Begegnungsraum Stadt. Bürger, Adel, Geistlichkeit -  - E-Book

Begegnungsraum Stadt. Bürger, Adel, Geistlichkeit E-Book

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Beschreibung

Das Städtewesen in Europa blüht um 1500. Die Stadt bietet einen eigenen Rechtsraum. Nicht nur die rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Binnenverhältnisse sind entscheidend, sondern auch die Außenbeziehungen sowie die Außendarstellung. Diese sind ebenfalls durch die genannten Aspekte von Recht, sozialen und politischen Verhältnissen, von Handel und Nahrungsversorgung, aber auch durch weitere Facetten wie Waldbesitz, geographische Lage und Zugang zu Wasserstraßen sowie die Anbindung an weitere überregionale Infrastruktur und schließlich auch durch die Einbindung in Bildungsnetzwerke und religiöse Strukturen und deren jeweilige Transformationen geprägt. Eine Stadt ist jedenfalls ein herausgehobener Kommunikationsraum in vielfacher Hinsicht. Auf Einladung von Franz von Sickingen wurde Landau am 13. August 1522 ein Konferenzort. Adelige aus dem deutschen Südwesten gründeten eine ritterschaftliche Vereinigung unter dem Hauptmann von Sickingen: den Landauer Bund. 500 Jahre danach bietet dieser Band ein buntes und facettenreiches Panorama einer aufstrebenden südwestdeutschen Stadt als Begegnungsraum für den Adel.

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Seitenzahl: 311

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Kurt Andermann, Ulrich A. Wien (Hrsg.)

Begegnungsraum Stadt. Bürger, Adel, Geistlichkeit Landau in der Vormoderne

Forschungen zur Pfälzischen Landesgeschichte, Band 3 Beihefte zu den Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz

hrsg. im Auftrag des Historischen Vereins der Pfalz e. V.

Impressum

Der Bezirksverband Pfalz hat die Drucklegung dieser Publikation finanziell gefördert. Titelbildnachweis: Stadtarchiv Landau. Matthäus Merian, handkolorierter Stich. Titel: Begegnungsraum Stadt. Bürger, Adel, Geistlichkeit Untertitel: Landau in der Vormoderne Reihe: Forschungen zur Pfälzischen Landesgeschichte, Band 3 Beihefte zu den Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz Herausgeber: Kurt Andermann, Ulrich A. Wien Herstellung: verlag regionalkultur (vr) Satz: Melina Lamadé (vr) Umschlaggestaltung: Melina Lamadé (vr) E-Book-Erstellung: Melina Lamadé, Charmaine Wagenblaß (vr) EPUB: ISBN 978-3-89735-018-2

Die Publikation ist auch als gedrucktes Buch erhältlich. 160 Seiten, fester Einband. ISBN 978-3-95505-409-0.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detailierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Autoren noch Verlag können für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses E-Books entstehen.

Alle Rechte vorbehalten. © 2023 verlag regionalkultur

verlag regionalkultur Ubstadt-Weiher • Heidelberg • Stuttgart • Speyer • Basel

Verlag Regionalkultur GmbH & Co. KG Bahnhofstr. 2 • D-76698 Ubstadt-Weiher • Tel. 07251 36703-0 • Fax 07251 36703-29 • E-Mail [email protected] • Internet www.verlag-regionalkultur.de

Vorwort

Traditionell gelten die Jahre um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert als die entscheidende Zäsur zwischen Mittelalter und Neuzeit, im deutschen Reich geprägt von einem tiefgreifenden Verfassungswandel, im Reich und in Europa umgetrieben von der Reformation und der aus ihr resultierenden Spaltung der westlichen Christenheit und schließlich befruchtet von der Entdeckung der „Neuen Welt“, deren Folgen auf dem „Alten Kontinent“ freilich erst nach und nach spürbar wurden. All das erlebten mehr oder minder bewusst auch die Menschen in Landau und seiner Umgebung, die damals überdies mit eigenen Umbrüchen beschäftigt waren: 1511 ging mit einem finanziellen Kraftakt der Einwohnergemeinde nach nahezu zweihundert Jahren die Verpfändung der Reichsstadt an die Bischöfe von Speyer zu Ende und die Bürgerschaft suchte im Anschluss an den elsässischen Zehnstädtebund (Dekapolis) Unterstützung für einen neuen Aufbruch. Diese Befreiung von der Herrschaft geistlicher Fürsten mag das ihre dazu beigetragen haben, dass man sich hier den Gedanken der vom sächsischen Wittenberg ausgehenden Glaubenserneuerung besonders früh öffnete und dabei in dem aus Straßburg gebürtigen evangelischen Prediger und Stadtpfarrer Johannes Bader einen zwar nur regional wirksamen, dafür aber umso entschiedeneren Vertreter der neuen Lehre fand. Dem Landauer Textilkaufmann und Bankier Hans Boner gelang es damals, die schon älteren Handelsbeziehungen seiner Familie nach Frankfurt am Main, Nürnberg, Deutsch-Wagram und Gent bis nach Polen auszuweiten und in der polnischen Königsstadt Krakau zu höchsten Ehren zu gelangen. Und mit dem Landauer Bund der autonomen Ritterschaften vom Oberrhein und seinen Randgebieten hatte Landau nicht zuletzt teil am Geschehen um den Verfassungswandel im Reich, der die standesbewussten Edelleute in eine existentielle Krise stürzte und sie verzweifelt nach Auswegen suchen ließ. So begegneten einander in der Stadt an der Queich die kleine und die große Welt.

Der durch keinen geringeren als den berühmt-berüchtigten Franz von Sickingen einberufene Landauer Rittertag vom 13. August 1522 gab Anlass, das lokale Geschehen jener Zeit mit einer am 29./30. September 2022 von der Landauer Bezirksgruppe des Historischen Vereins der Pfalz angeregten Tagung in den Blick zu fassen und unter dem Titel ,Begegnungsraum Stadt in der Vormoderne‘ in einen größeren historischen Kontext zu stellen und angemessen zu würdigen.

Den Referentinnen und Referenten, die sich bei diesem Unternehmen engagierten und es zum Erfolg führten, danken wir sehr herzlich dafür, dass sie die von ihnen erbetenen Vorträge nicht allein ohne jedes Zögern zusagten und in Landau zu Gehör brachten, sondern es überdies mit großer Disziplin ermöglichten, dass die Erträge dieser Tagung rekordverdächtig schnell zum Druck befördert werden konnten. Kurz vor der Fusion zur Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern Landau stellte die Universität Koblenz-Landau dankenswerterweise ihre Räumlichkeiten am Campus Landau zur Verfügung und Bürgermeister Dr. Maximilian Ingenthron begrüßte die Tagungsteilnehmer seitens der gastlichen Stadt. Die Stadtarchive in Landau und Straßburg stellten freundlicherweise die für die Publikation benötigten Abbildungsvorlagen bereit. Und zu danken bleibt schließlich dem Historischen Verein der Pfalz und seinem Vorsitzenden Oberbürgermeister a. D. Werner Schineller nicht nur für die Aufnahme der Tagungsakten in die Reihe ,Forschungen zur pfälzischen Landesgeschichte‘, sondern auch für die Übernahme der gesamten Veranstaltungskosten. Frau Celina Schäfer hat sich dankenswerterweise den Mühen des Registermachens unterzogen.

