(Never) Kiss Santa Claus - Weihnachten in Maple Falls - Kate Franklin - E-Book
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(Never) Kiss Santa Claus - Weihnachten in Maple Falls E-Book

Kate Franklin

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Beschreibung

„Es war, als würde sich nach acht Jahren Dunkelheit alles wieder mit Licht füllen. Als hätte ich jahrelang die Luft angehalten. Und plötzlich atmete ich wieder.“ Nach Maple Falls zurückzukehren war nie eine Option für Hazel Greenwood. Seit sie vor acht Jahren ihrer Heimatstadt abrupt den Rücken gekehrt hat, lebt sie in Boston und ist gerade dabei, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Ausgerechnet ein Personalengpass im Bistro ihrer Mutter sorgt kurz vor Weihnachten dafür, dass sie ihre Prinzipien über Bord werfen und doch auf die andere Seite des Landes fliegen muss. Das wäre halb so schlimm, würde sie dort nicht ausgerechnet Aiden Williams über den Weg laufen - dem Grund dafür, dass sie nach ihrem Schulabschluss mit der Kleinstadt abgeschlossen hat. Während Hazel noch immer mit den Enttäuschungen von damals kämpft, hat sich der attraktive Aiden zu einem erfolgreichen Geschäftsmann entwickelt, der sie nach wie vor völlig aus dem Konzept bringt. Als sie gezwungen sind, zusammenzuarbeiten und mehr Zeit miteinander zu verbringen, als gut für die beiden wäre, sprühen zwar die Funken, aber Hazel weiß nicht, ob sie ihm trauen kann. Meint Aiden es dieses Mal ernst? Und was hat es eigentlich mit Santa Claus auf sich, der immer wieder auf der Bildfläche auftaucht und Hazel schöne Augen macht?

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Seitenzahl: 410

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch:

Playlist

Impressum:

Kate Franklin

(Never) Kiss Santa Claus

Weihnachten in Maple Falls

Roman

Über das Buch:

„Es war, als würde sich nach acht Jahren Dunkelheit alles wieder mit Licht füllen. Als hätte ich jahrelang die Luft angehalten. Und plötzlich atmete ich wieder.“

Nach Maple Falls zurückzukehren war nie eine Option für Hazel Greenwood. Seit sie vor acht Jahren ihrer Heimatstadt abrupt den Rücken gekehrt hat, lebt sie in Boston und ist gerade dabei, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Ausgerechnet ein Personalengpass im Bistro ihrer Mutter sorgt kurz vor Weihnachten dafür, dass sie ihre Prinzipien über Bord werfen und doch auf die andere Seite des Landes fliegen muss. Das wäre halb so schlimm, würde sie dort nicht ausgerechnet Aiden Williams über den Weg laufen - dem Grund dafür, dass sie nach ihrem Schulabschluss mit der Kleinstadt abgeschlossen hat.

Während Hazel noch immer mit den Enttäuschungen von damals kämpft, hat sich der attraktive Aiden zu einem erfolgreichen Geschäftsmann entwickelt, der sie nach wie vor völlig aus dem Konzept bringt. Als sie gezwungen sind, zusammenzuarbeiten und mehr Zeit miteinander zu verbringen, als gut für die beiden wäre, sprühen zwar die Funken, aber Hazel weiß nicht, ob sie ihm trauen kann. Meint Aiden es dieses Mal ernst?

Und was hat es eigentlich mit Santa Claus auf sich, der immer wieder auf der Bildfläche auftaucht und Hazel schöne Augen macht?

Playlist

Michael Bublé – It’s beginning to look a lot like Christmas

Michael Bublé – Have yourself a Merry little Christmas

Michael Bublé – I’ll be home for Christmas

Jess Glynne – Take me Home

Rhodes – Let it all go

Freya Ridings – Lost without you

Dua Lipa – Homesick

Thomas Daniel – What about us

Michael Schulte – You said you’d grow old with me

Felix Jähn – Close Your Eyes

Shane Codd – Get out of my Head

Quarterhead – Touch my Body

Beyoncé – Crazy in Love

Gesaffelstein – Lost in the Fire

Bishop Briggs – Be Your Love

Mariah Carey – All I want for Christmas

The Weekend – Save Your Tears

Tom Gregory – River

Calum Scott - You are the Reason

Tom Grennan – Little bit of Love

Calvin Harris – By your Side

George Ezra – Hold My Girl

Diese Playlist findest du auch bei Spotify unter

Never Kiss Santa Claus von Kate Franklin.

Liebe ist nur ein Wort, bis jemand kommt

und ihm eine Bedeutung gibt.

1. Hazel

»Die Einzelheiten zu den Stellenausschreibungen können Sie auch den Handouts entnehmen, die vor Ihnen liegen. Sie finden alles ab Seite neun.« Innerlich atmete ich tief durch. Es war das erste Meeting, das ich als stellvertretende Personalleiterin von Ocean Beauty LLC zu bestreiten hatte, weil meine Vorgesetzte krank war.

Und ich schlug mich bisher wirklich hervorragend, genoss die volle Aufmerksamkeit der Vorstandsmitglieder und Führungspartner, die verstehend in meine Richtung nickten oder in den Handouts blätterten.

Natürlich hatten sie keine Ahnung davon, dass es mich drei Nächte gekostet hatte, die Präsentation zu erstellen. Aber ich hatte es hinbekommen. Weil ich gut in meinem Job war.

»Ab wann sollen die neuen Stellen besetzt werden?« Hardy Wilkinson, eines der älteren Mitglieder des Vorstandes, hatte seine Brille auf dem Nasenrücken nach oben geschoben und musterte mich erwartungsvoll.

Pures Adrenalin rauschte durch meine Adern und ich war voll in meinem Element. »Nun, wir rechnen Anfang des neuen Jahres mit den ersten Bewerbungen und werden im Februar mit den Einstellungstests beginnen, sodass die Posten möglichst schnell besetzt werden können.« Ich vermied es, ihm einen genauen Zeitpunkt zu nennen. Schließlich würde ich mich nicht auf eine solche Aussage festnageln lassen. Im Moment konnten wir noch gar nicht einschätzen, wie die Bewerbungsphase verlaufen würde.

Wilkinson gab sich mit meiner Antwort zufrieden und nickte einigen anderen Partnern zu.

Mrs. Ocean, die Geschäftsführerin und Gründerin des Unternehmens, saß mir gegenüber an der Stirnseite des langen Glastisches. Bis hierhin hatte sie noch kein einziges Wort gesagt, geschweige denn auch nur eine Miene verzogen. Es machte mich nervös, dass sie mich mit Adleraugen musterte. Ich hatte großen Respekt vor ihr. In den Achtzigern hatte sie das Unternehmen aus dem Nichts gegründet, hatte mit Naturkosmetikprodukten in der Küche ihrer Eltern herumexperimentiert. Inzwischen war die Ocean Beauty LLC Marktführer in diesem Segment, und zwar auch jenseits des Atlantiks. Also war es nötig, mehr Leute einzustellen, die diese Verbindungen pflegten und die Auslandsarbeit sowie das dazugehörige Marketing erledigten. Es war anfangs etwas holprig, als ich versucht hatte, Mrs. Sanders davon zu überzeugen, jene Vorgesetzte, die heute krank war. Aber schlussendlich hatte sie verstanden, dass wir neues Personal dafür brauchten. Andernfalls würde immer mehr Arbeit auf den Schultern der vorhandenen Mitarbeiter lasten, die irgendwann unter dieser Last zusammenbrachen und kündigten. Damit wäre keinem geholfen.

