Beste Freunde liebt man nicht - Kate Franklin - E-Book

Beste Freunde liebt man nicht E-Book

Kate Franklin

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Beschreibung

"Wenn dir jemand nicht mehr aus dem Kopf geht, gehört er in dein Herz." Seit sie denken kann, glaubt Helene an die große Liebe. Doch die Suche nach ihrem Prinzen auf dem weißen Pferd gestaltet sich schwieriger als gedacht. Zudem beschert sie ihr eine Reise voller Dating-Abenteuer. Während sie von einem Desaster ins nächste schliddert, ist es ihr bester Freund Kai, der sie immer wieder aus ihren missglückten Dates rettet. Dass sie in seiner Gegenwart auf einmal Schmetterlinge im Bauch hat, war allerdings nicht geplant. Erst recht nicht der Kuss, der alles durcheinanderbringt. Und dann taucht auch noch eine andere Frau in Kais Leben auf. Aus Angst, die Freundschaft zu zerstören, distanziert sich Helene. Schließlich verliebt man sich nicht in seinen besten Freund, oder? Dieses Buch ist Teil der Verlieb-dich-in-Dresden-Reihe. Die Romane dieser Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Sie sind jedoch durch einige wiederkehrende Figuren miteinander verbunden. empfohlene Reihenfolge: - Wetterfrösche küsst man nicht - Beste Freunde liebt man nicht

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11 - Kai

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24 - Kai

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27 - Kai

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Danke

Die Autorin

Newsletter

Lies auch:

Leseprobe

Impressum

Kate Franklin

Beste Freunde liebt man nicht

Liebesroman

Teil 2

Vorwort

"Wenn dir jemand nicht mehr aus dem Kopf geht,

gehört er in dein Herz."

Playlist

Milow – Whatever it takes

Maroon 5, Megan Thee Stallion – Beautiful Mistakes

Banners – Someone to you

Declan J Donovan – Perfectly Imperfect

Wilhelmine – Solange du dich bewegst

Michael Schulte – Stay

Wincent Weiss – Wer wenn nicht wir

Nico Suave, Johannes Oerding – Gedankenmillionäre

Declan J Donovan – Before you let me go

K-Fly, McN – Wenn du da bist

Alesso, Armin van Buren – Leave a little love

Ella Henderson, Tom Grennan – Let’s go home together

Joris – Willkommen Goodbye

Cheat Codes, AJ Mitchell – Hate you + Love you

Jupiter Jones – Still

The Common Linnets – Calm after the storm

Kelly Rida – Almost Lover

Stereoact, Chris Cronauer – Bis ans Ende der Welt

Livia Mischel – Achterbahn

Selena Gomez – Lose you to love me

Pascal Leboutlon, Leony – Friendships (lost my love)

Purple Disco Machine – Hypnotized

Purple Disco Machine – Fireworks

Diese Playlist findest du auch bei Spotify unter „Beste Freunde liebt man nicht“ von Kate Franklin.

Kapitel 1

»Bist du rasiert?« Der Typ, der mir gegenübersaß, war weitaus älter, als er sich im Datingportal ausgegeben hatte. Ende dreißig. Mindestens. Mit lässig vor der Brust verschränkten Armen grinste er mich an und streifte sich mit den Fingern durch seine schmierig glänzenden Haare, während ich mich langsam nach vorn beugte und mit den Ellenbogen auf dem Tisch abstützte.

Bedächtig fuhr ich mit den Fingerkuppen erst über mein Kinn und dann über meine Wangen. »Heute ja, aber nur für dich. Du hast keine Ahnung, was hier sonst so wächst.« Noch einmal fuhr ich demonstrativ über mein Kinn.

Sein Blick war einfach göttlich. Für einen Moment schien er irritiert und schüttelte den Kopf. »Ich meinte untenrum.«

»Ich auch. Wie gesagt, hier stoppelt es sonst ziemlich arg.« Und noch einmal fuhren meine Finger über mein Kinn und den Ansatz meines Halses. Kapierte er es nicht?

Als wäre ihm gerade ein Licht aufgegangen, tippte er lachend mit dem Zeigefinger an seine Schläfe. »Du bist witzig, das gefällt mir.«

Und du bist schwer von Begriff. Das gefällt mir gar nicht, dachte ich, hielt aber meine Klappe.

Ich lehnte mich wieder zurück und schlürfte wenig elegant aus meiner Kaffeetasse. Warum tat ich mir das eigentlich an? Warum ließ ich mich immer wieder dazu hinreißen, mich mit den Typen, die ich online kennenlernte und auf den ersten Blick ganz nett fand, zu treffen? Es ging jedes Mal in die Hose. Jedes. Mal.

Doch seit meine beste Freundin Merle ihren Traummann gefunden hatte und mit ihm im siebten Himmel schwebte, war mein Bedürfnis, den Prinzen auf dem weißen Pferd zu finden, noch viel größer als zuvor. Und so ließ ich nichts unversucht.

Mister Grinsebacke hier war allerdings eher einer aus der Kategorie Lackaffe auf Klappergaul und damit so gar nicht mein Fall.

Es war zum Haareraufen.

Eines musste man ihm jedoch lassen – sein Durchhaltevermögen war beeindruckend. Er wurde nicht müde, mir von seinen Qualitäten vorzuschwärmen und wie viele Damen er doch schon mit seinem Gemächt beglückt hatte. Und wie glücklich ich mich schätzen konnte, mit ihm hier zu sitzen, die Warteliste wäre wahnsinnig lang.

Na genau, wer das glaubte, fraß auch Grünkohl.

»Am besten fahren wir gleich zu mir«, schlug er vor, als wäre die Sache zwischen uns längst klar.

»Weil?« Ich streckte ihm meine gerümpfte Nase entgegen.

»Weil ich Lust auf dich habe und dich rasieren möchte.«

Bitte? Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und hustete fürchterlich. Mein Würgereiz ließ sich kaum noch unterdrücken. »Wie nett«, entgegnete ich mit einem süßsauren Lächeln, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und schlug innerlich die Hände überm Kopf zusammen. »Ich geh nur noch mal aufs Klo. Unterboden-Check, du weißt schon.« Schnell stand ich auf und zwinkerte ihm zu, bevor ich mit der Zunge schnalzte.

Unterboden-Check? Gings eigentlich noch, Helene Bauer? Sag ihm doch einfach, dass aus seiner hirnrissigen Idee nichts wird!

