"Bekenntnisse über Wagner" - Thomas Manns essayistische Beschäftigung mit Richard Wagner - Matthias Mader - E-Book

"Bekenntnisse über Wagner" - Thomas Manns essayistische Beschäftigung mit Richard Wagner E-Book

Matthias Mader

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Deutsches Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: ”Zu keiner Zeit aber [. . . ] wäre mein Bekenntnis über Wagner eigentlich ein Bekenntnis zu Wagner gewesen.“ Dieses Zitat zeigt schon die bestimmmenden Konstanten in Thomas Manns Verhältnis zu Richard Wagner. ”Wagner war für Thomas Mann [. . .] ständig präsent“, sowohl im Leben als auch im Werk, aber zugleich war auch wohl kein anderer Künstler für ihn so ambivalent. Ob es also der ”mythische Glanz von Wagners Epen“, die psychologische Ausgestaltung der Figuren oder die rauschhafte Versenkung in der Musik ist – fest steht die Einzigartigkeit Wagners für Thomas Mann: ”Keine andere Künstlergestalt [. . .] erlangte eine derart zentrale Bedeutung.“ Und dass diese zentrale Stellung im Leben des Menschen und Schriftstellers Thomas Mann gerade ein Musiker ist (übrigens der einzige Künstler neben den beiden Philosophen des ”Dreigestirns“ in den "Betrachtungen"), ist kein Zufall, denn ”das leidenschaftliche, unbeirrbare, existentielle 'Interesse' für Musik“ durchzieht Manns gesamtes Leben, mehr noch als das Interesse an der Literatur. In der Beschäftigung mit den großen Vorbildern ”entwerfen die Studien zu Schopenhauer, Nietzsche und Wagner im Gestus der Kritik bereits eine geistige Identität des Essayisten“. Genau aus diesem Grund sind auch die Äußerungen zu Wagner, die offen und versteckt die Ähnlichkeiten und Identifikation zeigen, von besonderem Interesse. In dieser Arbeit soll dem Wagner–Bild Thomas Manns, wie es sich in seinen Essays zeigt, nachgegangen werden. Es geht also nur um einen ”Seitenzweig“ des künstlerischen Werkes, die ”eigentlichen“ Kunstwerke, d.h. die Erzählungen und Romane bleiben dabei außen vor. Es geht aber auch nicht darum, die Mannschen Analysen musikwissenschaftlich und kulturgeschichtlich zu "überprüfen" und ihm seine Fehler vorzuhalten, sondern in erster Linie darum, die in den Essays sich zeigende enge geistige Verwandtschaft dieser beiden KÜnstler darzustellen.

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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3.1 Das Gesamtkunstwerk
3.2 Wagner als Vorbild
4.1 Wagner und das 19. Jahrhundert
4.2 Kunst und Gesellschaft
4.3 Kunst und Politik
5 Schluss

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1 Einleitung

Zu keiner Zeit aber [. . . ] w¨ are mein Bekenntnis ¨ uber Wagner eigentlich ein Bekenntnis zu

Wagner gewesen.“ (E I, 151; vgl. auch GW X, 840f.)1Dieses Zitat zeigt schon die bestim-

menden Konstanten in Thomas Manns Verh¨ altnis zu Richard Wagner. ” Wagner war f¨ ur

Thomas Mann [. . . ] st¨ andig pr¨ asent“,2sowohl im Leben als auch im Werk, aber zugleich war

auch wohl kein anderer K¨ unstler f¨ ur ihn so ambivalent. Ob es also der ” mythische Glanz

von Wagners Epen“,3die psychologische Ausgestaltung der Figuren oder die rauschhafte

Versenkung in der Musik ist - fest steht die Einzigartigkeit Wagners f¨ ur Thomas Mann: Keine andere K¨ unstlergestalt [. . . ] erlangte eine derart zentrale Bedeutung.“4Und dass

diese zentrale Stellung im Leben des Menschen und Schriftstellers Thomas Mann gerade ein

