Beyond Love - Abby Brooks - E-Book

Beyond Love E-Book

Abby Brooks

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Beschreibung

Wyatt Huttons blaue Augen rauben mir den Atem - sie schauen direkt in mein Herz. Aber es darf nicht sein, denn uns trennt nicht nur der Altersunterschied. Uns trennt auch die Vergangenheit. Sein Vater war ein Trinker und Betrüger. Und meine Mutter? Dessen Geliebte.

Doch das Leben scheint andere Pläne mit uns zu haben, denn er ist der Einzige, an den ich mich wenden kann, als ich nicht mehr weiter weiß. Wir kämpfen gegen unsere Gefühle. Wir kämpfen gegen unsere Familien. Aber wie lange halten wir das noch durch?

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Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Wyatt Huttons blaue Augen rauben mir den Atem - sie schauen direkt in mein Herz. Aber es darf nicht sein, denn uns trennt nicht nur der Altersunterschied. Uns trennt auch die Vergangenheit. Sein Vater war ein Trinker und Betrüger. Und meine Mutter? Dessen Geliebte.

Doch das Leben scheint andere Pläne mit uns zu haben, denn er ist der Einzige, an den ich mich wenden kann, als ich nicht mehr weiter weiß. Wir kämpfen gegen unsere Gefühle. Wir kämpfen gegen unsere Familien. Aber wie lange halten wir das noch durch?

Über Abby Brooks

Abby Brooks ist amerikanische Romance Autorin und lebt mit der Liebe ihres Lebens und ihren drei Kindern in einer Kleinstadt in Ohio. Sie liebt es, in der Küche zu tanzen, zu lachen und bis spät in die Nacht zu lesen. 

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Abby Brooks

Beyond Love

Wyatt und Kara

Aus dem Amerikanischen von Nina Restemeier

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

Teil Eins — Damals

Kapitel 1: Wyatt

Kapitel 2: Kara

Kapitel 3: Wyatt

Kapitel 4: Kara

Kapitel 5: Wyatt

Kara

Wyatt

Kapitel 6: Kara

Kapitel 7: Wyatt

Kapitel 8: Kara

Kapitel 9: Wyatt

Kapitel 10: Kara

Wyatt

Kapitel 11: Kara

Kapitel 12: Wyatt

Kapitel 13: Kara

Teil Zwei — Heute

Kapitel 14: Wyatt

Kara

Kapitel 15: Wyatt

Kapitel 16: Wyatt

Kapitel 17: Kara

Kapitel 18: Wyatt

Kapitel 19: Wyatt

Kapitel 20: Wyatt

Kapitel 21: Kara

Kapitel 22: Wyatt

Kapitel 23: Wyatt

Kapitel 24: Wyatt

Kapitel 25: Kara

Kapitel 26: Wyatt

Kapitel 27: Kara

Wyatt

Kapitel 28: Wyatt

Kapitel 29: Kara

Kapitel 30: Wyatt

Kapitel 31: Kara

Kapitel 32: Wyatt

Kapitel 33: Kara

Kapitel 34: Wyatt

Kapitel 35: Kara

Kapitel 36: Kara

Epilog: Wyatt

Impressum

Lust auf more?

Teil Eins

Damals

Kapitel 1

Wyatt

In meiner Kindheit war das Büro meines Vaters der unheilvollste Ort im ganzen Haus. Es herrschte eine düstere, stressige Atmosphäre voll mit Männlichkeitsgebaren und striktem Kinderverbot. Über die Schwelle zu treten, galt als Hausfriedensbruch und wurde mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft. Als ich älter wurde und sich unser Haus von einer charmanten Bed-and-Breakfast-Pension zu einem florierenden Hotel auswuchs, war ich ein gern gesehener Mitarbeiter im Büro, doch selbst als Erwachsener ertappte ich mich immer noch dabei, wie ich auf der Türschwelle innehielt und auf die Erlaubnis einzutreten wartete.

Mein Vater stand hinter dem Schreibtisch vor dem Fenster, das Jackett über die Lehne seines Schreibtischstuhls gehängt, die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Ohne mich zu bemerken, nippte er an seinem Whisky und blickte hinaus aufs Meer hinterm Haus. Das Sonnenlicht, das zum Fenster hereinfiel, verfing sich in seinen grau melierten Haaren, doch sein Gesicht blieb im Schatten.

Das erschien mir wie eine passende Metapher.

Die Dunkelheit besiegte das Licht.

Der Vater, der er gewesen war, vernichtet von dem Trinker, zu dem er geworden war.

Massive Möbel nahmen den Raum ein. Ein imposanter Schreibtisch – dunkles Holz und scharfe Kanten, mit einem mächtigen Sessel aus schwarzem Leder dahinter. Die Wände säumten hohe Regale voller Bücher, von denen ich bezweifelte, dass er sie überhaupt gelesen hatte. Mom hatte versucht, mit Pflanzen und Blumen den Raum einladender zu gestalten, als könnten Farbkleckse und Leben die Finsternis vertreiben, doch es änderte nichts. Die Dunkelheit siegte immer.

»Herrje, Wyatt. Rein oder raus.« Dad nippte an seinem Drink, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. Seine Körperhaltung drückte Verachtung aus. Egal, welche Entscheidung ich treffen würde, es wäre die falsche. Falls ich ins Büro käme, wäre ich die lästigste Unterbrechung des Tages. Falls ich einen Rückzieher machte, würde er mich für einen Feigling halten, der seine Zeit nicht wert war.