Stutensee und Landau, im Juni 2023 Kurt Andermann und Ulrich Andreas Wien

Begegnung mit der Stadt im Buch. Landau in topographischen Werken der Vormoderne

Von Martina Stercken

Stadtansichten, wie diejenige von Landau aus der ,Topographia Germaniae’ Matthäus Merians, sind bis in die Gegenwart beliebt.Verfügbar in Antiquariaten oder übers Netz, werden sie gern als attraktives Geschenk zu würdigen Anlässen genutzt und sind Ausstattungsgegenstand öffentlicher und privater Räumlichkeiten. Ihre Anziehungskraft hat mit einem Interesse an der örtlichen Geschichte zu tun, mit der Lust, einen älteren Stadtzustand am heutigen zu spiegeln, wohl aber auch damit, dass solche Darstellungen eine Stadtvorstellung präsentieren, die sich von unserer heutigen wesentlich unterscheidet. Sie transportieren nämlich den Eindruck von einer geordneten Stadt, einer baulichen Entität, die durch ihre Befestigung klar aus dem agrarisch geprägten Umland herausgehoben ist und einem funktionierenden Gemeinwesen Ausdruck verleiht.

Landau, Stadtdarstellung in Matthias Merians ,Topographia Alsatiae’ von 1644 (wie Anm. 21).

In der historischen Forschung sind solche Stadtdarstellungen schon seit längerem ein Thema.1 Sie werden als Quelle gebraucht, um die Entstehung und Entwicklung des städtischen Raums nachzuvollziehen und damit Prozesse, die in der schriftlichen Überlieferung lediglich punktuell fassbar sind.2 Konventionen des Entwurfs von Städten werden untersucht und mit ihnen die Frage, inwieweit Städtebilder überhaupt als Abbildung bestehender topographischer Verhältnisse vor Ort gelten können.3 Die Autoren von Städtebildern sind ebenso ins Blickfeld gelangt, wie die jeweils zeitspezifischen Bedingungen der Bildproduktion4 und die ästhetischen Qualitäten der Darstellungen.5 An medialen Prozessen interessierte Untersuchungen haben sich mit der Verbreitung von Städtebildern befasst, die seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert durch die Drucktechnik in neuem Ausmaß ermöglicht wurde, aber auch mit deren zunächst schwer zu fassender Rezeption.6 Gleichzeitig interessiert die Frage, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen Städtebilder Vorstellungen von Städten generieren. Aus dieser Perspektive betrachtet, gelten sie als vielschichtige kulturelle Produkte, die nicht nur Sinn stiften, indem sie schriftliche und bildliche Traditionen zu etwas Neuem verarbeiten, sondern auch, indem sie jeweils mit ihren Kontexten interagieren, sei dies der öffentliche Raum, sei dies Schrifttum oder seien dies andere Bilder.7

Die Frage nach den Modi der Vermittlung von Vorstellungen und Wissen über Städte soll im Folgenden am Beispiel der Stadt Landau weiterverfolgt werden. Im Mittelpunkt steht, welche Art der Begegnung mit dieser Stadt gelehrte Werke des 16. und 17. Jahrhunderts ermöglichen – und zwar solche, die Städte über Texte und Bilder konzipieren.Dabei wird es zum einen darum gehen, die Rolle zu umreißen, die Landau in derartiger Literatur spielt, und die Veränderungen zu beschreiben, denen die Darstellung der Stadt in dieser Zeitspanne unterworfen ist. Zum anderen wird das Wissen über Landau, das gelehrte Zeitgenossen in ihren Arbeiten zur Verfügung stellen, in den Vordergrund gerückt und zum Thema gemacht, auf welche Weise diese ihr Interesse an Landau dem Leser über Karten, bildliche Darstellungen und Texte vermitteln.

Die Stadt als Thema

Frühneuzeitliche Druckwerke, die Städte und ihr Erscheinungsbild zum Thema machen, lassen sich in eine lange Geschichte des Nachdenkens über bauliche und gemeindliche Eigenarten von Stadt einreihen, eine Geschichte, die in die Zeit vor der Entstehung der städtischen Kommune in Europa zurückreicht. Seit dem frühen Mittelalter wurden Vorstellungen von Stadt ausgeprägt, die sich einesteils an antiken Formen panegyrischer Stadtbeschreibung, so etwa des Städtelobs, orientierten, immer mehr aber durch die Idee eines Himmlischen Jerusalems geprägt waren, das als architektonische und gesellschaftliche Idealform von Stadt eine nachhaltige geistige Sinnstiftung für materiell bestehende Städte bedeutete.8 Gelehrte Auseinandersetzungen mit der Stadt nahmen im hohen Mittelalter zu, als die neue Form gesellschaftlichen Zusammenlebens in Europa Kontur annahm, und sie veränderten sich mit den Urbanisierungsprozessen.9 Sowohl in der schriftlichen wie auch in der bildlichen Überlieferung wurden nunmehr ältere, heilsgeschichtlich bestimmte Deutungen der städtischen Lebensform durch die Erfahrung der Verhältnisse vor Ort überlagert und Städte zunehmend in ihrer Individualität konzipiert.10

Insbesondere in der Zeit um 1500, als das europäische Städtewesen ausgeprägt ist, nimmt die Produktion an Städtebildern enorm zu; es wird mit den Möglichkeiten experimentiert, Städte darzustellen; und das Wissen über Städte wird zunehmend systematisiert. Dies lässt sich an Schulschriften, Reiseberichten, Welt-, Städte- oder Landeschroniken zeigen, die Stadtdarstellungen enthalten, aber auch an separaten Formen der Konzeption von Städten.11 Als Holz- und später Kupferstiche werden Städtebilder einem größeren Rezipientenkreis zugänglich, und sie werden – mit einem wachsenden Markt für Bücher – zunehmend auch ökonomisch relevant.12

