12,99 €
North und Nimh – Zwischen Liebe und Prophezeiung Die Göttin und der Prinz stehen vor der entscheidenden Frage: Können sie ihrer Liebe und ihrem Schicksal trotzen, um ihre Heimat zu retten? Oder wird der Funke zwischen ihnen ihre Welten entzünden und sie alle vernichten? - »Lebhafte Spannung in einer gefährlichen, wunderschönen Welt voller Mythen und Verrat. Kann man nicht weglegen.« Laini Taylor - Grandioser Abschluss der packenden Story diesseits und jenseits der Wolken - Mit den beliebten Tropes Slow Burn, Good vs. Evil, Forbidden Love Alle Bände der Reihe: Band 1: Die Göttin und der Prinz – The Other Side of the Sky Band 2: Die Göttin und der Prinz – Beyond the End of the World Die Bände sind nicht unabhängig voneinander lesbar.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 594
Veröffentlichungsjahr: 2025
North und Nimh – Zwischen Liebe und Prophezeiung
Als Nimh aufwacht, erinnert sie sich an nichts mehr – nur daran, dass sie nicht in diese Welt gehört. Doch die Zeit drängt, ihre Erinnerung ist lebenswichtig, denn ihre Feindin führt Böses im Schilde. Währenddessen sucht North verzweifelt nach einem Weg zu Nimh. Doch kurz bevor er eine Möglichkeit findet, zu ihr zu gelangen, geschieht das Undenkbare – die Wolkeninseln stürzen vom Himmel …
Von Amie Kaufman (zusammen mit Jay Kristoff) ist außerdem bei dtv lieferbar:
Illuminae. Die Illuminae Akten_01
Gemina. Die Illuminae Akten_02
Obsidio. Die Illuminae Akten_03
Von Amie Kaufman und Meagan Spooner ist außerdem bei dtv lieferbar:
Die Göttin und der Prinz 1. The Other Side of the Sky
Amie Kaufman / Meagan Spooner
Beyond the End of the World
Band 2
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Katja Hald
Für die Freunde, die wir in Weyrn, Holds und Gilden gefunden haben, mit einem herzlichen Dankeschön für all die unvergessenen Geschichten.
Willkommen zurück, liebe Leserinnen und Leser!
Bevor wir erneut in unsere Erzählung eintauchen, hier eine kurze Zusammenfassung dessen, was bisher geschah.
Unsere Geschichte spielt in einer zweigeteilten Welt: oben, die technologisch fortschrittliche Himmelsstadt Alciel, in der ein Königshaus regiert; unten, eine archaische Wildnis, in der das Leben der Menschen unter der Führung einer lebenden Gottheit von Magie, Schicksal und Prophezeiungen beherrscht wird.
Die Bestimmung der lebenden Gottheit wird im Unten seit tausend Jahren von einer Generation an die nächste weitergegeben – stirbt ein Träger oder eine Trägerin des Göttlichen, wird diese auf die nachfolgende Gottheit übertragen.
Die letzte Göttin, Jezara, hatte sich jedoch in einen Mann verliebt, obwohl die göttlichen Gesetze es verbieten, andere zu berühren oder berührt zu werden. Als sie schwanger und ihre heimliche Liebe entdeckt wurde, vertrieb man sie aus dem Tempel.
Nimh, eine Magierin, wird noch als Kind zu ihrer Nachfolgerin – Nimhara – ernannt. Aber die Jahre vergehen, ohne dass sich Nimharas göttliche Bestimmung manifestiert, und der Glaube ihres Volkes gerät zunehmend ins Wanken. Unter den Zweiflern bilden sich Splittergruppen heraus: auf der einen Seite die Graumäntel, die eine Welt ohne Magie anstreben, auf der anderen der Schattenkult, dessen Anhänger eine zwielichtige Gestalt anbeten, die sie für ihre wahre Göttin halten.
Doch dann hat Nimh eine Vision, von einem unbekannten Teil einer alten Prophezeiung, der den Fall des Letzten Sterns und die Ankunft des Lichtbringers verkündet.
Dieser Lichtbringer, auch bekannt als der Zerstörer, soll das Ende aller Tage bringen und Nimh glaubt nur zu gerne, dass ihrer finsteren, zerrütteten Welt der Niedergang bevorsteht und sie nun endlich ihre göttliche Bestimmung gefunden hat.