Musiker ist (¨ ubrigens der einzige K¨ unstler neben den beiden Philosophen des ” in den ” Betrachtungen), ist kein Zufall, denn ” das leidenschaftliche, unbeirrbare, existentielle

Interessef¨ur Musik“5durchzieht Manns gesamtes Leben, mehr noch als das Interesse an

der Literatur. In der Besch¨ aftigung mit den großen Vorbildern ” entwerfen die Studien zu

Schopenhauer, Nietzsche und Wagner im Gestus der Kritik bereits eine geistige Identit¨ at des Essayisten“.6Genau aus diesem Grund sind auch die ¨ Außerungen zu Wagner, die offen

Ahnlichkeiten und Identifikation zeigen,7von besonderem Interesse. und versteckt die ¨

In dieser Arbeit soll dem Wagner-Bild Thomas Manns, wie es sich in seinen Essays

zeigt, nachgegangen werden. Es geht also nur um einen ” Werkes, die ” eigentlichen“ Kunstwerke, d.h. die Erz¨ ahlungen und Romane bleiben dabei außen vor.8Es geht aber auch nicht darum, die Mannschen Analysen musikwissenschaftlich

1Die Essays Thomas Manns werden zitiert nach Thomas Mann: Essays. Nach den Erstdrucken, textkritisch durchgesehen, kommentiert und herausgegeben von Hermann Kurzke und Stephan Stachorski. 6 B¨ ande. Frankfurt/Main: Fischer 1993ff. mit der Sigle (E Band, Seite) und nach Thomas Mann: Gesammelte Werke. 13 B¨ ande. 2. Auflage. Frankfurt/Main: Fischer 1974 mit der Sigle (GW Band, Seite). Die ” Betrachtungen eines Unpolitischen“ werden mit der Sigele (B Seite) zitiert nach Thomas Mann: Betrachtungen eines Unpolitischen. Mit einem Vorwort von Hanno Helbling. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch 2001.

2Hans Rudolf Vaget: Im Schatten Wagners. Thomas Mann ¨ uber Richard Wagner. Texte und Zeugnisse 1895 - 1955. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch 1999, S. 304.

3Hans Wysling: Kap. ” Mythus und Psychologie“ bei Thomas Mann. In: Thomas-Mann-Studien. Band 3:

Dokumente und Untersuchungen. Beitr¨ age zur Thomas-Mann-Forschung. Bern, M¨ unchen: Francke 1974, S. 171.

4Vaget: Im Schatten Wagners, S. 304.

5Klaus Kropfinger: Thomas Manns Musik-Kennntnisse. In: Eckhard Heftrich und Thomas Sprecher (Hrsg.): Thomas Mann Jahrbuch. Band 8. Frankfurt/Main: Klostermann 1995, S. 242.

6Rolf G¨ unter Renner: Literar¨ asthetische, kulturkritische und autobiographische Essayistik. In: Helmut Kopmann (Hrsg.): Thomas-Mann-Handbuch. Stuttgart: Kr¨ oner 1990, S. 629.

7Vgl. zur Identifikation Renner: Literar¨ asthetische, kulturkritische und autobiographische Essayistik, S. 651.

8Zum Fr¨ uhwerk mit seinen vielf¨ altigen Beziehung zu und auf Wagner gibt es ebenso vielf¨ altige Untersuchungen; ein ¨ Uberblick gibt z.B. Dieter Borchmeyer: Das Theater Richard Wagners. Idee - Dichtung -Wirkung. Stuttgart: Reclam 1982, S. 316 - 334.

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und kulturgeschichtlich zu ” uberpr¨ ufen“ und ihm seine Fehler vorzuhalten, sondern in erster ¨

Linie darum, die in den Essays sich zeigende enge geistige Verwandtschaft dieser beiden K¨ unstler darzustellen.

