Beweglichkeit beginnt im Gehirn - Lars Lienhard - E-Book

Beweglichkeit beginnt im Gehirn E-Book

Lars Lienhard

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Mit Neuroathletik zur besten sportlichen Performance Eine gute Beweglichkeit ist nahezu essenziell für alle Lebensbereiche. Vor allem im Sport wird sie benötigt, um verschiedene Bewegungsaufgaben adäquat zu lösen, die optimale Haltung umzusetzen und technische Aspekte ideal auszuführen – sei es im Krafttraining, in der Leichtathletik, beim Tanzen oder beim Yoga. Unabhängig von den individuellen Voraussetzungen wird Beweglichkeit in erster Linie vom Gehirn reguliert und bestimmt – und lässt sich darüber gezielt trainieren! So bereiten Sie sich optimal auf Ihr Training vor Die Neuroathletikexperten Lars und Ulla Lienhard zeigen, mit welchen Methoden und Prinzipien Sie die unterschiedlichen Hirnareale ansteuern und somit Ihre Beweglichkeit und Ihre Mobilität deutlich verbessern können. Das Hauptziel ist die spezifische Vorbereitung des Beweglichkeitstrainings sowie die Optimierung der Trainingswirkung durch gezielte neurozentrierte Ansätze: - Stellen Sie durch kleine Tests sicher, dass Ihr Training die gewünschten Effekte erzielt. - Steigern Sie Ihre Entspannungsfähigkeit, da sie über Beweglichkeit mitbestimmt. - Lernen Sie Strategien kennen, bestimmte Hirnareale gezielt vorzubereiten. - Setzen Sie Trainingsprinzipien um, die Ihre Dehntoleranz erhöhen. Die wichtigsten Komponenten sind hier Play und das Nutzen externer Ziele wie Widerstandsbänder oder Bälle. - Festigen Sie die erworbene Bewegungsweite nachhaltig, um dauerhaft beweglich zu bleiben. - Nutzen Sie spezifische Trainingsinhalte, um beispielsweise im Nacken- und Schulterbereich beweglicher zu werden oder die Beweglichkeit in Hüfte, Sprunggelenk und Fuß zu verbessern. Über 60 bebilderte Übungen und zahlreiche Trainingspläne helfen Ihnen dabei, nicht nur Ihr Training zu optimieren und Ihre Beweglichkeit zu steigern, sondern Ihre gesamte sportliche Performance auf ein neues Level zu heben.

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Lars Lienhardmit Ulla Lienhard

Beweglichkeit beginnt im Gehirn

Lars Lienhardmit Ulla Lienhard

Beweglichkeitbeginnt imGehirn

Mit Neuroathletik zu mehr Mobilität und besserer sportlicher Performance

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autoren haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2024

© 2024 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Susanne Schneider

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildungen Shutterstock: Pressmaster (o.), Viktor Gladkov (Mi.), Diego Barbieri (u.), SciePro (re.)

Bildnachweis: alle Fotos im Innenteil und auf der Umschlagrückseite von Nils Schwarz, www.nilsschwarz.com, außer:

AdobeStock/fresnel6: 149, AdobeStock/Ronstik: 140, AdobeStock/Nico: 141, riva Verlag: 53, 74, 133, Sandra Seifen Fotografie: 178, shutterstock/Aleks Melnik: 14 re., Shutterstock/fizkes: 25, 32, 6/20/28/36/90/152/162 li. o./li. Mi., Shutterstock/mooinblack: 27 u., Shutterstock/nikkytok: 124, Shutterstock/Paper Teo: 14 li. o., Shutterstock/Photoongraphy: 27 o., Shutterstock/Pressmaster: 26, 171, 6/20/28/36/90/152/16/171 re. u., Shutterstock/SciePro: 12, Shutterstock/VectorMine: 144, Shutterstock/VladisChern: 14 li. u.

