BattleTech Legenden 01 - Entscheidung am Thunder Rift - William H. Keith - E-Book

BattleTech Legenden 01 - Entscheidung am Thunder Rift E-Book

William H. Keith

5,0

Beschreibung

Sie sind bis zu 15 Meter hoch, wiegen bis zu 100 Tonnen und speien Tod und Vernichtung – die riesigen von Menschen gesteuerten Kampfmaschinen, die BattleMechs des 31. Jahrhunderts. Das Sternenreich der Menschen ist zerfallen. Angeheuerte Söldnerhaufen ziehen mit ihren Stahlkolossen in die Schlachten der sogenannten Nachfolgekriege. Die Piloten der BattleMechs sind tollkühne Männer und Frauen, die für Geld ihre Haut zu Markte tragen, und viele von ihnen finden den Tod, weil ihre Kampfmaschinen veraltet und dem konzentrierten Feuer aus Laserwaffen und Raketen nicht immer gewachsen sind. Grayson Death Carlyle ist seit seinem zehnten Lebensjahr zum Mechkrieger ausgebildet worden, und als sein Vater fällt, hat er die Führung über das BattleMechRegiment zu übernehmen, die Gray Death Legion, das Vertrauen seiner Mitkämpfer zu gewinnen und in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der einen legendären Ruf als BattleMech-Pilot hatte.

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Seitenzahl: 501

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Titel

William H. Keith

Entscheidung amThunder Rift

Erster Roman der Gray-Death-Trilogie

Impressum

Yellow King ProductionsLegenden-Band 1

Titelbild: Catalyst Game LabsRedaktion: Mario WeißÜbersetzer: Reinhald H. MaiKorrektorat: Sina-Christin Wilk, Matthias Heß, Peter DachgruberLayout: Michael Mingers

©2026 The Topps Company, Inc. All rights reserved. Classic BattleTech, BattleTech, BattleMech and ’Mech are registered trademarks and/or trademarks of The Topps Company Inc. in the United States and/or other countries. Catalyst Game Labs and the Catalyst Game Labs logo are trademarks of InMediaRes Productions, LLC.

Deutsche Ausgabe Yellow King Productions, Neuöd - Gewerbepark 12a, D-92278 Illschwang unter Lizenz von INMEDIARES PRODUCTIONS, LLC., also doing business as CATALYST GAME LABS.

Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags erfolgen.

Produkt-Nr.: YKBTL01E-Book-ISBN: 978-3-95752-605-2

TRELLWAN

NSC L 4-342, 782

Sonne: Trell Spektralklasse: M2 Masse: 0,33 Sol

Leuchtkraft: 0,03 Sol

Radius: 0,36 Sol

Geschätzte verbleibende Lebensdauer als Hauptsequenzstern: 4,2 x 1010 Jahre

Planetensystem: 5 Planeten

Planet I: Trellwan

Durchschnittlicher Radius der Umlaufbahn: 0,73 AE

Exzentrizität: 0,056

Perihel: 0,164 AE

Aphel: 0,182 AE

Umlaufperiode: 45,8 Terranormtage

Masse: 0,68 Terra

Äquatorialer Durchmesser: 11,352 km (0,89 Terra)

Durchschnittliche planetarische Dichte: 5,28 g/cm3

(0,96 Terra)

Durchschnittliche Oberflächenschwerkraft: 0,86 g

Fluchtgeschwindigkeit: 9,6 km/s

Umdrehung: 30 d 11 h 59 min 12 sek Terranormzeit (2/3 eines planetarischen Jahres)

Achsneigung: 2° 15‘23,2‘‘

Atmosphäre: N2: 75%, O2: 23,2%, H2O (durchschnittlich): 0,4%, CO2: 312 ppm

Druck: 0,683 bar auf Meereshöhe

Temperaturrahmen: -80° C (Nachttemperatur im Aphel) bis +40 °C (Mittagstemperatur im Perihel)

Planetologische Daten: Neun Prozent der planetarischen Oberfläche sind von zwei kleinen, am Äquator gelegenen Binnenmeeren bedeckt. Der Rest der Oberfläche teilt sich auf in zerklüftete Gebirgszüge und Hochebenen auf der einen, und Wüstenebenen auf der anderen Seite. Die hochaufragenden Bergketten um den Äquator sind ebenso wie der anhaltende Vulkanismus und die Erdbebenaktivität die Folge schwerer Gezeitenspannungen.

Ökologische Daten: Trellwan besitzt eine reiche Tier- und Pflanzenwelt, die hervorragend an die Trockenheit und Extremtemperaturen dieser Welt angepasst ist. Bisher wurde erst ein kleiner Teil dieses Artenreichtums katalogisiert. Verschiedene Tier- und Pflanzenarten außerplanetarer Herkunft wurden von den Bewohnern der um 2616 etablierten menschlichen Kolonien in Äquatornähe angesiedelt.

Bemerkungen: Trellwans kurze Umlaufzeit und seine relativ langsame Rotation bestimmen das gesamte planetare Ökosystem. Der Planet teilt allerdings nicht das Schicksal zahlreicher Welten, die sich in so großer Nähe ihres Zentralsterns befinden: die Gezeitenfessel. Sein planetares Jahr ist nicht identisch mit seiner Tagesumdrehung. Die Gezeitenauswirkungen haben Trellwans Umdrehung jedoch soweit verlangsamt, dass er in einer 2:3-Resonanz mit seiner Sonne gefangen ist; sein Jahr dauert nur 45 Standardtage, bei einem Tag von 30,5 Standardtagen.

Die langen Perioden zwischen dem Wechsel von Tag und Nacht, gekoppelt mit kurzen und von starken Klimaunterschieden geprägten Jahreszeiten, stellen für einheimische Lebensformen wie auch für die menschlichen Kolonien südlich der Bergkette am Grimmhaltmeer eine ernste Herausforderung dar.

Auf Trellwan existieren drei Hauptsiedlungen. Die wichtigste davon ist Sarghad, die Hauptstadt. Sie dient als Regierungssitz und Handelszentrum und beherbergt den einzigen Raumhafen des Planeten.

Die planetare Regierung hat die Form einer Monarchie mit einer Ein-Kammer-Legislative, deren Vertreter von der Krone ernannt werden. Trellwan ist schon seit langer Zeit ein treuer Verbündeter des Lyranischen Commonwealth.

Auszug aus Pilotenhandbuch und Ephemera, 4. Quadrant, Cisperiphärer Sektor, Lyranisches Commonwealth, 20. Auflage, erschienen 3015, Tharkad.

EINLEITUNG

Zehntausend Jahre organisierter Kriegsführung haben in jenem Monstrum aus Waffen und Panzerung, Beweglichkeit und Schlagkraft ihren Höhepunkt gefunden, das wir unter dem Namen BattleMech kennen.

Der typische Mech ist eine zehn bis zwölf Meter hohe Gestalt von mehr oder weniger humanoider Form, ein zum Leben erwachter Panzerriese aus dem Reich der Mythen und Legenden. Sein Gewicht liegt minimal bei 20 Tonnen, kann aber bei schwereren Bautypen bis über 75 Tonnen ansteigen, und selbst die kleinste dieser Maschinen starrt geradezu vor Lasern, Partikelkanonen, Raketenlafetten, Autokanonen oder Maschinengewehren. Ein Mech ist der wandelnde, donnernde Tod für jede ungepanzerte Armee, die wahnsinnig genug ist, diesem Monstrum entgegenzutreten, und selbst für schwergepanzerte konventionelle Einheiten stellt er einen formidablen Gegner dar.

Nach traditioneller Militärdoktrin bekämpft man einen Mech am besten durch einen zweiten Mech, und zwar möglichst einen größeren, stärkeren und schwerer gepanzerten. Bei einem Duell zwischen gleichstarken Gegnern können diese Maschinenmonster einander stundenlang mit tausendfachem Tod überschütten, während ihre Piloten auf die eine kleine Unachtsamkeit ihres Gegners warten, die den Kampf beendet. Beide Seiten halten Ausschau nach dem unvermeidlichen, entscheidenden Versagen von Mensch oder Maschine, den Sekundenbruchteil der Unbedachtheit, der einen tödlichen Treffer möglich macht.

Auf höherer Ebene existiert ein ähnliches militärisches Gleichgewicht zwischen den fünf großen Häusern der Nachfolgerstaaten, die im frühen 31. Jahrhundert um die Kontrolle über den erforschten Weltraum kämpfen. Auf der einen Seite stehen die Konföderation Capella Haus Liaos, die Liga freier Welten Haus Mariks und das Draconis-Kombinat Haus Kuritas. Gegen sie stellt sich die brüchige Allianz der Vereinigten Sonnen des Hauses Davion und des Lyranischen Commonwealth unter Haus Steiner. Um diese Großmächte treiben noch kleinere Häuser, Mächte, Allianzen, Händler, Poseure und Banditen ihr Unwesen, die von den Nachfolgerfürsten zur Hilfe überredet, bestochen oder gezwungen werden, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet.

Und doch hat auch nach Jahrhunderten des Krieges nicht eines der Häuser einen klaren Vorteil erringen oder einen tödlichen Schwachpunkt eines seiner Gegner aufdecken können. Der Kampf geht weiter, und die Riesen streiten sich in den Ruinen einer ehemals stolzen galaktischen Zivilisation. Wie bei einer ausgewogenen BattleMech-Begegnung scheinen die Kräfte zu gleich verteilt, um irgendjemandem den lebenswichtigen, entscheidenden Vorsprung zu ermöglichen.

Aber die hinter diesem Krieg stehenden Kräfte sind sich durchaus einer Maxime bewusst, die ebenso alt ist wie die Kriegskunst selbst: Ein Ziel, das sich durch Waffengewalt nicht erringen lässt, fällt häufig genug wie reifes Obst in den Schoß dessen, der List, Betrug oder einen heimlichen Dolchstoß einzusetzen versteht.

NICOLAI ARISTOBULUS

DasGleichgewicht des Schreckens: Eine Geschichte der Nachfolgekriege

ERSTES BUCH

1

Der Verräter rutschte unter dem Gewirr der Kabel und Platinen hindurch ins Freie und wischte sich an seinem Overall die ölverschmierten Hände ab. Der hinter ihm an der Schalttafel wartende Wachoffizier verzog das Gesicht.