Nachdem ich unser neues Mitarbeiterkonzept vollständig vorgestellt und das Meeting beendet hatte, fühlte ich mich frei wie nie zuvor. Noch immer setzte mich das Adrenalin in meinen Adern unter Strom und das Grinsen in meinem Gesicht war ganz sicher nicht zu übersehen, als ich auf dem Weg zu meinem Büro war.

»Amanda, bringen Sie mir bitte einen Kaffee. Mit Mandelmilch«, wies ich meine Sekretärin an. Allein die Tatsache, dass ich mit gerade einmal sechsundzwanzig Jahren eine eigene Vorzimmerdame hatte, ließ mich von Zeit zu Zeit regelrecht abheben.

Amanda sprang sofort auf und nickte eifrig. »Natürlich, Mrs. Greenwood. Kommt sofort.« Dann verschwand sie mit schnellen Schritten in der Teeküche am anderen Ende des Großraumbüros. Keine zwei Minuten später hatte ich das gewünschte Heißgetränk auf meinem Schreibtisch stehen und ordnete die Stifte wieder, die Amanda beim Abstellen durcheinandergebracht hatte.

Jedes Mal, wenn das passierte – und das war recht häufig – geriet mein innerer Monk in Aufruhr. Er und ich konnten es einfach nicht dulden, dass Stifte, Notizen und so weiter kreuz und quer herumlagen. Alles war ordentlich und fein säuberlich an den jeweiligen Schreibtischkanten ausgerichtet, lag gerade und nach System geordnet. Genauso sah es auch bei mir zu Hause aus. Und wehe, jemand wagte es, meine Ordnung zu verwüsten. Der hatte ganz schlechte Karten.

Gerade als ich den letzten Kugelschreiber auf seine Position schob, betrat Mrs. Ocean mein Büro, das durch eine Glaswand von den Großraumarbeitsplätzen abgetrennt war. Im Augenwinkel sah ich noch, wie Amanda mit den Schultern zuckte, als die Geschäftsführerin einfach an ihr vorbei gegangen war. Ich nickte, um ihr zu verstehen zu geben, dass es okay war.

»Mrs. Ocean, was führt Sie zu mir?« Ich hatte mich erhoben und meinen Rock glatt gestrichen. Ihr Besuch machte mich ein wenig verlegen, denn es kam wirklich sehr selten vor, dass sie ihre Etage – ja, die Geschäftsführung belegte eine ganze Etage – verließ. Das passierte eigentlich nur, wenn sie zu Meetings kam, die in anderen Abteilungen stattfanden. So wie vorhin das Meeting der Personalabteilung.

»Bleiben Sie ruhig sitzen, Hazel, ich bin ja nicht die Queen Mom«, scherzte die Endfünfzigerin, die ein wahnsinnig modebewusstes Auftreten hatte. Sie glänzte vor Enthusiasmus und Ehrgeiz und sah noch dazu immer elegant aus. Ich blieb trotzdem stehen. »Ich wollte Ihnen lediglich persönlich sagen, dass das Meeting ein voller Erfolg war und Sie mich damit endgültig von Ihren Fähigkeiten überzeugt haben.«

Okay, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich schluckte und spürte, wie Hitze in meine Wangen stieg. »Danke schön.« Ich versuchte, nicht so eingeschüchtert zu klingen, wie ich mich gerade fühlte.

»Auch wenn Rebecca bald wieder da sein wird, möchte ich, dass Sie diese Bewerbungskampagne leiten. Sie haben ein gutes Gespür, und ich traue Ihnen durchaus zu, dass Sie auch eine gute Menschenkenntnis haben. Suchen Sie Ihresgleichen, genau solche jungen und dynamischen Leute brauchen wir hier. Solche, die etwas bewegen und vorankommen wollen.«

Ich schluckte abermals. Ihr Kompliment bescherte mir einen inneren Jubelschrei, den ich äußerlich nur schwer unterdrücken konnte. Auch wenn Rebecca Sanders, meine Vorgesetzte, mir leidtat, denn sie hatte fest damit gerechnet, die Leitung des Bewerbungsverfahrens zu übernehmen.

»Ich werde mein Bestes geben, Mrs. Ocean«, versicherte ich ihr.

»Davon gehe ich aus. Was denken Sie, wann können wir starten?«

»Nun, wie bereits im Meeting vorhin gesagt, gehen die Stellenausschreibungen Anfang des neuen Jahres raus. Ich vermute, dass wir großen Zulauf haben werden, da der Bereich wirklich gefragt ist. Die ersten Einstellungstests plane ich für Februar. Wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen regelmäßig ein Update dazu. Sie können allerdings auch gern bei den Gesprächen dabei sein.« Ich war voll in meinem Element und spürte die Energie, die in kleinen Funken alle meine Hirnzellen aktivierte, um Höchstleistung zu vollbringen.

»Update ja. Bei den Gesprächen kann ich natürlich nicht dabei sein, das verstehen Sie hoffentlich, Hazel. Schließlich läuft der Laden hier nicht von Geisterhand.« Mit ihren Händen beschrieb sie eine ausladende Geste und ich nickte schon wieder.

»Natürlich. Das verstehe ich, entschuldigen Sie.«

»Nicht der Rede wert. Hängen Sie sich rein, Hazel. Wenn Sie das gut machen, könnte ich mir vorstellen ...«

Das Klingeln meines Telefons unterbrach Mrs. Ocean. Es gab nur eine einzige Person auf dem ganzen Planeten, die meine direkte Durchwahl hatte. Wobei, eigentlich waren es zwei, aber Kim, meine beste Freundin, die in der Buchhaltung arbeitete, rief eigentlich eher selten an. Wenn wir im Büro waren, verlegten wir unsere Kommunikation auf Chatnachrichten.

Wie gebannt starrte ich auf das Telefon, das stürmisch vor sich hin klingelte. Die Vorwahl war mir sehr wohl bekannt und plötzlich bekam ich Beklemmungen. Meine Mom rief an. Und das tat sie nur im Notfall, weil sie wusste, dass ich bei der Arbeit nur wenig Zeit zum Plaudern hatte.

»Möchten Sie rangehen?« Mrs. Ocean riss mich aus meinen Gedanken.

»Äh, nein, ich rufe zurück. Was wollten Sie gerade sagen, Mrs. Ocean?« Innerlich schüttelte ich mich.

»Wenn Sie diesen Job gut machen, Hazel, dann kann ich mir vorstellen, Ihnen die Leitung dieser Abteilung zu übertragen, wenn Rebecca ihren wohlverdienten Ruhestand antritt.« Mrs. Ocean hatte die Hände vor der Brust zusammengefaltet und betrachtete mich aufmerksam.

Mir fehlten die Worte. Ich wusste nicht genau, was ich darauf erwidern sollte, und begann zu stammeln: »Oh, äh ... Das ist sehr nett von Ihnen. Ich werde Sie nicht enttäuschen.«

»Wie gesagt, ich gehe davon aus.« Mit ihren perfekt getuschten, langen Wimpern zwinkerte sie mir zu, dann drehte sie sich um und verließ mit ikonischen Schritten mein Büro.

Ich blickte ihr hinterher, während ich das Gefühl hatte, mein Unterkiefer würde staunender Weise auf den Boden knallen. Amanda ging es ähnlich. Auch sie saß mit offenem Mund an ihrem Platz.

»Sie sehen aus, als könnten Sie einen Schuss in Ihren Kaffee vertragen, Mrs. Greenwood.« Amanda hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte. Sie war nur ein Jahr jünger als ich, hatte aber kein Problem damit, mich als ihre Vorgesetzte zu akzeptieren, worüber ich sehr froh war.

Ich sah auf meine Smartwatch, die gerade einmal elf Uhr anzeigte. »Zu früh«, antwortete ich und hob die entschuldigend die Schultern.

