Ben und Lotta - Nessa Maral - E-Book

Ben und Lotta E-Book

Nessa Maral

4,4

Beschreibung

WENN DIE MASKE FÄLLT, FÄLLT ALLES ... Hi, ich bin Ben, der Traum aller Frauen. Aber es bleibt nicht immer bei einem Traum. Denn ich kann sie alle haben. Aber ... ich will sie: Lotta. Die unnahbarste Person auf diesem Planeten. Mysteriös, sexy und unheimlich anziehend. Eine Frau, die ein Geheimnis umgibt, welches mich an meine Grenzen stößt und mich vor die Wahl stellt zwischen Liebe, Freundschaft und Toleranz. »War das der Moment, auf den ich gewartet hatte? War ich bereit zu vergessen, dass ich sie nicht attraktiv finden sollte? Sie nicht lieben sollte?«

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Für Julia und für Manu, denn ohne euch gäbe es Ben und Lotta nicht.

Um einen Schmetterling lieben zu können, müssen wir auch ein paar Raupen mögen.

~Antonie de Saint-Exupéry

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Zeitsprung ~ Fünf Jahre später

Danksagung

Kapitel 1

~ Ben ~

»Hey, Ben. Warum bist du hier?«

»Ich … Ich musste dich sehen.«

Dann ging alles ganz schnell. Ihre Lippen auf meinen, unsere Klamotten, die auf dem Boden verstreut lagen, meine Couch, die auf einmal direkt hinter ihr stand, unsere Körper, die sich erhitzt aneinander rieben, erregte Geräusche aus leicht geöffneten Lippen und das absolute Verlangen nach mehr.

»Ben.« Ihre tiefe Stimme war nur noch ein Hauchen an meinem Ohr und ihr warmer Atem an meiner Halsbeuge war meine Belohnung.

»Ich wollte dich, seit du durch diese verdammte Tür gekommen bist.«

»Lotta.« Mein Stöhnen hier.

»Ben.« Ihr Stöhnen dort.

»Ben … O Gott!, Ben … Fuck … BEN!«

»Benjamin! Herrgott nochmal! Hörst du mir überhaupt zu? Oder bist du mal wieder so doof und hängst deinen Gedanken nach? Antworte mir gefälligst!«

Saschas Worte rissen mich unsanft aus meiner Träumerei. Als seine Hand meine Schulter fand, verlor ich unsanft mein Gleichgewicht und landete samt Stuhl auf dem Boden. Irritiert sah mein bester Freund zu mir und reichte mir seine Hand, damit ich alter Mann mich hochziehen konnte. Scheiße halt, wenn man bei der Arbeit vor sich hin schläft. Dankbar griff ich nach seiner Hand und ließ mir von ihm auf die Beine helfen.

»Wo warst du schon wieder mit deinen Gedanken?«

»Willste gar nicht wissen«, murmelte ich, klopfte mir den Staub von den Klamotten und fuhr durch mein Haar, um sicher zu stellen, dass auch noch alles da war, wo es hingehörte.

Man(n) war ja schließlich eitel.

Sascha starrte mich noch immer irritiert an, aber ich kannte meinen Besten gut genug, um zu wissen, dass er in der Regel nicht danach fragen würde, wo ich mit meinen Gedanken war. Obwohl, wenn ich seinen Blick so sah … vermutlich würde er es trotzdem tun.

Genau in diesem Moment keimte auf Saschas Gesicht das Lächeln auf und ich wusste, dass mein letztes Stündchen geschlagen hatte. Er würde mich definitiv fragen. Vermutlich ahnte er etwas. Dennoch versuchte ich meinen besten Freund anzugrinsen.

»An welche hübsche Blondine hast du eigentlich gedacht, als du vom Stuhl gefallen bist?«, fragte Sascha und sein Lächeln wurde breiter. Musste das nicht wehtun?

»An hübschere als die Weiber, die du immer anschleppst.«

Eine Augenbraue wanderte nach oben und ich grinste zufrieden vor mich hin. Davon, dass mir eine gewisse Person die letzte Zeit den Kopf verdrehte, wusste Sascha nichts und ich hielt es auch für besser es dabei zu belassen.