Die Toiletten befanden sich Gott sei Dank auf der anderen Seite des Cafés, in dem wir uns getroffen hatten, sodass ich außer Sichtweite war. Ich schlug die Tür hinter mir zu und lehnte mich gegen die kühlen Fliesen. Geräuschvoll stieß ich die Luft aus. Was zur Hölle hatte ich mir da nur eingebrockt?

Konnte ich mein Leben nicht einfach mal laufen lassen, so wie mein bester Freund Kai immer vorschlug? Es auf mich zukommen lassen, ohne zu intervenieren? Ich war so eine Idiotin, dass ich meine Finger nicht von all den Datingportalen lassen konnte. Ich war überall angemeldet. Wirklich überall. Und immer war es das gleiche Dilemma. Die Typen waren entweder stockhässlich, bildungsneutral, vergeben und auf der Suche nach Abwechslung oder – und das traf am häufigsten zu – nur auf eine schnelle Nummer aus.

Ich hingegen war auf der Suche nach Mister Right. Meinem Mister Right. Dem Mann fürs Leben. Er war etwas ganz Besonderes. Das wusste ich. Was ich nicht wusste und völlig unterschätzt hatte, war der Umstand, wie viel Zeit und Anstrengung es brauchte, um ihn zu finden. Nicht einmal mein Aufenthalt in England vor einem Jahr hatte etwas genützt. Immer wenn ich dachte, yes, he is perfect, tauchte plötzlich eine eifersüchtige Freundin auf. Oder man wollte nur mit mir befreundet sein, weil ich ja so ein guter Kumpel war. Oder man fand mich zu dünn. Oder zu dick. Oder zu klein. Oder zu blond.

Hatte ich erwähnt, dass es zum Haareraufen war?

Das Telefon in meiner Hand vibrierte kurz und signalisierte den Eingang einer Nachricht, die wie gerufen kam.

Kai: Na, wie läuft dein Date?

Helene: Frag nicht. Er wollte wissen, ob ich rasiert bin. Untenrum. Ist das zu glauben?

Kai antwortete mit ungefähr fünfundzwanzig lachenden Smileys.

Kai: Und? Bist du?

Helene: KAI!!!!!!

Kai: Hey, das war Spaß. Soll ich dich retten?

Helene: Ja, bitte. Das wäre voll nett.

Kai: Voll nett ist mein zweiter Vorname. Ich ruf dich in fünf Minuten an.

Noch einmal atmete ich tief durch, dann steckte ich das Telefon weg und wusch mir die Hände, bevor ich wieder zum Lackaffen an den Tisch ging.

»Na, das hat ja lange gedauert. Den Check hätte ich doch auch übernehmen können.« Süffisant grinsend leckte er sich über die Unterlippe, deren feuchter Glanz mich derart verstörte, dass ich das Bild wohl nie wieder loswerden würde.

»Ich muss mich schon selbst davon überzeugen, dass alles seine Ordnung hat«, erwiderte ich kühl, während das Telefon in meiner Tasche verlässlich zu Brummen begann. »Oh, Moment ...«

Gedanklich schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel dafür, dass ich Kai hatte. Seit wir uns durch Merle kennengelernt hatten, war er zu meinem besten Freund geworden. Wir hatten uns auf Anhieb gut verstanden, auf ihn war Verlass und er war immer für mich da. Mit ihm konnte ich über alles reden. Und ziemlich oft rettete er mich aus Situationen wie dieser. Als wären wir Verbündete, die auf einer einsamen Insel gestrandet waren und den Kampf gegen das Unbekannte aufnahmen.

»Hi«, nahm ich das Gespräch an.

»Hey, kommst du raus? Oder soll ich reinkommen und dem Kerl eine reinhauen für seine freche Bemerkung?«

»Was? Ein Unfall? O mein Gott, das ist ja furchtbar«, stieß ich hektisch aus und blickte zu meinem Gegenüber, das mich keine Sekunde aus den Augen ließ.

»Das machst du hervorragend, Leni«, feixte Kai am anderen Ende und ich hoffte, der Lackaffe konnte ihn nicht hören.

»Wo bist du? Bist du verletzt? Ist der Krankenwagen schon da? Polizei? ... Was? ... Nein, natürlich ... Kein Problem, klar komme ich und hole dich ab. Ach, jetzt gleich?« Entschuldigend verzog ich mein Gesicht und bekam ein Schulterzucken vom Lackaffen.

Kai lachte sich derweil kaputt.

»Ach was, das ist kein Problem. Das kann ich sicher verschieben.« Jetzt lächelte ich süß zur gegenüberliegenden Tischseite. Der Lackaffe nickte.

»Ja, gut, dann bis gleich. Ich bin in zehn Minuten da.«

»Ich geb dir dreißig Sekunden, wenn du dann nicht draußen bist, komme ich rein«, knurrte Kai dramatisch, als würde er einen Mafia-Film synchronisieren.

»Ach du Schande«, stieß ich bestürzt aus, nachdem ich aufgelegt und das Telefon wieder in meiner Tasche verstaut hatte. »Mein Cousin hatte einen Unfall. Nichts Dramatisches, aber ich muss ihn abholen. Sein Auto ist im Eimer, Totalschaden. Tut mir leid.«

»Ja, so spielt das Leben manchmal. Wir können das selbstverständlich nachholen. Ich rufe dich später an, wenn ich meine Termine gecheckt habe.«

»Natürlich«, presste ich mühsam hervor und versuchte, den aufkommenden Lachanfall zu unterdrücken. »Das ist ... Das ist eine hervorragende Idee.«

Schnell raffte ich meine Sachen zusammen, legte einen Fünf-Euro-Schein auf den Tisch für den Kaffee und verabschiedete mich mit einem lapidaren »Ciao, war schön, dich kennengelernt zu haben« von ihm. Dann hastete ich aus dem Café, als wäre der Teufel hinter mir her.

Mein bester Freund wartete sicherheitshalber in etwas Entfernung auf der anderen Straßenseite. Er stand im Schatten an eine Hauswand gelehnt und sah irgendwie ... anders aus.

Ich beschleunigte meine Schritte, um die Distanz zum Lackaffen so schnell wie möglich zu vergrößern. Am Ende kam er noch auf die Idee, mir nachzulaufen, das wollte ich unbedingt verhindern.

Mein Kopf ruckte erst nach links, dann nach rechts, bevor ich die Straße überquerte und auf Kai zulief. Erst kurz bevor ich bei ihm war, fiel mir auf, was es mit seinem Aussehen auf sich hatte.

