15,90 €
Es gibt eine Vielzahl von möglichen Beweisen und eine noch größere Vielzahl von Wegen sie zu erhalten. Manche dieser Wege sind breit und ausgetreten, andere hingegen sehr schmal, es ist leicht von diesen Wegen abzuweichen. In der Regel ist die Beweiserhebung auf den ausgetretenen Wegen weder besonders aufwändig, noch besonders anfällig für Anfechtungen. Auf den schmalen Wegen jedoch finden sich mitunter die Beweise mit der höchsten Aussagekraft, die zu erlangen kompliziert oder sogar rechtswidrig ist.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 376
Veröffentlichungsjahr: 2020
Torben Wissuwa
Beweisverwertungsverbote im Besteuerungsverfahren
© 2020 Torben Wissuwa
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-17080-3
Hardcover:
978-3-347-17081-0
e-Book:
978-3-347-17082-7
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
1 Problemstellung
2 Beweise
2.1 Beweisarten
2.1.1 Sachverständigengutachten
2.1.2 Augenscheinseinnahme
2.1.3 Parteivernehmung
2.1.4 Urkunden
2.1.5 Zeugen
2.1.6 Glaubhaftmachung
2.2 Beweise im Strafrecht
2.3 Beweise im Steuerrecht
2.3.1 Beweisvorschriften im Besteuerungs-, Haftungs-, Vollstreckungs-, und Rechtsbehelfsverfahren
2.3.2 Beweisvorschriften im finanzgerichtlichen Verfahren
3 Zulässige Beweisbeibringung und Verwertung
4 Beweisverbote
4.1 Beweiserhebungsverbote
4.1.1 Beweisthemaverbot
4.1.2 Beweismittelverbot
4.1.3 Beweismethodenverbot
4.2 Beweisverwertungsverbote
4.2.1 Relative Beweisverwertungsverbote
4.2.2 Absolute Beweisverwertungsverbote
4.2.3 Selbständige Beweisverwertungsverbote
4.2.4 Unselbständige Beweisverwertungsverbote
5 „Fruit-of-the-poisonous-tree-Theorie
6 Erweiterte Beweisverwertungsverbote in Deutschland
6.1 Verfassungsrechtliche Beweisverbote
6.1.1 Drei-Sphären-Theorie
6.1.2 Abwägungslehre
6.2 Nemo-tenetur-Prinzip
6.3 Rechtskreistheorie
7 Steuerrechtliche Folgen
7.1 Situation im Steuerrecht
7.2 Aktuelle Entwicklung
7.2.1 Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26. Februar 2001
7.2.2 Liechtensteiner Steueraffäre
8 Zusammenfassung / Fazit
U.S. Supreme Court
NARDONE v. UNITED STATES, 308 U.S. 338 (1939)
U.S. Supreme Court
WEEKS v. U.S., 232 U.S. 383 (1914)
U.S. Supreme Court
SILVERTHORNE LUMBER CO. v. U S , 251 U.S. 385 (1920)
U.S. Supreme Court
WONG SUN v. UNITED STATES, 371 U.S. 471 (1963)
U.S. Supreme Court
UNITED STATES v. CECCOLINI, 435 U.S. 268 (1978)
U.S. Supreme Court
MIRANDA v. ARIZONA, 384 U.S. 436 (1966)
Abkürzungsverzeichnis
a.a.O.
am angegebenen Ort
AO
Abgabenordnung
a.A.
andere Ansicht
aF
alte Fassung
AG
Amtsgericht
Art.
Artikel (singular)
Artt.
Artikel (plural)
BFH
Bundesfinanzhof
BFH/NV
Bundesfinanzhof - nicht veröffentlichte Entscheidungen
BGBl
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidung des BGH in Strafsachen
BND
Bundesnachrichtendienst
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BStBl
Bundessteuerblatt
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
Diss
Dissertation
DRiZ
Deutsche Richterzeitung
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DVDs
Digital Versatile Discs - Datenträger
EFG
Entscheidungen der Finanzgerichte
Einf
Einführung
Einl
Einleitung
et al
und Andere
FG
Finanzgericht
FGO
Finanzgerichtsordnung
FOPT
Früchte des vergifteten Baumes
FOPT-Theorie
Theorie der Früchte des vergifteten Baumes
GG
Grundgesetz
Habil
Habilitationsschrift
HFR
Humboldt Forum Recht
HZA
Hauptzollamt
idF
in der Fassung vom
iSd
im Sinne des
iVm
in Verbindung mit
KK
Kurzkommentar
lt.
laut
MDR
Monatsschrift für deutsches Recht
NStZ
Neue Strafrechtszeitung
OLG
Oberlandesgericht
PM
Pressemitteilung
PStStR
Praxis Steuerstrafrecht
RFHE
Entscheidungen des Reichsfinanzhofes
SAPUZ
5 Beweisarten (Sachverständige, Augenschein, Parteive Urkunden und Zeugen)
StBp
steuerliche Betriebsprüfung
StPO
Strafprozessordnung
U.S.
United States
UFS
Unabhängiger Finanzsenat (Österreich)
UStG
Umsatzsteuergesetz
VfGH
Verfassungsgerichtshof (Österreich)
vgl.
vergleiche
vs.
versus
VwGH
Verwaltungsgerichtshof (Österreich)
zB
zum Beispiel
ZK
Zollkodex
ZPO
Zivilprozessordnung
ZStW
Zeitschrift für Strafrechtswissenschaft
ZZP
Zeitschrift für Zivilprozess
Anlagenverzeichnis
1. Nardone et al vs. United States, 308 U.S. 338 (1939)
2. Weeks vs. United States, 232 U.S. 383 (1914)
3. Silverthorne Lumber Co. vs. United States, 251 U.S. 385 (1920)
4. Wong Sun vs. United States, 371 U.S. 471 (1963)
5. United States vs. Ceccolini, 435 U.S. 268 (1978)
6. Miranda vs. Arizona, 384 U.S. 436 (1966)
7. Pressemitteilung LGT Bank vom 24. Februar 2008
1 Problemstellung
Es gibt eine Vielzahl von möglichen Beweisen und eine noch größere Vielzahl von Wegen sie zu erhalten. Manche dieser Wege sind breit und ausgetreten, andere hingegen sehr schmal, es ist leicht von diesen Wegen abzuweichen. In der Regel ist die Beweiserhebung auf den ausgetretenen Wegen weder besonders aufwändig, noch besonders anfällig für Anfechtungen. Auf den schmalen Wegen jedoch finden sich mitunter die Beweise mit der höchsten Aussagekraft, die zu erlangen kompliziert oder sogar rechtswidrig ist.
Diese Dissertationsschrift wird eine Übersicht über die Beweisarten gegeben und sich den Wegen widmen, auf denen sie erlangt werden können. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Beweisbeibringung und Verwertung von Beweisen im steuerlichen Kontext, unter besonderer Beachtung der Theorie der Früchte des vergifteten Baumes gelegt.
Diese Theorie ist zwar in Deutschland nur sehr begrenzt anzuwenden - gleichwohl finden sich in der strafprozessualen Lehrmeinung viele Anhänger - verdeutlicht aber auf sehr eindrucksvolle Art und Weise die mögliche Fernwirkung von erweiterten Beweisverwertungsverboten. So sind in den USA, wo diese Theorie von einem Richter des Supreme Court of the United States of America entwickelt beziehungsweise erdacht wurde, regelmäßig ganze Strafprozesse an der Fruit-of-the-poisonous-tree-Doktrin gescheitert, da die unrechtmäßig erlangten, und alle darauf aufbauenden Beweise nicht verwendet wurden durften. Des Weiteren soll diese Arbeit einen Einblick in die Möglichkeiten der Beweisanfechtung nach rechtswidriger Beweisbeibringung ermöglichen.