»Sind Sie immer noch nicht fertig?«

»Der Fehler liegt in einem äußeren Schaltkreis, Chef«, erklärte der Verräter. »Von hier aus komm‘ ich da nicht ran. Ich muss die Kameras unten im Wartungshangar überprüfen.« Er steckte die Hand durch das Wartungsluk und warf mit präzisen Bewegungen eine Reihe Schalter um. »Auf Ihre Bildschirme werden Sie ‘ne Weile verzichten müssen.«

»Wie lange?«

»Nicht der Rede wert.« Er suchte sein Werkzeug zusammen und packte es in eine leinene Schultertasche.

»Eine Viertelstunde.«

Der Wachoffizier warf einen Blick auf seinen Armbandcomp. »Beeilen Sie sich!«, ermahnte er und machte sich auf dem Klemmbrett in seiner Hand eine entsprechende Notiz.

»Keine Sorge«, erwiderte der Verräter. »Es wird nicht länger dauern.«

Der Verräter war ein Astech, und es war offensichtlich, dass seine Wiege hier auf Trellwan gestanden hatte. Seine scharfen Gesichtszüge und das schwarze Kraushaar waren ebenso typisch für die kleine einheimische Bevölkerung dieses Planeten wie die ungewöhnliche Blässe seiner Haut, eine Folge der niedrigen UV-Werte der hiesigen Sonne. Die Tür der Wachstube öffnete sich auf seine Berührung der Scannerplatte und glitt hinter ihm mit einem Zischen wieder zu. Seine Schritte hallten hohl den steinernen Korridor entlang.

Kalte Steintreppen führten ihn tiefer und tiefer nach unten, durch verlassene Flure und an graugrün uniformierten Wachtposten vorbei. Zweimal musste der Trell seinen Ausweis vorzeigen, eine an seiner Schulter befestigte Hologrammkarte. Andere Astechs gingen schweigend oder mit einem kurzen Nicken und einem Grußwort an ihm vorüber. Für die meisten Türen waren sein Overall und die schwere Werkzeugtasche Ausweis genug. Es gab nicht viele Räume in der Burg, zu denen ein einheimischer Astech keinen Zutritt hatte.

Der Wartungshangar war an eine natürliche Höhle angebaut, eine riesige Halle, deren schummrige Düsternis hier und da von einzelnen Lichtinseln erhellt wurde. Eine der Wände war mit braunen Rostflecken und anderen Altersspuren bedeckt. In der Mitte des Hangars, von Scheinwerferkegeln beleuchtet und in gewundene Stromleitungen und Kompressorschläuche eingehüllt, lag der 55-Tonnen-Rumpf eines auseinandergenommenen Mechs auf einer Arbeitsplattform. Von seinem erhöhten Standort aus brüllte ein Tech gestenreich Befehle zu zwei Astechs hinunter, die auf dem Brustkorb des Giganten arbeiteten. Die beiden beugten sich müde über die blaue Flamme eines Laserschweißers. In einem wirren Netz aus Leitungen und Gerüsten hingen Panzerplatten von einer halben Tonne Gewicht über ihren Köpfen.

Der Verräter sah hinüber zu den vier Mechs, die Herz und Seele von Carlyle‘s Commandos ausmachten. Die zehn Meter großen gepanzerten Monster waren in einem Gefecht mit Infanterie oder konventionellen Panzern praktisch unbesiegbar. Außer einem anderen Mech von gleicher oder größerer Feuerkraft hatte kaum jemand eine Chance, sie zu Boden zu zwingen. Der Trell konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er daran dachte, wie er das allein geschafft hatte – mit nichts weiter als einer gefälschten Wartungsorder und einer Viertelstunde Arbeit.

Den Shadow Hawk der Lanze auszuschalten, hatte jedoch nur den ersten Teil seiner Mission dargestellt. Er hatte genaue Instruktionen und ein entsprechend rigoroses Training erhalten, zusammen mit einer Ersatzplatine für die Servoelektronik eines Mechs. Er hatte seine Chance bekommen, die Platine auszutauschen, und die speziellen Schaltkreise hatten die gesamte Stromzufuhr der Servomotoren in den Mechbeinen lahmgelegt, bevor sie zu einem unförmigen Metallklumpen zusammenschmolz und damit jede Spur seiner Sabotage verwischte. Jetzt verfügte die Lanze nur noch über drei Mechs – den Phoenix Hawk des Hauptmanns und die beiden 20 Tonnen schweren Wasps. Ohne den Shadow Hawk mit seiner Mischung aus Feuerkraft und Beweglichkeit war die Garnison entscheidend geschwächt.

Der Trell klemmte seine Werkzeugtasche fester unter den Arm und hastete durch die Halle zur Metalltreppe hinüber, die in einem schwindelerregenden Zickzack hinauf zur Hangarkontrolle führte, einer fünfzehn Meter über dem Felsboden hängenden Aufsichtskanzel.

Der Wachoffizier sah von seinem Monitor hoch, nahm die Füße von der Schalttafel und stellte seine Tasse mit Chava beiseite.

»Ja?«

»Wartungsdienst, Sir«, erklärte der kleine, dunkelhaarige Astech und drehte sich so, dass der Offizier von seinem Stuhl aus die Ausweiskarte an seiner Schulter sehen konnte. »Man hat mich vom Kontrollzentrum runtergeschickt, damit ich einen Fehler in den Überwachungskameras suche. Ich glaube, Sie haben hier irgendwo eine kaputte Leitung.«

Der Offizier schien von dieser Mitteilung nicht sonderlich überrascht. »Mistzeug«, erklärte er. »Ist genauso viel wert wie der übrige Dreck auf diesem öden Drecks ...« Zu spät wurde ihm klar, dass er mit einem Trell redete, und er verschluckte den Rest seiner Tirade.

»Da hinten ist die Luke.« Er zeigte über die Schulter auf eine dunkle Bildschirmreihe, dann legte er die Füße wieder hoch und wandte seine ganze Aufmerksamkeit dem einzigen funktionierenden Bildschirm zu.

Der Verräter blickte über die Schulter des Offiziers und erkannte, dass der Monitorschirm den Raumhafen zeigte, eine leere Stahlbetonfläche unter einem eisigen Sternenhimmel, deren Öde nur gelegentlich von überlappenden Bereichen aus Schatten und Licht unterbrochen wurde.

Sie waren also noch nicht gelandet. Er blickte auf seinen Armbandcomp und zählte leise die Minuten und Sekunden, bis es soweit sein würde. Er legte sich das Werkzeug zurecht. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern.

Grayson Death Carlyle hatte längst aufgegeben, sich über seinen düsteren zweiten Vornamen Gedanken zu machen. Er hatte ihn sozusagen geerbt. Der erste Träger dieses Namens war sein Vorfahr Lord Grayson Death Thomas gewesen. Lord Grayson war, so wurde jedenfalls erzählt, nach seinem Sieg auf Lysander zu einem mächtigen Landbesitzer geworden und hatte die damit verbundene Macht dazu ausgenutzt, seinem zweiten Vornamen durch eine Verkürzung der Aussprache einen martialischen Klang zu geben. Und in einer Kriegergesellschaft, die sich unablässig an den Großtaten ihrer Helden ergötzte, hatte Grayson Juniors Name kaum Auswirkungen, abgesehen von gelegentlichen Frotzeleien der übrigen Mitglieder der Lanze seines Vaters.

Er wusste, dass Schwierigkeiten auf ihn warteten, sobald er den Elektroläufer verließ, der ihn zurück zur Burg gebracht hatte. Er zog seine Winterkleidung aus und übergab sie einer wartenden Trellordonnanz, die sie nervös entgegennahm.

»Der Waffenmeister hat nach Ihnen gefragt, Sir.«

Grayson schaute auf seinen Armbandcomp und zuckte zusammen, als er die Uhrzeit sah. »Aua. Wundert mich nicht.«

»Er schien etwas ungehalten«, fuhr die Ordonnanz fort, und die Stimme des Mannes klang, als erwarte er, sich jeden Moment mitten im Ziel eines lang erwarteten Thermonuklearangriffs zu sehen.

Grayson hob die Schultern und drehte sich dem elektrischen Heizofen zu, den die Wachtposten des Fahrzeughangars aufgestellt hatten, um der eisigen Kälte etwas von ihrem Biss zu nehmen, die mit jedem Öffnen der Außentore ins Hangarinnere drang. In der schmutzverschmierten Halle von der Größe eines Sportfeldes hielten sich noch etwa 20 weitere Soldaten auf. Soweit sie nicht in der Wärme des Heizofens standen, beschäftigten sie sich mit Büchern oder einem freundschaftlichen Kartenspiel. Grayson rieb seine vor Kälte tauben Hände, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Es war eine typische Zweitnacht, mit einer Temperatur von -20 °C und scharfem, heulendem Wind, der die subjektive Temperatur auf -40 °C und noch tiefer senkte. Auch diese Kälte würde sich nicht mit Feldwebel Griffiths Zorn messen können, das war ihm klar, aber die Erinnerung an Maras Zärtlichkeiten war genug, auch das aufzuwiegen.

»Oha! Master Death hat sich herabgelassen, uns mit seiner Anwesenheit zu ehren.« Aus den Schatten schnitt eine Stimme durch seine Gedanken.

»Hallo, Griff«, erwiderte er in freundschaftlichem Ton. »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin.«

Der Schatten verwandelte sich in den Waffenmeister der Einheit, Feldwebel Kai Griffith. Das harte Licht der Deckenscheinwerfer glänzte auf seinem haarlosen Schädel und schien die grausame blaue Narbe noch zu betonen, die sich an seinem rechten Ohr vorbei bis zum Kinn zog.

»Es tut ihm leid, dem Jungchen! Es tut ihm leid!« Auf Griffiths Gesicht mit dem herabhängenden Schnauzbart war ein sorgsam einstudiertes Hohnlachen zu sehen.

»Ich will nicht wissen, ob es dir leidtut, ich will wissen, wo, zum dreimal verfluchten Teufel, du dich rumgetrieben hast!«

Grayson versuchte seine Wut über die Bezeichnung

›Jungchen‹ mit einem Lächeln zu verbergen, aber der Tonfall seiner Antwort war eisig. »Bei Freunden.« Eines Tages, dachte er bei sich, würde Griffith es zu weit treiben.

