Training beginnt im Gehirn - Lars Lienhard - E-Book

Training beginnt im Gehirn E-Book

Lars Lienhard

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Neuroathletik – für mehr Leistung im Sport Neurowissenschaftliche Erkenntnisse revolutionieren derzeit die Trainingslehre und den Spitzensport. Eine optimale körperliche Leistung ist nur dann möglich, wenn das Gehirn hochwertige Informationen von Augen, Gleichgewichtssystem und Körper erhält. Mit diesem revolutionären Ansatz der Neuroathletik lassen sich die Informationsaufnahme und -verarbeitung gezielt trainieren und die sportliche Leistung erheblich verbessern. In diesem Buch zeigt der führende deutsche Experte Lars Lienhard, wie Neuroathletik in jedes sportliche Training integriert werden kann. Über 90 bebilderte Übungen sind leicht verständlich dargestellt und können überall mit geringem Aufwand trainiert werden. Egal ob Profi- oder Freizeitsportler – dieses neue Training bringt jeden Athleten entscheidend voran.

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Seitenzahl: 230

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Lars Lienhard

TRAINING BEGINNT IM GEHIRN

Mit Neuroathletik die sportliche Leistung verbessern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

7. Auflage 2023

© 2019 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Stefanie Heim

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer, München

Umschlagabbildungen vorn: Shutterstock/Sebastian Kaulitzki, OSTILL is Franck Camhi

Umschlagabbildungen hinten: Nils Schwarz, www.nilsschwarz.com

Layout: Katja Muggli, www.katjamuggli.deModels: Maren Tschinkel und Julian Burger von Elace Sportmodels, München

Satz: Satzwerk Huber, Germering, Melanie Kitt

Druck: Firmengruppe APPL, aprinta Druck, Wemding

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-7423-0762-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0343-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0344-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Liam

Inhalt

1 Warum Neuroathletik? Oder: Wie Ihr Gehirn Ihre sportliche Leistung beeinflusst

Das Gehirn ist der Chef des Körpers

Input – Interpretation – Output

Klare Informationen bedeuten mehr Sicherheit und Leistung

Die Hierarchie der bewegungssteuernden Systeme

Wie Körper und Gehirn kommunizieren

Ein kleiner Blick ins Gehirn

So trainieren Sie mit diesem Buch

2 Assessments – Tests, die Ihnen zeigen, wie Ihr Training wirkt

Werten Sie Ihre Trainingsergebnisse aus

Die Assessments

3 Das propriozeptive System

Wie das Gehirn unsere Bewegung wahrnimmt

Gut kontrollierbare Gelenke steigern die Leistung

Assessments für das propriozeptive System

Warm-up durch Kreuzkoordination

Nervdehnungen verbessern neuromechanische Bedingungen

Neuro-Mobility – die aktive Gelenkskontrolle

Trainingsempfehlungen für das Neuro-Mobility-Training

4 Das Gleichgewichtssystem

Was ist gemeint, wenn wir vom Gleichgewicht sprechen?

Der Aufbau des Gleichgewichtstrainings

Assessments für das Gleichgewichtssystem

Vorbereitende Übungen

Basistraining Gleichgewicht

Fortgeschrittenentraining Gleichgewicht

5 Das visuelle System

Grundlagen des visuellen Systems und des Augentrainings

Assessments für das visuelle System

Vorbereitende Übungen und unterstützende Maßnahmen

Basistraining Augen

Fortgeschrittenentraining Augen

6 Die perfekte Bewegung

Nur wer stabil ist, kann sich optimal bewegen

Training der willkürlichen Bewegung

Training der reflexiven Stabilität

Anhang

Dank

Autorenvita

Weiterführende Literatur und Links

Bildnachweis

Übersicht der Übungen

1

Warum Neuroathletik?Oder: Wie Ihr Gehirn Ihre sportliche Leistung beeinflusst

Das Gehirn ist der Chef des Körpers

Neuronale Prinzipien und Prozesse beeinflussen unsere Leistung. Dank der Erkenntnisse der Wissenschaft leben wir in einer Zeit, in der wir immer mehr über diese Vorgänge verstehen. Das Gehirn und das Nervensystem sind die im Hintergrund operierenden Systeme, die die körperliche beziehungsweise sportliche Leistung maßgeblich bestimmen. Dennoch: Eine zunächst irritierende, aber überaus wichtige Erkenntnis, die wir aus der Hirnforschung für den Sport gewonnen haben, ist die, dass unser Gehirn sich nicht besonders für unsere sportliche Leistungsfähigkeit interessiert. Es ist in seiner primären Grundstruktur zunächst nicht auf Leistung ausgerichtet. Essenziell ist dieses Wissen vor allem vor dem Hintergrund, dass wir häufig mit unseren Trainingsergebnissen unzufrieden sind, obwohl es weder an Motivation und Energie noch an Fleiß mangelt – doch die Resultate wollen sich nicht wirklich einstellen. Wie kommt so etwas? Haben wir einfach nicht den richtigen Genpool oder ein schlechtes Trainingsprogramm, wie es häufig propagiert wird? Schnell ziehen wir die falschen Schlüsse über uns, unseren Körper und unser Training und übersehen, dass es unser Gehirn ist, das alles, was im Körper passiert, reguliert. Nichts passiert, ohne dass es vom Gehirn veranlasst und genehmigt wurde. Das gilt auch für das Training und seine Auswirkungen auf unseren Körper. Und genau deshalb sollten Sie die neuronalen Gesetze und Prinzipien des Gehirns beachten und neuroathletisch trainieren: Indem Sie mit den in diesem Buch vorgestellten Trainingsansätzen und Übungen die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper optimieren, werden Sie Ihre Leistung steigern.