»Hey«, begrüßte ich ihn mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange und beäugte seinen Kopf. »Was ist mit deinen Haaren passiert?«

Bis gestern hatte er noch schulterlange Haare, die auf einmal zu einer modischen Herrenfrisur gekürzt waren. Ich war noch unschlüssig, was ich von dieser krassen Typveränderung halten sollte.

»Abgeschnitten.« Kai zuckte lediglich mit den Schultern. »Erzähl mir von deinem Date, ich will alles wissen.«

»Was? Nein! Warte. Wir waren gerade noch bei deinen Haaren. Warum hast du sie abschneiden lassen?« Während wir liefen, beugte ich mich ein wenig zurück und sah immer wieder auf seinen Hinterkopf. Es war so ungewohnt. Mir hatten seine langen Haare gut gefallen. Sie gehörten zu ihm, sahen immer gepflegt aus und ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihm zu raten, sie abzuschneiden.

»Ist mir zu warm auf Dauer. Bei diesen Temperaturen hält das doch keiner aus«, begründete er seine Entscheidung.

»Echt? Des Wetters wegen?«

Er nickte. »Japp. Deine Haare sind inzwischen lang und meine eben jetzt kurz. Passt doch. Außerdem stehen Frauen doch gar nicht auf lange Haare bei Männern.«

Keine Ahnung, was ihn da so sicher machte. »Ich mochte sie.«

»Ich weiß. Aber jetzt erzähl mir von deinem Date und lass uns ein Eis im Alaunpark essen, okay?«

Lachend nickte ich und hakte mich bei Kai unter. Er war wirklich der Beste. Cool, lässig, gut aussehend. Immer für Blödsinn jeglicher Art zu haben. Absolut vertrauenswürdig – er wusste so ziemlich alles von mir und über mich. Ich allerdings auch über ihn. Unsere Freundschaft war einzigartig. Und so kostbar, dass ich sie nie aufs Spiel setzen würde.

Auf der Hochzeit meiner besten Freundin hatte ich noch das Gefühl gehabt, dass vielleicht mehr aus uns werden konnte. Aber schnell war klar geworden, dass da nichts zwischen uns war. Zwar verstanden wir uns super, aber nur auf einer Ebene ohne jegliche Anziehungskraft. Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir nur Freunde waren und nie mehr daraus werden würde. Und genauso war es perfekt.

Böse Zungen behaupteten, dass eine Freundschaft zwischen Mann und Frau niemals funktionieren konnte. Doch wir waren der lebende Beweis dafür, dass es sehr wohl ging. Man musste nur die Fronten klären und das hatten wir getan. Uns stand also nichts im Weg – keine unerwiderten Gefühle oder so – was uns daran hinderte, miteinander befreundet zu sein.

In einer Kurzfassung berichtete ich von dem Date mit dem Lackaffen und seinem irrsinnigen Fetisch, mich rasieren zu wollen, während wir im Alaunpark auf der Wiese saßen und Eis aßen.

Ich liebte dieses Stückchen Stadt so sehr. Die Neustadt war der quirligste Teil von Dresden. Hier pulsierte das Leben und an manchen Ecken hatte man das Gefühl, dass die Zeit stehengeblieben war. Nach meiner Rückkehr aus England hatte ich mir hier eine Wohnung gesucht. Zudem einen Bürojob in einer kleinen Versicherungsagentur, weil ich nach wie vor keine Pläne hatte und nicht wusste, was ich mit meinem Leben anstellen wollte. Außer einen Mann finden, heiraten und Kinder bekommen natürlich.

»Hey, Leni, wo bist du mit deinen Gedanken?« Kai rüttelte an meiner Schulter und riss mich damit aus meinen Gedanken, woraufhin ich vor Schreck mein Eis fallen ließ.

»Na ganz toll, Herr Wiesmann. Super hingekriegt«, murrte ich und blickte auf die braungelbe Pampe vor mir auf der Wiese. »Hast Glück, dass es nicht auf meiner Hose gelandet ist.«

»Man muss halt immer das Positive sehen.« Sein Lachen steckte mich an. Das tat es immer. Wenn er lachte, lachte ich auch. Das war ein ungeschriebenes Gesetz.

»Wann ist dein nächstes Date?«, wollte er wissen, nachdem er wieder ernst geworden war.

»Warte, da muss ich in meinen Kalender gucken. Hab alles notiert. Ich glaube, morgen oder so.« Ich kramte in meiner Tasche und fischte mein Telefon heraus, um in der Kalender-App nach der korrekten Antwort zu suchen. Insgeheim hoffte ich, dass der Lackaffe mir nicht aus Versehen doch noch eine Nachricht geschickt hatte, und atmete erleichtert auf, weil weder Anrufe noch Nachrichten von ihm eingegangen waren. »Ah ja, morgen. Sag ich doch.«

»Okay. Was für ein Kaliber haben wir dieses Mal? Soll ich vielleicht mitkommen? Als dein Bodyguard oder so?«

Ich kreischte laut lachend auf. »Was? Spinnst du? Nein, ich glaube, der ist ganz nett.«

»Das waren sie vorher alle, du erinnerst dich?«

»Was ist eigentlich mit dir?« Um von mir abzulenken, drehte ich den Spieß einfach um.

»Was soll mit mir sein?«

»Na, was ist denn mit dir und den Frauen? Seit ich dich kenne, bist du Single ...«

»Ähm, und? Was ist daran so verwerflich?«

»Nichts, ich frag ja nur. Weil ... Na ja, wenn ich meinen Mister Right gefunden habe ... Was wird dann aus uns?« Innerlich spürte ich auf einmal diesen kleinen fiesen Stich. Kaum merklich und doch deutlich spürbar.

»Ach, Lenchen, du machst dir zu viele Gedanken. Ich wünsche dir wirklich, dass du deinen Traummann findest, und würde mich so für dich freuen, wenn er endlich vor dir steht. Aber sei dir sicher, mit uns ändert sich dann gar nichts, okay. Wir sind Freunde. Und das bleiben wir auch.«

Ich schnappte nach Luft und wollte etwas entgegnen, kam aber nicht dazu, denn Kai schüttelte den Kopf. »Nicht nachdenken, hab ich gesagt. Und jetzt komm her, du kannst mein Eis haben.«

Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und rutschte zu ihm. Kai legte, wie so oft, seinen Arm um meine Schultern, zog mich an sich heran und überließ mir freiwillig sein Erdbeereis.

