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Auch im dritten Teil zum SPIEGEL-Bestseller 'Bester Sex' werden 33 wahre Geschichten über das schönste Mal preisgegeben. Das Autorinnen-Allstar-Team hat erneut unter Bettdecken, auf Küchentischen, in Badewannen, vor Kaminen, in Treppenhäusern und natürlich in freier Wildbahn nach den erotischsten Erfahrungen echter Frauen gesucht. Die gesammelten Geschichten beweisen zum dritten Mal, wie aufregend unterschiedlich der beste Sex sein kann. Ob wild und hemmungslos oder zärtlich und verspielt - jede Frau hat ihre eigene Definition von fantastischem Sex. Spannend, überraschend und so unanständig wie möglich: Ein Thema, von dem niemand genug bekommen kann!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 456
Veröffentlichungsjahr: 2013
»Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten.
Wir fanden uns ganz schön bedeutend.«
DIE STERNE
Manche mögen’s heiß, wir mögen’s heißer: Nachdem wir in Bester Sex und Bester Sex 2 bereits erfahren haben, dass es nicht alle Frauen kuschelig-romantisch mögen und dass sich die außergewöhnlichsten sexuellen Abenteuer nur selten mit einem Fremden ereignen, wollten wir mehr über die aufregendsten Begegnungen, unanständigsten Erlebnisse und ekstatischen Augenblicke normaler Frauen wissen. Denn auch das haben wir aus den ersten beiden Teilen unserer Reihe bereits gelernt: Was Frauen anmacht, das lässt sich in wenigen Worten kaum zusammenfassen. So unterschiedlich ihre Persönlichkeiten sind, so unterschiedlich sind auch ihre Vorlieben und Höhepunkte. Deshalb hat jede ihre ganz eigene Antwort auf die Fragen: Was macht eine Nacht zur aufregendsten des Lebens? Wie wird Mann zum Don Juan? Und wie fühlt er sich wirklich an, der allerbeste Sex?
Bei solch einer Vielfalt haben sich unsere erfahrenen Lust-&- Liebe-Autorinnen nur allzu gern erneut auf die Suche nach hocherotischen Storys gemacht, nach den Geschichten, die beste Freundinnen einander nach einer Flasche Rotwein zuflüstern. Detailreich und offenherzig berichten Mia Ming, Marie Sommer, Christiane Hagn, Kira Licht, Verena Maria Dittrich, Cornelia Jönsson und viele andere von ihren eigenen Sternstunden und denen ihrer Geschlechtsgenossinnen. Seien Sie gespannt auf 33 weitere wahre Geschichten, die garantiert für rote Ohren sorgen und Ihre Lust auf eigene Bester-Sex-Erlebnisse wecken.
Viel Spaß und ein inspririendes Leseerlebnis wünscht das Schwarzkopf-&-Schwarzkopf-Team!
HANNA DONATH
»Ich war nicht darauf aus, etwas Ernstes anzufangen, jetzt sollte es nur um Spaß gehen. Ich sah es wie ein Spiel, als die einzige Möglichkeit, wieder einen Mann an mich heranzulassen.«
Manchmal zieht dir das Leben die Beine weg. Einfach so. Da bist du Ende zwanzig, beruflich läuft es prima, du hast viele Freunde und einen geregelten Alltag – und nur ein einziger Mann kann dir alles kaputt machen. Von heute auf morgen funktioniert gar nichts mehr. Zumindest ging es mir so: Ich war 28 und seit fast fünf Jahren glücklich mit meinem Freund zusammen. Doch eines Tages brach all das, was wir uns aufgebaut hatten, zusammen. Es war der Tag, an dem er auszog. Keine Diskussion vorher, kein Gespräch, kein Beziehungsrettungsversuch. Er packte seine Sachen und ging. Und ließ mich zurück. Oder besser das, was von mir noch übrig war. Und das war beileibe nicht viel.
Wochenlang verkroch ich mich zu Hause, ging wie ferngesteuert zur Arbeit. Ich hatte den Spaß am Leben verloren, manchmal fehlte mir sogar die Kraft zum Aufstehen. Der Glanz in meinen Augen war erloschen, mein Dasein war unerträglich geworden. Nur wenn ich fast vor Erschöpfung umfiel, schlief ich ein paar Stunden. Ich aß, wenn ich der Ohnmacht nahe war. Ich ärgerte mich über mich selbst. Ich war eine selbstständige Frau mit einem eigenen Leben und doch konnte so ein Scheißkerl mich so sehr ins Wanken bringen, dass ich nahe dran war, alles zu verlieren, was mir Freude bereitete. Damals dachte ich, ich würde mein Herz nie wieder an jemanden verschenken können. Nicht, wenn es so sehr wehtat, es zurückzubekommen. Ich war nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, ich hatte schon immer zwischen Sex und Liebe unterscheiden können und ich hatte nie ein Problem mit unverbindlichen Liebeleien gehabt. Die Trennung hatte mir aber so sehr zugesetzt, dass zu dieser Zeit ein Abenteuer für mich nicht infrage kam. Allein der Gedanke daran, dass mir jemand nahe kam – und wenn es nur körperlich war –, erschreckte mich. Ich wollte zunächst nur Kräfte sammeln und wieder auf die Beine kommen.
Zwei meiner Kollegen, Reto und Christoph, waren an meiner Seite. Sie merkten, dass ich mich verändert hatte, und taten alles, um mich von meinem Herzschmerz abzulenken. Einmal in der Woche, immer donnerstags, trafen sich die Jungs auf ein gepflegtes Feierabendbesäufnis, ich ließ mich überreden mitzugehen. Außer ihnen kamen noch Retos Frau, Christophs Mitbewohner, dessen Freundin und ein Kumpel des Mitbewohners: Flo.
Flo war der Typ Mann, dem du aus hundert Metern Entfernung ansiehst, dass er dir wehtun kann. Einer, der teure Lederjacken trägt und die BH-Größe einer Frau kennt, ehe er ihr überhaupt die Hand geschüttelt hat, einer, der bestimmen will, wo es langgeht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich sehr genau, was ich wollte – und was nicht. Und einen wie ihn sicher nicht. Doch ich gefiel ihm, das merkte ich bereits beim ersten Hallo, er zog beide Brauen hoch, musterte mich lächelnd und legte den Kopf schief, als er mir die Hand reichte. Ich kannte diese Regeln, doch ich hielt mich nicht an sie.
Aber Flo war keiner, der schnell aufgab. Im Gegenteil: Meine Distanziertheit reizte ihn – umso mehr, je öfter sich unsere Runde traf. Von Donnerstag zu Donnerstag wurde er süßer. Er strahlte, wenn ich zur Tür hereinkam, er sah mir hinterher, wenn ich aufs Klo ging, er versuchte stets, einen Platz in meiner Nähe zu ergattern. Er lachte über meine Witze und manche Geschichten erzählte er nur für mich.
Die Wochen verstrichen, mein Herz erholte sich langsam und das Leuchten in meinen Augen kehrte zurück. Viel zu lange hatte ich an der Trennung geknabbert, doch nun ging es mir wieder besser. Einfach so. An einem Donnerstagmorgen. Ich war freier als je zuvor und fühlte mich wieder richtig wohl. Es war das erste Mal, dass ich mich wirklich auf unseren Donnerstagabend freute, der Sommer hatte begonnen, die Luft war warm und mir ging’s gut.
Und an diesem Abend reagierte ich zum ersten Mal auf Flos Geschäker. Ich weiß gar nicht mehr genau, worum es im Gespräch der Runde ging. Ich sah quer über den Tisch, erwiderte Flos Blick und zwinkerte ihm zu. Er war sichtlich baff und wurde sogar ein bisschen rot. Als ich nach diesem Abend nach Hause lief, nahm ich mir vor, mir für nächsten Donnerstag etwas einfallen zu lassen.
Ich war nicht darauf aus, etwas Ernstes anzufangen, jetzt sollte es nur um Spaß gehen. Ich sah es wie ein Spiel, als die einzige Möglichkeit, wieder einen Mann an mich heranzulassen. Aber nur in mein Bett, ermahnte ich mich, nicht in mein Herz, nicht in mein Leben, nicht in meinen Kopf. Ich wollte Sex, sonst nichts. Ich wollte unverletzbar sein.