»Bei Freunden! Du warst also wieder mal außerhalb der Basis. Bei deinem Trell-Mädchen, oder etwa nicht?«

»Ach, Griff ...«

»Komm mir bloß nicht auf die Tour! Du warst vor vier Stunden zum Waffentraining eingeteilt, und im Moment solltest du eigentlich im Kommandozentrum sein und die Ankunft beobachten. Was bildest du dir eigentlich ein, Jungchen?«

Grayson legte in einer imitierten Ehrenbezeugung die Fingerspitzen an sein strohblondes Haar. »Verweis angenommen, Feldwebel Griffith.«

»Dein Vater wird ihn auch zu hören bekommen, Sohnemann.« Der kahle Schädel legte sich langsam von einer Seite zur anderen, und unter den Bewegungen der Kiefermuskeln tanzte seine Narbe. »Ich kann meine Aufgabe nicht erfüllen, wenn du regelmäßig deine Pflichten ignorierst.«

Grayson wandte sich vom Heizofen ab und ging die Rampe zum Hauptflur der Burg hinauf. »Hör mal, Griff! Das war wahrscheinlich meine letzte Chance, sie noch einmal zu sehen. In drei Tagen heben wir ab ...«

Der kahlköpfige Feldwebel trat im Gleichschritt neben ihn. »Wir heben ab, sofern die Verhandlungen Erfolg haben. Bis dahin werden Sie ordnungsgemäß Ihren Dienst versehen, Soldat, oder sich vorschriftsmäßig bei mir abmelden!«

Grayson verzog das Gesicht. Er war jetzt 20 Standardjahre alt, und der Waffenmeister war sein persönlicher Lehrmeister für den militärischen Bereich, seit er mit zehn Jahren offiziell als Krieger-Anwärter in die Lanze aufgenommen worden war. Aber mit steigendem Alter sank seine Toleranz für die scharfe Zunge Kai Griffiths und dessen Einmischungen in sein Privatleben. Schließlich war er kein Kind mehr und außerdem Sohn und Erbe eines MechKriegers. Irgendwann würde der Tag kommen, an dem ihn der Waffenmeister nicht länger reglementieren und herumkommandieren konnte.

»Ich kümmere mich schon um meine Pflichten«, gab Grayson zurück. »Aber mein Privatleben ist meine Sache.«

»Du kannst es nicht lassen, was, Master Carlyle? Du musst immer noch den einsamen Wolf spielen. Mit der Haltung wirst du dir noch eine ganze Menge Ärger einhandeln, bevor deine Anwartschaft zu Ende ist. Wieso kriegst du es nicht in deinen dicken Schädel, dass die verdammten Trells nicht unsere Freunde sind?«

»Diese schon, Mann! Ich wollte mich bloß verabschieden!«

Griffith schüttelte tadelnd den Kopf. »Und dann auch noch mit der Tochter des alten Stannic!«

»Was soll denn das schon wieder heißen?«, unterbrach Grayson. Es stimmte, dass Mara die Tochter des Ersten Ministers von Trellwan war, aber was ging das ihn an?

»Wenn du weiter darauf bestehst, dich in die Stadt zu schleichen, um dich mit deinem Mädchen zu treffen, wird das eines Tages dein Tod sein!«

Grayson dachte an ein paar Einzelheiten seiner abendlichen Eskapade zurück und zuckte nur lächelnd die Achseln. Kai Griffith litt wie die meisten alten Garnisonssoldaten unter den üblichen Vorurteilen gegen die örtlichen Zivilisten, zu deren Schutz sie hier stationiert waren. Er konnte das einfach nicht verstehen.

Sie blieben vor einem in die grob behauene Felsmauer eingelassenen massiven Stahltor stehen. Ein Soldat in graugrüner Uniform stand hier Wache, die Maschinenpistole mit gestreckten Armen präsentiert. Das Tor selbst war mit dem Steiner-Hauswappen verziert: einer geballten linken Faust im Panzerhandschuh vor himmelblauem Hintergrund. Griffith schüttelte resignierend den Kopf. Er wusste, wie stur der Bursche sein konnte, der ihn mit seinen hellgrauen Augen anstarrte.

»Die Sache ist noch nicht ausgestanden, Master Carlyle. Du machst diese Ausbildung mit, weil du irgendwann als vollwertiger MechKrieger in Carlyle‘s Commandos einen BattleMech steuern sollst. Aber Krieger müssen weit mehr lernen, als nur einen wandelnden Berg Metall zu lenken. Verstehst du, was ich damit sagen will?«

Grayson kannte die Lektion, die sein Lehrmeister ihm vorbetete, bereits in allen Variationen – es ging um Disziplin, die Verpflichtung der Einheit gegenüber und die Zusammenarbeit in einem Team. Er versuchte aufmerksam dreinzuschauen, während er gleichzeitig ein Gähnen unterdrückte. In der vergangenen Ruheperiode war er kaum zum Schlafen gekommen.

Griffith gab es schließlich auf, als ihm klar wurde, dass Grayson ihm ohnehin nicht zuhörte. »Also gut, Sohnemann«, sagte er und wies zum Tor. »Gehen wir rein und schauen uns den Empfang an.«

2

Das Gefechtszentrum war ein mit Schaltpulten förmlich zugestellter Raum, auf dessen Boden sich genug Stromkabel und andere Leitungen hinzogen, um die Bewegung spürbar zu beeinträchtigen. Hier und da sah man Grüppchen graugrün Uniformierter, die sich über Tassen mit Tau oder heißem Chava leise unterhielten, das fahle Flackern der Monitore überwachten oder das gespenstisch grüne Leuchten der Radarschirme betrachteten. Irgendwo über ihren Köpfen ertönte die lautsprecherverstärkte Stimme einer Frau: »Mailai-Landungsschiff dringt in Atmosphäre ein. Der Kapitän bestätigt die Anwesenheit der Oberonvertretung. Voraussichtlicher Bodenkontakt in elf Minuten.«

An einer Schaltkonsole ganz in der Nähe saßen ein Seniortech im blaubesetzten, grauen Uniformoverall und ein schmächtiger, dunkelhäutiger Mann in einer prächtigen Ziviljacke mit hohem Stehkragen. Neben ihnen stand kerzengerade ein zweiter, weißhaariger Zivilist. Über seiner linken Schulter hing ein kurzes, silbern besetztes Cape, wie es zur Zeit in der Inneren Sphäre Mode war.

Der dunkelhaarige Zivilist warf Grayson einen scharfen Blick zu. Die Augen machten keinen Hehl aus seinem Ärger, aber er sagte kein Wort. Grayson wusste, dass Nicolai Aristobulus sich nur wegen des Außenstehenden an seiner Seite auf eine wortlose Zurechtweisung beschränkte.

»Hallo, Ari«, begrüßte Grayson ihn und tat so, als habe er die Missbilligung seines Lehrers weder gesehen noch gespürt.

»Master Carlyle«, erwiderte Ari steif und beugte den dunkelhaarigen Kopf gerade so weit, dass man die Andeutung eines Nickens ausmachen konnte. »Du bist spät dran.«

»Was sucht Carlyles Sohn hier?«, wollte der weißhaarige Zivilist von Griffith wissen. »Diese Verhandlungen verlangen äußerstes Feingefühl.«

Es war An, der ihm antwortete. »Er ist auf meine Bitte hier, mein Lord, und auf direkten Befehl Hauptmann Carlyles.«

»Ach ja? Und seit wann, bitte, trifft ein MechLanzentutor Entscheidungen über den Stab?«

»Seit er mit der Ausbildung des Nachfolgers vom Kommandierenden Offizier betraut ist ... mein Lord.« Aris Feindseligkeit war kaum zu überhören. »Irgendwann könnte der Junge diese Angelegenheiten regeln müssen.«

»Lassen Sie ihn ruhig bleiben, mein Lord«, unterbrach Griffith die sich anbahnende Auseinandersetzung mit einer Kopfbewegung zum Monitorbildschirm.

»Das Landungsschiff des Händlers ist beinahe unten.«

Lord Olin Vogels Züge bebten. Dann stolzierte er zu einer anderen Monitorkonsole und zog seine gekränkte Eitelkeit hinter sich her wie eine Schleppe. Hinter seinem Rücken zog Griffith für Ari eine Fratze. Auch der dunkeläugige Cheftech Riviera, der neben dem Tutor an der Kommunikationskonsole saß, konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

Grayson hatte nicht das geringste Interesse an der Politik, aber die Anwesenheit des Abgeordneten Vogel bei ihrer Einheit störte ihn. Er war vor rund 80 Standardtagen von Tharkad eingetroffen, und sprudelte über vor Plänen, mit dem nahegelegenen Sternenreich eines unangenehmen Banditenkönigs eine Allianz zu schmieden. Niemand von den Männern und Frauen in Carlyle‘s Commandos empfand die geringste Sympathie für den halsstarrigen, eigensinnigen Vicomte, und die bei den Beziehungen zum persönlichen Gesandten Katrina Steiners notwendige Etikette und Förmlichkeit versagte häufig, wenn es darum ging, ihre düsteren Mienen zu verbergen. Kaum jemand in der Einheit hielt etwas von Vogels Friedensplan für diesen Sektor.

Aber glücklicherweise hatte das alles mit Grayson nichts zu tun. Er blickte über Aris Schulter auf einen der Bildschirme. »Also, was läuft?«

»Wenn du pünktlich hier gewesen wärst, brauchtest du jetzt nicht zu fragen. Dein Vater ist am Raumhafen. Die Mailaifähre ist bereits in die Atmosphäre eingetaucht und sollte in ... etwa zehn Minuten landen.«

Der Monitorschirm zeigte das leere Stahlbetonfeld des Raumhafens. Das Bild bebte auf eine seltsam wiegende Art und Weise, die sich aus den Bewegungen der auf einem BattleMech montierten Kamera erklärte.

Grayson brauchte keine weitere Erklärung. Die Kamera, die das langsam wiegende Bild übertrug, war auf dem BefehlsMech der Einheit montiert, einer 45 Tonnen schweren, von Treffern gezeichneten und unzählige Male wieder zusammengeflickten Kampfmaschine. Und Graysons Vater saß an den Kontrollen.