Ich verspürte den heftigen Drang, ihm den Stinkefinger zu zeigen, zur Haustür hinauszumarschieren und einfach weiterzugehen, bis ich irgendwo anders war – egal wo. Diesen Drang verspürte ich seit Jahren. Aber der Gedanke, Mom, Eli und Harlow mit Dad alleinzulassen, hielt mich immer wieder davon ab. Für sie blieb ich hier, stellte mich wie ein Puffer zwischen meinen Vater und den Rest der Familie. Wenn ich ginge, würden sie sich mit dem Arschloch herumschlagen müssen, zu dem er geworden war, und das hatten sie nicht verdient. Also schob ich die düsteren Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf all das, was mich zum Lächeln brachte: Gesundheit, Wohlstand und eine (größtenteils) glückliche Familie.

Als ich über die Schwelle trat, drehte Dad sich um. »Setz dich.« Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und ließ sich mit finsterer Miene auf seinem eigenen nieder.

Burke Hutton wurde zu einem Raubtier, wenn er zu viel Zeit mit Jack Daniels verbrachte. Seine Handlungen waren nicht versehentlich grausam. Sie waren vorsätzlich bösartig. Mit der einzigen Absicht, eine Schwäche auszunutzen – eine, die er persönlich geschaffen hatte – und so kraftvoll zuzuschlagen, dass es mich aus dem Gleichgewicht brachte. Im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, seine Körpersprache zu lesen, das Kräuseln seiner Lippen, das Funkeln in seinen Augen. Seine Haltung, als er mich über den Schreibtisch hinweg betrachtete, warnte mich, sie riet mir, mich auf das Schlimmste gefasst zu machen.

»Mit einundzwanzig bist du fast Manns genug, um die Welt so zu sehen, wie sie ist. Grausam und hart.« Als er die Augen zusammenkniff, fragte ich mich, ob ihm klar war, dass diese Beschreibung auch auf ihn zutraf. »Nicht die Märchenwelt, in der deine Mutter lebt«, fügte er beinahe tonlos hinzu.

Früher hatte Dad Moms unerschütterlichen Optimismus bewundert. Doch im Laufe der Jahre und mit zunehmendem Alkoholkonsum begann er, ihre Fähigkeit, in allem etwas Gutes zu sehen, zu verachten. Er behauptete, sie mache sie schwach. Verletzlich und leicht auszunutzen. Ich fragte mich oft, ob seine Wut aus dem Bewusstsein erwuchs, dass er derjenige war, der sie ausnutzte. Es war sicher einfacher, seinen Hass nach außen zu richten, anstatt sich selbst zu betrachten.

Dad räusperte sich und verlangte meine Aufmerksamkeit. »Es ist an der Zeit, dass ich dich in ein kleines Familiengeheimnis einweihe.«

Doch als er zu seiner Geschichte ansetzte, wurde mir klar, dass es kein Familiengeheimnis war.

Es war sein Geheimnis.

Und es war schrecklich.

Schockiert hörte ich zu, wie mein Vater mir von der Geliebten erzählte, die er seit drei Jahren unterhielt. Eine Geliebte mit einer Tochter – nicht seiner, Gott sei Dank – und einem exquisiten Geschmack. Als er den Zorn bemerkte, der in mir brodelte, hielt er lange genug inne, um zu lachen, und der Laut bohrte sich bitter in meine Eingeweide.

»Sitz du nur auf deinem hohen Ross«, sagte er, während sich Wolken vor die Sonne schoben und den Raum in Schatten hüllten. »Aber warte nur ein paar Jahre. Die Ehe ist ein Gefängnis, und Männer – echte Männer – sind für die Freiheit geschaffen.« Er kippte den Rest seines Drinks hinunter und ließ das Glas auf dem Tisch kreiseln. »Ich sterbe einen langsamen Tod mit deiner Mutter.«

»Du stirbst einen langsamen Tod, weil du zu viel trinkst.« Meine Mutter war eine wunderschöne Frau mit einem großen Herzen, eine Frau, die keine Mühen scheute, um anderen zu helfen. Sie war viel zu gut für meinen Vater, und das wussten alle – sogar er selbst, auch wenn er das niemals zugegeben hätte.

Burke zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch, und ich stellte mich auf eine gehässige Erwiderung ein. Doch er grinste nur und schenkte sich nach. »Tja, dann sollte ich mich besser beeilen, was?«

Vermutlich dachten wir das alle manchmal, auch wenn wir es niemals zugegeben hätten. Es war schrecklich zu wissen, dass man Hass im Herzen trug, wenn es doch hätte randvoll mit Liebe sein sollen. Stattdessen planten wir, uns in alle Winde zu verstreuen, sobald wir konnten, und die Bande zu kappen, die uns, als wir jünger gewesen waren, so viel Kraft gegeben hatten.