Bedingt durch den Datenkauf deutscher Steuerfahnder unter Mithilfe des Bundesnachrichtendienstes wurden unzählige Beweise für mögliche Steuerhinterziehung auf zumindest fragwürdigen Wegen erlangt. Da die Fragen nach der Verwertung von Beweisen ein Thema mit dauerhafter Aktualität und Brisanz ist, wird dies der Schwerpunkt dieser Arbeit werden.
Im Ziel wird diese Arbeit schlussendlich einen umfassenden Überblick über erweiterte Beweisverwertungsverbote, anhand der verschiedenen Theorien der letzten Jahre, geben, die, unter Beachtung des deutschen Steuerrechts von der Fruit-of-the-poisonous-tree-Doktrin beleuchtet werden.
2 Beweise
„Beweis ist eine Tätigkeit des Gerichts und der Parteien, die das Gericht von der Wahrheit oder der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung überzeugen soll1 (aber das Gericht darf erst auf Grund der Beweisaufnahme zur allein entscheidenden abschließenden Überzeugung kommen)“.2
Der Beweis soll also das Gericht im Verfahren von einer Behauptung überzeugen, die sodann im Urteil verwendet wird. Dies gilt ganz unabhängig davon, ob es sich hierbei um ein zivil-, straf-, oder steuerrechtliches Verfahren handelt.
2.1 Beweisarten
Generell ist zwischen den Strengbeweisen (Sachverständigengutachten, Augenscheinseinnahme, Parteivernehmung, Urkunden und Zeugen), der Glaubhaftmachung und dem Freibeweis zu unterscheiden3, wobei erstere grundsätzlich als Grundlage für die Urteilsfindung zum Beweis von Tatsachen herangezogen werden dürfen. Zweck des Strengbeweises ist, das Gericht vollständig zu überzeugen4, erst dann gilt der Beweis als erbracht5. Die Glaubhaftmachung ist vor allem in reinen Verhandlungsfragen von Bedeutung, da an sie weit geringere Ansprüche gestellt werden als an den Strengbeweis6. Die letzte Beweisart, der Freibeweis, hat die geringsten Anforderungen an die Überzeugungskraft vor Gericht7. Er dient vor allem der Feststellung des Vorliegens aller notwendigen Prozessvoraussetzungen, sowie von Erfahrungen aber auch von Regelungen mit Bezug auf ausländische Legislatur.
In den folgenden Absätzen wird gezielt auf die einzelnen Beweise eingegangen, im Besonderen auf deren Voraussetzungen im zivil- und strafrechtlichen Kontext, der vor allem für die steuerstrafrechtliche Beurteilung von Nöten ist.
2.1.1 Sachverständigengutachten
Der Beweis durch Sachverständige ist zivilrechtlich in den §§ 402 ff. ZPO geregelt. Problematisch dabei ist die Abgrenzung zwischen der Person des Sachverständigen, dem sachverständigen Zeugen und dem bloßen Zeugen. Im Gegensatz zum bloßen Zeugen8, der sein Wissen über Tatsachen bekundet9 und dem sachverständigen Zeugen im Sinne des § 414 ZPO nimmt der Sachverständige dem Gericht in Dingen, die die Erfahrungen des Sachverständigen auf seinem jeweiligen Fachgebiet betreffen, die Erklärung des Sachverhaltes, teilweise sogar die Deutung der zu beweisenden Tatsachen, ab10. Nach Hartmann bleibt dem Gericht dabei oft nur die rechtliche Würdigung der zu beweisenden Tatsachen. Dabei hat der Sachverständige die Tatsachen jedoch auf nachprüfbare Art und Weise zu belegen, bloße Vermutungen gelten also nicht als Beweis.
Neben dem Sachverständigen, der, wie oben beschrieben, Beweise begutachtet (sachverständiger Gutachter), hat noch ein weiterer Sachverständiger eine weiterreichende Bedeutung im Prozessrecht, nämlich der Sprachsachverständige oder kurz Dolmetscher. Dolmetscher dienen dem Gericht, sich fremdsprachliche Urkunden oder andere Beweise in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen und sind in diesem Sinne auch als Sachverständige anzusehen. Die oben genannte Nachprüfbarkeit der Arbeit ist auch vom Dolmetscher zu beachten.
Zwar ist das Gericht frei in seinen Entscheidungen, insbesondere kann es seine Fachkenntnisse auch aus anderen Quellen als durch Hinzuziehung eines Sachverständigen gewinnen11, so zum Beispiel aus Fachzeitschriften oder gar dem Internet, sollte jedoch bei der Hinzuziehung von Sachverständigen sein pflichtgemäßes Ermessen großzügig ausüben.12
Der Sachverständige hat nach seiner Beauftragung durch das Gericht unverzüglich zu prüfen, ob er den Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens alleine oder nur mit Hilfe anderer Sachverständiger erfüllen kann, letzteres ist dem Gericht anzuzeigen.13 Dabei ist er nicht befugt, den Auftrag auf andere Sachverständige zu übertragen. Sehr wohl darf er sich allerdings der Mithilfe anderer Personen bedienen, so er sie dem Gericht namhaft macht.14 Die Hilfe von Personen, die untergeordnete Tätigkeiten, wie zum Beispiel Schreibdienste oder ähnliches übernehmen, muss dagegen dem Gericht nicht angezeigt werden.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass auch der Gutachter eine Art von „Aussageverweigerungsrecht“, nämlich das Gutachtenverweigerungsrecht besitzt, welches analog zum Zeugnisverweigerungsrecht und aus denselben Gründen besteht.15 Weiters kann das Gericht den Gutachter von seiner Verpflichtung ein Gutachten zu erstellen entbinden.16 Mögliche Gründe dafür sind - neben den Gründen für das Zeugnisverweigerungsrecht17 - fehlende Sachkenntnis, Überlastung des Sachverständigen und Verschleppung des Gutachtens18, letzteres alleine schon aus dem Verfahrensbeschleunigungsgebot heraus. Darüber hinaus existiert auch eine Art Vernehmungsverbot für Sachverständige, nämlich, wenn der Sachverständige an einer richterlichen Entscheidung mitgewirkt hat, soll er nicht mehr über Fragen, die den Gegenstand der Entscheidung bildeten, vernommen werden.19 Diese Vorschrift ist zwar eher weit auszulegen, Verstöße dagegen sind aber aus eben diesem Grunde der weiten Auslegung prozessual unbeachtlich.20
Eine der wichtigsten Eigenschaften des Sachverständigen ist jedoch seine Beeidigung, die ihm Unabhängigkeit gegenüber den beteiligten Parteien bescheinigt, ebenso wie die Gutachtenerstellung nach bestem Wissen und Gewissen.21 Das Gutachten wird also nur dem Gericht gegenüber verantwortet, das es in Auftrag gegeben hat.
Nicht verwechselt werden darf das gerichtlich angeordnete Gutachten mit dem privat in Auftrag gegebenen Privatgutachten. Dies ist als substantiiertes Vorbringen vor dem erkennenden Gericht anzusehen, welches jedoch urkundlich belegt wird22 und daher, trotz der privaten Beauftragung einen erhöhten Beweiswert gegenüber dem einfachen Vortragen hat.