Die Woche verging unendlich langsam und dann wurde es doch endlich Donnerstag. Am Morgen stand ich lange vor dem Spiegel und überlegte, was ich anziehen sollte. Schließlich entschied ich mich für ein weißes Sommerkleidchen und Sandalen mit Keilabsatz. Während der Arbeit konnte ich mich kaum konzentrieren, immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich auf die Uhr linste. Als endlich Feierabend war und Christoph und Reto mich abholten, hatte ich mir bereits die Lippen nachgeschminkt, die Haare gerichtet und war richtig aufgeregt. Verrückt! Ich fühlte mich wie ein junges Mädchen vor seinem allerersten Date. Möge die Nacht beginnen, dachte ich und verließ mit den Kollegen das Gebäude.
Wir trafen uns in einer Tapas-Bar. Die Jungs und ich tranken schon den ersten Caipi, als Flo endlich zu uns stieß. Er trug einen sommerlichen Anzug, hatte die Krawatte bereits abgelegt und das Hemd aufgeknöpft. Er sah mir in die Augen und ich grinste ihn an. Ich glaube, er kapierte es sofort.
Und so fingen wir an zu spielen. Nach der ersten Caipi-Runde schwenkten wir auf Sex on the beach um und das Gespräch begann, nun ja, um Sex am Strand zu kreisen. Das süße Zeug lockerte die Zunge und jeder packte eine unterhaltsame Geschichte aus. Die Stimmung wurde heißer und ich genoss den Abend.
Schließlich ergriff ich die Initiative, nahm Flo an der Hand und sagte: »Lass uns eine rauchen gehen.« Er ließ den Drink stehen und folgte mir nach draußen. Wir standen zwischen alten Gemäuern, vor uns eine Steintreppe in die Altstadt. Ein warmer Wind wehte. Ich stand so nah neben ihm, dass mein Oberschenkel seinen berührte, und erzählte ihm von einem Festival, das ich im vorherigen Sommer besucht hatte. Ich legte meine Hand wie zufällig auf seinen Unterarm und merkte, dass er seine Aufregung zu verbergen versuchte. Ich drehte mich zu ihm, legte die andere Hand an seine Hüfte und meinen Kopf ein wenig schief. In dem Moment, in dem er sich zu mir runterbeugen wollte, um mich zu küssen, begann mein Spiel. Ich unterbrach ihn: »Lass uns nach den anderen schauen.«
Wir gingen gemeinsam zurück und bestellten eine Runde Margaritas. Mittlerweile stand die ganze Gruppe um einen Tisch herum, doch das Gespräch schien uns beide nicht länger zu betreffen. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, berührte ich ihn wie zufällig mit den Händen, mit den Armen oder gleich mit der Hüfte. Er konnte seine Hände kaum mehr bei sich behalten und ich genoss das Spiel. Ab und zu ließ ich es zu, dass er unter dem Tisch nach meiner Hand griff. Ich drückte dann kurz zu, streifte mit meinem Zeigefinger über seinen Handrücken – und ließ wieder los. Ich entzog mich ihm immer dann, wenn er dachte, er habe die Zügel in der Hand. Meine Regeln, ich bestimmte, was geschah.
Es wurde später und wir beschlossen, noch weiterzuziehen. Jetzt müssen wir allein sein, dachte ich, jetzt oder nie. Ich erfand eine lahme und allzu leicht durchschaubare Ausrede von meinem leeren Portemonnaie und dem Geldautomaten am anderen Ende der Innenstadt und sagte, ich käme dann nach. Als ich mich zum Gehen wandte, warf ich Flo einen kurzen Blick zu. Er reagierte sofort. Wir verschwanden nach rechts, die anderen nach links.
Im Vorraum der Bank war es dunkel und kühl, ich tippte meine Geheimzahl ein, als Flo mich von hinten umarmte. Ich nahm mit einer Hand das Geld, drehte mich zu ihm und küsste ihn. Der Kuss war feucht und aufgeregt, aber innig. Ich hatte gedacht, nach der langen Zeit mit ein und demselben Mann würde es sicher merkwürdig sein, einen anderen zu küssen. Und das war es auch. Merkwürdig, aber großartig.
Er drückte mich gegen den Automaten und ich schlang meine Arme um seinen Hals. Seine Hände lagen auf meinem Hintern und er griff so fest zu, dass er mein Kleid völlig zerknitterte. Irgendwann löste ich mich von ihm und zog ihn aus der Bank.
Draußen war die Luft noch so heiß wie am Tage. Ich strich mir durch die zerzausten Haare, Flo sah mich fragend an. Ohne ein Wort zu sagen, zerrte ich ihn in die Einkaufspassage gegenüber und direkt in einen Fotoautomaten. Ich machte den Vorhang zu, lächelte ihn schief an und ließ mich rittlings auf seinem Schoß nieder. Ich sah ihm in die Augen und näherte meine Lippen seinen. Kurz bevor sie sich berührten, hielt ich inne. Doch Flo ließ mich nicht aus den Augen, packte mich am Nacken und zog mich nah an sich heran. Ungestüm küssten wir uns und ich schob meine Hand in seine Hose. Dummerweise endete der Vorhang in der Fotokabine genau dort, wo es für Umstehende spannend wurde. Leute sammelten sich vor der Kabine, wir hörten sie kichern und reden. Doch das machte uns nichts aus, wir knutschten wie die Teenies, meine Bewegungen wurden drängender, der Schwanz in meiner Hand immer härter. Ganz kurz ließ ich seine Finger in mich gleiten und stöhnte auf. Dann hielt ich seine Hände jedoch fest und gab selbst das Tempo vor. Flo war schier wahnsinnig vor Lust und ich genoss es, die Kontrolle zu haben. Ich kam noch vor ihm, erhob mich, richtete mein Kleid und knöpfte Flos Hose zu, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Kurz bevor er aufstehen konnte, flüsterte ich ihm ins Ohr: »Das war nur der Anfang, keine Angst«, und verließ die enge Kabine. Flo trottete mir hinterher und die Menschentraube machte uns anstandslos Platz. Einige lachten und zwei Jungs applaudierten. Doch das war mir egal.
»Lass uns was trinken gehen«, sagte ich, bevor er auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte. Wir verschwanden in einer kleinen schummrigen Bar, die mitten in der Woche eher leer blieb. Auf zwei Ebenen gab es Theken und Tische und in der untersten Etage eine Lounge. Ein rotes Sofa an der Wand lachte uns an. Wir kauften zwei Bier und ließen uns dort nieder. Niemand war hier und der Barkeeper musste um die Ecke kommen, um unseren Tisch sehen zu können.
Flo ließ sich mit dem Rücken zur Wand nieder und ich verschwand kurz zur Toilette. Dort zögerte ich einen Moment, ehe ich mein Höschen auszog, es in die Handtasche steckte und zurück an den Tisch ging. Ich blieb vor Flo stehen und sah ihn an, sein Blick und die Beule in seiner Hose verrieten seine Erregung. Er atmete tief ein, als ich seine Hand nahm und so weit unter mein Kleid schob, dass er fühlen konnte, dass ich nichts darunter trug. Ich beugte mich über ihn, knöpfte seine Hose auf und befreite seinen Schwanz, der sofort auf meine Berührungen reagierte. Ich fackelte nicht lange und ließ mich rittlings auf ihm nieder. Flo fing augenblicklich an, mich auf und ab zu bewegen. Ich legte meine Arme um seinen Hals und drückte ihn an mich.
Verdammt, wir waren zu laut, der Reiz des Verbotenen war zwar ganz nett, aber in flagranti beim Vögeln in einer Bar erwischt werden, wollte ich dann doch nicht. Zu mir?, schoss es mir durch den Kopf, oder zu ihm? Oder …
»Komm«, flüsterte ich und zog Flo um die Ecke in die Damentoilette. Der Raum war furchtbar klein und hatte eine hübsche blau gestrichene Tür. Es gab nur eine Kabine, die war aber wenigstens mit Wänden vom Boden bis zur Decke recht luft- und geräuschdicht abgeschlossen. Wir zwängten uns beide hinein und ich schloss die Tür ab. Flo setzte sich auf den Toilettendeckel und ich drehte ihm den Rücken zu und beugte mich, soweit es ging, nach vorn, hielt mich an der Klinke fest und ließ zum ersten Mal an diesem Abend ihn machen.
