Bewertung und Verstärkung von Stahlbetontragwerken - Werner Seim - E-Book

Bewertung und Verstärkung von Stahlbetontragwerken E-Book

Werner Seim

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Beschreibung

Die Ertüchtigung vorhandener Bauwerke stellt einen zunehmenden Teil der Planungsaufgaben in der Praxis der Bauingenieure und Architekten dar. Das vorliegende Buch vermittelt die notwendigen Kenntnisse über die verschiedenen Methoden der Zustandserfassung von Bauteilen und Tragwerk und der Planung von Ertüchtigungsmaßnahmen. Ein Überblick über die Entwicklung der Stahlbetonbauweise mit ihren Bemessungsregeln und der Materialforschung hilft bei der Bewertung von Bestandsunterlagen und der Einordnung bestehender Tragstrukturen und -elemente. Zahlreiche anschauliche Beispiele machen es zu einem unverzichtbaren Leitfaden für die Praxis und zu einem wertvollen Begleiter für das Studium.

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Seitenzahl: 267

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

1 Konstruktionsgeschichte

1.1 Römischer Beton

1.2 Portlandzement und Stampfbeton

1.3 Die Eisenbetonbauweise

1.4 Die Spannbetonbauweise

1.5 Fertigteile

1.6 Zeittafel

2 Zuverlässigkeit von Tragwerken

2.1 Angewandte Statistik

2.2 Zuverlässigkeit von Stichproben

2.3 Sicherheitskonzepte für Tragwerke

2.4 Sicherheitsbeiwerte für bestehende Tragwerke

2.5 Rechenbeispiele

3 Beton und Stahl

3.1 Beton

3.2 Betonstahl

3.3 Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen

3.4 Rechenbeispiele

4 Baustatik und Bemessung

4.1 Elastizität und Plastizität

4.2 Schnittgrößen und Beanspruchungen

4.3 Bauteilwiderstände und Tragfähigkeiten

4.4 Rechenbeispiele

5 Zustandserfassung

5.1 Bauteilgeometrie und Oberflächen

5.2 Materialkennwerte

5.3 Dokumentation

6 Bewertung der Tragfähigkeit

6.1 Rechnerische Bewertung der Tragfähigkeit

6.2 Experimentelle Verfahren

6.3 Bauwerksüberwachung

6.4 Rechenbeispiele

7 Instandsetzung und Reparatur von Betonbauteilen

7.1 Vorbereitung der Instandsetzung

7.2 Vorbereitung des Betonuntergrundes

7.3 Vorbereitung der Bewehrung

7.4 Instandsetzungs- und Reparaturmörtel

7.5 Füllen von Rissen und Hohlräumen

7.6 Oberflächenschutzsysteme

8 Nachträgliche Verstärkung mit Beton und Spritzbeton

8.1 Technologische Grundlagen

8.2 Nachträgliche Verstärkung von Platten und Balken

8.3 Verstärkung von Stützen

8.4 Rechenbeispiele

9 Nachträgliche Verstärkung mit geklebten Faserverbundwerkstoffen

9.1 Klebetechnologie und Faserverbundwerkstoffe

9.2 Verstärkung von Stahlbetonplatten und -balken

9.3 Umschnürung von Druckgliedern und Rahmenecken

9.4 Ausführung und Qualitätssicherung von Klebearbeiten

9.5 Rechenbeispiele

Literatur

Stichwortverzeichnis

200 Jahre Wiley – Wissen für Generationen

John Wiley & Sons feiert 2007 ein außergewöhnliches Jubiläum: Der Verlag wird 200 Jahre alt. Zugleich blicken wir auf das erste Jahrzehnt des erfolgreichen Zusammenschlusses von John Wiley & Sons mit der VCH Verlagsgesellschaft in Deutschland, einschließlich des Ernst & Sohn Verlages für Architektur und technische Wissenschaften, zurück. Seit Generationen vermitteln Wiley und Wiley-VCH als auch Ernst & Sohn die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und technischer Errungenschaften in der jeweils zeitgemäßen medialen Form.

Jede Generation hat besondere Bedürfnisse und Ziele. Als Charles Wiley 1807 eine kleine Druckerei in Manhattan gründete, hatte seine Generation Aufbruchsmöglichkeiten wie keine zuvor. Wiley half, die neue amerikanische Literatur zu etablieren. Etwa ein halbes Jahrhundert später, während der „zweiten industriellen Revolution“ in den Vereinigten Staaten, konzentrierte sich die nächste Generation auf den Aufbau dieser industriellen Zukunft. Wiley bot die notwendigen Fachinformationen für Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler. Das ganze 20. Jahrhundert wurde durch die Internationalisierung vieler Beziehungen geprägt – auch Wiley verstärkte seine verlegerischen Aktivitäten und schuf ein internationales Netzwerk, um den Austausch von Ideen, Informationen und Wissen rund um den Globus zu unterstützen.

Wiley begleitete während der vergangenen 200 Jahre viele Generationen und fördert heute den weltweit vernetzten Informationsfluss, damit auch unsere global wirkende Generation ihre Ansprüche erfüllen kann und ihr Ziel erreicht. Immer rascher verändert sich unsere Welt, und es entstehen neue Technologien, die unser Leben und Lernen zum Teil tief greifend verändern. Beständig nimmt Wiley diese Herausforderungen an und stellt für Sie das notwendige Wissen bereit, das Sie neue Welten, neue Möglichkeiten und neue Gelegenheiten erschließen lässt.

Generationen kommen und gehen: Aber Sie können sich darauf verlassen, dass Wiley Sie als beständiger und zuverlässiger Partner mit dem notwendigen Wissen versorgt.