In dieser Zeitspanne entstehen auch erstmals chronikalisch-topographische Werke, die Städte zum Gegenstand machen. Ein Trendsetter und Vorbild für darauffolgende Unternehmen ähnlichen Zuschnitts ist die Weltchronik des Nürnberger Stadtarzts und Gelehrten Hartmann Schedel, die 1493 – bebildert in der Werkstatt der Kunsthandwerker Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff– im Verlag von Anton Koberger in Nürnberg in deutscher und lateinischer Sprache gedruckt wurde.13 Zwar ist diese Chronik in vielfacher Hinsicht mittelalterlich konzipiert und erfasst die Weltgeschichte von ihren biblischen Anfängen bis in die Zeit des Verfassers. Neu ist aber die große Fülle von Stadtansichten, die im Holzschnitt in einen strukturiert layoutierten Text eingefügt werden; und eben diese gelten – wie eine Buchanzeige des Verlegers der Weltchronik, Anton Koberger, deutlich macht – als besondere, den Verkauf fördernde Attraktion.14 Anschaulichkeit allerdings bedeutet in dieser Zeit noch nicht, dass die Städte individuell konzipiert sind. Weniger als die Hälfte der Darstellungen, nämlich 31 von rund 71 Städten, zeigen Städte wiedererkennbar in ihren Eigenarten.15 Für die anderen werden Stempel einer imaginären Stadt eingesetzt. In solchen Fällen sind es allein die Überschrift und der Begleittext, die die bildliche Darstellung mit einer real existierenden Stadt in Verbindung bringen.

Alle Städtebilder in Schedels Weltchronik indes konzipieren ihren Gegenstand als durch einzelne, hervorragende Gebäude gekennzeichnete dichte Baustruktur in ansteigendem Gelände. Hingegen folgen die Texte keinem spezifischen Raster, erinnern jedoch an ältere Formen der Stadtbeschreibung. Dabei kommt offenbar dem Städtelob eine besondere Rolle zu, das als rhetorische Form der Antike um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert auch in deutschen Landen reaktiviert wurde und sich in Beschreibungen der Lage, Gestalt, Einwohner und Verfasstheit von Städten in wirtschaftlicher, politischer und religiöser Hinsicht niedergeschlagen hat. Zwar setzt die Chronik mit ihrer großen Anzahl an Städten, die vorgestellt und über ein Register erschlossen werden, in vielfacher Hinsicht einen Standard. Der Reichsstadt Landau begegnet man darin jedoch nicht.

Landau in gelehrten Werken des 16. und 17. Jahrhunderts

Landau wird erst seit dem 16. Jahrhundert zum Gegenstand gelehrter Werke, allerdings nicht in allen: Das 1582 in Köln erscheinende, überaus erfolgreiche Werk ,Civitates Orbis Terrarum’ des Kupferstechers Georg Braun und des Klerikers Franz Hogenberg verfolgt zwar dezidiert das Ziel, die vornehmsten großen und kleinen Städte der Welt in Bild und Text vorzustellen.16 Und es führt unter den 546 in Vogelschau präsentierten Städten – neben außereuropäischen, wie zum Beispiel Mexiko-City oder der peruanischen Stadt Cusco – durchaus die Residenz Heidelberg oder auch die Bischofsstädte Speyer und Worms auf, die Landau benachbart sind. Die Reichsstadt selbst befindet sich aber nicht darunter, obschon Braun und Hogenberg auf eine bildliche Darstellung leicht hätten zurückgreifen können. Denn Landau ist in dieser Zeit – nämlich seit 1550 – bereits in einem anderen wichtigen übergreifenden Werk abgebildet, nämlich in der Kosmographie des Sebastian Münster (1488–1552).

Dieses Werk des ungemein vielseitigen Gelehrten befasst sich mit Landau seit seiner ersten Auflage, die 1544 im Basler Verlag Petri erschien.17 Die Reichsstadt wird damit zum Teil einer – wie es im Titel heißt – Beschreibung aller Länder, Völker, Herrschaften, Städte und Flecken der ganzen Welt, vor allem aber der deutschen Lande, einer Weltbeschreibung, die historische, geographische, astronomische, naturwissenschaftliche und landeskundliche Wissensbestände zusammenführt und das christliche Weltbild des Mittelalters modifiziert.18 Mit ihrem visuell ansprechenden Konzept wird Münsters Kosmographie dann auch zum Bestseller unter den enzyklopädischen Werken ihrer Zeit und erfährt bereits im 16. Jahrhundert eine Reihe von Auflagen, die nach dem Tod Sebastian Münsters 1552 bis ins Jahr 1628 immer wieder durch das Basler Verlagshaus Petri herausgebracht wurden. Zugleich wird die Kosmographie 1550 ins Lateinische und zwischen 1552 und 1558 ins Französische, Englische, Tschechische und Italienische übersetzt.19

Gleichermaßen hat die Reichsstadt Landau einen Platz in der ,Topographia Germaniae’, der großangelegten, geographisch-topographischen Länderbeschreibung des Basler und später Frankfurter Kupferstechers und Verlegers Matthäus Merian (1593–1650) sowie des Ulmer Gelehrten Martin Zeiller (1589–1661), der die Texte dazu schrieb. Erstmals zwischen 1642 und 1654 in Frankfurt verlegt, wuchs die ,Topographia’ bis 1688 auf 31 Bände an, die unter anderem eine bis dahin nicht gekannte Fülle an Darstellungen von Städten, vor allem in den deutschen Landen, aber auch darüber hinaus versammeln.20 Merians Großunternehmen, das nach räumlich-politischen Kriterien – vor allem den Reichskreisen Kaiser Maximilians I. – geordnet ist und im Angesicht des Dreißigjährigen Kriegs an die Bedeutung (vielfach zerstörter) Städte erinnert, behandelt Landau in der ,Topographia Alsatiae’ und damit im Rahmen einer Beschreibung von Landen am Oberrhein, die keine politische Entität darstellen. Diese erschien 1644, also ein Jahrhundert nach der ersten Auflage der Kosmographie Sebastian Münsters, in Frankfurt am Main.21

Beide Autoren, sowohl Münster als auch Merian, werben mit den ästhetischen und visuellen Qualitäten ihrer Werke, ganz ähnlich wie Ende des 15. Jahrhunderts bereits die Verleger der Weltchronik Hartmann Schedels.22 In Sebastian Münsters Kosmographie wird schon im Titel hervorgehoben, dass alles „mit figuren und schönen landt taflen“ (also Abbildungen und Karten) erklärt und „für augen“ gestellt würde.23 Aus Münsters Briefen geht zudem hervor, dass er sich Gedanken über die Art und Größe der Städtebilder machte.24 Ähnlich wie Sebastian Münster betont auch Matthäus Merian in seiner Vorrede, dass sein Werk nicht nur Beschreibungen, sondern auch bildliche Darstellungen biete würde.25 Auf welche Weise eben diese beiden Werke dem Leser Städte über Text und Bild vergegenwärtigen, soll nun etwas genauer am Beispiel der Passagen zur Reichsstadt Landau betrachtet werden.