Er kam schnell und heftig. Zu meiner Überraschung war sein Schwanz danach aber immer noch hart, sodass ich mich nun vorwärts auf seinen Schoß setzte und Flo mit beiden Armen umklammerte. Zum ersten Mal kam Intimität auf, wir küssten uns innig, unsere Körper waren mittlerweile klatschnass geschwitzt, die Lippen ebenso feucht wie der Rest. Wir kamen beim zweiten Mal fast gleichzeitig. Ich lachte, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und sagte: »Lass uns zu mir gehen.«
Wir verließen die Bar, nahmen ein Taxi und betraten meine Wohnung. Ich war erst vor wenigen Wochen eingezogen, doch mein Schlafzimmer war schon fertig. Weißes Bett, weißes Parkett, weiße Vorhänge, weißer Schrank, ich im weißen Kleid. Ich öffnete eine Flasche Wein und wir verbrachten die ganze Nacht gemeinsam. Wenn wir uns nicht ineinander verschlungen durchs Bett kugelten, lag ich erschöpft in seinen Armen und wir sprachen über dieses und jenes. So lange, bis wieder einer von uns unter die Decke glitt. Wir knutschten und lachten, balgten und stöhnten. Als der Morgen anbrach, hatten wir keine Sekunde geschlafen. Das Glück glänzte aber in unseren Augen und ich war zugleich müde und wach wie noch nie.
Ich habe Flo danach nie wiedergesehen, das war immerhin eine der Regeln des Spiels, das ich mir selbst ausgedacht hatte. Vergessen habe ich ihn dennoch niemals.
SOPHIE CARLSEN
»Seine Finger fühlten sich gut an, heiß selbst durch den ledernen Stoff meines Korsetts. Obwohl die Berührungen noch vergleichsweise unschuldig waren, zog sich tief in mir alles vor Erregung zusammen.«
Die Bässe hämmerten durch meinen Körper und hinterließen ein vibrierendes Gefühl im Magen. »Hard ’n’ Heavy« war das Motto des Abends und genau so war auch die Musik. Die meisten Lampen in dem Club waren schlicht ausgeschaltet, nur einige rote Lichter zuckten zusammen mit einem eisweißen Flashlight über die dunkle Tanzfläche. Die Bewegungen der Headbanger wirkten dadurch abgehackt. Haar – gewaschen, ungewaschen, gestylt oder gefärbt – peitschte in Richtung Decke und dann zu Boden. Gesichter, die durch das Licht franzenhaft wirkten, zeigten die Ekstase der Tänzer. Der Dresscode war simpel: schwarz und ausgefallen.
Ein Mädchen drückte mich an die Bar, als es durch die Menge huschte. Es trug einen schwarzen Rock, der so aufgeschlitzt war, dass man das rote Innenfutter sehen konnte, ein schwarzes Top, keinen Schmuck. Ich warf einen kurzen Blick auf meine eigene Hand, die auf dem Tresen lag. Ich selbst trug vier Ringe; nur am kleinen Finger hatte ich keinen. Die Ringe zeigten keine Totenköpfe oder Anarchiesymbole, sondern ineinandergeschlungene Ranken. Jeder hatte ein eigenes Muster. Filigrane Ketten tanzten auf meiner Brust, als ich mich der Bar zuwandte und mich leicht vorbeugte. Meine Brüste, hoch- und zusammengedrückt durch eine Lederkorsage, hypnotisierten den langhaarigen Barkeeper.
»Ein Bier«, rief ich über den Lärm hinweg und reichte ihm das Geld. Drei Euro plus Pfand. Wucher, fand ich, doch ich sagte nichts und trank einen Schluck. Ich blieb noch einen Moment stehen, nippte ein zweites Mal und befand dann, dass die Gefahr, dass ich das Getränk verschütten würde, nun weit genug gebannt war. Ich wendete mich ab und ging mit langsamen Schritten in den zweiten Raum des Clubs. Die Luft hier war schlechter und die Musik noch lauter, aber weniger durchdringend – wenn man so etwas von Heavy Metal überhaupt sagen konnte.
Aus meiner Rocktasche holte ich meine Zigaretten, nahm eine und steckte sie zwischen meine knallrot geschminkten Lippen. Während ich mit der einen Hand die Schachtel zurückpackte, suchte ich mit der anderen nach meinem Feuerzeug. Hier war Rauchen erlaubt und um mich herum taten gut fünfzig Leute auch nichts anderes, als rauchen und die Frauen und Männer anzustarren, die sich auf der Tanzfläche zum Mix aus Techno und Metal bewegten. Es bildeten sich keine Grüppchen von kichernden Freundinnen, die alberne Moves ausführten, sondern jeder tanzte für sich und genoss die Musik – den Krach, hatte mich eine meiner Freundinnen mal verbessert, als sie mich das erste Mal zu einer solchen Mottoparty begleitet hatte. In ihrer dunklen Jeans und dem einfachen schwarzen Top war sie dabei tatsächlich mehr aufgefallen als das Mädel, das sich in diesem Moment ihre pinke Perücke vom Kopf riss und den Mund weit öffnete. Wahrscheinlich brüllte es, doch das war über die Musik hinweg beim besten Willen nicht zu hören.
Ich zündete meine Zigarette an und sog den Qualm tief in meine Lungen ein. Dabei schien ich den Bass mit einzuatmen, denn das Vibrieren in meinem Körper wurde stärker. Ich lächelte. Nur ein klein bisschen, fast unsichtbar, denn ich fühlte mich hier wohl.
Das Glöckchen an meinen Plateauboots klingelte ungehört, als ich einen Schritt zurücktrat, um jemanden an mir vorbeistolpern zu lassen. Ich warf demjenigen einen kurzen Blick nach, um zu prüfen, ob es einer meiner Freunde war, mit denen ich hierhergefahren war. Schon seit einer Stunde hatte ich die drei nicht mehr gesehen. Doch das war bei der Menge an Leuten auch nicht ungewöhnlich. Und auf einer Metalparty blieb man sowieso nur selten allein.
Allerdings hätte ich damit auch kein Problem gehabt. An diesem Abend sollte ein Kumpel auf meiner Couch übernachten, also musste ich mir keine Gedanken über den langen, dunklen Weg zur Bushaltestelle machen. Irgendwo in dem Getümmel war dieser Kumpel wahrscheinlich gerade dabei, seine Fleischbeschau durchzuführen. Und auch ich begann gerade damit. Mein Übernachtungsgast würde mich nicht davon abhalten, heute noch zu ficken.
Ich sah mich im Raum um. Wie immer war die Anzahl der Männer weitaus größer als die der Frauen. Das war wunderbar, denn Sex mit Frauen war meiner Meinung nach langweilig. Er dauerte zu lange und alles daran war zärtlich und liebevoll. Heute hatte ich Bock auf schnellen, harten Sex. Wo und mit wem würde sich schon noch zeigen.
Mein Blick blieb an einem Mann hängen, lange, dunkle Haare, ein kleiner Bart, der die Lippen umrahmte, silberne Bolzen in seinen Ohrläppchen. Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt mit einem Wacken-2009-Emblem. Wie groß er war, konnte ich nicht abschätzen, denn er saß auf einer der langen, schwarzen Kunstlederbänke. Für einen kurzen Moment fixierte ich ihn, bis sich unsere Blicke trafen. Meine Lippen formten ein kurzes Hallo und er nickte leicht lächelnd, machte aber keine Anstalten, aufzustehen und rüberzukommen. Ich hob eine Augenbraue und fragte mich kurz, ob ich sein Mienenspiel falsch gedeutet hatte, doch dann winkte er mich heran.
Ich zögerte einen Moment, warf dann meine halb aufgerauchte Zigarette auf den Boden und trat sie mit dem ersten Schritt in Richtung des Kerls aus. Die Leute standen dicht gedrängt, doch ich schaffte es, mich vorwärtszuschieben, ohne geschubst zu werden. Mit jedem Meter, den ich tiefer in den Raum ging, wurde die Musik lauter. Als ich endlich vor ihm stand, konnte ich ihn nicht hören, nur sehen, dass er die Lippen bewegte. Die Musik hämmerte aus den Boxen und trieb die wogende Masse weiter an. Der Kerl rutschte leicht zur Seite und endlich verstand ich: Er bot mir einen Platz an. Ich lächelte kurz und setzte mich neben ihn.