Heimlich macht sie sich auf, um der Prophezeiung nachzugehen. Sie findet zwar keinen Stern, aber einen vom Himmel gefallenen jungen Mann – Prinz North, den Enkel des Königs von Alciel, der gerade den Absturz seines Gleiters überlebt hat. Was sie Zauber nennt, nennt er Wissenschaft. Ihre Welt wird von Magie beherrscht, seine von Technik.
Kurz darauf reißt Inshara, die Anführerin des Schattenkults, die Kontrolle über den Tempel an sich und tötet den Hohepriester Daoman. North und Nimh sind gezwungen mit der Hilfe von Matias, dem Meister der Archive, auf einem gestohlenen Boot zu fliehen. Auf ihrer Reise den Fluss hinunter kommen sie sich näher, aber obwohl sie die gegenseitige Anziehung bald nicht mehr voreinander verstecken können, halten sie sich an das göttliche Gesetz der Unberührbarkeit. Nimh will auf keinen Fall den Glauben ihres Volkes enttäuschen, so wie Jezara es getan hat.
In einem Dorf, das bereits vom Nebel heimgesucht wurde – der unbezähmbaren und gefährlichen Quelle aller magischen Kräfte im Unten – werden sie von einer rätselhaften Frau gerettet, die sich ihnen kurz darauf als Jezara vorstellt. Von ihr erfahren sie auch, wer Inshara in Wirklichkeit ist: Jezaras Tochter, die davon überzeugt ist, zur Lichtbringerin bestimmt zu sein.
Als die beiden Jezara verlassen, nehmen sie eine alte Schriftrolle mit, die die einstige Göttin aus dem Tempel gestohlen hatte, nachdem man sie dort verstieß. Während sie ihr Nachtlager aufschlagen und die Schriftrolle betrachten, fällt ein Tropfen von North’ Blut auf das alte Pergament und offenbart ihr Geheimnis: Vor Nimhs Augen verändert sich die ursprüngliche Prophezeiung und Dutzende Buchstaben werden lesbar – die teils jahrhundertealten Nachrichten vorangegangener Gottheiten. Sie alle sind an Nimh gerichtet und transportieren eine gemeinsame Botschaft: Sie ist die wahre Lichtbringerin.
Diese längst überfällige Manifestation ihrer Göttlichkeit beschert Nimh neue Zauberkräfte und ihr gelingt, was niemandem vor ihr je gelungen war – den mächtigen magischen Nebel zu kontrollieren.
Aber Nimh spricht auch von einer neuen und schrecklichen Prophezeiung, laut derer der Himmel herabstürzen und es das Blut der Götter regnen soll. North erklärt sie, erst wenn alles Leben ausgelöscht und beide Welten untergegangen wären, könnten sie gemeinsam wieder neu entstehen.
North verschreckt dieser apokalyptische Gedanke und er weigert sich Nimh bei der Erfüllung der Prophezeiung zu helfen. Als er die Nachricht auf seinem Chronometer empfängt, dass ein Rettungstrupp aus Alciel ihn erwartet, beschließt er Nimh zu verlassen. Sie gibt ihm noch einen Schutzstein mit auf den Weg, der ihn vor feindlicher Magie bewahren soll, und mit gebrochenem Herzen verabschieden sie sich voneinander.
Kurz darauf muss North feststellen, dass Inshara ihn hereingelegt hat. Der Rettungstrupp ist eine Falle. Inshara verspricht ihm jedoch ihn zurück zum Palast und nach Hause zu bringen, wenn er ihr hilft Nimh zu ergreifen. Sie besitzt ebenfalls ein Chronometer aus seiner Welt, das sie immer um den Hals trägt und von dem sie behauptet, daraus spreche schon ihr ganzes Leben der Lichtbringer zu ihr. Diese mysteriöse Stimme scheint vieles zu wissen, das eigentlich niemand hier, im Unten, wissen kann – zum Beispiel, dass North ein Prinz ist.
North findet außerdem heraus, dass ausgerechnet Elkisa, Nimhs Leibwache, der sie blind vertraut hat, eine Verräterin ist. Elkisa liebt Inshara und glaubt fest daran, dass sie die wahre Göttin sei.