Mein ältester Bruder Lucas hatte so dringend weggewollt, dass er sich direkt nach der Highschool den Marines angeschlossen hatte. Mein jüngerer Bruder Caleb war ausgezogen, kaum dass er achtzehn geworden war, und finanzierte sich sein letztes Schuljahr mit einem Teilzeitjob in einem Fast-Food-Restaurant. Eli zählte die Tage, bis er es ihm gleichtun konnte. Und die arme Harlow hatte sich quasi in sich selbst zurückgezogen, zeichnete, schrieb oder spielte Gitarre, als hoffte sie, eine Möglichkeit zu finden, ausschließlich in ihrem Kopf zu leben.

Während ich mich in Gedanken verlor, schwafelte Dad weiter von seiner Geliebten und ihrer Tochter – Madeline und Kara. Ich hoffte, er würde bald zum Punkt kommen, damit ich entscheiden konnte, was ich mit diesem Wissen anfangen sollte.

»Junge … diese Kara …« Dad musterte mich messerscharf, während er meine Reaktion vermaß. »Das Mädchen ist echt eine Nummer. Sechzehn. Clever. Talentiert. Gut in allem, was sie tut.« Mit genau diesen Worten hätte er auch Harlow beschreiben können, aber Dad behandelte seine eigene Tochter stets so, als wäre es ihm lieber, wenn sie gar nicht existierte. Er kräuselte die Lippen und setzte zum Todesstoß an. »Du könntest eine Menge von ihr lernen. Sie hat mehr Arsch in der Hose, als du jemals haben wirst.«

Außerdem besuchte sie offenbar eine Privatschule, die finanziert werden musste. Ein Luxus, den Dads leibliche Kinder nie genossen hatten, da wir, seiner Meinung nach, eine ordentliche Portion Wirklichkeit gebrauchen konnten, die uns nur eine öffentliche Schule bot.

»Warum erzählst du mir das?«, fragte ich, auch wenn ich annahm, dass er sein Gewissen erleichtern wollte. Mich da hineinzuziehen war bloß das Sahnehäubchen auf der Torte. Ich war halb Beichtvater, halb Mitverschwörer – indem er mich in seine Verbrechen verwickelte, sollte ich ihn von seinen Sünden freisprechen.

»Je älter ich werde …«, Dad unterbrach sich, um einen Schluck zu trinken, »umso schwerer fällt es mir, das alles zu vertuschen. Vor allem die finanziellen Aspekte. Deine Mutter ist einfach viel zu intelligent.«

Mit je älter ich werde meinte er wohl eher je mehr ich trinke. »Und du willst, dass ich dir dabei helfe.« Die Erkenntnis war wie ein Eimer Eiswasser, der mir über den Kopf geschüttet wurde. Ich war für Lügen und Betrug nicht geschaffen. Sie pflanzten Sorgen in meinen Bauch, deren Wurzeln sich schmerzhaft in meine Knochen gruben. Liebe und Vertrauen mussten geehrt und nicht wie Abfall in die Gosse geworfen werden.

»Meine Damen und Herren: mein Sohn.« Dad hob sein Glas. »Ein Mensa-Anwärter.«

Ich ließ die Stichelei an mir abperlen wie Wasser. Wenn ich mir anmerken ließ, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte, würde ich Dad bloß einen Angriffspunkt fürs nächste Mal liefern, und mittlerweile war ich ziemlich gut darin, einfach über seine Beleidigungen hinwegzulachen. »Das werde ich nicht tun«, erklärte ich. »Ich kann Mom nicht anlügen. Und meine Geschwister. Das ist deine Angelegenheit. Kümmere dich selbst darum.«

Der Mann, der mir gegenübersaß, war einmal alles gewesen, was sich ein Junge von seinem Vater wünschen konnte. Freundlich und liebevoll. Bereit, sich mit Schweiß und harter Arbeit seinen Traum zu erfüllen, und so versiert, seinen Kindern das Gleiche beizubringen. Doch irgendwann hatte der Alkohol diesen Menschen ausgelöscht und lediglich die Hülle des Mannes zurückgelassen, den ich einst bewundert hatte. Sein Verstand, mit dem er das Hutton Hotel aus nichts als den Wünschen und Träumen meiner Mutter erschaffen hatte, half ihm nun dabei, immer neue Wege zu finden, seine Familie zu quälen und seiner Sucht zu frönen.

»Du musst.« Dad funkelte mich an, alle Freundlichkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. »Wenn das Geheimnis herauskommt, wird es uns zerstören. Die ganze Familie wird zerbrechen, und niemand weiß so gut wie du, dass die Familie der Grundstein für den Erfolg des Hotels ist. Wenn wir vor die Hunde gehen, geht das Hotel mit, und was bleibt uns dann noch? Nichts. Kein Geld. Keine Glaubwürdigkeit. Wir würden das Haus verlieren. Wir würden einander verlieren. Wir wären am Ende. Und deshalb habe ich dich auserwählt. Caleb ist zu schwach. Eli ist zu blöd. Lucas ist weg, und Harlow hat den Kopf voller Flausen. Aber du tust immer das Richtige.« Dad hob sein Glas. »Selbst wenn es dumm ist.«

Eine Stunde später hielten wir vor einem protzigen Wohnhaus mit gepflegtem Rasen und wippenden Palmen – es sah so teuer aus, dass mir der Kopf schwirrte.