»Wie heißt du?«, fragte ich laut, doch er kniff nur die Augen zusammen und beugte sich vor. »Wie heißt du?«, wiederholte ich.Er schüttelte den Kopf und hob die Hände. Dann lächelte er und bewegte erneut die Lippen. Ich hörte nur das Brüllen der Musiker, hob eine Hand an mein Ohr und zeigte auf es. Er zuckte mit den Achseln. Frustriert biss ich mir auf die Unterlippe und sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich war schon auf ihn zugekommen, hatte mich regelrecht durch die Menge gekämpft und er zuckte nur mit den Achseln? Nee, dafür war ich mir zu schade. Ich wollte mich gerade erheben und meine Freunde suchen, als er mir plötzlich sein Handy in die Hand drückte. Ich reichte es ihm zurück und schüttelte den Kopf. Ich hatte kein Interesse daran, ihm meine Nummer zu geben, damit wir uns ein anderes Mal treffen konnten. Ich wollte keine Beziehung. Nicht einmal eine Affäre. Ich wollte nur einen Fick.
Er rollte mit den Augen, drückte auf eine Taste und hielt mir das Handy erneut hin. Auf dem beleuchteten Bildschirm las ich: »Hi.«
Ich lachte und schrieb langsam zurück. Die Tastatur war zu klein und das Gewicht des Handys war ungewohnt. Außerdem erkannte das Programm meinen Namen nicht. »Isabel. Wie heißt du?«, schrieb ich schließlich.
»Manuel. Oft hier?«
Ich wiegte meine Hand hin und her, das universelle Zeichen für »Na ja«. Er tippte eine Weile, während ich mir eine neue Zigarette ansteckte. Schließlich gab er mir das Handy wieder. Auf dem Bildschirm stand, dass er nur alle paar Monate aus beruflichen Gründen in der Stadt wäre und er das erste Mal diese Mottoparty besuchte. Und er fragte mich, wie es mir hier gefiele.
Es waren keine tiefgründigen Nachrichten, die wir in den darauffolgenden Minuten austauschten, doch es reichte, um uns miteinander vertraut zu machen. Zumindest vertraut genug für mein Vorhaben: Sex.
Ich wollte gerade fragen, ob wir vielleicht nach draußen gehen sollten, um zu quatschen, als das Display aufblinkte. Der Akku war leer; wahrscheinlich hatten wir die Warntöne nicht gehört. Ich reichte ihm das Handy zurück und hob die Hände. Er runzelte die Stirn und tippte schnell: »Raus? Auf dem Parkplatz ficken?«
Kurz nachdem ich das gelesen hatte, wurde der Bildschirm schwarz. Ich hob den Kopf und nickte ihm zu – hoffentlich nicht allzu enthusiastisch. Er grinste und reichte mir nach dem Aufstehen die Hand. Wir drängelten uns durch die Menge bis zum Eingang, an dem noch immer Leute auf Einlass warteten. Ich ließ mir einen Stempel geben und folgte Manuel nach draußen. Die Stille außerhalb des Clubs überwältigte mich. Für einige Momente hörte ich nur Rauschen.
Obwohl er, laut eigener Aussage, noch nie in dem Club gewesen war, führte er mich gezielt bis zum Parkplatz und zwischen den Autos hindurch. »Wo gehen wir hin?«, fragte ich verwirrt und warf einen Blick zurück auf die Traube am Eingang. Selbst hinter all den Fahrzeugen am Ende des Schottergeländes würde man uns noch sehen können, außer wir legten uns auf den Boden. Und darauf hatte ich so überhaupt gar keinen Bock.
»Zu meinem Auto.« Seine Stimme war überraschend rau und heiser. Wahrscheinlich, weil er die ganze Nacht gegen die Musik angebrüllt hatte. Er nahm meine Hand und lächelte mich an. »Steht ganz hinten«, murmelte er.
Ich nickte ergeben, während mein Herz zu rasen anfing. Manuels Hand in meiner war überraschend angenehm, er packte fest zu. Das würde auf jeden Fall interessanter Sex werden. Er führte mich bis in die letzte Reihe, dahinter wurde der Parkplatz durch ein paar Bäume abgegrenzt. Es war kein dichter Wald, vielmehr war es eine Ansammlung von mickrigen Büschen. Dahinter war nur ein schmaler Abwassergraben und dann begann schon der Bürgersteig, den ich später auf dem Weg zur Bushaltestelle nehmen würde. Zumindest würde man mich im Inneren des Wagens nicht sehen können. Die Straßenlampen standen so, dass es in den Autos, die hier standen, dunkel blieb.
Manuel steuerte auf einen dunkelgrünen Passat zu und presste mich mit dem Rücken an die Fahrertür. Ich war gefangen zwischen ihm und dem Wagen, ließ meine Hände über seine Brust hinaufgleiten und schlang meine Arme um seinen Nacken. Er senkte den Kopf und küsste mich. Er war kaum größer als ich, sodass er sich nicht tief vorbeugen musste und ich mich nicht auf die Zehen zu stellen brauchte – was meine Plateauboots ohnehin nicht zugelassen hätten.
Als seine Zunge in meinen Mund eindrang, überkam mich ein wohliger Schauer. Obwohl ich meine Sexualpartner abgeklärt und kalkuliert auswählte, war der erste Kuss doch jedes Mal ein aufwühlendes Erlebnis. Meine Finger zitterten, als ich sein langes Haar auf seinem Rücken ausbreitete und mit den Fingerspitzen hindurchfuhr. Es war glatt, seidig und fühlte sich überraschend kühl an. Manuel vertiefte den Kuss und legte den Kopf schief. Seine Zunge schlang sich feucht, warm und leidenschaftlich um meine, während er seine Arme um meine Taille legte. Ein heiseres Stöhnen vibrierte in meinem Hals. Seine Finger fühlten sich gut an, heiß selbst durch den ledernen Stoff meines Korsetts. Obwohl die Berührungen noch vergleichsweise unschuldig waren, zog sich tief in mir alles vor Erregung zusammen. Mein Herz pumpte aufgeregt, als Manuel langsam an dem Lederoberteil hinaufstrich. Vielleicht suchte er die Bänder, die es zusammenhielten. Es war kompliziert und zeitaufwendig gewesen, das Korsett an- und auszuziehen, deshalb seufzte ich erleichtert, als er von der Verschnürung abließ und die Hände um meine Brüste legte. Das enge Lederoberteil drückte sie fest zusammen, ich nahm selbst die feinste Berührung wahr. Seine Fingerspitzen spielten einen Moment am Rand der Korsage, dann tauchten sie in mein Dekolleté, zwischen meine Brüste und drängten sich zwischen den Stoff und die Haut. Ich biss ihn fast vor Lust, als seine Fingernägel über meine harten Brustwarzen strichen. Kurz zupfte er an meinem Nippelpiercing, doch das Oberteil ließ ihm nicht genug Platz, um richtig damit spielen zu können.
Ein wenig frustriert drängte ich mich näher an ihn, presste meine Hüfte gegen seine, bis ich seine Erektion an meiner Leiste fühlte. Er packte mich fester und versuchte gleichzeitig, meine Brüste aus dem Top zu befreien, doch das war nicht möglich. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, ihn doch mit zu mir zu nehmen. Oder vielleicht zu ihm zu gehen. Nur damit wir ganz nackt sein konnten. Doch der Gedanke verflog, als sein Kuss fordernder wurde und seine Hände an meine Schenkel wanderten. Seine Finger krallten sich in meinen Rock und schoben ihn Stück für Stück höher. Etwas überrascht keuchte ich.