»Ihre Mom war am Telefon. Sie sollen bitte dringend zurückrufen.«

»Okay, das mache ich gleich. Danke, Amanda.«

»Nicht dafür«, sagte sie und widmete sich wieder den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch.

»Was? O nein, Mom, bei aller Liebe. Aber das wird so nicht funktionieren«, keuchte ich entsetzt in den Telefonhörer.

Meine Mutter besaß ein kleines Bistro in Maple Falls, in dem sie jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit eine Art Benefiz-Buffet veranstaltete. Die Idee dazu hatte ursprünglich ich geliefert, als ich noch ein Kind war. Jedes Mal war ich traurig gewesen, wenn viel Essen übrig blieb. Im ersten Jahr hatte sie an einem Tag in der Vorweihnachtszeit ihr Bistro nur für Bedürftige geöffnet, die umsonst essen konnten – was und so viel sie wollten. Trotzdem kamen etliche Leute, die das Geld, was sie hätten bezahlen müssen, einfach spendeten. Daraufhin hatte Mom beschlossen, das Benefiz-Buffett ins Leben zu rufen und die Einnahmen daraus einem guten Zweck zu spenden. Und aus anfangs einem Tag war inzwischen ein ganzes Wochenende geworden. Schon als Kind fand ich Moms Engagement diesbezüglich so beeindruckend, dass ich jedes Mal mit in der Küche gestanden und geholfen hatte, Canapés zu belegen und Häppchen vorzubereiten. Wir hatten unsere legendären Peanut Butter Honey Rounds und Kürbiskuchen gebacken, und Mom servierte auch ihre heiß begehrten Truthahn-Sandwiches mit selbst gemachtem Coleslaw. Außerdem war ich immer für das Auffüllen der Slush-Eis-Maschine zuständig und alle Kinder waren an diesem Wochenende meine besten Freunde gewesen.

Nachdem ich Maple Falls nach der Highschool den Rücken gekehrt hatte, hatte Mom Petula eingestellt, die ihr anstatt meiner zur Hand ging. Ich hatte es geschafft, Mom dazu zu überreden, Weihnachten immer bei mir in Boston zu verbringen, weil ich nicht vorhatte, jemals wieder einen Fuß auf den Boden von Maple Falls zu setzen. Anfangs hatte sie sich zwar gewehrt, aber sie verstand, dass ich nach all dem, was passiert war, unmöglich zurückkommen konnte. Und nach zwei oder drei Jahren war es irgendwie normal und stand gar nicht mehr zur Debatte.

Doch dieses Jahr sollte sich das ändern. Zumindest wenn es nach meiner Mom ging.

»Doch, Schätzchen. Glaub mir, ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht so wichtig wäre. Aber du musst kommen. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Allein schaffe ich das nicht.«

»Mom ... Ich ... du weißt doch ...«

»Ich weiß, mein Kind. Ich weiß, dass dich viele unschöne Erinnerungen an Maple Falls begleiten. Aber meinst du nicht, es wird langsam Zeit, sie abzulegen und deiner alten Heimat noch eine Chance zu geben?«

Es war nicht so, dass meine Mutter mich darum bat, in Boston alles stehen und liegen zu lassen und in mein altes Leben zurückzukehren. Was nebenbei bemerkt für mich niemals infrage kommen würde. Erst recht nicht nach diesen hervorragenden Jobaussichten, die mir Mrs. Ocean vor wenigen Minuten offeriert hatte.

Meine Mom bat mich lediglich, ihr am letzten Novemberwochenende bei den Vorbereitungen zu diesem Benefiz-Buffet zur Hand zu gehen, weil Petty sich das Bein gebrochen hatte.

»Mom, du verlangst da ziemlich viel von mir. Ich würde dir so gern helfen, aber ich weiß nicht ...« Ich atmete geräuschvoll aus und rieb mit der flachen Hand über meine Stirn.

»Dann komm her und hilf mir. Bitte, Hazel. Tu es für mich, für deine alte Mutter.«

»Du bist nicht alt. Du bist dreiundfünfzig.«

Sie lachte am anderen Ende und es wärmte mir das Herz. Ihr Lachen war schon immer das schönste aller Geräusche in meinen Ohren. In einem Anflug von überbordender Liebe sagte ich schließlich zu. »Okay. Aber nur dieses eine Wochenende und du zwingst mich nicht, irgendwo hinzugehen, außer ins Bistro. Und du kommst Weihnachten trotzdem zu mir nach Boston.«

Abermals drang ihr Lachen in meine Ohren und ließ mich grinsen. »Wann bist du nur so eine knallharte Verhandlerin geworden? Aber gut, ich stimme zu und kann es kaum erwarten, dich in meine Arme zu schließen. Gib mir deine Flugdaten durch, sobald du gebucht hast, okay?«

»Okay, das mache ich. Hab dich lieb, Mom.«

»Ich hab dich auch lieb, mein Schatz.«

Wir verabschiedeten uns und ich legte auf. Meine Haut kribbelte unangenehm bei dem Gedanken daran, nach acht Jahren in meine Heimatstadt zurückzukehren.

Erneut nahm ich den Telefonhörer in die Hand und tippte auf die Kurzwahltaste, mit der ich meine Sekretärin erreichte.

»Amanda, bitte buchen Sie mir Hin- und Rückflug nach Seattle für das letzte Novemberwochenende. Freitag hin und Sonntag zurück. Danke schön. Ach so, und die jeweils passende Busverbindung nach Maple Falls.«

»Geht in Ordnung. Brauchen Sie auch ein Hotelzimmer?«

»Ja, aber darum kümmere ich mich selbst.« Ich sah, wie Amanda mir zunickte, und damit war es beschlossene Sache.

2. Aiden

»Aber sie richtet das Buffet doch jedes Jahr aus, Aiden. Das kannst du ihr nicht nehmen.«

Mein Dad saß hinter seinem Ehrfurcht einflößenden Schreibtisch aus Eichenholz, der garantiert dreimal so alt war wie er selbst. Mit skeptischem Blick musterte er mich über den Rand seiner Brille hinweg, als hätte ich ihm eben gesteckt, dass ich das Wetter beeinflussen konnte. Dabei hatte ich lediglich die Idee geäußert, das Benefiz-Buffet etwas größer aufzuziehen, um damit auch Leute aus der Umgebung anzulocken.

»Ich will es ihr nicht nehmen, Dad. Der Punkt ist aber, dass wir das doch super nutzen können. Schau mal, wenn wir das hier im Hotel ausrichten, haben wir doch viel mehr Möglichkeiten. Wir können mehr Essen anbieten, haben Platz für viel mehr Leute. Eine Tombola wäre noch eine megacoole Sache, um die Einnahmen zu steigern.«

Während ich sprach, krempelte ich die Ärmel meines hellblauen Hemdes auf. Es war so unfassbar warm im Büro meines Dads und als ich sah, dass die Heizung auf fünf stand, wunderte es mich nicht, dass wir hier im eigenen Saft schmorten.

»Aber wie willst du es anstellen, dass Hanna trotzdem ihren Beitrag leisten kann? Es ist ihre Idee. Weißt du, ich halte nicht viel davon, ihr das wegzunehmen und als unsere zu verkaufen.«

Es kostete mich alles an Beherrschung, nicht theatralisch die Augen zu verdrehen. Meine Eltern waren sehr konventionell, und schon immer fiel es ihnen schwer, neue Wege zu gehen. Doch sie hatten mich nun einmal in das Management des Maple Falls Inn eingebunden. Sie mussten sich damit arrangieren, ihre herkömmlichen Pfade zu verlassen, weil ich neuen Schwung in den Laden bringen wollte. Zwar lief das Hotel durchgehend gut, wir waren fast immer ausgebucht, die Einnahmen waren stabil und mehr als ausreichend. Aber ich hatte Pläne. Große Pläne. Und diese Benefiz-Veranstaltung war der Auftakt dafür.