William J. Pesce

President and Chief Executive Officer

Peter Booth Wiley

Chairman of the Board

Prof. Dr.-Ing. Werner SeimFachgebiet Bauwerkserhaltung und HolzbauInstitut für Konstruktiven IngenieurbauUniversität KasselKurt-Wolters-Straße 334125 Kassel

Titelbild: Linachtalsperre (Vöhrenbach im Schwarzwald), vor der Sanierung, 2001

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN: 978-3-433-01817-0

© 2007 Ernst & SohnVerlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden.

All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form – by photoprint, microfilm, or any other means – nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publisher.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie als solche nicht eigens markiert sind.

Umschlaggestaltung: blotto, BerlinDruck: Strauss GmbH, MörlenbachBindung: Litges & Dopf Buchbinderei GmbH, Heppenheim200-Jahr-Logo: Richard J. Pacifico

Vorwort

Bezogen auf das gesamte Bauvolumen ist der Anteil reiner Neubauten rückläufig. Unterschiedliche Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil der Baumaßnahmen im Bestand am gesamten Bauvolumen derzeit etwa 60 % beträgt. Es wird als realistisch angesehen, dass sich dieser Anteil in den kommenden Jahren auf bis zu 70 % erhöhen wird.

Baustoffindustrie, Baufirmen und Handwerker haben sich auf den veränderten Markt längst eingestellt; das gilt auch für viele Universitäten und Hochschulen, die spezielle Kurse und Vertiefungsrichtungen anbieten. Die Fachliteratur zum Thema „Bauwerkserhaltung“ ist so umfangreich, dass es schwer wird, die Übersicht zu bewahren.

Dennoch scheint es, dass das Thema „Bewertung und nachträgliche Verstärkung von Stahlbetontragwerken“ bisher etwas zu kurz gekommen ist. Das mag zum einen daran liegen, dass in den vergangenen Jahren die Einführung neuer Normkonzepte die Aufmerksamkeit auf sich zog. Zum anderen gab es bei der Verstärkungstechnologie mit der Anwendung der Klebetechnik eine geradezu sprunghafte Entwicklung.

Das vorliegende Buch soll helfen, diese Lücke zu schließen. Mein Ziel war es, Erfahrungen aus der Praxis, aus der Lehre und aus der Bearbeitung von Forschungsprojekten einzubringen und zusammenzufassen. Dabei war es mir wichtig, die Themen der neun Kapitel in die Grundsystematik einzubinden, die von Klaus Pieper vor über 40 Jahren mit „Anamnese – Diagnose – Therapie“ zeitlos treffend aus der Medizin für den Umgang mit bestehenden Bauwerken übernommen wurde.

Das erste Kapitel gibt einen gestrafften Überblick zur Konstruktionsgeschichte, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, was den Planer im Bestand erwarten kann. Die Grundlagen zur Zuverlässigkeit von Tragwerken werden im zweiten Kapitel soweit dargestellt, wie sie für die Definition und das Verständnis von Teilsicherheitsbeiwerten und für die Bewertung von am Bauwerk gewonnenen Stichproben erforderlich sind. Neben den wichtigsten Grundlagen zur Werkstoffmechanik und zur Dauerhaftigkeit von Beton und Stahl enthält das dritte Kapitel einige Hinweise auf die historischen Wurzeln dieser Erkenntnisse. Das vierte Kapitel dokumentiert die wichtigsten Entwicklungsschritte im Zusammenhang mit der Baustatik und Bemessung von Stahlbetontragwerken. Ein grundlegendes Verständnis dieser ingenieurgeschichtlichen Meilensteine ist unerlässlich, wenn man Bestandsunterlagen verstehen und interpretieren muss. Die wichtigsten Hilfsmittel für eine Zustandserfassung und die Systematik dazu werden im fünften Kapitel vorgestellt und erläutert. Das sechste Kapitel enthält zahlreiche Hinweise zur Bewertung der Tragfähigkeit von Stahlbetontragwerken und zur Quantifizierung von Tragreserven. In diesem Zusammenhang werden auch experimentelle Verfahren beschrieben und es werden einige Grundlagen zur Bauwerksüberwachung eingeführt. Das siebte Kapitel Instandsetzung und Reparatur von Betonbauteilen ist sehr kurz gefasst. Zu diesem Thema kann auf das umfangreiche Fachschrifttum verwiesen werden. Die beiden abschließenden Kapitel Nachträgliche Verstärkung mit Beton und Spritzbeton und Nachträgliche Verstärkung mit geklebten Faserverbundwerkstoffen sind ähnlich aufgebaut. Es werden zuerst einige technologische Grundlagen zur Spritzbetonbauweise bzw. zum Kleben von Faserver bundwerkstoffen eingeführt. Darauf aufbauend werden die Grundlagen der Bemessung von Verstärkungsmaßnahmen erläutert und es werden Hinweise für die Ausführung und Überwachung entsprechender Maßnahmen gegeben.

Bei meiner Arbeit haben mich zahlreiche Kollegen und Mitarbeiter unterstützt:

Gerhard Mehlhorn hat das Manuskript vollständig durchgesehen und es durch Korrekturen und kollegiale Hinweise an vielen Stellen verbessert.

Dirk Matzdorff, Jan Rassek und Karsten Schilde haben ihre vertieften Kenntnisse zu den Themen Spritzbeton, Zustandserfassung und geklebte Verstärkungen in die entsprechenden Kapitel eingebracht.

Peter Machner und Wolfgang Römer haben mich in zahlreichen Gesprächen an ihrer Erfahrung mit altem Beton und altem Stahl teilhaben lassen.

Von meinen Mitarbeitern Heiko Koch, Uwe Pfeiffer und Martin Schäfers wurden die Rechenbeispiele durchgesehen und die didaktischen Konzepte kritisch hinterfragt.

Vanessa Thurau und Silvia Bruch haben aus meinen Skizzen anschauliche Abbildungen entwickelt.

Marianne Aschenbrenner hat mit großer Sorgfalt handschriftliche Texte, Tabellen und Formeln für meine Vorlesungsmanuskripte getippt.