Model: Johanna Steiner von FREISTIL Sportmodels, Hamburg

Layout: Katja Muggli, www.katjamuggligrafikdesign.de

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2463-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2233-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2234-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

1 Wie entsteht Beweglichkeit?

Eine neue Perspektive auf Beweglichkeit

Komponenten der Beweglichkeit

Der Faktor Sicherheit während der Bewegung

Beweglichkeit beginnt mit dem Bewegungsprogramm

Spezifität von Beweglichkeit

Wie Sie dieses Buch gewinnbringend nutzen

2 Assessments – schnelle Tests, um die Wirksamkeit des Trainings zu überprüfen

Die Wirkung des Trainings überprüfen

Trainingsziel »besser werden«

Assessments anwenden

3 Entspannung als Grundlage von Beweglichkeit

Warum die Fähigkeit zu entspannen Ihre Beweglichkeit mitbestimmt

Welche Hirnareale die Entspannungsfähigkeit beeinflussen

Bodyscan – Spannungen gezielt loslassen

Progressive Muskelentspannung

Die Entspannungsmethoden in das Beweglichkeitstraining übertragen

4 Beweglichkeit optimal vorbereiten

Bessere Rahmenbedingungen schaffen

Beweglichkeit durch bessere Programmierung

Sensorik – Grundlage von Bewegung

Stabilität – Grundlage von Beweglichkeit

Die kortikale Aktivität verbessern

5 Bewegungsaufgaben verändern

Mit neuen Strategien zu einer verbesserten Beweglichkeit

Gespeicherte Erwartungen und Situationen neu bewerten

Play – spielen, erkunden und lernen

Externe Ziele – der Weg für mehr Beweglichkeit

Das Gehirn variantenreich trainieren

Das Kleinhirn – Zentrum für Bewegungskorrektur und Bewegungsrhythmus

Das Salienz-Netzwerk und seine Bedeutung für die Beweglichkeit

6 Kontrolle und Aneignung der neuen Bewegungsweite

Nachhaltig beweglich bleiben

Nachhaltigkeit durch gezielte Wiederholungen

Sicherheit und Kontrolle am Ende der Bewegungsweite

7 Beweglichkeit spezifisch verbessern

Welche Informationen braucht Ihr Gehirn?

Vertikale Bewegungen vorbereiten

Horizontale Bewegungen vorbereiten

Extensionsbewegungen verbessern

Flexionsbewegungen verbessern

Im Schulter- und Nackenbereich beweglicher werden

Hüftbeweglichkeit verbessern

Hüftbeweglichkeit verbessern

Beweglichkeit in Sprunggelenk und Fuß verbessern

Anhang

Über die Autoren

Verwendetes Material

Verwendete Apps

Weiterführende Literatur

Übersicht der Übungen

1

Wie entsteht Beweglichkeit?

Eine neue Perspektive auf Beweglichkeit

Beweglichkeit als relevante und wichtige Fertigkeit ist, insbesondere im Sport sowie in der allgemeinen Gesundheit und Therapiewelt, unumstritten. Allerdings gibt es über die Art und Weise, wie Beweglichkeit verbessert, erhalten und genutzt werden kann, sehr unterschiedliche Meinungen und Ansätze, diese Ziele zu erreichen. Allgemein kann gesagt werden, dass eine angemessene Beweglichkeit eine Grundvoraussetzung für jede Art von körperlicher Aktivität ist. Vor allem im Sport ist sie oft essenziell, um die verschiedenen Bewegungsaufgaben adäquat zu lösen. Ohne ausreichende Beweglichkeit kann weder eine optimale Haltung eingenommen noch können die technischen Aspekte optimal umgesetzt werden. Hier könnten natürlich noch mehrere positive Auswirkungen auf gesundheitliche und mentale Komponenten aufgeführt werden, der Fokus dieses Buches liegt jedoch auf der sportlichen beziehungsweise physischen Leistungsfähigkeit des Menschen.

Optimale Bewegungskontrolle als Schlüssel zu mehr Beweglichkeit

Es ist vor allem die Bewegungskontrolle, die im Sport, in der Therapie und im Alltag eine Grundvoraussetzung für eine optimale Leistungsfähigkeit darstellt. Dies ist wichtig festzustellen, da es vielen Menschen bezüglich Beweglichkeit eher um das Erreichen großer Bewegungsamplituden geht und es ihnen weniger darauf ankommt, ob sie diese auch nutzen und kontrollieren können. Die Qualität und Kontrolle der Bewegung ist jedoch genau innerhalb dieser großen Bewegungsweiten von entscheidender Bedeutung, und das nicht nur auf die physischen Aspekte bezogen, sondern auch für das Gehirn. Bewegungsaufgaben mit großen Bewegungsweiten sind grundsätzlich schwieriger auszuführen und bergen ein größeres Verletzungsrisiko als kleinere Bewegungen. Können die Athleten ihre Beweglichkeit denn voll nutzen? Dies ist eine Frage, die sich jeder Trainer oder Therapeut stellen sollte.