»Wovon lebt Madeline eigentlich?«, fragte ich, als ich die Autotür hinter mir zuschlug und ein Stöhnen unterdrückte, weil mir die Julihitze auf den Florida Keys den Atem raubte. Ihren Namen auszusprechen fühlte sich obszön an, als schaffte ich in meinem Kopf Platz für sie, und ich wollte sie dort wirklich nicht haben.

»Von mir.« Dad griente mich über die Schulter an, während wir die Auffahrt hinaufgingen.

Na toll. Die Geliebte hatte also einen teuren Geschmack und konnte ihn nur ausleben, indem sie meinem Vater auf der Tasche lag. Ich betrachtete die pompöse Architektur und die gepflegte Umgebung, versuchte, die monatliche Miete zu berechnen, und stellte mir Dollarzeichen auf allem vor, was ich sah. »Lass mich raten. Das alles hier bezahlst du.«

Die Haustür flog auf, und eine blondierte Tornado-Sirene kam kreischend in Dads Arme geflogen. »Burkey«, quietschte sie und verzog die roten Lippen zu einem Krokodilslächeln.

Dad legte eine Hand auf die Brust der Frau und drückte zu. »Die habe ich auch bezahlt«, sagte er zu mir, während Madeline lachte und seine Hand wegschlug. Das Grinsen, das er mir zuwarf, war wie eine Ohrfeige.

All die Jahre hatte ich geglaubt, ich hätte mich damit abgefunden, was für ein Mann mein Vater geworden war. Dass wir, obwohl er nicht perfekt war, zu einer Art Gleichgewicht gefunden hatten und aus einer schlechten Situation das Beste machten. Aber wie ich nun so auf dem Fußweg stand und zusehen musste, wie er eine Frau begrapschte, die nicht meine Mutter war, wurde mir klar, dass von dem Mann, der er einst gewesen war – und den ich mir im Stillen zurückwünschte –, nicht mehr viel übrig war.

Madeline bat um Vorstellung, offensichtlich hatte sie keine Ahnung, dass Burke Hutton Kinder hatte. »Dein Sohn, hm?« Sie musterte mich anzüglich, und ich konnte förmlich die Rädchen hinter ihren unbarmherzigen Augen rattern hören. »Wie schön, dich zu sehen«, schnurrte sie, bevor sie über die Schulter rief: »Kara! Schatz! Komm her! Hier ist jemand, den du unbedingt kennenlernen solltest.«

Das Mädchen war die Letzte, der ich begegnen wollte. Ich hatte schon die Mutter nicht treffen wollen, doch das war ein notwendiges Übel, weil ich von nun an direkt damit befasst sein würde, ihren Lebensstil zu finanzieren. Das Mädchen kennenzulernen – ein Kind, das meinem Vater ein Lächeln entlockte, während ich mich nicht erinnern konnte, wann das zuletzt jemandem aus seiner eigentlichen Familie gelungen war – ging mir einen Schritt zu weit.

Und das Grinsen auf Dads Gesicht verriet mir, dass er es merkte. Wieso hatte er solchen Spaß daran, mich aus der Fassung zu bringen? Und wo wir schon dabei waren, warum störte mich das überhaupt? Er war ein verbitterter alter Mann auf einem Selbstzerstörungstrip. Statt zuzulassen, dass er mich mit in den Abgrund zog, konzentrierte ich mich auf die im Wind schwankenden Palmen und den endlosen Himmel dahinter, bis irgendetwas, eine Art Zwang, eine Gewissheit, nach meiner Aufmerksamkeit verlangte.

Hey, flüsterte dieses Etwas. Schau auf. Es ist wichtig. Schau auf. Jetzt.

»Na, wenn das nicht Daddy Warbucks ist.« Ihre Stimme umhüllte mich wie Rauch, ungewöhnlich tief für eine Frauenstimme, beinahe kratzig und verdammt sexy. Sie jagte mir einen Schauer über den Rücken, und sosehr ich mich auch bemühte, den Boden anzustarren, trafen sich unsere Blicke.

Sie war jung. Zu jung. Dunkle Haare fielen ihr über die zarten Schultern. Herzförmige Lippen saßen in einem schmalen Gesicht mit großen grauen Augen. Augen, die sich verengten, als sie mich sahen.

»Wyatt Hutton«, murmelte sie. Es klang wie eine Mischung aus Fluch und Gebet.

»Ach, woher weißt du das, wenn ich noch nicht einmal wusste, dass Burkey Kinder hat?«, quäkte Madeline.

Der Blick, den das Mädchen ihrer Mutter zuwarf, war so voller Verachtung, dass es nicht einmal mir entging. »Weil er manchmal von seinen Kindern erzählt? Hörst du eigentlich jemals irgendwem zu?«

Burke nahm Kara in die Arme, und mir brach das Herz, als ich an meine kleine Schwester dachte. Harlow sehnte sich nach der Anerkennung unseres Vaters wie ein Junkie nach dem nächsten Schuss, und diese Kara hier konnte ihn einfach so um den kleinen Finger wickeln. Als Dad ihr einen Kuss aufs Haar drückte, erhaschte ich einen Blick auf den Mann, der er einmal gewesen war. Den Mann, um den wir alle trauerten, obwohl wir ihn noch immer jeden Tag sahen.