Claudia Ozimek hat als Lektorin die Entstehung des Buches mit großer Geduld und seine Fertigstellung mit dem nötigen Nachdruck begleitet.

Ihnen allen danke ich sehr herzlich.

Wenn es mir insgesamt gelungen ist, die Inhalte klar nachvollziehbar, theoretisch fundiert und so darzustellen, dass sie für die Praxis zu gebrauchen sind, so verdanke ich das nicht zuletzt meinen Lehrern Bruno Thürlimann und Fritz Wenzel.

Kassel, im Juni 2007

Werner Seim

Abkürzungsverzeichnis

Indizes

RBauteilwiderstandEEinwirkungSStahlCBetonfFaserverbundwerkstoffLKohlefaserlamelleGEigengewichtQveränderliche EinwirkungdBemessungswertkcharakteristischer WertmMittelwert0Kräfte, Spannungen, Dehnungen vor einer Verstärkung

Statistik und Sicherheitsbeiwerte

Mittelwert einer StichprobenUmfang einer Stichprobeμminunterer Grenzwert des Mittelwerts der Grundgesamtheitμmaxoberer Grenzwert des Mittelwerts der GrundgesamtheitSxStandardabweichung einer StichprobeσxStandardabweichung einer Grundgesamtheitxf,pFraktilwert mit der Wahrscheinlichkeit pxq,pQuantilwert mit der Wahrscheinlichkeit pβSicherheitsindexp fVersagenswahrscheinlichkeitVVariationskoeffizientαWichtungsfaktorvSicherheitsfaktorγTeilsicherheitsbeiwert

Geometrie

hGesamthöhe des Bauteils, Höhe eines ProbekörpersbQuerschnittsbreiteB0minimale Querschnittsbreiteb effmitwirkende Plattenbreite für eine PlattenbalkendDurchmesser eines Probekörpersdstatisch wirksame Höhe bezogen auf die Stahlbewehrungd fstatisch wirksame Höhe bezogen auf den FaserverbundwerkstoffxHöhe der BetondruckzonexdHöhe der BetondruckzoneZinnerer HebelarmAsQuerschnittsfläche der StahlbewehrungasQuerschnittsfläche der Stahlbewehrung je LängeneinheitdsDurchmesser eines BewehrungsstahlsAfQuerschnittsfläche des FaserverbundwerkstoffstfDicke des FaserverbundwerkstoffsbfBreite des FaserverbundwerkstoffsSfAchsabstand einzelner Streifen des FaserverbundwerkstoffsAbQuerschnittsfläche des BetonsAkKernfläche einer StützeAeffeffektiv umschnürte Fläche einer StützeγWinkel der BetondruckstrebeαWinkel der SchubbewehrungeExzentrizitätfAusmitte1/rQuerschnittskrümmungsrmmittlerer Rissabstand

Werkstoffe

zul σbzulässige Betondruckspannungzulσezulässige StahlspannungEbElastizitätsmodul des BetonsEsElastizitätsmodul des StahlsELkcharakteristischer Wert des Elastizitätsmoduls einer KohlefaserlamelleELmMittelwert des Elastizitätsmoduls einer KohlefaserlamelleβW,aDruckfestigkeit eines Betonwürfels mit der SeitenlängeaβPDruckfestigkeit eines BetonprismaskbDruckfestigkeit eines BetonprismasβRRechenwert der BetondruckfestigkeitβWSSerienfestigkeit, entspricht dem Mittelwert der Würfeldruckfestigkeitfc, cube, aDruckfestigkeit eines Betonwürfels mit der Seitenlängeafc, cube, a, dryDruckfestigkeit eines Betonwürfels mit der Seitenlängea , trocken gelagertfckcharakteristischer Wert der BetondruckfestigkeitfcmMittelwert der BetondruckfestigkeitfcdBemessungswert der einaxialen Druckfestigkeit des Betonsfctzentrische Zugfestigkeit des BetonsfctoOberflächenzugfestigkeit des BetonsβctRauigkeitsbeiwert, HaftbeiwertμReibungsbeiwert oder bezogenes Biegemomentfykcharakteristischer Wert der Streckgrenze des Betonstahlsfsykcharakteristischer Wert der Streckgrenze des Betonstahlsfpykcharakteristischer Wert der Streckgrenze des SpannstahlsfydBemessungswert der Streckgrenze des BetonstahlsfLkcharakteristischer Wert der Zugfestigkeit einer Kohlefaserlamelleffkcharakteristischer Wert der Zugfestigkeit eines FaserverbundwerkstoffsffdBemessungswert der Zugfestigkeit eines Faserverbundwerkstoffsfck, ischarakteristische Druckfestigkeit des Bauwerksbetonsfm(n),isMittelwert der Stichprobefis, niedrigstKleinstwert der Stichprobefc,is,Bohrkern,aDruckfestigkeit eines Bohrkerns mit der Seitenlängea und der HöheaεcDehnung des BetonsεsDehnung des Stahlsεukcharakteristischer Wert der Dehnung bei Höchstlastεfueeffektive Grenzdehnung des Faserverbundwerkstoffsgrenz εLeffektive Grenzdehnung einer KohlefaserlamellewWasseraufnahmekoeffizient

Baustatik und Bemessung

MuBruchmomentMyFließmomentMstStützmomentMFFeldmomentQQuerkraftVQuerkraftvQuerkraft, auf eine Strecke bezogenZsZugkraft im BewehrungsstahlFsdBemessungswert der Zugkraft des BetonstahlsZfZugkraft im FaserverbundwerkstoffFfdBemessungswert der Zugkraft eines FaserverbundwerkstoffsDbBetondruckkraftFcdBemessungswert der Druckkraft in der BetondruckzoneFcdjBemessungswert des über die Fuge zu übertragenden LängskraftanteilsFcdBemessungswert der Gurtlängskraft infolge Biegungτ0Grundwert der SchubspannungωKnickzahlσkKnickspannungσNdNormalkraft senkrecht zur Fuge infolge äußerer LastΘEerforderliche plastische RotationΘpl,d,oGrundwert der möglichen plastischen RotationΘpl,dmögliche plastische RotationΘNeigung der DruckstrebeαWinkel der Querkraftbewehrung zur BauteilachseλSchlankheit einer Stütze oder SchubschlankheitλqBeiwert zur Ermittlung der effektiv umschnürten FlächeλlBeiwert zur Ermittlung der effektiv umschnürten FlächekλKorrekturfaktor zur Berücksichtigung der SchubschlankheitδFaktor zur Momentenumlagerung

