Besessen - Jennifer Armintrout - E-Book

Besessen E-Book

Jennifer Armintrout

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Beschreibung

Seit zwei Jahren lebt Carrie glücklich mit dem Vampir Nathan zusammen, als er plötzlich eine dunkle, bösartige Seite entwickelt. Von Albträumen gequält, scheint er nicht mehr Herr seiner selbst zu sein. Schließlich fällt er sie wie rasend an, ehe er hinaus in die Nacht flieht. Carrie muss ihn finden, ehe er zur tödlichen Gefahr oder gar selbst umgebracht wird. Denn sie hat erfahren, dass Nathan ausgerechnet von einem der mächtigsten und bösesten Vampire Besessen ist - dem Soul Eater ...

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Seitenzahl: 598

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Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Die Handlung und Figuren dieses Romans sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen

sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Jennifer Armintrout

Blutsbande II

Besessen

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Lisa Kuppler

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,

Valentinskamp 24, 20350 Hamburg

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Blood Ties Book Two: Possession

Copyright © 2007 by Jennifer Armintrout

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Ivonne Senn

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf

Autorenfoto: © Jill Welch

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-451-6 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-450-9

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

www.mira-taschenbuch.de

Für meine Familie, die mir immer Mut macht und mich bei allem, was ich tue, unterstützt,

sowie besonders für Ryerson Louden, der für die wilden Geschichten eines Kindes immer Zeit

hatte und so tat,

als würde er sie tatsächlich glauben.

MEIN DANK GILT:

Wie immer meinen kritischen Leserinnen Mary, Marti, Cheryl, Chris und Michele, selbst wenn sie schwört, dass sie nie wieder ein Buch von mir lesen wird.

Sasha Bogin, meinem Lektor und Cheerleader, und Kelly Harms, meiner Agentin, von der ich mir vorstellen könnte, dass sie sich wunderbar als Piratin oder bei Verhandlungen in Geiselnahmen machen würde.

Joe, der mir zuhört, wenn ich über meine Figuren herziehe wie andere Leute über ihre Kollegen: „Jen, reden wir jetzt über eine reale Person, oder geht es um jemanden aus deinem Buch?“

Und Kevin Park, den ich vergessen habe, im letzten Buch zu erwähnen, obwohl er mir das Leben gerettet und mir den ganzen furchtbaren Trip in die Notaufnahme auch nie übel genommen hat. Hoffentlich sind die nächsten Geburtstage für dich besser ausgegangen.

PROLOG

Willkommen zurück

Er wusste nicht, wie lange er schon tot war. Es gab keine Tage, keine Jahreszeiten, keine Veränderung, nur Ewigkeit.

Auf der anderen Seite des Schleiers wankten Schatten um ihn herum. Zwei fielen ihm besonders ins Auge. Er wusste, was sie waren. Früher war er einer von ihnen gewesen.

Sie hatten Zugang zu dem Leben, nach dem er sich verzehrte. Wie damals, als er ein lebendiger Toter gewesen war, wollte er die Sterblichen aussaugen, die sich nicht schützen konnten. Wenn er dieses untote Paar beneiden könnte, würde er es tun, aber für derartige Gefühle hatte er keine Zeit. Sie besaßen kein Leben, also waren sie irrelevant für ihn.

Für die Wesen auf der anderen Seite war er unsichtbar. Als er nicht mehr lebendig, aber noch Teil der Welt gewesen war, hatte er diejenigen, die vor ihm gestorben waren, auch nicht sehen können. Doch obwohl sie blind waren, schienen sie ihm zu folgen. Er entfernte sich von ihnen, denn er suchte nach Leben.

Seine endlose Suche nach dieser sterblichen Energie machte ihn zum Narren. Das Leben pochte in Menschen und Tieren, die er jeden Tag sah, aber nicht berühren konnte. Auch wenn der Schleier hauchdünn war, trennte er ihn doch von dem, was er so sehr begehrte. Er konnte danach greifen, es sogar für einen kurzen Moment in seinen Händen halten, aber der Schattenvorhang ließ ihn nie wirklich herankommen.