2.1.2 Augenscheinseinnahme
Augenschein ist eine unmittelbare Sinneswahrnehmung des Gerichts zur Beweisaufnahme, eine Kenntnisnahme von der äußeren Beschaffenheit einer Sache, eines Menschen oder eines Vorganges.“23
Zwar sieht Hartmann den Augenscheinsbeweis als „stets erstrangig zu bewertende Möglichkeit unmittelbarer Sinneswahrnehmung“24, gleichzeitig betont er jedoch auch, dass der Augenscheinsbeweis oft schwierig ist, da das Gericht in der „zunehmend hochtechnisierten Welt des Riesigen, Winzigen, nur mit tausend Hilfsmitteln Hörbaren, Sichtbaren, Tastbaren“25 immer häufiger auf das Urteil von nichtjuristischen Fachleuten angewiesen ist, um den Augenscheinsbeweis bewerten zu können. Nach Hartmann kann es nicht der Sinn sein, den Richter auch durch das Mikroskop schauen zu lassen oder im Schutzanzug in eine Druckkammer zu steigen.26 Da es weiterhin in der Zeit von Photoshop und digitaler Fotografie zunehmend zweifelhaft ist, ob ein Foto digital manipuliert ist oder nicht, sei es darüber hinaus eventuell sogar nicht unbedingt sinnvoll, den Augenscheinsbeweis einem Richter mit bloßem Auge zur Beweisauswertung zu überlassen; oftmals sei es wesentlich Erfolg versprechender, Augenscheinsbeweise, wie zum Beispiel eine Narbe, gleich zusammen mit dem, in diesem Falle medizinischen, Fachmann gemeinsam anzusehen und auszuwerten. Diese Ansicht spiegelt sich auch und vor allem im Wortlaut des § 372 Abs. I ZPO wieder, wonach das Prozessgericht bei der Einnahme des Augenscheins einen oder mehrere Sachverständige hinzuziehen kann.
Hartmann geht sogar so weit, dass er vom sachkundigen Auge als wesentliche Bedingung der Brauchbarkeit des Augenscheinbeweises in vielen Fällen spricht.27 Seiner Meinung nach darf und muss das Prozessgericht in allen den Fällen einen Sachverständigen hinzuziehen, in dem es dem Gericht an Fachkenntnis mangelt28, was aufgrund der Komplexität vieler Beweismittel auch sicher kein fehlerhafter Ermessengebrauch wäre.
Der Augenscheinsbeweis ist stets von Amts wegen zulässig und steht damit im pflichtbewussten Ermessen des Gerichts.29
2.1.3 Parteivernehmung
Die Parteivernehmung dient der Verwirklichung des sachlichen Rechts durch eine Erweiterung der Beweismittel zwecks möglichst umfassender Würdigung des Prozessstoffs. 30
Das größte Problem bei der Parteivernehmung als Beweisart ist sicherlich die subjektive Sichtweise der Partei auf den Sachverhalt. Daher ist sie regelmäßig als Erweiterung der anderen Beweise anzusehen.
Die Zulässigkeit der Parteivernehmung als Beweisart unterliegt strengen Regeln, neben den allgemeinen Grundsätzen der §§ 284 ff, 355 ff ZPO ist sie zum Beispiel nur auf Antrag zulässig, und zwar die Vernehmung des Gegners des Beweisführers nur, soweit der Beweisführer keine anderen Beweismittel vorbringt oder den Beweis mit solchen nur unvollkommen oder gar nicht geführt hat.31 Anders herum ist die Vernehmung des Antragstellers im Einverständnis des Gegners zulässig.32
Allerdings ist die Parteivernehmung unabhängig von der Beweislast von Amts wegen zulässig, wenn das Gericht einigen Beweis für erbracht hält.33
In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass es unzulässig ist, die Parteivernehmung zur Entkräftung einer anderen Beweisregel zu benützen, sowie im Verfahren zur Prozesskostenhilfebewilligung.34
Zur Vernehmung einer einzelnen Partei führt Hartmann an, dass es abweichend vom, eng verwandten, österreichischen Recht, nicht notwendig und erforderlich ist, beide Parteien zu vernehmen, da das Gesetz das Recht, die eigene Behauptung beweismäßig zu bestärken, grundsätzlich nicht dem Beweispflichtigen geben möchte.35 Vielmehr sei für die Überwachung der Aussage die Parteiöffentlichkeit36 ein ausreichendes Mittel.37
Der Beweis durch Parteivernehmung ist also nach geltendem Recht als Hilfsbeweis subsidiär anzuwenden,38 deren Durchführung erst nach vergeblicher Prüfung aller anderen zulässigen Beweismittel und der sonstigen Erkenntnismöglichkeiten des Gerichtes39 in Betracht kommt.40
Zwar sollte die Parteivernehmung nach Nagel öfter den Vorrang haben41, sollte aber dennoch mit großer Vorsicht betrachtet werden, denn die eigentliche Problemstellung sieht Hartmann bei der Parteivernehmung darin, dass selbst vollkommen redliche Parteien trotz Wahrheitszwang schwerlich in der Mehrheit sind und es nicht einmal immer möglich ist, in der eigenen Sache einen Sachverhalt einwandfrei wiederzugeben.42
Eine Möglichkeit, die Parteivernehmung in Ihrer Beweiskraft zu bestärken ist allerdings, die vernommene Partei unter Eid zu stellen,43 wobei auch der Eid der freien Beweiswürdigung unterliegt.44
2.1.4 Urkunden
Urkunde, im Sinne der Zivilprozessordnung, ist die schriftliche Verkörperung eines Gedankens, demgegenüber zielt der Augenschein nur auf die Sinneswahrnehmung der Person oder Sache ab. 45
Unter Urkundsbeweis versteht man das Belegen einer Behauptung durch öffentliche46 oder private47 Urkunde.
Der Urkundsbeweis galt lange Zeit als die zuverlässigste der fünf Beweisarten, im Zuge des technischen Fortschrittes ist aber aufgrund der enorm zunehmenden Manipulationsmöglichkeiten größere Vorsicht walten zu lassen.48
Eine Abgrenzung zwischen Urkundsbeweis und Augenscheinsbeweis ist aufgrund der zunehmenden technischen Manipulationsmöglichkeiten daher nicht immer leicht vorzunehmen,49 was einfach gesagt daran liegt, dass es oft eines Experten bedarf, der die Echtheit der vermeintlichen Urkunde bestätigt.
Hartmann folgert daraus, dass der „lange Zeit so einfach erkennbare Zweck gerade des Urkundsbeweises, die Wahrheit am ehesten mithilfe desjenigen zu ermitteln, was der Beweisführer „schwarz auf weiß besitzt“, so fragwürdig geworden ist, dass nur eine zurückhaltende Auslegung sowohl des Urkundsbegriffs als auch der Beweiskraft der einzelnen Urkundsarten zu vertretbaren Ergebnissen führen kann.“50
Er geht sogar so weit, dass er die Werthaltigkeit des Beweismittels Urkunde an sich anzweifelt, wenn es, nicht ohne erheblichen technischen Aufwand zu betreiben, nicht erkennbar ist, ob aus einem „Ja“ ein „Nein“ oder aus einem „Schwarz“ ein „Weiß“ gemacht wurde.51 Dies würde nicht nur bei jeder Kopie so gelten, auch manches Original sei von Manipulationen gefährdet.