»Dad, noch mal.« Ich beugte mich nach vorn und stützte meine Ellenbogen auf den Knien ab. Mein Dad kam mir entgegen und beugte sich vor. Bingo, Körpersprache funktionierte immer. »Niemand will Hanna Greenwood etwas wegnehmen. Ich möchte ihr Konzept lediglich erweitern. Mit ihrer Hilfe natürlich. Sie wird auf jeden Fall mit eingebunden, das ist ja wohl klar. Schließlich fährt die ganze Stadt auf ihre Häppchen ab. Wir wären schön blöd, wenn wir das nicht nutzen würden. Aber wir ziehen das größer auf. Stell dir nur vor, wie brechend voll der Saal sein wird und wie viel Geld wir mit der Aktion einnehmen werden.«

Wieder zeichnete Skepsis das Gesicht meines Vaters. »Bist du dir sicher? Die Veranstaltung soll in wenigen Wochen sein. Wie willst du das so kurzfristig alles auf die Beine stellen?«

»Mach dir darüber keine Sorgen. Eine Werbekampagne läuft bereits und ich habe mit Radiosendern in Portland und Seattle gesprochen, die sich bereiterklären, unsere Jingles abzuspielen. Unentgeltlich versteht sich. Die Kosten, die wir dafür hätten, fließen in den Spendentopf.«

Endlich regte sich etwas in der Miene meines Dads. Blitzte da ein Funken Begeisterung in seinen Augen auf?

»Du hast das alles schon in die Wege geleitet?«, wollte er wissen.

»Nun ja«, druckste ich herum. »Die Weichen sind zumindest gestellt und sobald ich das Go erteile, legen alle los.«

»Und Hanna weiß Bescheid?«

»Ja natürlich. Mit ihr habe ich bereits gesprochen.«

»Schafft sie das auch alles?«

»Also wenn jemand das schafft, dann Hanna. Sie ist genauso ein Energiebündel wie ...« Ich geriet ins Stocken. Dass ich so eng mit der Mutter meiner Verflossenen zusammenarbeitete, störte mich zwar nicht. Aber nach acht Jahren schaffte ich es kaum, Hazels Namen in den Mund zu nehmen. Heilige Scheiße, aber ich musste nicht mit ihr zusammenarbeiten, sondern nur mit ihrer Mom. »Außerdem hat sie doch Petty, die ihr im Bistro hilft.«

»Soweit ich weiß, hat sich Petty das Bein gebrochen. Kläre das lieber noch einmal ab. Nicht dass unsere Küche dann völlig überlastet ist.«

»Lass das mal meine Sorge sein, Dad. Du wirst sehen, dieses Event wird in aller Munde sein und noch Monate später werden alle darüber sprechen.«

»Na gut, du hast freie Hand, mein Sohn. Aber vermassele es nicht.« Ermahnend schob er seine Brille auf dem Nasenrücken nach oben und widmete sich wieder seiner Arbeit.

»Hab ich nicht vor, Dad.«

Dann verließ ich sein Büro, um wieder in meines zu gehen, das auf der gleichen Etage am anderen Ende des Flurs lag.

Plötzlich hatte ich große Zweifel, dass Hazels Mom dem Projekt gewachsen war. Dass Petty krankheitsbedingt ausfiel, bereitete mir Bauchschmerzen. Wir waren auf die Zuarbeit des Bistros angewiesen, sie war so etwas wie die Essenz des Ganzen. Weil Hannas Speisen einfach die besten und damit auch ziemlich bekannt und begehrt waren.

Während ich in meinen Bürostuhl sank, stieß ich geräuschvoll die Luft aus und drehte mich so, dass ich aus dem Fenster schauen konnte. Das Hotel lag etwas außerhalb der Stadt, fast im Wald und mit direktem Blick auf den Fluss, in dem wir als Kinder immer baden gewesen waren. Der Himmel war schon den ganzen Tag grau und wolkenverhangen. Es nieselte und war kalt und wenn die Temperaturen weiter sanken, würde es wohl bald Schnee geben. Für gewöhnlich war es Mitte November bereits weiß hier in der Gegend, aber dieses Jahr ließ der Schnee auf sich warten.

Erneut atmete ich tief ein und aus und beschloss, noch einmal mit Hanna zu sprechen. Auf dem Handydisplay tippte ich ihre Nummer ein, die ich auf meiner Schreibtischunterlage notiert hatte. Etwas mehr Ordnung könnte nicht schaden, dachte ich mir. Aber ich hatte nicht einmal eine Sekretärin. Wenn ich etwas brauchte, konnte ich auf Wesley zurückgreifen, der den Vorzimmerdrachen meines Vaters mimte.

Mein Vater hatte die kaufmännische Leitung des Hotels übernommen, während meine Mutter für die Bereiche des Housekeepings und des gesamten Service inklusive Küche zuständig war. Zudem managte sie auch alle Personalsachen. Mir hatten sie das Marketing übertragen, nachdem ich mein Wirtschaftsstudium an der SU erfolgreich abgeschlossen hatte.

Hanna ging nach dem dritten Klingeln ran.

»Hallo, Greenies Bistro hier«, meldete sie sich gewohnt freundlich.

»Hi, Mrs. Greenwood, hier ist Aiden Williams vom Maple Falls Inn.«

»Ich weiß doch, wer du bist, Aiden«, scherzte sie und lachte am anderen Ende. Und ihr Lachen erinnerte mich so sehr an eine Zeit, von der ich dachte, dass ich sie aus meinem Hirn gelöscht hätte. Aber seit ich mit Hanna wieder öfter in Kontakt stand, blitzten immer mehr Erinnerungen auf, die mich fast um den Verstand brachten.

»Wie gehts Ihnen? Ich hab gehört, dass Petty ausfällt? Schaffen Sie das alles alleine für die Benefiz-Veranstaltung?«

»Ja, natürlich. Ich habe mir schon Hilfe organisiert. Mach dir keine Sorgen, das wird alles ganz großartig. Und ich finde es übrigens toll, dass ihr das Event so groß aufziehen wollt. Da werden die Kassen ordentlich klingeln.«

»Das hoffen wir, Mrs. Greenwood. Es gibt schließlich genug Leute, die Unterstützung brauchen. Falls noch irgendetwas sein sollte, Sie doch noch Hilfe benötigen oder so, dann melden Sie sich bitte. Wir finden eine Lösung, okay?«

»So machen wir das, Aiden. Aber sei mir nicht böse, ich muss wieder an die Arbeit.«

Damit war unser Gespräch beendet und ich war nur minimal beruhigt, was die Ausgangslage betraf. Sie hatte sich also Hilfe organisiert. Nun gut, mir blieb nichts anderes übrig, als davon auszugehen, dass alles gut werden würde.

Am Abend traf ich mich mit Pete an der Hotelbar. Das machten wir ab und zu mal, dabei sparten wir einiges an Kohle, weil wir die Whiskeys, die wir konsumierten, nicht bezahlen mussten. Ich verbuchte das jedes Mal auf meinem Personalkonto als Eigenverbrauch.

»Wie gehts den Kids?«, fragte ich meinen besten Kumpel, mit dem ich früher an der Highschool Basketball gespielt hatte. Inzwischen war Pete verheiratet und hatte zwei Kinder. Beides etwas, das ich mir für mich noch gar nicht vorstellen konnte.