Prinzipiell ging es Sascha ja auch nichts an. Wir waren nicht verheiratet und dementsprechend war ich ihm keine Rechenschaft schuldig. Nicht, dass ich jemals einen Mann heiraten würde.

Es war ja immerhin nicht so, als wäre ich schwul - ich stand nicht auf Männer und ehrlich gesagt war ich auch nicht heiß darauf es auszuprobieren.

Ich war hetero. Und bei den Weibern landete ich immer – ich war ja schließlich Ben und die Frauen waren verrückt nach mir. Dennoch gab es eine Frau, bei der ich es nicht schaffte sie zu bekommen. Die einfach immer aus dem Raster fiel. Und das turnte mich an. Ihr Name? Lotta.

Bei Lotta ging es mir nicht um den Sex. Sex war schön und ich mochte es, viel und intensiven Sex zu haben. Die Wahl meiner Partnerin war mir dabei recht egal – jedes Weib wurde mit den richtigen Mitteln willig – doch Lotta war für mich ein ganz unbekanntes Territorium. Und ich war neugierig auf sie. Und trotzdem auch auf ihren Körper.

»Sag mal Sascha, wann hattest du das letzte Mal richtig geilen Sex?« Mein Gegenüber blickte mich irritiert an.

»Ich wüsste nicht, seit wann wir uns Bettgeschichten erzählen.« Ich lachte herzhaft auf. »Es hätte mich nur interessiert. Chancen abwägen, weißte?«

Sascha schüttelte den Kopf und klopfte mir kameradschaftlich auf die Schuler.

»Vielleicht solltest du es mal in einem Puff versuchen. Scheinbar brennst du ja nur darauf mal wieder richtig durchgenommen zu werden. Du bist immerhin schon so verzweifelt, dass du dir meine Bettgeschichten anhören musst, um überhaupt aktiv zu werden.« Ich grinste. Er lag gar nicht so falsch. Mit dem Unterschied, dass ich nicht durchgenommen wurde. Ich nahm durch.

Damit ging Sascha an mir vorbei und aus dem Fitnessstudio. Ich seufzte leise. Vielleicht sollte ich es tatsächlich versuchen. Bars und Partys gab es ja schließlich wie Schnäpse an einer Bar. Ich blickte mich um, als tatsächlich Sie in mein Blickfeld trat.

Lotta Ziegler. Seit zwei Wochen regelmäßige Besucherin unseres kleinen Fitnessstudios. Männermagnet mit ständig wechselnden Haarfarben, die ihre unglaublichen, blauen Augen nur noch mehr betonen. Eine Frau, für die man beinahe töten würde.

Zu meinem Bedauern war Lotta die unnahbarste Person auf diesem verdammten Planeten. Und sie hatte kein Interesse an mir.

Dieser geile Körper, dazu der geile Arsch und ihr Gesicht – alles unerreichbar. Gefangen von meinem eigenen Ego, das mir befahl bloß noch ein Ziel zu verfolgen: Lotta flachzulegen.

Wie ich zu diesem Ziel kam?

Es begann so: Ich ging, wie an jedem stinknormalen Arbeitstag, meinen Aufgaben nach. Papierkram, Kundenaufnahme, Papierkram, persönliche Trainings mit Kunden – die eher selten ausfielen und – hatte ich schon den Papierkram erwähnt?

Moment, wo war ich gerade? Genau, der Tag, an dem sich alles veränderte.

Ich saß hinter dem Tresen, die Cap tief ins Gesicht gezogen und versuchte nicht ganz so gelangweilt zu wirken, wie ich mich in Wirklichkeit fühlte, als plötzlich SIE durch die Tür kam. Es war wie in einer dieser Szenen aus Baywatch, wo sich die Leute nur noch in Zeitlupe bewegen, ihre Haare hin und herschwingen, ihre Augen erotisch schließen und mit einem Hüftschwung näher kommen, der sich sehen lassen kann.

Jeder wird mich für bekloppt halten, aber ich versichere: Es war genauso, als Lotta den Raum betrat, ihr Blick meinen traf und mich im wahrsten Sinne des Wortes vom Stuhl riss.

»Hallo. Bin ich hier richtig für eine Anmeldung bei euch?«, waren die ersten Worte, die ich aus ihrem Mund hörte. Den Rest erspare ich euch, denn es würde uns keinen Schritt weiterbringen.