Landau in der Kosmographie des Sebastian Münster

Schon mit einem kurzen Blick auf ihr Layout wird deutlich, wie reflektiert die Kosmographie Sebastian Münsters Wissen erschließt. Sämtliche Ausgaben, beginnend mit der von 1544, sind sehr strukturiert angelegt. Diese Struktur ermöglicht es, das Werk mit selektivem Interesse, in unterschiedlicher Intensität und Schnelligkeit zu lesen. Nach Regionen („Ländern“) angelegt und jeweils vom Allgemeinen ins Spezielle gehend, ist der Text mit verschieden großen Überschriften markant gegliedert und durch kurze Marginalien in der Randzone erschlossen. Karten am Beginn übergreifender Kapitel und Städtebilder neben den Passagen zu den betreffenden Städten ermöglichen eine zweite Ebene der Lektüre, die über den Lauftext hinausgeht. Mit den vielen und recht schnell aufeinander folgenden Auflagen der Kosmographie allerdings werden Wissensbestände und Layout immer wieder angepasst.

Dass die Kosmographie gewissermaßen eine Work in Progress war und stetig an Umfang zunahm, lassen allein die vielzähligen deutschen Ausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts deutlich werden, die allerdings nicht immer vollständig überliefert sind.26 Wesentliche Neuerungen zeichnen sich bereits zwischen der ersten Auflage von 1544 und der Auflage von 1550 ab.27 Diese sind einerseits struktureller Natur. So lässt sich die Stadt Landau jetzt besser finden, denn nunmehr erlaubt es ein Register, das angewachsene Wissen zu Städten, Flecken, Dörfern, Schlössern, Landschaften, Herrschaften, Königreichen, Kaiserreichen, Gewässern, Flüssen, Wäldern und Inseln sowie über die „Historie“ zu erschließen. Andererseits ist der Wissenszuwachs groß, den die Ausgabe von 1550 zusammenträgt. Und dieser betrifft nicht nur bisher unbekannte Erdteile, wie Amerika, sondern auch die Reichstadt Landau.

Landau auf der Liste der Reichsstädte in Sebastian Münsters Kosmographie von 1544 (wie Anm. 17), S. CXCII

Die erste Ausgabe der Kosmographie von 1544 thematisiert Landau bereits in verschiedenen Kontexten. Sie baut die Stadt etwa in das politische System des Reichs ein. So ist es auf der Liste der alten Reichsstädte im Kapitel aufgeführt, das der ständischen Ordnung in deutschen Landen gewidmet ist.28Gleichzeitig enthält die Kosmographie einen kurzen Text zu Landau, eingefügt in das Kapitel, das dem Rheinlauf vom unteren Elsass bis nach Mainz gewidmet ist, welches wiederum Teil des umfangreichen Oberkapitels zu den deutschen Landen darstellt.

Bei der Lektüre der Kosmographie nähert man sich der Stadt sukzessive, als ob eine Reise geplant oder imaginiert wäre und man einem Itinerar folgte, mit dem der Bestimmungsort wie über eine Zoomfunktion anvisiert würde:29Über bildliche Darstellungen und den Text organisiert Sebastian Münster seine Landesbeschreibung so, als reise man rheinabwärts den Städten, Orten und Landschaften entlang. Wie auf einer virtuellen Bildungsreise wird dem Leser ermöglicht, sich zunächst der Region am Rhein und dann einzelnen Stätten zu nähern.

Während die Ausgabe von 1544 die Geschichte des Elsass lediglich beschreibt, so wird dieses – wie andere Regionen – seit der Fassung von 1550 vermehrt visuell konzipiert und durch kartographische Darstellungen vergegenwärtigt. Hier ermöglicht eine Karte, die die Rheinebene zwischen Straßburg und Mainz vor Augen führt, nunmehr eine synchrone Sicht auf die regionalen Verhältnisse.30 Landau ist auf dieser Karte zwischen Bergzabern und Speyer zu sehen. Es ist durch zwei auffallend große Türme charakterisiert und damit markanter ausgezeichnet als die benachbarte Bischofsstadt Speyer, womöglich eine Verwechslung.

Karte „Beschreibung des Rheinstromsz auff der Gallier seyten von dem undern Elsaß biß ghen Mentz“, in Sebastian Münsters Kosmographie von 1550 (wie Anm. 27), S. DLXII

Der Abschnitt zu Landau selbst lässt den Wissenszuwachs zwischen den Auflagen der Kosmographie von 1544 und 1550 noch deutlicher erkennen. In der Ausgabe von1544 ist es lediglich ein knapper, unbebilderter, aber durch die Überschrift hervorgehobener Absatz, der ein Sammelsurium an Kenntnissen über die Reichsstadt Landau präsentiert.31Sebastian Münster ist sich dieser Situation offenbar bewusst, denn er hält am Ende der Passage explizit fest, dass er über die Entstehung der Stadt nichts herausgefunden habe.32 Immerhin warnt er davor, die Stadt Landau zu unterschätzen. Wie Colmar, Schlettstadt, Hagenau, Oppenheim am Rhein und Mühlhausen im Sundgau gelte es zwar nicht als große Stadt, dürfe jedoch wegen seiner tapferen Haltung und starken Befestigung nicht geringgeachtet werden. Landaus Bedeutung wird auch hervorgehoben, wenn Münster eine besondere Verbindung zwischen der Reichsstadt und dem Kaiser Maximilian anführt. Dieser habe eine besondere Vorliebe für Landau gehabt. Wenn Münster die günstige Lage an einem angenehmen („lustigen“) und fruchtbaren Ort als Grund für des Kaisers Vorliebe in Betracht zieht,verwendet er topische Elemente aus der Städtelobliteratur.33

Dieser Absatz zu Landau in der ersten Auflage der Kosmographie von 1544 wird 1550 ausgebaut und verändert sich dann kaum in den nachfolgenden Ausgaben.34 Zwar verschiebt sich das Layout; die Rechtschreibung und einzelne Formulierungen werden angepasst; neue Lettern werden eingefügt und eine arabische Zählweise der Seiten. Die Passagen zu Landau bleiben jedoch inhaltlich im Wesentlichen gleich.

