mit der philosophischen Anthropologie, die sich um die alte Frage kümmert, was der Mensch eigentlich für ein Wesen ist und wie er sich vom Tier unterscheidet.

Aber auch die Frage, was »Wissenschaft« denn eigentlich ist, welche Methoden und Arbeitsweisen die Wissenschaft von anderen Formen der Welterklärung unterscheidet, wird nur selten in den Wissenschaften selbst diskutiert. Auch hier übernimmt die Philosophie, die dafür eine eigene Disziplin vorgesehen hat, nämlich die sogenannte »Wissenschaftstheorie«.

Man kann also sagen: Immer, wenn es ans Eingemachte, an die Grund- und Kernfragen geht, ist die Philosophie zuständig.

Zusammengefasst: Was heißt Philosophie eigentlich?

Wir sehen jetzt schon etwas klarer: Philosophie ist kein Sack voller obskurer Gedankenspiele und Welterklärungssysteme, sondern ein Forum, auf dem die Probleme diskutiert werden, die wir sonst immer unter den Teppich kehren. Sie geht von den im Alltag, aber auch in den Wissenschaften auftretenden Grundproblemen aus und versucht sie in ein klareres Licht zu setzen. Karl R. Popper sprach von der Philosophie als »aufgeklärtem Alltagsverstand«.

APROPOS

Der Begriff »Philosophie«

Philosophie kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: »phílos«, das griechische Wort für »Freund«, und »sophía«, was so viel wie »Weisheit« bedeutet. Der »Philosoph« ist also, wörtlich genommen, ein »Freund der Weisheit« und die Philosophie das Gebiet, auf dem die Freunde der Weisheit sich tummeln. »Weisheit« bedeutet in der griechischen Philosophie die Einsicht in die großen Zusammenhänge des Kosmos und der menschlichen Existenz, aber auch in die daraus abgeleitete Fähigkeit, ein vernunftgemäßes Leben zu führen. Es geht dabei also nicht nur um Erkenntnis, sondern auch um die richtige Lebenspraxis.

Erst im Verlauf der Geschichte erhielt »Philosophie« die Bedeutung eines eigenständigen Erkenntnisbereiches und einer akademischen Disziplin.

Philosophie ist demnach, kurz gesagt, eine rationale Erkenntnisbemühung, die uns eine grundsätzliche Orientierung über das Wesen der Welt und die Maßstäbe für unser Handeln geben will. Rational heißt: Man stützt sich auf einsehbare, nachvollziehbare und mitteilbare Argumentation. Auch diese Argumentationsmittel sind nicht vom Himmel gefallen, sondern mussten von der Philosophie selbst entwickelt werden: Fachbegriffe, Theorien, aber auch die in der Logik festgelegten Regeln.

Wer hat mit dem ganzen Kram angefangen? Die Griechen natürlich, vor etwa 2500 Jahren.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte der Philosophie

Es ist natürlich nicht ganz gerecht, wenn wir im Westen die Philosophiegeschichte immer mit den Griechen beginnen lassen. Denn Chinesen, Inder, Perser und Ägypter haben sich schon früher mit philosophischen Fragen befasst und die Griechen standen nachweislich in engem Kontakt mit den Hochkulturen des Ostens.

Aber die Griechen haben ein paar Besonderheiten. Auf sie gehen viele der Fragen, Begriffe und Theorien zurück, die wir heute noch diskutieren. Das für uns Entscheidende aber, das die griechische Philosophie auszeichnet und für unsere heutige Philosophie immer noch so einflussreich macht, ist die treibende Rolle der Kritik. Als die Griechen etwa ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. begannen, die durch Mythos und Religion überlieferten Welterklärungen in Frage zu stellen, setzten sie einen Prozess der kritischen Auseinandersetzung in Gang. Es gibt keine einheitliche griechische Philosophie. Verschiedene Schulen stritten miteinander ebenso wie Schüler mit ihren Lehrern. In der Folge entstand eine Erkenntnisentwicklung, die wir ruhig als Erkenntnisfortschritt bezeichnen können. Schwächen der Vorgänger kamen auf den Prüfstand, alte Theorien wurden durch neue ersetzt. Diese kritische Bewegung setzte einen Prozess in Gang, der bis heute andauert und der die westliche Philosophiegeschichte insgesamt charakterisiert.