Griffith verzog das Gesicht. »Ich wünschte wirklich, er hätte alle vier Mechs mitnehmen können.«

Riviera hob die Schultern. »Der Shadow Hawk ist im Wartungshangar und der Hauptmann wollte die Wasps zur Sicherheit auf Patrouille in der Stadt.« Er zeigte kurz zu Vogel hinüber, der noch immer an einer anderen Konsole stand. »Derda war nicht bereit, irgendwas an seiner Planung zu verändern!«

Griffiths Augen verengten sich zu Schlitzen, als er den Regierungsbeauftragten beobachtete. »Mussten wir unbedingt beide Wasps in Sarghad auf Streife schicken?«

Der Tech zog ein unglückliches Gesicht. »Wer weiß? Die Einheimischen sind nicht gerade glücklich über die Vereinbarung.«

»War ich an ihrer Stelle auch nicht«, gab Ari zu. »Die Trennungslinie zwischen einer legitimen interstellaren Regierung und einer Bande von Ganoven kann sich gelegentlich verwischen. Und die Trells müssen mit ihnen auskommen, wenn wir erst einmal abgezogen sind. Sie haben jedes Recht, sich über Hendriks ... Intentionen Sorgen zu machen.«

Das anstehende Treffen sollte das hart erkämpfte Bündnis zwischen dem Lyranischen Commonwealth, das Carlyle‘s Commandos auf Trellwan stationiert hatte, und dem jungen und im Wachsen begriffenen Reich Hendrik Grimms, des Banditenkönigs von Oberon VI, besiegeln. Es war ein unangenehmer Nebenaspekt, dass die Bewohner Trellwans Hendriks Legionen wenig Liebe entgegenbrachten, aber auf die geheimen Verhandlungen hatte so etwas nicht den geringsten Einfluss.

Aus den Deckenlautsprechern ertönte eine tiefe Männerstimme. »Bin in Position.«

Riviera lehnte sich vor und berührte einen Schalter.

»Riviera, Privatverbindung. Ihr Sohn ist hier, Herr Hauptmann.«

Hauptmann Durant Carlyles Stimme kam aus dem für Privatgespräche reservierten Lautsprecher der Schaltkonsole, aber in der Stille, die sich über die Gefechtszentrale gelegt hatte, klang sie immer noch unangenehm laut.

»Ach ja, wirklich? Sie können ihm mitteilen, dass er sich damit fünf zusätzliche Stunden im Simulator eingehandelt hat.«

Riviera grinste, als sein Blick auf Grayson fiel. »Botschaft erhalten, Herr Hauptmann.«

Grayson verzog das Gesicht, sagte aber nichts. Es ärgerte ihn, dass er genauso zur Rechenschaft gezogen wurde wie jeder beliebige Infanterist, aber er hatte inzwischen gelernt, es ohne großes Theater hinzunehmen. Immerhin waren MechKrieger die Elite der Nachfolgerstaaten. Sie waren moderne Ritter, in deren Händen der Ausgang moderner Schlachten lag, und er wurde mit dem Ziel ausgebildet, eines Tages den Platz seines Vaters an den Kontrollen eines BattleMech einzunehmen. An den Kontrollen seines BattleMechs, um genau zu sein – im Pilotensitz des Phoenix Hawk.

Außerdem war Simzeit als Strafe nicht weiter schlimm. Grayson gefiel die Arbeit im Simulator und er machte sich gut. Abgesehen vom tatsächlichen Einsatz gab es keine bessere Möglichkeit, die Führung eines Mech in einer akuten Kampfsituation zu erlernen. Das einzige Problem dabei war, dass die fünf Stunden von seiner freien Zeit mit Mara abgingen. Aber eigentlich hatte er sich ja schon verabschiedet.

Es war schon seltsam, wie sicher Mara gewesen war, dass er Trellwan doch nicht verlassen würde. Aber sie würde ihn halt vergessen müssen, das arme Kind. Der nächste Halt für Carlyle‘s Commandos war die Hauptwelt des Commonwealth. Das war endlich mal ein anständiger Dienst! Er war noch nie auf Tharkad gewesen, aber die Soldaten mit mehr Erfahrung waren nur zu gerne bereit gewesen, ihre Geschichten mit ihm zu teilen. Es mochte ja sein, dass der Planet kalt und felsig war, aber das Nachtleben am Rand des Raumhafens der Hauptstadt hatte einen eher heißen Ruf. Das ließ allerhand erwarten.

Grayson hatte Trellwan mehr als satt. Diese endlose Abfolge langer Helligkeits- und Nachtabschnitte, die sich über Jahre hinzogen, die so kurz waren, dass die Jahreszeiten innerhalb von ein paar Tagen vorbeizogen, hatten ihm das Leben hier gründlich versauert. »Ari, mein Vater hat dieses Bündnis doch in der Tasche, oder? Ich meine ... wir werden Trellwan jetzt bald Lebewohl sagen können?«

»Mit diesem Treffen wird die Sache offiziell, Master Carlyle. Dann bleibt nur noch die zeremonielle Wachablösung. Tiefer in der Tasche kann man es nicht haben.«

Grayson betrachtete das Monitorbild. »Aber könnte nicht doch noch etwas schiefgehen?«

Ari breitete langsam die Arme aus. »Wenn man mit Peripheriebanditen verhandelt, sollte man immer eine Hand auf die Bankauszüge und die andere vor den Mund halten.«

»Vor den Mund?«

In Aristobulus‘ dunklem Gesicht blitzten weiße Zähne. »Damit sie einem nicht die Goldplomben stehlen.«

»Noch besser ist es, wenn man die ganze Bande abknallt«, meinte Griffith. Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass ihm die ganze Sache kein bisschen schmeckte.

»Da würden wir aber viel Munition brauchen, Freund Muskelprotz. Und möglicherweise können wir uns das mit Vogels Vertrag ersparen. Dann kannst du deine Agressionen an den Kuritisten ausleben.«

»Ah ja, das stimmt! Du findest doch wirklich bei allem noch eine gute Seite, Ari.«

Sie lachten, aber der Waffenmeister machte sich weiter seine Gedanken. Die Situation war tatsächlich nicht ungefährlich. Betrachten wir, würde Ari in einem seiner pedantischeren Momente sagen, einmal das Trellsystem und seine Lage an den unsicheren Grenzen des Lyranischen Commonwealth, ein isolierter Außenposten am Rande des unvorstellbar weiten und leeren Äußeren Weltalls. In Richtung auf die Erde lag der sogenannte zivilisierte, der Innere Raum, in dem das Commonwealth Haus Steiners und vier andere kriegerische Erben des zerfallenen Sternenbunds um flüchtige militärische oder diplomatische Vorteile rangelten.

In ihrem Rücken lag eine Wildnis unbekannter oder lange vergessener Welten, die Dunkelheit des Leerraums, der Mob kleiner Tyrannen und Banditenkönige, die sich aus den Trümmern des einstigen Ruhms kleine Lumpenimperien zusammenklaubten.

Hendrik III. war einer dieser Banditenkönige. Seine Überfälle auf der Suche nach Wasser und Technologie hatten Dutzende von Welten im lyranischen Raum ebenso wie in den Systemen des benachbarten Draconis-Kombinats verwüstet. Diese Überfälle waren es gewesen, die Carlyle‘s Commandos vor fünf Standardjahren überhaupt erst nach Trellwan gebracht hatten, und seitdem hatten sich die Banditen und Trellwans Garnison einige hitzige Gefechte geliefert.

Aber irgendwie hatte es Hendrik geschafft, ein Dutzend Banditenkönige zu einer brüchigen Allianz zu vereinen, einer Allianz, die diesen Mann zu einem Machtfaktor machte ... und Vorsicht angeraten erscheinen ließ. Die von Hendriks Hauptwelt, Oberon VI, aus kontrollierte Koalition verfügte über die Kampfkraft und die Transportkapazität eines kleineren Hauses. Das war mehr, als man einfachen Banditen zugestehen konnte.

Als Olin Vogel von Tharkad eingetroffen war, hatte er einen ehrgeizigen Plan im Gepäck mitgebracht, einen Plan im geschmeidigen Gewand einer diplomatischen Mission. Wenn man Hendrik III. weiter wie einen ganz normalen Banditenkönig behandelte und seinen Überfällen und Herausforderungen jeweils mit gleicher Münze begegnete, führte das nur zu noch mehr Überfällen und Herausforderungen. Als Folge müsste das Commonwealth immer mehr der öden und halbvergessenen Welten an der Peripheriegrenze befestigen, obwohl die dafür nötigen Truppen anderenorts viel nutzbringender eingesetzt werden konnten. Behandelte man Hendrik aber als Hausfürst, als Herr eines Reiches mit einer dem Commonwealth in nichts nachstehenden Legitimation – etwa durch einen gegenseitigen Beistandspakt, versüßt durch großzügige Gebietsvorteile und Garantien –, dann konnte man die Situation zum Besseren wenden.

Vogels Arbeit hatte den größeren Teil zweier planetarer Jahre in Anspruch genommen, also beinahe drei Standardmonate. Da keine der beiden Seiten der anderen besonderes Vertrauen entgegenbrachte, war ein Handelshaus namens Mailai beauftragt worden, die Unterhändler zwischen Trellwan und Oberon VI hin und her zu befördern. Keine Seite war bereit, schwerbewaffneten Landungsschiffen der Gegenseite das Aufsetzen auf ihrem Heimatgebiet zu gestatten. Schlimmer noch, Hendrik hatte bereits ein Bündnis (oder zumindest eine Übereinkunft) mit dem Draconis-Kombinat, und das Kombinat befand sich im Krieg mit dem Lyranischen Commonwealth. Technisch gesehen machte das Hendrik zum Feind, wenn auch zu keinem sonderlich aktiven. Es hatte Zeit und nicht minder viel Vertrauen – das flüchtigste aller menschlichen Güter – gekostet, aber schlussendlich hatte man doch einen Pakt zustande gebracht.

Mit Unterzeichnung des Trellwan-Vertrags würde Hendrik zum Partner und Verbündeten des Lyranischen Commonwealth. Danach würden Hendriks Sprungschiffe und Mechbataillone die Peripheriewelten des Commonwealths in diesem Sektor bewachen, und die Steiner-Garnisonen konnten abgezogen werden und in der Inneren Sphäre gegen das Draconis-Kombinat zum Einsatz kommen. Außerdem würde es weitere Banditenüberfälle erschweren, da die militärischen Mittel des Oberonreiches bereits jetzt an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stießen.

Als Gegenleistung würde Hendrik zusätzliche Welten erhalten, die er regieren und deren Rohstoffe er ausbeuten konnte. Trellwan war eine dieser Welten, ein Bauer in einem politischen Schachspiel über Lichtjahre hinweg. Die einheimische Bevölkerung Trellwans wurde von einem König namens Jeverid regiert, der Haus Steiner und dem Commonwealth Gefolgschaftstreue geschworen hatte. Aber was hieß das schon? Wenn ganze Welten Gegenstand von Verhandlungen sind, treten die Wünsche Einzelner in den Hintergrund. Außerdem sollte Trellwan offiziell Eigentum Haus Steiners bleiben. So lautete die Übereinkunft. Der einzige Unterschied würde darin bestehen, dass die Mechs und Soldaten des Garnisonspostens nicht mehr vom Commonwealth, sondern von Hendrik gestellt wurden.