Nimh beschließt sich gegen Inshara zur Wehr zu setzen und macht sich ebenfalls auf den Weg zurück zur Stadt. Sie trifft dabei auf Jezara und auch Elkisa, die sich nach wie vor als Freundin ausgibt, stößt dazu. Sie will unbedingt das Aufeinandertreffen der beiden Göttinnen verhindern und erzählt Nimh, dass North tot sei, wodurch sie einen unkontrollierten Ausbruch von Nimhs neu gewonnener Macht als Lichtbringerin auslöst.
Währenddessen findet North, zurück im Palast, wider Erwarten in Techeki, dem Meister der Zeremonie, einen Verbündeten.
Inshara und die Graumäntel, die bereits mit Nimhs Rückkehr rechnen, haben Anker aus Himmelsstahl – einem Material, das magische Kräfte neutralisiert – angefertigt, die sie rund um die Stadt im Fluss versenken wollen. Inshara selbst, deren schwangere Mutter man einst gezwungen hatte Himmelsstahl zu trinken, um ihre Zauberkräfte zu zerstören, ist immun dagegen und kann innerhalb des Ringes, den der Fluss um die Stadt bildet, als Einzige Magie wirken.
Als Nimh schließlich in ihrer Gestalt als Lichtbringerin – und Zerstörerin – die Stadt erreicht, führt sie einen gewaltigen Nebelsturm an, der eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht. In einer erschreckenden Demonstration ihrer Macht lässt sie sogar den Fluss verdunsten.
Jezara, die ihre Tochter zur Vernunft bringen will, erklärt ihr, die Stimme aus dem Chronometer sei kein Gott, sondern ihr Vater – ein Wolkenländer wie North –, woraufhin diese voller Wut ihre eigene Mutter tötet.
Zwischen Nimh und Inshara kommt es zu einem Kampf. North, der befürchtet, Nimh könnte ihre eigene Stadt zerstören, wirft sich, ohne nachzudenken, in den Nebelsturm, der um Nimh tobt, wird jedoch dank seines Schutzsteins von den herumfliegenden Trümmern nur leicht verletzt. Während er versucht Nimh in ihrem Zorn und Kummer zu beschwichtigen, gelingt es Inshara, diese am Knöchel zu packen und damit das göttliche Gesetz der Unberührbarkeit zu brechen.
Genau in diesem Moment greift Nimh, an deren Fingern ein wenig von North’ Blut klebt, nach ihrem Kronreif und wie schon bei der Prophezeiung geschehen setzt das königliche Blut erneut ungeahnte Kräfte frei. Nimh und Inshara werden in ein goldenes Licht gehüllt und verschwinden. North will Nimh zurückhalten, kann sie aber nicht mehr erreichen.
Danach ist der Kronreif zerstört und mit ihm North’ einziger Weg nach Hause. Mit Techeki, dem Meister der Zeremonie, und Matias, dem Archivar, der sich nicht nur als Fischerkönig und Anführer der Flussläufer offenbart, sondern auch einer der mysteriösen Sentinels ist, die den Weg zwischen den Welten bewachen, bleibt North im Unten zurück.
Und nun liebe Leserinnen und Leser, lasst uns aufbrechen zu neuen Abenteuern, die dem Fischerkönig alle Ehre machen …
Leise betritt die Kammerzofe die Schlafgemächer. Ihre Augen haben sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt. So früh am Morgen hat sie kaum etwas zu tun, aber sie liebt die Stille – liebt die Atemgeräusche der schlafenden Königin und deren Gemahlin, das Flüstern ihrer eigenen Schritte auf dem luxuriösen Teppichboden, das erwartungsvolle Knistern, das in der Luft liegt.
Vorsichtig zieht sie, einen nach dem anderen, die Vorhänge zurück, damit die Sonne die Schlafenden behutsam wecken kann. Dann öffnet sie die in den Boden des Palastes eingelassenen Luftschächte der Zentralheizung und es wird warm im königlichen Schlafgemach. Rasch wischt sie im Badezimmer über die Oberflächen und füllt den Wasserkrug für den Nachttisch der Königin.
Erst als sie sich leise dem Bett nähert, um den Krug an seinen Platz zu stellen, bemerkt sie, dass es leer ist.