»Danke«, murmelte ich mit vollem Mund. »Und wegen deiner Haare, der neue Look steht dir gut.«

Kapitel 2

Der Lackaffe hatte sich Gott sei Dank nicht noch einmal gemeldet. Sein schmieriger Blick würde mir ungewollt ewig in Erinnerung bleiben. Wo war die Löschtaste fürs Gehirn, wenn man sie brauchte?

»Vergiss diese bescheuerten Dating-Apps. Geh raus und genieße das Leben«, hatte Kai mir geraten und ich glaubte, damit hatte er wohl recht. Auch wenn ich das nur ungern zugab. Denn wann zur Hölle bot einem das echte Leben die Gelegenheit, den Traummann zu finden? Im Supermarkt, wenn man nach der gleichen Gurke griff? In der Apotheke, beim Kauf derselben Kopfschmerztabletten nach einer durchzechten Nacht? Im Zug, auf dem Weg zu Mutti und Vati? In der Straßenbahn, wenn man zur Arbeit fuhr? Im Café, wo man mit der besten Freundin nur einen Kaffee trinken wollte? Ich bezweifelte stark, dass sich mir in nächster Zukunft auch nur eine dieser Gelegenheiten bot.

Es war wieder verdammt heiß heute. Der Sommer ließ sich nicht lumpen und unweigerlich dachte ich an letztes Jahr. Als meine beste Freundin, die nie eine Beziehung haben wollte, ganz plötzlich in eine reingestolpert war und sich Hals über Kopf verliebt hatte.

Okay, gut, vielleicht war es ja doch möglich, dass ich mich verliebte.

Entgegen Kais Ratschlag war ich gerade auf dem Weg zum nächsten Date. Wenn es schon mit Mister Right nicht klappen wollte, so lernte ich dadurch wenigstens neue Leute kennen. Das konnte nie schaden, auch wenn ich ab und zu danebengriff wie neulich mit dem Lackaffen. Heute war Bernd an der Reihe. Sein Name hatte mich zuerst abgeschreckt. Hallo? Wer in meinem Alter hieß bitte schön Bernd? Wie waren die Eltern wohl drauf, wenn sie ihren Sohn so nannten? Aber hey, Bernd sah umwerfend gut aus – zumindest wenn man den Fotos Glauben schenken wollte – also hatte er eine Chance verdient. Außerdem war er in seinen Nachrichten sehr nett und charmant.

Zwei Stunden später stieß ich geräuschvoll die Luft aus und ärgerte mich, dass ich Kais Hilfe dieses Mal ausgeschlagen hatte. Irgendwie hatte ich gehofft, dass es doch etwas werden konnte ... Aber es waren wohl Bernds stahlblaue Augen, die mich geblendet hatten. Denn hinter seinem attraktiven Gesicht verbarg sich ein schüchterner Typ, der mich seit dem Beginn unseres Treffens anhimmelte und kaum ein Wort sagte. Da stand ich so gar nicht drauf. Ich mochte Kerle mit Biss. Solche, die sich durchsetzen konnten und doch eine weiche Seite hatten. Aber nur dasitzen und nicken? Nee, das war nicht mein Fall.

»Wollen wir noch irgendwo anders hingehen? Eis Essen oder so?«, fragte ich, nachdem Bernd von der Toilette wiedergekommen war.

Sein Mund verzog sich zu einem Strahlen, das von einem Ohr zum anderen reichte. Er war wirklich süß. Aber das war leider nicht genug ...

»Ja. Das ist eine gute Idee.«

»Und wohin?«

»Hm, keine Ahnung. Das kannst du entscheiden«, meinte er und ich hätte es gut gefunden, dass er mir die Entscheidung überließ. Aber es war schon die ganze Zeit so, dass er alles nach mir ausrichtete. Er trank, was ich trank. Hatte das gleiche Essen bestellt. Dann schwieg er mich wieder grinsend an.

Gedankenversunken drehte ich das Handy zwischen meinen Fingern und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass Kai mich aus dieser Situation retten würde. Stattdessen müsste ich heute wohl selbst den Schneid haben, um das zu beenden.

»Hör mal«, begann ich und hatte seine volle Aufmerksamkeit. »Ich weiß nicht, ob wir auf einer Wellenlänge liegen.«

»Nicht?« Seine Augenlider fielen regelrecht nach unten und verliehen ihm das Aussehen eines Hundewelpen, sodass ich fast Mitleid hatte.

»Du bist wahnsinnig nett, Bernd, wirklich. Aber ...« Zugegeben, es fiel mir schwer, ihn abzuservieren. Schon jetzt saß er wie der buchstäblich begossene Pudel vor mir. Ich war versucht, eine Packung Taschentücher auf den Tisch zu legen für den Fall, dass er gleich in Tränen ausbrach.

»Ich verstehe schon«, erwiderte er jedoch, anstatt loszuheulen. »Ich bin nicht dein Typ, das ist okay. Auch wenn ich es schade finde, weil du mich ziemlich beeindruckst.« Wow, das war der längste Satz, den er heute zu mir gesagt hatte. Beeindruckt? Womit aber hatte ich ihn beeindruckt? Ich saß nur hier und quatschte mit ihm. Wobei nein, ich versuchte, ein Gespräch zu führen, was aber nicht so recht in Gang kommen wollte.

»Ja ... Nein ... Ich hatte mir dich anders vorgestellt. Aber du bist so ... so ruhig, weißt du. Also an sich ist das gut, aber ich ...«

»Lass gut sein, Helene.« Sein mildes Lächeln erreichte seine blauen Augen nicht und plötzlich tat es mir wirklich leid, dass ich so fies war.

»Tut mir leid, Bernd.«

»Ist schon okay, das muss es nicht. Man kann es halt nicht erzwingen.«

Damit hatte er zweifelsohne recht und ich fragte mich, warum ich dennoch immer wieder in dieses Haifischbecken sprang und damit erzwang, dass ich schwimmen musste.

Der blanke Irrsinn ...

Wir verabschiedeten uns und ich lief nach Hause. Die Sonne brannte noch ganz schön, obwohl es schon Abend war, doch ich sog jeden Strahl auf, den sie auf die Erde schickte.

***

Zu Hause machte ich es mir auf dem Balkon mit einem Glas kalten Weißwein gemütlich und rief den Chat mit Kai auf.

Helene: Wieder ein Reinfall. Ich gebe es auf und bleibe Single bis ans Ende meiner Tage!