Dies gilt z. B. für die drei großen Vertreter der klassischen Periode der griechischen Philosophie: Sokrates (469–399 v. Chr.), Platon (427–347 v. Chr.) und Aristoteles (384–322 v. Chr.). Platon war ein Schüler des Sokrates und Aristoteles ein Schüler des Platon. Alle drei lehrten in Athen, dem Zentrum der griechischen Philosophie. Ihre Philosophien bauen aufeinander auf, sind aber gleichermaßen kritische Weiterentwicklungen. Sie versuchten in unterschiedlicher Weise, den ewigen und idealen Gesetzmäßigkeiten unserer Welt und unseres Handelns auf die Spur zu kommen. Platons Theorie, nach der unsere normale Alltags- und Wahrnehmungswelt die etwas trübe Blaupause einer Welt der idealen Formen ist, die uns nur über ein besonders ausgebildetes Erkenntnisvermögen zugänglich ist, hat die gesamte westliche Philosophiegeschichte bis heute beeinflusst. Aristoteles wurde zum Vater der »Metaphysik« (wörtl. das, was »nach« oder »hinter« der Philosophie steht), der sogenannten »ersten Philosophie«, die sich mit den Grundprinzipien und dem Aufbau der Wirklichkeit beschäftigt.

Diesem »Idealismus« der griechischen Klassiker standen jedoch auch Lehrmeinungen gegenüber, die noch autoritäts- und traditionskritischer waren. Die Sophisten, die griechischen Aufklärer, z. B. stellten die überkommenen moralischen und politischen Ordnungen in Frage. Demokrit (ca. 460–371 v. Chr.) entwickelte im Gegensatz zum Idealismus eine materialistische Weltdeutung und Naturphilosophie. Und ab dem 4. Jahrhundert entstanden zahlreiche Philosophenschulen, die untereinander in Konkurrenz traten, darunter die Platoniker (Anhänger Platons), die Peripatetiker genannten Anhänger des Aristoteles, die Stoiker und die Epikureer (Anhänger des Epikur). Nicht ein geschlossenes Weltbild, sondern kritische Diskussion war das Salz der griechischen Philosophie.

Bei aller Unterschiedlichkeit hatten alle diese Schulen jedoch ein ähnliches Ziel. Sie wollten in einer Zeit, in der Philosophie und Wissenschaft noch nicht getrennt waren, den Schülern eine wissenschaftliche Ausbildung, eine wissenschaftliche Weltauffassung und ein vernunftgemäßes Leben vermitteln. Einige waren natürlich erfolgreicher als andere. Der Einfluss von Denkern wie Platon und Aristoteles reicht bis in die Gegenwart.

AN DIE PINNWAND

Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, dass sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht.Alfred North Whitehead

Die Griechen hatten noch keine eigene philosophische Fachsprache. Sie schufen sie erst. Sie entnahmen ihre Begriffe aus der griechischen Umgangssprache, benutzten sie aber dann in einer neuen Weise. Viele dieser neuen Begriffe, wie »éthos« und »lógos« flossen (als »Ethik« bzw. »Logik«) für immer in den philosophischen Sprachgebrauch ein. Die griechische Philosophie mit ihren Begriffen und Theorien blieb für die gesamte weitere Entwicklung der Philosophiegeschichte prägend. Insbesondere die Römer sahen sich als Nachfolgekultur der Griechen. Sie trugen nur wenig Eigenständiges zur Philosophie bei, halfen aber kräftig mit, die griechischen Philosophenschulen über das gesamte südliche und westliche Europa, über Nordafrika und den Nahen Osten zu verbreiten.

Eine veränderte Situation entstand, als sich neue orientalische Religionen über den Westen des Römischen Reiches ausbreiteten. Unter ihnen war das Christentum am erfolgreichsten. Im 4. Jahrhundert n. Chr. wurde es von Kaiser Konstantin zur Staatsreligion erklärt. Die antike Philosophie hatte einflussreiche Konkurrenz bekommen. Das Christentum trat zunehmend die ideologische Herrschaft an und wollte Philosophie durch Glauben ersetzen. Einer der ersten Kirchenväter, Augustinus (354–430), tat sich darin besonders hervor. Mit der Schließung der platonischen Akademie im Jahr 532 wird offiziell das Ende der philosophischen Antike angesetzt.