Farbe war unbekannt in seiner Form der Existenz, sie würde seine Sinne überfordern, wenn er welche hätte. Zwischen den beiden Leblosen öffnete sich etwas, das furchterregend schimmerte wie das flammende Schwert des Engels an den Toren von Eden. Dieses Etwas zog die Schatten an wie die Motten das Licht. Eigentlich hasste er solche Klischees. Aber noch mehr hasste er, dass das Ding auch ihn anzog. Der leuchtende Riss wurde breiter, und eine Hand, die zwar nicht lebendig, aber dennoch real war, fuhr hindurch.

Die anderen Schatten stürzten laut schreiend darauf zu, glitten darüber. Wie Wasser auf einem Ölfilm perlten sie an seiner Haut ab. Als würde er nur nach ihm suchen, schob der Eindringling die anderen zur Seite, packte ihn und blieb an ihm hängen.

Seit seinem Tod war Angst ein Fremdwort für ihn. Verzweiflung hatte er zum letzten Mal gespürt, als sie ihn verraten hatte. Doch während ihn jetzt die rauen Finger durch den Riss hinauszogen empfand er eine schreckliche Panik.

Vergessen geglaubte Gefühle brachen mit einem Mal stark und intensiv über ihn herein. Ungreifbare, heiße Empfindungen, die er als angenehm in Erinnerung hatte, erfassten ihn. Seine körperlose Existenz wurde in eine Form gepresst, die ihm bekannt war und gleichzeitig entsetzlich fremd.

Zu hell. Zu kalt. Zu wirklich.

Und zu laut.

Das Lachen der einen Person klang wie zersplittertes Glas. „Wir haben’s verdammt noch mal geschafft! Ich kann’s nicht fassen, wir haben ihn wieder!“

Das Licht brannte in seinen Augen. Er blinzelte, konnte aber seine Umgebung nur verschwommen wahrnehmen. In seiner Brust schlug ein menschliches Herz, obwohl er doch seit Jahrhunderten ohne eines ausgekommen war.

Leben. Er war am Leben.

Entsetzt fiel er zu Boden, schrie und griff verzweifelt nach dem sterblichen Gefängnis seines neuen Körpers.

Derjenige, der ihm das angetan hatte, beugte sich über ihn und klopfte ihm auf den Rücken. Die Berührung war wie ein Nadelstich, der sein Fleisch bis zu den Knochen durchbohrte.

„Willkommen zurück, Cyrus.“

1. KAPITEL

Albtraum

„Du hast heute Morgen von ihm geträumt, Carrie.“

Als ich Nathans Stimme hörte, erstarrten meine Finger auf der Tastatur. „Beobachtest du mich wieder, wenn ich schlafe?“

Ich war beunruhigt. Zum einen war es wahnsinnig unheimlich. Zum anderen regte sich die Gewohnheit meines Erschaffers, meine Albträume auszuspionieren, für gewöhnlich dann, wenn es Ärger gab. Vor zwei Monaten, vor unserem großen Streit mit ihm, war ich oft aufgewacht, weil Nathan im Bett neben mir lag und mich anstarrte, als würde ich verschwinden, wenn er mich aus den Augen ließ. Nur drei Wochen später, als unser neuer Blutspender in der Absicht bei uns eingebrochen war, uns im Bett zu pfählen, hatte Nathan in meinem Schreibtischstuhl gesessen und mich im Schlaf bewacht, während er darauf wartete, dass irgendetwas, was auch immer, geschah.

Damit er nicht länger wie eine Erscheinung in der Tür stand, kam er herein und setzte sich auf mein Bett – einen anderen Platz gab es nicht, denn das Zimmer war sehr klein –, er setzte sich also ungefragt, als hätte ich ihm den Platz angeboten. Mir machte das nichts aus. Immerhin war es seine Wohnung, und Ziggys altes Zimmer fühlte sich nicht wirklich wie mein Zuhause an.