Um dies zu verstehen, werfen wir zuerst einen Blick hinter die Kulissen: in die Gesetzmäßigkeiten des Gehirns. Die Hauptaufgabe des Gehirns ist es, unser Überleben zu sichern. Dieser Aufgabe wird alles andere zunächst einmal untergeordnet und hintangestellt. So ist nahezu alles im Nervensystem darauf ausgelegt, mögliche Gefahrenpotenziale und nicht eindeutig vorhersehbare Situationen zu erkennen und schnellstmöglich darauf zu reagieren, um das eigene Wohl zu sichern und Leib und Leben zu schützen.

Input – Interpretation – Output

Das Gehirn und Nervensystem macht eigentlich nur drei Dinge: Es empfängt eingehende Signale aus den Sinnesorganen (sensorischer Input), analysiert und interpretiert und integriert diese blitzschnell (Integration) und reagiert abschließend mit einer Handlung beziehungsweise einer Bewegung (motorischer Output). Die Arbeitsweise des gesamten Nervensystems ist perfekt darauf ausgelegt.

Die Arbeitsweise des Gehirns und des zentralen Nervensystems: Sie empfangen sensorischen Input, verarbeiten und integrieren diesen und antworten mit einer Bewegung.

Wie präzise, kräftig, dynamisch oder koordiniert eine Bewegung erfolgt, ist das Endresultat aller Informationen, die im Gehirn ankommen, und ihrer Verarbeitung dort. Unsere Leistungsfähigkeit ist immer davon abhängig, wie sich das Gehirn aufgrund der aktuellen Datenlage entscheidet. Trainingsergebnisse basieren also nicht nur auf unserem Willen, unserem Fleiß, unseren Genen sowie der mechanischen und physiologischen Wirkung, die wir im Training erzeugen, auch wenn dies natürlich wichtige Faktoren sind. Das Ergebnis ist immer auch stark abhängig davon, wie effizient unser im Hintergrund operierendes Gehirn und das zentrale Nervensystem arbeiten. Mit diesem Wissen lässt sich besser verstehen, warum es uns manchmal nicht so recht gelingen will, unsere Ziele zu erreichen.

Klare Informationen bedeuten mehr Sicherheit und Leistung

Das Gehirn scannt zu jeder Millisekunde unsere Umgebung, unsere Bewegung und unseren Körper und wertet diese Informationen unmittelbar aus. Dies alles geschieht in den »alten«, tieferen Hirnregionen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Diese Hirnareale können als eine Art Gefahrenfilter angesehen werden, der alle eingehenden Informationen dahingehend analysiert und filtert, ob das, was wir gerade tun, sicher ist oder nicht. Ob das Gehirn optimale Leistung zulässt oder nicht und doch lieber die Handbremse anzieht, wird entscheidend dadurch bestimmt, wie vorhersehbar eine Situation erscheint.

Um eine bestmögliche Vorhersage treffen zu können, braucht das Gehirn vor allem klare, hochwertige und ausreichend Informationen aus den Rezeptoren, die für unsere Bewegungssteuerung verantwortlich sind (sensorischer Input), sowie gesunde Hirnareale, die diese Informationen analysieren, interpretieren und untereinander abgleichen. Erst im Anschluss kommt die Kommunikation mit den Muskeln ins Spiel. Diese Vorgänge laufen unbewusst ab und sind kaum willentlich beeinflussbar. Bekommt das Gehirn nicht ausreichend oder keine hochwertigen Informationen aus den bewegungssteuernden Systemen, werden Trainingsziele nur deutlich erschwert erreicht.

Unserem Willen und Fleiß steht also ein auf Sicherheit ausgelegter Organismus gegenüber, der oft völlig anderer Meinung darüber ist, was als Nächstes erfolgen sollte und vor allem WIE es erfolgen sollte. Körperliche Ziele zu erreichen steht zunächst nicht oben auf der Prioritätenliste unseres Gehirns. Wir sind daher immer nur so leistungsfähig, wie das Gehirn sich in der Situation noch sicher fühlt. Dies gilt besonders im Training, da das Gesamtsystem im Training meist intensiver belastet wird und hierdurch die Bedrohung für das Gehirn scheinbar steigt und das Verlangen nach Sicherheit zunimmt. Es ist also wichtig zu verstehen, dass die Qualität der Bewegung und die Leistung, die wir körperlich erbringen, und damit auch das Erreichen körperlicher Ziele stark von der Qualität der Information abhängig ist, die in unser Gehirn gelangen, und davon, wie gut sie dort interpretiert und integriert werden können.