»Ganz gut. Mavis ist schon wieder erkältet. Und Skyler wird immer frecher.« Er zuckte mit den Schultern und nahm einen großen Schluck Whiskey.

»Ganz der Papa.« Mit einem spöttischen Lachen klopfte ich ihm auf die Schulter. »Und wie läuft es auf der Arbeit? Wie viele Autos hast du diese Woche verkauft?«

»Alter, es ist Winter. Wer kauft denn da Autos?« Pete arbeitete erst seit zwei Jahren im Autohaus seines Onkels, das mehr schlecht als recht lief. Ich hatte ihm mehrfach meine Hilfe angeboten, aber bisher hatte er sie immer abgelehnt und das mit einem Interessenskonflikt begründet. So ein Schwachsinn. Ich hatte kein Problem damit, meinem besten Freund aus der Scheiße zu helfen, und würde nicht einmal Geld dafür nehmen.

»Pete, ich hab dir schon mal gesagt, dass ich dir gerne helfe. Wenn ich mir mal eure Zahlen anschauen ...«

»Ist nicht nötig. Aber danke«, unterbrach er mich und begann, das Glas in seiner Hand zu drehen und der öligen Flüssigkeit darin dabei zuzusehen, wie sie immer mehr ins Strudeln geriet.

»Sag mal, ist alles okay?« Ich winkte dem Barkeeper ab, der unsere Gläser auffüllen wollte.

Pete schwieg für ein paar Sekunden, dann holte er tief Luft und sah mich mit diesem Hundeblick an. O Gott, was kam jetzt?

»Ja ... Nein ... Ach, keine Ahnung.« Wieder schwenkte er das Glas hin und her, bevor er einen großen Schluck nahm.

»Raus mit der Sprache. Was ist los? Ärger im Paradies? Schlechter Sex?«

Von der Seite warf er mir einen verächtlichen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu. »Ich hätte lieber schlechten Sex, glaub mir.«

»Oh«, war alles, was ich darauf erwidern konnte.

»Die Kinder nehmen uns so in Beschlag, dass wir kaum mehr Zeit für uns haben. Letztes Weihnachten hatte ich Chloe Dessous geschenkt.«

Okay, das war wiederum ein Detail, das Pete getrost für sich behalten konnte. Aber ich ahnte, dass es zur Story gehörte, und ich war ja kein Unmensch.

»Rate, wie oft sie die anhatte.« Jetzt drehte er sich wieder zu mir, hob die Schultern und wirkte plötzlich wie ein alter, müder Mann, der des Lebens überdrüssig war.

»Ach, Pete, so ist das Leben nun einmal. Kinder verändern alles.« Nicht dass ich das wusste, aber ich hatte es irgendwo einmal gelesen.

»Dieser Scheißalltag frisst mich auf, Alter«, brummte er. »Man rödelt wie ein Hamster und bekommt immer noch gesagt, dass das nicht reicht. Und zu allem Übel sitzt Mann dann auch noch monatelang auf dem Trockenen.«

Er klang wirklich verbittert und es tat mir total leid.

»Hast du mal mit ihr darüber geredet?«

Wieder dieser Blick in meine Richtung. »Hast du mal versucht, mit einer Frau über nicht vorhandenen Sex zu sprechen? Ich will nicht reden, Mann, ich will vögeln. Und zwar meine Frau.«

»Na ja, sie scheint das aber nicht so zu sehen«, deckte ich das Offensichtliche auf.

»Du bist mir keine große Hilfe, ehrlich.« Immerhin rang sich mein bester Freund jetzt ein Lächeln ab. »Manchmal beneide ich dich. Dir liegen die Frauen zu Füßen. Du kannst machen, was du willst. Wann du willst. Mit wem du willst. Niemand zieht dich zur Rechenschaft, wenn dein Termin länger gedauert hat oder du vergessen hast, Brot zu kaufen oder Windeln.«

»Alter, du hörst dich an, als wäre dein Leben vorbei.«

»Irgendwie ist es das auch. Ich weiß nicht einmal mehr, wann ich das letzte Mal so richtig auf die Kacke gehauen habe.«

Daran konnte ich mich dafür umso besser erinnern. »Seattle. Eine Woche vor eurer Hochzeit. Dieses Striplokal mit der kleinen Dunkelhaarigen, der du die Schlagsahne vom Busen schlecken durftest.«

Augenblicklich erhellte sich seine Miene und ein Leuchten blitzte in seinen Augen auf. »Scheiße ja, war das geil, Mann. Diese Kleine, ich sag dir, der hätte ich es so richtig besorgt.«

»Dann wäre Chloe noch enttäuschter gewesen. Und zurecht, wie ich finde.«

»Verdammter Spießer«, schimpfte er gespielt. »Aber ohne Mist, manchmal wünschte ich mir, ich wäre ein bisschen mehr wie du. So frei und ungebunden. Und erfolgreich.«

»Du hast gutaussehend vergessen«, feixte ich und nickte zustimmend.

»Und arrogant.«

»Auf uns«, sagte ich, anstatt auf seinen letzten Kommentar einzugehen, und stieß mein Glas gegen seins.

Innerlich feierte ich meinen Beziehungsstatus, der mir all das, was Pete eben erwähnte, erlaubte. Ich war bisher nur einmal richtig verliebt gewesen, also so richtig mit Herzklopfen und all dem Scheiß. Das war damals an der Highschool, endete aber in einem Desaster, für das ich verantwortlich gewesen war. Seitdem hatte ich nie wieder eine feste Beziehung geführt. Und nach Petes Livebericht aus dem Eheleben eines Autoverkäufers schwor ich mir, dass das verdammt noch mal so bleiben würde.

3. Hazel

Mein Herz hämmerte wild gegen das Innere meines Brustkorbes, als das Flugzeug die Landeklappen und das Fahrgestell ausfuhr. Gleich würde der Flieger landen, und dann trennten mich nur noch zwei Stunden von Maple Falls.

Ich konnte kaum glauben, dass ich das wirklich tat. In der Firma hatte ich einen familiären Notfall vorgegaukelt. Nur so war es mir möglich, mitten in der heißen Phase meines ersten Projektes einen Tag freizunehmen.

Seit heute Morgen war ich auf den Beinen und mich übermannte die Müdigkeit. Der reichlich fünfstündige Flug war auch nicht unbedingt erholsam und jetzt stand mir noch eine lange Busfahrt bevor.

Während das Flugzeug mit einem heftigen Geruckel auf der Landebahn aufsetzte, blitzten Momente aus meiner Vergangenheit in meinem Kopf auf wie Filmszenen. Der Fluss, in dem wir als Kinder gespielt hatten. Später, als wir dann schon an der Highschool waren, war das unser Rückzugsort. Miranda, meine beste Freundin, und ich hatten uns dort zum ersten Mal über Sex unterhalten. Ich erinnerte mich noch genau, wie angewidert sie davon war, als ich erzählt hatte, dass ich mit Aiden mein erstes Mal plante. Es war zugleich auch sein erstes Mal und sollte etwas ganz Besonderes werden.

Aiden und ich kannten uns schon seit Kindheitstagen. Als wir Teenager waren, entwickelten wir Knall auf Fall Gefühle füreinander und wurden ein Paar. Wobei, nein, wir wurden das Paar an der Schule. Ich war das glücklichste Mädchen in der nördlichen Hemisphäre und Aiden legte mir die Welt zu Füßen. Mit ihm fuhr ich zum ersten Mal nach Seattle und erinnerte mich noch gut daran, wie aufgeregt ich gewesen war. Gemeinsam hatten wir diese Stadt erobert, waren mit dem Riesenrad auf schwindelerregender Höhe gewesen, die der Ausflug auf die Space Needle getoppt hatte. Mein Highlight war jedoch eine simple Hafenrundfahrt gewesen. Ich liebte Häfen. Und das Meer. Und Aiden. Damals.