Der Parkplatz schien zwar menschenleer, zwischen den Autos konnten sich aber ohne Probleme Betrunkene verbergen. Doch das stieß mich plötzlich nicht mehr ab. Vielmehr spürte ich Aufregung und Unsicherheit gleichzeitig durch meinen Körper rauschen. Mein Puls beschleunigte sich, bald hörte ich über meinem Herzschlag kaum noch sein raues Stöhnen. Mein Rock rutschte immer weiter nach oben, denn ich hielt Manuel nicht auf. Erst als ich das kühle Metall der Autotür an meinem nackten Hintern fühlte, unterbrach ich unseren Kuss. Er schien das Signal nicht zu verstehen. Fester drückte er mich nun gegen den Wagen, bis sich nicht nur meine Schultern gegen den Fensterrahmen pressten, sondern auch mein Kopf auf dem Dach des Wagens lag. Er küsste mich nun um einiges wilder, fast kompromisslos.
Während ich mich ihm hingab, nagte der Zweifel weiter an mir. Dies war ein öffentlicher Ort. Jeder konnte einfach alles sehen. Selbst wenn wir im Auto weitermachten, würde jeder, der vorbeiging, kapieren, was wir trieben. Trotzdem wehrte ich mich nicht. Der Gedanke, beobachtet zu werden; das Gefühl, öffentlich etwas so Intimes zu tun; die Gewissheit, dass nur ein Fotohandy reichte, um mich zur Hauptdarstellerin eines Internetpornos zu machen – all das waren plötzlich keine Gründe mehr aufzuhören.
Ich krallte mich an Manuel, zog ihn mit mir, riss an seinem Shirt. Er ließ von meinem Rock ab, als habe er nur auf meine Aktion gewartet, packte meine Schultern, beendete den Kuss und drehte mich herum. Ich hatte kaum Zeit, meine wackeligen Beine zu kontrollieren, als er sich so abrupt von mir löste und mich weiterdrängte. Ich fasste nach der Motorhaube und starrte für einen seltsam klaren Moment auf zwei, drei schwarze Punkte, die einmal Fliegen gewesen waren, bevor ich seine Hand in meinem Nacken fühlte.
»Beug dich vor«, befahl er mir und ohne nachzudenken, tat ich es. Ich lehnte mich nach vorn, soweit es die Korsage zuließ, doch er lockerte seinen Griff nicht. Stattdessen drückte er mich weiter herunter und die Stäbchen meines Korsetts bohrten sich in mein Fleisch. Es war unangenehm, aber nicht schmerzhaft, deshalb wehrte ich mich nicht. Als er mich losließ, war kaum noch eine Handbreit zwischen mir und der Motorhaube.
Ich stützte mich auf und spürte, wie er meine Hüfte packte und an sich zog. Meine Knie gaben leicht nach, als ich den Blick hob und vor mir den beleuchteten, wenn auch leeren Parkplatz sah. Es waren kaum fünfzehn Meter bis zum Eingang des Clubs. Irgendjemand musste nur einen Schritt zurückgehen und den Kopf heben und schon würde er sehen, was wir hier machten.
Ich war nie exhibitionistisch gewesen. Hatte nie das Verlangen gehabt, mich auch nur vor einer kleinen Gruppe zu entblößen oder einen Hauch mehr Haut zu zeigen als nötig. Doch als Manuel meinen Rock bis zu meinen Schultern hochwarf und an meinem Höschen zerrte, hatte ich bereits Gefallen an der Situation gefunden. Ich wimmerte vor Lust, machte ein seltsames Geräusch, das ich vorher noch nie von mir gegeben hatte. Ich wusste, dass wir mit Sicherheit gegen irgendein Gesetz verstießen. Ich wusste, wie gefährlich es war. Doch es war mir egal. Sogar mehr als das.
Als er meinen Slip bis zu meinen Knien herunterzog, dachte ich sogar daran, wie erregend es wäre, wenn irgendjemand uns zuschauen würde. Wie ich dalag, auf der Motorhaube. Erregt, wartend, einem Mann ergeben, den ich kaum kannte. Ohne jede Kontrolle, weder über ihn noch über mich und meine eigene Lust. Wie ich meinen nackten Hintern zeigte, während er seinen Fuß auf meinen Slip setzte und ihn bis zu meinen Knöcheln herunterzerrte. Wie seine Hände auf meine Arschbacken klatschten und ich ein zischendes Geräusch von mir gab.
Mir gefiel Manuels bestimmende Art. Heute. Jetzt. In diesem Augenblick. Nur der Schmerz seines Schlages ließ mich wieder zur Besinnung kommen. Aber nur kurz, denn im selben Moment trat er vor und ich fühlte seine heißen Oberschenkel an meinen. Sein Schwanz schmiegte sich zwischen meine Pobacken wie ein Hotdog in ein weiches Brötchen. Ich legte die Handflächen auf die Motorhaube und rang nach Luft, was nicht an der Enge der Lederkorsage lag.
Die Augen auf den Eingang der Disco und den Parkplatz gerichtet, fühlte ich, wie er sich hinter mir ein Kondom auf den Schwanz rollte und dann einen Fuß zwischen meine stellte. Er zwang meine Beine auseinander, bis sich der Slip zwischen meinen Knöcheln spannte. Seine Hände ließ er über meinen Hintern gleiten und tiefer hinab. Er umfasste mein Becken, suchte zwischen meinen Schenkeln nach meiner Spalte und fand sie. Ich keuchte heiser, senkte meine Lider, schloss meine Augen aber nicht ganz. Gebannt von einer Gruppe, die sich etwas abseits vom Eingang sammelte und den letzten Rest meines Getränks, das ich dort abgestellt hatte, umkippte, bemerkte ich, wie seine Finger in mich eindrangen. Er wollte prüfen, ob ich bereit für ihn war, und schien zufrieden. Durch einen Windhauch fühlte ich deutlich die Feuchtigkeit zwischen meinen Schenkeln.
Er ging leicht in die Knie, die Finger einer Hand immer noch halb zwischen meinen Schamlippen, und dirigierte seine Eichel zu meinem Eingang. Feuchtigkeit benetzte augenblicklich das Kondom und machte ihm das Eindringen leicht. Sein erster Stoß war heftig und unvermittelt. Überrascht rutschte ich ein Stück auf die Motorhaube, doch seine Hand zwischen meinen Beinen hielt mich auf. Ich rutschte zurück auf seinen Schwanz und stöhnte. Sein Fleisch füllte mich aus. Die Reibung war intensiv, ich rang nach Atem und blieb passiv liegen. Nur mein Stöhnen zeigte, wie sehr mir dieser Fick gefiel. Mein Blick verschwamm, doch ich zwang mich, die Augen offen zu halten.
Während er seine Bewegungen beschleunigte, hoben einige Leute aus der Gruppe die Köpfe. Ich war mir nicht sicher, ob sie uns sahen. Ich war mir nicht sicher, ob diese Leute erkannten, was vorging, doch ich wünschte es mir. Inzwischen wollte ich gesehen werden. Wollte diese unglaubliche Lust, die ich verspürte, mit jemandem teilen, der nicht beteiligt war.
Hitze stieg zwischen meinen Schenkeln auf. Meine Fingernägel fuhren über den schmutzigen Lack der Motorhaube, hinterließen aber keine Kratzer. Auch wenn ich hoffte, dass sie es tun würden. Ich wollte, dass dies, dieser Sex, diese Offenbarung eine sichtbare Spur hinterließ. Dann verlor ich mich endgültig. Mein Keuchen wuchs langsam zu einem raunenden Stöhnen, als er tiefer in mich eindrang, schneller stieß. Mich ganz, vollkommen, absolut ausfüllte. Ich warf den Kopf in den Nacken, als er in mein Haar griff und mit der anderen Hand die Finger zwischen meine Schamlippen schob. Er massierte meine Klitoris, schien genau zu wissen, wann er mehr drücken musste, wann weniger. Mit jedem Stoß kam ich meinem Höhepunkt näher und auch er näherte sich dem Orgasmus. Ich wollte mich in diesem Gefühl suhlen, für immer bei diesem Grad der Erregung bleiben, bis auch dem letzten Beobachter klar war, wie unglaublich geil genau dieser Sex war: in der Öffentlichkeit, auf einer Motorhaube, auf diesem Parkplatz, nur ein paar Schritte von einer Traube Menschen entfernt.
Der Höhepunkt kam viel zu schnell. Eine Explosion durchrauschte meinen Körper. Es fühlte sich an, als hätte man das Blut in meinen Adern durch geschmolzenes Glück ersetzt. Alle Muskeln verkrampften sich und ich fühlte, wie auch Manuel hinter mir erschauderte. Sein Orgasmus kam mir im Gegensatz zu meinem unglaublich kurz vor.