In diesem Augenblick hasste ich Kara Lockhart. Ich hasste sie im Namen meiner Geschwister. Ich hasste sie im Namen meiner Mutter. Ich hasste sie, weil mein Vater recht hatte. Wenn irgendetwas hiervon herauskäme, würde es unsere Familie zerreißen. Und bei diesem Gedanken wurde mir klar, dass ich auch mich selbst ein kleines bisschen hasste.

»Wyatt«, sagte Dad, als er sie losließ. »Das ist Kara Lockhart, die Tochter, die ich hätte haben sollen.«

Je mehr ich über diese Leute wusste, umso tiefer würde ich in Dads Geheimnisse und Lügen hineingezogen, also schenkte ich dem Mädchen statt einer Begrüßung nur ein knappes Nicken und richtete den Blick wieder auf meine Füße.

Kapitel 2

Kara

Wyatt Hutton würdigte mich keines Blickes. Das war okay, denn als er mich schließlich doch ansah, kam ich mir vor wie ein alter Kaugummi, der unter seiner Schuhsohle klebte. Als könne er es nicht fassen, dass er Abschaum wie mir so nahe kommen musste.

Als wäre ich seine Zeit nicht wert.

Zorn flammte in mir auf und verlangte, ich sollte direkt zu ihm hin marschieren und ihm beweisen, dass ich nicht in die gleiche Schublade gehörte wie meine Mutter. Die Tatsache, dass er mich dort hineingesteckt hatte, ohne mich überhaupt zu begrüßen, verriet mir alles, was ich über ihn wissen musste.

Er war meine Zeit nicht wert.

In echt war er allerdings viel attraktiver als auf Facebook. Er war einer dieser Menschen, die sich nicht gut fotografieren ließen, weil seine Schönheit in der Bewegung lag. Diese Formulierung hatte ich mal in einem Song gehört und nie verstanden, bis ich Wyatt begegnete. Aber nun ergab sie auf eine magische Weise Sinn. Sein Anblick weckte eine gewisse Hoffnung in mir, woraufhin ich mir albern vorkam, weil er mich ganz eindeutig nicht mochte.

Er war groß – größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Die Ähnlichkeit mit seinem Vater war erkennbar, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Burke war wie ein Mammutbaum. Groß und robust. Stämmige Arme, stämmiger Körper, stämmige Beine. Seine ganze Person nahm eine Menge Raum ein. Wyatt dagegen war feingliedrig. Er hatte breite Schultern und eine schmale Hüfte. Er war blond, während Burke dunkle Haare hatte, und er lächelte, wenn Burke finster dreinschaute. Diese beiden Männer waren zwei Seiten einer Medaille, auch wenn ich nicht recht wusste, was mir dieser Gedanke sagen sollte.

Das Beeindruckendste an Wyatt waren seine Augen, auch wenn ich sie nur eine Sekunde lang sah, bevor er sich weigerte, mich noch einmal anzusehen. Sie waren von einem so hellen Blau, dass es wirkte, als würden sie von innen beleuchtet. Den einen Herzschlag lang, in dem er sich dazu herabließ, mir seine Aufmerksamkeit zu schenken, raubten sie mir den Atem.

Ich hatte gedacht, ich würde ihn hassen. Ehrlich gesagt hatte ich gedacht, ich würde alle Hutton-Kinder hassen. Schließlich führten sie das Leben, das ich niemals haben würde. Sie hatten zwei Elternteile mit festem Einkommen. Sie lebten in einem wunderschönen Haus, das nicht mit fremdem Geld bezahlt worden war. Sie gehörten zur örtlichen Prominenz. Jeder kannte die Huttons, und niemand konnte etwas Schlechtes über sie sagen.

Doch sobald ich Wyatt ansah, wusste ich, dass ich ihn nicht hassen konnte – obwohl dieses Gefühl offensichtlich nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Denn auch wenn er das Leben führte, das ich mir wünschte, hatte auch ich etwas, wonach er sich verzweifelt sehnte.

Seinen Dad.

Das Bild, das Facebook mir von den Huttons vermittelt hatte, war falsch. Ihr Leben hatte nichts mit der goldenen Utopie zu tun, von der ich träumte. Wie albern von mir, das überhaupt geglaubt zu haben. Ich wusste, dass Burke seine Frau betrog. Ich wusste auch, dass er trank.

Weil er so nett zu mir war, hatte ich wahrscheinlich geglaubt, er wäre nett zu allen. Dass seine Kinder ihn genauso erlebten wie ich. Nur fünf Minuten dabei zuzusehen, wie Burke seinen Sohn behandelte, trieb mir diesen Gedanken vollkommen aus. Für einen kurzen Augenblick empfand ich sogar eine unangemessene Verbundenheit mit Wyatt. Er war für seinen Vater genauso eine Schachfigur wie ich für meine Mutter. Zu guten Zeiten waren wir Werkzeuge, die sie einsetzten, um ihre egoistischen Ziele zu erreichen. Zu schlechten Zeiten …

Nun, manchmal war es besser, nicht an die schlechten Zeiten zu denken.

An die Tage, an denen Mom es nicht aus dem Bett geschafft hatte und ich als Dreijährige selbst herausfinden musste, wie ich mir Frühstück machte. An die übermäßig mitgeteilten Informationen, Dinge, die keine Tochter über ihre Mutter wissen sollte – als wären wir beste Freundinnen und nicht ein Fleisch und Blut.