In den klassischen Ansätzen, die Beweglichkeit zu trainieren, liegt der Fokus der Verbesserung häufig auf anatomisch-strukturellen Veränderungen innerhalb derjenigen Gewebe, die unbeweglicher erscheinen – vor allem im Muskel und in den gelenkumgebenden Strukturen. Hierfür werden verschiedenen Methoden des Dehntrainings eingesetzt. Tatsächlich zeigt sich jedoch, dass sich die hierdurch erreichten größeren Bewegungsweiten selten durch eine anatomische Veränderung innerhalb der involvierten Gewebe ergeben. Sie werden also weniger dadurch beweglicher, dass sich das Gewebe verändert (Muskel und Faszien werden länger), sondern es scheint ein anderer Vorgang hauptverantwortlich dafür zu sein: die Dehntoleranz. Diese Dehntoleranz soll in diesem Buch intensiver betrachtet werden. Die mit Abstand meisten Veränderungen, die durch jegliche Art von Beweglichkeitstraining entstehen, lassen sich auf eine Verbesserung dieser Dehntoleranz zurückführen. Es handelt sich hierbei um eine Entscheidung des Gehirns darüber, welcher Zug auf Gewebe in welchem Kontext zugelassen wird.

Was bedeutet Dehntoleranz?

Die Regulierung der Beweglichkeit kann über zentralnervöse Prozesse erklärt werden. Hier geht es um Veränderungen der Antworten des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) auf die sensorischen Informationen, die beim Dehnen entstehen. Das bedeutet: Um mehr Beweglichkeit zu erreichen, muss unser Gehirn die Informationen aus unserem Körper neu bewerten können. Im Fokus stehen vor allem die Verarbeitung und Regulierung der Schmerzsignale, die beim Dehnvorgang in den Geweben entstehen. Es handelt sich bei einer Verbesserung der Dehntoleranz also um Prozesse im Gehirn und nicht im Gewebe, die uns beweglicher werden lassen. Dieses Buch schafft eine neue Perspektive auf dieses wichtige Thema der Dehntoleranz und liefert einen umfassenderen Einblick, wie Gehirn und Nervensystem die Beweglichkeit regulieren und entscheidend beeinflussen.

Komponenten der Beweglichkeit

Bevor wir das Gehirn und seine bewegungssteuernden Funktionen umfassender betrachten, wenden wir uns zunächst einmal kurz den verschiedenen Theorien zum Thema Beweglichkeit zu. Die aus der Sportwissenschaft stammenden und nur leicht voneinander abweichenden Definitionen besagen, dass Beweglichkeit die Bewegungsamplitude beschreibt, die aktiv oder passiv bis zur Endstellung eines Gelenks eingenommen werden kann. Sie setzt sich primär aus zwei Teilkomponenten zusammen: aus der Gelenkigkeit und der Dehnfähigkeit.

Gelenkigkeit

beschreibt das Bewegungsausmaß, das durch die Gelenkstruktur und das Gelenkspiel vorgegeben ist.

Dehnfähigkeit

bezieht sich auf die Dehnbarkeit von Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenkkapseln.

Weiterhin ist die Beweglichkeit von endogenen, das heißt inneren, und exogenen, also äußeren, Faktoren beeinflussbar und stark von Schmerzerinnerung, Schmerztoleranz und Schmerzwahrnehmung geprägt.