Gerade will sie wieder hinaushuschen, als sie aus dem privaten Salon, der an das Schlafzimmer grenzt, Stimmen hört. Auf dem Teppich unter der Tür ist ein dünner Lichtstreifen zu erkennen.
Sie weiß, dass sie sich zurückziehen sollte, aber die scharfe Tonlage der Stimmen lässt sie zögern. Mit klopfendem Herzen schleicht sie auf Zehenspitzen zur Tür, als sie Schritte kommen hört und gerade noch rechtzeitig wieder zurückspringt.
Die Tür fliegt auf und Anasta stürmt ins Zimmer. Zu aufgebracht, um die Anwesenheit der Zofe zu bemerken, läuft die Gemahlin der Königin schnurstracks zur Tür und schlägt sie krachend hinter sich zu.
»Sie wird sich wieder beruhigen.« Die Stimme der Königin klingt gedämpft, aber fest. »Anasta legt sehr viel Wert auf Traditionen – Veränderungen sind schwierig für sie.«
»Ihr seid sehr einfühlsam, Majestät.« Obwohl die zweite Stimme noch relativ neu ist im Palast, ist sie der Zofe in den vergangenen zwei Wochen bereits vertraut geworden. Nachdem sie den Schreck über Anastas temperamentvollen Abgang überwunden hat, fasst sie sich ein Herz und schleicht noch einmal näher heran, um zu lauschen. »Es ist nicht leicht zu erklären, von welch großer Bedeutung meine Mission ist. Aber wir müssen weitersuchen.«
»Ihr glaubt also, diese … Person könnte für mein Volk eine Gefahr darstellen. So viel habe ich verstanden, Nimhara. Und ich bin Euch sehr dankbar, dass Ihr so um unser aller Sicherheit bemüht seid.«
Die Stimme der Königin klingt irgendwie seltsam, weshalb die Zofe riskiert hinter der Tür hervor in den Salon zu spähen. Erschrocken sieht sie, dass der Königin Tränen über die Wangen fließen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Zofe sie weinen sieht, seit dieses merkwürdige Mädchen aus einer anderen Welt aufgetaucht ist. Aber sie ist schließlich noch in Trauer. Natürlich weint sie.
Das Mädchen – Nimhara – steht nah bei der Königin und ihr rotes Gewand leuchtet im Schein der Lampen. »Ich bin so froh Euch gefunden zu haben«, sagt sie milde. »Euer Sohn wäre glücklich mich an Eurer Seite zu wissen.«
Die Königin schenkt ihr ein schwaches Lächeln. »Kommt«, sagt sie entschlossen, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Tränen zu trocknen. »Ganz Alciel soll erfahren, dass eine Göttin zu uns gekommen ist. Seid Ihr bereit?«
Nimhara drückt der Königin die Hand. »Ja, das bin ich«, murmelt sie. »Hier zu sein ist mein jahrtausendealtes Schicksal. Meine Bestimmung.«
Unter den Wolken kriecht die Sonne hervor und noch vor allem anderen nehmen die massigen Gebäude die Farben des Morgens an. Weißer Stein und polierter Stahl leuchten vor dem Hintergrund des dunklen Nachthimmels, eine blanke Leinwand unter dem Lichtpinsel der aufgehenden Sonne.
Hoch über dem Rest der Stadt ragt die komplexe Architektur des Palastes auf, dessen schlanke Türme das schimmernde Rotgold des anbrechenden Tages als Erste einfangen, ihre strahlenden Ziegel ein glühendes Flackern wie von nächtlichen Leuchtfeuern erhellt. Fürchtet euch nicht, scheinen sie über die schlafende Stadt zu rufen. Noch dämmert der Morgen.
Der Balkon, auf dem ich stehe, ragt über den Rand der Insel hinaus und ich starre hinab auf die Wolkendecke, die diese Welt von der unteren trennt. Erleuchtet von der aufsteigenden Sonne sieht sie aus wie ein rosafarbener Ozean, aus dessen Tiefen langsam der Tag auftaucht.
Ich zittere und ziehe mir den Pullover enger um die Schultern. Selbst der Sonnenaufgang gibt mir das Gefühl, hier oben fremd zu sein, und löst wie so viele andere Dinge ein Unbehagen in mir aus, das ich der Elektrikerin, die mich seit zwei Wochen bei sich wohnen lässt, nie wirklich erklären konnte.