Ich war es gewohnt, dass die Leute mich geil fanden. Und wie konnte man einem tätowierten, durchtrainierten Ebenbild von einem Mann – vielleicht sogar von einem Gott – mit wildem, dunkelbraunem Haar, smaragdgrünen Augen – wie mir eben – widerstehen? Ich würde mich selbst flachlegen, wenn ich könnte.

Jedenfalls hatte Lotta Ziegler an diesem Tag mein Interesse geweckt und ich konnte und würde nicht eher ruhen, bevor ich ihren Körper nicht in und auswendig kannte.

Die darauffolgenden Wochen mit dem Papierkram der Arbeit erspare ich euch, denn es passierte rein gar nichts zwischen Lotta und mir.

Ich arbeitete, sie trainierte. Ich arbeitete wieder und nahm einen Nebenjob in der Bar ums Eck an, um –genau richtig erfasst – noch mehr zu arbeiten.

Ich war noch nie ein Workaholic gewesen, nicht wirklich. Ich war schlicht und ergreifend verschwenderisch, aber irgendwie musste ich meinen gehobenen Lebensstandard ja finanzieren. Zwar verstand ich unter gehoben, dass ich eine eigene Wohnung und ein eigenes Auto – einen kleinen, grauen Corsa - besaß, aber ich war zufrieden mit dem, was ich hatte. Fürs Erste.

Verdammt, ich schweife schon wieder ab.

Es war Freitagabend und ich war gerade dabei meine Sachen auf dem Schreibtisch zusammenzupacken und noch die letzten Runden durch das Studio zu drehen, um alles zu kontrollieren. Mein Chef hatte mich in die Spät-Spät-Spät-Schicht eingetragen und nun saß ich seit gefühlten zehneinhalb Stunden an der Anmeldung und beobachtete die letzten Kunden, die ihre Trainingseinheiten absolvierten.

Kurz vor elf in der Nacht. Manche Leute bekamen einfach nicht genug und ich – ja, ich hatte genug.

Um der Langeweile zu entgehen, stocherte ich auf meinem Handydisplay herum und nervte die Leute, die um diese wunderbare Uhrzeit schon daheim saßen und ihr Wochenende genossen. Meins lag noch in weiter Ferne. So weit wie von Berlin nach Neuseeland. Immerhin erbarmte sich Sascha meiner armen, gebrochenen Seele und hielt mich über die Geschehnisse in unserer Stammkneipe – in der ich auch arbeitete – auf dem Laufenden.

Mein Blick fiel auf die hässliche orangene Uhr, welche mich darüber informierte, dass ich nur noch eine Minute hatte, bis ich endlich gehen konnte. Der letzte Kunde war schon vor knapp einer halben Stunde gegangen, doch der Kontrollgang musste noch sein. Immerhin wollte ich ja mein Geld verdienen und nicht aufgrund eines eingesperrten Kunden meinen Job verlieren.

Also schnappte ich mir meinen Rucksack und machte mich auf den Weg, einmal durch den gesamten Studiokomplex.

Mein Gehirn lief auf Autopilot und meine Gedanken schweiften wie in letzter Zeit immer häufiger zu Miss »Unantastbar« ab.

Warum ich sie damals nicht einfach angesprochen habe? Nun, merkt euch eins. Flirten klappt am besten, wenn man der Zielperson Blicke zuwirft und in fast jedem Fall bewirkt dies mehr als eine bloße Aneinanderreihung von schlechten Anmachsprüchen. Lotta wurde also die Zielscheibe für meine gängige Taktik, die sich bisher immer als erfolgreich bewährt hatte.

Eine Woche nach ihrer Anmeldung im Studio versuchte ich es also mit DEM Blick, als ich zufällig an ihr vorbeiging. DER Blick hatte noch nie seine Wirkung verfehlt. Also sah ich sie an, strich mein Haar zurück und hoffte, dass meine intensiv grünen Augen den Rest erledigen würden. Anbei sollte ich mich vielleicht an dieser Stelle bei meinen Eltern für diese gute Gen-Kombination bedanken. Man sagt schließlich viel zu selten »Danke« zu seinen alten Leuten. Das Schlimmste war jedoch nicht, dass der Blick seine eigentliche Wirkung verfehlte, denn seine gewohnte Reaktion blieb aus. Nein, schlimmer war, dass sie sich einfach umdrehte und ihr Training fortsetzte, als wäre nichts gewesen. Ich war irritiert und letztendlich war ich mir der Macht des BLICKS nicht mehr sicher, weshalb ich eine neue, schwerwiegendere Methode für die nächste Woche suchte.