Wolle man aber nicht jedermann als Urkundenfälscher bis zum Beweis des Gegenteils ansehen, müsse man daher davon ausgehen, dass strafbare Begleitumstände fehlen, wie bei jedem anderen Beweismittel auch. Dies sei alleine schon aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten 52 geboten, könne doch nicht jeder Zeuge und Sachverständige von vorne herein als Lügner betrachtet werden.53
Ruhige Abwägung in Verbindung mit erhöhter Wachsamkeit sei also von Nöten und unumgänglich um weder übertrieben vertrauensselig noch allzu argwöhnisch an einen Urkundsbeweis heranzugehen.54
Den beiden Arten des Urkundsbeweises, öffentlich und privat wird unterschiedliche Beweiskraft zugemessen. Während die öffentliche Urkunde, die, von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen Ihrer Amtsbefugnisse, oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person55 innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises, in der vorgeschriebenen Form aufgenommen wurde und über eine vor der Behörde oder Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet wurde, stets volle Beweiskraft entfaltet56 und allenfalls ein Gegenbeweis über die Unrichtigkeit des beurkundeten Vorganges zulässig ist57, beurkunden private Urkunden lediglich, dass der Inhalt von den Ausstellern abgegeben wurde, nicht den Inhalt an sich.58
Die Bedenken wegen Manipulationsmöglichkeiten gelten, Hartmann zu Folge bei der Privaturkunde erst recht.59
2.1.5 Zeugen
Der Beweisantritt durch Einvernahme von Zeugen gilt als die mit Abstand wichtigste Beweisart, die Regeln über den allgemeinen Teil des Beweisrechts60 gelten ebenso, wie die über die Beweiswürdigung61.62
Hartmann sieht als eines der zentralen Probleme des Zeugenbeweises die Aufgabe an, durch Befragung und einem unverkrampften Umgang gerade auch dem schwierigen, störrischen Bürger gegenüber, der Wahrheit, trotz aller ihrer vielfachen Unausforschlichkeiten, wenigstens etwas näher zu kommen.63 Dabei gebietet schon die Menschenwürde64 dem Gericht, „den Grundsatz zumindest anfänglicher Glaubwürdigkeit eines Menschen, der sich als Zeuge vor dem Staat in Gestalt seiner dritten Gewalt äußern muss oder soll.“65
Schwierigkeiten des Zeugenbeweises sind schon in der Abgrenzung der Begrifflichkeiten zu sehen. Danach kann regelmäßig nur Zeuge sein, wer nicht als Partei oder gesetzlicher Vertreter auskunftsverpflichtet ist.66 Diese Ansicht folgt dem Grundsatz aus dem römischen Recht „Nemo testis in re sua“, nämlich, dass niemand in eigener Sache Zeuge sein kann.67
Abzugrenzen ist der Zeugenbeweis außerdem vom behördlichen Zeugnis, das heißt, der zeugenähnlichen Aussage eines Amtsträgers vor dem erkennenden Gericht. Dies ist allerdings regelmäßig als Urkundsbeweis anzusehen und zu bewerten.68
Trotz der vielen möglichen Fehlerquellen ist der Zeugenbeweis jedoch das wichtigste Beweismittel, allerdings auch oft ein ungewisser, schlechter Beweis69, da die Zeugenvernehmung eine nur begrenzt erlernbare Kunst darstellt.70
Eine allgemeine Fehlerquelle beim Zeugenbeweis stellt nach Hartmann zum Beispiel die Schwäche der menschlichen Natur dar, vor allem aber die Unzuverlässigkeit des menschlichen Gedächtnisses (die Erinnerungsstärke nähme außerordentlich schnell ab)71. Selbst bei einer guten Auffassungsgabe des Zeugen sei noch nicht gesagt, dass dieser das gesehene und erlebte auch gut und richtig wiedergeben kann,72 so könne zum Beispiel die Wahrnehmung aus einem gewissen Abstand schon einen ganz anderen Blickwinkel auf das Geschehen werfen, als die direkte Beteiligung.73
Als weitere Fehlerquelle ist ferner die Person des Zeugen anzusehen,74 namentlich der Bildungsstand, das Alter, die Begabung, Erziehung, Urteilskraft oder persönliche Beziehungen zu den Parteien. „So mancher hat z.B. eine natürliche Gabe als Zeuge aufzutreten – Fest wie ein Fels.“75
Auch sei, zum Beispiel bei der Wiederholung einer Vernehmung, die Erinnerung an frühere Formulierungen oft stärker als an die eigentlichen, zu Grunde liegenden Geschehnisse,76 daher solle sich jeder Richter darüber im klaren sein, dass auch die Aussage des Begabtesten und gewissenhaftesten Zeugen vieler der oben genannten Fehlerquellen ausgesetzt sein kann.77 Als Beispiel dafür führt Hartmann an, welcher Richter sich auf die Erinnerung eines Zeugen an weit zurück liegende Vorgänge verlassen könne, wenn er sich selber doch kaum an das Tatbestandsberichtigungsverfahren vor wenigen Wochen erinnert.78
Sehr wichtig im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist es, noch auf ein mögliches Beweisverbot im Zusammenspiel mit dem Zeugenbeweis hinzuweisen, welches allerdings später noch einmal aufgegriffen wird: Der Aussage eines „Spitzel“ als Zeuge, sofern sein Verhalten gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen hat. Dann ist sowohl die Vernehmung verboten, als auch diese Aussage unverwertbar, es sei denn ein Beweis sei anders nicht möglich, oder das Verhalten des Spitzels wird rügefrei gestellt.79
2.1.6 Glaubhaftmachung
Als milderes Mittel zum Strengbeweis ist die Glaubhaftmachung anzusehen:
„Ich weiß aber, dass die Reden, die sich nur auf die Wahrscheinlichkeit stützen, Geschwätz sind und … einen gar leicht täuschen…“80
Hartmann folgend ist Beweis eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit81 , Glaubhaftmachung aber weniger, nämlich nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit82. Zur Zulässigkeit der Glaubhaftmachung an Stelle einer Beweisführung ist zu sagen, dass die Glaubhaftmachung grundsätzlich nur in den vom Gesetz ausdrücklich genannten Fällen ausreichend und erlaubt ist.83 § 294 ZPO sei als Ausnahme der Vollbeweisregel des § 286 ZPO daher eher streng auszulegen. Gegenstand der Glaubhaftmachung dürfen alle zulässigen Beweismittel sein, die die ZPO vorsieht (Sachverständige, Augenschein, Parteivernehmung, Urkunden und Zeugen).84
2.2 Beweise im Strafrecht
Strafrechtlich sind im Hauptverfahren oben genannte Strengbeweise ebenfalls zulässig.85 Im Vorverfahren, Ermittlungsverfahren genannt, besteht, genau wie im Zivilverfahren auch, die Möglichkeit der freien Beweiswürdigung durch den Richter; Freibeweise sind also ebenfalls zulässig. Rein bedeutungstechnisch wird der Begriff „Beweis“ in der Strafprozessordnung unterschiedlich gebraucht. 86 So versteht man unter Erhebung eines Beweises regelmäßig das Einbringen eines Beweismittels in das Verfahren zur Verwendung eines Beweisergebnisses. Beweisergebnis ist lt. Meyer-Goßner das, „was das Beweismittel an tatsächlichem Beurteilungsstoff für die Entscheidung der Beweisfrage ergibt.“87
Alsdann muss dem Angeschuldigten oder Angeklagten die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Beweisergebnissen zu äußern.88 Damit wird dem Grundrecht auf rechtliches Gehör89 genüge getan, wonach jedermann vor Gericht Anspruch auf Anhörung hat.