»Die Ärzte werden dir helfen«, hat sie mir versichert, in dem für sie typischen Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. »Mein Cousin ist der beste Gehirnspezialist in ganz Alciel. Mach dir mal keine Sorgen.«
Ich schließe meine Augen, in denen Tränen brennen. Obwohl ich nicht weiß, was mir widerfahren ist, sagt mir eine innere Stimme, dass ich verloren bin, und das mit einer Nachdrücklichkeit, als wäre sie nicht ein Teil von mir, sondern mein Feind. Winzige Erinnerungssplitter deuten an, wie ich hierhergekommen bin – aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Wahrheit wirklich kennen will.
Nacht für Nacht wache ich von dem Gefühl auf, dass sich eine brennende Fessel um meinen Fußknöchel legt. Und Nacht für Nacht wird mir noch im Traum klar, dass es kein Feuer ist, sondern von vor Erbitterung glühende Finger, die mich packen, mich berühren. Ich sehe nach unten und blicke in das wutverzerrte Gesicht einer Wahnsinnigen mit gebleckten Zähnen. Ihre Augen haben einen unnatürlichen Schimmer, als käme sie aus einer anderen Welt. Ich weiß, dass ich sie nicht besiegen kann, dass alles, was ich war und bin, zerborsten ist, dass ich verloren bin. Dann erwache ich mit einem erstickten Schrei.
In manchen Nächten sehe ich aber auch nach unten und da ist nicht der irre Blick dieser Kreatur. In manchen Nächten sind dort warme braune Augen, die zu mir emporblicken; eine schmale Adlernase, lächelnde Lippen, die stumm ein Wort formen, als würden sie beten. Ich glaube, es ist mein Name, bin mir jedoch nicht sicher. Ich kenne meinen Namen nicht. Auch dann spüre ich ein Brennen auf der Haut, nur sind die Finger, die mich berühren, sanft. Eine heiße Welle rollt über meine Wade und über die empfindliche Haut meiner Kniekehle bis hinauf zur Rundung meines Schenkels.
Auch in solchen Nächten schrecke ich keuchend aus dem Schlaf auf, wünsche mir hingegen, dass ich nie aufgewacht wäre.
Dem seltsamen Sonnenaufgang den Rücken zuwendend atme ich einmal tief durch. Dieses Haus ist der einzige Ort, an dem ich nicht das Gefühl habe, mich im Halbschlaf durch einen Albtraum zu bewegen. In einer Welt, die nur aus Chaos, Lärm und hartem, grellem Licht zu bestehen scheint, ist dieser Balkon eine Oase der Ruhe. Hier gibt es keine Bildschirme, keine breiten, von schwindelerregend hohen Gebäuden gesäumte Straßen, keine Menschenmassen, die pausenlos in ihre Chronos sprechen, oder Verkaufomaten, die mit blechernen Stimmen Essen und Getränke anbieten.
Der Rand der Insel ist dicht gesäumt von Balkonen wie diesem, die sich rechts und links von mir in der Ferne verlieren. Trotzdem sehe ich nur selten einen Nachbarn. Die Balkonmauern sind nicht gestrichen und eine begabte Gärtnerin – wahrscheinlich die Mutter der Elektrikerin – hat sie mit duftenden Blütenranken bepflanzt, die sich über die Balustrade ergießen und in der frischen Morgenbrise wehen. Hier, zwischen all den Pflanzen, fühle ich mich fast … zu Hause.
Ein Stöhnen und Knarzen aus dem Haus holt mich wieder zurück in die Wirklichkeit und ich gehe hinein. Monah, die Mutter der Elektrikerin, sitzt in ihrem Lieblingssessel vor dem noch kalten Kamin und hält mit beiden Händen eine große Tasse. Als sie einen Schluck trinkt, steigt mir der kräftige, bittere Geruch ihres Mokkateegetränks in die Nase.
»Guten Morgen, Liebes«, sagt sie, ohne den Kopf zu heben.