Ich wartete einen besonders günstigen Moment zwischen zwei Trainingseinheiten ab, in dem diese wunderbare Schönheit aus ihrer Flasche trank.

Es war als hätte jemand die Zeit verlangsamt, denn ich konnte genau beobachten wie das Wasser in Zeitlupe über ihre Lippen in ihren Mund fand, während vereinzelte Schweißtropfen langsam von ihrer Stirn den Weg gen Süden suchten.

»Zufällig« ging ich an ihr vorbei und zwinkerte ihr mit dem linken Auge zu. Man muss natürlich ein Genie sein wie ich, um zu wissen, dass es niemals als Zufall gilt, wenn man jemanden mit nur einem Auge zuzwinkert. Ich warf ihr mein charmantestes Lächeln zu und spätestens jetzt wäre jede andere Frau schwach geworden, doch Lotta fiel wie immer aus der Rolle. Sie drehte sich um, ließ mich ein letztes Mal auf ihren geilen Arsch blicken und verschwand in die entgegengesetzte Richtung.

Meine Reaktion kann man sich vermutlich denken. Ich war nicht wütend, ich war auch nicht enttäuscht darüber, ich war schlicht und ergreifend irritiert, dass meine Taktik überhaupt nicht funktionierte. Scheiße, diese Frau schaffte es immer wieder, mich aus der Fassung zu bringen.

Noch immer in Gedanken öffnete ich die Tür zur Damenumkleide, ließ meinen Blick hineinschweifen und bemerkte im ersten Moment gar nicht, dass sich hinten bei den Spinden noch jemand befand.

»Hey, warte!«

Diese Stimme.

Ich schloss die Augen und musste nicht lange überlegen. Diese Stimme konnte ich genau zuordnen, auch wenn ich sie bisher nur einmal in meinem Leben gehört hatte.

Es war als wäre ich in einem schlechten Film, denn ich war alleine mit Lotta in einer verlassenen Umkleide. Das konnte doch nicht die Realität sein? Ich kniff mir in den Arm, der Schmerz war spürbar.

Konzentration war also gefragt. Meine langersehnte Chance schien endlich gekommen zu sein. Und ihr »Hey« sagte schon mal aus, dass sie mich bemerkt hatte.

Jetzt oder nie!

Langsam drehte ich mich um und sah in das perfekte Gesicht von Lotta, die gerade ihr Handtuch in die Sporttasche stopfte. Mein Blick wanderte über ihren Hals hin zu den gut eingepackten Brüsten – ein A- oder ein B-Körbchen? Ich konnte es nicht genau ausmachen – hinab über ihren Bauch zu der Jeans, bis hin zu den braunen Sneakers. Verdammt, diese Frau hatte höllisch lange Beine und kein Gramm zu viel!

Was zur Hölle machte sie in einem Fitnessstudio?

»Sexy«, sagte ich und grinste sie zufrieden an.

»Nicht noch einer«, seufzte sie und griff nach ihrer Tasche. »Weißt du, wie oft ich das zu hören bekomme?«

Ich lehnte mich an ihren Spind und grinste breit. »Aber du hast es noch nie von mir gehört.«

Augenblicklich drehte sie sich wieder zu mir um, grinste und kam etwas näher, sodass nur noch wenige Zentimeter unsere Münder trennten.

»Und was soll das jetzt?«, fragte sie und ihre so tiefe Stimme brummte leicht. Der Blick, der von ihren blauen Augen ausging, durchdrang mich fast und ich spürte die Hitze zwischen uns aufsteigen.

»Ich zeig‘ dir, wovon alle Frauen träumen«, antwortete ich. Ich konnte das Knistern zwischen uns beinahe greifen.

Sie lachte, ehe sie mir entgegenhauchte: »Und du glaubst, ich bin so jemand?«

»Das werden wir ja gleich sehen.« Meine Lippen näherten sich ihren, sodass ich schon ihren Atem auf meinen Wangen spüren konnte. Pfefferminze. Nur noch wenige Zentimeter, dann würde ich sie küssen. Sie endlich berühren.