So unangenehm diese Tage auch waren, waren sie mir doch allemal lieber als die Tage, an denen sie nichts als Verachtung für mich übrighatte. Die Tage, in denen es sie zur Weißglut brachte, wenn sie bloß mein Gesicht sehen musste oder hören, wie ich mich in meinem Zimmer bewegte. So viele Jahre lang hatte ich mich gefragt, womit ich es verdient hatte, dass sie mich so sehr hasste, aber erst vor Kurzem war mir klar geworden, dass ich nichts weiter getan hatte, als ihre Aufmerksamkeit von dem abzulenken, was ihr am wichtigsten war: sie selbst. Sie verachtete mich für die Dreistigkeit, dass ich überhaupt auf der Welt war. Dafür, dass ich ihr die Verantwortung für mich aufgebürdet und für Schwangerschaftsstreifen auf ihrem Bauch und ihren Brüsten gesorgt hatte. Als wäre das meine Entscheidung gewesen.

Und nun traf mich die unliebsame Erkenntnis, dass ich mich in Wyatts Augen nicht sonderlich von meiner Mutter unterschied. Sie war die Geliebte, ich war das Kind der Geliebten, und beide bekamen wir die Zeit und die Aufmerksamkeit eines Mannes, die er seiner Familie vorenthielt.

Und auch wenn ich gegenüber Wyatt keinen Hass aufbringen konnte, so verspürte ich doch einen enormen Groll. Ich hatte mir das alles nicht ausgesucht. Ich hatte meine Mutter nicht aufgefordert, mit einem verheirateten Mann zu schlafen und dann jeden Dollar aus ihm herauszuquetschen, den er entbehren konnte. Ich hatte ihn nicht um dieses schicke Haus gebeten. Und auch nicht um das teure Auto. Ich hatte nicht nach der Privatschule verlangt, auch wenn ich die hervorragende Ausbildung, die ich dort bekam, sehr wohl zu schätzen wusste – sie war der Schlüssel, mit dem ich mich aus diesem Leben befreien würde.

Ich hatte nicht darum gebeten, von einer Frau geboren zu werden, die bereit war, ihren Körper zu verkaufen, um zu bekommen, was sie wollte. Ich hatte nicht darum gebeten, ohne Vater aufzuwachsen, ohne auch nur zu wissen, wer er war und wie er aussah. Ich hatte nicht darum gebeten, Aufpasserin für meine Mutter zu spielen. Und ganz sicher hatte ich nicht darum gebeten, wie sie jetzt von mir zu Wyatt schaute und wieder zurück. Sie schmiedete einen Plan, das sah ich in ihren Augen, und ich war mir sicher, er würde mir nicht gefallen.

Ich würde dieses Leben nur noch zwei Jahre ertragen müssen, dann wäre ich frei. Noch zwei Jahre bis zu meinem achtzehnten Geburtstag, und dann wäre ich weg. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich gehen sollte, aber immerhin hatte ich den Mumm, meine Situation zu analysieren und zu wissen, dass ich hier wegmusste. Wyatt konnte das nicht. Er war fünf Jahre älter als ich, saß immer noch zu Hause fest und buckelte vor einem Mann, den er ganz offensichtlich nicht ausstehen konnte.

Der kleine Klumpen Hass, den ich genährt hatte, erwachte wieder zum Leben. Ich blickte auf, bereit, ihn mit einem einzigen Blick zu vernichten, und mein Herz flatterte trotzig, als sich unsere Blicke trafen.

Widerwillig lächelte ich, und er erwiderte das Lächeln. Es war wunderschön, warm und ehrlich, und verdammt, die Hoffnung flammte erneut auf und erfüllte mich mit einem Gefühl von … von … Der Gedanke war verflogen, bevor ich ihn zu Ende denken konnte. Wyatt wandte den Blick ab, rieb sich mit einer Hand über den Mund und wirkte besorgt, und die düsteren Gedanken von vorhin stürzten wieder auf mich ein und überdeckten den kurzen lichten Moment.

Verwirrt verabschiedete ich mich von Burke und flüchtete in mein Zimmer.

Kapitel 3

Wyatt

Tage vergingen, und das Geheimnis meines Vaters breitete sich wie Gift in meinem Inneren aus. Ich konnte meiner Mom nicht in die Augen sehen. Oder meinen Brüdern. Oder meiner Schwester. Ich konnte mich selbst kaum ansehen und ertrug es nicht, in Dads Nähe zu sein. Das Bedürfnis, mich in meinem Zimmer zu verkriechen und nie wieder herauszukommen, war groß, aber es lag nicht in meiner Natur, mich zu isolieren. Stattdessen stürzte ich mich in die Arbeit, betreute Gäste, arbeitete mich in die Buchhaltung ein und ersann neue und raffinierte Möglichkeiten, die Missetaten meines Vaters zu verschleiern.

Ein schwächerer Mann hätte vielleicht angefangen zu trinken. Und auch wenn ich kein starker Mann war, war ich doch robust genug, um zu widerstehen. Ich lernte, auf zwei Ebenen zugleich zu existieren: Der Außenwelt präsentierte ich eine glückliche, optimistische Version von mir. Eine Version, von der ich wusste, dass ich sie jederzeit sein könnte, wenn nur …

Ja, wenn …

Unter dieser Ebene dagegen rauschte ein Fluss aus Angst. Eine Litanei von unterdrückter Wut und Frustration, ausgelöst durch alltägliche Kleinigkeiten. Nie konnte ich mich entspannen und ich selbst sein, denn dieser Fluss durfte sich auf keinen Fall den Weg an die Oberfläche bahnen und alle mit seiner heftigen Strömung überraschen. Ich wollte für die anderen ein Licht sein, und das bedeutete, dass ich die Dunkelheit schlucken musste. Ich befürchtete, sie würde mich von innen heraus auffressen.

