Wetterfrösche küsst man nicht - Kate Franklin - E-Book
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Wetterfrösche küsst man nicht E-Book

Kate Franklin

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Beschreibung

"Das Leben ist zu kurz, um sein Glück auf später zu verschieben." Merle will mehr vom Leben als Mann, Kind und Haus. Stattdessen möchte sie als Journalistin bei einem der angesagtesten Dresdner Magazine durchstarten. Sie ist fest davon überzeugt, dass ihr die Liebe dabei nur im Weg steht und dass Schmetterlinge auf Blumen und nicht in den Bauch gehören. Als sie jedoch berufsbedingt Fabian, dem neuen Wetter-Moderator des lokalen Fernsehsenders, begegnet, bringt er ihre Prinzipien gehörig ins Wanken. Merle fühlt sich zu ihm hingezogen und verspürt plötzlich diese Sehnsucht nach seiner Nähe. Doch diesem Gefühl wird sie auf keinen Fall nachgeben. Wetterfrösche küsst man schließlich nicht, oder? Dieses Buch ist Teil der Verlieb-dich-in-Dresden-Reihe. Die Romane dieser Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Sie sind jedoch durch einige wiederkehrende Figuren miteinander verbunden. Empfohlene Reihenfolge: - Wetterfrösche küsst man nicht - Beste Freunde liebt man nicht

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Playlist

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Danke

Die Autorin

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Lies auch:

Leseprobe

Impressum

Kate Franklin

Wetterfrösche küsst man nicht

Liebesroman

Teil 1

Über das Buch

Ein verpatzter Termin, ein eindeutiges Angebot und eine Sightseeingtour mit Folgen …

"Das Leben ist zu kurz, um sein Glück auf später zu verschieben."

Merle will mehr vom Leben als Mann, Kind und Haus. Stattdessen möchte sie als Journalistin bei einem der angesagtesten Dresdner Magazine durchstarten. Sie ist fest davon überzeugt, dass ihr die Liebe dabei nur im Weg steht und dass Schmetterlinge auf Blumen und nicht in den Bauch gehören. Als sie jedoch berufsbedingt Fabian, dem neuen Wetter-Moderator des lokalen Fernsehsenders, begegnet, bringt er ihre Prinzipien gehörig ins Wanken. Merle fühlt sich zu ihm hingezogen und verspürt plötzlich diese Sehnsucht nach seiner Nähe. Doch diesem Gefühl wird sie auf keinen Fall nachgeben. Wetterfrösche küsst man schließlich nicht, oder?

Dieses Buch ist Teil der Verlieb-dich-in-Dresden-Reihe. Die Romane dieser Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Sie sind jedoch durch einige wiederkehrende Figuren miteinander verbunden.

Empfohlene Reihenfolge:

- Wetterfrösche küsst man nicht

- Beste Freunde liebt man nicht

Playlist

Revolverheld – Immer noch fühlen

Andreas Bourani – Auf uns

Yiruma – River flows in You

Yiruma – Kiss the Rain

Sportfreunde Stiller – Ein Kompliment

Blake Rose – Lost

Sigala, James Arthur – Lasting Lover

Revolverheld – Lass uns gehen

Bill Medley, Jennifer Warnes – The Time of my Life

Eric Carmen – Hungry Eyes

Karmin – Big girls don’t cry

Lana del Ray – Summertime Sadness

Calvin Harris – Summer

Meduza, Dermot Kennedy – Paradise

Marco Nobel, Young Jae – Changes

Nico Santos, Topic – Like I love you

Ava Max – My Head & My Heart

Kygo, OneRepublic – Lose Somebody

Stanfour – In your Arms

Kelly Clarkson – Because of you

Calum Scott – You are the Reason

Ella Henderson – Yours

Dan Owen – Made to love You

Diese Playlist findest du auch bei Spotify unter Wetterfrösche küsst man nicht von Kate Franklin.

Vorwort

Das Leben ist zu kurz, um sein

Glück auf später zu verschieben.

Kapitel 1

»Das ist nicht dein Ernst!«, rief meine beste Freundin entrüstet, als ich ihr erzählte, wie mein One-Night-Stand von letzter Nacht geendet hatte.

»Doch. Er hat mir heute früh um sieben einen Kaffee serviert und eine Fahrkarte für die Bahn.«

»Hat er irgendwas dazu gesagt?«

»Nein, nicht wirklich. Er schien ziemlich routiniert und zog den Fahrschein aus einer Küchenschublade, als hätte er dort ein Lager dafür. Auch als ich ihm sagte, dass ich die Fahrkarte nicht brauche, hat er nur mit den Schultern gezuckt und mir das Papier über den Tisch geschoben.« Mit der flachen Hand rieb ich über meine Stirn. Wie hatte mir das nur passieren können? Ich war weiß Gott kein männerfressendes Wesen. Aber ich schaffte es regelmäßig, mir auf Partys die schrägsten Typen an Land zu ziehen.

Helene prustete derweil in ihre Kaffeetasse. »Das ist so absurd, dass es schon wieder lustig ist. Was für ein Freak. War er wenigstens gut im Bett?«

Für einen Moment überlegte ich und nickte schließlich. »Hm, ja, irgendwie schon. Aber leider nicht so gut, dass ich mich ewig an diese Nacht erinnern werde.«

»Mann, Merle, dich kann man auch keinen Moment aus den Augen lassen. Da gehen wir einmal auf diese 120-Minuten-Party und du kommst am nächsten Tag mit einer Fahrkarte nach Hause.«

Okay. Spätestens jetzt war der Moment, in dem ich realisierte, was da passiert war. Und nun war ich es, die lauthals in ihre Tasse prustete.

»Nur Freaks da draußen, aber ehrlich«, stimmte ich Helene zu. »Keine Ahnung, warum die alle so drauf sind.«

»Wo sind all die guten Männer abgeblieben? Die, mit denen man Pferde stehlen und Sonnenuntergänge anschauen kann?« Verträumt blickte sich meine Freundin um, als würde sie hoffen, ihren Prinzen hier im Café zu finden.

»So einen willst du haben? Echt jetzt?« Mit gerunzelter Stirn und einer Falte zwischen den Augenbrauen, die tiefer als die Elbe war, betrachtete ich meine Freundin.

»Ja, warum denn nicht? Das ist voll romantisch.« Sie schien felsenfest davon überzeugt, dass es so sein musste und dass genau dieser Typ Mann der richtige für sie war.

»Und wo bleibt da das Abenteuer? Also mit den Pferden abhauen zum Beispiel? Oder im Sonnenuntergang in Franks Bar die Zeche prellen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Das wäre vielleicht etwas für dich. Ich brauche es sanfter.«

Bei ihren letzten Worten wackelte ich mit den Augenbrauen und seufzte theatralisch. »Sie braucht es sanfter. Dann bist du leider auch kein Fall für Bauer sucht Frau, oder?«

»Bleib mir bloß fern mit solchen Vorschlägen. Du spinnst ja«, sagte sie kichernd und griff nach einem der Brötchen, die unangetastet in dem kleinen Bastkörbchen lagen, das zwischen uns auf dem Tisch stand.

Wir waren beide Singles. Ich aus Überzeugung – ich glaubte einfach nicht an diese wahre große Liebe, die einen dermaßen überrollte, dass man alles andere aus den Augen verlor. Das war Quatsch, den es nur in Filmen und Romanen gab, zudem war es viel zu gefährlich, alles andere aus den Augen zu verlieren. Karriere zum Beispiel, die war mir wesentlich wichtiger, als das Heimchen am Herd zu mimen. Doch zumindest Helene wünschte ich von ganzem Herzen, dass sie ihren Prinzen bald finden würde.