Die Hierarchie der bewegungssteuernden Systeme

Betrachten wir die Informationen, die unser Gehirn braucht, um bestmögliche Sicherheit für eine optimale und effiziente Bewegung zu garantieren, sind vor allem drei Systeme als Informationsquelle gefragt: das visuelle System (Sehen), das vestibuläre System (Gleichgewicht) sowie das propriozeptive System (Eigenwahrnehmung von Bewegung). Im Hinblick auf ihre Fähigkeit, Informationen über Bedrohungssituationen zu liefern, und ihren Einfluss auf die Bewegungssteuerung gibt es eine klare Hierarchie:

Das visuelle System

Das Gleichgewichtssystem

Das propriozeptive System

Das visuelle System

Wenn es darum geht, Sicherheit und eine präzise Bewegung zu gewährleisten, liefert das visuelle System mit Abstand die meisten und wichtigsten Informationen. Nahezu alle Bewegungen werden anhand der visuellen Wahrnehmung entworfen, programmiert und koordiniert. Es ist den meisten Sportlern nicht bewusst, wie sehr ihre Leistung von einem gut funktionierenden visuellen System abhängt. Dies ist nicht nur in realen Gefahrensituationen, sondern auch ganz einfach beim Bizeps-Curl im Fitnessstudio von großer Relevanz. Die besondere Bedeutung des visuellen Systems zeigt sich auch dadurch, dass nahezu das gesamte zentrale Nervensystem in seiner Funktion darauf ausgelegt ist, das visuelle System zu unterstützen. Hierbei geht es keineswegs nur um ein »scharfes Sehen«, wie es beim Optiker getestet wird. Das visuelle System umfasst den gesamten Bereich der Informationsaufnahme, Verarbeitung und Auswertung visueller Informationen im Gehirn sowie die gesamten motorischen Fähigkeiten der Augen, sprich die Augenbewegungen. An diesem Prozess sind über dreißig verschiedene Hirnareale beteiligt. Das visuelle System steht mit allen wichtigen Hirnarealen, die an der Bewegungssteuerung beteiligt sind, in Verbindung und kann deren Funktionalität zum Guten oder Schlechten beeinflussen. Die Haltung, die Stabilität und Präzision der Bewegung, die Orientierung im Raum und vieles mehr sind eng an das visuelle System gebunden.

Das Gleichgewichtssystem

An zweiter Stelle in der Hierarchie steht das Gleichgewichtssystem. Dieses besteht aus dem eigentlichen Gleichgewichtsorgan, das im knöchernen Bereich des Innenohrs im Schädel liegt und in erster Linie Kopf- und Körperbeschleunigungen misst, sowie den Arealen im Gehirn, die diese Informationen weiterleiten, analysieren und interpretieren. Unser Gehirn richtet auf Basis dieser Informationsaufnahme und -verarbeitung den Körper und die Bewegung gegen die Schwerkraft optimal im Raum aus, zeigt an, wo oben ist und wo wir uns im Raum befinden, koordiniert sowie stabilisiert uns, um die Bewegung im Raum bestmöglich zu steuern. Dies mag sich zunächst recht komisch anhören, weil wir doch alle wissen, wo oben ist und wo wir uns gerade befinden. Doch zur Erinnerung: Es geht um die tiefen, alten Regionen unseres Gehirns, nicht um Prozesse, die uns bewusst sind. Das Gleichgewichtssystem kommuniziert direkt mit der Streckmuskulatur, die den Körper aufrichtet, und hilft entscheidend, den Körper in Beschleunigungsprozessen zu orientieren und die Haltung während der Beschleunigung anzupassen. Das Gleichgewichtssystem ist zudem eng mit den anderen beiden bewegungssteuernden Systemen verbunden und bildet die Grundlage, auf der diese Systeme arbeiten können. Die engste Wechselwirkung besteht mit dem visuellen System, denn ohne ein funktionierendes Gleichgewichtssystem könnte der Blick nicht stabilisiert werden, während wir uns bewegen.

Das propriozeptive System

Das dritte entscheidende System für eine optimale und effiziente Bewegungssteuerung ist das sogenannte propriozeptive System. Das propriozeptive System ist quasi unser »Bewegungssystem«, über das unser Gehirn die eigene Bewegung wahrnimmt, kontrolliert und reguliert. Es basiert also nicht auf nur einem Sinnesorgan – wie den Augen oder dem Gleichgewichtsorgan –, sondern ist ein Modell, das genutzt wird, um den Prozess der Bewegungswahrnehmung zu beschreiben. Eine der wichtigsten Aufgaben des propriozeptiven Systems ist es, die Position und Stellung sowie die Bewegung der Gelenke exakt wahrzunehmen und zuzuordnen, um hierdurch ein dreidimensionales Bild der eigenen Bewegung zu erzeugen. Die Informationen darüber, wo sich die Gelenke gerade befinden und wie sie sich bewegen, sind äußerst wichtig für das Gehirn, um die Informationen aus dem Gleichgewichtssystem sowie visuelle Informationen einzuordnen und abzugleichen. Dies ist entscheidend für eine gute Balance, Koordination, Präzision und Effizienz der Bewegung.

Wie Körper und Gehirn kommunizieren

Um eine hohe Leistungsfähigkeit zu gewährleisten, ist es nicht nur entscheidend, die genannten drei Systeme zu trainieren, die Informationen müssen auch reibungslos über die verschiedenen Nervenbahnen transportiert und in den zuständigen Hirnarealen bestmöglich ausgewertet und integriert werden. Denn alle aufgenommenen Signale durchlaufen mehrere Stationen, an denen ihre Qualität beeinträchtigt werden kann, was sich negativ auf die Leistung auswirkt.

90 Prozent der Kommunikation zwischen Gehirn und Körper stabilisieren die gleichseitige Körperhälfte, »nur« 10 Prozent werden für die willkürliche Zielbewegung auf der gegenüberliegenden Körperhälfte genutzt.