Als die Zeit voranschritt und meine Welt nicht zusammenbrach, kehrte langsam so etwas wie Normalität in mein Leben ein. Meine Mutter beschuldigte mich nicht des Verrats. Mein Vater behandelte mich beinahe wie einen Menschen und nicht wie einen Fussel auf seinem Lieblingsanzug.

Ich gab mich ganz der Aufgabe hin, für meine Familie da zu sein, und fand darin meine Bestimmung. Ich brachte sie zum Lachen, wenn sie niedergeschlagen waren. Ich half meinen Geschwistern bei den Hausaufgaben oder Schulproblemen. Ich sah mich selbst als eine Art Regenschirm, der die Widrigkeiten des Lebens von ihnen fernhielt, und als Tag um Tag verstrich, glaubte ich irgendwann, dass alles gut werden würde. Das Leben hatte eben Höhen und Tiefen. Im Moment fühlte es sich vielleicht schlecht an, aber das bedeutete doch nur, dass sich die guten Zeiten so viel besser anfühlen würden, wenn es endlich so weit wäre.

Nur nachts, wenn ich allein war, wurde es schwer. Wenn ich im Bett lag, an die Decke starrte und mir wünschte, der Schlaf würde endlich kommen, lastete mir Dads Geheimnis so schwer auf der Brust, dass ich kaum atmen konnte. Dann pochte mein Herz, mein Magen verkrampfte sich, und mein Verstand feuerte eine Salve von Fragen und hypothetischen Situationen ab, über die ich nachdenken musste.

Was, wenn ich es Mom erzählte? Würde die Familie auseinanderbrechen, so wie Dad es vorhergesagt hatte? Oder wäre sie endlich von dem Monster erlöst, zu dem ihr Mann geworden war? Sie könnte erhobenen Hauptes und ohne ihre Würde zu verlieren davongehen … Oder würde sie mir sagen, wie enttäuscht sie sei, weil ich genauso geworden war wie er?

Was, wenn ich es Lucas erzählte? Er war ein großer, böser Marine und so weit weg, dass es ihn vielleicht nicht so hart treffen würde. Vielleicht wüsste er Rat … Oder vielleicht würde er mich ein Arschloch nennen und nie wieder ein Wort mit mir wechseln.

Was, wenn ich Dad sagte, er könnte sich sein Geheimnis sonst wohin stecken?

Was, wenn ich mit Madeline redete?

Was, wenn …

Was, wenn …

Was, wenn …

Nacht für Nacht rang ich mit meinen Dämonen. Das Unheil, mit dem mein Vater drohte, kämpfte gegen mein Bedürfnis nach Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. In diesem Fall kam mir die Wahrheit wie eine Waffe vor. Eine Waffe, die mir anvertraut worden war und die ich beschloss, nicht zu ziehen. Ich würde ihr Gewicht allein tragen, damit meine Mutter es nicht musste. Und als die Tage zu Wochen wurden, fühlte sich die Entscheidung richtiger und richtiger an.

Ich war ein guter Mensch, der etwas Schlechtes tat.

Zumindest redete ich mir das ein.

Mit solchen Gedanken im Kopf machte ich mich auf den Weg zu Calebs Wohnung, um ihm dabei zu helfen, die neue Entertainment-Anlage aufzubauen. Mit seinen neunzehn Jahren strebte mein jüngerer Bruder nach finanzieller Unabhängigkeit. Vor Kurzem war er zum Geschäftsführer des Schnellrestaurants ernannt worden, in dem er arbeitete, seit er alt genug für einen Job war.

Er hatte die Stelle angenommen, weil er das Geld brauchte, aber sofort begonnen, sich nach besseren Möglichkeiten umzusehen, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Caleb sagte, die Beförderung sei ein Weckruf gewesen. Er wusste, dass er mehr konnte, als sein Leben lang Burger zu wenden, auch wenn er noch nicht genau wusste, was das sein sollte. In der Zwischenzeit nutzte er die Gehaltserhöhung, um einige dringend benötigte Möbel für die Wohnung zu kaufen, die er sich mit Derek teilte, einem Widerling, dessen Hauptaugenmerk im Leben darauf lag, auszutesten, wie besoffen er werden und wie viele Mädchen er abschleppen konnte.

Auf mein Klopfen öffnete Caleb mürrisch die Tür und schlurfte wortlos aus dem Weg. Ihm standen die Haare zu Berge. Kissenabdrücke hatten sich in seine Wangen gegraben, und er hatte Mühe, die verquollenen Augen offen zu halten. Meinem Bruder war das Aufstehen noch nie leichtgefallen, und in der Haltung seiner Schultern erkannte ich die Überbleibsel des kleinen Kindes, das er einmal gewesen war. Als Erwachsener war er der kräftigste von uns Huttons, was eine gewisse Ironie in sich trug, denn als Kind war er immer schmächtig gewesen.

