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Benjamin bricht mit seinem Bruder und seinen Freunden auf, um seinen verlorenen Mut zu finden. Doch es gibt Kräfte, die gar kein Interesse daran haben, dass ihm das gelingt. Die Gruppe wird in einen Kampf verwickelt. Aber keine Angst… die guten Mächte Senziwanis sind in der Nähe! Ein Buch für Menschen ab acht Jahren
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Ein Buch aus der magischen Welt
von Senziwani
Ich widme dieses Buch allen Hütern von Senziwani
Margarete Lamsbach
Benjamin Rührmichnichtan
© 2019 Margarete Lamsbach
Umschlag, Illustration: Margarete Lamsbach
www.senziwani.de
ISBN
978-3-7497-5709-1 (Paperback)
978-3-7497-5710-7 (Hardcover)
978-3-7497-5711-4 (e-Book)
Verlag & Druck: tredition GmbH,
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne
Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhaltsverzeichnis
Teil 1 - Benjamins Welt
Die Sache mit dem Fernglas
Jakob
Rührmichnichtan
Die Überraschung
Ein schwarzer Montag
Neue Freunde
Tilla
Ein Eingeständnis
Meister Daichi
Zwei Verbündete
Wenga Schimmerschwinge
Jakobs Frage
Drei Freunde
Nächtlicher Besuch
Teil 2 - Im Land Senziwani
Viktor
Milele
Gastfreundschaft
Der Alte Wald
Ein gefährlicher Stier
Besuch von zuhause
Odoa, der Grausame
Karfunkel
Der Feldherr des Hüters
Das Geheimnis
Auf Wiedersehen
Teil 1 – Benjamins Welt
Die Sache mit dem Fernglas
Benjamin schlich in gebückter Haltung zum Teich. Vor seiner Brust baumelte das Fernglas, das seine Eltern ihm von ihrer letzten Reise mitgebracht hatten.
Nur wenn er nahe genug an das Ufer herankam, konnte er die wunderschönen pinkfarbenen Seerosen gut sehen. Schon oft hatte er gedacht, dass ihre großen dunkelgrünen Blätter wie kleine Hubschrauberlandeplätze auf der Wasseroberfläche schwammen.
Heute wollte er überprüfen, ob die Kleinlebewesen, die sich am Teich tummelten, diese stabilen Blätter auch wie einen Flugplatz benutzten.
Schon mehrmals hatte er eine wunderschöne Libelle über der Wasseroberfläche kreisen sehen. Aber nach kurzer Zeit war sie wieder verschwunden.
Benjamin besaß viele schöne bebilderte Tierbücher. In einem Buch über Insekten hatte er tatsächlich eine Abbildung seiner Libelle gefunden. Sie war eine der größten in Europa heimischen Libellen und sie hatte den wunderschönen Namen Blaugrüne Mosaikjungfer.
Benjamin wusste einfach alles über diese farbenfrohe Edellibelle.
Er hatte gelesen, dass sie menschlichen Beobachtern gegenüber zutraulich war und nicht wegflog, wenn sie einen entdeckt hatte. Es wäre toll, ihr Auge in Auge zu begegnen. Aber fürs Erste wollte er zufrieden sein, wenn sie sich überhaupt noch einmal blicken ließ. Sein Fernglas würde sie ihm in ihrer ganzen Pracht zeigen.
Mittlerweile war er an dem hölzernen Steg angekommen, der vom Ufer in den Teich hineinführte. An dieser Stelle gab es keine Gräser und auch kein Schilfrohr, die seine Sicht auf das Geschehen auf dem Wasser behindert hätten.
Langsam wie eine Katze auf Samtpfoten schlich Benjamin zum Steg. Vorsichtig, um die Bewohner des Teichs nicht zu stören, legte er sich bäuchlings auf die hölzernen Planken.
Geschafft! Gerade wollte er den ersten Blick durchs Fernglas werfen, da ertönte ein schriller Pfiff. Benjamin erschreckte sich so, dass seine Beine in die Luft sprangen, ohne dass er das wollte. Seine Hände ließen im ersten Schreck das Fernglas los und es platschte ins Wasser.
Sein großer Bruder stand in der Nähe des Hauses und grinste.
Mühsam rappelte Benjamin sich hoch. Wo war sein Fernglas? Da schwamm es auf der Wasseroberfläche! Er bückte sich über den Rand des Stegs und fischte danach.
„Manno, musst du mich so erschrecken?!“
Die Goldfische, die im Teich wohnten, kamen neugierig herbei geschwommen, verharrten aber in sicherer Entfernung. Sie fragten sich bestimmt, wer dieser große Schatten über ihren Köpfen war.
„Keine Angst, Goldies, das Ding ist mein Freund und tut euch nichts“, murmelte Benjamin.