1 Konstruktionsgeschichte

Alles an diesem Teil Italiens ist seltsam, dachte er. Sogar die rostrote Erde in der Umgebung von Puteoli hatte etwas Magisches; wenn man sie mit Kalk vermischte und ins Meer warf, verwandelte sie sich in Stein. Dieses Puteolanum, wie es zu Ehren seines Herkunftsortes genannt wurde, war die Entdeckung, die Rom verwandelt hatte. Außerdem hatte es seiner Familie ihren Beruf ermöglicht, denn was früher mühsam aus Ziegeln und Stein konstruiert werden musste, konnte jetzt über Nacht gebaut werden.

(aus: Robert Harris, Pompeji)

1.1 Römischer Beton

Ob die betontechnologischen Kenntnisse der Römer Ergebnis systematischen Experimentierens waren oder ob die Entdeckung der hydraulischen Wirksamkeit der am Golf von Neapel vorgefundenen Puzzolane eher zufälliger Natur war, bleibt heute weitestgehend der Spekulation überlassen. Tatsache ist, dass die Verwendung von Beton den Aufbau der Infrastruktur des römischen Weltreiches ganz entscheidend vorangebracht hat. Dabei konnten die römischen Baumeister auf Naturbeobachtungen und auf Erfahrungen anderer Völker des Altertums zurückgreifen: Sowohl Breccien als auch Nagelfluh sind verfestigte Sedimentgesteine, deren natürliche Erscheinungsformen einem Beton sehr nahe kommen. Die „Zuschläge“ – das sind in diesem Fall rollige Kiese oder eckige Gesteins- und Mineralstücke, werden durch tonige, kalkige oder kieselige Bindemittel verkittet und verfestigt.

Auf der anderen Seite reichen die Erfahrungen mit hydraulischen Mörteln bis zu den Phöniziern zurück, die schon um 1000 v. Chr. fein gemahlenes Ziegelmehl mit Luftkalk mischten. Später verwendeten die Griechen als Bindemittel für ihr Gussmauerwerk (Emplekton) gemahlenes vulkanisches Gestein der Insel Santorin. Noch ältere Zeugnisse der Verwendung hydraulischer Bindemittel sollen in den Karpaten bei Lepenski Vir als Estrichplatten erhalten sein [28].

Sicher kam den Römern zugute, dass die Lagerstätten der als natürliche hydraulische Bindemittel verwendeten vulkanischen Tuffe in Puzzolaneum (heute: Pozzuoli) am Golf von Neapel vergleichsweise verkehrsgünstig lagen. So konnten die Puzzolane auf dem Seeweg einfach verschifft werden. Es wurden aber auch alternative Lagerstätten erkundet. In Germanien wurde man in der Eifel fündig. Und so wurde für den Beton der römischen Bauten in Trier und Köln vorwiegend Trass als Bindemittel verwendet. Dass hydraulische Bindemittel unter Wasser erhärten, widerstandsfähig gegen Feuchteeinwirkung bleiben und im Vergleich zum Luftkalk auch höhere Druckfestigkeiten entwickeln, waren Vorteile, die das neue Material vor allem im Hafenbau sowie bei der Errichtung von Wasserleitungen (Bild 1-1) und Zisternen zum Einsatz kommen ließ. Aber auch beim Bau massiver Wand- und Gewölbekonstruktionen war es jetzt erst möglich, eine mehr oder weniger gleichmäßige Festigkeit über den gesamten Querschnitt und gleichzeitig eine hohe Dauerhaftigkeit zu erreichen. Der im frühen Altertum verbreitete Luftkalkmörtel benötigt CO2 – das im Allgemeinen aus der Umgebungsluft kommt – zum Erhärten. Der eingeschränkte Luftzutritt zum Innern massiver Bauteile hat zur Folge, dass dort die Erhärtung nicht oder nur außerordentlich langsam voranschreiten kann.

Bild 1-1 Römische Wasserleitung, Detail

Zu den materialtechnologischen Vorteilen des Betons treten auch arbeitstechnologische und damit ökonomische Aspekte. Nach wie vor war der Mauerwerksbau eine Konstruktionsform, die von Römern vor allem im Brückenbau beherrscht und weiterentwickelt wurde. Allerdings erfordert diese Bauweise gutes Material und ausgebildete Fachleute auf der Baustelle. Es ist gut nachvollziehbar, dass sich der Beton auch für Wände und gewölbte Konstruktionen durchsetzte, wenn ein geeignetes Bindemittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung stand und wenn man sich einen schnelleren und kostengünstigeren Bauablauf versprach. Das wird insbesondere bei den römischen mehrschaligen Wandbauweisen deutlich. Hier werden die steinsichtigen Oberflächen im wahrsten Sinne des Wortes mehr und mehr ausgedünnt. Tragende Funktion übernimmt ausschließlich der Kern aus Beton. Wandkonstruktionen, bei denen ganz auf Außenschalen aus Natur- oder Ziegelsteinen verzichtet wurde, nannte man „opus caementitium“. Mit diesem Begriff wird heute häufig römischer Beton ganz allgemein bezeichnet. Andere mehrschalige Mauerwerkskonstruktionen mit sichtbaren Außenschalen aus behauenem Naturstein und Ziegeln werden nach ihren Fugenmustern unterschieden: Beispiele sind „opus reticulatum“ und „opus spicatum“, bei dem die Steine in der Diagonalen bzw. in einem Fischgrätmuster verlegt wurden. Beim „opus incertum“ bestehen die Außenschalen aus unbehauenen Bruchsteinen (Bild 1-2).