Ich musterte ihn, während er mich beobachtete. Wahrscheinlich wollte er meine Stimmung abschätzen. Nathan hasst es, mit mir zu streiten, und offensichtlich hegte er andere Hoffnungen, in welche Richtung diese Unterhaltung gehen sollte.

Pech.

„Na gut, ich mach mir Sorgen.“ Fragend zog ich eine Augenbraue hoch, und er räumte ein: „Okay, ich bin aus völlig irrationalen Gründen sauer auf dich.“

Verflucht sei er für seine Schönheit. Die Zeit tut einem nichts mehr an, wenn man ein Vampir geworden ist, und Nathans Erscheinung war im Alter von zweiunddreißig Jahren eingefroren. Ungeachtet der Blässe, die siebzig Jahre ohne Sonnenlicht mit sich bringen, war er so jung und gut aussehend wie auf den Fotos seines vor-vampirischen Daseins. Im Moment eigentlich noch besser, denn er befand sich leibhaftig in meinem Schlafzimmer. Dunkle Haare, umwerfende graue Augen und ein Körper, so grazil und kräftig, als wäre er in einem früheren Leben die Statue eines griechischen Gottes gewesen. Aber es waren seine Augen, denen ich verfallen war. Obwohl er mit Härte gehandelt und mein Leben bedroht hatte, als wir uns zum ersten Mal begegneten, entdeckte ich Liebenswürdigkeit und Leid in ihnen. Seine Augen waren nicht nur Fenster seiner Seele, sie waren Türen, die durchließen, was er nicht vor mir verbergen konnte, auch wenn es das Blutsband zwischen uns nicht geben würde.

Ich wandte mich wieder meinem Computer zu, wo meine aktuelle Dissertation über die Physiologie der Vampire mit ungeduldig blinkendem Cursor wartete. Man kann einer Ärztin das Menschsein nehmen, aber man kriegt die Ärztin nicht aus dem Vampir. Oder so ähnlich. Ich arbeitete an Eine Fallstudie von Bluttypenkompatibilität und ihre Wirkung auf den Stoffwechsel, um die Zeit totzuschlagen und mich vom Wahnsinn der letzten zwei Monate abzulenken. Doch der holte mich unweigerlich ein, und so saß ich, als Nathan mein Zimmer betrat, stumpf da und tippte immer wieder die Worte „verrückte gelbe Röhrensocken“ in die Tastatur. „Du hast von irrational geredet, nicht ich.“

„Ich kann nichts dafür.“ Seine Verlegenheit teilte sich mir durch das Blutsband deutlich mit, aber sie konnte meinen Ärger nicht dämpfen. „Was ist los?“

„Gut, also erstens, ich habe dieses blöde Forschungsprojekt satt –“

„Du hast es satt? Ich bin diejenige, die während der ganzen verdammten Woche AB negativ getrunken hat.“ Obwohl er leise lachte, war ein müder Unterton zu hören.

„Und du hast mich im Schlaf beobachtet, was normalerweise heißt, dass etwas Schlimmes passieren wird. Und – ich habe diese Albträume.“ Erschöpft bedeckte ich mein Gesicht mit den Händen und massierte meine Stirn. „Ich bin sicher, es ist gar nichts los.“

„Es klingt nicht nach nichts.“ Die Bettfedern quietschten, als er aufstand.

Resigniert ließ ich die Hände sinken und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Ach, er lauscht auch noch, statt nur zu spannen.“

Der Hauch eines sarkastischen Lächelns huschte über sein Gesicht, während er neben meinem Stuhl niederkniete. „So wie du es sagst, klingt es direkt unanständig.“

Ich wusste, dass er machtlos war gegen die Welle verspielter Lust, die mich durch das Blutsband erreichte, denn unsere Gehirne waren in einem seltsamen Gemeinschaftsanschluss miteinander verbunden. Solange er mich nicht abblockte oder ich ihn, hörten wir die Gedanken des anderen oder fühlten seine Emotionen. Verspürte einer von uns auch nur die leichteste Neigung in sexueller Richtung, erfuhr es der andere – und reagierte gewöhnlich sofort darauf.