Kommen wir nun zur eigentlichen Schwierigkeit. Sowohl die Dehnfähigkeit als auch die Gelenkigkeit sind durch Sport und Training kaum und, wenn überhaupt, nur unter höchstem Aufwand veränderbar. Die Schwierigkeit bei dem Versuch, nachhaltig anatomische und strukturelle Anpassungen zu erzeugen, scheint die zu hohe Spannung in den Geweben zu sein. Es ist sehr aufwendig und mental intensiv, genug Spannung über das Dehnen zu erreichen, um tatsächliche physische Veränderungen herbeizuführen. Es würde schlichtweg für den Großteil der Sportler zu lange dauern, um die gewünschten Veränderungen zu bewirken. Von den Gewebespannungen sind es vor allem die hohe Spannung in den Gelenkkapseln und der Muskeltonus, die strukturelle Veränderungen erschweren. Aber auch Sehnen, die Haut, Nervenfasern oder die Spannungen im Rückenmark können durch ihren Gewebetonus die Beweglichkeit beeinflussen. Was die Gelenkigkeit, also die anatomisch vorgegebene Schwungweite des Gelenks betrifft, so zeigt sich diese als mehr oder weniger sogar genetisch determiniert, das heißt, sie wird mit unserem Erbgut übertragen und sie scheint kaum nachhaltig durch Training beeinflussbar zu sein.

Welche Einflussfaktoren auf unsere Beweglichkeit wirken

Wie erwähnt sind die Veränderungen, die beim Dehnen oder beim Beweglichkeitstraining entstehen, meist ohne nachweisbare strukturelle Veränderungen innerhalb der Gewebe, die gedehnt wurden. Doch warum wurden wir dann beweglicher? Vereinfacht gesagt stoppt das Gehirn die aktuelle Bewegung meist deutlich vor dem Erreichen der eigentlichen Bewegungsweite, da es in einer noch größeren Bewegungsweite keine ausreichende Sicherheit und Kontrolle mehr prognostizieren kann. Aus diesem Grund wird eine weitere Dehnung der Gewebe unter den gegebenen Umständen nicht mehr toleriert. Verändern Sie jedoch die Rahmenbedingungen, sodass die Informationen aus dem Körper und der Umgebung besser ausgewertet werden können und die Situation vom Gehirn als sicher wahrgenommen wird, dann erlaubt das Gehirn mehr Zug auf die Gewebe und eine größere Bewegungsweite – die Dehntoleranz steigt.

Der Faktor Sicherheit während der Bewegung

Um die eingangs bereits erwähnte Dehntoleranz besser zu verstehen, müssen wir uns im Folgenden damit auseinandersetzen, wie und wo Dehntoleranz entsteht und »wer« eigentlich dafür verantwortlich ist. Wie zuvor beschrieben, ist die Verbesserung der Dehn- oder Stretchtoleranz als Resultat der zentralnervösen Antwort auf die sensorischen Informationen, die aus dem Körper kommen, zu verstehen. Hier werden vor allem innere Prozesse der Schmerzverarbeitung im Gehirn als ursächlich angesehen.

Zuerst ist es sinnvoll, den Blick auf die Regulierung der Dehntoleranz zu weiten und die grundlegenden Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten anzuschauen, nach denen das Gehirn die Bewegung steuert und reguliert. Die primäre Aufgabe des Gehirns ist es, den Organismus vor Gefahren zu schützen und zu gewährleisten, dass wir sicher mit der Umwelt interagieren können. Diese Interaktion erfolgt über Bewegung – in ihrer großen Bandbreite, die dem Menschen zur Verfügung steht. Das Gehirn reguliert die Bewegung immer aufgrund von Vorhersagen und Prognosen und muss, um den Organismus zu sichern, die Bewegung stets so ausführen, dass dieser nicht in Gefahr gerät, sich zu verletzen. Wird nun eine großamplitudige Bewegung benötigt, um eine Bewegungsaufgabe zu erfüllen, prüft das Gehirn die Situation und führt die Bewegungsaufgabe so aus, wie die »Datenlage« es gerade zulässt.

Prognosen des Gehirns

Diese »Datenlage« wird über sensorische Informationen erstellt, die aus der Umwelt, den physiologischen Prozessen im Körperinneren und Informationen über die eigene Bewegung im Raum über sensorische Organe und Rezeptoren innerhalb der verschiedenen Gewebe aufgenommen und ausgewertet werden. Indem das Gehirn alle eingehenden Informationen miteinander abgleicht und diese mit bereits gemachten Erfahrungen und dem aktuellen Bewegungsprogramm in Bezug setzt, kann es die jeweilige Situation beurteilen und prognostizieren, was durch die Handlung an Konsequenzen zu erwarten ist. Das Gehirn überprüft also in jeder Millisekunde, ob das, was Sie gerade tun, sicher ist oder ob aufgrund der aktuellen Informationen, der Erfahrungen und des Handlungsziels beziehungsweise der Bewegungsaufgabe eine reale oder eine erwartete Gefahr herrscht oder herrschen könnte. Aufgrund dieser Prognosen entscheidet es über die Ausführung der geplanten Bewegung.