Bild 1-2 Römische Wandkonstruktionen: a) nach Piranesi (1756) [6], b) opus incertum, c) opus reticulatum (Außenschale verwittert) [5]

Charakteristisch für römischen Beton sind die Einbettung größerer Zuschläge (Ausfallkörnung) sowie die Verwendung von Ziegelsplitt. Bei systematischen Untersuchungen an Materialproben aus gut erhaltenen Bauwerken ergaben sich Rohdichten zwischen 1,7 und 2,0 kg/dm³. Die Druckfestigkeiten lagen in der Größenordnung zwischen etwa 6 und 20 N/mm² [5].

Gelegentlich finden sich in römischem Beton auch Eiseneinlagen in Form von Klammern oder geschmiedeten Bändern. Meist war hierbei wohl beabsichtigt, im Bereich von Fugen einen Verbund herzustellen. Gelegentlich – so z. B. bei einer Heizungsanlage – kann man die vorhandenen Eisenbänder auch als Versuch deuten, bei erhöhter thermischer Beanspruchung eine bessere Verteilung der Risse zu erzielen. Systematisch bewehrt wurde der Beton der Römer nicht. Das ist mit ein Grund dafür, dass zahlreiche Zeugnisse dieser Konstruktionsform bis heute sehr gut erhalten sind: Da keine Bewehrung eingelegt wurde, gibt es auch keine Bewehrungskorrosion.

Im deutschsprachigen Raum finden wir die wichtigsten Zeugnisse dieser Zeit in Köln (Stadtmauer, Hafenspeicher, Eifel-Wasserleitung) und Trier (Basilika, Dom, Kaisertherme).

Von den römischen Bauten in Italien sollen hier nur zwei wichtige Beispiele genannt werden: Eines der ältesten Zeugnisse für den Einsatz von Beton im konstruktiven Ingenieurbau sind die Hafenanlagen von Cosa aus dem 2. Jh. v. Chr., etwa 120 km nördlich von Rom gelegen. Das eindrucksvollste Bauwerk aus Beton, das uns die Antike hinterlassen hat, ist wohl das Pantheon (2. Jh. n. Chr.). Die Kuppel überspannt 43 m mit einer Gesamtdicke, die von etwa 3,70 m am Auflager auf etwa 1,30 m im Scheitel abnimmt (Bild 1-3). Der Beton wurde mit Zuschlägen aus Tuff und Bims hergestellt, um die Eigenlast der Konstruktion zu reduzieren. Die räumliche Wirkung des Bauwerks wird davon geprägt, dass für die Wandhöhe des Rundbaus und für den Radius der Kuppel identische Abmessungen gewählt wurden. Mit anderen Worten: eine Kugel mit einem Durchmesser, der der Spannweite der Kuppel entspricht, ließe sich in den Raum einschreiben. Diese Meisterleistung der Ingenieurbaukunst blieb bis zur Renaissance unübertroffen.

Einen vergleichbaren Umgang mit Kräften und Baumassen findet man erst wieder bei Brunelleschi, der 1420 das Bauprogramm für die Kuppel des Domes in Florenz vorlegt. Als Konstruktionsmaterial werden nun Ziegelmauerwerk und Natursteinmauerwerk verwendet. Beton steht als Werkstoff nicht mehr zur Verfügung, da die Kenntnisse der Römer in Vergessenheit geraten sind. Brunelleschi muss also mit dem Mauerwerk auf eine Konstruktionsform zurückgreifen, die die Römer für Kuppeln und Gewölbe schon überwunden hatten.

Besonders deutlich wird dieser Wissensverlust auch bei der mehrschaligen Wandbauweise. Diese Konstruktionsform wird im Mittelalter beibehalten. Allerdings werden die sichtbaren Außenschalen wieder dicker und übernehmen die tragende Funktion. Was man im Inneren dieser Konstruktionen vorfindet, ist eine schlechte Imitation des Betons: Abfallstücke der Steinmetzen und Maurer werden mehr oder weniger gut mit Kalkmörtel gemischt und in den Zwischenraum zwischen innerer und äußerer Schale eingebracht. Dieser Kern übernimmt nur eine untergeordnete bis gar keine Tragfunktion.

Nachdem man in der Renaissance begonnen hatte, Bauten und Bauformen der Antike zu studieren, erwacht auch das Interesse an der Bautechnik der Römer. Zeitgenössische Mörtelrezepturen mit Eiern, Käse, Quark, Essig und ähnlichen organischen Beigaben tragen eher den Charakter alchimistischer Experimente. Aber auch Puzzolane und Trass als hydraulische Bindemittel waren nicht völlig in Vergessenheit geraten; ihre Verwendung blieb allerdings regional beschränkt. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang der Export des Eifeltrasses nach Holland zu nennen, wo er vor allem für Wasserbauten verwendet wurde. Es blieb dem Organisationstalent und den Kenntnissen des örtlichen Baumeisters überlassen, den Trass zu besorgen und ihn im richtigen Mischungsverhältnis dem Mörtel beizugeben. Erst im 18. und 19. Jh. begann man, die Wirkungsweise der hydraulischen Bindemittel systematisch zu erforschen und einer breiten Anwendung zuzuführen.

Bild 1-3 Querschnitt durch das Pantheon (erbaut 2. Jh. n. Chr.) [4]

1.2 Portlandzement und Stampfbeton

Wie auf allen Gebieten der Technik, setzt die industrielle Revolution auch im Bauwesen ein bis dahin nicht gekanntes Tempo bei den technischen Innovationen in Gang. Und wie bei nahezu allen bedeutenden technischen Entwicklungen sind in dieser Zeit auch die Entwicklungen im Bauwesen direkt mit dem Einfallsreichtum und der Schaffenskraft einzelner Personen verknüpft.