2 ¨ Uberblick: Die essayistischen Werke zu Wagner

Zur Betrachtung des Wagner-Bildes Thomas Manns werden nur die ver¨ offentlichten Essays und mit einige Briefstellen herangezogen. Sowohl das Essayprojekt ” Geist und Kunst“ als

auch die Tageb¨ ucher bleiben dabei unbeachtet, genauso das dichterische Werk. Im einzelnen wurden folgende Essays herangezogen: [Der franz¨ osische Einfluss] (1904), Versuch ¨ uber das Theater (1907), ¨ Uber die Kunst Richard Wagners (1911), Betrachtungen eines Unpolitischen (1918)(Ausz¨ uge), Kosmopolitismus (1925), Wie stehen wir heute zu Richard Wagner? (1927), Ibsen und Wagner (1928), Leiden und Gr¨ oße Richard Wagners (1933), Richard Wagner und der ” Ring der Nibelungen“ (1937), Zu Wagners Verteidigung (1939), Richard Wagner und kein Ende (1949), Briefe Richard Wagners (1951), Meistersinger (1951). Schon aus der Aufz¨ ahlung erkennt man die lebenslange und auch ¨ uber alle Phasen des Lebens (mit

Ausnahme der eigentlichen Jugend) verteilte Besch¨ aftigung mit Wagner, mitunter auch in unvermuteten Zusammenh¨ angen, etwa unter dem Stichwort ” Theater“ oder ” Kosmopolitismus“.

Sie sind alle (mit Ausnahme der Abschnitte der ” Betrachtungen“, die Wagner betreffen)

auf einen bestimmten Anlass hin geschrieben worden, meist als Antwort auf Umfragen von Zeitschriften oder als Vortr¨ age konzipiert worden. Diese Anl¨ asse sind aber kein Ort der Verg¨ otterung Wagners, sondern der Rahmen einer kritischen Rezeption, die allerdings nicht selbst an die ¨ Offentlichkeit dr¨ angt. In Einzelf¨ allen ist auch die R¨ ucksichtnahme des Essayisten auf den Anlass der ¨ Außerung ¨ uber Wagner zu beachten. So vertraut Mann etwa 1937 im Vorfeld der Abfassung des Vortrages ¨ uber den ” Ring“ seinem Tagebuch an: ” Wie kommt

es, daß auch ich noch Piet¨ at halten muß? Auch wieder aus Zartheit und Dankbarkeit.“9Als

Gegenbeispiel dazu darf der wenige Jahre vorher gehaltene Vortrag von 1933 gesehen werden, der bekanntermaßen heftige Abwehr und Protest hervorruft und damit den unmittelbaren Anlass zur Emigration Thomas Manns abgab.10Im allgemeinen k¨ onnen die ver¨ offentlichten

Texte dabei durchaus als authentische gesehen werden, ohne dass etwaige R¨ ucksichten auf aktuelle Anl¨ asse zu v¨ ollig anderen Auffassungen f¨ uhrten als sie Thomas Mann eigentlich zu eigen waren.

Inhaltlich zeichnt sich die lebenslange Auseinanderseztung Manns mit Wagner zun¨ achst

9Tagebuch vom 05.11.1937 (Vaget: Im Schatten Wagners, S. 150.

10Eine kurze Zusammenfassung der Proteste bei Vaget: Im Schatten Wagners, S. 326ff.

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durch die Ablehnung der ” Wagneroffiziellen Werke“ (E IV, 46; vgl. GW X, 792) sowie das

weit gehende Ignorieren der Sekund¨ arliteratur zu Wagner aus. Dadurch kommt es - sieht man von dem vor allem zu Beginn beinahe ¨ uberm¨ achtigen Einfluss Nietzsches und seiner sonderbare[n] Janusgesichtigkeit“11ab - zu einer eigenst¨ andigen Wagner-Kritik in ihrer ”