Die eingehenden Signale werden an den jeweiligen Sinnesorganen, den Augen, Gleichgewichtsorganen und Rezeptoren um die Gelenke, aufgenommen und dann über die peripheren Nervenbahnen zum Rückenmark und von dort weiter hoch ins Gehirn geleitet. Dort durchlaufen sie zunächst die älteren Hirnareale, die in den tieferen und unteren Schichten hinten im Gehirn liegen, bevor sie nach oben und vorn in die evolutionsgeschichtlich neueren Hirnareale – Kortex oder Großhirnrinde genannt – gelangen. In diesen Kortexarealen werden dann schließlich der Bewegungsplan erstellt und die Bewegung initiiert.

Die genannten Hirnareale gibt es nahezu alle in zweifacher Ausführung, einmal auf der rechten und einmal auf der linken Seite. Diese Tatsache ist entscheidend, um Trainingswirkungen besser zu verstehen. Jede Gehirnhälfte hat in Bezug auf Bewegung grundsätzlich zwei sich ergänzende Aufgaben: Sie entwirft und initiiert zum einen die willkürlichen, also die absichtlich und willentlich veranlassten Bewegungen auf der gegenüberliegenden Körperhälfte und stabilisiert zum anderen die gleichseitige Körperhälfte. Die rechte Gehirnhälfte ist also zuständig für willkürliche Bewegungen auf der linken Seite und die Stabilität der rechten Körperhälfte. Die linke Gehirnhälfte ist zuständig für willkürliche Bewegungen auf der rechten Seite und die Stabilität der linken Körperhälfte.

Betrachtet man die Signale, die für die Steuerung einer Bewegung vom Gehirn in den Körper gesendet werden, so hat die Stabilisierung der Bewegung mehr Bedeutung als die Ausführung der eigentlichen Zielbewegung – Sicherheit geht vor: 90 Prozent der Signale, die innerhalb einer Bewegungsumsetzung vom Gehirn zum Körper gesendet werden, aktivieren ein Gehirnareal, dessen Aufgabe es ist, den Körper stabil zu halten, ohne dass wir willentlich darauf achten müssen. Dieser Prozess wird reflexiv gesteuert. Das Training der neuronalen Komponenten, die für diese reflexive Stabilität verantwortlich sind, ist daher eines der wichtigsten Ziele eines neurozentrierten Trainings. Mehr dazu finden Sie im Kapitel »Die perfekte Bewegung« (Seite 233).

Eingeschränkte Kommunikation führt zu Einschränkungen der Leistung

Ebenso wie die Informationen für die willkürliche Bewegung vom Gehirn in die gegenüberliegende Körperhälfte laufen, so kreuzen auf dem umgekehrten Weg auch alle sensorischen und motorischen Informationen aus einer Körperhälfte kommend in den gegenüberliegenden Kortex. Bewegungsinformationen und sensorische Informationen aus der linken Körperseite aktivieren also die rechte Seite des Kortex, Bewegungsinformationen und sensorische Informationen aus der rechten Körperseite aktivieren den linken Kortex (siehe Abbildung Seite 16). Wird eine Körperhälfte im Alltag oder Sport vermehrt bewegt und benutzt oder ist etwa die Qualität der sensorischen und motorischen Signale aus einer Körperhälfte durch verminderten Gebrauch, Verletzungen oder Ähnliches eingeschränkt, hat das immer Konsequenzen auf die Aktivität und Funktionalität der gegenüberliegenden Hirnareale, die für Bewegung und Stabilität verantwortlich sind.

Betrachtet man die Strukturen des Körpers, so findet man häufig Verdrehungen, Schiefstände, muskuläre Dysbalancen und so weiter. Dabei ist man sich meist der Tatsache nicht bewusst, dass nahezu alles, was an funktionellen, strukturellen oder mechanischen Symptomen zu finden ist, immer auch eine körperliche Erscheinung neuronaler Prozesse ist. Dysbalancen und Asymmetrien, die sich im Körper zeigen, sind nämlich oft darauf zurückzuführen, dass eine Gehirnhälfte qualitativ bessere und die andere qualitativ schlechtere Informationen aus den bewegungssteuernden Systemen bekommt. Infolgedessen arbeiten die Hirnareale, die die Bewegung koordinieren und stabilisieren, unterschiedlich. »Form follows function« heißt es so schön. Dies bedeutet: Die Form des Körpers folgt der Funktionalität der Bewegung – die vom Gehirn veranlasst wird.

Ein kleiner Blick ins Gehirn

Im folgenden Abschnitt werden diejenigen Hirnareale genauer betrachtet, die hauptsächlich und ursächlich am Bewegungsentwurf, der Bewegungssteuerung sowie der Informationsverarbeitung der aus dem Körper kommenden Signale beteiligt sind. Dies sind auch die Areale, die durch das Neuroathletiktraining in ihrer Funktion verbessert werden sollen, um bessere Integrations-, Stabilisations- und Bewegungsprozesse im Training zu gewährleisten und damit zu einer Leistungssteigerung beizutragen.

Grundsätzlich beeinflussen natürlich alle Hirnareale die sportliche Leistung. In diesem Buch werden aus trainingstechnischen Gründen jedoch vor allem zwei Bereiche in den älteren Hirnregionen, dem Kleinhirn und dem Stammhirn, sowie zwei Bereiche in den neueren Regionen, dem Frontallappen und dem Parietallappen, näher betrachtet. Diese haben eine besondere Bedeutung für die Qualität der Bewegung, daher soll ihre Funktion durch das Training verbessert werden.