Leider filterte das Blutsband die negativen Emotionen nicht heraus, sodass ich regelmäßig jede Menge postsexueller Schuldgefühle abbekam. Gedanken an Marianne, seine tote Frau, wichen nie ganz aus seinem Bewusstsein, und gewöhnlich setzte schon wenige Minuten nach dem kleinen Tod die Geißelung ein. Sobald ich seine Gewissensbisse fühlte, regte sich mein eigener Schuldkomplex, da ich für seine Seelenqualen mitverantwortlich war. Der dann folgende Schneeballeffekt war Grund genug, jeden Sex mit ihm für immer aufzugeben.

Abgesehen von gelegentlichen Anfällen, wenn es einfach sein musste. Die aufzugeben, wäre einem Heroinentzug von einer Minute auf die andere gleichgekommen.

Der Gedanke deprimierte mich, also schob ich ihn beiseite. Ich schwang mich auf dem Drehstuhl herum und lehnte mich zurück. „Mal im Ernst, warum beobachtest du mich?“

„Die Albträume.“

Ich zuckte mit den Achseln und hoffte, meine Gleichgültigkeit würde ihn überzeugen, die erschreckenden Träume als etwas ganz Normales anzusehen. „Ich habe oft Albträume.“

„Du hast seinen Namen gesagt.“

Nathan war nicht mein erster Schöpfer. Cyrus, den ich nur als namenlosen Toten kannte, als er mich in der Leichenkammer des Krankenhauses angriff, hatte aus mir einen Vampir gemacht. Er hatte mich auch fast umgebracht, da ich mich weigerte, seine perversen Bedürfnisse zu befriedigen. Als ich mich an Nathan und die Voluntary Vampire Extinction Movement, die freiwillige Bewegung zur Ausrottung der Vampire, um Hilfe wandte, riss Cyrus mir eins meiner beiden Herzen – ein befremdliches, nur Vampiren eigenes, körperliches Merkmal – heraus und ließ mich zum Verbluten in der Gasse hinter Nathans Haus liegen. Als Nathan mich fand, lag ich im Sterben. Er reanimierte mich, indem er mir sein Blut gab. Es hatte den ersehnten Effekt – ich überlebte. Nur hatte er sich nicht klargemacht, dass er mich auch als Vampir wieder neu erschaffen würde.

Nathan hatte Cyrus schon immer aus tiefstem Herzen gehasst. Nun, als mein neuer Schöpfer, hasste er ihn zehnmal stärker. Ihm war es zuwider, wenn ich meinen ersten Erschaffer nur beiläufig erwähnte. Meine böse, antagonistische Seite konnte nicht anders, und zwang mich, über Cyrus zu sprechen: „Vielleicht setzt mein Unterbewusstsein die Träume von Cyrus nur ein, um dich auf die Palme zu bringen?“

Abschätzend runzelte er die Stirn. „Das ist dieselbe Entschuldigung, die du für die offene Zahnpastatube benutzt.“

Nathan hatte recht, wie immer. Verdammte Schöpferintuition. Ich schaltete meinen Monitor aus und lehnte mich wieder im Stuhl zurück. „Ich vermute, du hast schon eine Theorie.“

„Noch nicht. Ich habe gehofft, dass mir etwas einfällt, während du mir – in allen Einzelheiten – von diesen Träumen erzählst. Dann wollte ich dich mit einem monumentalen, dramatischen Ausruf unterbrechen, so etwas wie ‚Aha!‘, woraufhin du tief beeindruckt von meiner Genialität und leicht erregt sein solltest.“ Er zuckte die Achseln. „Aber fürs Erste begnüge ich mich auch mit den Einzelheiten.“

Amüsiert rollte ich die Augen, wurde jedoch schnell ernst und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich sehe nie sein Gesicht, aber ich weiß, dass er es ist.“

Nathan nickte und bedeutete mir fortzufahren.