Froh darüber, dass das Wilma Wunder, das Café, in dem wir frühstückten, klimatisiert war, mampften wir unsere Brötchen und ich stieg auf Eiskaffee um. Es war gerade einmal Anfang Juni und die Hitze war schon jetzt unerträglich.

Was für ein Samstagmorgen. Völlig verschlafen war ich vor zwei Stunden mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Ich hätte auch laufen können, der Typ wohnte nur ein paar Straßen weiter. Aber ich hatte es nicht übers Herz gebracht, die Fahrkarte ungenutzt zu lassen. Immerhin hatte er sie bezahlt und das wollte ich wertschätzen. Außerdem war er, an dessen Namen ich mich leider beim besten Willen nicht erinnern konnte, eigentlich doch ganz gut im Bett. Die Nachwirkungen spürte ich noch immer zwischen meinen Beinen.

»Gehen wir dann noch shoppen? Ich brauche unbedingt neue Klamotten für den Sommer«, bettelte Helene regelrecht, und ich wog meine Möglichkeiten ab. Ein Einkaufsbummel mit meiner besten Freundin bedeutete für mich im besten Fall ein paar lustige Stunden, die im Anprobieren sündhaft teurer Klamotten, die wir nie kaufen würden, endeten. Im schlimmsten Fall jedoch waren meine Einkaufstüten mehr gefüllt als die von Helene und mein Konto ächzte dem Minimum entgegen. Dabei könnte ich schon das eine oder andere luftige Teil für die heißeste Zeit des Jahres gebrauchen, auch wenn mein Kleiderschrank gut gefüllt war.

»Okay«, gab ich schließlich klein bei, woraufhin Helene in die Hände klatschte wie ein kleines Kind. »Ein Stündchen habe ich Zeit. Dann muss ich die Kolumne noch schreiben.«

»Ach. Und ich dachte, du wolltest endlich mit dem alten Neubert reden.«

Die Augenbrauen meiner Freundin schnellten in die Höhe und sie bedachte mich mit einem skeptischen Blick.

Damit traf sie mich nicht unvermittelt. Schließlich hatte ich schon seit einiger Zeit vor, mit meinem Chef zu sprechen. Es gab kaum etwas anderes auf dieser Welt, was ich so sehr wollte, wie beruflich voranzukommen. Doch ich hasste Personalgespräche. Insgeheim hatte ich immer gehofft, Herr Neubert würde von sich aus auf mich zukommen und mir mehr Verantwortung übertragen. Aber das war bis heute nicht geschehen, also blieb mir gar nichts anderes übrig, als das selbst in die Hand zu nehmen. Seit dem Studium arbeitete ich bei der Zeitschrift Auf ein Wort in Dresden und hatte viel mehr auf dem Kasten, als einmal im Monat in meiner Kolumne über Gott und die Welt zu meckern und einspaltige Klatschartikel zu schreiben. Ich war bereit für Größeres und wollte mehr, als nur über das Wetter schimpfen oder die viel zu schmalen Radwege an der Elbe. Oder die vielen Baustellen in der Stadt, von den fehlenden Parkplätzen ganz zu schweigen.

»Das habe ich vor. Gleich am Montag schnappe ich ihn mir«, erwiderte ich entschlossen und schlürfte betont laut den kalten Kaffee durch meinen Strohhalm.

Helene nickte und griff nach Brötchen Nummer zwei. Insgeheim beneidete ich darum, dass sie essen konnte, so viel sie wollte, ohne dabei auch nur ein Gramm zuzunehmen. Ich hingegen brauchte nur an Essen zu denken und hatte zwei Kilo mehr auf den Hüften. Es war unfair, hielt mich aber nicht davon ab, mein Leben zu genießen. Außerdem war es nicht so, dass ich unförmig war. Ich war schon immer schlank und auch ziemlich sportlich. Aber als meine Eltern mich schufen, hatten sie sich ordentlich ins Zeug gelegt und mir Rundungen an den richtigen Stellen mitgegeben.

»Na, da bin ich ja gespannt«, sagte sie schließlich.

»Ich ruf dich am Montagabend an und berichte, okay?«

»In Ordnung, Merle. Aber wehe du ziehst es nicht durch, dann geht das nächste Frühstück auf dich. Können wir jetzt zum Shopping übergehen?«

Als hätte ich schon jemals etwas nicht durchgezogen ... Ich nickte lachend, wir zahlten die Rechnung und stürzten uns ins Getümmel.

»Gott, es ist so heiß«, stieß ich aus, während wir vom Café zur Einkaufspassage spazierten. Demonstrativ wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Demnächst liefen wohl alle nur noch in Badesachen durch die Stadt, wenn es weiterhin so heiß bleiben würde.

»Keine Sorge, die Altmarktgalerie ist doch klimatisiert. Da erkälten wir uns am Ende noch.«

»Wir können uns ja Schals und Mützen kaufen, gibt’s bestimmt irgendwo«, frotzelte ich und war froh, als nach Betreten der Shoppingmeile endlich ein kühles Lüftchen um meine Nase wehte.

Es kam, wie es kommen musste. Am Ende des exzessiven Nachmittages war ich mit zig Einkaufstüten beladen und hatte meinen Kontostand enorm geschrumpft. Dafür war ich jetzt im Besitz haufenweise neuer Shirts und ein paar Kleider, und kurze Hosen hatte ich ebenso für gut befunden.

Helene hatte allerdings noch ordentlicher geshoppt, als hätte sie Sorge, dass die Läden ohne ihre Einkäufe Pleite gehen würden. Sie hatte so viele Tüten, dass sie diese kaum tragen konnte.

»Wie lange gilt eigentlich deine Porno-Fahrkarte?«, wollte sie wissen und fächelte sich umständlich Luft ins Gesicht.

»Wie bitte? Porno…was?«

»Na die Fahrkarte von diesem Typen von heute früh. Wie lange gilt die?«

Ich lachte auf. »Du bist lustig, die ist doch längst abgelaufen.«

»Mist. Vielleicht triffst du dich einfach nochmal mit ihm und machst ihm klar, dass er bitte auf Tagestickets umsteigen soll. Manche Damen wollen vielleicht noch etwas unternehmen nach einer wilden Nacht mit ihm.«

Sie sah mich an, und ihrem Blick nach zu urteilen meinte sie das todernst. Meine Lippen zitterten, und ich konnte den Lachanfall nicht länger zurückhalten. Die Einkaufstüten fielen leise raschelnd zu Boden, und ich hielt mir den Bauch vor Lachen.

»Ist gut. Ich leite es weiter.« Ich kicherte, nachdem auch Helene ins Gelächter eingestiegen war.

An der großen Straßenbahnhaltestelle am Altmarkt verabschiedeten wir uns. Helene erinnerte mich abermals daran, mich um meine steile Karriere zu kümmern, und sicherte mir ihre Unterstützung zu. Sie war wirklich ein Goldschatz und ich umarmte sie trotz der Hitze fest.

Sie hatte Glück, denn ihre Bahn kam nur wenige Minuten später. Ich hingegen stand wie bestellt und nicht abgeholt, und wartete fast eine Viertelstunde.