Doch die Tradition der griechischen und römischen Philosophie wurde keineswegs auf den Müllhaufen geworfen. Die Philosophie des Mittelalters ist die Geschichte einer einzigartigen Synthese zwischen christlich-jüdischer Tradition und antiker Philosophie. Das Christentum war ursprünglich keine ausgearbeitete Glaubenslehre, sondern eine lose Sammlung von Überzeugungen und ethischen Forderungen. Eine christliche »Weltanschauung« oder gar eine Theologie, die diesen Namen verdient hätte, gab es zunächst nicht. Die Christen benötigten anfangs die griechische Philosophie, um ihrem Glauben ein theoretisches Fundament zu geben. So kam es, dass das Christentum die antike Philosophie wie ein Schwamm aufsaugte und sie sich zu eigen machte. So identifizierte man den christlichen Gott mit »lógos« – für die Griechen das im Kosmos waltende Vernunftgesetz. Entsprechend heißt es im griechisch verfassten Johannesevangelium: »Am Anfang war der lógos«. Genau dies hätte auch jeder griechische Philosoph sagen können.

Alle wichtigen Philosophen des Mittelalters waren christliche Theologen. Der Philosophie wurde zunächst die Aufgabe zugewiesen, der Theologie zu dienen. Sie wurde zur »ancilla theologiae«, zur »Magd der Philosophie«. Dieses Verhältnis wandelte sich jedoch im Laufe der Zeit. Die Vernunft unterwanderte zunehmend die Glaubensanschauungen, wurde stärker und selbstständiger. Thomas von Aquin (1225–1274), der philosophische Star des Hochmittelalters, kannte nur zwei Autoritäten: Gott (mit der Kirche als seiner Vertretung auf Erden) und »den Philosophen«. Gemeint war Aristoteles. Thomas baute seine Theologie ganz auf der Philosophie des Aristoteles auf. Nicht nur der Glaube sollte zu Gott führen, sondern auch die Vernunft. Die Philosophie des Thomas von Aquin, der sogenannte »Thomismus«, ist bis heute die offizielle Theologie der katholischen Kirche. Der mit der Vernunft erkennbare Gott, der »Gott der Philosophen«, wie man ihn auch nannte, entfernte sich in den folgenden Jahrhunderten immer mehr von dem persönlichen Gott des Christentums. In der Philosophie der Neuzeit emanzipierte sich die Philosophie immer mehr von der Religion, bis sie sich schließlich in der Aufklärung für gänzlich souverän erklärte. Für die sogenannten Deisten des 17. und 18. Jahrhunderts z. B. war Gott nur noch eine unpersönliche Ursache, die die Welt in Gang setzte, aber nicht mehr in sie eingriff. Immanuel Kant (1724–1804) schließlich verabschiedete sich von der Einheit zwischen Theologie und Philosophie. In seiner ›Kritik der reinen Vernunft‹ (1781) vertrat er die These, dass Glaubensinhalte wie Gott oder Unsterblichkeit der Seele rational nicht begründbar und nachweisbar sind. Von da an gingen Philosophie und Theologie jeweils eigene Wege. Die Magd war zu einer Herrin geworden.

DER KLEINE PHILOSOPHENSTECKBRIEF

Gesucht wird: der »stumme Ochse und engelsgleiche Doktor«

Als Schwätzer war er nicht gerade bekannt. Während seiner Studienzeit nannten ihn seine Mitstudenten den »stummen Ochsen«. Später staunte die Fachwelt über sein immenses Wissen und nannte ihn »doctor angelicus« – den »engelsgleichen Doktor«. In Wahrheit war er weder ein Ochse noch ein Engel, sondern ein hochgebildeter und zugleich äußerst zielstrebiger und willensstarker Mann. Er stammte aus einem süditalienischen Adelsgeschlecht und musste als Jugendlicher gegen seine Familie durchsetzen, dass er in den neu gegründeten Dominikanerorden eintreten konnte. Einmal kidnappte seine Familie ihn sogar auf dem Reiseweg und brachte ihn wieder nach Hause zurück. Doch nichts hielt ihn auf. Er studierte in Paris und Köln und bereiste im Auftrag seines Ordens halb Europa. Als er starb, befand er sich gerade auf dem Weg zum Konzil von Lyon. Er kannte die islamischen Philosophen seiner Zeit und übernahm von ihnen die Kenntnis jenes griechischen Philosophen, den er zur Grundlage seiner Theologie machte. Mit seiner sogenannten »summa« schuf er das vielleicht bedeutendste philosophische System des Mittelalters. Der große Schweiger zog es vor, durch seine Werke zu sprechen.