„Es existieren keine Farben außer Blau.“ Ich biss mir auf die Lippe. „Dieses an Wasserfarben erinnernde Blau aus der Zeit, als ich … tot war.“

Eine tiefe Falte zeigte sich plötzlich auf Nathans Stirn, ein sicheres Zeichen dafür, dass mein Bericht sein Interesse geweckt hatte. „Bist du sicher, dass du nicht nur diese eine Nacht verarbeitest?“

Wenn ich diese Träume hatte, sah ich immer dieselben Dinge. Die leuchtend orangefarbene Katze, die an meinem hingestreckten Körper vorbeistrich. Die unförmigen Konturen der Schattenmenschen, die kamen, um mich zu holen. Mit diesen Erinnerungen wollte ich Nathan nicht belästigen. Mein kurzer Tod – der zweite – hatte ihn schon genug traumatisiert. „Vergiss die Psychoscheiße. Du glaubst, ich habe diese Träume aus einem bestimmten Grund, so ist es doch?“

Nathan holte tief Luft, während er offensichtlich nach einer ausweichenden Antwort suchte. „Ich vermute, es könnte sich um Überbleibsel eurer früheren Blutsbande handeln.“

„Aber warum jetzt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Es ist zwei Monate her. Was soll passiert sein, dass das Band auf einmal reaktiviert wird?“

Er stand auf und versuchte – vergeblich – unbesorgt auszusehen. „Es könnte alles Mögliche sein. Ich habe Max gebeten, mal im Archiv der Bewegung zu stöbern.“

Die Bewegung zur freiwilligen Ausrottung der Vampire war eine strenge, totalitäre Organisation und forderte den Tod aller Vampire, die nicht nach einem strikten Kodex lebten. Nathan war seit siebzig Jahren auf Bewährung in dieser Bewegung, weil er seine Frau getötet hatte, obwohl ihr Tod nicht allein seine Schuld gewesen war. Aber mich zu erschaffen, verstieß gegen eine Kardinalregel, nämlich, nie den absehbaren Tod eines verwundeten Vampirs zu verhindern. Nathan hatte sich entschieden, lieber unterzutauchen, als zu warten, bis sie es herausfanden und ihn umbrachten. Aber er hielt Verbindung mit Max Harrison, dem einzigen Vampir, der über Nathan und mich Bescheid wusste.

Ich lächelte. „Ich bin sicher, dass diese Aufgabe ihn entzückt hat.“

„Max hat keine Wahl“, sagte Nathan vergnügt. Er machte keinen Hehl mehr daraus, dass er es genoss, Max das Leben zur Hölle zu machen. „So, die Sonne ist längst untergegangen, ich geh besser nach unten und verdiene mein Brot. Kommst du heute Nacht arbeiten? Es sind neue Bücher gekommen, die aufgenommen werden müssen.“

„So verführerisch es klingt, nein.“ Ich hatte in Nathans Esoterik-Buchladen schon genug unbezahlte Stunden abgedient, um mehrere Leben damit zu füllen. Ich konnte gut darauf verzichten, schon wieder das neueste Buch der Schatten oder irgendwelche Kräuterbündel einzusortieren. Ich deutete auf den Computer. „Ich muss das fertig machen, bevor es mich in den Wahnsinn treibt.“

„Und mich erst.“ Nathan zog eine Grimasse. „Wenn du mal wieder verrückte Experimente machen willst, such dir jemand anderen als Laborratte.“

Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, als er ging. Gewöhnlich schloss er ab, aber ich hörte kein Schlüsselgeräusch.

Vampire nehmen das Band zwischen dem Schöpfer und seinem Zögling genauso ernst wie Menschen das Verhältnis zwischen Eltern und ihrem Kind. Nathan war normalerweise ängstlich und übervorsichtig um meinen Schutz besorgt. Ich versuchte, das Gefühl abzuschütteln, dass etwas nicht stimmte. Solche Gedanken sind wie Spinnenbisse: Hast du erst einmal gekratzt, infiziert sich die Stelle und die Vergiftung breitet sich aus. Ich brauchte keine Nacht auf heißen Nadeln, in der ich beim kleinsten Geräusch immer wieder aufsprang.