Seit 1550 wird die Reichsstadt viel ausführlicher behandelt. Dieser neue Text spiegelt ein zeitspezifisches Interesse an bestimmten Themen wider und orientiert sich zugleich an traditionellen Formen der Stadtbeschreibung. Der Status von Landau als reichsunmittelbare Stadt ist offenbar wichtig, und gleichzeitig sind es die Anfänge der Stadt. Das Wissen über die Geschichte Landaus ist allerdings auch jetzt noch bruchstückhaft: Landau sei einmal ziemlich klein gewesen sei. Die Dörfer „Yztingen“, „Mülhausen“, „Obernhornheim“ (St. Justin) und ihre Gemarkungen seien dann vom Rat gekauft worden, und in der Stadt aufgegangen.35 Als Verweis auf Landaus Bedeutung als Herrschaftsträger kann man verstehen, dass drei Landau zugehörige Dörfer aufgeführt werden: nämlich (das von König Adolf der Stadt Landau geschenkte) Dammheim, Nußdorf und Queichheim.36

Der Text zu Landau in Sebastian Münsters Kosmographie von 1544 (wie Anm. 17)

Der Text der Kosmographie von 1550 enthält zugleich Hinweise auf Ereignisse, die im Gedächtnis der Stadt offenbar eine besondere Rolle spielten. Wie vielfach in städtischer Historiographie zu beobachten, wird an prekäre Zeiten und zugleich an deren Überwindung, an die Reetablierung der städtischen Ordnung, erinnert. Mit einem allerdings falschen Datum verbunden, wird etwa berichtet, dass Landau 1308 (eigentlich 1324)37 durch Ludwig den Bayern dem Bischof und Stift von Speyer verpfändet worden sei, aber auch daran erinnert, dass diese Verpfändung 1511 durch Kaiser Maximilian zusammen mit Rat und Gemeinde vor Ort rückgängig gemacht und Landau wieder unter die Reichsstädte der Landvogtei Hagenau eingereiht worden sei.38

Landau, Text zu Landau und Titulatur zur Stadtdarstellung in Sebastian Münsters Kosmographie von 1550 (wie Anm. 27)

Die Passagen zur Lage und zum baulichen Erscheinungsbild von Landau sind geprägt durch Versatzstücke aus der Städtelobliteratur. Die durchaus angenehme Lage der Stadt im Wasgau und das Umland mit seinen fruchtbaren Äckern, Wiesen, Weingärten werden angesprochen, aber auch ihr wirtschaftliches Potential, Ackerbau und Viehzucht sowie der erfolgreiche Anbau von Wein, der bis nach Schwaben und Bayern verkauft würde. Von besonderem Interesse sind zugleich die bauliche Genese und die Bevölkerungsentwicklung der Stadt und umliegender Orte, vor allem aber Landaus Befestigung mit ihren Mauern, Türmen, Bollwerken und Wassergräben sowie mit der Queich.

Der gute Zustand von Landau wird damit erklärt, dass sich die Stadt immer freundlich gegenüber ihren Nachbarn verhalten habe und deshalb nie in größere Kriege einbezogen worden sei und besonderen Schaden genommen habe. Diese Feststellung wird gleich verbunden mit einem frommen Wunsch für die Zukunft, der unmittelbar aus der Quelle Münsters für das Wissen über die Stadt übernommen sein könnte: Es sei Gott zu danken, der die Stadt auch weiterhin in friedlichem Zustand erhalten möge.

Landau, Stadtdarstellung in Sebastian Münsters Kosmographie von 1550 (wie Anm. 27)

Die in den Text zur Geschichte und Gegenwart der Stadt eingebundene bildliche Darstellung von Landau in der Ausgabe der Kosmographie von 1550 basiert wahrscheinlich auf einer Zeichnung, die allerdings nicht im Original erhalten geblieben ist,39 sondern lediglich bearbeitet und transformiert durch den Holzschnitt in Münsters Werk. Eingefügt in den Text der Kosmographie ermöglicht dieses Stadtbild ein besonderes Leseerlebnis. Es wird nämlich mit einer prächtig gestalteten Überschrift vorbereitet und eröffnet sich dann mit dem Umschlagen einer Seite.40 Wie andere Stadtdarstellungen der Kosmographie offenbar mit Bedacht auf zwei Seiten angelegt,41 wird nun eine große und differenzierte Ansicht präsentiert, die – wie um diese Zeit üblich – reklamiert, eine aktuelle und wahrhaftige Wiedergabe der Reichsstadt Landau zu sein. Zugleich ermöglicht das Stadtbild, Angaben im Text nachzuvollziehen und zu verorten. Es wird Einblick in eine größere, befestigte Stadt gegeben, die durch Wappendarstellungen mit Doppel- und Reichsadler deutlich als Reichsstadt qualifiziert ist und die inmitten eines Umlands liegt, das gestaltet, landwirtschaftlich geprägt und mit einigen wenigen, Gewerbe und Handel andeutenden Personen bestückt ist.Die Stadt Landau selbst ist als durch eine starke Befestigung gefasster Raum auf ansteigendem Gelände konzipiert. Ganz in der Tradition älterer Stadtdarstellungen wird damit ein Verfahren angewandt, das es erlaubt, die Stadt in ihrer Gesamtheit und zugleich als dichte, gestaffelte Struktur von Bauten vor Augen zu führen, aus der wiederum einige markante Gebäude herausragen. Im Falle Landaus sind dies vor allem die Stiftskirche mit ihrem prominenten Turm (heute evangelische Stadtkirche) und die Augustinerkirche (heute Pfarrkirche Heilig Kreuz).

Mit der Ausgabe der Kosmographie von 1550 erfährt der Leser auch mehr über das Funktionieren der Beschaffung von Wissen, das offensichtlich nicht nur auf allfälligen persönlichen Erfahrungen und dem Buchwissen der Autoren basierte, sondern zu einem wesentlichen Teil auch über ein Netzwerk an Kontakten generiert wurde.42 Die aufwändig gestaltete Titulatur zum Stadtbild verweist hier darauf, dass Münster schriftliche Unterlagen und die „Pictur“ für die Passage zu Landau in seiner Kosmographie direkt aus der Reichsstadt bezog. Sie nennt als Informanten vor Ort den Landauer Rat und darüber hinaus einen historisch interessierten Gewährsmann, Heinrich Pfefferkorn, Dechant am Stift zu Landau.43 Gleichermassen dokumentiert Sebastian Münsters umfangreicher Briefwechsel, dass er sein Wissen nicht nur über Kontakte zu anderen Gelehrten – darunter Beatus Rhenanus, Aegidius Tschudi, Joachim Vadian, Bonifaz Amerbach, Heinrich Bullinger, Konrad Pellikan und Johannes Stumpf – erweiterte, sondern auch über den Kontakt mit Stadtregierungen.44 So schreibt Münster im Mai 1547 an den ihm besonders vertrauten Zürcher Gelehrten Konrad Pellikan unter anderem, dass er mit einer Neuauflage der Kosmographie beschäftigt sei und neben vielen anderen Vertretern von Städten, auch die Landauer, auf seine Bitte hin, ein Bild ihrer Stadt zur Verfügung gestellt hätten.45