Man kann sich die Integration und Analyseprozesse der sensorischen Informationen als eine Art Gefahrenfilter vorstellen, der zu jedem Zeitpunkt überprüft, ob das, was ich gerade mache, sicher und die nächste Handlung vorhersehbar erscheint.

Besonders Bewegungen, die große Bewegungsweiten beinhalten, können schnell als unsicher wahrgenommen werden. Dies hat mehrere Gründe. Je größer die Bewegungsweite, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu verletzen, da diese Gelenkpositionen schwieriger zu stabilisieren und zu kontrollieren sind als entsprechend kleinere Bewegungen. Gleichzeitig kommt es bei größeren Bewegungsumfängen und dem damit einhergehenden vermehrten Zug auf die Gewebe zu immer mehr Signalen, die eine potenzielle Bedrohung für das Gewebe signalisieren.

Die Auswertung von nozizeptiven Informationen

Die verschiedenen Rezeptoren, die die sogenannten nozizeptiven Informationen aufnehmen, werden aktiviert, wenn grobe mechanische Einwirkungen, wie hoher Zug oder Druck, oder andere gewebeschädigende Faktoren, wie Temperatur oder chemische Reize, einwirken. Diese nehmen wir dann als unangenehm oder schmerzhaft wahr. Wichtig zu verstehen ist jedoch, dass nicht die bewusste Wahrnehmung von unangenehm empfundener Dehnspannung zu einem Unterbinden der Bewegung führt. Die bewusste Wahrnehmung von unangenehmem Zug oder »Schmerz« führt zwar meist zu einer Erhöhung des Muskeltonus, der jedoch willentlich auch wieder reduziert werden kann. Mehr Informationen dazu finden Sie in Kapitel 3 ab Seite 33.

Entscheidend ist, dass das Gehirn den Organismus stets sichern und schützen muss, um den Körper vor Schaden zu bewahren, und dass dieser Prozess überwiegend unbewusst abläuft. Das Gehirn löst eine Bewegungsaufgabe immer unter diesem Gesichtspunkt: Ist das, was ich gerade tue, sicher oder nicht? Es ist also absolut notwendig und richtig, dass unser Gehirn auf die Zugspannung im Gewebe und gewebeschädigende Einflüsse reagieren kann und es muss bei realer oder prognostizierter Gefahr einen weiteren Zug am Gewebe unterbinden. Schränkt es als Resultat die Bewegungsweite ein, dient dies immer zum Schutz des Organismus. Wichtig für Sie zu verstehen ist jedoch, dass es hier auch zu Prognosefehlern kommen kann, wenn unklare Informationszustände herrschen oder die Hirnareale, die Informationen untereinander abgleichen und integrieren, in ihren Funktionen eingeschränkt sind.

Beweglichkeit – eine Entscheidung des Gehirns

Aber nicht nur die Informationen, die über mögliche Gewebeschädigungen informieren, haben Einfluss auf die Bewegungsweite. Das Gehirn wertet grundsätzlich alle eingehenden Informationen aus dem Körper und der Umwelt aus, gleicht diese untereinander ab und entscheidet dann über die Bewegungsausführung. Vereinfacht ausgedrückt arbeitet unser Gehirn in drei Schritten:

Es bekommt sensorischen Input aus dem Körper und von der Außenwelt.

Es integriert und analysiert diesen Input daraufhin, wie es aufgrund der Information, der Erfahrungen und des Ziels im nächsten Schritt mit der Umwelt interagieren soll.

Es trifft eine Entscheidung, die dann als Bewegungsprogramm den ausführenden Organen mitgeteilt wird.

Die Kraft, die eingesetzt wird, die Schnelligkeit einer Bewegung oder wie viel Zug am Gewebe toleriert wird, sind also in gewisser Weise Entscheidungen, die das Gehirn trifft. Das Ziel eines jeden Mobility- oder Dehntrainings ist es, dem Gehirn die Informationen zur Verfügung zu stellen, die es benötigt, um die Situation adäquat einzuschätzen, sodass es nicht zu Prognosefehlern kommt und der anatomisch mögliche und dem Bewegungszweck angemessene Bewegungsumfang ausgeschöpft werden kann.