So war es John Smeaton (1724–1792), der 1756 mit dem Neubau des Edystone-Leuchtturms bei Plymouth begann (Bild 1-4a). Zuvor hatte er systematische Versuche zu den hydraulischen Eigenschaften des Plymouthkalkes durchgeführt und dabei die Bedeutung des Tonanteiles festgestellt. Beim Bau des Leuchtturms wählte er dann als Bindemittel für den Mörtel eine Mischung, die zu gleichen Teilen aus tonhaltigem Alberthaw-Kalk und aus aus Italien importierter Puzzolanerde bestand. Seine Ergebnisse wurden später sowohl in Frankreich als auch in England aufgegriffen, mit der Konsequenz, dass man nun als Grundstoff für das Brennen ganz gezielt natürliche Kalkvorkommen mit hohen Tonanteilen verwendete. Die entsprechenden Produkte – genau genommen immer noch hydraulische Kalke – wurden gelegentlich schon als Romancement bezeichnet. Smeatons Leuchtturm wurde 1882 abgebrochen, Stein für Stein nach Plymouth gebracht und dort als Denkmal wiederaufgebaut. Aufgrund von Rissen in den Klippen war die Standsicherheit der Gründung in Frage gestellt. Einziges Relikt vor Ort blieb der Stumpf des Turmschafts, der heute noch zu sehen ist.

Bild 1-4 a) zeitgenössische Darstellung des Edystone-Leuchtturms [3], b) Schalungstechnik des Pisébaus nach Rondelet [3]

Ein entscheidender Forschritt war erreicht, als der englische Bauunternehmer Joseph Aspdin (1779–1855) erstmals eine Mischung von Ton und Kalksteinen brannte. Mit dem Begriff Portlandzement, den er einführte, wollte er deutlich machen, dass es das Endprodukt, das unter Verwendung seines Bindemittels hergestellt wird, durchaus mit dem sprichwörtlich widerstandsfähigen natürlichen Portlandstein aufnehmen kann. Dieser Kalkstein, der auf der Halbinsel Portland abgebaut wird, galt in England als besonders hochwertiges Baumaterial. 1824 lässt sich Aspdin sein Verfahren patentieren. In den folgenden Jahren leitet Isaak Charles Johnson (1811–1911) durch umfangreiche Versuchsreihen ein optimales Mischungsverhältnis von Ton und Kalk her. Er fordert darüber hinaus höhere Brenntemperaturen bis zur Sinterung der Klinker, wodurch die Qualität des Portlandzements nochmals eine entscheidende Stufe nimmt. Weitere Untersuchungen, auch im deutschsprachigen Raum, befassen sich vor allem mit der chemischen Analyse der Komponenten und der Qualitätssicherung des Endproduktes. Man kann davon ausgehen, dass auf der Grundlage dieses Wissens seit 1844 Zement zur Verfügung stand, der unseren heutigen Qualitätsanforderungen standhält. Das gilt auch für die Produkte des ersten Zementwerkes in Deutschland, das 1855 in Züllchow bei Stettin gebaut wurde.

Heftige Diskussionen brachen aus, als 1879 einem Portlandzement erstmals Hüttensand beigemischt wurde. Die industrielle Verwertung der bis dahin wertlosen Hochofenschlacke brachte erhebliche Kostenvorteile. Der Streit entzündete sich daran, ob die latent hydraulischen Schlacken in der Mischung mit Portlandzement wirksam werden oder nicht. Oder anders ausgedrückt, ob das Beimischen als Verbesserung oder als Strecken des Ausgangsproduktes anzusehen ist. Der Streit führte zur Aufspaltung des Verbandes der Zementindustrie und zur heute noch gültigen Definition der drei Produktgruppen: Neben dem „reinen“ Portlandzement (Anteil der Beimischung < 2 %), gibt es den Eisenportlandzement (Anteil der Hochofenschlacke bis 30 %) sowie den Hochofenzement (Anteil der Hochofenschlacke bis 50 %).

Für was wurde nun der neue Werkstoff genutzt? Man versuchte, in erster Linie bekannte Techniken und Konstruktionsprinzipien zu verbessern. Schon zuvor hatte man, vor allem im Brückenbau und bei Gründungen, durch das Beifügen von Ziegelmehl, beim Kalkmörtel gewisse hydraulische Eigenschaften erzielt. Mit der Beigabe von Zement hatte man nun einen Mörtel zur Verfügung, der zuverlässig unter Wasser erhärtete. Aufgrund der besseren Festigkeitsentwicklung erhöhte sich auch die Tragfähigkeit der Fugen, was zu einem wirtschaftlichen Vorteil hinsichtlich geringerer Toleranzen bei der Bearbeitung der Steinflächen führte. Schnelleres Abbinden des Zementanteils verkürzte die Bauzeit.

Die sogenannte Pisétechnik (Bild 1-4b)) – eine Konstruktionsform, die zuvor vor allem in Südfrankreich verbreitet war – wurde von François Coignet (1814–1888) (Bild 1-11) Mitte des 19. Jh. für den Beton adaptiert. Bei der Pisétechnik werden Wände aus Lehm in einer Schalung hergestellt. Der Lehm wird lagenweise eingebaut, durch Stampfen verdichtet, und ist dann, allerdings nach monatelanger Trocknungsphase ausreichend witterungsbeständig. Coignet erkannte früh, dass die von ihm erstmals angewendete Stampfbetonbauweise nur dann zu einem befriedigenden, dauerhaften Ergebnis führt, wenn es in der Mischung keinen Wasserüberschuss gibt. Damit war die Frage nach dem Wasser-Zement-Wert formuliert. 1855 ließ er sich die Stampfbetonbauweise als „Béton aggloméré“ patentieren. Seine Firma führte zahlreiche Hochbauten, Brücken und Ingenieurbauwerke aus (Bild 1-5). Schon 1856 ordnet Coignet ganz gezielt auf der Zugseite eines biegebeanspruchten Trägers eine Zugstange an. 1861 lässt er sich dann sein erstes Patent für bewehrten Beton erteilen. Doch dazu mehr im folgenden Abschnitt.