Genug Zeit, um das Surren der Stadt in mich aufzunehmen. Die Kuppel der Frauenkirche ragte hinter dem Kulturpalast hervor wie ein Thron, als wäre sie die Herrscherin allen Geschehens um sie herum. Und irgendwie war sie das auch, denn sie war das Wahrzeichen schlechthin, und seit sie in den neunziger Jahren restauriert und wieder aufgebaut worden war, der Touristenmagnet.

Ich mochte den Trubel meiner Stadt, das Flirren, die Menschen und ihre gemütliche Mentalität.

Als die Bahn kam, raffte ich meine Einkäufe zusammen und ließ mich mit stoischem Geschaukel nach Striesen chauffieren, dem Stadtteil, in dem ich in meiner kleinen Zwei-Zimmer-Dachgeschoss-Wohnung wohnte.

Dort angekommen, warf ich die Tüten im Schlafzimmer aufs Bett und mich gleich hinterher. Die letzte Nacht zehrte doch mehr an mir und meiner Kondition, als ich gedacht hatte.

Ich würde nur kurz ein Nickerchen machen und nachher noch etwas an der Kolumne arbeiten. Und morgen hätte ich genug Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, wie ich Herrn Neubert am besten davon überzeugen konnte, dass es an der Zeit war, mich mit mehr als einer Mecker-Kolumne zu betrauen.

Kapitel 2

Applaus hallte durch den Konferenzraum der Redaktion. Auch wenn ich nun schon einige Jahre bei der Auf ein Wort in Dresden arbeitete, verstand ich bis heute nicht, warum alle nach dem Montagsmeeting Beifall klatschten. Hatte sich wer mit Ruhm bekleckert, und ich hatte es verpasst?

Das Geräusch der aufeinander klatschenden Hände wurde abgelöst von knarzenden Stühlen, die nach hinten geschoben wurden. Alle waren plötzlich in Eile und konnten nicht schnell genug an ihre Schreibtische kommen.

»Was’n los, Merle? Klebstoff am Hintern?« Olaf, einer der Fotografen, schlug sich lachend auf die Oberschenkel und fand sich heute wieder besonders witzig.

»Ja. Aber lieber da als im Hirn«, entgegnete ich und zuckte mitleidig mit den Schultern. Typen wie den konnte man nicht ernst nehmen.

Mit einem beleidigten »Pf« verließ er endlich den Raum.

Ich räusperte mich. »Herr Neubert, könnte ich Sie noch kurz sprechen?«

Mein Chef blickte von den Unterlagen auf, die er gerade zusammenlegte. Die langen Ärmel seines weißen Hemdes hatte er aufgekrempelt und die beige Hose schlackerte etwas um seine Hüften. Er runzelte die Stirn und sah mich über den Rand seiner Brille hinweg an. Mit seiner sonnengebräunten Haut sah er aus, wie gerade aus dem Italienurlaub gekommen und in manchen Momenten ertappte ich mich dabei, dass ich ihn mir jünger vorstellte. Bestimmt wäre er früher genau mein Typ gewesen. Nicht, dass ich auf einen Typ Mann festgelegt war. Ich war nicht einmal darauf aus, mir eine Beziehung ans Bein zu nageln. Aber gegen gutaussehende Männer hatte ich noch nie etwas einzuwenden. Und Herr Neubert war ein durchaus gutaussehender Mittfünfziger. Allerdings war er damit für mich auch deutlich zu alt. Er war sogar älter als mein Vater.

»Merle?«, sprach er mich an und ich schrak zusammen. Gott, wo war ich nur mit meinen Gedanken? »Waren wir nicht schon bei Harald?« Kleine Lachfältchen bildeten sich um seine Mundwinkel herum. Mir war schon am Anfang nicht entgangen, dass in der Redaktion ein vertrautes Verhältnis zwischen allen herrschte. Man duzte sich und gab sich damit fast schon familiär. Ich war jedoch die Jüngste und traute mich einfach nicht, auf eine so private Ebene zu wechseln. Aber die Ansprache mit dem Vornamen war okay, fand ich.

»Ja, waren wir dann wohl. Also gut, Harald«, setzte ich erneut an. »Hätten Sie noch kurz Zeit für mich?«

»Natürlich. Was gibt es denn?«

»Also ich ...« Ehrlich gesagt hatte ich keinen Plan, wie ich vorgehen und dieses Gespräch führen sollte. Ich war vierundzwanzig Jahre alt, hatte nur wenig Berufserfahrung und war grottenschlecht, wenn es um zwischenmenschliche Kommunikation auf beruflicher Ebene ging. Aber ich war wild entschlossen, das durchzuziehen.

»Ich kann mir schon gut vorstellen, was Sie auf dem Herzen haben.« Herr Neubert, also Harald, hatte sich wieder hingesetzt und sah mich freundlich an. Seine Stimme klang warm und er schien voller Erwartung. »Aber ich fände es schön, es von Ihnen zu hören.«

»Okay, ich würde gern mehr Verantwortung übernehmen«, sprudelte es aus mir heraus. »Also, ich meine, Artikel schreiben. Ich würde gern andere Artikel schreiben, über die Menschen in der Stadt berichten. Interviews führen und so.«

Mein Chef zog es vor, mich einfach nur schweigend anzusehen.

»Also, ich meine, ich will nicht undankbar sein. Ich schätze es sehr, dass Sie mich nach meinem Studium hier übernommen und mir die Kolumne gegeben haben. Aber ich kann mehr ... glaube ich.« Es ärgerte mich, dass mich sein Schweigen so aus dem Konzept brachte, dass ich fast schon stammelte.

Herr Neubert beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab. »Sie glauben, dass Sie mehr können, Merle? Oder Sie wissen es?«

Ich senkte den Blick und sah auf die Tischkante vor mir, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Oberseite hatte mächtig gelitten, es waren Kratzer und Kerben darin.

»Ich weiß es«, erwiderte ich und war wieder selbstsicherer.

»Also gut, Merle. Hören Sie zu. Ich weiß natürlich auch, dass Sie mehr auf dem Kasten haben, als über schlechtes Essen und zu viel Regen zu meckern.« Damit spielte er auf meine Kolumne an und ich nickte. »Schon während Ihres Volontariats habe ich gespürt, dass aus Ihnen einmal eine großartige Journalistin werden kann.« Yeah, er hat es erkannt, genau wie ich. »Aber, Punkt eins, wenn Sie sich verkaufen wollen, müssen Sie selbstbewusster auftreten. Sagen Sie, was Sie wollen und seien Sie sich dessen bewusst, was Sie können.«

»Ähm, noch selbstbewusster?« Mir fehlten die Worte. Erteilte er mir gerade eine Lektion in Sachen Jobverhandlung mit dem Chef?

»Sie hören schon richtig. Ich sehe mich als Ihren Mentor und als solcher möchte ich, dass Sie durchstarten. Ich habe zwei potenzielle Artikel. Sie haben allerdings nur diese eine Chance. Die Branche ist unerbittlich und jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben. Wenn Sie da bestehen wollen, müssen Sie mehr Biss zeigen.« Wie ein wütender Tiger fletschte er die Zähne, um das Gesagte zu verdeutlichen.

»O-kay«, entwich mir und ich starrte ihn an.

»Am Samstag ist ein Konzert in der Jungen Garde. Revolverheld. Kennen Sie die?«

Machte er Witze? »Das ist zufällig meine Lieblingsband«, gestand ich und nickte hastig, darum bemüht, nicht direkt vor lauter Vorfreude auszurasten.

»Wunderbar, dann wäre das der erste Artikel, der pünktlich nächsten Montag früh auf meinem Tisch liegt.«

»Und der zweite?«, fragte ich rasch nach. Nicht dass er den am Ende noch vergaß, zu erwähnen.