Landau in Merians ,Topographia Alsatiae’

Bei der Wissensbeschaffung steht Matthäus Merians Projekt der ,Topographia’ offenbar grundsätzlich vor vergleichbaren Problemen wie die hundert Jahre zuvor erstmals erschienene Kosmographie Sebastian Münsters. Auch hier wird die Abhängigkeit von Gewährsleuten betont, die – sei es mündlich oder schriftlich – Auskunft über örtliche Verhältnisse erteilen. Merian wendet sich in seiner Vorrede direkt an die Leserschaft und bittet um allfällige Korrekturen – und vor allem um bildliche Darstellungen, das wesentliche Alleinstellungsmerkmal seines großen Werks.46

Auch bei der Organisation von Wissen in seiner ,Topographia Alsatiae’ verfährt Merian ähnlich wie die Kosmographie Sebastian Münster, denn er gliedert den Stoff durch ein sorgfältiges Layout augenfällig und erschließt ihn durch ein Register.47 Ebenso werden hier kartographische Darstellungen genutzt, um einen visuellen, synchronen Eindruck von Räumen mit Texten zur Geschichte und zu den Eigenarten von Städten eng zu führen. Hier sind es Karten zum unteren Elsass und zur Landvogtei Elsass mit Sundgau und Breisgau.Diese erlauben es, die Region als Ganzes zu erfassen. Als Elemente, die aufklappbar sind, ermöglichen sie dem Leser darüber hinaus – jedenfalls bis zu einem gewissen Grad – die Dimensionen des Raumes besser zu erfahren. Landau erscheint auf beiden Karten als Signatur jeweils in der äußersten Ecke rechts unten.

Beschreibung des unteren Elsass in Matthias Merians ,Topographia Alsatiae’ von 1644 (wie Anm 21)

Bei der Ordnung des Wissens über Städte allerdings setzt Merians Topographie systematischere Akzente als Münsters Kosmographie. Diese nämlich führt die ‚vornehmsten Orte des Elsass‘ alphabetisch, also in einer lexikalischen Ordnung auf – beginnend mit Altkirch im Sundgau und endend mit Zellenberg (bei Riquewihr/Reichenweiher) am Oberrhein. Merian setzt sich mit dieser neuen Systematik explizit vom Vorgehen Sebastian Münsters ab, das er für willkürlich hält und – etwas abschätzig – mit dem Weg eines Wandersmanns in Verbindung bringt.48

Gleichzeitig gibt sich der Kommentar zu den Städten in der ,Topographia’ – anders als noch in der Kosmographie – wissenschaftlicher. So wird hier explizit benutzte Literatur zitiert. Das Wissen zur Reichsstadt Landau habe man bezogen „auß schrifftlichen Verzeichnussen“(die allerdings nicht weiter spezifiziert werden),„zum Theil auch auß Munstero“, also Sebastian Münsters Kosmographie,und aus der ,Speyrische(n) Chronick‘ von Christoph Lehmann,der Stadtschreiber von Speyer war.49 Aus der Kosmographie Sebastian Münsters übernimmt die ,Topographia’ offensichtlichdie Bemerkungen zur Lage der Stadt und zur Fruchtbarkeit ihres Umlands, zu den früh in die Stadt inkorporierten Dörfern, zur Stadtbefestigung und den drei der Stadt zugehörigen Dörfern, zur Verpfändung der Stadt an Bischof und Hochstift Speyer und zu ihrer Wiederauslösung. Diese Passagen werden allerdings nicht im Wortlaut zitiert, sondern weiterverarbeitet.

Elsässische Orte in Matthias Merians ,Topographia Alsatiae’ von 1644 (wie Anm. 21)

Andere Verweise auf verwendete Literatur führen indes kaum weiter. Dies gilt beispielsweise für die angeführte Chronik Christoph Lehmanns. Diese nämlich führt im angegebenen 4. Buch, Kapitel 9, nicht etwa die Geschichte Landaus aus, sondern zitiert ihrerseits Sebastian Münster und dies auch noch in verkürzter Form.50 Hingegen ist wahrscheinlich, dass die Reichsmatrikel und ihre Angaben zur Reichstandschaft, zur Steuer- und Truppenleistung Reichsunmittelbarer für den Kommentar in der ,Topographia’ herangezogen wurden. Darauf deutet jedenfalls die Passage hin, in der beschrieben wird, welche Pflichten die der Landvogtei Hagenau zugehörige Stadt Landau gegenüber dem Reich zu erfüllen habe.

Der Text zu Landau in Merians Topographie lässt ein Interesse an der Herleitung des Stadtnamens und an den städtischen Anfängen erkennen, das bereits die ältere städtische Historiographie prägt.51 Allerdings war den Autoren der Topographie gerade dieses Wissen über die Stadt nicht ganz geheuer. So wird es lediglich für wahrscheinlich gehalten, dass der Name Landau mit der Auenlandschaft verbunden sei, die dem bewaldeten Gebirge des Wasgaus vorgelagert ist. Zwar wird nicht wirklich daran gezweifelt, dass Landau – zusammen mit dem Speyer- und dem Wormsgau – vor 700 Jahren unter die Herrschaft des Herzogs in Franken gelangte und dann ans Reich kam. Als ungesicherte Meinung wird indes die Ansicht bewertet, dass die Stadt durch Attila zerstört worden und danach vom alemannischen Herzog Landfried um das Jahr 750 erbaut worden sei.

Gleichzeitig führt die ,Topographia’ Wissen an, das aktueller und damit offensichtlich gesicherter ist, etwa wenn die gute wirtschaftliche Lage Landaus als regionales Marktzentrum vor dem „Landverderblichen Krieg“ – dem Dreißigjährigen Krieg – geschildert wird. 350 Flecken und Dörfer im Umkreis der Stadt hätten deren Wochen- und Jahrmärkte besucht. Erwähnt werden auch Ereignisse, die im Rahmen dieses Kriegs „noch newlich“ stattgefunden hätten, so zum Beispiel die Einnahme Landaus von den „Schwedisch-Weymarischen“, also von der königlich schwedischen und fürstlich weimarschen Armee, und danach von den „Keyserischen“im August 1639. Als wert, berichtet zu werden, gelten auch die Momente des Kontakts zwischen den Städten Landau und Speyer, so die auf 1308 datierte Verpfändung Landaus an Speyer oder das Bündnis von 1388 im Kontext des Städtekriegs, einer Konfrontation von Schwäbischem Städtebund und bayerischen Herzögen (1387–1389). Und auch die ,Topographia’ stellt die besondere Beziehung Landaus zu einem wichtigen Herrschaftsträger her. War es in der Kosmographie hundert Jahre zuvor Kaiser Maximilian, so ist es hier Kaiser Karl V. Dieser sei 1552 von Hagenau nach Landau gezogen, welches ihm so gut gefallen habe, dass er – zu allseitigem Erstaunen – sechzehn Tage bei sehr schönem Wetter dort geblieben sei.