Die Verhandlungen hatten erhebliche Hindernisse auf beiden Seiten überwinden müssen. Die schwersten Probleme hatte es gegeben, als die Trells Wind von den Geheimverhandlungen bekommen hatten.

Bis dahin waren sie ahnungslose Opfer der geplanten Macht- und Landverschiebung gewesen. Hauptmann Carlyles Stab hatte geplant, die Trells erst nach einem Verhandlungserfolg zu informieren. Schließlich sollte sich für sie kaum etwas ändern. Die Zusammensetzung der Garnisonslanze auf der Burg machte für die Bevölkerung Trellwans doch keinen Unterschied. Hendrik hatte Trellwan in der Vergangenheit allerdings mehrmals überfallen, und man musste mit einer unglücklichen Interpretation der Lage rechnen, wenn Jeverid und einige der kurzsichtigeren Vertreter seines Volkes zu früh etwas in Erfahrung brachten.

Carlyles Berater hatten recht gehabt. Als die Nachricht von der bevorstehenden Übereinkunft Sarghads Bevölkerung erreichte, brachen in der Stadt Unruhen aus, und Feuer hatten die heiße Erstnacht zum Tage gemacht. Seitdem waren die beiden leichten Mechs der Lanze fast ununterbrochen auf Streifendienst im Stadtgebiet.

Der Haussicherheitsdienst hatte die undichte Stelle bisher noch nicht aufspüren können. Das verhieß nichts Gutes und verstärkte Feldwebel Griffiths Magendrücken noch.

»Nanu«, bemerkte Riviera, und bewegte eine Reihe von Kippschaltern auf und ab. »Wir haben ein paar Überwachungskameras verloren.«

»Was? Wo?«

»Im Wartungshangar. Werde ich mal überprüfen.« Er legte die Finger der rechten Hand ans Ohr und lauschte auf die Antwort aus dem winzigen Lautsprecher, den er als Implantat trug. »Der Wachoffizier meldet, dass der Wartungsdienst die Kameras vor ein paar Minuten abgeschaltet hat. Irgendein Fehler in den Schaltkreisen.«

Griffith blickte ihn besorgt an. »Das gefällt mir nicht.«

»Wollen Sie mit dem Hauptmann reden?« Riviera streckte die Hand wieder zum Kommunikationspult aus.

Der Feldwebel blickte auf den Monitor, auf dem die Fusionsflammen des herabsinkenden Landungsschiffs den Himmel in Brand zu setzen schienen. »Nein, stören Sie ihn jetzt nicht. Aber geben Sie eine Warnung an alle Wacheinheiten durch. Interner Sicherheitsalarm, Stufe Gelb.«

Grayson fragte sich, was das wohl nützen sollte. Schließlich waren ohnehin alle Wacheinheiten einsatzbereit und beobachteten die Ankunft des Mailai-Landungsschiffs.

Auf den Monitoren konnten sie sehen, wie sich an der Unterseite des Landungsschiffes Klappen öffneten und die kurzen hydraulischen Stützbeine ausklappten. Mit donnernden Triebwerken setzte es 500 Meter von Carlyle entfernt auf dem rußgeschwärzten Stahlbeton auf. Das eiförmige Schiff hatte sichtlich schon einige Jährchen auf dem Buckel.

Die einstmals makellose Oberfläche war von zahlreichen Flicken und den Spuren brauner Dichtungsmasse verunstaltet, und das blaue X im Kreis des Hauses Mailai war der einzige Farbtupfer auf der pockennarbigen Rumpfwandung.

Über die Funkverbindung ertönte Carlyles Stimme.

»Ich habe den Identifikationstransponder. Es ist der des Mailai-Frachters.«

Der schwierigste Punkt im empfindlichen Gleichgewicht des Vertrauens zwischen den beiden neuen Verbündeten war die Landeerlaubnis für Schiffe der anderen Seite auf dem jeweiligen Heimatterritorium. Da die Schiffe der großen Häuser über gewaltige Waffensysteme verfügten und ganze Bataillone von BattleMechs und kleine Armeen an Truppen und Kampffahrzeugen transportieren konnten, war es nicht leicht gewesen, in diesem Punkt eine Vertrauensbasis aufzubauen. Auch jetzt waren natürlich Waffen auf das gelandete Raumschiff gerichtet. Die Lasertürme und schweren Raketenbatterien rund um das Landefeld, die den inneren Verteidigungsring der Station bildeten, hatten das Landungsschiff ins Visier genommen, seit es auf ihren Bildschirmen aufgetaucht war. Trotzdem atmeten die Verteidiger der Basis alle auf, als sie das frischgemalte Mailai-Wappen auf den runden Rumpfplatten des Schiffes erblickten und das computercodierte Zwitschern des ID-Transponders hörten. Auch im narbenübersäten Rumpf dieses Raumers befanden sich Strahlgeschütztürme, aber es handelte sich nicht um die schwere Bewaffnung eines Kriegsschiffes. Das hier war nur ein alter Frachter, der die Abgeordneten des jüngsten Verbündeten Haus Steiners nach Trellwan brachte.

Grayson und Mitglieder des Lanzenstabs sahen zu, wie der Phoenix Hawk ihres Hauptmanns über den Stahlbeton auf das Schiff zustapfte.

Im Wartungshangar steckte der Verräter den Kopf über die teilweise auseinandergenommene Konsole und beobachtete den Wachoffizier, der immer noch die Füße auf der Schalttafel hatte und dem Astech den Rücken zuwandte. Auf dem Monitor waren die Scheinwerfer des Raumhafens zu erkennen, die schwerfällige, wankende Bewegung eines Mechs, der über das Landefeld stapfte, und der auf Säulen aus weißem Licht langsam zur Ruhe kommende Koloss des Landungsschiffs. Der Trell blickte auf seinen Armbandcomp und sah zu, wie die letzten Sekunden bis Null aufblinkten. Es war soweit.

3

Der Verräter holte einen kleinen Generator aus seiner Schultertasche. Daran war weiter nichts Besonderes. Astechs hatten häufig kleine Generatoren dabei, um auch in engen Räumen Strom und Licht verfügbar zu haben. Meistens wurden die Geräte wie ein Tornister auf dem Rücken getragen. Der Verräter legte den Generator jedoch nicht an, da er das Traggeschirr entfernt hatte. Stattdessen befestigte er ihn an seinem Werkzeuggürtel, so dass er an der rechten Hüfte hing. Das Ende einer Stromleitung schnappte in einer Bajonettkupplung ein. Das andere wurde mit der Bodenplatte eines schmalen Zylinders verbunden. Eine Drehung des Zylinders genügte, die Klinge hervorspringen und einrasten zu lassen.

Der Trell stand langsam auf. Seine Augen waren auf den Nacken des Wachoffiziers gerichtet. Das Messer in der rechten Hand, tastete er mit der Linken an seinem Körper nach dem Stromschalter.

Der Wachoffizier fühlte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Er bemerkte eine Bewegung in seinem Rücken. Er drehte sich halb zur Seite, dann wirbelte er herum und sprang auf die Beine, als er den Astech mit dem Messer näherkommen sah. Noch während der Stuhl des Offiziers laut krachend zu Boden fiel, fand die Hand des Verräters den gesuchten Schalter und ein trockenes Summen ertönte.

Vibromesser sind eine fürchterliche Nahkampfwaffe. Der Strom des Tornisters wird in Ultraschallschwingungen verwandelt, unter deren Einfluss die Parakarbonklinge schneller vibriert, als es das Auge wahrnehmen kann. Innerhalb von Sekunden wird die vibrierende Klinge durch die entstehende Reibung bis zur Weißglut erhitzt, so dass sie selbst gehärteten Stahl wie Butter schneidet.

Verzweifelt versuchte der Offizier, seine Pistole aus dem Holster zu reißen, aber noch bevor es ihm gelang, stieß er gegen die Schaltkonsole in seinem Rücken. Das summende Messer des Trell kam in weitem Bogen herunter und durchtrennte Metall, Fleisch und Knochen mit gleicher Leichtigkeit. Der Offizier schrie auf, presste seine blutende Hand an die Brust und taumelte erneut gegen die Schaltkonsole. Der Verräter stieß weiter vor, und sein Vibromesser schnitt den Todesschrei des Offiziers ab.

Der Verräter schaltete das Vibromesser aus, legte die Stromleitung zusammen und steckte die Waffe in eine isolierte Gürtelscheide, sorgfältig darauf bedacht, nicht mit der glühenden Klinge in Berührung zu kommen. Mit schnellen und präzisen Bewegungen untersuchte er die Schalttafel. Es dauerte nicht lange, bis er den weißen Knopf gefunden hatte, den er suchte. Er presste ihn in die Tafel und hielt ihn fest. Weit entfernt und hoch über ihm erklang das hohle Arbeitsgeräusch schwerer Maschinen. Auf der anderen Seite des Wartungshangars, jenseits des aufgebrochenen Mechs, der wie ein gestrandeter Wal in der Mitte der Halle lag, öffnete sich mit donnerndem Getöse eine schwere Metallwand entlang einer von Bolzen gesäumten Nahtstelle. Auf der Konsole vor ihm blinkte ein rotes Warnlicht, und von irgendwo her erklang eine Frauenstimme: »Alarm. Alarm. Sicherheitsverletzung im Wartungshangar. Außenwand geöffnet. Alarm ...«

Sand wirbelte durch die offene Wand, hereingeblasen von eisigen Windböen. Der Verräter kniff die Augen zusammen. Er bemerkte eine Bewegung draußen im Freien, dann sah er schleichende Gestalten zwischen den Schatten. Er gab den Knopf frei, trat über den blutverschmierten Leichnam des Wachoffiziers und polterte die Metallstufen hinunter zum Hauptdeck.

Der Tech, der unter ihm an dem Mech gearbeitet hatte, rannte in Richtung Hauptflur, als ihn etwas in den Rücken traf, hochhob und gegen die nächste Wand klatschte. Dann schrie einer der Astechs auf dem Brustkorb des Mech auf und stürzte fünf Meter tief zu Boden, während der andere versuchte, hinter einer geöffneten Wartungsluke in Deckung zu gehen. Das leise Zischen schallgedämpften Gewehrfeuers und das ohrenbetäubende Donnern einer explodierenden Handgranate erfüllten den Hangar. Irgendwo schrie jemand auf, doch der Schrei wurde von einer zweiten Detonation und dem knatternden Zischen schallgedämpfter Automatikgewehre abgeschnitten.