»City TV hat einen neuen Moderator. Junger Typ, war wohl mal ein Mister irgendwas. Ich will ein Portrait in der Juli-Ausgabe. Denken Sie daran, Merle, das ist Ihre Chance, allen hier zu beweisen, dass Sie es draufhaben. Dass Sie sich durchbeißen und alle anderen hinter sich lassen. Ich weiß, dass Sie das können.«

Noch während er sprach, hatte er sich bereits erhoben und mit den Händen auf dem Tisch abgestützt. Seine letzten Worte waren von einem eindringlichen Blick begleitet, bevor er mir lächelnd zuzwinkerte und den Konferenzraum verließ.

»Danke, Harald. Ich werde mein Bestes geben.«

»Davon bin ich überzeugt«, hörte ich ihn noch sagen, dann fiel die Tür zu.

***

»O mein Gott, ist das wahr? Wie cool, ich wusste, dass du es rockst, Süße«, quietschte Helene am Abend durchs Telefon, als ich ihr erzählte, dass ich diese zwei Artikel schreiben sollte.

Es war wirklich eine großartige Chance und ich war so dankbar dafür. »Ja, ich kann es selbst kaum glauben. Ich freu mich total, Leni.« Ich tanzte durch mein kleines Wohnzimmer, in dem heiße Luft stand. Aber das war mir gerade egal. Mir war nach Feiern zumute. »Übrigens habe ich zwei Freikarten für das Konzert am Samstag. Du kommst doch mit?«

»Als ob du mich zwei Mal fragen müsstest. Natürlich komme ich mit. Die leckeren Revolverhelden lasse ich mir doch nicht entgehen.« Helene lachte am anderen Ende und ich stimmte ein.

Nachdem ich aufgelegt hatte, suchte ich in meinem Handy die Playlist mit der Musik der Band und drehte die Lautstärke des Bluetooth-Lautsprechers bis zum Anschlag hoch. Sollte die ganze Stadt hören, was für gute Laune ich hatte.

In meinem Freudentaumel recherchierte ich ein wenig über die Band und sah mir Bilder vergangener Konzerte an. Ich hatte sie schon einmal live im Großen Garten gesehen, damals als sie ihr MTV Unplugged Album promoted hatten. Und es war eines der besten Konzerte, das die Stadt je erlebt hatte.

Ich beschloss, meine Arbeit diese Woche auf diesen Artikel zu fokussieren. Unbedingt wollte ich Haralds Test bestehen, damit er mir mehr zutraute. Nächste Woche würde ich mich dann in Ruhe dem Interview widmen.

Kapitel 3

Die Hitze war in den letzten Tagen nicht weniger geworden und hatte sich wie eine dicke Schicht über den Kessel der Stadt gelegt. Die Luft flirrte regelrecht. Schenkte man dem Wetterbericht Glauben, stand uns wohl einer der heißesten Sommer bevor, den Dresden je erlebt hatte.

Von meiner Wohnung aus erreichte man den Konzertplatz im Großen Garten bequem zu Fuß. Die Junge Garde war eine der schönsten, wenn nicht sogar die schönste Freilichtbühne hier in der Stadt. Sie war in den fünfziger Jahren erbaut worden und ihre Architektur erinnerte an ein antikes Theater. Die Sitzreihen waren im Halbkreis angeordnet und von nahezu jedem Platz aus hatte man gute Sicht auf die Bühne.

Wenn im Sommer hier Konzerte stattfanden, tummelten sich auch allerhand Menschen auf den Wiesen rundherum. Es wurde gegrillt, gefeiert und getanzt, weil man die Musik auch außerhalb gut hören konnte. Aber sehen konnte man nur, wenn man eine der knapp fünftausend Eintrittskarten ergattert hatte. Und ich wollte sie sehen – die Jungs von Revolverheld.

»Ach du Scheiße«, stießen Helene und ich gleichzeitig aus. Wir hatten den Stadtpark gerade erst betreten, und schon war das Ende der Schlange, die bis zum Einlass anstand, allgegenwärtig.

»Das darf ja nicht wahr sein«, murmelte ich und sah auf die Uhr. Zwar hatten wir reichlich Zeit eingeplant, aber ich wollte vorher noch etwas essen und die Vorband nicht verpassen. Julian Le Play war nämlich mindestens genauso gut wie der Hauptact des heutigen Abends.

»Warte mal«, raunte ich meiner Freundin zu und griff nach ihrem Handgelenk. »Komm mit.« Gleich darauf zog ich sie an der Menschenschlange vorbei.

»Was hast du denn vor?«

»Ey, hinten anstellen, ja«, hörte ich jemanden keifen.

»Eben. Vordrängeln ist scheiße«, rief jemand anders.

»Merle, was wird das, wenn es fertig ist?«, bohrte auch Helene weiter.

»Zufällig ist deine Freundin Journalistin und heute Abend beruflich hier.« Kurz bevor wir den Einlass erreicht hatten, zog ich meinen Presseausweis aus der kleinen Handtasche.

Dem Securitytypen hielt ich das laminierte Stück Papier unter die Nase und deutete auf Helene. »Sie gehört zu mir.«

Der robuste Kerl, der mindestens zwei Meter groß war, beugte sich zu mir hinab. Musterte erst den Ausweis, dann mich, dann meine Freundin.

»Okay. Ihr könnt durch. Viel Spaß«, sagte er schließlich in gepflegtem Sächsisch.

»Ganz easy, oder?« Lachend knuffte ich meine Freundin in die Seite und zog sie zum nächsten Bratwurststand. »Ich geb einen aus, zur Feier des Tages.«

»Na, das nehme ich doch gerne an. Sag Herrn Harald bitte liebste Grüße, er darf dich jetzt immer zu Konzerten schicken.« Helene kicherte und nahm ihre Bratwurst entgegen. »Wollen wir ganz vor?«, nuschelte sie mit vollem Mund.

»Klar. Ich will in die erste Reihe. Hautnahe Berichterstattung und so.«

Sie nickte und wir setzten uns in Bewegung. Ein leichtes Kribbeln fuhr durch meine Magengegend, als wir am oberen Rand der Sitzreihen standen. Ich mochte diesen Ort so sehr, er war magisch, bestach durch seine fabelhafte Akustik und Konzerte in diesem Rahmen fühlten sich fast schon familiär an.

»Dann los, lass uns die erste Reihe entern«, jauchzte Helene fröhlich, während ich mir einige Strähnen meiner schulterlangen rotblonden Haare hinters Ohr streifte. Was hatte mich gleich nochmal davon abgehalten, meine Haare hochzustecken? Aus irgendeinem Grund musste ich sie unbedingt offen tragen und hatte es schon bereut, als ich zu Hause die Kühle des alten Treppenhauses hinter mir gelassen hatte. Es war unfassbar heiß und ich fragte mich, wann endlich der Regen kam, der seit Tagen vorhergesagt wurde. Der Wettergott lachte sich vermutlich ins Fäustchen und amüsierte sich darüber, wie dumm wir Menschen doch waren, dass wir glaubten, das Wetter vorhersehen zu können.

Helene hatte es besser mit ihrem Bob, der knapp über ihr Kinn reichte. Ihre Haare klebten nicht schweißnass im Gesicht und sahen immer top gestylt aus.