2.3 Beweise im Steuerrecht
Grundsätzlich ist die Beweisthematik im Steuerrecht, wie auch in den anderen Rechtsgebieten, in den Bereich des Verfahrensrechts einzuordnen, sprich, die dafür relevanten Vorschriften befinden sich in der Abgabenordnung (AO) und der Finanzgerichtsordnung (FGO).
2.3.1 Beweisvorschriften im Besteuerungs-, Haftungs-, Vollstreckungs-, und Rechtsbehelfsverfahren
Im Großen und Ganzen gelten die Beweisvorschriften des Zivilverfahrens auch in jedem anderen Verfahren, das heißt, auch hier finden die 5 Beweisarten der SAPUZ-Formel ihre Anwendung. Allerdings sind die Verfahren mit dem Finanzamt keine Gerichts- sondern Verwaltungsverfahren und insoweit eigenständig geregelt.
Die zentralen Vorschriften zur Beweisthematik finden sich in den §§ 93 ff. AO, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll.
Nach § 93 AO haben die Beteiligten, das heißt, die in § 78 AO aufgeführten Personen, also der Antragsteller oder Antragsgegner90, der, an den die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat91 und diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat92 und andere Personen, den Finanzbehörden die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen.93 Da diese Vorschrift die Gefahr birgt, gegen das Steuergeheimnis zu verstoßen, sollen in der Regel andere Personen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn eine Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht.
Brockmeyer weist darauf hin, dass die Worte „erheblichen Sachverhalts“ und „erforderlichen“ dahingehend auszulegen seien, dass ein konkreter Anlass einem Auskunftsersuchen zu Grunde liegen muss und eine Ermittlung ins Blaue daher nicht zulässig sei.94 Ein hinreichender Grund für ein Auskunftsersuchen sei daher dann gegeben, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte, aber auch allgemeiner Erfahrung ein solches Auskunftsersuchen angezeigt sei. 95 Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes96 darf der erforderliche konkrete Anlass aber nicht dahingehend verstanden werden, dass er so konkret ist, dass der Verdacht einer Steuerverkürzung zu rechtfertigen sei. So hat der BFH auch schon ein Auskunftsersuchen an einen Zeitungsverlag zu einer Chiffre-Anzeige für Grundstücksverkäufe97 als zulässig erachtet.98
§ 93 AO ist als allgemeine Beweismittelvorschrift anzusehen und entfaltet daher nicht nur im Steuerermittlungsverfahren, sondern auch im Haftungsverfahren und im Vollstreckungsverfahren Anwendung, wird aber durch § 5 AO (Ermessen) eingeschränkt.99 Im Rahmen dieses pflichtgemäßen Ermessensgebrauch hat die Finanzbehörde vor allen Dingen die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, das heißt, das Auskunftsersuchen muss nicht nur notwendig und zur Sachverhaltserhellung geeignet sein, sondern auch verhältnismäßig im engeren Sinne, also erforderlich, angemessen und zumutbar sein.100
Den Finanzbehörden steht gemäß § 94 AO auch die Möglichkeit offen, Zeugen eidlich zu vernehmen. Dabei hat sie sich des für den Wohnsitz oder Aufenthaltsorts der zur Auskunft verpflichteten Person zuständigen Finanzgerichtes zu bedienen und dort um die eidliche Vernehmung anzuhalten.101 Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die eidliche Vernehmung durch ein Amtsgericht zulässig.
Allerdings soll die Vereidigung stets das letzte Mittel sein, mit dem der Auskunftspflichtige zu einer wahrheitsgemäßen Aussage bewegt werden soll.102 Auch ist die Vereidigung ausschließlich auf andere Personen und nicht auf Beteiligte anwendbar, letztere können lediglich zu einer eidesstattlichen Versicherung im Sinne des § 95 AO aufgefordert werden, dem unten näher erläuterten „Nemo-tenetur-Prinzip“ folgend, kann diese Versicherung auch nicht erzwungen werden.103
Sowohl bei der eidlichen als auch bei der eidesstattlichen Aussage ist zu beachten, dass sie immer nur dann gefordert werden soll, wenn andere Mittel der Erforschung der Wahrheit nicht angezeigt sind.
Die Hinzuziehung von Sachverständigen ist im § 96 AO normiert, Brockmeyer führt dazu aus, die Finanzbehörden sollen sich der Sachkundigen bedienen, soweit nicht aufgrund eigener Sachkunde Entscheidungen getroffen werden können.104 Daher ist die Finanzbehörde nicht auf unabhängige Sachverständige angewiesen.105
Die Person des Sachverständigen ist den Beteiligten vorher bekannt zu machen, sie können einen Sachverständigen auch wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen.106 Allerdings soll diese Ablehnung unverzüglich erfolgen, also spätestens nach zwei Wochen nach Benennung des Sachverständigen, namentlich um zu verhindern dass der Sachverständige erst nach Erstellung eines negativen Gutachtens abgelehnt wird.107
Auch der Urkundsbeweis findet sich in der Abgabenordnung wieder, geregelt ist er in § 97 AO. Demnach sind, neben den Beteiligten, auch andere Personen, zum Beispiel Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater, vorlagepflichtig. Allerdings können Berufsträger die Vorlage verweigern, soweit sie zur Auskunftsverweigerung berechtigt sind108.109
Der Anforderung von Urkunden ist gemäß Absatz 2 des § 97 AO dahingehend eine Schranke gesetzt, als dass regelmäßig andere Schritte, wie zum Beispiel das Verlangen von Auskünften, der Aufforderung zur Vorlage von Urkunden vorangehen sollen.110
Der Begriff der Urkunde ist im Steuerrecht als „jede papiermäßig verkörperte oder auf Daten- oder Bildträgern festgehalteneGedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist und einen Urheber erkennen lässt“111 definiert.112
Nicht von untergeordnetem Interesse bei der Auslegung des § 97 AO ist, dass der Steuerpflichtige die Urkunden vorlegen muss, das heißt, er muss sie sich unter Umständen erst beschaffen, indem er einem Dritten (zum Beispiel seinem Rechtsanwalt oder Steuerberater) gegenüber einen Herausgabeanspruch geltend macht.113 Dies geht aber in der Regel nur so weit, wie dem Steuerpflichtigen dieses Beschaffen auch zuzumuten ist, so sind zum Beispiel Unterlagen, die die Geschäftsführung einer Arbeitsgemeinschaft betreffen, regelmäßig nur vom Geschäftsführer dieser Arbeitsgemeinschaft zu verlangen114; anders wird dies erst, wenn es sich bei dem zu klärenden Sachverhalt um einen mit starkem Bezug zum Ausland handelt. Dann kann sich der Steuerpflichtige nicht darauf berufen, er sei dazu nicht in der Lage.115
Auch muss der Steuerpflichtige gegebenenfalls für die Übersetzung eines in ausländischer Sprache verfassten Dokumentes Sorge tragen116117.