Inzwischen stürmten graugrün und blau uniformierte Männer mit hämmernden Gewehren durch eine Tür am anderen Ende des Wartungshangars. Einer der schwarzgekleideten Angreifer fiel nach hinten, als ein zweiter den Soldaten etwas entgegenschleuderte, das in mehreren Sätzen über den Boden hüpfte. Ein Blitz zuckte auf, und die Druckwelle peitschte den Overall des Verräters um dessen Beine. Im nächsten Moment waren von den sauberen graugrünen Uniformen nur noch blutige Fetzen übrig.

Der Trell tat einen Schritt von der Leiter und fühlte das Messer an seiner Kehle, noch bevor er den Mann bemerkte, der sich dahinter verborgen gehalten hatte. »Jäger!«, keuchte er, »Jäger!« Der Griff des Angreifers löste sich.

»Du bist Stefan?« Die Stimme war seltsam unbewegt.

Der Trell nickte und rieb sich die Kehle. Gruppen von Angreifern in enganliegenden schwarzen Monturen rannten vorbei. Einer von ihnen blieb vor Stefan stehen. Sein Gesicht wurde von einer glatten schwarzen Plastikscheibe verdeckt, und in seiner behandschuhten Faust lag eine schallgedämpfte Maschinenpistole. Der schwarze Stofftornister auf seinem Rücken beulte sich bedrohlich.

»Du bist der Verräter?«

Der Trell nickte erneut, unsicher. Der Akzent des Angreifers war fremd und schwer zu verstehen, und seine Manieren waren unerwartet grob.

»Mitkommen!«

Im Gang sah man nur noch verrenkte, blutbesudelte Leichen und die lautlosen Gestalten der schwarzgekleideten Angreifer. Derjenige, den Stefan als den Anführer erkannt hatte, gab eine Reihe beinahe unhörbarer Befehle und Zeichen, und die an den Wänden kauernden Kommandogruppen verteilten sich mit tödlicher Effizienz auf die in verschiedene Richtungen abzweigenden Korridore.

»Setz das auf!« Der Anführer reichte Stefan eine leichte Atemmaske. Der Restlichtverstärker in der Maske machte es noch schwerer, die schwarzen Schatten auszumachen. Blut, stellte er fest, erschien durch diese Masken in einem tiefen, glänzenden Schwarz, und der Korridor bekam durch sie ein gespenstisches Aussehen.

»Die Kommandozentrale. Geh voran!«

Stefan nickte. »Zwei Etagen höher. Hier entlang.«

Der Angriff wurde vom schrillen Klang einer Alarmsirene und dem Knallen der Stiefel auf den Bodenfliesen begleitet, als die Mannschaften truppweise zu ihren Gefechtspositionen rannten. Unter der Decke verlas die Frauenstimme unbeirrt weiter ihre Meldung: »Alarm. Alarm. Sicherheitseinbruch in Sektoren Fünf und Sechs.«

»Ich habe den Wartungshangar verloren«, stellte Riviera fest. »Die Verbindung ist tot.«

Griffiths Miene verdüsterte sich noch weiter. Die Narbe auf seinem Gesicht tanzte, als seine Kiefermuskulatur sich erst anspannte und dann wieder lockerte. »Sag dem Hauptmann Bescheid. Ari, lass mich auf deinen Stuhl.«

Ari stand auf, und Griffith ließ sich auf den leeren Platz neben Riviera sinken.

Grayson holte einen Stuhl von einer anderen Konsole herüber und schob ihn neben den Waffenmeister. »Was ist los, Griff? Wer greift uns an?«

»Weiß ich auch nicht, Junge, aber ich geh erstmal davon aus, dass es die Trells sind. Riviera, Alarmstufe Rot für die ganze Garnison. Und dann gib mir eine Verbindung mit den Streifenposten. Ich will versuchen, unsere Stadtpatrouillen zu erreichen.«

Grayson war wie vor den Kopf geschlagen. Natürlich waren die Trells nicht gerade glücklich gewesen, als die Nachricht von dem bevorstehenden Bündnis mit Oberon bekannt wurde, aber er konnte kaum glauben, dass sie jetzt vom Wartungshangar der Burg herauf gestürmt kamen. Wie waren sie überhaupt hereingekommen? Die riesigen Schiebetore konnten selbst den Hammerschlägen eines 80-Tonnen-Mechs widerstehen. Höchstens eine taktische Atomrakete – eine Waffe, die nicht nur durch Verträge, sondern auch auf Grund praktischer Überlegungen längst geächtet war – konnte sie durchschlagen.

Er konzentrierte sich auf das Monitorbild, das noch immer vom Phoenix Hawk seines Vaters übertragen wurde. Das Landungsschiff war inzwischen so nahe, dass sein schwarzer Metallrumpf den gesamten Bildschirm füllte, obwohl die Messdaten an der Unterkante des Schirms zeigten, dass es noch volle 90 Meter entfernt war. Dann sah er, wie sich am unteren Ende ein Luk öffnete und kaltes Licht über den Stahlbetonbelag des Raumhafens warf.

»Griff!« Der Schrei entlud sich förmlich aus Graysons Kehle. Aus der hell erleuchteten Öffnung war eine Rampe ausgefahren, über die jetzt Soldaten strömten. Der Schirm wurde weiß, und die offene Funkverbindung krachte vor Statik, als ein Hochenergiestrahl über die Antennen des Mech fegte.

»Basis! Ich werde angegriffen!« Hauptmann Carlyles Stimme war von Statik überlagert und angespannt.

»Partikelstrahl von einem Schiffsgeschütz!«

Die Computerdaten auf einem anderen Monitor veränderten sich unter heftigem Flackern. Sie zeigten eine plötzliche Steigerung im Stromverbrauch des Phoenix Hawk an, hastige Bewegung und einen doppelten Feuerstoß aus den mächtigen Armlasern der Maschine. Die Innentemperatur des Mechs stieg in nur vier Sekunden um ebenso viel Grad an.

Der Hauptmann warf seine Maschine herum. Die Bilder auf dem Schirm verschwammen. Das Geschehen auf den Monitoren war kaum noch zu verfolgen. Einzelne taumelnde Blicke auf die Hafengebäude wechselten ab mit dem pulsierenden Blitzen der Detonationen. Die Computerdaten auf dem Schirm neben dem Videomonitor waren für Beobachter mit Graysons Ausbildung weit aufschlussreicher.

Carlyles Phoenix Hawk war ein mittelschwerer Mech. Wie die meisten BattleMechs wies er eine humanoide Form auf. In der rechten Hand trug er wie ein Gewehr ein großes Lasergeschütz. Darüber hinaus verfügte der Mech über kleinere Laser und Maschinengewehre zum Einsatz gegen Infanterie in den breiten Krempen seiner Unterarme. Die Daten zeigten an, dass diese Waffensysteme voll aufgeladen waren und auf das Ziel ausgerichtet wurden.

Die Geschütztürme des gelandeten Frachters tauchten im Fadenkreuz auf, Entfernungsmesser und Zielerfassung blinkten im Takt.

Aus dem linken Armlaser schoss ein unsichtbarer Lichtstrahl auf die unteren Rumpfplatten und Dämmklappen des Landungsschiffs. Ein Geschützturm flog in einem grellen Feuerball auseinander und spie Metalltrümmer in die kalte Zweitnachtluft.

»Verstanden, Hauptmann.« Griffiths Stimme war ruhig, als er Carlyles Meldung über den Angriff auf den Phoenix Hawk beantwortete, aber auf seinen Augenbrauen und dem Schnauzbart perlte der Schweiß. Er verstummte, um eine Meldung zu lesen, die über einem der Monitore flimmerte. »Sicherheitschef Xiang ist von unserer Fähre unterwegs. Er wird in zwei Minuten zu Ihrer Unterstützung eintreffen.«

Carlyle antwortete nicht. Ein zweiter Partikelstrahl prallte auf den Phoenix Hawk, ließ die schwere Maschine taumeln und drohte, sich durch die ohnehin schon beschädigte Panzerung zu brennen. Der Mech wirbelte herum und ließ den Killerstrahl verpuffen. Dann feuerte er einen doppelten Laserstoß auf das durch seine Hitzestrahlung perfekt auszumachende feindliche Geschütz. Die Explosion, die weißglühende, tonnenschwere Bruchstücke auf den Landeplatz regnen ließ, war von außerordentlicher Gewalt.

Ein weiterer Beobachter trat zu den Stabsoffizieren, die sich an der Konsole versammelt hatten. Ernest Haupt war der Pilot der zweiten Maschine ihrer Lanze. Der Leutnant trug seine blaubesetzte graue Ausgehuniform, und die Sorge lag auf seinen Schultern wie ein schwerer Mantel. Normalerweise hätte er jetzt im Pilotensessel des 55 Tonnen schweren Shadow Hawk gesessen, der momentan hilflos im Wartungshangar lag. So war sein Platz in der Gefechtszentrale, und es war offensichtlich, wie sehr ihm das gegen den Strich ging.

»Griff, wir haben Probleme«, stellte Haupt fest.

»Die Eindringlinge haben die Etage unter uns erreicht. Sieht so aus, als hätten sie es auf die Gefechtszentrale abgesehen.«

»Wer ist es, Leutnant? Trells?«

Der hochgewachsene Offizier schüttelte den Kopf.

»Nicht auszumachen. Sie tragen Schleichkampfanzüge. Solange wir keinen Gefangenen machen, lässt sich überhaupt nichts sagen.«

»Dann werden wir uns eben einen holen.« Griffith stand auf und sah zu Grayson hinüber. »Ich denke, dich bringen wir am besten ...«

»Nein, Griff! Nicht jetzt!« Grayson saß noch immer wie gebannt vor dem Monitor. Der Schirm zeigte kaum mehr als wilde Zickzackbewegungen, unterbrochen vom weißen Aufleuchten explodierender Raketen und auftreffender Energiestrahlen.