Nur einen Moment verharrten wir schwer keuchend halb auf der Motorhaube liegend, halb stehend, dann wand ich mich aus seinem Griff. Er rückte leicht von mir ab und hielt sich an der Kühlerhaube fest, während ich gelassen meinen Rock zurechtrückte und aus meinem Slip stieg. Der Bund des Höschens verhakte sich an der Plateausohle meiner Schuhe und für einen Moment hatte ich den Wunsch, ein Andenken an dieses unglaubliche Erlebnis zu behalten. Doch dann wurde mir bewusst, dass allein die Erinnerung ausreichte. Deshalb löste ich den Slip von meinem Fuß und warf ihn zur Seite. Er landete unbeabsichtigt an Manuels Schienbein und fiel dann zu Boden.
»Behalt ihn«, schlug ich vor, drehte mich um und ging über den Parkplatz zurück in die Disco. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich meinte, dass mir die Blicke der Menschen am Eingang folgten.
CORNELIA JÖNSSON
»Nadja grinst mich durch ihr Wuschelhaar verführerisch und irgendwie schuldbewusst an. Ich mag, wie ihr Zungenpiercing aufblitzt, wenn sie lacht.«
Gib Nadja ein Stück Bienenstich und sie tut für dich, was du willst. Sie erzählt dir zum Beispiel Geschichten, solange du magst. Jetzt sitzt sie auf meiner Balkonbank, die braunen Beine mit den breiten Fesseln ausgestreckt, die Zehen nackt vor sich hin wackelnd. Sie isst den Bienenstich mit den Händen. Mit goldberingten, dicken Fingern schiebt sie sich Teig und Creme in ihren kirschfarbenen, runden Kussmund. Es ist zweimal vorgekommen, dass wir uns geküsst haben, beide Male waren wir betrunken, und ich würde es gern auf ein drittes Mal anlegen.
»Also, was ist das für eine großartige Frau, die du da kennengelernt hast?«, frage ich sie.
»Ich weiß es nicht«, antwortet sie und leckt sich die Schokolade von den vollen Lippen. Das mit dem Bienenstich klappt am besten, wenn man ihn in Begleitung eines anständigen Stückes Schokoladenkuchens serviert.
»Wie? Du schwärmst ohne Unterlass von dieser Frau, aber du weißt nicht, wer sie ist?«
Nadja nickt mit seligem Lächeln.
»Alles, was ich weiß, sind zwei Hände unter Wasser, die eine Schatztruhe bergen. Die Hände sind weiß und schmal und die Fingernägel dunkelrot lackiert. Das Wasser ist grün. Ich kenne auch zwei Augen, von einer anderen Fotografie. Die sind ebenfalls grün. Die Wimpern und die Brauen sind fast durchsichtig. Die Haut ist hell und ich glaube, da sind ein paar Sommersprossen auf dem Nasenrücken.« Nadja berührt mit dem Finger ihren eigenen Nasenrücken, als würde das irgendeine Verbindung zu dieser Frau herstellen.
»Wo habt ihr euch kennengelernt?«
Die Sonne blendet mich. Ich kneife die Augen zusammen, um Nadja erkennen zu können. Sie lehnt an der Wand und der Träger ihres weißen Tops ist dabei, von ihrer rechten Schulter zu rutschen.
»Ach, in irgend so einem sozialen Netzwerk.«
Klar. Wo sonst? Romantik ist inzwischen virtuell und dabei öffentlich. Intimität wird spürbar, wo sie vorzeigbar ist. Du hast kein Privatleben, wenn keiner davon weiß.
»Sie hat mich gefunden. Sie steht auf mollige Mädchen.« Nadja kichert in ihren Kaffee, er spritzt. »Sie schreibt, sie stellt sich vor, meinen Bauch mit ihren Händen zu kneten. Und meine Brüste. Und meine Pobacken.« Nadja kichert immer noch in ihren Kaffee und ihr Gesicht nimmt dabei einen rötlichen Ton an. Sie ist unfassbar sexy gerade, noch mehr als sonst.
»Sie schreibt, sie hat eine amerikanische Küche mit einer Fensterfront nach Süden hin. Da möchte sie mich über einen Barhocker legen, ganz nackt. Und dann will sie meinen Po liebkosen. Und so weiter. Sie schreibt, sie könne dabei aufs Meer sehen, denn ihr Haus liege direkt am Meer.«
Ich studiere den Spalt an Nadjas Brustansatz, den Schweißglanz. Sie hat die Angewohnheit, immer wieder mit den Fingerspitzen der rechten Hand durch diesen Spalt zu fahren, um den Schweiß herauszuwischen.
»Sie wird nicht geschrieben haben: Und so weiter«, widerspreche ich.
Nadja lächelt, zerwuschelt ihr schwarzes Haar und wird noch ein bisschen röter. »So in der Art, doch«, murmelt sie.
Ich gehe in die Küche und hole zwei Himbeertörtchen aus dem Kühlschrank. Auf dem Landwehrkanal fährt ein Schiff voll Touristen vorbei. Wenn ich morgens Kaffee mache, bin ich nackt und manchmal auch, wenn ich für einen ausgewählten Personenkreis koche. Dann zucken Augen hinter Ferngläsern, Wimpernhaare werden schneller gegen Linsen schlagen. So werden alle Touristen, die vorbeifahren, meine Freunde. Es gibt Fotos von mir in diversen sozialen Netzwerken, aber mein Echt-Bild sieht man am besten durch mein Küchenfenster.
»Sie hat geschrieben, sie wird die Augen schließen.« Nadjas Mund bekommt einen dunkelroten Rand von den Himbeeren. Auf ihrer Nasenspitze hat sie Gelatine. »Sie wird meinen Hintern streicheln und meine Möse. Sie wird kneten. Sie wird in mich eindringen und die Weichheit meines Inneren fühlen, den Pulsschlag meines Lebens spüren. Sie wird ganz versinken in ihren Empfindungen und wenn sie die Augen öffnet, liegt vor ihr das Meer.« Nadjas Wangen glühen. Ich pule eine Himbeere von meinem Törtchen und stecke sie mir in den Mund. Sie ist süß und sauer und körnig.
»Verstehst du, ich kann mich überhaupt nicht mehr beruhigen.« Das sieht man ihr an. »Es ist egal, wo ich bin, ihre Botschaften können mich immer erreichen. Ich habe mir eine Flatrate für mein iPhone zugelegt. Ich gehe über das Handynetz online. Und kann so Tag und Nacht ihre Nachrichten abrufen, wenn sie mir schreibt. Ich checke meinen Account in diesem Netzwerk andauernd. Viel zu häufig, wirklich, ich bin manisch. Meine übrigen Tätigkeiten zerfallen in Splitter, weil ich zwischendurch immer wieder online gehe. Während ich darauf warte, dass sich mein Postfach öffnet, komme ich fast um vor Aufregung. Wenn ich keine Nachricht von ihr vorfinde, raubt mir die Enttäuschung jede Energie. Wenn sie mir aber geschrieben hat, durchfährt mich die Lust, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich laufe aus, an Ort und Stelle. Es durchzuckt mich. Es ist, als würde gut geschüttelter Champagner meinen Brustkorb fluten. Unten ist alles geschwollen. Es ist Wahnsinn.«
Ich gieße Nadja Wasser ein. Ich denke, das braucht sie. Ihr Schweiß lässt ihre olivbraunen Arme glitzern. Die Sonne kleckert goldene Funken in ihre Augen.