Urkunden sind grundsätzlich im Original vorzulegen, soweit dies dem Steuerpflichtigen zuzumuten und es erforderlich ist118. Für den Fall, dass es, für die Entscheidung über den Sachverhalt, unerheblich ist, ob ein Original oder eine Kopie vorgelegt wird, müssen sich die Finanzbehörden mit einer Kopie zufrieden stellen und diese akzeptieren.119
Ebenso wie bei den anderen Beweisvorschriften ist auch bei der Vorlage von Urkunden die Verhältnismäßigkeit zu wahren. So haben die Finanzbehörden zum Beispiel gegenüber Banken stets die Kontoauszüge für lediglich ein Jahr anzufordern um danach, bei vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die eine tiefere Prüfung rechtfertigen, wie zum Beispiel nicht erklärte Vermögensbildungen, die Vorlage von Kontoauszügen für weitere Jahre zu fordern.120
Brockmeyer weist des Weiteren darauf hin, dass der Steuerpflichtige, bei Aufbewahrung der Urkunden auf Daten- oder Bildträgern, auf seine Kosten die geeigneten Mittel bereit stellen muss, um diese wieder lesbar zu machen, das heißt, er hat die Daten- oder Bildträger zum Beispiel gegebenenfalls auszudrucken.121
Der Beweis durch Augenschein ist in der Abgabenordnung im Rahmen des § 98 AO geregelt. Danach ist zum einen über die Einnahme des Augenscheins ein Aktenvermerk zu schreiben122, zum anderen können zur Einnahme des Augenscheins auch Sachverständige hinzugezogen werden123.
Brockmeyer führt dazu, unter Verweis auf Wenzig124 aus, Augenschein sei „jede sinnliche Wahrnehmung“ also beispielsweise auch Geschmacks- oder Geruchsproben.125
Im Rahmen der Augenscheinseinnahme kann es unter Umständen erforderlich sein, dass Amtsträger und hinzugezogene Sachverständige, auch gegen den Willen der Steuerpflichtigen, Grundstücke, Räume, Schiffe oder ähnliche Einrichtungen betreten müssen. Dazu sind sie durch § 99 AO ermächtigt. Für Wohnräume gilt dies jedoch nur, soweit dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.126 Insoweit wird das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung 127 außer Kraft gesetzt, alleine deshalb ist es gemäß Absatz 2 nicht zulässig nach unbekannten Gegenständen zu forschen.128
In der Regel sollen betroffene Personen, also nicht nur die Steuerpflichtigen selbst, angemessene Zeit vorher benachrichtigt werden und das Betreten der Einrichtungen zu üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten erfolgen.129 Mit betroffenen Personen sind diejenigen Personen gemeint, die die tatsächliche Sachherrschaft über die Einrichtung innehaben.130
Damit soll dem Betroffenen die Gelegenheit der Teilnahme gegeben werden, die das Gesetz zwar nicht ausdrücklich vorsieht, sich jedoch aus dem Recht auf Anhörung131 ergibt.
Dabei ist die Anwesenheit des Steuerpflichtigen aber nicht zwangsweise vorgeschrieben.132
Beim Betreten von Wohnräumen (nach einer Entscheidung des BVerfG aber auch Geschäftsräumen)133 ist allerdings besonders zu beachten, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung verfassungsrechtlich garantiert ist, und sie daher, gegen den Willen des Steuerpflichtigen nur zur öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr betreten werden darf.134 Diese Gefahr ist gegeben, wenn ohne ihre Abwehr wesentliche Rechtsgüter verletzt werden135, zur öffentlichen Ordnung zählt auch das Steuerrecht.136
Um den Augenschein einnehmen zu können, müssen allerdings die Gegenstände, die man mit Sinnen erfassen möchte, den Finanzbehörden bekannt sein. Zum Zwecke der bloßen Ausforschung dürfen Grundstücke und vergleichbare Rechtsgüter nicht betreten werden.137
Der Augenscheinsbeweis erstreckt sich auch auf die Vorlage von Wertsachen, soweit dies im Besteuerungsinteresse notwendig ist um Feststellungen über ihre Beschaffenheit zu treffen. Dazu können gegebenenfalls auch Sachverständige hinzugezogen werden.138 Auch hierbei darf allerdings nicht nach unbekannten Gegenständen geforscht werden; sollten Steuerfahndungsorgane im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens im Sinne des § 208 Abs. I Nr. 2, 3 AO tätig werden und nach Gegenständen forschen wollen, die den Behörden unbekannt sind, müssen sie gegebenenfalls einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss nach den Vorschriften der Strafprozessordnung beantragen.139
2.3.2 Beweisvorschriften im finanzgerichtlichen Verfahren
Die Grundsätze der Beweisbeibringung im finanzgerichtlichen Verfahren sind im § 79 Finanzgerichtsordnung normiert. Danach kann der vorsitzende Richter oder der Berichterstatter, also der Richter des erkennenden Gerichtes, der mit der Vorbereitung des Falles betraut ist, auf die gesamte Palette der SAPUZ-Formel zurückgreifen140 um zu einer Entscheidung zu finden. Mit Inkrafttreten des FGO-Änderungsgesetzes vom 21.12.1992 141 wurde der in § 79 Satz 3 FGO aF enthaltene Verweis auf § 273 ZPO durch eine selbständige Regelung ersetzt.142 Koch zu Folge sollte dies der Verwirklichung der Konzentrationsmaxime, das heißt, dem Konzentrieren der Verfahrenshandlungen auf die mündliche Verhandlung in einem Beratungstermin dienen.143
Das Finanzgericht erhebt, wie alle anderen Gerichte auch, Beweis unmittelbar, das heißt, in der mündlichen Verhandlung, es sei denn es handelt sich um einen geeigneten Fall, der schon vorher eine Beweissichtung rechtfertigt.144
§ 82 FGO schließlich verweist, bis auf einige Besonderheiten im Steuerrecht, wie zum Beispiel das Steuergeheimnis 145, auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung146 bei der Erlangung von Beweisen. Das bedeutet, dass die grundlegenden Beweisregeln auch im finanzgerichtlichen Verfahren Anwendung finden.
1 Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Einf § 284 Rn 1
2 Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 286 Rn 16
3 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Einf § 284 Rn 7-9
4 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Einf § 284 Rn 7
5 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 286 Rn 16
6 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Einf § 284 Rn 8
7 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Einf § 284 Rn 6, Rn 9
8 Siehe unten, 2.1.5 Zeugen
9 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 402 Rn 4
10 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 402 Rn 4 A
11 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 402 Rn 12
12 Vgl. Broß, ZZP102, 438
13 Vgl. § 407a I ZPO
14 Vgl. § 407a II ZPO
15 Vgl. § 408 I S.1 ZPO
16 Vgl. § 408 I S.2 ZPO
17 Siehe auch §§ 383, 384 ZPO
18 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 408 Rn 5
19 Siehe auch § 408 III ZPO
20 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 408 Rn 7
21 Vgl. § 410 ZPO
22 von Hardenberg, Diss Erlangen 1975, in Hartmann, KK ZPO, Übers § 402 Rn 21
23 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 371 Rn 4
24 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 371 Rn 2
25 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 371 Rn 2
26 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 371 Rn 2
27 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 372 Rn 2
28 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 372 Rn 2
29 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 371 Rn 5
30 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 2
31 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 4
32 S.a. § 447 ZPO
33 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 4, § 448 ZPO
34 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 4
35 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 5
36 Vgl. § 357 ZPO
37 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 5
38 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 7
39 zB Offenkundigkeit, § 291 ZPO
40 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 7
41 Vgl. Bender/Röder/Nack, Nagel in Festschrift für Habscheid, 1989
42 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 7
43 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 6
44 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 445 Rn 6, §§ 286, 453 ZPO