Die Junge Garde füllte sich im Handumdrehen und das Stimmengewirr um uns nahm rasch zu. Ich liebte die Atmosphäre bei Konzerten, wenn alle aufgeregt darauf warteten, dass es endlich losging. Wenn die Abendsonne ihre letzten Strahlen verschickte, bevor die Bühnenbeleuchtung so richtig zur Geltung kam.

Pünktlich um acht brach verhaltener Jubel aus, als die Vorband auf der Bühne erschien. Ich mochte sie sehr, konnte aber nur erahnen, wie schwer man es haben musste, wenn man im Schatten der eigentlichen Hauptattraktion stand, auf die alle hinfieberten.

Helene und ich wippten im Takt der Musik, die im Verhältnis noch recht leise aus den riesigen Lautsprecherboxen links und rechts der Bühne über den Platz schwappte. Julian Le Play sang von Rollercoastern, Steinen im Meer, Sternen und irgendwie ging es immer um die Liebe. Ich mochte die Texte der Songs und oft genug spiegelten sie meine Gefühlswelt wider.

»Ich hole uns noch ein Radler, okay?« Es wurde schon lauter um uns herum und ich musste Helene regelrecht ins Ohr schreien. »Verteidige unseren Platz mit Leib und Leben.«

»Hoffentlich findest du wieder zurück«, entgegnete sie mit Blick auf die Menschenmenge hinter uns.

Für einen Moment wurde mir flau im Magen und ich überlegte, ob es wirklich sinnvoll war, sich jetzt da durch zu kämpfen. Aber lieber sofort als nachher, wenn Revolverheld auf der Bühne war, da wollte ich unbedingt vorne stehen und nicht an einem der Getränkewagen, die sich an den Seiten befanden.

Also nickte ich kurz und machte mich auf den Weg. Es war beschwerlich, aber ich kam ganz gut durch. Glücklicherweise war an dem Wagen nicht viel los, und ich konnte mit zwei Radler in den Händen schnell den Rückweg antreten. Von mittlerer Höhe machte ich die ungefähre Richtung aus, in der Helene stand, und fuhr die Ellenbogen aus. Bereit, mir den Weg freizumachen, um rechtzeitig wieder an Ort und Stelle zu sein.

Es klappte gut, einige machten mir sogar freiwillig Platz. Vermutlich half mein finsterer Blick, den ich vorsichtshalber aufgesetzt hatte. Einige pöbelten rum, aber die ließ ich links liegen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich war fast am Ziel und wähnte mich schon in Sicherheit, als ein Typ vor mir ins Taumeln geriet und einen Schritt zurückging. Genau auf mich zu. Ein Ausweichmanöver war unmöglich und die randvollen Becher gerieten gefährlich ins Wanken. Der Typ lachte laut auf und stolperte rücklings genau in mich und meine Radler hinein, die sich gleich darauf sintflutartig über seinen Rücken ergossen.

Wie versteinert stand ich da und konnte kaum fassen, was eben passiert war. Die klebrige Flüssigkeit, die sich bis gerade eben noch in zwei Pappbechern befunden hatte, verteilte sich in diesem Moment gleichmäßig auf dem T-Shirt des Mannes und sorgte dafür, dass sich der graue Stoff dunkel verfärbte und an seinem athletischen Rücken klebte.

»Hey ... Scheiße! Kannst du nicht aufpassen?«, blaffte er mich an, nachdem er sich umgedreht hatte. Angewidert zupfte er an seinem Shirt und funkelte mich mit seinen braunen Augen an. Sein eindringlicher Blick irritierte mich, sodass ich mich erst kurz sammeln musste, um die Sache klarzustellen.

»Entschuldigung, aber ich bin nicht in mich hineingelaufen«, entgegnete ich trotzig.

»Geht’s noch? Du hast mir dein scheiß Bier über den Rücken geschüttet. Pass auf, wo du hinläufst, Kleine. Darfst du überhaupt schon Bier trinken? Wie alt bist du? Fünfzehn?« Er lachte hämisch auf und drehte sich um, um den Blick eines anderen Typen zu erhaschen, der ebenfalls feixte. Auch eine Frau mit platinblond gefärbten Haaren drehte sich kichernd zu uns und rief: »Der war gut, ha ha ha.«

Wie angewurzelt stand ich da und lieferte mir ein oskarreifes Blickduell mit ihm. »Ich bin ... Ach egal, Arschloch«, zischte ich schließlich, löste meine Augen von seinen und machte mich schnell vom Acker.

»Blöde Kuh«, hörte ich Blondie hinter mir meckern und beschloss, dass sie eine tragende Rolle in meinem ersten Artikel bekommen würde.

Als hätte ich eben gegen mindestens zehn Gladiatoren gekämpft, erreichte ich endlich wieder den Platz in der ersten Reihe. Ich war durchgeschwitzt, völlig fertig und hatte noch immer das herablassende Grinsen des Blödmannes vor Augen. Ach, und zu trinken hatten wir natürlich auch nichts.

»Wo warst du denn die ganze Zeit? Und wo sind unsere Radler?«, rief Helene und sah mich fragend an. Die Spielzeit der Vorband war inzwischen fast vorbei, schade, dass ich nur die Hälfte mitbekommen hatte.

»Mich hat so ein Idiot angerempelt und die Radler haben sich auf seinem Rücken verteilt. Ich hatte keine Lust mehr, mich nochmal durch die Massen zu kämpfen.«

»Okay, macht nichts. Geschieht dem Typen recht. Sah er wenigstens gut aus?« Sie legte ihren Kopf leicht schräg und grinste.

»Was weiß ich. Ich bin beruflich hier, nicht auf privater Männerschau.«

Gott sei Dank kam meine beste Freundin nicht mehr dazu, mir weitere Fragen zu stellen, denn mit donnerndem Getöse kamen die Jungs von Revolverheld auf die Bühne gehechtet und legten sofort los. Gekreische, tosender Applaus, die Beats ihrer Musik und die unverkennbare Stimme von Johannes Strate, dem Leadsänger, nahmen mich ein und übertrugen sich wie von selbst auf jede einzelne meiner Fasern.

Ich tanzte und sang, als gäbe es kein Morgen. Und ich wusste, dass, wenn es ein Morgen gab, ich dann keine Stimme mehr hatte.

Die Junge Garde kochte und das Blut in meinen Adern ebenso. Alles in mir vibrierte im Takt der Rockmusik. Als die Jungs der Band den finalen Song einläuteten, konnte ich kaum glauben, dass gerade zweieinhalb Stunden vergangen waren.

Mit Lass uns gehen beendeten sie das Konzert, das mich emotional so mitgerissen hatte. Bei den letzten Takten hatte ich Gänsehaut, fröstelte, obwohl es immer noch gut und gern fünfundzwanzig Grad waren. Wie berauscht folgte ich den Beats und sang laut mit. Die Menschenmenge um uns herum schien wie elektrisch aufgeladen, wie ein brodelnder Kessel, der explodierte, als das Konzert in einem fulminanten Finale endete. Riesige Luftballons landeten im Publikum, wurden von einem zu anderem geschoben, um gleich darauf wieder in die Luft oder zurück auf die Bühne zu fliegen, wo im gleichen Moment knallbunte Luftschlangen aus einer Art Kanone geschossen wurden. Es war atemberaubend, sensationell und würde mir auf ewig in Erinnerung bleiben.

Jeden noch so kleinen Eindruck dieses grandiosen Abends saugte ich in mich auf, damit auch ja nichts verloren ging. Ich war wild entschlossen, den besten Artikel zu schreiben, den Harald je über ein Konzert gelesen hatte.