Verflixt, jetzt setzte das Fernglas seinen Weg langsam aber stetig in Richtung Teichmitte fort. Die lustige Schar der orange schimmernden Flossenschwimmer begleitete es unter Wasser auf seinem Weg.
Benjamin streckte sich weiter über den Steg hinaus in der Hoffnung, das Fernglas in letzter Minute noch zu erwischen, bevor es in der trüben Brühe zu Schaden käme.
Es passierte, was passieren musste. Er verlor das Gleichgewicht und plumpste Kopf über in den Teich. Sein Gesicht geriet unter Wasser und er wusste nicht mehr, wo unten und oben war. Benjamin bekam keine Luft mehr.
Gerade als das trübe Wasser sich den Weg zu seinen Lungen bahnen wollte, wurde er in die Höhe gerissen und ans Ufer geschleift.
„Benny, atme tief durch. Na, mach schon!“
Benjamin schnappte gehorsam nach Luft und öffnete die Augen. Jakob kniete neben ihm. Er hatte Benjamins Kopf angehoben und tätschelte seine Wangen. Jakob hatte ihn gerettet!
Zaghaft lächelte Benjamin seinen großen Bruder an. Dem war aber offensichtlich nicht nach Freundlichkeit zumute.
„Mimi!“, knurrte er. Dann drückte er Benjamin das Fernglas in die Hand und verschwand.
Langsam rappelte Benjamin sich auf. Er fühlte sich hundeelend und das nicht nur, weil er um ein Haar ertrunken wäre. Nein, das Schlimmste war, dass er seinen Bruder enttäuscht hatte.
Langsam ging er zum Haus zurück. Dabei hustete und spuckte er vor sich hin, um das eklige Zeug loszuwerden, das sich bei seinem unfreiwilligen Bad in seinen Mund verirrt hatte.
Jetzt bloß nicht der Großmutter begegnen. Benjamin hatte keine Lust ihr zu erklären, warum er pitschnass durch den Flur watete.
Als er an der halb geöffneten Küchentür vorbeischlich, hörte er die tadelnde Stimme seiner Großmutter: „Worüber regst du dich eigentlich auf, Jakob? Dein kleiner Bruder hat sich erschreckt und ist in den Teich gefallen. Du warst rechtzeitig zur Stelle und hast ihn rausgezogen.“
Jakobs Antwort klang trotzig. „Er ist doch kein Baby mehr, Oma. Er ist acht Jahre alt genau wie der Bruder von Piet nebenan und der fällt auch nicht jedes Mal vor Schreck ins Wasser, wenn man pfeift. Außerdem: Der Teich ist so flach, da kann er stehen. In einem Teich zu ertrinken, in dem man stehen kann, das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Und überhaupt: Was ist denn, wenn er mal reinfällt und ich bin nicht da? Ich bin doch nicht immer bei ihm.“
Benjamin hatte genug gehört. Traurig ging er in sein Zimmer und zog sich die klitschnassen Klamotten aus. Dann versteckte er sich unter seiner Bettdecke. Heiße Tränen der Scham rannen über sein Gesicht. Warum konnte er nicht so mutig und so stark sein wie Jakob? Jakob hatte vor nichts Angst und war auch noch nie in einen Teich gefallen. Er konnte boxen und ringen und verlor nie einen Kampf. Alle fanden ihn toll und keiner traute sich, ihn zu ärgern.
Benjamin war stolz auf seinen Bruder Jakob und er wünschte sich so sehr, dass auch Jakob stolz auf ihn wäre. Aber das war wohl eher unwahrscheinlich, denn für Jakob zählten nur Kraft und Stärke.
Benjamin war kleiner und dünner als die meisten Jungen seines Alters. Beim Handballspiel im Sportunterricht wurde er kurzerhand einfach überrannt.
Wenn er dann am Boden lag, sahen die Mitspieler ihn von oben herab an, als wollten sie sagen: „Mit dem ist einfach kein Spiel zu gewinnen“, und da hatten sie recht.
Benjamin fürchtete sich nämlich nicht nur vor den Remplern der anderen. Er hatte auch eine Heidenangst vor dem Ball. Statt möglichst hoch in die Luft zu springen, um den herbeifliegenden Ball zu fangen - so machten es seine Mitschüler - duckte er sich weg. So vergab er eine Gewinnchance nach der anderen.
Kein Wunder also, dass keine der beiden Mannschaften scharf darauf war, ihn dabei zu haben. Warum also sollte Jakob, der große Sportler, ihn mögen?
Jakob
Jakob stand am Fenster seines Zimmers und starrte auf den Teich. Er war wütend auf sich selbst. Benjamin war sein kleiner Bruder und seit er sich erinnern konnte, wollte er ihn beschützen.
Das hatte er ihm versprochen, als Benjamin im Kindergarten einmal von größeren Jungs von der Rutsche geschubst worden war und total verheult und zerschrammt zuhause ankam. Den Tag würde er nie vergessen.