45 Vgl. BGH 65, 301, FG Berlin, NJW 77, 2232
46 § 415 ZPO
47 § 416 ZPO
48 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 415 Rn 1
49 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 415 Rn 1
50 Vgl. Hartmann, Beck scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 415 Rn 2
51 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 415 Rn 3
52 Artt. 1, 2 GG
53 Vgl. Hartmann, Beck scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 415 Rn 3
54 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 415 Rn 3
55 zB ein Notar, BGH JZ 87, 522
56 Vgl. § 415 Abs. I ZPO
57 Vgl. § 415 Abs. II ZPO
58 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 416 Rn 7
59 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 416 Rn 1
60 Vgl. §§ 355 ff. ZPO
61 Vgl. §§ 284 ff. ZPO
62 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 1
63 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 2
64 Artt. 1, 2 GG
65 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 2
66 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 4
67 Vgl. Bogisch, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 11
68 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 5
69 So zB Kirchhoff, MDR 01, 666
70 Vgl. Rüßmann, DRiZ 85, 41
71 Vgl. Kirchhoff, MDR 01, 666
72 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 7
73 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 7
74 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 8
75 Vgl. Galsworthy, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 8
76 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 8
77 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 9
78 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 9
79 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, Übers § 373 Rn 10
80 Simmias, Platon Phaidon, 41, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 294 Rn 1
81 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 294 Rn 1
82 Vgl. BVerfG 38, 39, BGH NJW 98, 1870
83 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 294 Rn 2
84 Vgl. Hartmann, Beck´scher Kurzkommentar ZPO, § 294 Rn 6
85 Vgl. Meyer-Goßner, Beck´scher Kurzkommentar StPO, Einl Rn 49
86 Vgl. Meyer-Goßner, Beck´scher Kurzkommentar StPO, Einl Rn 48
87 Vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.
88 Siehe auch § 33 I StPO
89 Siehe auch Art 103 I GG
90 Vgl. § 78 Nr. 1 AO
91 Vgl. § 78 Nr. 2 AO
92 Vgl. § 78 Nr. 3 AO
93 Vgl. § 93 Abs I S 1 AO
94 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 93 Rn 2
95 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.
96 Vgl. BVerfG HFR 89, 440
97 Vgl. BFH BStBl 88, 349
98 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.
99 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 93 Rn 5 & 6
100 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 93 Rn 6
101 § 94 Abs I S 1 AO
102 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 94 Rn 2
103 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.
104 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 96 Rn 1
105 Vgl. BFH/NV 95, 299; 96, 527
106 Vgl. § 96 Abs II AO
107 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 96 Rn 3
108 Vgl. § 102 AO
109 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 97 Rn 1
110 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.
111 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 97 Rn 3
112 Vgl. FG Münster, EFG94, 590; 01, 4
113 Vgl. Brockmeyer, a.a.O., RFHE 25, 148
114 Vgl. Brockmeyer, a.a.O., FG Berlin, EFG 86, 426
115 Vgl. Brockmeyer, a.a.O., § 90 Abs III AO
116 Vgl. Brockmeyer, a.a.O., § 87 Abs II AO
117 a.A. Tipke/Kruse, § 97 AO Rz 3 bei Vorlage von Urkunden durch Dritte
118 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 97 Rn 4
119 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.; BFH/NV 95, 467
120 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 97 Rn 5, BFH, BStBl 91, 277
121 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 97 Rn 10
122 § 98 Abs I AO
123 § 98 Abs II AO
124 Vgl. StBp 2000, 150: Wenzig: Augenschein
125 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 98
126 § 99 Abs I AO
127 Art. 13 GG
128 § 99 Abs II AO
129 § 99 Abs I AO
130 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 99 Rn 6
131 Vgl. § 91 AO
132 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.
133 Vgl. BVerfGE 32, 54
134 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 99 Rn 7
135 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.; BVerfGE 17, 232, 251
136 Vgl. Brockmeyer, a.a.O.
137 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 99 Rn 8
138 § 100 Abs I AO
139 Vgl. Brockmeyer, Klein, Kommentar zur AO, § 100
140 Vgl. von Groll, Gräber, Kommentar zur FGO, § 76 Rn 32 ff.
141 Vgl. BGBl I S 2109
142 Vgl. Koch, Gräber, Kommentar zur FGO, § 79 Rn 1
143 Vgl. Koch, a.a.O.
144 Vgl. § 81 FGO
145 § 30 AO
146 S.o.
3 Zulässige Beweisbeibringung und Verwertung
Grundsätzlich ist das Verwerten zulässig gewonnener Beweise ebenfalls zulässig. Unzulässig ist die Gewinnung von Beweisen, wenn bei der Gewinnung gegen Beweiserhebungsverbote, von denen es drei Sorten147 und zwei Arten148 gibt, verstoßen wurde.
Das heißt, wenn ein Beweis auf rechtmäßige Art und Weise erlangt wurde, beispielsweise Informationen in einem Umsatzsteuerkarusselgeschäft, also gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, das gemäß §§ 26b, c UStG und 370 Absatz III Satz 2 AO strafbar ist, durch Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung149 eines zuständigen Gerichtes, und es werden auf Grund dessen Beweise gegen die Verdächtigen gefunden, können diese auch verwertet werden. Sollte sich im Rahmen der Ermittlungen jedoch herausstellen, dass keine qualifizierte, sondern „nur“ eine einfache Steuerhinterziehung vorliegt, greift möglicherweise ein Verwertungsverbot, da für einfache Steuerhinterziehung diese Art der Beweisbeschaffung nicht vorgesehen ist.
147 Beweisthemen-(s. 4.1.1), Beweismittel-(s. 4.1.2), Beweismethodenverbote (s.4.1.3)
148 S.u. 4.1
149 § 100a StPO
4 Beweisverbote
Bei den Beweisverboten unterscheidet man grob zwischen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten. Beweiserhebungsverbote werden vom erkennenden Gericht erlassen, wenn ein Beweis nicht auf dem Wege beschafft hätte werden dürfen auf dem er beschafft wurde. Damit soll verhindert werden, dass Ermittlungsorgane Beweise zum Beispiel durch Folter erlangen und verwerten dürfen. Das Gericht wird sich daher damit befassen müssen, inwieweit der Beweis rechtswidrig erlangt wurde und gegebenenfalls, bei Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften, ein Beweisverwertungsverbot aussprechen. Allerdings führen lediglich Beweisthemaverbote150 per se zu einem Beweisverwertungsverbot. Bei allen anderen hat eine Abwägung151 zwischen schützenswerten Rechtsgütern einerseits und derErforschung der prozessualen Wahrheit andererseits zu erfolgen.
Beweisverwertungsverbote verbieten, wie der Name schon erkennen lässt, die Verwertung von Beweisen im Verfahren, die auf rechtswidrige Art und Weise gewonnen wurden.