»Riviera, ich muss weg«, sagte der Waffenmeister ungeduldig. »Schaff ihn raus hier, wenn es eng wird!«

»Klar, Griff. Wir werden es schon schaffen. Ich kann ihn hier am Funktisch gebrauchen.«

»Gut.«

Grayson wandte sich wieder dem Monitor zu, als Haupt und Griffith davoneilten. Die Schlacht am Landeplatz entwickelte sich mit ungebremster Energie. Er wollte helfen, irgendetwas tun, aber er war verurteilt, hilflos zuzusehen.

Der Phoenix Hawk rannte, machte fünf Meter große Schritte, deren Donnern noch das Krachen und Tosen der explodierenden Geschosse übertönte. Grayson dachte daran, wie sehr der Pilot auf dem Schlachtfeld von der Beweglichkeit seines Mechs abhing. Dieser Faktor war noch wichtiger als die Panzerung, denn die Kommandos des Piloten an sein gigantisches Gehzeug waren von den gegnerischen Feuerleitcomputern nicht vorausberechenbar. Aber in einem Nahkampf wie hier brauchte man nur in einfach in die ungefähre Richtung des Gegners zu halten, um mit seiner Waffe einen Treffer zu erzielen. Ein Donnern wie das Toben eines ausgewachsenen Tornados brach aus dem Lautsprecher, und der Monitor zeigte eine Helligkeit, deren Intensität kaum zu ertragen war. Carlyles Phoenix Hawk war von einer Rakete getroffen worden, deren geballte Glut sich über den oberen rechten Rücken seines Torsos ausbreitete und den Mech vornüber auf den Stahlbeton warf.

»Paps!«

Bei Graysons unwillkürlichem Schrei in ein offenes Mikro legte Riviera ihm die Hand auf die Schulter. »Nicht die Funkverbindung stören, Sir. Das hilft ihm nicht.«

»T-tut mir leid.« Grayson kämpfte um seine Selbstbeherrschung. Noch nie war ihm ein Kampf körperlich so nahe gegangen wie dieser. »Er ist getroffen!«

Der Videomonitor zeigte, wie der Boden nach unten außer Sicht fiel, als der Mech sich langsam wieder aufrichtete. Rauch driftete durchs Bild. Im unsicheren Licht eines irgendwo in der Nähe lodernden Feuers konnte Grayson schemenhafte Gestalten ausmachen, die von Schatten zu Schatten huschten.

»Ich bin okay, Sohn.« Carlyles Stimme klang fast unbeeindruckt über die Funkverbindung, aber Grayson hörte doch die Anspannung des Kampfes aus ihr heraus. »Ist Griff da?«

»Griff hilft, die Verteidigungsmaßnahmen zu koordinieren«, unterbrach Riviera. »Wir hier werden auch angegriffen.«

»Verflucht. Wir sind reingelegt worden.«

»Wer ist das, Vater?«

Das Videobild stürzte, kippte und wirbelte zur Seite. Sie hörten das Stakkato der schweren Maschinengewehre des Phoenix Hawks, die halb vom Qualm verdeckte Ziele beschossen. Leuchtkugeln zogen langsam über den Schirm auf ein Gefährt zu, das in voller Geschwindigkeit mit heulenden Propellern nur Zentimeter über dem Stahlbeton dahinsauste. Eine leichte Autokanone stotterte eine Antwort aus der Dunkelheit.

Der Schweber verschwand in Rauch und Schatten.

»Ich weiß nicht, Gray«, erwiderte sein Vater schließlich.

»Aber das sind mit verdammter Sicherheit keine Händler!«

»Hendriks Piraten?«, fragte Riviera.

»Ich weiß es nicht. Kann sein. Aber warum? Warum, bei allen Göttern des Weltalls? Grayson blickte quer durch den Raum hinüber zu Vogel. Der Commonwealth-Abgeordnete stand bleich und wie zu Eis erstarrt an einer Monitorkonsole. Die Allianz mit Hendrik war seine Idee gewesen.

Riviera folgte Graysons Blick. »Auf dem Schirm sieht er seine Karriere in Rauch aufgehen«, stellte er fest. Grayson nickte. Der Mann ballte immer wieder die Fäuste, nur um sie gleich darauf zu öffnen. Er schien von einem grausamen Muskelkrampf befallen.

Ein schmerzend heller Blitz leuchtete auf, verbunden mit einem Donnerschlag, der die Zuhörer in der Gefechtszentrale erschreckt zusammenfahren ließ. Der Phoenix Hawk lag wieder am Boden, und ein halbes Dutzend rotflackernder Warnlampen wetteiferten um Aufmerksamkeit. Auf dem Bildschirm konnte Grayson verbogene Metalltrümmer ausmachen, angekohlt und dampfend von der Hitze des Treffers. Es dauerte ein paar Sekunden, bevor er in den Trümmern den halben rechten Arm des Phoenix Hawk erkannte, die stählernen Finger noch um den Griff des schweren Lasers gekrümmt, der nun als Schrott auf dem Stahlbeton des Raumhafens lag.

»Feldwebel?« Carlyles Stimme wirkte gepresst und war über dem Krachen der Statik kaum auszumachen.

»Sir! Sind Sie in Ordnung?«

»Gyroskoptreffer ... linke Servos ausgefallen ... habe Schwierigkeiten, den Mech zu stabilisieren. Sieht aus, als ob der rechte Arm und das Hauptgeschütz auch im Eimer sind. Ich bin ... ziemlich schwer getroffen ...«

Riviera studierte einen anderen Monitor. »Durchhalten, Hauptmann! Xiang ist mit der Sicherheitsstreife unterwegs! In ein paar Sekunden ist er nahe genug heran, um Ihnen Unterstützung zu geben!«

Der Phoenix Hawk war wieder auf den Beinen. Die Telemetriedaten zeigten, dass er in die rauchgeschwängerte Dunkelheit feuerte, so schnell seine einzige verbliebene schwere Waffe, der Laser im linken Arm, aufgeladen werden konnte. Die unsichtbaren Laserstrahlen tasteten nach ihren Zielen, wann immer die Ortungscomputer des Mech sie auf den IR-Schirmen ausmachen konnten. Über dem normalen Bild lag jetzt ein Infrarotmosaik, das rennende Gestalten in hellem Blau zeichnete, umgeben von den weißglühenden Geysiren der Fahrzeugmotoren und dem hochaufragenden gelben Berg des ein paar hundert Meter entfernt liegenden Landungsschiffs. Das feindliche Feuer stammte in erster Linie von diesem Frachter, der offensichtlich weit besser bewaffnet war, als man es je von einem Frachter erwartet hätte. Carlyle hatte mindestens fünf identifizierte Geschütztürme ausgeschaltet, aber die Feuerkraft des Schiffes hatte kaum nachgelassen. Wie es schien, war eine ganze Reihe von Strahlgeschützen an Bord des Schiffes montiert worden – teilweise in eigens dafür geschnittenen Luken in seinem Rumpf.

»Status ... der ... Basis?« Carlyle musste die Worte einzeln herauspressen, während er nach Luft schnappte. Der Computerschirm zeigte, dass die Temperatur der Pilotenkanzel ständig anstieg. Jede Bewegung, jeder Feuerstoß und jeder Treffer jagten sie weiter in die Höhe.

»Die Angreifer müssen Hilfe aus der Burg erhalten haben, Hauptmann. Jemand hat unsere Überwachungskameras ausgeschaltet und die Außentore des Wartungshangars geöffnet. Da unten geht‘s ziemlich hoch her.«

»Haupt?«

»Bei Griffith. Er kämpft gegen die Eindringlinge.«

»Sagen Sie ... ihm, er ... hat das Kommando. Die Lanze ... muss da raus. Wir ... können ... nicht länger ... Trellwan bleiben ...«

»Paps! Halt durch! Xiang muss gleich da sein!«

»Ich sehe ihn. Seine Leute verteilen, sich auf dem Gelände. Ich ...«

Eine lange Pause folgte. »Hauptmann!«, rief Riviera drängend.

»Oh, verfluchte Scheiße ...« Die Worte kamen leise, fast ehrfürchtig. Das Kamerabild war jetzt auf das Heck des gelandeten Frachters ausgerichtet, auf das klaffende Maul der offenen Luke, aus der eine schwere, schwarze Rampe hinunter auf den narbigen Stahlbetonbelag führte. Das darübergelegte IR-Bild gab der Szene durch die grellen Farben, wo normalerweise nur Dunkelheit zu sehen gewesen wäre, eine gleißende Unwirklichkeit.

Etwas schob sich langsam die Rampe herunter, kohlrabenschwarz vor dem gelben Glühen des Frachterrumpfes. Die Videokamera zoomte heran und löste die Silhouette auf in graues Metall und funkelnde Gelenke. Das Fadenkreuz der Zielerfassung schaltete sich ein, und vier Lichtpunkte liefen an seinen Armen entlang, um sich im Zentrum zu einem blinkenden Lichtimpuls zu vereinigen. An einer Seite des Schirms flimmerten Laserscandaten auf, die Entfernung, Größe, Masse und Bewegungsrichtung anzeigten. Grayson brauchte die Computerangaben nicht, um zu erkennen, was er da vor sich sah. Es war ein Mech, ein Koloss vom Typ Marauder.

Der Marauder wies nicht die humanoide Bauweise der meisten Mechs auf. Stattdessen waren die 75 Tonnen seiner Waffen und Panzerung zu einem krabbenähnlichen Rumpf geformt, der auf einem Paar übergroßer Beine ruhte, die auf die vorwärtsgeneigte Art eines Zehenfüßers zunächst nach hinten und dann gerade nach unten stießen.

Die Maschine war alt, gezeichnet von den Flicken und anderen Spuren häufiger Reparaturen und Austauscharbeiten. Der in Schwarz und Grau gehaltene Anstrich wies an vielen Stellen braunroten Rost und alte Kampfnarben auf. Genau vor den Kniegelenken hingen zwei Arme herab, die beide über je eine schwere Partikelprojektorkanone und ein Lasergeschütz verfügten. Die Waffen waren übereinander angebracht, und ihre Läufe nahmen die Stelle ein, an der man bei einem lebenden Wesen Unterarm und Hand erwartet hätte. Über dem Rumpf balancierte der Kampfkoloss den wuchtigen Lauf einer 120-mm-Schnellfeuerautokanone. Dieses Geschütz vervollständigte die Bewaffnung des Riesen.

Der Phoenix Hawk war 30 Tonnen leichter und selbst in bester Verfassung der schwereren Maschine in einem Zweikampf deutlich unterlegen. Und jetzt war der Mech schon beinahe außer Gefecht ...