Bild 1-5 Coignets Aquädukt im Wald von Fontainebleau (1867) [3]

1.3 Die Eisenbetonbauweise

Dass man die Eisenbetonbauweise teilweise bis heute über die Begriffe „Monierbauweise“ oder „Moniereisen“ mit Joseph Monier (1823–1906) (Bild 1-11) verbindet, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass dieser seine Konstruktionen seit dem Jahre 1867 durch mehrere zum Teil sehr allgemein abgefasste Patente umfassend schützen ließ.

So konnte über viele Jahre in Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz bewehrten Beton nur derjenige herstellen, der zuvor bei Monier eine Lizenz erworben hatte. Für Monier selbst waren die sprichwörtlichen Blumenkübel, deren Frostsicherheit er durch das Einlegen eines Drahtgeflechts in den Zementmörtel erreichte, nur der Anfang. Wasserbehälter, Gewölbe, sogar erste Eisenbetonbrücken folgten.

Heute geht man davon aus, dass Monier das Eisen vor allem als Hilfe zur Formgebung, d. h. als Unterkonstruktion für die eigentlich tragende Mörtelschicht, ansah (Bild 1-6). Mechanische Zusammenhänge hinsichtlich des Zusammenwirkens der beiden Komponenten interessierten ihn nicht. Es wird sogar berichtet, dass er Bauteilversuche, die Ende des 19. Jh. zur wissenschaftlichen Absicherung erster Bemessungsregeln durchgeführt wurden, mit einem gewissen Desinteresse verfolgte.

Die 1854 entstandenen Zeichnungen aus den Patentschriften von Coignet belegen darüber hinaus, dass Monier nicht der Erste mit seiner Idee war (Bild 1-7). Ebenfalls schon 1855 erhielt Joseph Louis Lambot (1814–1887) ein Patent zur Herstellung von „Feuchtigkeitsgefährdeten Gegenständen“ aus Beton unter Verwendung eines Drahtnetzes zur Formung. Zu diesen „Gegenständen“ zählten vor allem Boote und Behälter. Der Jurist und Gutsbesitzer Lambot nannte den neuen Baustoff „Ferciment“.

Bild 1-6 Bauwerke Moniers: a) Eisenbetonbrücke in Chazelet (1875), b) Wasserbehälter in Pontorson (1880) [9]

William Boutland Wilkinson (1819–1902) erkennt als einer der Ersten die Vorteile von bewehrtem Betons im Zusammenhang mit dem feuersicheren Bauen. 1854 lässt sich der Gipsermeister eine Deckenkonstruktion patentieren, bei der eine Bewehrung der Zugzone vorgesehen ist. Wilkinson, der in Newcastle eine Fabrik für künstliche Steine betrieb, setzte für seine Deckenkonstruktionen auch erstmals vorgefertigte Kastenträger ein. Wilkinson war Unternehmer und es lag ihm wenig an einer wissenschaftlichen Aufbereitung seiner Erfindung. Ganz im Gegensatz dazu Thaddeus Hyatt (1816–1901): Der Rechtsanwalt, der in New York und London lebte, war ebenfalls über die Frage des Brandschutzes bei Geschossbauten auf die neue Bauweise gestoßen. Bereits 1850 führt er erste Versuche mit bewehrten Betonbalken durch; 1877 veröffentlicht er auf eigene Kosten einen Bericht über seine wissenschaftlichen Untersuchungen. Feuerbeständigkeit und Wirtschaftlichkeit sind Themen seiner Broschüre, aber auch mechanische Fragestellungen, wie das Verhältnis des Elastizitätsmoduls von Eisen und Beton, werden behandelt. Darüber hinaus gibt Hyatt eine klare Stellungnahme ab, dass die Bewehrung auf der Zugseite anzuordnen ist.

Diese lückenhafte Aufzählung zeigt, dass Monier sicher ein wichtiger Wegbereiter des Eisenbetons war, dass seine Bedeutung aber doch häufig überschätzt wird. Dieses Phänomen ist vor allem auf die gute Vermarktung der „Monier-Patente“ zurückzuführen. In der Folge wurde vor allem auch im deutschsprachigen Raum bewehrter Beton lange Zeit als „Monierbauweise“ bezeichnet und der Begriff „Monier-Eisen“ hielt sich bis in das 20. Jahrhundert. Die Überbewertung von Moniers Beitrag zur technologischen Entwicklung des Stahlbetons hat sicherlich mehrere Gründe: zum einen eine gewisse Nachlässigkeit französischer, aber auch deutscher, schweizerischer und österreichischer Patentämter bei der Zuerkennung von „Monier-Patenten“, zum anderen ein offensichtliches Desinteresse der Technischen Hochschulen, die Innovation durch firmenunabhängige Forschung zu fördern. Zur Popularität des Namens trug sicherlich auch bei, dass der deutsche Bauunternehmer Gustav Wayss, der das „Monier-Patent“ im Jahre 1885 erworben hatte, den aktuellen Wissensstand zusammenfasste und im Eigenverlag 1887 in der sogenannten „Monier-Broschüre“ („Das System Monier“) veröffentlichte.