»Es kommt vor, dass ich in der U-Bahn aufstöhne. Oder auf der Station. Was glaubst du, wie die Leute gucken.«
»Wann trefft ihr euch endlich?«
Nadja zuckt mit den Schultern. »Das ist nicht so einfach. Ich lebe in Berlin und sie bei Montpellier. Das ist eine ziemliche Entfernung. Und wer weiß, vielleicht würden wir einander gar nicht gefallen, stell dir das vor: Das Geld, der Flug, die Zeit und wir wissen nichts miteinander anzufangen.«
»So verrückt, wie ihr euch jetzt schon macht, werdet ihr einander schon gefallen.«
Nadja lacht. »Ja, aber siehst du, es ist, wie du sagst. Wir machen uns völlig verrückt. Sie schreibt, sie möchte durch Montpellier fahren mit mir an ihrer Seite und ich bin nackt unter einem leichten Leinenhemdchen und sie spreizt mir die Beine und fordert mich auf, mich selbst zu streicheln, und ich tue das, solange sie es möchte, und ich komme in einem fort.«
»Also flieg hin und gönn dir diese Fahrt!« Stell dir Nadja vor, nur in einem hellen Leinenhemdchen über ihrer dunklen Haut, die satten, dicken Schenkel weit gespreizt, eine schlanke, weiße Hand darauf. Diese Frau sieht durch ihre Sonnenbrille auf die Straße. Flucht, wenn jemand ihr die Vorfahrt nimmt. Und lächelt, wenn Nadja sich neben ihr aufbäumt.
Ich registriere plötzlich, dass Nadja schon seit mehreren Minuten liebevoll ihre abgewetzte schlammgrüne Jeansjacke streichelt.
»Was läuft da zwischen deiner Jacke und dir?«
Nadja grinst mich durch ihr Wuschelhaar verführerisch und irgendwie schuldbewusst an. Ich mag, wie ihr Zungenpiercing aufblitzt, wenn sie lacht. Und auch, wie sie es manchmal gegen ihre Vorderzähne schlagen lässt oder mit geschlossenem Mund damit ihr Zahnfleisch massiert. Erst recht, wie es sich auf meiner eigenen Zunge anfühlt, wenn ich sie an die ihre schmiege.
Sie greift in ihre Jackentasche wie eine Zauberin und kramt mit einem leisen »Trara« ihr iPhone hervor. Ich stöhne auf. »Hältst du es nicht mal eine Dreiviertelstunde aus?« Bin ich so langweilig?
»Komm, so lange habe ich es ewig nicht mehr geschafft!«, verteidigt sie sich, während ihre Finger über die Tasten fliegen. Sie hat einen angespannten Zug um den Mund, der sich in nichts auflöst und einem breiten Grinsen weicht, als sie fast jauchzend verkündet: »Sie hat geschrieben!«
»Und zwar?«
»Ich habe ihr erzählt, dass ich dich zum Kuchenessen treffe.« Ich fühle mich geschmeichelt. Wie blödsinnig.
»Und jetzt schreibt sie: Wie gern würde ich dich mit kleinen Kuchenstückchen füttern und dich noch das letzte bisschen Süße von meinen Fingern lecken lassen, bevor« – jetzt wird ihre Stimme leiser – »ich anderes mit ihnen tue.« Nadja sieht wirklich aus, als sei sie gerade frisch durchgevögelt aus dem Bett gekrochen. »Ist das nicht geil?«
Klar ist das geil. Ich würde Nadja auch gern mit Kuchen füttern. Und im Gegensatz zu der Französin bin ich anwesend. Der Kuchen auch, Nadja sowieso.
»Weißt du, ich muss gar nicht unbedingt hinfliegen«, erklärt sie mir. »Dieser virtuelle Flirt versetzt mich in einen solchen Zustand anhaltender, lustvoller Erregung, wie ich es bislang nie erlebt habe. Sie hat eine Macht über mich, das glaubst du gar nicht. Mein ganzes Leben kreist um unsere Nachrichten. Ihre Worte können Sachen in mir auslösen, die ich mir niemals habe träumen lassen. Das reicht mir eigentlich vollkommen. Ich muss das nicht live haben.«
Das gefällt mir. Denn ich bin nicht scharf darauf, Nadja bloß noch virtuell zu erleben, weil sich der Aufenthaltsort ihres Körpers 1.500 Kilometer nach Süden verlagert hat.
Ich hole die Mandeltarte. Diese Französin scheint eine Wortartistin zu sein, die ein sehr feines Gespür für Nadjas Nervensystem hat. Aber diese Mandeltarte ist auch nicht schlecht.
ELKE MORRI
»Wir standen uns gegenüber, nur ein halber Meter trennte uns. Ich spürte seinen Atem auf meiner Stirn, mein Herz pochte bis zum Hals, er roch so süß wie ein Erdbeerfeld, auf das ein kurzer Sommerregen geprasselt war.«
In Kirchen ist es kühl. An diesem Tag war es das nicht. Es brannte in mir, als ob mein Fleisch von innen mit einer Paste aus Menthol und Eukalyptus eingeschmiert worden war. Ein Feuer, das nicht nach außen dringen konnte, sondern in meinem Körper eingeschlossen war. Als ich den harten, steinernen Weg zwischen den mit blassrosa und weißen Orchideen geschmückten Sitzreihen entlangschritt, dachte ich nicht, dass dieses Gefühl, das mich normalerweise nur durchfuhr, wenn ich auf einen Mann traf, den ich vom ersten Augenblick an begehrte, auch bei ihm bekommen würde. Bei ihm, den ich seit 16 Jahren nicht mehr gesehen hatte, obwohl wir beide in derselben Stadt wohnten.
Dabei hatte ich mir diesen wohligen Schmerz auch immer gewünscht, ganz fest und unbedingt. Zumindest am Anfang unserer Beziehung – wobei ich nicht weiß, ob man das überhaupt so bezeichnen kann. Doch was nicht sein sollte, wurde auch nicht. Ben hatte sich schließlich nach vier Jahren mit einem Satz von mir getrennt, den ich heute noch gern rezitiere, weil er immer wieder für einen Lacher gut ist: »Mit der anderen kann ich halt einfach besser über das Gokartfahren reden.«
Ja, ich hatte damals auch gedacht, das wäre ein Scherz, mich aber geirrt. Er hatte mir die vollbusige Studienkollegin tatsächlich vorgezogen. Damals wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass Männern beim Schlussmachen meistens die passenden Worte fehlen.
Was mir inzwischen gänzlich fehlte, war Gelassenheit, obwohl ich auf unser Zusammentreffen vorbereitet war. Denn diese Hochzeit war auch so eine Art Klassentreffen. Judith und Peter hatten neben Hinz und Kunz auch die gesamte ehemalige 8a eingeladen. Im Gegensatz zu Ben und mir trabten diese zwei Klassenkameraden nun gemeinsam ins sonnenhelle Eheglück. Zwar hatten sie sich im Laufe ihrer Beziehung immer mal wieder getrennt, mussten aber schließlich feststellen, dass sie ohne einander nicht konnten und auch nicht wollten.
Bei mir und Ben war es immer anders gewesen: Wir hatten nie wirklich miteinander gekonnt und ob wir gewollt hatten, wusste ich auch nicht so recht. Was ich allerdings wusste, war, dass der Sex mit ihm fantastisch gewesen war – und genau genommen die einzige Sache, die wir gemacht hatten, wenn wir uns sahen. Ben hatte nie viel geredet. Vielleicht war er deshalb so gut im Bett gewesen, weil er dort nicht viele Worte zu machen brauchte? Auf jeden Fall hatten wir beim Sex auf einer Wellenlänge gelegen. Das hatte ich schon damals gespürt, obwohl mir noch jegliche Vergleichsmöglichkeiten fehlten. Die Männer, die nach Ben gekommen waren, waren wie das Wetter: mal stürmisch, mal ein laues Lüftchen. Vielleicht klingt es naiv, aber für Ben war mein Körper ein unbekanntes Land gewesen, das er mit allen Sinnen entdecken wollte, und ich hatte seine Erkundungstouren genossen.
Das harte Holz drückte an meinem nackten Rücken. Ich hatte gerade in der zweiten Sitzreihe Platz genommen, als meine Gedanken an meinen Ex von nervigen Stöckelschuhschritten und leisem Getuschel unterbrochen wurden. Ein wuchtiger Körper presste sich an mich und holte mich endgültig in die Realität zurück.
»Ich muss schon sagen. Respekt! Beinahe hätte ich dich gar nicht mehr erkannt!«
Ich schaute zur Seite und sah in zwei lachende, stechend hellblaue Augen, umgeben von unzähligen kleinen Fältchen.