Kapitel 4

Den ganzen Sonntag hatte ich damit verbracht, an dem Artikel zu feilen, den ich noch in der Nacht nach dem Konzert geschrieben hatte. Die Aufgabe, meine Emotionen und das Geschehen vor Ort in eine bestimmte Anzahl von Wörtern zu packen, war gar nicht so einfach. Ich hatte geschrieben und gelöscht und wieder geschrieben und wieder gelöscht. Mehrmals. Während ich die Songs meiner Lieblingsband in Dauerschleife im Ohr hatte, überarbeitete ich das Geschriebene, bis ich fand, dass das Ergebnis zufriedenstellend war und ich es meinem Chef per E-Mail schicken konnte.

»Auf ein Wort«, sagte Harald Neubert am Montagmorgen, nachdem ich die Redaktion betreten hatte. Wie passend das Wortspiel doch war. Sein Blick war ernst, als er mich in sein Büro zitierte und mein Magen begann zu flattern. Was, wenn ich seine Erwartungen nicht hatte erfüllen können?

Am liebsten hätte ich ihn mit »Und, und, und? Wie finden Sie den Artikel? Der ist gut geworden, oder?« überfallen. Doch ich zog es vor, mich auf einen der zwei Sessel vor seinem Schreibtisch zu setzen und abzuwarten, was er von mir wollte.

Eine Augenbraue hochgezogen, nahm er den Artikel zur Hand, den er ausgedruckt hatte, und sah mich über den Rand des Blattes hinweg immer wieder an.

Gott, er machte es so spannend. Konnte er nicht einfach sagen, wie schlimm es war?

»Revolverheld – vier Hamburger Jungs bringen die Junge Garde zum Kochen«, las er die Überschrift meines Artikels schließlich vor und legte das Papier wieder auf dem Tisch ab.

Nervös rutschte ich hin und her und kaute auf meiner Unterlippe. War ich gestern noch siegessicher, dass Beste abgegeben zu haben, überkamen mich jetzt Zweifel. Mein Herz pochte unsicher bis zum Hals.

»Das ist gut«, hörte ich endlich seine Worte, die mich aus meiner Schockstarre erlösten.

»Wirklich?«, fragte ich leise nach, weil ich kaum glauben konnte, was ich da hörte.

»Ja, wirklich. Der Artikel ist gut. Die Emotionen kommen gut rüber, man spürt den Spaß und die Musik. Es ist, als wäre man dabei gewesen. Wir müssen noch etwas kürzen, aber das wird dem Inhalt keinen Abbruch tun.«

»Gott, Harald, Sie haben mich aber ganz schön auf die Folter gespannt.« Erleichtert atmete ich hörbar aus. Meine feuchten Handflächen rieb ich an meinem Kleid ab, was angesichts der gefühlten fünfzig Grad völlig sinnlos war.

Mein Chef lachte auf. »Sie haben das gut gemacht, Merle. Aber ehrlich gesagt, habe ich nichts anderes von Ihnen erwartet.«

»Das freut mich. Vielen Dank.« Ich spürte, wie sich die Hitze in meinem Gesicht verteilte, als wäre mir nicht schon warm genug.

»Haben Sie sich auch schon mit Fabian Brandl befasst?«, wollte Harald wissen, nachdem er meinen Artikel zur Seite geschoben hatte.

»Ähm, mit wem bitte?« Ich ahnte, wen er meinte, und schimpfte innerlich mit mir selbst, weil ich Artikel Nummer zwei während des Wochenendes vollkommen aus den Augen verloren hatte.

»Der neue Moderator beim City TV. Ihre zweite Chance, sich zu behaupten. Haben Sie schon den Termin fürs Interview gemacht?« Harald hatte sich in seinem schwarzen Ledersessel zurückgelehnt, seine Brille abgesetzt und einen der Bügel zwischen die Zähne geklemmt. Sein Blick ruhte auf mir und ich hatte das Gefühl, dass seine Erwartungen an mich vielleicht doch höher waren, als ich geglaubt hatte.

»Also ... Nein, ich wollte mich zuerst voll und ganz auf das Konzert konzentrieren.«

»Okay. Verstehe ich. Und da es Ihr erster Artikel war, gestehe ich Ihnen einen Kükenbonus zu.«

»Küken…was?« Mit großen Augen sah ich ihn an, was ihn auflachen ließ.

»Kükenbonus. Sie sind eine der jüngsten Mitarbeiterinnen und fangen gerade erst an, der Welt zu zeigen, was Sie können. Aber den gibt es nur einmal.«

»Ah. Okay. In Ordnung. Ich werde mich sofort um Fabio Brandner kümmern.« Ich nickte heftig und erhob mich. Diesen Kükenbonus, was auch immer er damit meinte, brauchte ich gewiss nicht. Das Interview war ein Klacks und schnell im Kasten.

»Brandl.«

»Hm?«

»Er heißt Fabian Brandl.«

»Ach so. Ja. Ich bin schon unterwegs.«

»Sie haben eine Woche Zeit. Und Ihre Kolumne brauche ich natürlich trotzdem bis Mittwoch. Kriegen Sie das hin?« Über den Rand seiner Brille hinweg sah Harald mich abwartend an.

»Natürlich.« Ich versuchte, so resolut wie nur möglich zu wirken und beschloss, mich sofort an die Arbeit zu machen.

»Machen Sie am besten gleich einen Termin aus. Frau Hanke vom Sender weiß Bescheid, dass Sie sich melden.«

Okay. Er hatte also bereits seine Beziehungen spielen lassen und wartete nur darauf, dass ich mitzog. Den Gefallen wollte ich ihm gern tun, wenn es dadurch für mich auf der Karriereleiter bergauf ging.

»In Ordnung. Bin schon so gut wie bei der Arbeit. Gibt es Vorgaben? Fragen, die ich im Interview stellen sollte?«

»Nein. Keine Vorgaben. Sie haben freie Hand für eine halbe Seite. Mit Foto versteht sich.«

Ich nickte abermals, verließ mit klopfendem Herzen das Büro meines Chefs und steuerte meinen Schreibtisch an, der sich in der hintersten Ecke des Großraumbüros befand und wo mein reizender Kollege Olaf schon auf mich wartete.

Mit vor der Brust verschränkten Armen saß er mit einer Pobacke auf der Tischkante und grinste mich an.

»Na, Puppe, biste aufgestiegen? Machste jetzt einen auf Journalistin?«

Ich antwortete nonverbal, indem ich meine Augen zusammenkniff und die Stirn runzelte, während ich mich an ihm vorbeiquetschte, um mich zu setzen.

»Ey, ehrlich, wie kommt’s denn, dass Neubert dich befördert?« Mit seiner Zunge beulte er eine Wange aus und ich drehte angewidert mein Gesicht weg.

Olaf war einer dieser Durchschnittstypen, die es zu tausenden gab. Ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte dreißig und wusste faktisch nichts über ihn. Während meiner Zeit des Volontariats hatte er immer wieder versucht, bei mir zu landen, wollte ständig mit mir ausgehen. Doch ich hatte ihn jedes einzelne Mal abblitzen lassen, er war einfach nicht mein Typ. Seitdem benahm er sich mir gegenüber eher feindselig und ließ kaum eine Gelegenheit aus, mich in meine Schranken zu weisen.

»Ich würde jetzt gern arbeiten, wenn es dir nichts ausmacht«, entgegnete ich emotionslos und würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen fuhr ich meinen Laptop hoch und fischte mein Notizbuch aus meinem Rucksack.