Ein schallendes Klingen. Ihr Handy.

Seufzend ließ ich mich am Spind hinuntergleiten, als sie in ihrer Tasche nach diesem Mistding fischte und es hervorzog.

»Hey, Andreas! Ja, ich bin schon fast fertig. Ich komme gleich raus. Wir sehen uns!«

»Dein Freund?« fragte ich trocken und stieß die Luft aus.

»Ein Kumpel«, antwortete sie und strich sich eine Strähne hinter das Ohr.

»Wollen wir nicht mal was trinken gehen? Ums Eck gibt es eine tolle Bar, ich jobbe da gelegentlich und morgen hätte ich Zeit«, sprudelte es aus mir heraus und ich fühlte mich plötzlich, als hätte ich die Kontrolle über mich verloren.

Fuck, wo war mein cooles Ich hin?

»Ich denke nicht, dass ich kann«, antwortete sie und schulterte ihre Tasche, bevor sie mich ein letztes Mal anblickte.

»Mal sehen.«

Dann hörte ich nur noch die Tür, die ins Schloss fiel.

Weg war sie.

Kapitel 2

Das Studio ließ ich hinter mir. Die Tür war verschlossen und mein Körper zog mich automatisch in Richtung Bar. Ich fühlte mich, als hätte man mir einen Korb verpasst. Einen deftigen dazu noch. Nun gut. Vielleicht hatte sie mich gekorbt. War doch egal. Aber kennt ihr das Gefühl, dass sich danach bei euch einschleicht? Definitiv nicht mein Lieblingsgefühl.

Sascha saß bereits mit einer Blondine auf dem Schoß am Tresen und grinste mich breit an, als ich mich auf dem Barhocker neben ihm sinken ließ. Er drückte seiner Begleitung sanft in die Seite, und sie quiekte auf. Eine effektive Methode bei Frauen, um sie zu ärgern. Sie lachte und klammerte sich näher an seinen Hals, ehe er ihr sanft andeutete sich zu erheben. Ihre Augen blickten zwischen uns hin und her, dann warf sie ihr Haar zurück, hauchte ihm einen letzten Kuss auf die Lippen und verschwand.

Sascha sah ihr schwärmend hinterher.

»Ist sie nicht ein tolles Geschöpf? Vollbusig, weiblich und ein Gewinnlos in der Kiste. Sie soll so talentiert sein. Mit Fingern und Mund«, erklärte er und grinste zufrieden. Zumindest hatte Sascha seinen Spaß.

»Und was ist mit dir? Du siehst aus, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen. Dich hat wohl eine heiße Schnitte gekorbt«, stellte er fest und ich sog scharf die Luft ein.

Woher … ich fragte am besten gar nicht erst nach. Sascha hatte entweder Kontakte, die ihm alles erzählten, was passierte, oder er hatte einen Sensor im Arsch stecken, der ihm alle nötigen Infos mitteilte. Jedenfalls wusste Sascha immer alles über meine Gefühlslage.

Ob es ein Problem für mich war? Ab und an schon, aber die meiste Zeit konnte ich es verkraften. Ob ich es nur heute so lange mit ihm aushalten würde – vor allem ob ich es wollte – wusste ich noch nicht.

»Hmh, vielleicht«, knurrte ich leise und sofort hatte ich Saschas volle Aufmerksamkeit.

»Die heiße Schnitte aus dem Fitnessstudio? Von der sie alle reden? Gib es doch zu. Du findest sie auch heiß. Hast du es wenigstens geschafft sie anzusprechen?«, fragte er und ich seufzte, dann bestellte ich mir einen Kurzen. Sascha wusste natürlich über Lotta Bescheid. Ohne, dass ich etwas sagen musste.

»Mehr oder weniger. Jedenfalls habe ich sie für morgen eingeladen. Ein eindeutiges ›Ich komme‹ oder ›Ich komme nicht‹ habe ich aber nicht bekommen. Vermutlich kommt sie eh nicht. Hält sich wohl für etwas Besseres.« Genervt schüttete ich den Cognac hinunter und genoss das Brennen in meinem Hals.