Benjamin war erst vier und Jakob acht Jahre alt. Ihre Großmutter hatte Benjamins Knie gereinigt und dabei versucht, den kleinen Unglücksraben zu trösten. Nichts half. Benjamin war nicht zu beruhigen.
Da war Jakob eine Idee gekommen. „Du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen, Benny. Ich puste den Schmerz einfach weg. Soll ich?“
Das Schmerzwegpusten kannte Jakob von seiner Mutter und er erinnerte sich, dass es bei ihm immer geholfen hatte.
Benjamins letzter Schluchzer klappte zusammen wie ein Taschenmesser und er sah Jakob vertrauensvoll aus seinen rot geweinten Augen an. Dann nickte er und Jakob pustete. Erst einmal, dann zweimal und beim dritten Mal… waren die blutenden Kratzer verschwunden.
„Siehst du, gar nichts passiert.“
Benjamin sah abwechselnd sein Knie und dann seinen Bruder an. Er hatte aufgehört zu weinen und wischte mit seinen schmutzigen Händchen in seinem Gesicht rum.
„Na, bin ich ein guter Tröster?“
Benjamin nickte. „Aber ich hab Angst vor den großen Jungs.“
Wie er da so saß, kreuzunglücklich und gedemütigt, hatte Jakobs Herz gerührt.
„Hör zu, Benny. Ich versprech dir, dass die dir nichts mehr tun. Ich beschütz dich und das kannst du denen auch sagen. Wenn die dich noch mal ärgern, komm ich vorbei und… und….“ Jakob hatte seine rechte Hand zu einer Faust geballt.
Benjamin konnte wieder lächeln.
Tatsächlich waren Jakobs Fäuste damals nicht zum Einsatz gekommen. Die Großmutter konnte die Angelegenheit am nächsten Tag friedlich aus der Welt schaffen.
Es hatte sich herausgestellt, dass zwei Fünfjährige sich oben auf der Rutsche an Benny vorbeigedrängelt und ihn unabsichtlich runter geschubst hatten.
Die Kinder wussten natürlich, dass sie die Rutsche nur einzeln erklettern und nicht drängeln durften. Das hatten die beiden Fünfjährigen im Eifer des Gefechts vergessen. Sie waren ganz zerknirscht gewesen und gingen danach sehr liebevoll mit Benny um.
Sein Versprechen, Benjamin zu beschützen nahm Jakob trotzdem sehr ernst.
Als im nahe gelegenen Box-Club ein Probetraining für Acht- bis Zwölfjährige angeboten wurde, wollte er sich anmelden.
Seine Mutter war nicht begeistert. Sie hätte lieber gesehen, dass er einen Sport ohne Gewalt wie z.B. Fußballspielen anfing.
Sein Vater wollte wissen, warum er ausgerechnet boxen wollte.
„Ich hab Benny versprochen, dass ich ihn beschütze.“
„Benny wird lernen müssen, sich selbst zu schützen.“
„Papa, Benny hat zu viel Angst, um sich zu wehren. Später, wenn er größer ist, bring ich ihm das Boxen bei. Ehrenwort!“
Sein Vater sah ihn prüfend an. „Okay, aber ich gehe mit. Ich will wissen, wie das da läuft und mit dem Trainer sprechen. Wenn ich kein gutes Gefühl habe, suchst du dir was Anderes aus. Einverstanden?“
Das Gespräch seines Vaters mit dem Trainer verlief gut. Als sein Vater unter den Anwesenden auch einige Bekannte mit ihren Söhnen entdeckte, durfte Jakob beim Probetraining mitmachen. So kam es, dass er Mitglied im Box-Club wurde und sich zu einem anerkannten Kämpfer seiner Altersstufe entwickelte.
Jetzt war Benny acht Jahre alt und hatte vor allem und jedem Angst. Es war nicht daran zu denken, ihn für das Boxen zu erwärmen.
Einmal hatte Jakob es versucht, aber Bennys Gesicht hatte sich sofort hinter seinen Fäusten verkrochen. Benny würde niemals zuschlagen. Lieber würde er sich verhauen lassen.
Dazu kam noch diese Unbeholfenheit. Der wäre glatt ertrunken, wenn er ihn nicht rechtzeitig aus dem Wasser gezogen hätte.
Jakob spürte immer noch sein Entsetzen, als er zum Teich sprintete, um seinen Bruder aus dem Wasser zu fischen.
Dieses Entsetzen entlud sich in einer ohnmächtigen Wut, als Benny die Augen öffnete und ihn anstrahlte. Was gab es da – verdammt noch mal! - zu grinsen?
Und dann war ihm dieses blöde Wort Mimi rausgerutscht. Das hätte er nicht sagen dürfen. Benny war ja selbst ganz unglücklich, dass er so leicht in Panik geriet. Statt ihn zu trösten, hatte er ihn dann noch beschimpft.
Jakob hatte ein schlechtes Gewissen.