Ich knipste den Monitor an und hoffte, die medizinische Fachsprache würde mich auf andere Gedanken bringen, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Mein Unbehagen wuchs, meine Handflächen wurden feucht und ich spürte ein Kribbeln in meinem Magen. Ich hakte die Symptome im Kopf ab und erkannte erst dann die körperlichen Anzeichen des Flight-or-Fight-Syndroms.

Kämpfe oder flieh.

Diese uralte Reaktion auf Angst hatte sich langsam in mir aufgebaut, aber ich war nicht in unmittelbarer Gefahr. Mein Herz hämmerte panisch in meiner Brust, während ich in mein Spiegelbild hinter den Worten auf dem Bildschirm starrte. Meine Pupillen waren erweitert. Mein Gesicht fing an, sich zur Monsterfratze zu verziehen. Ich stand auf und zwang mich zur Ruhe. Es gab keinen Grund, sich so zu fühlen.

Es sei denn, die Ursache war das Blutsband.

Nathan.

Wie von der Tarantel gestochen, rannte ich aus dem Zimmer und riss dabei den Bürostuhl um. Unsere Wohnung lag im obersten Stock von Nathans Haus. Der Buchladen befand sich im Keller. Ich raste die Stufen hinab, so schnell ich konnte, fing mich am Geländer, als meine Füße sich verhedderten. Die Tür im Parterre schien Lichtjahre entfernt. Ich stürzte hindurch und auf die Straße. Die kühle Luft der Frühlingsnacht verschlug mir den Atem.

Dann kam der Schmerz, und ich vergaß das Atmen.

Das Blutsband war verschwunden. Es war nicht so, als ob Nathan seine Gedanken vor mir abschirmte. Das hatte sich immer wie eine Mauer angefühlt. Doch dies hier war … absolute Leere. Normalerweise war das Blutsband wie eine straff gespannte Leine zwischen uns gespannt, doch jetzt hing ein Ende einfach schlaff herab.

Nathan war tot.

Ich packte das schmiedeeiserne Geländer und bewegte mich langsam auf das obere Ende der Treppe zu, die vom Bürgersteig hinab in den Laden führte. Mondlicht beschien zersplittertes Glas am Boden. Was immer Nathan erwischt hatte, es war durch ein zerbrochenes Fenster hineingekommen.

Besorg dir eine Waffe. Hol Hilfe. Doch mein Herz war stärker als mein Verstand. Ich musste zu meinem Schöpfer.

Außer mir vor Angst stürzte ich hinunter, nahm zwei Stufen auf einmal. Im hinteren Bereich des Ladens flackerte noch ein Licht wie im Todeskampf. Fluoreszierende Reste der pulverisierten Leuchtröhren waren über den Boden verteilt. Hier und da sprühten aus durchgebrannten Kabeln Funken von der Decke wie Schneeflocken.

Die Tische, auf denen normalerweise stilvoll Kristalle, Tarotkarten und ähnlicher New-Age-Kram präsentiert wurden, waren völlig zerstört. Zersplittert lagen sie am Boden und begruben die Waren, die sie getragen hatten. Rechts von mir war die Vitrine im Tresen eingeschlagen. Ich wusste, dass Nathan im Regal dahinter eine Axt aufbewahrte. So leise wie möglich bewegte ich mich in diese Richtung, aber all das Glas knirschte unter meinen Schuhen. Im Labyrinth der Bücherregale hinter mir scharrte etwas.

Das Geräusch ließ mich für einen Moment erstarren. Ich wog die Entfernung zur Tür gegen meine Chancen, mich erfolgreich mit einer Axt zu verteidigen. Dann ließ ich jeden Gedanken an Flucht fahren. Ich konnte Nathan nicht im Stich lassen, nicht, wenn es auch nur die leiseste Hoffnung gab, ihn zu retten.

Die letzten paar Schritte sprintete ich zum Regal und schnappte mir die Axt, packte sie fest am Stiel und versuchte Mut in meine steifen Finger zu pumpen. Was immer hier eingebrochen war, es war noch im Laden.