Wie Sebastian Münster präsentiert auch Merian eine Gesamtsicht von Landau, des Schauplatzes all dieser Ereignisse, die allerdings eigenständiger und weit weniger in den Text integriert ist. Die Stadtansicht ist in der ,Topographia‘ lediglich nah beim entsprechenden Kommentar zur Stadt in den Buchblock eingebunden, offenbar jedoch in den verschiedenen Ausgaben nicht immer in derselben Weise und an derselben Stelle. In der Fassung der ,Topographia Alsatiae’, die sich in der Zürcher Zentralbibliothek befindet,52 ist die Darstellung von Landau zusammengeklebt mit derjenigen des aargauischen Laufenburg am Hochrhein. In diesem Fall jedenfalls vermittelt das Bild einen Gesamteindruck von der Reichsstadt bevor diese dann im Text beschrieben wird.

Dass die Darstellung der Reichsstadt Landauganz offensichtlich dem allgemeinen ästhetischen Standard der Städtebilder in Merians topographischem Gesamtwerk angepasst wurde, lässt der Vergleich mit anderen Stadtbildern rasch deutlich werden.53 Klar ist aber ebenso, dass Merian ganz offensichtlich den Holzschnitt in Münsters Kosmographie weiterbearbeitet, ihn im wahrsten Sinn des Wortes abgekupfert hat. Dabei wird die Darstellung bei Merian nicht erkennbar aktualisiert, sondern sie übernimmt den Stadtzustand von vor circa hundert Jahren, friert ihn also gewissermaßen ein. Zwar bleiben Perspektive und Konzeption der Stadtdarstellung grundsätzlich bestehen. Doch erscheint der Blickwinkel der Abbildung nun einheitlicher. Damit ist die Dynamik, die Sebastian Münsters Darstellung prägt, entschleunigt. Zugleich ermöglicht das nunmehr populäre Tiefdruckverfahren des Kupferstichs eine schärfere Abbildung der städtischen Verhältnisse. Landau erscheint geordneter, abstrakter, exakter: Nicht nur wirken die vor die Kegelberge des Wasgaus platzierten Kulturlandschaften im Bildhintergrund ordentlicher, sondern auch die Stadt selbst und der mit einigen arbeitenden Figuren bestückte Vordergrund scheinen wie aufgeräumt. Damit treten einzelne, schon bei Sebastian Münster betonte Elemente noch klarer hervor, so insbesondere die Stadtbefestigung mit ihren Türmen und Toren wie auch einzelne, vor allem kirchliche Gebäude und das alte Kaufhaus mit seinem Treppengiebel.

Bedeutung, Historizität und Gestalt der Stadt

Wie die Beobachtungen zu Landau gezeigt haben, ermöglichen gedruckte Städtebücher des 16. und 17. Jahrhunderts besondere Begegnungen mit der Stadt. Sie richten sich an eine breite Leserschaft und konfrontieren diese mit einer Sicht von Urbanität, die wissenschaftliche Glaubhaftigkeit reklamiert, die hoch reflektiert angelegt ist und sich an älteren Formen der Stadtbeschreibung orientiert. Erzeugt wird eine Vorstellung, die Bedeutung, Historizität und Gestalt der Stadt verbindet, also geschichtliche und räumliche Dimensionen zusammenführt. Dieses Verfahren, das komplexe Phänomen Stadt erfassbar zu machen, ist zwar bereits im Mittelalter zu beobachten, wird aber nun systematisch verfolgt und durch den Druck breiteren gesellschaftlichen Kreisen verfügbar gemacht. Gleichzeitig zeugen gelehrte Werke – wie diejenigen von Münster und Merian – davon, dass humanistische Gelehrte über eine lange, ins Mittelalter zurückreichende Tradition verfügen konnten, Wissen zu organisieren und sinnfällig zu präsentieren. Durch ein ausgeklügeltes, anschauliches Layout und das Wechselspiel von linear konzipiertem Text und synchron funktionierenden kartographischen und bildlichen Darstellungen werden dem Leser verschiedene, in jedem Fall abwechslungsreiche Möglichkeiten der Lektüre geboten.

Obschon jeweils grundsätzlich vom Allgemeinen ins Spezielle angelegt und geprägt durch eine politisch-geographische Ordnung, führen die Werke von Münster und Merian jedoch in unterschiedlicher Weise an die Reichsstadt Landau heran. Sebastian Münsters Kosmographie erlaubt dem Leser eine Art virtuelle Reise durch das Elsass dem Rhein entlang Richtung Landau und – mit einer detaillierten bildlichen Darstellung ab der Auflage von 1550 – erstmals die Gestalt der Reichsstadt zu erfahren. Hingegen wird Landau in Merians Topographie in eine Ordnung eingefügt, die für das Gesamtwerk maßgeblich ist. Diese ist deutlicher bestimmt durch die politische Gliederung des Reiches, durch eine lexikalische Annäherung an dessen Städtewesen und durch eine Konzeption von Stadtansichten, die frühere Darstellungen der Verhältnisse vor Ort vereinheitlicht und Städte als geordnete, bauliche Entitäten präsentiert.

1 Vgl. allein für den deutschsprachigen Raum z. B.: Hartmut Kugler, Die Vorstellung der Stadt in der Literatur des deutschen Mittelalters, München 1986 (Münchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 88); Wolfgang Behringer/Bernd Roeck (Hgg.), Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400–1800, München 1999; Roman Czaja (Hg.), Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt und der städtischen Gesellschaft im Hanseraum im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Torún 2004; Ferdinand Opll (Hg.), Bild und Wahrnehmung der Stadt, Linz 2004 (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 19); Bernd Roeck (Hg.), Stadtbilder der Neuzeit, Ostfildern 2006 (Stadt in der Geschichte 32); Peter Johanek (Hg.), Bild und Wahrnehmung der Stadt, Köln 2012 (Städteforschung A 63); Bernd Roeck/Martina Stercken/Francois Walter/Marco Jorio/Thomas Manetsch (Hgg.), Schweizer Städtebilder. Urbane Ikonographien (15.–20. Jahrhundert), Zürich 2013; Martina Stercken, Representations of the City (Chapter 18), in: Patrick Lantscher/Marten Prak (Hgg.), Cambridge Urban History of Europe, Bd. 2, Cambridge (im Druck).