Ich ergänzte meine Nachricht mit einem Weinglas-Emoji und schickte sie ab. Kais Antwort kam prompt, als hätte er nur auf ein Zeichen von mir gewartet.

Kai: So schlimm?

Helene: Schlimmer. Er war wirklich nett und attraktiv. Aber einer von der Sorte, die immer Ja sagen und dir hinterherdackeln wie ein Schoßhund.

Kai: Und ich dachte, ihr Frauen steht darauf, wenn wir euch auf Händen tragen :-D

Helene: Natürlich tun wir das. Aber ich will nicht permanent angehimmelt werden und alle Entscheidungen alleine treffen müssen. Ich will auch mal Kontra haben, wenn ich danebenliege. Das kann ja nicht so schwer sein ...

Kai: Kontra kannst du gerne haben :-)

Ich antwortete mit lachenden Emojis. Er kannte mich wie kein anderer. Nur für Merle war ich ein ähnlich offenes Buch.

Helene: Kommst du vorbei? Dann muss ich den Wein nicht allein trinken.

Kai wohnte nur ein paar Straßen weiter und es dauerte keine zehn Minuten, bis er an meiner Wohnungstür klingelte. Mit einem verschmitzten Grinsen stand er im Türrahmen, lässig mit einer Hand abgestützt, die andere steckte in der Tasche seiner kurzen Hose.

»Hab gehört, hier braucht jemand Gesellschaft und Kontra?« Er lachte und ich machte Platz, damit er eintreten konnte.

»Für heute reicht mir Gesellschaft, glaube ich.« Ich holte ein zweites Weinglas in der Küche, während Kai geradewegs meinen Balkon ansteuerte und sich in der kleinen Lounge-Ecke, die ich aus alten Holzpaletten und Sitzpolstern gebaut hatte, hinsetzte.

»Ey, da habe ich aber gesessen«, murrte ich und gab ihm das gefüllte Weinglas in die Hand.

»Na und? Dann setz dich eben hierhin.« Mit der flachen Hand klopfte er auf den freien Platz neben sich und ich schnappte nach Luft.

»Frechling«, platzte es aus mir heraus und wir mussten beide lachen.

»Komm schon her und erzähl mir, was schiefgelaufen ist.«

Mit einem leisen Klirren stießen wir unsere Gläser gegeneinander und tranken einen Schluck Wein, bevor ich ihm in wenigen Worten von Bernd berichtete.

»Bernd«, wiederholte er den Namen, als käme er – genauso wie ich – nicht darüber hinweg, wie jemand mit Mitte zwanzig so heißen konnte. »Lass mich raten, der Name war wohl Programm und Bernd sterbenslangweilig?«

»Langweilig wäre noch okay gewesen, aber er hat kaum ein Wort in meiner Gegenwart herausgebracht. ›Ja‹ und ›wie du willst‹ waren seine Standardantworten.«

»Na immerhin.« Kai lachte auf und nahm einen Schluck Wein.

»Menno, warum ist das so dermaßen kompliziert? Er wirkte so nett und sah echt gut aus. Seine hellblauen Augen haben mich fasziniert.«

»Optik ist eben nicht alles.«

»Ja schon, aber ich hatte wirklich den Eindruck, dass es passen könnte.«

»Hast du den nicht immer?«

»Ach Mensch, Kai, hör doch auf, auf mir herumzuhacken. Ich fühle mich so schon mies«, erwiderte ich niedergeschlagen und stellte meine Füße auf dem Sitzpolster ab, um die Knie anzuziehen und mein Kinn darauf abzustützen. »Es ist nicht fair, dass alle Welt den passenden Deckel findet, nur ich muss leer ausgehen.«

»Ach komm schon, Helene, mach dir nicht so viele Gedanken darüber. Wenn man zu viel nachdenkt, erschafft man nur Probleme, die es gar nicht gibt.«

»Ach, ist das so? Ich habe aber ein Problem damit.« Wie konnte er nur so gelassen sein? Auch er war schon seit Ewigkeiten Single und ihn störte das anscheinend gar nicht.

»Warum jagst du der Liebe so hinterher wie ein räudiger Hund, hm? Du tust gerade so, als sei es das Maß aller Dinge, mit jemandem sein Bett zu teilen.«

»Mir geht es nicht nur darum, mit jemandem mein Bett zu teilen. Ich will mein Herz mit jemandem teilen, meine Seele. Mein alles, was ich habe will ich teilen. Und den räudigen Hund nimmst du gefälligst zurück, mein Lieber.« Er hatte echt Glück, dass ich auf ihn nicht sauer sein konnte. Sein schiefes Grinsen entschädigte mich für seine flapsige Bemerkung.

»Okay, zurückgenommen. Und ich weiß, was du meinst. Aber ich verstehe nicht, warum du es mit aller Macht forcierst. Du machst einen Kampf daraus, der in einem Krampf endet, und triffst dich schlichtweg mit den falschen Typen, nur um alle Möglichkeiten mitzunehmen.«

Mir war klar, dass ich das gar nicht erst abstreiten musste. Kai kannte mich viel zu gut und wusste mich einzuschätzen. Er lag goldrichtig, und wenn ich ehrlich war, verstand ich mich selbst manchmal nicht. Aber das band ich ihm nicht auf die Nase.

»Ich weiß es auch nicht«, gab ich lediglich zurück und zuckte mit den Schultern. Zweifelsohne war mein Beziehungsstatus mein wunder Punkt.

»Du kannst es nicht erzwingen, Leni. Mach einfach dein Ding und vertraue der Zeit. Irgendwann wird dein Mister Right vor dir stehen und du wirst es einfach wissen.«

Was machte ihn da so sicher? »Du und deine Weisheiten. Du klingst wie meine Oma.« Ich lachte bitter auf. »Aber was, wenn es mir zu lange dauert und ich nicht warten will, bis die liebe Zeit es mal für nötig hält, mir jemanden zu schicken, der zu mir passt?«

»Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als geduldig zu warten.«

»Du weißt aber schon, dass ich nicht in der Schlange stand, als die Geduld verteilt wurde, oder?«

»Ja, das weiß ich sehr wohl.« Kai lachte erneut und stieß sein Weinglas an meines. »Auf die Geduld und auf die Menschen, die noch in unser Leben kommen werden.«

Manchmal haute mich seine Bodenständigkeit aus den Socken. Er war so geerdet, ruhte in sich und schloss mit allem um sich herum Frieden.