»Paps! Kannst du seine Insignien erkennen?«

»Ja.« Die Kamera hatte das Glänzen frischer Farbe auf der narbigen Oberfläche des linken Mechbeins aufgefangen. Der Gegner trug ein stilisiertes Tierauge in Gelb und Grün, mit geschlitzter Pupille und drohendem Blick.

Es war das Zeichen Hendriks III., König von Oberon, des Banditenhäuptlings, mit dem sie den Trellwan-Vertrag hatten abschließen wollen. Hinter dem ersten Feindmech tauchten die Umrisse einer zweiten, kleineren Maschine auf, und dann die einer dritten. Grayson war sich nicht sicher, aber er glaubte, eine Stinger und einen Locust zu erkennen – beides 20-Tonnen-Mechs, die besser zu Erkundungsuntemehmen oder zum Einsatz gegen Infanterie geeignet waren, als zu Gefechten mit schweren Mechs.

Aber selbst solche leichten Scouts konnten einem einzelnen Phoenix Hawk zu mehreren gefährlich werden, besonders, wenn der ohnehin kaum stehen oder zurückschlagen konnte. Die Autokanone des Marauders eröffnete das Feuer, und die Geschosse prallten auf die schwer angeschlagene Panzerung des Phoenix Hawk.

»Verräter!«, schrie Riviera und schlug mit der flachen Hand auf die Schalttafel. »Diese dreckigen, feigen ...«

»Ich denke ... das klärt, wer ... dahinter steckt ...«, stimmte Carlyle zu. »Aber warum ... greifen sie ... gerade jetzt an?«

Der Phoenix Hawk setzte seinen verbliebenen Laser ein und drehte sich anschließend geduckt zur Seite. Ein Netz sich drehender Kondensstreifen stieg in hohem Bogen von der Seite des Landungsschiffes in den Nachthimmel, als eine Salve Kurzstreckenraketen ihr einsames Ziel suchte. Das Videobild wackelte, und der Schirm wurde weiß, als mindestens eines der Geschosse ins Schwarze traf.

Inzwischen blinkte der halbe Datenschirm rot. Die inneren Schaltkreise des Phoenix Hawk waren von flüssigen Stahlspritzern zerstört worden. Carlyle konnte den Mech kaum noch aufrecht halten. Das Kreischen protestierender Servomotoren schrillte aus den Lautsprechern.

»PILOTENWARNUNG! HITZEENTWICKLUNG KRITISCH, SOFORTIGE STILLLEGUNG EMPFOHLEN.«

Die Warnung pulsierte in feuerroten Lettern auf der oberen Hälfte des Schirms, und Grayson konnte das harte Bellen des Warnhorns hören.

Das Muster der Anzeigelichter veränderte sich. Carlyle hatte auf seinen Vetoschalter geschlagen. Er hob den linken Arm des Mech, um den Marauder insSchussfeld zu bekommen.

»Boss!«, schrie Riviera in sein Mikro. »Steigen Sie aus!« Das Fadenkreuz erschien auf dem drohend aufragenden Marauder, und die Lichtpunkte bewegten sich die Arme des Kreuzes entlang auf seinen Mittelpunkt zu.

»Sie haben nicht genug Energie!« Rivieras Stimme ging in ein Kreischen über. Grayson fühlte, wie ein übles Brennen in seiner Kehle emporstieg.

Für Grayson spielten sich die nächsten Sekunden im Zeitlupentempo ab; sie beanspruchten eine kleine Ewigkeit seines Lebens. Der Marauder preschte vor, und der Schuss des Phoenix Hawk brannte wie eine Hitzefackel über die untere Hälfte seines Torsos. Die Infrarotorter gaben überfordert auf und verwandelten das Bild in ein Kaleidoskop computerunterstützter Farbenpracht.

»Treffer!«, rief jemand an einer anderen Konsole. Ein halbherziges Hurra ertönte, das schnell verstummte, als das Monitorbild wieder klar wurde und den Marauder unbeschädigt über dem hilflos auf dem Rücken liegenden Phoenix Hawk zeigte. Dann fiel einer der massigen Unterarme wie ein Fallbeil nach unten. Der Bildschirm flackerte. Noch bevor die Augen oder Gehirne der Zuschauer die verwirrenden Bilder, die sich ihnen boten, ordnen konnten, zeigte der Monitor abrupt Schwarz, das nur noch von gelegentlichen statischen Entladungen unterbrochen wurde.

Ein tierischer Schrei brach aus Graysons Kehle. Er sprang auf und schüttelte mit beiden Händen den Monitor. »Nein!«, rief er. »Nein! Neeeiiin!«

Rivieras Stimme klang bewundernswert kontrolliert.

»PHK-Eins, PHK-Eins, hier Zentrale. Bitte melden, wenn möglich. Ende.«

Es kam keine Antwort. Schweigen breitete sich aus. Graysons Augen brannten, und er merkte, dass sein Gesicht von Tränen bedeckt war.

Sein Vater war tot.

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»PHK, PHK ...« Rivieras Stimme überschlug sich. »Boss, sind Sie noch da?«

»Zentrale, hier ist Xiang.« Die Worte waren von Statik und dem Donnern der Explosionen des anhaltenden Kampfgeschehens überlagert. »Der Chef ist tot. Wir konnten ihm nicht helfen. Die leichten Mechs kommen immer näher. Wir ziehen uns zurück.«

Die Stille in der Zentrale zog sich einige lange Sekunden hin. Dann lehnte sich Riviera wieder über das Mikro. »Okay, Rama. Rückzug zur Burg! Wir sind hier unter schwerem Beschuss.«

»Wir werden es versuchen, Zentrale, aber sie stehen zwischen uns und der Burg.«

»Verdammt!«, murmelte Riviera. »Verdammt! Okay, Rückzug zur Fähre! Versuchen Sie, eine Verteidigungsstellung aufzubauen. Ich alarmiere die Wasps.«

Eine Hand fiel auf Graysons Schulter. Er schüttelte sie ab und sah erst auf, als sie ein zweites Mal auf seiner Schulter zur Ruhe kam.

Griffiths Gesicht war von Ruß und Schweiß bedeckt, seine Uniform zerknittert. Die Hand, in der er seine Günther MP-20 hielt, blutete aus einer schweren Schnittwunde.

»Wir müssen weg, Gray. Sofort.«

»Er ist ... tot.« Der Schock hatte Grayson in seinen Klauen. Er fühlte sich kalt und benommen, und sein Magen schien in ein bodenloses Loch gefallen zu sein.

»Ich weiß. Komm mit!«

»Wo ist der Leutnant?«, fragte Riviera. »Der ... der Hauptmann hat ihm den Befehl übergeben. Er soll uns ins All bringen.«

Griffith machte eine Kopfbewegung über die Schulter nach hinten. »Unten. Wir halten die Stellung noch, aber es sind einfach zu viele.« Er drehte sich um und sprach lauter, um sich im gesamten Kontrollraum Gehör zu verschaffen. »Alles herhören! Wir ziehen uns durch Korridor A zum Fahrzeughangar zurück. Leutnant Haupt hält da unten eine Verteidigungsstellung. Wir werden LKTs besteigen und uns zur Fähre durchschlagen!«

»Was ist mit unseren Familien?«, rief jemand. Dieselbe Frage stand in den Augen vieler Techniker und Soldaten in der Zentrale. Carlyle‘s Commandos wurden ständig von einer kleinen Armee aus Technikern und Hilfsmannschaften begleitet, zu denen auch die Ehefrauen, Männer und Kinder vieler ihrer Mitglieder gehörten. Die meisten von ihnen gehörten selbst zur Nachschubkompanie der Kommandos, wo sie als Sanitäter, Ärzte, Köche, Wartungspersonal, Ordonnanzen oder Lehrer für die Kinder arbeiteten.

»Die sind schon unterwegs«, erwiderte Griffith. »Keine Sorge. Wir lassen niemanden zurück. Die Commandos kümmern sich um die Ihren.«

Gedämpfte Freude wurde hörbar, dann begannen die Männer und Frauen in der Gefechtszentrale ihre Monitore und Funkgeräte auszuschalten und sich in Richtung Ausgang zu bewegen.

Vogel trat neben Griffith. »Sie werden mir natürlich eine Sondereskorte und ein eigenes Luftkissenfahrzeug zur Verfügung stellen, Feldwebel.«

»Jawohl, Sir, wir werden uns um Sie kümmern. Aber Sie werden mit uns kommen müssen. Ich habe keine Männer für eine Sonder...«

»Ich erwarte, dass meine Anordnungen befolgt werden!« Vogel zeigte auf eine Gruppe Soldaten, die neben der Tür standen, und trotz ihrer TK-Sturmgewehre eine etwas unglückliche Figur machten. Ihre Gesichter unter den großen Gefechtshelmen mit den Plastikvisieren waren schmutzverschmiert, und ihre Augen lagen tief in den Höhlen. »Die fünf werden reichen.«

»Diese Soldaten gehören zu meiner Begleitung, Mylord. Sie werden uns auf dem Weg zum Fahrzeughangar beschützen.«

»Jetzt hören Sie mal gut zu ...«

Die Gunther-MP schwenkte hoch. In Griffiths blutverschmierter Pranke wirkte sie ausgesprochen klein und tödlich. »HALTEN SIE DIE SCHNAUZE, Mylord! Und reihen Sie sich unter die anderen ein! Los!«

Die Gruppe kam in den Korridor. Das Echo ihrer hastigen Schritte erfüllte den Gang. Ihr Weg führte vorbei an aufgegebenen, trümmerübersäten Räumen, über gewundene Treppen zwei Stockwerke hinunter auf die Hangaretage, und dann in einem scharfen Winkel zum Fahrzeughangar. Grayson blieb zusammen mit den fünf jungen Soldaten bei Griffith am Ende der Kolonne. Vogel befand sich mit Riviera und Ari an der Spitze der Gruppe, aber man konnte deutlich erkennen, dass er diese Kränkung nicht so leicht überwinden würde.

Das wird Griff noch Ärger einbringen, dachte Grayson. Das wird uns allen Ärger einbringen. Seine Gedanken wanderten wieder zurück zu der Explosion, die ihn seinen Vater gekostet hatte. Wie hatte das geschehen können? Und warum? Der Gedanke an den BattleMech seines Vaters, der als rußgeschwärzter Trümmerhaufen auf dem Raumhafenfeld lag und als Grab für die Überreste Durant Carlyles diente, ließ ihn nicht los. Plötzlich erinnerte er sich