Bild 1-7 François Coignet, Zeichnung aus seinem Patent zur Bewehrung von Betondecken (1854) aus [4]

Die Konstruktionsformen der ersten Stahlbetondecken wurden direkt aus den bis dahin üblichen Deckenkonstruktionen abgeleitet. Bild 1-8 zeigt einige frühe Beispiele: Wie bei einer Holzbalkendecke oder bei gemauerten Kappendecken, spannt die Betonplatte bzw. das Betongewölbe einachsig von Träger zu Träger. Zwischen Stahlträgern und Beton gibt es keinen planmäßigen Verbund. Das gilt auch für die Weiterleitung in Wände und Stützen. Die Bewehrung des Betons mutet aus unserer Sicht vergleichsweise intuitiv an. Querschnittsform (Rundstähle und Flachstähle) und die geometrische Anordnung der Bewehrung unterscheiden sich bei den einzelnen – meist patentierten – Konstruktionen und sind untereinander nicht kompatibel. Materialersparnis und Vergrößerung der bis dahin möglichen Spannweiten waren die wichtigsten Vorteile der neuen Bauweise. Diese setzte sich allerdings nur zögerlich durch, vor allem dort, wo man wegen hoher Lasten oder wegen auftretender Feuchtigkeit Holzkonstruktionen ersetzen wollte. Der Wohnungsbau der Gründerzeit dagegen blieb eine Domäne für klassische Holzbalkendecken. Und auch bei Verwaltungsgebäuden nutzte man Ende des 19. Jh. noch überwiegend das System gemauerter Kappendecken, das bei den Baubehörden gut eingeführt war.

Bild 1-8 Deckenkonstruktionen [8]: a) Monierplatte, b) Moniergewölbe, c) Voutendecke von Koenen [14]

Die Grundlagen für den modernen Stahlbeton wurden von einem gleichermaßen innovativen wie geschäftstüchtigen Bauunternehmer geschaffen. François Hennebique (1843–1921) (Bild 1-11) erhielt 1879 als Ingenieur in Brüssel den Auftrag, ein „feuersicheres“ Landhaus zu erbauen. In der „Monierbauweise“, die er kurz zuvor kennen gelernt hatte, sah er die beste Möglichkeit, dieses Ziel umzusetzen. Er erkannte aber, dass es dafür erforderlich war, auch alle Stahlträger und Stützen der unmittelbaren Brandeinwirkung zu entziehen. Er tat dies, indem er diese Bauteile ebenfalls aus Eisenbeton herstellte. Damit war der Plattenbalken erfunden. Die Formgebung der einzelnen Bauteile und insbesondere die Vouten der Unterzüge im Auflagerbereich sowie die Bewehrungsführung, die vieles vorwegnimmt, was erst Jahre später wissenschaftlich erforscht wurde, zeugen vom hervorragenden intuitiven Verständnis, auf dessen Grundlage Hennebique die Entwicklung seiner Konstruktionsweise betrieb (Bilder 1-9 und 1-10). Wie bereits Jahre zuvor Monier, so vereinte auch Hennebique technisches Verständnis mit Geschäftstüchtigkeit. Er übersiedelte 1892 nach Paris und ließ sich seine Deckenkonstruktionen im gleichen Jahr umfassend patentieren. In Frankreich gründete er Niederlassungen in allen größeren Städten. Im europäischen Ausland und in den USA vergab er Lizenzen an Ingenieure und Bauunternehmen. Lizenznehmer waren unter anderen die Firmen Wayss & Freytag sowie Dyckerhoff & Widmann.

Bild 1-9 Monolithisches Beton-Rahmentragwerk 1904 [4]

Die Vorteile der neuen Bauweise lagen klar auf der Hand: Mit monolithischen Plattenbalken und Durchlaufträgern wurden hohe Tragfähigkeiten bei vergleichsweise geringer Bauhöhe erreicht. Bei ausreichender Betondeckung und gutem Oberflächengefüge waren Brandschutz und Dauerhaftigkeit der Konstruktion umfassend gewährleistet. Größere Spannweiten, bei vergleichsweise schlanken Stützen, erhöhten die Flexibilität der Nutzung. Die Typisierung von Spannweiten und Bauteilabmessungen ermöglichte gleichzeitig eine wirtschaftliche Herstellung der Konstruktionen. Aber es gab auch Rückschläge: 1901 stürzte in Basel der fünfstöckige Neubau des „Hotels zum Bären“ noch vor der Fertigstellung ein. Bei der anschließenden Untersuchung stellte man gravierende Mängel beim Tragwerksentwurf, in der statischen Berechnung sowie bei den Ausführungsdetails fest. Die Zuständigkeiten der Qualitätsüberwachung waren alles andere als eindeutig geregelt. Hier rächte es sich, dass Hennebique die Lizenz für seine Bauweise als Ganzes vermarktete. Damit war für die Reproduktion beim Lizenznehmer vordergründig kein Verständnis für die Bedeutung und Wirkungsweise einzelner Details erforderlich. Dieses Defizit wurde erkannt und es begann, mit ausgelöst durch das Baseler Unglück, aber auch angesichts des für das Jahr 1907 zu erwartenden Auslaufens der Patente Hennebiques, die systematische wissenschaftliche Untersuchung der materialtechnologischen und der mechanischen Grundlagen der Stahlbetonbauweise.

Dass es an grundlegendem Wissen fehlte, obwohl sich die neue Bauweise in allen Gebieten des Bauwesens durchzusetzen begann, zeigt auch ein Missgeschick, das Eugène Freyssinet – über ihn wird im folgenden Abschnitt noch zu berichten sein – im Jahre 1912 unterlief. Freyssinet hatte eine Bogenbrücke bei Boutiron/Vichy als schlanke Stahlbetonkonstruktion errichtet. Aufgrund einer Fehleinschätzung des Kriechens des Betons, senkten sich die Scheitel der drei etwa 72 m weit gespannten Bögen um bis zu 12 cm. Freyssinet kompensierte diese, für die Stabilität der Bögen bedenkliche Verformung über ein hydraulisches Auseinanderpressen der Scheitel.

Bild 1-10 Bewehrungsführung einer Hennebique’schen Decke [14]