Die Arbeitsweise des Gehirns und des zentralen Nervensystems: Sie empfangen sensorischen Input, verarbeiten und integrieren diesen und antworten mit einer Bewegung.

Beweglichkeit beginnt mit dem Bewegungsprogramm

Das aktive Ausführen von großamplitudigen Bewegungen ist immer in ein Bewegungsprogramm eingebettet, das zuvor vom Gehirn aufgrund der aktuellen Datenlage erstellt wurde. Dafür werden alle eingehenden Informationen wie beschrieben ausgewertet und beurteilt. Auf der Basis dieser Informationen erstellen spezifische Areale das Bewegungsprogramm. Der Chef der exekutiven Funktionen und somit der Auftragsteller, der im Hintergrund den Auftrag erteilt, ist der Frontallappen. Hier ist der Startpunkt, von dem die Programmerstellung ihren Ausgang nimmt. Dieses Bewegungsprogramm wird dann zur Ausführung an die Muskulatur gesendet. Die Beweglichkeit, die situationsspezifisch und aktiv zugelassen wird, wird demnach nicht nur von den anatomisch-konstitutionellen Gegebenheiten sowie den endogenen und exogenen Faktoren bestimmt, sondern ist eine Entscheidung unseres Gehirns. Das Gehirn kann also aus Sicherheitsgründen oder aufgrund mangelnder Informationen eine Bewegung unterbinden oder limitieren, obwohl die natürlich gegebene Schwungweite in den Gelenken oder die mögliche Dehnbarkeit der beteiligten Gewebe nicht ausgereizt sind. Das Ausmaß der Bewegung, die ausgeführt werden darf, ist also abhängig von der Beurteilung der sensorischen Informationen und damit der Einstufung der Sicherheit der Gesamtsituation während der Bewegung.

Neuronale Netzwerke und die Konsequenzen einer Bewegung

Für die Bewertung und das Einschätzen der Konsequenzen einer Bewegung im aktuellen Kontext gibt es spezifische Netzwerke im Gehirn. Dies sind bestimmte Hirnareale, die miteinander verbunden sind und ständig Informationen austauschen. Sie interpretieren und beurteilen die eingehenden sensorischen Reize und kommunizieren diese Beurteilung zu höheren Zentren, die dann die Entscheidung über die erwarteten Konsequenzen treffen und das Bewegungsprogramm entsprechend anpassen. Diese Netzwerke bestimmen die Dehntoleranz daher entscheidend mit. Arbeiten diese Netzwerke jedoch unpräzise, so fällt die Beurteilung der akuten Situation viel zu schlecht aus und die Bewegung wird zu früh gestoppt werden. Damit eine adäquate Einstufung der Situation und eine optimale Ausführung der Bewegung möglich ist, müssen diese Netzwerke spezifisch adressiert werden, sodass eine Neubeurteilung der eingehenden Information möglich ist. Daher ist ein Ziel dieses Buches, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Gehirn mehr Sicherheit geben, und bewusst die Netzwerke zu aktivieren, die für die Beurteilung der Situation verantwortlich sind, sodass die Entscheidung, mehr Gewebespannung zu tolerieren, positiv ausfällt. Mehr dazu finden Sie in Kapitel 5 ab Seite 126.

Aktive Beweglichkeit als Schlüssel für mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit

Aus der neurozentrierten Perspektive geht es im Beweglichkeitstraining stets um eine Verbesserung der aktiven und kontrollierten Bewegung. Erinnern Sie sich? Nach der muskulären Aktivität unterscheidet man zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit. Unter aktiver Beweglichkeit versteht man den Bewegungsumfang, den ein Sportler allein durch willkürliche Muskelanspannungen erreichen kann, unter passiver Beweglichkeit jene Bewegungsweite, die ihm erst unter Einsatz des Körpergewichts mit Beschleunigung oder durch Krafteinwirkung von außerhalb erreichbar wird.