Mein Herz wurde schwer. Denn der Punkt, an dem sich alles geändert hatte, war nur allzu gegenwärtig in meinen Erinnerungen. Das Gesicht meiner besten Freundin Miranda blitzte in meinen Gedanken auf. Und das von Aiden ... Der Abend des Abschlussballs, als ich die beiden auf der Mädchentoilette erwischt hatte, lag mir noch heute wie ein wirrer Knoten im Magen. Und gerade jetzt wurde alles wieder aufgewühlt. Warum tat ich mir das eigentlich an?

Die Stewardess sagte etwas in rasender Geschwindigkeit durch die Sprechanlage, was man kaum verstand, und das Flugzeug rollte gemächlich zu seiner Parkposition. Ganz so, als würde es mir noch etwas Zeit verschaffen wollen, mich daran zu gewöhnen, dass ich wieder hier war.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis mein Koffer auf dem Gepäckband angefahren kam. Träge arbeitete sich der schwarz-bunte Einheitsbrei an Gepäck Runde um Runde an den Wartenden vorbei. Zum Glück hatte ich beim Kauf geistesgegenwärtig auf eine Signalfarbe geachtet, die ich immer schnell entdeckte, sobald der Schlund die Gepäckstücke ausspuckte. Endlich sah ich mein knallrotes Ungetüm und griff gezielt danach, damit ich das stickige Flughafengebäude schnell verlassen konnte.

Den Anschlussbus, der mich direkt nach Maple Falls bringen würde, hatte ich gerade so geschafft. Es war eine Punktlandung und ich atmete tief durch, als ich meinen Platz gefunden und alles verstaut hatte.

Langsam setzte sich der Bus in Bewegung und ich fischte mein Telefon aus der Handtasche, um Mom Bescheid zu sagen, dass ich bald da sein würde.

»Hey, mein Schatz«, begrüßte sie mich schon nach dem ersten Klingeln. Es erweckte den Anschein, als hätte sie direkt neben dem Telefon gesessen und auf meinen Anruf gewartet.

»Hi, Mom. Ich sitze im Bus und bin in zwei Stunden da«, sagte ich und mir fiel auf, wie müde ich klang.

»Wie schön, ich freue mich so auf dich, Hazel. Ich habe schon alles hergerichtet. Du kannst in deinem alten Zimmer übernachten. Also wenn du willst.« Sie klang so euphorisch und ahnte wahrscheinlich nicht, dass mir der Atem stockte.

»Ähm, in meinem alten Zimmer?« Vielleicht noch in meinem alten Bett, wo ich damals mit Aiden ...? Um Himmels willen. Niemals.

»Ja natürlich. Das wäre doch praktisch, nicht wahr? Ich habe es sogar weihnachtlich dekoriert. Zumindest ein bisschen, ich weiß ja, dass du es nicht so üppig magst.« Ich sah ihr lächelndes Gesicht vor mir und brachte es kaum übers Herz, ihr zu sagen, dass es für mich nicht infrage kam, in meinem alten Zimmer zu übernachten.

»Das ist ja lieb«, sagte ich stattdessen und schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. »Aber ich habe mir doch schon ein Hotelzimmer gebucht.«

»Oh.« Shit. Die Enttäuschung meiner Mom war hörbar groß.

»Ich möchte einfach nicht, dass du dir solche Umstände machst, Mom.« Ich versuchte, die Kurve zu kriegen. »Und ich bin ja trotzdem bei dir.«

In meinem Kinderzimmer zu übernachten, war einfach keine Option für mich. Erst recht nicht, wenn ich daran dachte, dass da alles aussah wie früher. Viel zu viele unschöne Erinnerungen würden dort auf mich warten, auf die ich getrost verzichten konnte. Das war nicht mehr ich. Schon lange nicht mehr.

Passend zu meiner Stimmung war der Himmel dunkelgrau und es nieselte leicht, als ich in Maple Falls ankam. Bevor ich den Bus verließ, zog ich den Gürtel meines roten Wollmantels zusammen, richtete den Schal und zog mir die Mütze tief in die Stirn, um dem hässlichen Wetter zu trotzen. Eigentlich war es ein Wunder, dass es noch nicht geschneit hatte.

Recht zaghaft setzte ich einen Fuß vor den anderen, um die wenigen Stufen, die mich vom Pflaster meiner Heimatstadt trennten, zu überwinden. Das Herz schlug mir dabei bis zum Hals, dass ich kaum atmen konnte. Acht Jahre. Acht lange Jahre. Und jetzt war ich wieder hier ...

Auf den ersten Blick hatte sich nicht viel verändert. Der kleine Busbahnhof sah noch genau so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Er befand sich direkt an der großen Hauptstraße, die durch die Kleinstadt führte wie ein roter Faden. Links und rechts der Fahrbahn befanden sich kleinere Geschäfte und ein paar Restaurants. Okay, einiges hatte sich doch verändert ...

Für ein paar Sekunden hielt ich inne und sog die kalte Luft in meine Lunge, die nach der Fahrt im stickigen Bus regelrecht nach Sauerstoff gierte. Beim Blick auf meine Smartwatch erschrak ich kurz – schon fast sieben Uhr? Oh, Moment, ich musste sie natürlich noch an die hiesige Zeitzone anpassen. Also war es erst kurz vor vier. Erleichtert darüber, dass ich noch ausreichend Zeit hatte, atmete ich auf.

Obwohl wir es nicht direkt besprochen hatten, nahm ich trotzdem an, dass meine Mutter mich vom Busbahnhof abholen würde. Aber ich konnte sie nirgends entdecken, nachdem ich mich umgesehen hatte. Sicher war noch genug im Bistro zu tun. Erst recht, da Petty wegen ihres Unfalls ausgefallen war.

Ich machte mich also zu Fuß auf den Weg und fühlte mich unbehaglich. Der Nieselregen durchnässte meine Mütze und kroch samt der Kälte in jede noch so kleine Ritze, um mich frösteln zu lassen. Ich hätte andere Schuhe anziehen sollen, ging mir durch den Kopf. Die Stiefel mit den hohen Absätzen waren zwar schick und fürs Büro absolut geeignet. Aber ich hatte ganz vergessen, wie uneben die Gehwege hier waren und wie bescheiden es sich hier mit Absätzen laufen ließ.

Mit meinem Koffer im Schlepptau legte ich Meter für Meter zurück. Niemand nahm Notiz von mir. Ganz so, als wäre ich eine Fremde. Und in gewisser Weise war ich das auch. Schließlich hatte ich keine Ahnung, wer von meinen damaligen Schulkameraden überhaupt noch hier wohnte. Ich war mir sicher, dass die meisten in die größeren Städte gezogen waren.

Ein Lichtschein erhellte meine Aufmerksamkeit und ich blieb stehen, um nachzuschauen, wo er herkam. Erst als mein Blick nach oben glitt, sah ich die festliche Beleuchtung an den Straßenlaternen und die Girlanden, die über die Straße gespannt waren. Sie waren gerade angegangen und tauchten die Straße nun in ein ganz anderes Licht. Plötzlich verschwand das Unbehagen und für einen Moment fühlte ich mich heimisch.