Mit dem Wein schluckte ich den Groll hinunter. Mein bester Freund konnte schließlich nichts für meine Misere.

»Aber mal ehrlich, wie schaffst du es bitte schön, so gelassen darauf zu warten?«

»Worauf warten? Besseres Wetter?«

»Spinner, das wird wohl kaum noch besser. Das mit der Liebe meinte ich.« Ich wusste von Merle, dass er mal eine Beziehung gehabt hatte. Aber das war einige Jahre her und lange, bevor ich ihn kennengelernt hatte.

»Ganz einfach. Ich suche sie nicht krampfhaft. Und ich genieße mein Leben und na ja, das eine oder andere Abenteuer sicher auch.« Verwegen wackelte er mit den Augenbrauen.

»O Gott, Kai, hör bloß auf, ich will gar nicht wissen, wie du ...« Ich imitierte ein Würgegeräusch, woraufhin er in schallendes Gelächter ausbrach.

»Immerhin habe ich ein bisschen Spaß. Solltest du auch mal versuchen, würde dir bestimmt guttun.«

Ich überlegte. Auch ich war kein Kind von Traurigkeit, aber nicht ständig auf Abenteuersuche. Schnelle Nummern waren nicht mein Ding, ich wollte etwas Beständiges haben.

»Ja, vielleicht«, antwortete ich dennoch.

»Apropos Spaß. Meinst du, du könntest am Freitag mal früher Feierabend machen?«

»Das muss ich mit meiner Chefin klären. Warum?«

»Weil du mich dann übers Wochenende begleiten könntest.« Mein fragender Blick ließ ihn direkt weitersprechen. »Ich will zu einem Segel-Event am Geierswalder See. Wäre cool, wenn du mitkommst. Außerdem wolltest du doch eh mal das mit dem Stand Up Paddle probieren.«

»Klingt super. Ich bin dabei. Hast du schon Zimmer gebucht oder soll ich das übernehmen?«

Kais Lachen war Antwort genug. »Zimmer? Du bist lustig. Wir übernachten in meinem Camper.« Er gab sich gespielt schockiert über meine Bemerkung und entlockte mir damit ein leises Lachen.

»In der alten Klapperkiste? Mich kriegen keine zehn Pferde in das Aufstelldach«, lamentierte ich kopfschüttelnd.

»Na, nun mach mal halblang, so alt ist der VW-Bus nun auch wieder nicht. Und überhaupt, wer sagt denn, dass du im Aufstelldach schlafen darfst, hm?«

»Du bist komplett verrückt.«

»Wie du. Deswegen funktioniert das mit uns so gut.«

Damit hatte er absolut recht. Wir stießen noch einmal unsere Gläser aneinander und tranken auf das bevorstehende Wochenende, während ein vorfreudiges Kribbeln durch meine Adern fuhr.

Kapitel 3

Nach der Ankunft auf dem winzig kleinen Campingplatz in der Lausitz, der eigentlich ein Wasserwanderplatz war, war Kai ziemlich routiniert im Umgang mit seinem Bulli. Er hatte mich aussteigen lassen und das Fahrzeug mit den Vorderreifen auf Keile manövriert, damit es gerade stand. Dann kurbelte er eine Markise, die seitlich am Auto angebracht war, heraus und stellte einen Tisch und zwei Stühle auf.

Ich war ziemlich überrascht, wie komfortabel es auf den ersten Blick war. Das Ding hatte sogar einen Minikühlschrank und eine kleine Küche. Na gut, es war kein Vier-Sterne-Hotel, aber das war auch nicht unbedingt nötig.

»Denkst du, du wirst klarkommen?«, fragte mich Kai und blinzelte gegen die Sonne, als er die Seile der Markise spannte und mit Heringen im Boden befestigte.

»Ich denke schon. Sieht ganz nett aus.« Ich ließ meinen Blick schweifen. Die Wiese, auf der wir standen, bot Platz für vielleicht fünfzehn bis zwanzig Camper und Wohnmobile. Lediglich ein schmaler Weg trennte unseren Stellplatz vom Ufer des Sees. Kai hatte mir während der Fahrt erzählt, dass das Gelände einem Wassersportverein gehörte und er durch die Verbindung zu einem Studienkumpel hier gelandet war. Seit drei Jahren war er Mitglied im Segelverein, hatte seinen Segelschein gemacht und nahm seitdem regelmäßig an den Veranstaltungen teil.

»Da vorn ist das Vereinsgebäude. Seitlich befinden sich die Sanitäranlagen. Alles neu«, betonte er noch, nachdem er meinen skeptischen Blick eingefangen hatte. Ich hasste nichts mehr als dreckige Klos und Duschen. »Ich zeig dir gleich alles. Komm, pack mal mit an.« Er winkte mich zu sich, nachdem er das Aufstelldach hochgefahren hatte. »Gibst du mir die Schlafsäcke hoch?«

Suchend wühlte ich im Gepäck, bis ich die zwei zusammengeknüllten Teile fand, die er haben wollte, und warf sie ihm hoch.

»Schlafe ich doch oben?«

»Logisch. Du wirst es lieben, direkt auf den See zu blicken, wenn morgen früh die Sonne aufgeht.«

»Na, wenn du meinst.« Ich verzog mein Gesicht bei dem Gedanken daran, dass er mich womöglich in aller Herrgottsfrühe wecken würde, nur weil die Sonne aufging. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, fragte ich mich, ob das gut gehen würde. Ob so viel Nähe unserer Freundschaft nicht vielleicht doch mehr schaden als nutzen könnte. Aber Kai war anscheinend fest davon überzeugt, dass nichts dabei sei, wenn wir uns beide auf hundertzwanzig Zentimetern auf die Pelle rücken würden.

Der Schweiß lief mir tropfenweise an den Schläfen hinab. Es war so unglaublich heiß, dass ich mich immer mehr auf die Abkühlung im See freute.

Wir schnappten uns jeder eine Flasche Wasser und hatten vor, eine Runde über den Campingplatz zu drehen, was vermutlich in weniger als einer Viertelstunde erledigt wäre. Kai zeigte mir das Vereinsgebäude und die Toiletten samt Duschen, deren Sauberkeitszustand ich erleichtert zur Kenntnis nahm.

»Ich hab dir doch gesagt, hier ist alles neu und tipptopp in Ordnung.« Liebevoll knuffte er mich in die Seite und lachte auf.