Kleinhirn

Innerhalb der älteren Gehirnregionen ist das Kleinhirn von größter Bedeutung und wird im letzten Kapitel dieses Buches im Abschnitt »Training der willkürlichen Bewegung« (Seite 234) vertieft besprochen. Das Kleinhirn integriert Informationen aus allen drei Systemen (visuelles System, Gleichgewicht und Propriozeption), koordiniert die Bewegung und ist stark an der Balance, Fehlerkorrektur und Stabilität beteiligt.

Diese Darstellung des Gehirns zeigt wichtige Funktionen der Kortexareale sowie des Klein- und Stammhirns.

Kortex (Großhirnrinde):

Frontallappen:

Bewegungssteuerung und Planung, mentaler Fokus und Kontrolle der visuellen Aufmerksamkeit

Parietallappen:

Integration sensorischer Informationen und räumliche Wahrnehmung

Temporallappen:

Bedeutungszuschreibung für eingehende Informationen

Okzipitallappen:

Verarbeitung visueller Informationen

Inselrinde (verdeckter Teil der Großhirnrinde):

Wahrnehmung und Beurteilung innerer Reize sowie Integration von Gleichgewicht

Kleinhirn: Integration aller Informationen aus dem visuellen, propriozeptiven und Gleichgewichtssystem; zudem beteiligt an Koordination, Haltung sowie Balance

Stammhirn (Pons und Medulla): reguliert muskuläre Tonusmuster, reflexive Stabilität und Schmerz

Stammhirn (Mittelhirn): Integration visueller und akustischer Informationen, Augen-, Kopf- und Nackenbewegungen

Stammhirn

Die zweite Struktur, die für das Neuroathletiktraining und besonders für das Trainingskonzept dieses Buchs von großer Bedeutung ist, ist das Stammhirn mit seinen Anteilen Mittelhirn, Pons und Medulla sowie der darin liegenden Formatio reticularis. Ähnlich dem Kleinhirn ist das Mittelhirn ein wichtiges Integrationszentrum. Es integriert visuelle Information und ist für den Großteil der Augenbewegungen zuständig, zudem aktiviert es das sympathische Nervensystem, das Leistungssystem. Darüber hinaus ist das Mittelhirn für die Funktion der Beugemuskulatur mitverantwortlich.

Die Stammhirnbereiche Pons und Medulla hingegen sind sowohl an der Regulation der Streck- und Beugebewegungen als auch an der Form und Rhythmisierung der Bewegung beteiligt. Außerdem haben sie Einfluss auf die Haltung sowie autonome Funktionen wie die Atmung oder Organtätigkeit. In Pons und Medulla liegen zudem die Kerne der Hirnnerven, die entscheidende motorische und sensorische Funktionen im Bereich des Kopfs, Gesichts und Rachens haben: Kauen, Schmecken, Hören, Mimik, Gleichgewicht, Zungenbewegungen, Sensorik und Motorik des Rachens, um nur einige zu nennen.

Die Formatio reticularis, eine netzartige Anordnung (»formatio«) aus Nervenzellen, ist die für das Training dieses Buch entscheidende Struktur im Bereich des Stammhirns. Sie ist entscheidend für die Ausrichtung der Haltung, die reflexive Stabilisierung der Bewegung, die Regulierung von Schmerz sowie autonom ablaufende Prozesse wie Atmung oder Blutdruck mitverantwortlich. Auf sie wird im letzten Kapitel im Abschnitt »Training der reflexiven Stabilität« (Seite 244) noch vertieft eingegangen.

Parietal- und Frontallappen

Im Bereich der neueren Areale, der Großhirnrinde, sind für dieses Buch der Parietallappen und der Frontallappen von besonderer Bedeutung und werden durch das Training gezielt adressiert. Alle sensorischen und motorischen Signale werden an den Parietallappen beziehungsweise dessen Bereich des sensomotorischen Kortex gesendet und dort verarbeitet. Diese Informationen dienen dann als wichtige Grundlage für Bewegung, die in Arealen des Frontallappens (prämotorischer und motorischer Kortex) entworfen, initiiert und gesteuert wird. Daher kommen der Sensorik und dem »Fühlen« besondere Bedeutung zu.

So trainieren Sie mit diesem Buch

Sie haben nun die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten, nach denen Gehirn und Nervensystem arbeiten, kennengelernt. Diese bilden die Grundlage für das folgende Training, das die drei großen Systeme, also das visuelle System, das Gleichgewichtssystem und das propriozeptive System, verbessern soll. Jedem dieser drei Systeme ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Zusätzlich ist dem Training ein Kapitel zum Thema Assessments vorangestellt.

Assessments

In Kapitel 2, den Assessments (ab Seite 21) finden Sie kleine Tests, die Ihnen Aufschluss geben, wie die jeweiligen Übungen des Trainings auf Ihr zentrales Nervensystem wirken. Sie sind ein wichtiger Baustein, da Sie Ihnen helfen, den Einfluss der einzelnen Übungen zu kategorisieren und auf Basis dieser Kategorisierung Ihr Training bestmöglich zu planen. In den folgenden Kapiteln finden Sie am Ende jedes Trainingsabschnitts eine Liste, in die Sie eintragen können, wie die Übungen derzeit auf Ihr Nervensystem wirken.