Mit einem Lächeln im Gesicht und den Blick auf die Lichter geheftet lief ich weiter. Bis ich ... verdammte Axt ... Der Absatz meines linken Stiefels verhakte sich zwischen zwei irrsinnig schlecht verlegten Gehwegplatten. Er blieb einfach hängen, sodass mein Bein nicht hinterherkam, als ich weiterlaufen wollte. Zu spät registrierte ich, was passiert war, und geriet gehörig ins Straucheln. Der Koffer in meiner Hand ebenso, denn ich ruderte wild mit den Armen, um das Gleichgewicht wieder zu erlangen. Eine völlig bescheuerte Aktion, denn es war zwecklos. Ich rutschte mit dem freien Bein weg und landete unsanft auf dem Boden, während mein Koffer neben mir aufschlug und – sehr zu meinem Leidwesen – aufging, wodurch sich der Inhalt um mich herum auf dem Gehweg verteilte.

Der erste Besuch in Maple Falls nach acht Jahren begann also mit einer furiosen Blamage für mich.

»Scheiße«, fluchte ich leise vor mich hin. »Wäre ich doch nur zu Hause geblieben.«

Im Augenwinkel sah ich zwar viele Beinpaare an mir vorbeihuschen, aber anscheinend war niemand gewillt, mir aufzuhelfen. Doch gerade als ich mich aufrappeln wollte, um meine Klamotten zusammenzulesen, erschienen grobe schwarze Stiefel in meinem Blickfeld. Ich hielt inne und raffte blindlings ein paar Pullis zusammen, als ich weiter nach oben sah. In den Stiefeln steckten Beine, die wiederum in einer roten samtigen Hose steckten. Okay ... Noch weiter oben eine rote samtige Jacke, auf der im oberen Drittel ein weißer Rauschebart lag.

Als ich meinen Kopf in den Nacken legte, um nachzuschauen, wer sich da meiner annehmen wollte, traf mein Blick auf funkelnde Augen und ein bärtiges Lächeln.

Ach du heiliges Kanonenrohr. Es war tatsächlich Santa Claus, der mich retten wollte. Ich spürte, wie sich mein Mund öffnete und mein Kinn nach unten klappte.

»Ist alles okay mit Ihnen?«, fragte mich der Weihnachtsmann mit brummender Stimme und ich nickte lediglich, denn ich brachte kein Wort heraus. »Gut. Darf ich Ihnen helfen?«

Erst jetzt löste ich mich aus meiner Schockstarre, schüttelte mich und sah, dass der Typ, der vorgab, Santa Claus zu sein, nach meiner Wäsche griff, die vor ihm im Dreck lag.

»Nein danke, geht schon«, sagte ich hastig und griff nach den Höschen. Gott, das war an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

»Schade, dabei helfe ich doch so gern«, brummte der Mann im Kostüm, der sich allergrößte Mühe gab, älter zu wirken als er war. Die verstellte Stimme, die in echt garantiert um einiges heller war, reichte nur leider nicht aus, um über die jungen, weich wirkenden Gesichtszüge hinwegzutäuschen.

»Das glaube ich Ihnen. Wirklich vielen Dank, aber ich ... äh ... ich komme klar.«

Erneut trafen sich unsere Blicke und obwohl ich sein Hilfsangebot abgelehnt hatte, griffen seine schwarz behandschuhten Hände nach meinen Kleidungsstücken, um sie feinsäuberlich in den Koffer zu legen.

»Mama, Mama! Sieh mal, Santa Claus ist schon da!«, rief ein kleines Mädchen und kam geradewegs auf uns zu gerannt, um gleich darauf vorsichtig über Santas Bart zu streichen. Ihre Augen leuchteten und ich versuchte, mir vorzustellen, welche Magie diese Begegnung in ihr auslöste. Fast war es, als hätte ich vergessen, wie schön die Weihnachtszeit sein konnte.

»Hey, na komm, wir müssen weiter zu Granny.« Die Mutter des Mädchens war peinlich berührt und griff nach dem Arm der Kleinen.

»Sei schön brav. Dann komme ich bald wieder. Und dann bringe ich auch Geschenke mit«, brummte Santa Claus und zwinkerte ihr zu, was sie kichern ließ.

»Versprochen?«

»Natürlich. Hat Santa Claus schon jemals gelogen?«

»Nein. Wobei, warte. Einmal, da habe ich mir diese eine Puppe gewünscht. Du weißt schon, die, die weinen und Pipi machen kann. Ich wollte sie wirklich haben, aber stattdessen habe ich etwas anderes bekommen. Einen riesigen Plüschteddy, aber den habe ich auch sehr lieb.«

»Das freut mich. Und wegen der Puppe, das tut mir leid. Ich bin mir sicher, das war ein Fehler in der Santa-Claus-Verpackungsabteilung. Ich werde der Sache nachgehen, damit so etwas nicht wieder passiert, okay?«

Die Kleine nickte eifrig und ihre Wangen waren inzwischen genauso rot wie Santas Mantel.

»Entschuldigen Sie«, sagte die Mutter und zog das Mädchen weiter.

»Das war wirklich süß.« Für einen Moment erhaschte ich einen Blick in Santas Augen, die dem Leuchten des kleinen Mädchens in nichts nachstanden. Wer auch immer das hier war und was immer er vorhatte, er tat es mit Leidenschaft und das beeindruckte mich sehr.

»Hallo? Ich bin Santa Claus. Es ist meine Pflicht, Kinderaugen zum Leuchten zu bringen.« Bevor er sich wieder meinen Klamotten auf dem Gehweg widmete, zwinkerte er mir zu. Genau wie dem Mädchen.

»Das müssen Sie wohl alles waschen. Da hinten ist ein Waschsalon.« Er nickte die Straße hinunter und tatsächlich entdeckte ich den Laden, den er meinte.

»Der ist neu«, sinnierte ich. »Aber danke, das lasse ich im Hotel waschen.«

»Ach, Sie sind nur auf der Durchreise?« Der Typ war ganz schön neugierig.

»Ja, nein ... Ich bin hier aufgewachsen und besuche meine Familie«, erzählte ich, während ich dabei war, die letzten Sachen in den Koffer zu stopfen und diesen zu schließen. »Aber ich war lange nicht hier. Sehr lange ...«

»Das ist aber schade, wo Maple Falls doch so ein wunderschönes Städtchen ist.«

»Ja, da haben Sie recht. Das ist es und ich hatte es fast vergessen.«

»Dann ist ja umso besser, dass Sie wieder hier sind und es sich in Erinnerung rufen können.«

Argh. Bloß nicht. Auf Erinnerungen jeglicher Art konnte ich nun wirklich verzichten. Mit einem Ruck rappelte ich mich auf und befreite meinen Schuh aus der Rille im Gehweg. Der wildlederüberzogene Absatz war natürlich vollkommen ruiniert.

»Schicke Schuhe«, stellte Santa Claus fest und schnalzte mit der Zunge, dass ich fast schon lachen musste. »Leider sind sie für diese Gegend hier nicht unbedingt geeignet. Ich würde Ihnen wirklich raten, sich morgen im Einkaufszentrum ein paar Boots zu kaufen. Es soll nämlich schneien.« Mit den Händen stützte er sich auf den Knien ab und stemmte sich nach oben.

Ich tat es ihm gleich und richtete mich auf. Santa war ein gutes Stück größer als ich und wirkte, trotz seiner ulkigen Verkleidung, ziemlich sportlich.