2 Vgl. z. B. das internationale Projekt der historischen Städteatlanten: https://www.ria.ie/research-projects/irish-historic-towns-atlas/european-project.

3 Z. B. Kevin Lynch, The Image of the City, Cambridge/Massachusetts 1960; Michael Schmitt/Jochen Luckhardt, Realität und Abbild in Stadtdarstellungen des 16. bis 19. Jahrhunderts. Untersuchungen am Beispiel Lippstadt, Münster 1982 (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 31); Bernd Roeck, Stadtdarstellungen der frühen Neuzeit. Realität und Abbildung, in: Roeck, Stadtbilder der Neuzeit (wie Anm. 1), S. 19–40; Richard L. Kagan, Urban images of the Hispanic world (1493–1793), New Haven/London, 2000; Martina Stercken, Medial Experiments. Exploring Cultural Practices in Premodernity, in: Medialität. Historische Perspektiven 2 (2015), S. 10–19; Jelle De Rock, From Generic Image to Individualized Portrait.The Pictorial City View in the Sixteenth-Century Low Countries, in: Ethan M. Kavaler/Anne-Laure Van Bruaene (Hgg.), Netherlandish Culture of the Sixteenth Century. Urban Perspectives, Turnhout 2017 (Studies in European Urban History 41).

4 Thomas Besing, Produktion und Publikum. Aspekte der Herstellung, Verbreitung und Rezeption frühneuzeitlicher Stadtdarstellungen, in: Behringer/Roeck, Bild (wie Anm. 1), S. 94–100; Kagan, Urban images (wie Anm. 3); Denis Cosgrove, Carto-City, in: Denis Cosgrove, Geography and Vision. Seeing, Imagining and Representing the World, London 2012, S. 169–182.

5 Vgl. Bernd Roeck, Stadtkunstwerke, in: Behringer/Roeck, Bild (wie Anm. 1), S. 15–25; Bernd Roeck, Zur Genese und Theorie des neuzeitlichen Stadtbildes, in: Roeck/Stercken u. a, Schweizer Städtebilder (wie Anm. 1), S. 17–36.

6 Besing, Produktion (wie Anm. 4), S. 95; Hillary Ballon/David Friedman, Portraying the City in Early Modern Europe. Measurement, Representation, and Planning, in: David Woodward (Hg.), The History of Cartography, Chicago 2007, Bd. 3,1, S. 680–704; vgl. allgemein: Robert Karrow, Centers of Map Publishing in Europe 1472–1600, in: ebenda, S. 611–621; David McKitterick, Print, Manuscript and the Search for Order 1450–1830, Cambridge 2003; Cornelis Koeman/Günter Schilder/Marco van Egmond/Peter van der Krogt, Commercial Cartography and Map Production in the Low Countries, 1500–ca.1672, in: David Woodward (Hg.), The History of Cartography, Chicago 2007, Bd. 3,2, Chicago 2007, S. 1296–1383.

7 Vgl. etwa Erich Kleinschmidt, Textstädte. Stadtbeschreibung im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Behringer/Roeck, Bild (wie Anm. 1), S. 73–80; Stercken, Medial Experiments (wie Anm. 3); Martina Stercken, Schriftbilder der Stadt, in: Roeck/Stercken u. a., Schweizer Städtebilder (wie Anm. 1), S. 85–95; Martina Stercken, Städte im Kartenbild. Kartographische Vermittlung politischer Verhältnisse, in: Gerhard Fouquet/Jan Hirschbiegel/Sven Rabeler (Hgg.), Residenzstädte der Vormoderne. Umrisse eines europäischen Phänomens, Ostfildern 2016, S. 469–488 (Residenzenforschung NF Stadt und Hof 2).

8 Ulrich Meier, Mensch und Bürger. Die Stadt im Denken spätmittelalterlichen Theologien, Philosophen und Juristen, München 1994; Peter Johanek, Die Mauer und die Heiligen. Stadtvorstellungen im Mittelalter, in: Behringer/Roeck, Bild (wie Anm. 1), S. 26–38; Kugler, Vorstellung (wie Anm. 1); Wilfried Ehbrecht, Jerusalem. Vorbild und Ziel mittelalterlicher Stadtgesellschaft, in: Thomas Schilp/Barbara Welzel (Hgg.), Dortmund und Konrad von Soest im spätmittelalterlichen Europa, Bielefeld 2004, S. 73–100; Martina Stercken, Stadtvorstellungen im hohen Mittelalter, in: Sebastian Brather/Jürgen Dendorfer (Hgg.), Neue Rahmungen. Die Anfänge Freiburgs im europäischen Kontext. Archäologische und historische Perspektiven, Freiburg (im Druck).

9 Vgl. Meier, Mensch und Bürger (wie Anm. 8); Kugler, Vorstellung (wie Anm. 1); Hans-Joachim Schmidt, Unordnung und Ordnung in der mittelalterlichen Stadt, in: Hans-Joachim Schmidt (Hg.), Stadtgründung und Stadtplanung. Freiburg–Fribourg während des Mittelalters, Berlin 2010, S. 7–34 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 33).

10 Vgl. die Literatur unter Anm. 1 und 8.

11 Vgl. dazu vor allem Johanek, Mauer (wie Anm. 8); Kugler, Vorstellung (wie Anm. 1); Wolfgang Behringer, Die großen Städtebücher und ihre Voraussetzungen, in: Behringer/Roeck, Das Bild (wie Anm. 1), S. 81–93; vgl. zur Thematisierung der Stadt um 1500 auch Carla Meyer, Die Stadt als Thema. Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500, Ostfildern 2009 (Mittelalter-Forschungen 26).

12 Vgl. Karrow, Centers (wie Anm. 6); McKitterick, Print (wie Anm. 6); Koeman/Schilder/van Egmond/van der Krogt, Cartography (wie Anm. 6).

13 Dazu: Stephan Füssel, Hartmann Schedel. Das Buch der Chroniken. Kolorierte und kommentierte Gesamtausgabe der Weltchronik von 1493. Nach dem Original der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Köln 2013.

14 Füssel, Hartmann Schedel (wie Anm. 13), Begleitheft S. 9, Abb. 3; vgl. auch Behringer, Städtebücher (wie Anm. 11), S. 82.

15 Füssel, Hartmann Schedel (wie Anm. 13), Begleitheft S. 30.

16 Georg Braun/Franz Hogenberg, Städte der Welt. Civitates Orbis Terrarum. Gesamtausgabe der kolorierten Tafeln, hg. von Stephan Füssel, Köln 2008, vgl. die Vorrede; dazu auch Behringer, Städtebücher (wie Anm. 11), S. 84f.

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