Training des propriozeptiven Systems

Das eigentliche Training startet dann im Kapitel zum propriozeptiven System (Seite 37) durch Neuro-Mobility und Nervdehnungen, da diese für Ihr Nervensystem der stressfreieste Einstieg ins Training sind und die Grundlage für die folgenden Kapitel bilden. Am Ende dieses Kapitels sowie auch der weiteren Kapitel folgen dann die Trainingsempfehlungen, die Ihnen genau aufzeigen, wann und wie Sie welche Übung für sich nutzen können, um Ihr Training zu optimieren und Ihre bewegungssteuernden Systeme sukzessive aufzubauen.

Training des Gleichgewichtssystems

Als Nächstes folgt das Training des Gleichgewichts (Seite 121). Dieses unterteilt sich in vorbereitende Übungen, einen Basistrainingsteil und einen fortgeschrittenen Abschnitt. Das Basistraining legt die Grundlage, um sicher und effizient das neuronal anspruchsvollere Fortgeschrittenentraining absolvieren zu können.

Training des visuellen Systems

Im Anschluss wird das visuelle System (Seite 169) trainiert, ab hier auch Augentraining genannt. Dieses Kapitel ist genauso wie das Training des Gleichgewichts in vorbereitende Übungen, Basistraining und Training für Fortgeschrittene gegliedert.

Die perfekte Bewegung

Zum Abschluss lernen Sie, die Voraussetzungen für eine perfekte Bewegung zu schaffen (Seite 233). Dieses Kapitel erklärt grundlegend die zwei wichtigen Komponenten einer Bewegung, den willkürlichen Bewegungsanteil und die reflexive Stabilität, und wie diese mithilfe der Übungen aus den vorausgegangenen Kapiteln verbessert werden können. Das gezielte Adressieren dieser Komponenten ist eines der effektivsten Mittel, um im Training und Sport schnell die Leistung zu steigern beziehungsweise für bessere Resultate zu sorgen.

Mithilfe der Übungen in diesem Buch können Sie Trainingsziele schneller, nachhaltiger und stressfreier erreichen. Training beginnt immer im Gehirn und der Körper führt dieses dann »nur« aus. Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer oder Beweglichkeit sind in erster Linie Fähigkeiten des Gehirns – und wenn wir eins aus den Neurowissenschaften gelernt haben, dann ist es die Tatsache, dass das Gehirn eine unglaubliche neuroplastische Kapazität hat. Das bedeutet, dass das Gehirn bis in das höchste Alter die Fähigkeit besitzt, sich zu verändern und zu optimieren. Eine wundervolle Tatsache, die Sie für Ihr Training nutzen sollten.

Jede neuroplastische Verbindung, die wir im Gehirn erzielen, hat auch immer eine kognitive und emotionale Komponente. Daher ist es grundsätzlich ratsam, aber vor allem viel leichter und nachhaltiger, jede Übung so entspannt und locker und fokussiert wie möglich anzugehen. Leider glauben viele Sportler immer noch, um hohe Leistung zu erbringen, müsse ihr Training sich hart und anstrengend anfühlen. Nein, optimale Bewegung ist immer locker und entspannt, bei den besten Sportlern der Welt selbst in extremen Stresssituationen. Genau dies sollte auch schon im Training immer wieder geübt werden, damit es in der sportlichen Situation leichter umzusetzen ist. Genießen Sie jedes Training, arbeiten Sie clever und nach den Gesetzen und Prinzipien des Nervensystems und große Dinge können passieren.

Hören Sie auf Ihren Körper

Aufgrund alter Verletzungen, Gehirnerschütterungen, einem Schleudertrauma oder dadurch, dass gewisse Hirnareale über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend, zu viel oder falsch genutzt wurden, ist es eventuell für Sie noch nicht an der Zeit, intensiver zu trainieren. Häufig treten hier schnell Ermüdungserscheinungen oder Überlastungsanzeichen wie tränende Augen, leichter Schwindel oder Ähnliches auf, je nachdem, welchen Aspekt Sie gerade trainieren. Für diese Fälle steht am Ende jedes Kapitels eine Anleitung, wie die Systeme auf das Training vorzubereiten sind. Hören Sie auf Ihren Körper und sprechen Sie im Zweifel bitte mit Ihrem Arzt.

2

AssessmentsTests, die Ihnen zeigen, wie Ihr Training wirkt

Werten Sie Ihre Trainingsergebnisse aus

Um das Training neurozentriert auszurichten, ist eine der wichtigsten Maßnahmen, stets zu überprüfen, wie Ihr Gehirn und Nervensystem auf das Training reagieren. Nutzen Sie hierfür Assessments. Dies sind kurze Tests, mithilfe derer Sie schnell und leicht die Wirkung Ihres Trainings überprüfen können. Das Gehirn und das Nervensystem reagieren unmittelbar auf jeden gegebenen Reiz – also auch auf jede Übung, die Sie ausführen. Im Idealfall sollte weder eine Kopfbewegung noch eine Augenübung, Gelenksbewegung oder Nervdehnung einen negativen Effekt auf das zentrale Nervensystem ausüben. Jeder Mensch sollte in der Lage sein, die Augen, den Kopf oder die Gelenke immer und zu jeder Zeit zu bewegen, ohne dass das Gehirn diese Bewegungen und die damit einhergehenden Informationen als Bedrohungen wahrnimmt und daraufhin Schutzmaßnahmen einleitet.