»Kann ich Sie ins Hotel bringen? Mein Schlitten steht gleich da hinten.« Er legte die Hände an den Mund, um eine Art Sprachrohr zu bilden, und rief: »Blitz! Donner!«

Lachend bog ich mich und hielt mir die Hand auf den Bauch. »Hören Sie schon auf. Ich glaube, Blitz und Donner haben keine Lust, mich irgendwo hinzubringen.«

Sein Blick verfinsterte sich. »Die hören aufs Wort, glauben Sie mir. Und ich bin Santa Claus. Wenn ich sage, die sollen Sie ins Hotel bringen, dann machen die das auch.«

»Lassen Sie es gut sein. Ich gehe zu Fuß. Nach dem langen Flug und der Busfahrt tut es ganz gut, an der frischen Luft zu sein.«

»Na gut, aber passen Sie gut auf sich und den Koffer auf. Und ... frohe Weihnachten.« Noch einmal zwinkerte er mir zu, griff zur Glocke, die an seinem Gürtel befestigt war und klingelte damit. Gleich darauf lief er weiter und ich blieb für ein paar Sekunden völlig verdattert stehen. Schließlich ertappte ich mich dabei, dass ich heimlich zum Himmel schielte, auf der Suche nach den Rentieren und dem Schlitten.

Okay, das war wirklich skurril. Wen hatte meine Mom damit beauftragt, mich an der Nase herumzuführen? Ich blickte mich um, konnte sie aber nirgends entdecken. Was war das für ein Spiel?

Da tauchte aus dem Nichts Santa Claus auf, half mir aus meiner Misere und gab mir noch Shoppingtipps?

Welcome to Maple Falls – wenn Sie noch nicht verrückt sind, werden Sie es hier garantiert!

4. Aiden

»Hast du schon gehört, wer in der Stadt ist?« Pete klang ziemlich euphorisch am anderen Ende des Telefons.

»Nein, erzähl.«

»Sitzt du?«

»Ja, Mann. Nun mach es nicht so spannend. Ich hab den Arsch voll Arbeit und gleich das nächste Meeting wegen der Benefiz-Veranstaltung.«

»Ist ja schon gut. Ich finde es übrigens sehr beachtlich, dass du das so schnell auf die Beine stellst.«

»Danke, Alter. Das weiß ich zu schätzen. Es war anfangs nur eine fixe Idee, aber als Dad meinte, ich soll mal machen, war mein Ehrgeiz geweckt. Kennst mich ja.«

»Der Workaholic vom Dienst, ich weiß schon.«

»Du wolltest mir noch etwas sagen, Pete«, erinnerte ich meinen Kumpel.

»Ach ja, genau. Also du hast vermutlich keine Ahnung, wer heute angekommen ist, dabei pfeifen es die Spatzen schon von den Dächern ...«

»Das Meeting, Pete. Komm zum Punkt.«

»Alter, also echt, dass du das noch nicht weißt, wundert mich.«

»Mich auch und ich verspreche dir, ich werde herauskriegen, warum das so ist. Aber nun sag mir um Himmels willen, was du zu sagen hast, damit ich weiterarbeiten kann.«

»Greenie ist wieder da«, posaunte Pete triumphierend heraus und dann herrschte endlos lange Stille, bis er »Hazel Greenwood« noch ergänzte.

Sechs Worte, die meinen Tag von jetzt auf gleich veränderten. »Ich weiß, wer Greenie ist, das musst du mir nicht erklären«, fuhr ich ihn barsch an. »Danke für die Info, aber jetzt muss ich wirklich ...«

»Ja ja, schon gut. Ich dachte nur, du solltest es wissen ... Falls du ihr über den Weg läufst und so ...«

»Danke«, sagte ich lediglich und verabschiedete mich.

Mit dem Fuß stieß ich mich schwungvoll ab und landete mit einer halben Drehung wieder mit Blick auf meinen Laptop, beugte mich vor und wie ferngesteuert jagten meine Fingerspitzen über die Tastatur, um zwei Worte in die Suchmaschine einzugeben.

Hazel Greenwood.

Zwei Worte, die ich seit acht Jahren nicht aus meinem Gedächtnis verbannen konnte. Oder nicht wollte, keine Ahnung. Ein Name, der mein Leben nach der Highschool nachhaltig beeinflusst hatte. Ein Name, der so viel mehr war ... als nur ein Name. Und doch hatte ich nie nach ihm gegoogelt.

Meine Augen flogen über den Computerbildschirm, wo mir die Suchergebnisse angezeigt wurden. Der Link zu einem Instagram-Profil erschien und die Vorschau sah recht vielversprechend aus. Mein rechter Zeigefinger verselbstständigte sich und klickte ihn an. Sogleich huschte mein Blick über die zahlreichen Fotos, blieb dann aber an der Biografie hängen.

Hazel Greenwood. Sechsundzwanzig. Boston. Human Resources Managerin in einem großen Unternehmen. Die letzten Fotos zeigten eine junge, wahnsinnig attraktive Frau, die mit beiden Beinen anscheinend fest im Leben stand. Ihre langen dunkelblonden Haare waren nahezu auf jedem Bild akkurat frisiert, fast ein wenig zu streng für meinen Geschmack. Wobei das natürlich auch reichlich Stoff für Fantasien bot, die ich mir in den letzten Jahren allerdings untersagt hatte.

Das aktuelle Bild zeigte sie im Winter-Outfit, mit dicker Mütze und Wollschal. Im Hintergrund glaubte ich, den Flughafen von Seattle zu erkennen. Das passte, denn der Beitrag war von heute.

Mein Herz schlug ein paar unverschämte Takte schneller, während ich mich in Gedanken an diese Frau verlor. Acht lange Jahre hatten wir uns nicht gesehen. Hatten keinen Kontakt. Gar keinen Kontakt. Sie hatte mich aus ihrem Leben gestrichen. Nur ich hatte das nicht ganz geschafft.

Gedankenversunken scrollte ich mich durch ihren Feed. Anzeichen auf eine Beziehung oder einen Freund oder überhaupt männliche Wesen in ihrem Leben fand ich jedoch nicht und atmete erleichtert auf. Vielleicht war es ihr wie mir ergangen? Ich hatte seit damals keine feste Beziehung auf die Reihe bekommen, und mir stand auch nie der Sinn danach. Sehr zum Leidwesen meiner Eltern, die es gern gesehen hätten, wenn ich neben meiner Karriere im Hotelwesen auch ein Familienleben vorzuweisen hätte. Aber warum sollte ich mir Verpflichtungen an die Backe binden, wenn ich doch auch so ausreichend Spaß haben konnte? Dass beides nicht vereinbar war, wusste ich aus Erfahrung nur zu gut.

»Mr. Williams?«

Ein vorsichtiges Klopfen an der halb offenen Bürotür holte mich ins Hier und Jetzt zurück. Es war Dads Sekretär, der zaghaft seinen Kopf durch den Spalt steckte.

»Ja?«, erwiderte ich forsch, klickte den Internetbrowser weg und tat so, als hätte ich furchtbar viel zu tun.

»Ich soll Sie an das Meeting in einer halben Stunde erinnern. Wegen der Benefiz-Veranstaltung.«

»Danke Wes, das habe ich auf dem Schirm.«

Das Briefing mit der Küche stand an. Scheiße, das hatte ich fast vergessen. Die Tatsache, dass meine Verflossene wieder in der Stadt war, brachte mich schier um den Verstand.

»Sagen Sie meinem Vater, dass ich gleich da bin.«

Er nickte und zog sich genauso vorsichtig, wie er gekommen war, wieder zurück. Auf meinem Bürostuhl drehte ich langsam eine Runde um meine eigene Achse, während ich mir mit den Handflächen übers Gesicht rieb.

Ob sie hier im Hotel wohnte? Oder würde sie bei ihrer Mom übernachten? Warum eigentlich hatte Hanna nichts davon gesagt, als ich vorhin mit ihr gesprochen hatte?

Du hast sie auch nicht danach gefragt, hörte ich eine innere Stimme, der ich nicht widersprechen konnte.

---ENDE DER LESEPROBE---