»Ja ja, ist ja schon gut.« Ich schob mir die Sonnenbrille wieder auf die Nase und wir schlenderten zu der kleinen Marina, die sich direkt vor uns befand. Obwohl wir nur eine Autostunde von Dresden entfernt und die Boote hier waren, hatte ich für einen Moment das Gefühl, mich in einem südeuropäischen Urlaubsort zu befinden. Überall ragten die Segelmasten in den stahlblauen Himmel, an dem sich keine einzige Wolke befand. Wir liefen den Steg entlang, setzten uns an dessen Ende und hängten die Füße ins Wasser.

»Ach du Scheiße, ist das kalt«, fluchte ich und zog meine Zehen direkt wieder hoch.

»Nun sei mal nicht so zimperlich.« Kai gab sich betont gleichgültig. »So kalt ist es nun auch wieder nicht.«

»Und ob es das ist. Du als Mann mit deiner Elefantenhaut kannst das doch gar nicht beurteilen.« Kopfschüttelnd schlenkerte ich meine Füße hin und her, damit sie in der Sonne schnell wieder trockneten.

»Heute mal wieder in Komplimentelaune, ja?«, witzelte er weiter. »Aber mal ehrlich, was hast du denn erwartet? Tropische Wassertemperaturen? Das hier war mal ein Tagebau, der vor Jahren geflutet wurde. Hier ist so unglaublich viel Wasser drin, das dauert ewig, bis das warm ist.«

Ich nickte lediglich. Natürlich wusste ich um den Umstand, dass dieser See einer der vielen in der Region hier war, der aus einem Braunkohletagebau entstanden war. Nach und nach war der Abbau zurückgegangen und das Gelände rekultiviert worden. Heraus kamen dabei solche wunderschönen Landstriche wie hier.

Wenig später zauberte Kai einen kleinen Grill aus dem Kofferraum und ein paar Steaks und Gemüse aus dem winzigen Kühlschrank im Inneren des Campers.

»Wow, du hast an alles gedacht.« Es beeindruckte mich wirklich, denn obwohl ich wusste, dass er das Campen mochte, war ich überrascht, wie gut organisiert er war.

»Natürlich. Schau mal ins Kühlfach, da sind auch Getränke, die habe ich jetzt nicht alle tragen können.«

Ich fischte zwei Flaschen Mixbier heraus und reichte ihm eine davon, während er schon dabei war, die Grillkohle anzuzünden.

Ich machte es mir am Tisch gemütlich und begann, das Gemüse zu schneiden und ein paar Toastscheiben aus der Verpackung zu angeln.

Alles ging routiniert von der Hand, wir unterhielten uns, lachten miteinander. Es fühlte sich auf seltsame Art und Weise vertraut an. Also wir waren vertraut, als Freunde. Aber das hier war irgendwie anders.

Das Essen war einfach – Camping eben – und später am Abend setzten wir uns direkt ans Ufer des Sees. Die untergehende Sonne tauchte die Landschaft in ein rot-oranges Farbenmeer, das sich mit ein paar Wolken auf der ruhigen Wasseroberfläche spiegelte. Stück für Stück versank der glühende Feuerball am Horizont, dass man hätte glauben können, er würde in den See fallen. Es war magisch schön und erfüllte mich mit Zufriedenheit.

»Danke, dass du mich mitgenommen hast«, flüsterte ich.

»Hat sich gelohnt, oder? Du kleine Romantikerin.« Kai lachte und legte einen Arm um meine Schultern, um mich für einen Moment an sich zu drücken. »Warte mal ab, der Sonnenaufgang ist noch schöner. Da ist hier alles noch ruhig dazu.«

»Wann geht die Sonne gleich noch mal auf?«

Kai öffnete die Wetterapp auf seiner Smartwatch. »Gegen halb vier.«

»Bist du irre? Wehe, du weckst mich um diese Zeit.« Lachend boxte ich ihn in die Seite.

»Du wirst mir auf ewig dankbar sein, Helene«, feixte er und stellte sich gleich den Wecker.

Gings noch? Es war Wochenende und er wollte mich tatsächlich mit ohrenbetäubendem Weckerlärm beschallen? Worauf hatte ich mich hier nur eingelassen?

Seufzend schüttelte ich den Kopf und blickte wieder aufs Wasser. Ich zückte mein Handy, um den Sonnenuntergang festzuhalten. Irgendwann hatte ich mir angewöhnt, die Bilder gleich in der Fotoapp zu bearbeiten. Wobei sich die Bearbeitung auf ein paar Filter beschränkte, die ich drüberlegte.

»Lass das lieber«, knurrte Kai neben mir mit Blick auf mein Handydisplay.

»Warum?« Argwöhnisch zog ich die Augenbrauen in die Höhe und mein Blick glitt zwischen meinem Telefon und ihm hin und her.

»Weil die Fotos auch so wunderschön geworden sind, da braucht es keine Filter. Wenn, dann leg dir eine ordentliche App zu, wo du gezielte Einstellungen vornehmen kannst.«

Klar, Kai war der Profi, wenn es ums Fotografieren und Bildbearbeitung ging. Aus einigen Fotos, die er in Neuseeland letztes Jahr gemacht hatte, hatte er einen Kalender erstellt und mir zu Weihnachten geschenkt. Dabei gab es diese stille Vereinbarung zwischen uns, dass wir uns nichts schenkten, und ich hatte ganz schön blöd dagestanden, weil ich mich daran gehalten hatte. Aber seine Aufnahmen waren fantastisch. So herausragend und unfassbar schön, dass man beim Anschauen das Gefühl hatte, man würde das Motiv in natura sehen.

»Gib mal her.« Kai nahm mir mein Handy aus der Hand und ging damit ein paar Schritte ins Wasser. »Schau mal, wenn du es mit der Kamera nach unten direkt über die Wasseroberfläche hältst, bekommt das Bild noch mal einen ganz anderen Kick.« Er drückte ab und eine Sekunde später bestaunte ich das Ergebnis.

»Wow. Krass. Das ist mega.« Tatsächlich sah es so viel plastischer und realer als vorher aus. Ich war überrascht, wie wirkungsvoll dieser simple Trick war.

»Komm her und probier es selbst.« Mit der freien Hand winkte er mich zu sich und ich tapste mit meinen nackten Füßen vorsichtig über die Steine, bis ich neben ihm knietief im Wasser stand. Das kalte Nass umspülte meine Waden, dass ich Gänsehaut bekam. Noch einmal zeigte er mir, wie ich das Telefon halten sollte, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

»Tiefer. Sei mutig. Dein Handy geht nicht davon kaputt, wenn du es mal verkehrt herum hältst.«

»Haha, sehr witzig«, erwiderte ich und zog eine Schmollschnute.