4.1 Beweiserhebungsverbote
Unter Beweiserhebungsverboten versteht man das Verbot einen Beweis überhaupt zu erheben. Dabei ist zwischen den generellen Beweiserhebungsverboten und den speziellen Beweiserhebungsverboten zu unterscheiden. Generelle Beweiserhebungsverbote sind das Beweisthemaverbot152, das Beweismittelverbot153 und das Beweismethodenverbot154. Sie sollen die Parteien im Zivilverfahren, den Steuerpflichtigen im Abgaben- und Finanzgerichtsverfahren und den Angeschuldigten im Strafverfahren vor rechtswidriger Beweiserhebung schützen, indem rechtswidrig erlangte Beweise einem daraus folgenden Beweisverwertungsverbot unterliegen. Neben den generellen Beweiserhebungsverboten sind noch die speziellen Beweiserhebungsverbote zu benennen, so zum Beispiel das Verbot im Urkundsprozess, ein besonderes, zivilrechtliches Verfahren, bei dem Beweis lediglich durch Urkunden geführt werden darf, Beweis durch zum Beispiel Parteivernehmung zu führen. Da der Urkundsprozess aber nur im Vorverfahren, also nicht im eigentlichen Prozess, geführt wird sind im darauf folgenden Haupt- oder Nachverfahren wieder alle Beweisarten zulässig. Weitaus weiter reichende Folgen als spezielle Beweiserhebungsverbote sind daher den generellen Beweiserhebungsverboten zuzurechnen, da Verstöße gegen diese in folgenden Verfahrensabschnitten gegebenenfalls nicht geheilt werden können und sie auf diesem Wege eine Art Fernwirkung entfalten können.
4.1.1 Beweisthemaverbot
Eines der Beweiserhebungsverbote ist das so genannte Beweisthemaverbot. Das bedeutet, dass Beweis über ein bestimmtes Thema im Verfahren nicht erhoben werden darf, weil dieses entweder irrelevant für die Fallentscheidung ist und dies von vorne herein abgesehen werden konnte oder aber Beweis über eine Tatsache erhoben werden soll, die nicht bewiesen werden kann, so zum Beispiel das Wetter an einem bestimmten Tag.
In der Praxis von weitaus höherer Relevanz aber ist die Aussage eines Beamten, beispielsweise eines Finanzbeamten.
Grundsätzlich haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren,155 das heißt, sie dürfen nicht unbefugt Verhältnisse eines anderen, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind, offenbaren oder verwerten. Allerdings ist eine Offenbarung zulässig, soweit dies für Verwaltungs-, Rechnungsprüfungs-, oder gerichtliche Steuerverfahren, sowie für Straf- oder Bußgeldverfahren notwendig, dies gesetzlich zugelassen ist, der Betroffene zustimmt oder zum Beispiel ein Strafverfahren außerhalb von Steuerangelegenheiten geführt werden soll, in dem diese Informationen benötigt werden. Darüber hinaus dürfen oben genannte Informationen offenbart werden, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, wie zum Beispiel bei der Verfolgung von Kapitalverbrechen oder schwersten Wirtschaftsstraftaten, oder aber wenn die Offenbarung notwendig ist, um Falsche, in der Öffentlichkeit verbreitete Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern, richtig zu stellen.156
Trotz allem darf ein Finanzbeamter nicht einfach zu Themen aussagen, wenn er danach gefragt wird, vielmehr bedarf es einer Aussagegenehmigung durch seinen Vorgesetzten. Im Strafverfahren, und damit auch in Steuerstrafverfahren, auf die die Vorschriften der allgemeinen Strafgesetze grundsätzlich anwendbar157 sind, stützt sich diese Vorschrift auf § 54 StPO.158 Durch diese Regelung wird die Verschwiegenheitspflicht, die sich für Finanzbeamte, wie oben beschrieben aus § 30 Abs. I AO ergibt, änderungsfrei auf das Strafverfahrensrecht übertragen. Allerdings schütze, Meyer-Goßner zu Folge, diese Vorschrift lediglich öffentliche Geheimhaltungsinteressen, nicht amtlich bekannt gewordene Privatgeheimnisse,159 das Steuergeheimnis sei daher nicht davon betroffen. Eine Pflicht, das Steuergeheimnis zu wahren ergebe sich vielmehr direkt aus § 30 AO.160 Dies sei allerdings umstritten, daher ist, zumindest begrenzt, auch § 54 StPO Bedeutung zuzumessen.
Aus oben genannten Vorschriften ergibt sich allerdings, in Verbindung mit § 161 StPO, ein Beweiserhebungsverbot.161162
Demnach sei schon aufgrund des Bundes-163 oder Landesrechts164 die Verschwiegenheitspflicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die Verfassungsrang165 genießen, zu zählen.166 Angestellte des öffentlichen Dienstes sind dagegen gemäß § 9 BAT oder aber § 30 Abs. III AO ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet.167
Von dieser Verschwiegenheitspflicht muss der potentielle Zeuge durch Aussagegenehmigung entbunden werden, dafür zuständig ist der jeweilige Dienstvorgesetzte.168 Die Einholung der Aussagegenehmigung darf allerdings nicht dem zu Vernehmenden aufgetragen werden, vielmehr ist dafür die vernehmende Stelle zuständig, die dies in der Regel schriftlich beantragt.169
Eine Versagung der Genehmigung ist zwar nur zum Wohle von Bund und Ländern170171 zulässig, allerdings darf der Beamte auch nicht weiter aussagen, als die Aussagegenehmigung reicht. Die Folge einer Genehmigungsversagung ist, dass der Beamte als zulässiges Beweismittel ausscheidet.172
Eine Vernehmung als Zeuge, obwohl keine Aussagegenehmigung erteilt wurde, oder aber über die Aussagegenehmigung hinaus, zieht regelmäßig, als Beweiserhebungsverbot, ein Beweisverwertungsverbot für die aus der Aussage gezogenen Erkenntnisse nach sich.
4.1.2 Beweismittelverbot
Ein weiteres Beweiserhebungsverbot ist das so genannte Beweismittelverbot. Dabei ist ein bestimmtes Beweismittel, beispielsweise die Zeugenaussage im Urkundsprozess, kein zulässiges Beweismittel und unterliegt insoweit einem, hier speziellen, Beweiserhebungsverbot, während aus anderen Quellen, also der Urkunde, Beweis gezogen werden darf.
Ein anderes Beweismittelverbot ist die Vernehmung von Parteien als Zeugen im Zivilprozess, allerdings hat dies eher theoretische Bedeutung, da zwar aus der Parteivernehmung als Zeugen ein Beweisverwertungsverbot folgt, aber die Partei immer noch als Partei vernommen werden kann.173
Relevant für das Steuerstrafrecht ist aber vor allem der so genannte Lauschangriff. Als Lauschangriff wird das Abhören von Wohnungen (großer Lauschangriff wegen des hohen Eingriffsgehalts in ein Grundrecht) und das Abhören von öffentlichen Plätzen und Anlagen (kleiner Lauschangriff) bezeichnet.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts174 ist es zwar zulässig, bei besonders schweren Straftaten Wohnungen von mutmaßlichen Tätern mittels technischer Hilfsmittel abzuhören, obwohl dies eine Verletzung der Menschenwürde wäre, allerdings haben die Richter eine Reihe von Vorschriften zur Durchführung eben dieses großen Lauschangriffes als verfassungswidrig und unzulässig erklärt.
Auswirkungen auf das Steuerrecht hat insbesondere die Tatsache, dass die Höchststrafe für eine der oben genannten, besonders schweren Straftaten, mehr als fünf Jahre Freiheitsstrafe betragen muss, damit ein derartiger Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Menschenwürde, wie bei einer akustischen Wohnraumüberwachung, zulässig ist.
Da einfache Steuerhinterziehung, oder die gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens175 aber in der Höchststrafe mit fünf Jahren176 bestraft wird, entfaltet sich hierbei ein Beweismittelverbot, was den so genannten großen Lauschangriff angeht, der auch hierbei ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.
Davon ausgenommen sind freilich die Spezialtatbestände der besonders schweren177 oder aber der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung178, die in den Höchststrafen bei jeweils zehn Jahren Freiheitsstrafe liegen.
4.1.3 Beweismethodenverbot