»Das gibt’s doch nicht! Wobi! Schön dich zu sehen«, strahlte ich und umarmte Alexander stürmisch. Er war die ganze Oberstufe mein Sitznachbar gewesen und wir hatten damals viel Spaß gehabt. In jeder Unterrichtsstunde hatten wir die Lehrer mit mindestens einem Lachkrampf zur Weißglut gebracht. Wobi hatte sich damals bevorzugt mit Wurstsemmeln vollgestopft und am liebsten kalten Kakao getrunken. Er sah aus, als ob er das noch immer gern tat. Er hatte sich kaum verändert, klein und dick, mit roten, rauen Wangen. Bei seinem dunkelblauen Anzug waren die Ärmel viel zu kurz, so wie sie es in der Schulzeit bei seinen abgewetzten Pullovern gewesen waren.
»Darf ich dir meine Frau Silke vorstellen, Lizzy?«
Ich beugte mich nach vorn und schüttelte die zarte Hand eines ebenso zarten Persönchens.
»Hallo, ich bin Lizzy.« Zwei sanfte, freundliche Augen gaben mir zu verstehen, dass Wobi ihr schon von mir erzählt hatte. »Wie lange seid ihr beiden denn schon verheiratet?«, hakte ich nach.
Doch das plötzlich aufkommende Treiben schluckte meine Frage und eine wunderschöne Braut erschien in der Kirche. Leise setzte Pachelbels schaurig-schöner Canon in D ein und alle standen auf. Judiths weißes Seidenkleid schimmerte hellrosa wie die Orchideen, wenn ein Lichtstrahl darauffiel. Während sie langsam den Gang zum Altar entlangschritt, verspürte ich einen Hauch von Sehnsucht. Meine Augen wanderten durch die Reihen. Überall nur Händchenhaltende und Verliebte. Ich drehte mich um und wumms, da durchfuhr mich wieder dieses Gefühl: Wie eine Statue stand Ben da, die Hände aufeinandergelegt, den Blick starr auf mich gerichtet, als ob er mich fressen wollte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen; ich wollte es erwidern, doch ich konnte nicht, es war, als ob mein Gesicht eine starre Maske wäre. Schnell wendete ich meinen Blick wieder ab, bekam aber gerade noch mit, dass er einen Platz zwischen zwei Männern gefunden hatte. Seine Freundin war offensichtlich nicht hier, was mich aus der Fassung brachte.
Als ich die Einladung erhalten hatte, hatte ich Judith angerufen, um ihr persönlich zu gratulieren – obwohl auf der Karte eigentlich nur um eine kurze »Ja, ich komme«-E-Mail gebeten worden war. Natürlich war der Hauptgrund für meinen Anruf ein anderer: Ich wollte mich vergewissern, ob tatsächlich die gesamte 8a zu ihrer Hochzeit kommen würde, wie es mir im Vorfeld von einer Bekannten zugetragen worden war. Außerdem war Judith schon immer die Quelle aller Tratsch- und Klatschgeschichten gewesen, und das war auch heute noch so. »Ben kommt, zu neunzig Prozent allein. Momentan läuft es nicht so gut zwischen ihm und seiner Freundin.«
Wie auf Kommando nahmen alle wieder ihre Plätze ein. Und Mist, beim Hinsetzen bohrte sich etwas in meinen Rücken. Ich drehte ich mich um und sah, dass hinter mir ein Teil der Rückenlehne von der Holzbank abgesplittert war, wie bei einem Igel standen viele kleine, spitze Späne ab, einen von ihnen hatte ich nun in der Schulter. Ich versuchte, ihn mit der linken Hand zuerst von unten, dann von oben zu fassen, um ihn aus meiner Haut zu ziehen. Doch vergeblich, ich kam einfach nicht an. Erst hatte ich wegen des sündhaft teuren Kleides mein Konto überzogen und jetzt wurde ich dafür bestraft, dass ich diesen schimmernden, bodenlangen Designertraum mit hochgeschlossener Front und tiefem Rückenausschnitt trug. Was für eine Ironie: Ich hatte einfach umwerfend aussehen wollen, wenn ich Ben nach all den Jahren wieder begegnete. Jetzt wollte ich nur noch, dass sich seine Augen, die ich förmlich auf meinem sanft gebräunten Rücken kleben spürte, in Nadeln verwandelten und mir diesen verdammten Holzspan aus dem Rücken holten.
Die ganze Feierlichkeit über konnte ich mich nicht richtig konzentrieren. In meinem Kopf war dichter Nebel, der sich nur ab und an lichtete, wenn ein ergreifendes Seufzen, ein unterdrücktes Räuspern oder Schnäuzen erklang.
Erst als Judith »Ja, ich will!« sagte, war der Schleier vor meinen Augen plötzlich verschwunden. Auf einmal war mir bewusst, dass auch ich wollte, und zwar Ben! Unfassbar, aber er übte noch immer einen Reiz auf mich aus. Kein Wunder, sah er doch wie eh und je unverschämt gut aus, ein bisschen älter zwar und mit ein paar grauen Strähnchen in seinem kurz geschorenen Haar, dafür aber männlicher und reifer.
Ich spürte die Anziehung zwischen uns. Vielleicht hatte ich aber auch einfach schon zu lange keinen Sex mehr gehabt. Seit einem halben Jahr war ich solo und lebte enthaltsam. Es war bisher einfach kein interessanter Mann auf der Bildfläche aufgetaucht.
Die tränenreiche Trauung war zu Ende und nach und nach gingen die Gäste nach draußen, um sich vor der Kirche für das obligatorische Hochzeitsfoto aufzustellen. Da ich nichts mehr als Hektik hasse, wollte ich sitzen bleiben, bis alle im Freien waren. So mache ich das in Flugzeugen auch immer. Ich hab das gern. Diese Ruhe, sich sammeln können.
Ich dachte bereits über einen perfekten Satz nach, den ich zu Ben sagen könnte, als ich plötzlich eine warme Handfläche auf meinem Rücken spürte. Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper, ich glühte und wusste sofort, dass er es war, seine Berührung war so vertraut. Für einen kurzen Moment hielt ich inne, dann drehte ich mich um und sah in seine leuchtenden braunen Augen, die nach außen hin bernsteinfarben wurden. Er packte mich an den Schultern, zog mich zu sich herauf. Wir standen uns gegenüber, nur ein halber Meter trennte uns. Ich spürte seinen Atem auf meiner Stirn, mein Herz pochte bis zum Hals, er roch so süß wie ein Erdbeerfeld, auf das ein kurzer Sommerregen geprasselt war. Ich entzog mich seinem Blick, damit er nicht merkte, wie sehr ich ihn begehrte. Schnell schlängelte ich mich aus der Sitzreihe, ich wollte nur nach draußen. Doch Ben griff rasch nach meiner Hand, umfasste meine Taille und drückte sich von hinten an mich. Ich spürte seine weichen Lippen auf meinem Hals, ich wurde zu Butter in seinen Händen, wollte alles nur geschehen lassen. Er küsste meine Schulter, dann den Rücken. Schließlich gruben sich seine Zähne in mein Fleisch und holten mit einem einzigen Ruck das Holzteilchen aus meiner Haut. Er wirbelte mich herum, zögerte kurz und presste seine Lippen auf meine. Leidenschaftlich küssten wir uns, als plötzlich hektische Schritte durch die Kirche hallten.
»Komm!«, flüsterte Ben und nahm mich an der Hand. Wir rannten in Richtung Altar, in einen Seitengang, wo sich die Beichtstühle befanden.
»Das ist jetzt wohl nicht dein Ernst?«, fragte ich leise, doch Ben grinste mich nur schelmisch an.
»Doch!«, sagte er entschlossen und zog mich in die mittlere der hölzernen, kunstvoll geschnitzten Kabinen. Ihre Tür war nur ein schwerer, violetter Vorhang aus Samt. Als er ihn zur Seite schob, zupfte ich an seinem Sakko.
»Nein, das können wir doch nicht machen! Wenn uns jemand sieht!«
Meine Zweifel ließen auch Ben unsicher werden. »Du hast recht. Das wäre wirklich Blasphemie. Andererseits«, seine Lippen umspielte wieder ein spitzbübisches Lächeln, »ich bin Atheist.«
»Na, dann!« Ich wollte laut auflachen, verkniff es mir aber, so gut es ging.