»Pass auf, du musst es so ausrichten ...« Er stellte sich direkt hinter mich, dass sich unsere Oberkörper berührten. Sein unvergleichlicher Geruch nach frischem Parfum, Sonnencreme und Badesee kroch in meine Nase und ließ meine Synapsen für den Bruchteil einer Sekunde fehlschalten. Langsam drehte ich meinen Kopf, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Huch, was war das denn? Ich schnappte nach Luft und drehte mich schnell zurück.

»Alles okay?«, wollte Kai wissen und war schon wieder mit der Ausrichtung meiner Handykamera beschäftigt.

»Klar.« Ich nickte und folgte nun endlich seinen Anweisungen, um das perfekte Foto zu schießen. Es hatte sich gelohnt, denn die Aufnahme war wirklich wunderschön geworden. Die Farben waren so klar und satt, dass es gar keine weitere Bearbeitung brauchte. »Wow, danke für den Tipp, Kai.«

»Jederzeit wieder.« Ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. »Noch ein Bier?«

»Ja, gerne.« Dankbar ergriff ich seine Hand, die er mir entgegenstreckte, um mich wieder an Land zu ziehen.

Während ich mich dahin setzte, wo wir vorhin schon gesessen hatten, holte Kai im Camper noch zwei Flaschen Lemonbier. Das Zischen, das beim Öffnen der Flaschen entstand, hörte ich bis hierher und drehte mich schmunzelnd um. Gelassen kam er wieder zu mir geschlendert. Ein Grinsen im gebräunten Gesicht, die Sonnenbrille noch im Haar, obwohl die Sonne fast vollständig im See versunken war.

Er setzte sich neben mich und streckte die Beine aus, reichte mir eine Flasche und stieß seine daran, bevor wir tranken.

»Auf uns«, sagte er leise. Es war spät geworden und langsam kehrte Ruhe auf dem winzigen Campingplatz ein. »Auf die Freundschaft.«

Ja genau, auf die Freundschaft. Hastig trank ich noch einen Schluck. Zum ersten Mal, seit wir uns kannten, fand ich es schade, dass wir nur Freunde waren. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, ich könnte mich Hals über Kopf in ihn verlieben, wenn wir nicht befreundet wären.

»Woran denkst du?« Seine Frage traf mich völlig unvermittelt und brachte mich für einen Moment aus dem Konzept.

»An ... Arbeit?« Meine Antwort klang unsicher und eher wie eine Frage. Sie entlockte ihm ein kehliges Lachen.

»Echt jetzt? Es ist Freitagabend, wir sitzen vor dem schönsten Sonnenuntergang des Jahrhunderts und du denkst an die Arbeit?« Kopfschüttelnd lachte er auf und setzte die Bierflasche an seine Lippen. Warum fiel mir gerade jetzt auf, wie perfekt sie eigentlich waren?

»Hey, hör auf, dich lustig zu machen. Ich habe nicht alles geschafft, weil ich wegen dieses Ausfluges eher gegangen bin.« Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an und fing seinen warmen Blick auf.

»Okay, okay, tut mir leid. Ich wollte dich nicht ärgern. Es ist nur ... Es ist ungewöhnlich, dass du ausgerechnet jetzt an Arbeit denkst und nicht an irgendeinen Typen, der dir den Kopf verdreht hat.«

»Pff, die Typen können mir alle gestohlen bleiben. Da mache ich mir doch lieber Gedanken darüber, was ich am Montag alles nacharbeiten muss.«

»Damit wirst du garantiert Mitarbeiterin des Monats«, feixte Kai.

Tatsächlich war ich die einzige Mitarbeiterin, die meine Chefin Karla hatte. Sie leitete die kleine Versicherungsagentur, in der ich arbeitete. Ich war Mädchen für alles und meistens machte mir die Arbeit auch viel Spaß.

»Erfüllt dich der Job?« Kai begann wieder, tiefer zu bohren. Manchmal nervten seine philosophischen Ergüsse und seine Fragerei wirklich.

»Natürlich.« Direkt nachdem ich aus England zurückgekehrt war, hatte ich den Job angenommen. Das war jetzt ein Dreivierteljahr her und ich hatte mich wirklich gut in die Materie eingearbeitet.

»Ich meine, ist es das, was du bis an dein Lebensende machen möchtest? Papierkram erledigen und Schadensfälle regulieren?«

Während ich nach der passenden Antwort suchte, trank ich einen Schluck Bier. Kais Blick ruhte auf mir und ich spürte die Wärme in mir aufsteigen, von der ich nicht wusste, ob sie vom Alkohol war. Die Art, wie er mich ansah, verunsicherte mich.

»Bestimmt nicht«, erwiderte ich schulterzuckend.

»Was willst du dann?« Völlig unbeirrt führte er seine Fragerunde fort.

»Keine Ahnung. Manchmal träume ich davon, ein kleines Café aufzumachen. Ich könnte auch nähen oder häkeln und die Sachen dann verkaufen. Oder Bilder malen.«

»Café klingt gut. Mach das mit dem Café. Ich weiß nicht, ob ich gehäkelte Sachen tragen möchte, aber deine Muffins sind zum Niederknien lecker.«

Schmunzelnd leckte er sich über die Lippen, was mich schon wieder irritierte. Was war hier los? Warum war ich auf einmal so verunsichert? Warum brachte er mich ständig aus dem Konzept und mein Herz dazu, einen Takt auszusetzen? Das war doch Mist!

»Ich denke drüber nach. Wollen wir schlafen gehen? Ich bin total müde.«

»Ja gerne, außerdem wartet der Sonnenaufgang bald auf uns.«

Eine halbe Stunde später krabbelten wir beide umständlich auf die Liegefläche im Klappdach und ich fragte mich, wie zur Hölle ich hier auch nur eine Sekunde schlafen sollte. Es war so eng und sein Körper so nah an meinem, dass ich kein Auge zubringen würde.

Kai rekelte sich und drehte sich ein paarmal, bis er auf dem Bauch liegend seine finale Schlafposition gefunden hatte. Ich drehte mich vom Bauch auf die Seite und drückte mich mit dem Rücken fest an den Rand des Aufstelldachs, der wie ein Zelt war und leicht nachgab.

»Schlaf gut, Lenchen.

---ENDE DER LESEPROBE---