Assessments geben Ihnen die Möglichkeit, die einzelnen Übungen in diesem Buch nach ihrer Wirksamkeit für Sie zu kategorisieren. Hierzu führen Sie vor und nach der Übungsausführung das gleiche Assessment durch und vergleichen dann die Ausführungsqualität dieses Assessments. Führen Sie zum Beispiel als Assessment eine Rumpfbeuge (Seite 27) durch. Im Anschluss absolvieren Sie Ihre eigentliche Trainingsübung, zum Beispiel den Outside Toe Pull (Seite 62). Dann führen Sie die Rumpfbeuge erneut aus. Fällt Ihnen diese nun leichter als bei der ersten Ausführung und kommen Sie tiefer, ist das Assessment positiv ausgefallen. Dies bedeutet wiederum, dass Ihre eigentliche Trainingsübung, also in unserem Beispiel der Outside Toe Pull, für Sie leistungssteigernd gewirkt hat. Auf diese Weise können Sie alle im Folgenden beschriebenen Assessments nutzen, um die Wirksamkeit Ihres Trainings einzustufen. Die jeweiligen Übungen Ihres Trainings werden dann aufgrund ihrer Auswirkung in drei Kategorien eingeteilt:

High Performance:

Dies sind leistungsoptimierende Übungen, die den größten positiven Effekt auf das zentrale Nervensystem haben. Hier fallen die Ergebnisse der Assessments nach dem Ausführen der Übungen wesentlich besser aus als vorher.

Neutral/leicht positiv:

Dies sind Übungen, die keinen oder keinen wesentlichen Einfluss auf das Nervensystem ausüben, sprich: Die Assessments werden vor und nach der Übungsausführung etwa gleich gut ausgeführt oder die Ausführung verbessert sich nur leicht.

Aufarbeitung:

In diese Kategorie fallen Übungen, deren Input vom Gehirn als nicht vorhersehbar eingestuft wird, sie also als eine Art »Bedrohung« empfunden werden. Hier reagiert das Gehirn mit Schutzmaßnahmen und die Ergebnisse der Assessments fallen nach der Übungsausführung schlechter aus als vorher. Die Übungen der Kategorie »Aufarbeitung« müssen Sie, um Ihre Leistung zu steigern und die bestmögliche Leistungsfähigkeit zu erreichen, langfristig auftrainieren, um die Reaktion des Zentralnervensystems auf diese Übungen zu verbessern, sprich, Sie müssen die Übungen »aufarbeiten«.

Vor allem die leistungsoptimierenden High-Performance- und die leistungsmindernden Aufarbeitungsübungen sind für Ihr Training von großer Bedeutung. Die High-Performance-Übungen können Sie nutzen, um zum Beispiel eine schnelle Leistungssteigerung zu erwirken. Die Übungen, die Ihre Leistung derzeit noch mindern, geben äußerst wichtige Informationen darüber, woran Sie noch arbeiten müssen. Es ist wichtig, dass Sie sich eine Liste dazu erstellen, welche Übungen aus welchen Bereichen besonders positiv, welche neutral und welche besonders negativ gewirkt haben. Die Übungen mit eher neutralem Effekt können Sie in ganz normalem Umfang weitertrainieren, jedoch sollten Sie auch hier regelmäßig die Wirkung überprüfen.

Bitte bewerten Sie nicht die Assessment-Übungen selbst, sie sind weder »gut« noch »schlecht«. Assessments dienen lediglich dazu, Informationen darüber zu erhalten, wie das Gehirn und das zentrale Nervensystem auf einen Stimulus reagieren. Sie sammeln durch die Assessments lediglich Daten und ermitteln die derzeitige Wirkung der Übungen Ihres Trainings auf Ihr zentrales Nervensystem. Diese Informationen sind wichtig, um Ihr Trainingsprogramm optimal zu gestalten. Ziel des Neuroathletiktrainings ist es, durch jede Übung eine leistungsoptimierende oder zumindest neutrale Wirkung zu erreichen, sodass weder eine Gelenksbewegung noch eine Kopf- oder eine Augenbewegung dazu führt, dass Ihre Leistung gemindert wird. Assessments sind ein grundlegender Bestandteil, um das Training für Sie individuell anzupassen, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Assessments

Alle drei bewegungssteuernden Systeme – das visuelle System, das Gleichgewichtssystem und das propriozeptive System – haben aus unterschiedlichen Gründen großen Einfluss auf Beweglichkeit, Kraft, Koordination, Technik und Balance. Daher liefern Assessments aus diesen Bereichen gute Hinweise auf die unmittelbare Wirkung der Übungen auf das jeweilige bewegungssteuernde System oder auf die Reaktion des zentralen Nervensystems, also das »Stresspotenzial« der Übung.

Für alle Assessments ist es notwendig, immer die jeweils gleichen Ausgangsbedingungen zu schaffen und die jeweils identische Bewegung auszuführen, um zu gewährleisten, dass die Ergebnisse vergleichbar sind. Weichen die Augenposition oder die Kopfstellung ab, können die Ergebnisse deutlich variieren. Der im Folgenden vorgestellte neutrale Stand ist die Grundstellung, in der Sie die meisten Assessments und Übungen beginnen. Durch den neutralen Stand schaffen Sie die Voraussetzung, um bessere Ergebnisse durch die Übungen zu erzielen, denn er gewährleistet eine gute Signalübertragung über das Rückenmark und sorgt für eine verlässliche Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Assessments.