Meine Nackenhaare richteten sich auf. Das Ding, das sich im Schatten verbarg, knurrte.

Die Uhr hinter dem Ladentisch schlug. Ich fuhr zusammen. Die Kreatur stürzte sich auf mich.

Mein Kopf schlug hart auf den Boden, als das Ding mich niederwarf und ein Feuerwerk aus Schmerz in meinem Bewusstsein explodierte. Der Geruch von Nathans Blut, sonst ein willkommener, vertrauter Duft, füllte meine Nase mit saurem Dunst, und ich würgte. Mit zusammengekniffenen Augen spannte ich alle meine Muskeln an und versuchte, mich nicht zu übergeben.

Das Gewicht des Dings, das mich niederdrückte, verschwand. Ich machte die Augen auf und sah es gerade noch über den Tresen springen. Sein rasselnder Atem übertönte beinah die immer noch schlagende Uhr.

„Nathan?“, kreischte ich und erkannte meine Stimme in ihrer Panik kaum wieder. Erneut schrie ich seinen Namen und bekam keine Antwort.

Mit glasklarer Bestürzung erkannte ich, dass Nathan mir nicht zu Hilfe kommen konnte. Ich war allein mit dieser Kreatur und elendig schlecht für meine Verteidigung ausgerüstet.

Ein lautes Fauchen war hinter dem Tresen zu hören, und in nacktem Entsetzen schleuderte ich die Axt danach. Sie traf die Registrierkasse, fiel zu Boden und lag nun außerhalb meiner Reichweite.

Ich war allein. Unbewaffnet. Und dann auch noch unverzeihlich dumm.

Mir blieb keine Zeit für Selbstvorwürfe. Die Kreatur sprang mich über die Tresenplatte an. Mein Atem entwich mit lautem Zischen, und durch einen Schleier aus Schmerz sah ich über mir das Ding, das mich niederdrückte.

Ein Mann. Ein nackter, blutender Mann.

Die Kreatur hatte Nathan nicht umgebracht. Die Kreatur war Nathan.

Sein Gesicht hatte sich zur Raubtierfratze verzerrt. Seine Augen waren kalt, und er erkannte mich nicht. Mit einer Faust umklammerte er eine bluttriefende Glasscherbe. Blutige Symbole verunstalteten seine Arme und seine Brust, und mir wurde aufs Neue übel, als ich begriff, dass er sie sich selbst ins Fleisch geschnitten hatte.

Er neigte den Kopf in meine Richtung, und ich wandte mich ab. Er beugte sich herunter, bis sein Atem die Haare an meiner Schläfe bewegte, und schnupperte an mir. Mit deutlichem Knurren hob er die Scherbe hoch über seinen Kopf.

„Nathan, bitte nicht“, flüsterte ich, aber ich wusste, er konnte mich nicht hören. Dieses Ding war nicht Nathan. Es war ein Monster mit dem Gesicht meines Schöpfers.

Die Scherbe stieß herab, und ich zuckte zusammen, als sie auf dem Boden neben meinem Kopf zersprang. Aus seiner zerschnittenen Handfläche sprühte warmes, frisches Blut über mein Gesicht. Er ergriff mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Dann krächzte er etwas in einer Sprache, die sich gefährlich anhörte, doch ich verstand kein Wort. Abrupt stand er auf und bewegte sich von mir weg.

Obwohl ich mich in Sekundenschnelle aufsetzte, war er verschwunden, bevor ich ihn hinausgehen sah. Der einzige Beweis für seine Anwesenheit waren die blutigen Fußabdrücke auf der Treppe zur Straße.

Zitternd hob ich eine Hand, als wollte ich nach ihm greifen. Sie war nass von seinem verunreinigten Blut. Normalerweise tröstete mich der Geruch von Nathans Blut. Jetzt aber war es von irgendetwas verdorben, und mir wurde schlecht von dem Gestank. Ich zog mir das T-Shirt über die Nase und kroch zur Tür. Glasscherben stachen in meine Arme, doch ich fühlte sie kaum.