»Ach, Ben«, seufzte er und lächelte milde. »Sie wäre das erste Weib, das deinem Charme widerstehen kann.« Er hatte recht und meine Mundwinkel zuckten unweigerlich nach oben.

Vielleicht war ich die Sache auch einfach falsch angegangen. Mit etwas Glück würde mir meine romantische Ader mehr bringen. Ich war Ben – und ich war vielseitig. Aber um Lotta das zu beweisen, musste diese Schönheit erst mal wieder im Fitnessstudio auftauchen.

Der Abend hatte sich in die Länge gezogen und ich warf einen genervten Blick zu meinem kleinen grauen Corsa, der noch immer verlassen auf dem Hof des Studios stand. Während ich meine Sporttasche schulterte, seufzte ich und stapfte entschlossen die düsteren Straßen entlang.

Ich liebte mein Auto. Hektor war toll, er war zwar alt, aber dennoch umwerfend gut in Schuss. Ich brauchte ihn.

Und weil ich jetzt den Lehrer an der Stelle spielen muss und ihr euch das merken solltet: Betrunken sollte man nicht Auto fahren. Egal, wie sehr man sein Auto liebt. Merkt euch das, Kinder. Niemals betrunken an das Steuer.

Weil ich meine Prinzipien immer einhielt, nahm ich den Weg durch die halbe Stadt in Kauf.

Sascha hatte sich bereits vor einer gefühlten Ewigkeit aus meinem Blickfeld verabschiedet. Vermutlich war er mit seiner Blondine verschwunden. Sollte mir recht sein. Sascha sollte auch seinen Spaß haben und solange mein bester Freund zufrieden war, konnte ich es auch irgendwie sein. Mein jetziges Ziel war es erst einmal, heil nach Hause zu kommen.

Die Straßen vor mir waren verlassen und kaum ein Auto war noch unterwegs. Einzig das gedämpfte Licht der Laternen erhellte meinen Weg. Die kühle Nachtluft ließ meinen Kopf schwerer wirken, als er eigentlich war und ich spürte, wie mein Körper bei jedem Schritt unkontrolliert zur Seite wankte und ich Probleme hatte mein Gleichgewicht zu halten.

Gottverdammter Alkohol. Warum mussten Abende in Bars immer mit Mengen an Hochprozentigem enden? Und warum zur Hölle war ich noch einmal ans andere Ende der Stadt gezogen?

Genervt stieß ich die Luft aus und bereute es, mein Auto stehen gelassen zu haben. Meine Wohnung würde ich vor dem Sonnenaufgang nicht mehr zu sehen bekommen, davon war ich fest überzeugt.

Es war halb sechs in der Früh, als ich mit »leichten« Problemen meinen Schlüssel ins Schloss meiner Wohnung schob und meine Tasche im Flur sinken ließ. Meine Fußsohlen brannten, mein Kopf hämmerte, als hätte sich eine ganze Horde an Handwerkern dort eingerichtet, um mein Oberstübchen zu renovieren. Den Presslufthammer hätten sie ja wenigstens zu Hause lassen können. Meine Kehle brannte und ich hatte das ungute Gefühl, ich würde mich gleich übergeben, aber immerhin war Lotta nun aus meinen Gedanken verflogen. Selig sei der Erfinder des Alkohols geschrieben! Vermutlich war er selbst besoffen gewesen, als er ihn erfand oder er war ein Genie – vielleicht aber auch nur ein liebeskranker Narr, denn zumindest schaffte es sein Gesöff, sämtliche Gedanken an eine Frau aus dem Hirn für einige Stunden zu vertreiben.

Nun ja, so halbwegs zumindest.

Ich kickte mir ungelenk die Chucks von den Füßen und quälte mich aus der Jeans, ehe ich mich rücklings auf mein Schlafsofa sinken ließ.

Meine Wohnung war klein, eineinhalb Zimmer, die aber ausreichten und von der Miete blieb mir immerhin etwas Geld übrig, um zu leben. Und als Single-Mann brauchte man nicht mehr als eine Schlafmöglichkeit, Tiefkühlpizza und ein Bad. Vielleicht gelegentlich noch eine Frau, um auch die anderen Gelüste zu befriedigen, aber ich war zufrieden. Immerhin hatte ich ja mich.

Der Wecker klingelte und riss mich mit seinem schönsten, tiefsten Metal