Entwicklung der Gedanken und Wagner-Bilder. Vor allem aber f¨ uhrt dies zu einer Ablehnung der Bayreuther Wagner-Verherrlichung und ihrer Folgen.12Nietzsche ist sicherlich der

wichtigste Einfluss auf Thomas Mann bez¨ uglich Wagner, doch kann von ” einer naiven Nachfolge“13nicht gesprochen werden: In vielen Details weicht Mann von seinem Vorg¨ anger und

Vorbild ab, und auch wo sie der selben Meinung sind, unternimmt Thomas Mann in der Regel eine eigene, unabh¨ angige Begr¨ undung. ” Nietzsche spielte also f¨ ur Thomas Mann nicht die Rolle des Lehrers, sonder nur die des Vermittlers“.14

Echte ” Phasen“ innerhalb dieser umfangreichen ” Auseinandersetzung mit Wagner“ (so

hieß der Essay von 1911 bei der Erstver¨ offentlichung) lassen sich kaum feststellen: Zwar gibt es durchaus Unterschiede, verschiedene Gewichtungen, andere Blickwinkel, doch ¨ andern diese sich selten pl¨ otzlich, es gibt keine wirklichen Trennungslinien oder gar Br¨ uche. Etwas l¨ asst sich aber dennoch sagen. Zum Beispiel dominiert in den fr¨ uhen Arbeiten ¨ uber Wagner noch eine eher enthusiastisch befl¨ ugelte Schw¨ armerei, eine - weitgehende, aber nicht vollst¨ andige - unkritische Rezeption der Werke Wagners und der noch starke Einfluss der

Wagner-Kritik Nietzsches. Dies liegt auch daran, dass Thomas Mann seine ” Kunst und K¨ unstlertum“ maßgeblich in ” einem nur allzu skeptisch-verschlagenen Sinn“ (B

93) durch die Nietzsche-Lekt¨ ure gepr¨ agt sieht. Da dieser sein Verst¨ andnis der beiden Ka-tegorien nahezu ausschließlich an Wagner entwickelt, f¨ uhrt das dazu, dass Thomas Mann das Wagnersche Kunstwerk und in ihm beinahe der Kunst selbst durch das Medium dieser

Kritik“, also auf indirektem Wege, kennenlernte und erlebte.

Die Begeisterung schl¨ agt sich aber nur sehr indirekt in der publizistischen Arbeit nieder. Im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts l¨ asst sich dann unter Umst¨ anden eine Wagner-Krise“ diagnostizieren.15Der Begriff geht zwar auf eine briefliche ¨ Außerung Tho-”

mas Manns zur¨ uck,16erfasst den Sachverhalt aber nur ungenau. In die Krise ger¨ at n¨ amlich

11Borchmeyer: Das Theater Richard Wagners. Idee - Dichtung - Wirkung, S. 353.

12S. dazu Kapitel 4.3.

13Erwin Koppen: Vom D´ ecadent zum Proto-Hitler. Wagner-Bilder Thomas Manns. In: Peter P¨ utz (Hrsg.): Thomas Mann und die Tradition. Frankfurt/Main: Athen¨ aum 1971, S. 206, vgl. auch 203f..

14Koppen: Vom D´ ecadent zum Proto-Hitler, S. 207.

15Vgl. Vaget: Im Schatten Wagners, S. 311f. - Die dort diagnostizierte ” permanente Wagner-Krise“(Vaget:

Im Schatten Wagners, S. 312) freilich ist so bei Mann nicht zu finden: Die Stellung Wagners wird nach 1911 eigentlich nicht mehr - selbst in den Essays der Dreißiger Jahre nicht - in Frage gestellt. Mann hat nun allerdings zu einem Verh¨ altnis zu Wagner gefunden, dass neben der Bewunderung auch die M¨ oglichkeit der Kritik bietet - ein krisenhafter Zustand ist dies aber keineswegs.

16An Ernst Bertram, 11.08.1911: ” Von der Krise, in der ich mich dieser Kunst [d.h. der Wagners] befinde, giebt das Aufs¨ atzchen keine Vorstellung.“ (Vaget: Im Schatten Wagners, S. 45).