»Dir auch einen guten Morgen, Sonnenschein«, sagte ich, als ich die fast leere Wohnung betrat.

Caleb fuhr sich mit der Hand über den Nacken und grummelte etwas, was vielleicht eine Begrüßung war. Vielleicht verfluchte er mich auch. Bei ihm war das schwer zu unterscheiden.

»So wie es aussieht, hat Captain Dickhead wieder zugeschlagen.« Ich deutete auf Dereks Tür und die Spur von Frauenkleidern, die direkt dorthin führte. Ein Fetzen Stoff, der vielleicht ein Rock war. Ein bisschen Spitze. Ein paillettenbesetztes Top.

»Und wie.« Caleb strich sich durch die Haare, was sie noch mehr verstrubbelte als ohnehin schon. »Die ganze Nacht. Und die Tussi hört nicht auf, die lautesten und falschesten Orgasmen herauszuschreien.« Er tapste in die Küche. »Kaffee?«

»Klingt gut«, sagte ich, und er nahm zwei Becher aus dem Küchenschrank. »Ich weiß, das habe ich schon mal gesagt, aber Glückwunsch zur Beförderung. Ich bin wirklich stolz auf dich.«

Caleb schnaubte verächtlich, als er uns den Kaffee eingoss. »Ich schöpfe mein volles Potenzial aus.« Sein selbstironischer Ton entging mir nicht, und sofort setzte ich alles daran, ihn aufzumuntern. Er habe es sicher nicht vor, den Rest seines Lebens in der Fast-Food-Branche zu verbringen, aber es tue ihm bestimmt gut, mal etwas innezuhalten und das Erreichte als das anzusehen, was es war: eine gute Sache und eine tolle Möglichkeit, sein Leben in Gang zu bringen.

»Also ich weiß ja nicht, Moose«, sagte ich mit einem breiten Lächeln. »Aber Geschäftsführer mit neunzehn – für mich klingt das nach was.«

Das Kompliment war ihm offensichtlich unangenehm, trotzdem lächelte er mich an. »Danke, Mann.« Mit abwesendem Blick pustete er auf seinen Becher. Als er mich wieder anschaute, machte mich das, was ich in seinen Augen sah, nervös.

»Hey, Wy. Ich muss mit dir über etwas reden«, setzte er an.

Das Herz schlug mir bis zum Hals. Verdammter Mist, er wusste es! Irgendwie hatte er herausbekommen, was ich für Dad tat, und nun würde ich mich schließlich doch der Wahrheit stellen müssen. Ich wusste, ich hatte verdient, was nun kommen würde, doch das änderte nichts daran, dass ich mich fürchtete.

Caleb räusperte sich und richtete den Blick zu Boden. »Ich habe nachgedacht. Vielleicht kann ich genug Geld beiseitelegen, um ein Boot zu kaufen, runter nach Key West zu ziehen und ein Business aufzumachen. Mit Touristen zum Schnorcheln rausfahren und solche Sachen. Ich wäre für meine Zukunft selbst verantwortlich und könnte den ganzen Tag auf dem Wasser sein, anstatt abends nach Hause zu kommen und nach Burgerfett zu riechen. Ich weiß nicht, vielleicht könnte ich sogar eine Weile auf dem Boot wohnen, um Geld zu sparen. Oder so.« Unsicherheit schwang in seinen Worten mit.

Erleichterung durchströmte mich, direkt gefolgt von Reue und einem heftigen Schuldgefühl. Mein Bruder hatte nicht vor, mich zur Rede zu stellen. Er brauchte meinen Rat. Denn ich war Wyatt, der verlässliche große Bruder. Das Ebenbild unserer optimistischen Mutter. Der Hutton, der einen immer unterstützte und Wege fand, schlechte Ideen in gute zu verwandeln.

Ich versuchte, mich zu beruhigen, atmete tief ein und lehnte mich an die Wand. Ich grinste Caleb an, denn es machte mich stolz, dass er nach besseren Möglichkeiten für sein Leben suchte. Es würde ihn glücklich machen, den ganzen Tag auf dem Wasser sein zu können, und er hatte eine ruhige Ausstrahlung, die den Touristen gefallen würde.

»Weißt du, das könntest du auch bei uns«, sagte ich und meinte damit unser Familienhotel, The Hut. »Du bräuchtest nicht einmal das Geld für ein Boot aufzubringen, weil es da schon eins gibt. Und du könntest einfach wieder in dein altes Zimmer einziehen und müsstest dir keine Gedanken über die Miete machen. Jeder Dollar, den du verdienst, könnte direkt in deine Spardose wandern. Mom würde sich so freuen, wenn du zurückkämst. Und die Bezahlung wäre gut. Bestimmt besser, als wenn du dein eigenes Business aufziehst.«

Noch während ich redete, schüttelte Caleb den Kopf. Ab dem Moment, in dem ihm klar war, was ich sagen wollte, wies er meinen Vorschlag zurück. »Auf gar keinen Fall. Dad hat uns nie unterstützt. Solange er da ist, habe ich vor, mich für diesen Gefallen zu revanchieren. Er ist auf sich allein gestellt.« Er sah mich an und zuckte entschuldigend mit den Schultern, dann starrte er die Wand an.