»Ach, und weil du mir jetzt das Interview wegschnappst, glaubste, du bist was Besseres?« Olaf hatte anscheinend nicht vor, mich in Ruhe arbeiten zu lassen. »Den Brandl sollte ich nämlich eigentlich interviewen.«

Jetzt sah ich ihn doch an. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt. Mit verächtlichem Blick schoss er einen Giftpfeil nach dem anderen ab.

»Na und? Du bist Fotograf, ich wüsste nicht, warum du jemanden interviewen solltest. Klär das mit Harald.«

»Pf, geht dich nichts an. Und ich muss gar nichts klären. Ich warte einfach darauf, dass du es gründlich verkackst, damit ich wieder im Spiel bin.«

Arrogantes Arschloch. Ehrlich. Was bildete der sich denn bitte ein?

»Bleib einfach bei deiner Mecker-Kolumne und überlass die richtige Arbeit den richtigen Journalisten.« War ja klar, dass er noch einen draufsetzen musste.

»Na, dann pass nur auf, dass du mit deinem Verhalten nicht Inhalt meiner Kolumne wirst. Das geht ganz schnell, und meckern kann ich echt gut.«

Damit war das Gespräch für mich beendet und auch Olaf hatte verstanden, dass es besser war, sich zu verpissen.

»Touché«, hörte ich von einem der Kollegen aus dem Hintergrund, was mich grinsen ließ. Für einen kleinen Augenblick fühlte ich mich tatsächlich überlegen.

Olaf war wieder zu seinem Platz getrottet. Der Typ hatte mächtig Probleme. Es war wirklich besser, wenn er hinter seiner Kamera blieb. Ich hoffte nur, dass Neubert nicht auf die Idee kam, ihn mit zu dem Interview mit Brandl zu schicken. Das käme einer Naturkatastrophe mittleren Ausmaßes gleich.

Schnell schrieb ich Harald über das interne E-Mail-Programm eine Nachricht und fragte, wer mir für die Fotos mit Brandl zur Verfügung stand. Kai wird Sie begleiten. Sagen Sie Bescheid, sobald Sie den Termin haben. H.N., antwortete er schnell und ich schmunzelte. Er unterzeichnete seine E-Mails immer mit seinen Initialen, als ob man anhand der E-Mail-Adresse nicht wüsste, wer das geschrieben hatte.

Er war so nett, mir auch gleich die Telefonnummer der Fernsehredaktion mitzuschicken, die ich gleich darauf in das Handy tippte. Frau Hanke meldete sich schon nach dem ersten Klingeln.

»City TV, Hanke am Apparat, was kann ich für Sie tun?«

»Ähm, hallo Frau Hanke. Hier ist Merle Schön von der Auf ein Wort in Dresden. Ich würde gern ...«

»Ja, Frau Schön, hallöchen. Ihr Anruf wurde mir schon angekündigt«, unterbrach sie mich freudig plappernd und ich fragte mich, welche Weichen Harald wohl noch für mich gestellt hatte.

»Dann wissen Sie ja sicher schon, worum es geht? Wann hätte Herr Brandl denn Zeit für das Interview?«, fragte ich und klopfte mir selbst auf die Schulter, weil ich mich über die Maßen professionell anhörte.

»Nun ja, wissen Sie, Frau Schön, Herr Brandl hat heute seinen ersten Tag bei uns. Also wollen wir ihn nicht direkt überfallen. Aber ich denke, Ende der Woche können wir ihn ...«

»Überfallen?«, fiel ich ihr jetzt lachend ins Wort.

»Ja, genau.« Sie lachte mit und war echt sympathisch.

»Dann machen wir das am Freitag. An welche Uhrzeit hatten Sie gedacht?« Ich zückte bereits Stift und Kalender, um mir den Termin zu notieren.

»Lassen Sie mich mal schauen. Er hat um zehn Uhr die erste Aufnahme, die geht ungefähr eine Viertelstunde mit allem Drum und Dran. Dann um zwölf wieder. Also entweder kommen Sie zwischen den beiden Aufnahmen oder am Nachmittag?«

Kurz überlegte ich. Mist, ich hatte Helene versprochen, mit ihr ins Freibad zu gehen, wenn es so heiß blieb. Andererseits brauchte ich ja nicht den ganzen Nachmittag und würde meine Fragen auch zwischen den beiden Aufnahmen stellen können.

»Wie wäre es mit halb zwölf am Freitag?«, schlug ich vor.

»Ja, das passt wunderbar. Ich trage es so ein und informiere Herrn Brandl darüber, okay?«

»In Ordnung, ich freue mich.«

Wir verabschiedeten uns, und ich kringelte mir den Termin mit einem roten dicken Filzstift im Kalender ein.

Mein erstes Interview und dann gleich noch mit einem Fernsehstar.

Kapitel 5

Es war erst Dienstag und die Woche wollte einfach kein Ende nehmen. Zudem hatte der Wettergott anscheinend beschlossen, uns Menschen auf der Erde im wahrsten Sinne des Wortes schmoren zu lassen.

Die Temperaturen kratzten an der Vierzig-Grad-Marke und das bereits Anfang Juni. Irre. Schon am frühen Morgen knallte die Sonne auf die Stadt, als würde sie sich darauf freuen, uns zu kochen.

Ich war zeitig aufgestanden, hatte mir einen kalten Tee, der noch von gestern Abend übrig war, eingeschenkt und mich an meinen Schreibtisch gesetzt. Durch die geöffneten Fenster kam etwas frische Luft in meine Dachgeschosswohnung.

Nachdem ich meinen Laptop hochgefahren hatte, gab ich auch gleich den Namen meines ersten Interviewpartners in die Suchmaschine ein. Fabian Brandl. Dem Nachnamen nach schien er kein Sachse zu sein.

Als erstes fand ich einen Eintrag vom City TV, in dem der Sender ihn als neuen Moderator vorstellte. Und wow, sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag konnte er vorweisen. Respekt.

Mit der Maus fuhr ich über den Bildschirm und klickte instinktiv auf die Bildersuche. Um etwas zu erkennen, beugte ich mich nach vorn und sofort wurden meine Augen größer. Ach du meine Güte! Mein Herz begann zu rasen. Das konnte doch gar nicht sein. Fabian Brandl war der nasse Bierrücken.

Schnaufend ließ ich mich zurück in die Lehne meines Drehstuhls fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Na, das konnte ja heiter werden. Wie ein Film spulte sich die Szene vom Konzert vor meinen Augen ab und seine herablassenden Sprüche waren allgegenwärtig. Und er war der neue Wettermann beim lokalen Fernsehsender? Den sollte ich interviewen?

Okay. Ich atmete tief durch, wie ich es im Yoga gelernt hatte. Mit geschlossenen Augen einatmen, wieder ausatmen. Ein. Aus. Bis ich mich etwas beruhigt hatte und den Wikipedia-Eintrag öffnete.

Fabian Brandl war achtundzwanzig Jahre alt und stammte ursprünglich aus München. Die erste Frage drängte sich damit förmlich auf, gestellt zu werden. Was hatte ihn wohl dazu veranlasst, von München nach Dresden zu ziehen?

Laut dem Eintrag war er vor zehn Jahren sogar zum Mister München gekürt worden und hatte dann einen Werbevertrag mit einer Kosmetikfirma für ein Jahr. Studiert hatte er, aber nirgendwo wurden Details dazu erwähnt.

Ob er eine Freundin hatte? So unverschämt gut, wie er aussah, war er ganz bestimmt kein Single.