Wie ein Zombie stolperte ich die Treppen zur Wohnung hinauf. Das Blut, das aus meinen zerschnittenen Händen tropfte, nahm ich kaum wahr. Meine Geistesgegenwart kehrte so weit zurück, dass ich die Tür aufschließen konnte und den Riegel hinter mir vorlegte. Dann ging ich in Nathans Zimmer, setzte mich auf die Bettkante und packte das schnurlose Telefon. Ich wählte mechanisch und fixierte eine Teppichfalte nahe der Kante des Läufers.

„Harrison.“ Max am anderen Ende der Leitung klang unbeschwert. Ich wollte sein, wo er war, und nichts von dem wissen, was ich eben gesehen hatte.

„Hier ist Carrie.“ Ich schluckte, die Zunge in meinem Mund fühlte sich geschwollen an. „Ich brauche dich.“

2. KAPITEL

Vertrautes Gelände

Der Boden war kalt, dafür war die Luft zu heiß und zu hell. Instinktiv schreckte Cyrus vor dem Sonnenlicht zurück, das sein Fleisch berührte.

Sein nacktes, menschliches Fleisch.

Wie demütigend. Er hatte nicht die Energie, gegen diese Würdelosigkeit aufzubegehren. Müdigkeit quälte seine Knochen, Hunger nagte an seinen Nerven. Als Vampir war der Durst nach Blut dasselbe gewesen wie Hunger, aber doch weit mehr als ein körperliches Bedürfnis. Den Blutdurst zu stillen, war ein Akt emotionaler Erfüllung, der Drang, dem Grundtrieb seiner Art zu folgen. Töten. Beherrschen. Menschlicher Hunger war dagegen sadistisch und so simpel. Den einfachen Todeskampf des Organismus hatte er seit Jahrhunderten nicht mehr gefühlt.

Was war mit ihm passiert?

Stöhnend setzte er sich auf. Seine Muskeln protestierten schmerzhaft, und er brach wieder zusammen. Höhlenartige Dunkelheit umgab ihn. Über ihm strömte ein Kegel Sonnenlicht herab und legte, wie Dahlia es genannt hätte, einen Schutzkreis um ihn. Dahlia. Wenn sie hier ihre Finger mit im Spiel hatte, würde er ihren kleinen, süßen Kopf von ihren fetten Schultern schlitzen, Hexe hin oder her. Wenn er sich erst einmal erholt hatte, würde seine Wut ihm genug Stärke verleihen, um es mit einer ganzen Armee Vampirhexen aufzunehmen. Da war er sicher.

In der Dunkelheit hörte er Stimmen, konnte aber nicht erkennen, aus welcher Richtung sie kamen. Sein Blick war nicht besonders scharf, auch wenn er mehr erkennen konnte als zu Zeiten seines Todes.

Tot. Carrie. Der Schmerz über ihren Verrat kehrte mit überraschender Grausamkeit zurück. Sie hatte seine Liebe zurückgewiesen und sein Blut. Dann hatte sie ohne eine Spur von Gewissensbissen eine Klinge durch sein Herz getrieben. Fast hätte er die Tat bewundern können, wenn er nicht das Opfer gewesen wäre.

Er schloss die Augen und streckte sich auf dem kalten, harten Boden aus. Marmor, dachte er. Seltsam, wie ihm nach und nach wieder alles einfiel. Vielleicht war das der Beweis für die Existenz der Seele – Erinnerungen aus den vergangenen Leben. Dahlia hatte immer darauf bestanden, dass ihre Seele schon andere Leben gelebt hatte, in den Körpern von berühmten und berüchtigten historischen Persönlichkeiten. Nein, er würde jetzt nicht anfangen, an die Unsterblichkeit der Seele zu glauben. Das würde die Situation hier noch lächerlicher machen.

Genau wie dieses unangenehm drückende Gefühl in seinem Unterleib. Das hatte er lange nicht mehr gespürt, aber die Bedeutung kam mühelos zurück.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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