Wer war’s?

Nun setzte die Philosophie nicht mehr auf Gott, sondern auf den Menschen. In der Erkenntnistheorie wurde das Bewusstsein und Selbstbewusstsein des Menschen Ausgangspunkt der Überlegungen, wie viel von der Welt wir erkennen können und wie viel nicht. In der Moralphilosophie wurde der Mensch zum »Selbstgesetzgeber«, zu demjenigen, der selbst die Regeln schafft, nach denen er lebt, und der auch für sie verantwortlich ist.

Das Mittelalter endete für die Philosophie, als man die Welt nicht mehr nur mit Hilfe von schlauen Büchern und anerkannten christlichen Autoritäten zu erklären versuchte, sondern begann, sich die Welt wirklich anzuschauen und Erfahrungsdaten zu sammeln. Just als man der Religion die Zähne gezogen hatte, trat seit der Renaissance und der frühen Neuzeit (also etwa seit dem 15. Jahrhundert) ein neuer Konkurrent auf den Plan: die empirischen Wissenschaften. Ursprünglich Teil der Philosophie, trennten sie sich nun nach und nach von ihr und machten sich selbstständig. Im 19. Jahrhundert, als die wissenschaftliche Entwicklung geradezu explodierte, und Wissenschaften wie Physik, Chemie, Biologie oder Psychologie rasante Fortschritte machte, hatten die Wissenschaftler schon so viel Selbstbewusstsein getankt, dass sie der Philosophie vorwarfen, sie sei zum Spielfeld für lebensferne Spekulation geworden.

Darauf gab es vonseiten der Philosophie zwei unterschiedliche Reaktionen: Die einen behaupteten, die Philosophie habe es mit einer eigenen Form des Wissens und der Erkenntnis zu tun, die von den Wissenschaften gar nicht erreicht werde. Zur letzteren Fraktion gehörte z. B. Martin Heidegger (1889–1976), dessen »Seinsdenken« bis heute großen Einfluss ausübt. Andere, wie z. B. der sogenannte »Wiener Kreis« um Rudolf Carnap (1891–1970) und Moritz Schlick (1882–1936), propagierten Anfang des 20. Jahrhunderts, die Philosophie müsse »wissenschaftlich« werden, indem sie sich nur noch auf Erfahrung und Logik stützen dürfe. »Metaphysik« wurde für die Vertreter des Wiener Kreises ein Schimpfwort.

AN DIE PINNWAND

Metaphysische Philosopheme sind Begriffsdichtung.Moritz Schlick

Wie eng die Beziehung zwischen Wissenschaft und Philosophie sein muss oder darf, ist ein bis heute diskutiertes Thema, obwohl die meisten Philosophen inzwischen dafür plädieren, Philosophie in engem Anschluss an die Wissenschaften zu betreiben, ohne sie allerdings damit zu identifizieren. Zwischen beiden gibt es inzwischen wieder eine Annäherung. Wenn es um die Klärung moralischer Konflikte oder um die Erkenntnisfähigkeit des Menschen geht, arbeiten Philosophen und Wissenschaftler oft Hand in Hand.

Das »reine Denken«, in der Antike noch so hoch gehandelt, war durch die wissenschaftliche Kritik etwas in Verruf geraten. Die Kritik an der alten Metaphysik und ihren Spekulationen wurde auch dadurch beflügelt und befördert, dass man entdeckte, welch eine große Rolle unsere Sprache und deren Struktur bei der Bildung von Erkenntnissen spielt. Begriffsprägungen wie z. B. das »Nichts« wurden von den metaphysikkritischen und sprachkritischen Philosophen als sinnlose Begriffspoesie bezeichnet. Durch diese »sprachanalytische Philosophie« ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Analyse sprachlicher Begriffe ebenfalls ein fester Bestandteil im philosophischen Lehrplan geworden.

Weder die Auseinandersetzung mit der Theologie noch die mit den Wissenschaften hat jedoch das Interesse an philosophischen Grundfragen versiegen lassen. Es spricht einiges dafür, dass es so etwas wie eine Philosophia perennis gibt, eine »ewige Philosophie« also – in dem Sinne, dass uns die großen philosophischen Probleme nie verlassen werden. Deshalb lohnt sich der Blick darauf, um welche Probleme es sich dabei handelt.

Raffael: Die Schule von Athen (1508)akg-images

KAPITEL 3

Philosophische Themen und Probleme

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