Wichtig für Sie zu wissen ist außerdem, dass Assessments stets Momentaufnahmen sind. Die Effekte der Übungen, die Sie trainieren, sind nicht in Stein gemeißelt. Wie Gehirn und Nervensystem auf Reize reagieren, hängt von vielen Komponenten ab und ist situativ und veränderbar. Eine Augenübung, die gestern noch positiv gewirkt hat, kann sich morgen leistungsmindernd auswirken. Und umgekehrt kann ein Trainingsreiz, der heute noch zu schlechten Ergebnissen geführt hat, nächste Woche zu einer High-Performance-Übung werden. Daher sollten Sie die Wirkung Ihres Trainings immer überprüfen.

Unser Gehirn nimmt zu jeder Zeit alle Informationen auf und wertet sie aus. Das Training muss daher stets der jeweiligen Situation angepasst werden. Das ist eines der wichtigsten Gesetze, das Sie im Training beachten sollten. Sie trainieren immer nur optimal, wenn Sie wissen, wie Ihr Gehirn an diesem Tag auf das Training reagiert.

▶ Neutraler Stand

Stellen Sie sich hüftbreit hin, die Fußspitzen zeigen nach vorn, Ihre Wirbelsäule ist entspannt und lang nach oben aufgerichtet. Rollen Sie das Kinn leicht ein. Der Blick ist entspannt nach vorn gerichtet. Ihr Atem fließt normal.

Hinweis: Halten Sie den neutralen Stand während der Ausführung immer mit so wenig Spannung wie möglich.

Beweglichkeit und Kraft testen

Eine der ersten Schutzmaßnahmen, die das Gehirn und das zentrale Nervensystem veranlassen, wenn eine Übung als unsicher wahrgenommen wird, ist, Kraft zu reduzieren und die Beweglichkeit einzuschränken. Mit weniger Kraft und geringerer Bewegungsweite verringert sich die Gefahr, sich in der gegebenen Situation durch die eigene Bewegung zu verletzen. Daher bieten sich Kraft- und Beweglichkeitstests besonders gut an, um zu überprüfen, welchen neuronalen Effekt die jeweiligen Übungen haben.

Beweglichkeitsassessments

Im Folgenden finden Sie drei Assessments: die Rumpfbeuge, die Ganzkörperrotation sowie die Innen- und Außenrotation der Schulter, mit denen Sie Ihre Beweglichkeit vor und nach einer Übung testen können. Sind Sie nach der Ausführung einer Übung im Assessment beweglicher und hat sich Ihre muskuläre Spannung reduziert, zeigt das, dass die ausgeführte Übung einen positiven Effekt hatte. Im Umkehrschluss zeigt vermehrte Spannung und eine reduzierte Beweglichkeit, dass die Übung noch aufgearbeitet werden sollte.

▶ Rumpfbeuge

Nehmen Sie den neutralen Stand ein, Ihre Wirbelsäule ist entspannt und locker, der Blick ist geradeaus gerichtet.

Beugen Sie sich jetzt mit dem Oberkörper aus der Hüfte heraus nach vorn und versuchen Sie, mit den Fingerspitzen Ihre Zehen zu berühren. Führen Sie diese Bewegung zu Beginn 2- bis 4-mal hintereinander aus, um ein Gefühl für die Spannung im gesamten Körper und die Tiefe Ihrer Bewegung zu bekommen. Merken Sie sich die empfundene Spannung und die Bewegungsweite.

Hinweis: Dieser Test ist nicht geeignet für Personen mit starken Gleichgewichtsproblemen.

▶ Ganzkörperrotation

Nehmen Sie den neutralen Stand ein und halten Sie Ihre Arme gestreckt auf Schulterhöhe vor sich, die Handflächen liegen aneinander.

Rotieren Sie nun 3- bis 4-mal mit dem ganzen Körper nach rechts und wieder in die Mitte. Merken Sie sich, wie weit Sie Ihren Körper nach rechts rotieren können, indem Sie sich den Gegenstand merken, auf den die Finger am stärksten Punkt der Drehung ausgerichtet sind. Achten Sie während der Ausführung auf die Spannung im Körper.

Wechseln Sie nun die Seite und rotieren Sie nach links.

Tipp: Wichtig ist, dass Ihre Handflächen aneinander und die Füße parallel nach vorn ausgerichtet und fest auf dem Boden bleiben, während Sie rotieren.

Hinweis: Vergleichen Sie die Rotation nach rechts und links miteinander. Die Seite, auf der Sie unbeweglicher sind, eignet sich besonders gut zur Überprüfung des Trainings.

▶ Innen- und Außenrotation der Schulter

Nehmen Sie den neutralen Stand ein und heben Sie den gebeugten rechten Arm seitlich auf Schulterhöhe an.

Aus dieser Ausgangsposition rotieren Sie den Arm 2- bis 4-mal so weit wie möglich in die Innenrotation nach unten hinten.

Im Anschluss rotieren Sie den Arm aus der Ausgangsposition 2- bis 4-mal so weit wie möglich in die Außenrotation nach hinten oben. Wiederholen Sie die Übung im Anschluss mit dem linken Arm.

Hinweis: Achten Sie darauf, Ihren Oberarm während der gesamten Ausführung auf Schulterhöhe zu halten. Merken Sie sich zudem, wie weit Sie Ihren Arm jeweils aus- und eindrehen konnten und wie intensiv die Spannung in der Schulter war, und vergleichen Sie beide Arme. Die Seite, auf der Sie unbeweglicher sind, eignet sich besonders gut zur Überprüfung des Trainings.