Ich klickte auf den Pfeil zurück und landete wieder bei all den Fotos. Während ich meine Teetasse an die Lippen führte, betrachtete ich eines nach dem anderen und vergrößerte schließlich eines davon. Auf dem Bild saß er lässig an einer Wand lehnend, trug ein schwarzes Shirt und Jeans. Seine dunklen, fast schwarzen Haare waren kurz, aber keineswegs akkurat frisiert. Im Gegenteil, mit dem verstrubbelten Schopf sah er aus wie ein Teenager, der gerade aus dem Bett gefallen war. Seine Augen waren geschlossen, wie schade. Dafür war sein Mund zu einem unglaublich schönen Lachen verzogen, das schneeweiße Zähne entblößte. Lachfältchen hatten sich um seine Mundwinkel gebildet und sein Kinn bedeckte ein dezenter Bartschatten.

Mir wurde immer wärmer, während ich das Bild betrachtete und noch größer zoomte. Seine ebenmäßigen und doch markanten Gesichtszüge ließen ihn so sympathisch wirken. Ganz anders, als ich ihn vor ein paar Tagen beim Konzert erlebt hatte.

Mein Blick glitt zu seinem Körper, zumindest zu dem, was auf dem Foto noch andeutungsweise zu erkennen war. Er saß im Schneidersitz und hatte die Arme locker vor der Brust verschränkt. Die Ärmel seines Shirts waren nach oben gerutscht und lenkten meine Augen auf seine muskulösen Oberarme und die sehnigen Hände.

»Puh«, stieß ich leise aus und lehnte mich zurück. Schweiß war mir auf die Stirn getreten und das lag gewiss nicht nur an den Temperaturen. Dieser Typ war heiß. Und er war ein Arsch. »Okay, Merle. Beschränken wir uns auf die Fakten«, sprach ich weiter mit mir selbst und notierte mir einige Fragen, bevor ich mir mein Handy schnappte, um meiner besten Freundin zu schreiben.

Merle: Hast du heute Abend Zeit? Wir müssen zusammen fernsehen.

Helene: Ach, müssen wir das? Was schauen wir denn? Bin um sieben da.

Ihre Antwort kam prompt, als hätte sie auf ihrem Telefon gesessen und auf meine Nachricht gewartet. Ich bestätigte die Zeit mit einem Daumen nach oben.

Inzwischen war es heiß in meiner Wohnung geworden. Unter dem Dach zu wohnen war Fluch und Segen gleichermaßen. Zwar konnte ich aus dem Kippfenster in meinem Schlafzimmer auf die bewaldeten Hänge am anderen Elbufer sehen, allerdings kochte ich im Sommer in meiner eigenen Suppe. Trotzdem liebte ich es, hier zu wohnen. Ich mochte den Altbau mit seinen hohen Räumen und stuckverzierten Wänden. Meine Wohnung wies zwar nichts davon auf, allerdings war beim Ausbau des Dachbodens, den ich bewohnte, darauf Wert gelegt worden, die alten Balken zu restaurieren und freizulegen.

Wieder und wieder ertappte ich mich dabei, wie ich zum Bildschirm meines Laptops linste und Fabian Brandl betrachtete, wie er da lachend an der grauen Betonwand lehnte.

Am Nachmittag arbeitete ich an meiner Kolumne für die nächste Ausgabe des Magazins, damit ich diese morgen bei Harald auf den Tisch legen konnte. Meine Finger flogen nur so über die Tastatur, während ich mich über die Hitze der letzten Tage ausließ. Passenderweise hieß meine Kolumne Merle meckert und ich hatte einen Ruf zu verlieren, wenn ich darin plötzlich nett war. Also schimpfte ich, was das Zeug hielt und schwor, den Wetterfrosch der Prinzessin zum Fraß vorzuwerfen, sollte es sich nicht endlich etwas abkühlen.

Kurz vor neunzehn Uhr klappte ich zufrieden den Laptop zu. Morgen früh würde ich den Artikel noch einmal lesen, bevor ich ihn Harald zukommen ließ. Das machte ich immer so, weil mir manchmal noch etwas einfiel, was ich ändern oder ergänzen konnte.

Pünktlich um sieben klingelte es an der Tür, die ich öffnete, ohne an der Gegensprechanlage nachzufragen, wer da war. Schnaufend stand ein paar Minuten später Helene vor der Tür, bepackt mit Eis und einer Flasche Prosecco.

»Scheiße, wohnst du schon immer so weit oben?«, lachte sie und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn.

»Ungefähr seit einem Jahr. Komm rein. Willst du vielleicht erstmal duschen oder so?«

»Wieso? Rieche ich komisch?«

Ich verdrehte kichernd die Augen. »Nein, aber es hätte ja sein können.«

»Mir geht’s fantastisch, aber das Eis sollte vielleicht nochmal ins Kühlfach. Das war schneller hier hochgelaufen als ich.«

Im Wohnzimmer ließ sich Helene auf meine Couch fallen und fächelte sich Luft zu, während ich das Eis ins Kühlfach legte und den Prosecco öffnete.

»Verrätst du mir jetzt, was so wichtig im Fernsehen ist? Wo du doch eigentlich so wenig fernsiehst?«, bohrte sie und ich spürte die Hitze in meinen Wangen. Unsicher, ob das von der Wärme draußen oder dem ansehnlichen Typ in meinem Kopf kam, kniff ich die Augen zusammen.

»Also, ja. Es ist so. Irgendwie müssen wir ...«

»Herrgott, nun mach es nicht so spannend, Merle. Was müssen wir?«, fiel mir Leni ins Wort.

»Wir müssen heute mal City TV gucken.«

Für einen Moment herrschte Stille in meiner Dachgeschosswohnung, bevor meine Freundin in lautes Gelächter ausbrach.

»What? Was müssen wir? City TV? Kommt da was mit Theo James, oder was?«

»Nein, es ist ... Also, es ist für die Arbeit. Recherche, wenn man so will.« Ich schüttelte den Kopf und schaltete den Fernseher ein, um alle Programme durchzuzappen, bis ich endlich beim Lokalsender angelangt war, wo gerade die Nachrichten über den Bildschirm flimmerten.

»Recherche. Okay. Ich will alles wissen.« Leni gab sich betont ernst und griff nach einem der beiden Proseccogläser.

»Nachdem mein Artikel über das Konzert so gut ankam, soll ich nun Fabian Brandl interviewen. Ein Interview, verstehst du, was das bedeutet?« Ich war völlig euphorisch und hoffte, Leni würde das teilen. Auch wenn ich wusste, dass dieses Interview die härteste aller Proben werden würde.

»Hey, das ist fantastisch, ich freu mich so für dich. Darauf trinken wir. Auf das Interview, auf dich und darauf, dass du irgendwann ganz groß rauskommst. Ich weiß, dass du es schaffen kannst.«

Mit Schwung knallte sie ihr Glas gegen meines und wir beide tranken einen großen Schluck der halbkalten Prickelbrause.

»Danke, Leni, das bedeutet mir viel. Die Sache ist nur die ...«

»Und jetzt, meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir unseren neuen Wettermoderator Fabian Brandl.« Die Wangen der Nachrichtensprecherin waren von einer zarten Röte überzogen, und ich war mir sicher, dass es bei ihr nicht an der Hitze im Studio lag. Gleich nach ihrer Ankündigung schwenkte die Kameraeinstellung auf den neuen Sender-Schönling, in den vermutlich bald die halbe Stadt verknallt war.

---ENDE DER LESEPROBE---