Aus der neuronalen Perspektive ist es wichtig, hier ein wenig ins Detail zu gehen. Das Gehirn legt den Fokus immer auf Sicherheit und Vorhersagbarkeit. Es ist ein wichtiger Aspekt, dass das Gehirn – und nicht der Körper – stets möglichst viel Kontrolle über die Bewegung des Körpers hat. Erhöht sich durch Dehntechniken zum Beispiel die Kluft zwischen passiv möglicher und aktiv realisierbarer Beweglichkeit, hat das meist negative Konsequenzen. Die passiv erreichbare Bewegungsweite kann nur durch Momentum oder extern einwirkende Kräfte erreicht werden. Diese Kraft kann wiederum nur durch die passive Spannung der Gewebe abgefedert oder gebremst und nicht aktiv kontrolliert werden. Dies ist als besonders kritisch zu bewerten, da besonders am Ende der Bewegungsweiten ohnehin schon eine große Verletzungsgefahr besteht und im Bereich der passiven Bewegungsweite wichtige Kontroll- und Stabilisationsprozesse fehlen.

Das individuelle Ziel macht den Unterschied aus: Wenn Ihr Ziel darin besteht, die Gelenke passiv mithilfe äußerer Kräfte weiter zu bewegen, bieten sich klassische Dehntechniken an. Allerdings ist kaum jemandem damit geholfen, die Gelenke passiv dehnen zu können, da wir uns im Alltag sowie beim Sport stets aktiv und anforderungsspezifisch bewegen. Dementsprechend ist dies der entscheidende und leistungsbestimmende Faktor – die passive Beweglichkeit ist für die meisten Menschen nicht relevant. Je größer jedoch die Kluft zwischen aktiver, kontrollierbarer und passiv-möglicher Beweglichkeit ist, desto weniger vorhersagbar wird die Bewegung. Aus diesem Grund lauert hier immer ein größeres Verletzungspotenzial. Außerdem stellt eine mangelhafte Vorhersagbarkeit eine Bedrohung für das Gehirn dar, weil aufgrund von Unklarheit sowohl die Bewegungsqualität als auch die Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird.

Spezifität von Beweglichkeit

Ein weiterer Punkt, den es beim Beweglichkeitstraining zu beachten gilt, ist die Spezifität der Beweglichkeit. Es ist wichtig, dass Sie wissen, worin Sie beweglicher werden wollen und warum. Neuronale und physische Anpassungen sind immer spezifisch. Dies bedeutet, dass Ihr Gehirn und Ihr Körper sich genau und exakt dem anpassen, was Sie trainieren. Schaut man sich das Beweglichkeitstraining allgemein an, so sieht man häufig, dass versucht wird, eine Beweglichkeit zu erreichen, die in keiner Relation zur Sportart, zum Alltag oder zu einer rehabilitativen Notwendigkeit steht. Manche schießen mit ihrem Beweglichkeitstraining also ein wenig über das Ziel hinaus. Maximale Bewegungsweiten zu erreichen, ist natürlich ein legitimes Ziel und durchaus erstrebenswert, wenn Beweglichkeit das einzige Ziel des Trainings ist. Für optimale Leistung im Sport, in der Rehabilitation oder in Bezug auf gesundheitliche Aspekte ist eine maximale Beweglichkeit allerdings nie notwendig. Des Weiteren ist Beweglichkeit auch spezifisch in Bezug zur Geschwindigkeit, zur Position, zur Richtung und zur allgemeinen Situation, in der Beweglichkeitsanforderungen in Erscheinung treten. Daher ist es ein Anliegen dieses Buches zu zeigen, wie Sie eine kontext- und situationsspezifische Beweglichkeitsverbesserung erzielen. Sie sind dazu aufgefordert, das Lösen von solchen Bewegungsaufgaben, die eine große Bewegungsamplitude erfordern, in den Mittelpunkt des Trainings zu stellen.

In diesem Buch geht es daher um das Verbessern einer Bewegungskompetenz, um das aktive Lösen von Bewegungsaufgaben, die eine größere Bewegungsweite verlangen, zu ermöglichen. Hierfür werden Ihnen Möglichkeiten präsentiert, wie Sie die Rahmenbedingungen verbessern können, um Ihrem Gehirn mehr Sicherheit bei großen Bewegungen zu verschaffen, sodass das Gehirn eine bessere Dehntoleranz entwickelt und Bewegungsaufgaben adäquater lösen kann und sich Ihre Bewegungskompetenz und Leistungsbereitschaft steigern.

Wie Sie dieses Buch gewinnbringend nutzen