Ich schiebe die Tür hinter mir zu und tapse barfuß hinüber, um mich neben ihr in einen zweiten Sessel fallen zu lassen. »Ihr nehmt heute nicht an den Krönungsfeierlichkeiten teil?«, frage ich überrascht. Ich hatte geglaubt, die Elektrikerin hätte ihre gesamte Familie mitgenommen, nachdem sie heute Morgen an die Tür meiner Schlafstätte geklopft hatte, um sich zu verabschieden.
Die Frau lächelt und ich habe den Eindruck, es sollten dabei Falten entstehen, tief und stolz, Zeugen von Alter und Weisheit. Sie ist schon sehr betagt, ihr Mann und auch ihre Frau längst verstorben, weshalb sie wieder im Haus ihrer Tochter lebt. Doch die einzigen Anzeichen von Alter finden sich in ihrer Mimik, der Tiefgründigkeit ihrer Augen und in den Bewegungen ihrer Hände – obwohl sie weich und glatt sind, legen sich die Knochen und Gelenke ein klein wenig gekrümmt um ihre Tasse.
Ich habe mir sagen lassen, es gebe eine Behandlung, die alle hier bis an ihr Lebensende jung aussehen lässt – ein Vortäuschen von Jugend, welches das Alter zu einem Grund für Scham anstelle von Stolz macht. Es gibt in dieser Welt viele solcher Wunder, die es mir schwer machen zu glauben, dass es sich dabei nicht um eine Form von Magie handelt.
Nicht Magie, belehrt mich eine amüsierte Stimme in meinem Kopf. Technologie.
Ich kenne diese Stimme und doch kann ich mich nicht erinnern, wem sie gehört. Dieser Verlust erscheint mir größer als all die anderen und sorgt dafür, dass die Lücke in meinem Gedächtnis schmerzt wie eine pochende Wunde.
»Mir tun die Knochen weh«, gesteht mir Monah mit einem trüben Lächeln. »Mir ist heute nicht danach, mich durch eine Menschenmenge zu kämpfen.« Der Blick der alten Frau verweilt auf dem kalten Kamin, als würde sie in ein eingebildetes Feuer starren. »Vor gar nicht allzu langer Zeit«, fügt sie mit leiser Stimme hinzu, »habe ich schon einmal eine Krönung miterlebt. Und ich glaube, die behalte ich lieber im Gedächtnis.«
Aus ihren Worten sprechen sehr viel Trauer und Kummer – und doch spüre ich, dass sich hinter meinen fehlenden Erinnerungen ein Schmerz verbirgt, der noch sehr viel größer ist als ihrer. Und eine Traurigkeit, die ich mit niemandem teilen kann.
Die Menschen hier oben haben ihren alten König geliebt. In den Nachrichten sagen sie, er sei vor genau zwei Wochen und einem Tag an einem Herzinfarkt gestorben. Ich habe nie ein Bild von ihm gesehen – oder kann mich zumindest nicht daran erinnern. So weit reicht mein Gedächtnis nicht zurück. Es ist hier Brauch, Bilder von Verstorbenen nach deren Tod für ein Jahr wegzuschließen. So empfinden die Leute, wenn sie das Gesicht des geliebten Menschen wiedersehen, neben der Trauer auch Freude.
Die Geschichten, die die Chronos und Bildschirme dazu erzählen, sind nüchtern und beschränken sich auf Fakten. Aber in den Gesichtern der Menschen kann man die Wahrheit lesen: Der alte König starb an einem gebrochenen Herzen, am Schmerz über den Verlust seines geliebten Enkels, des Prinzen, der wenige Tage zuvor bei einem Unfall mit seinem Gleiter ums Leben gekommen war.
Als ich am Tag, nachdem die Elektrikerin mich bei sich aufgenommen hatte, zum ersten Mal davon hörte, sprang ich vom Tisch auf und rief: »Aber der Prinz ist nicht tot!«
Die Elektrikerin tauschte nur vielsagende Blicke mit ihrer Familie. »Du solltest versuchen diese Tragödie zu vergessen. Was passiert ist, ist schwer zu verkraften, insbesondere, wenn man kaum noch Erinnerungen hat. Geh es langsam an, Jayn, Schritt für Schritt.«
Wie das Antlitz des alten Königs wird auch das des Prinzen vor dem Volk von Alciel versteckt, weshalb ich sein Gesicht nie gesehen habe. Doch der Klang seines unter vorgehaltener Hand geflüsterten Namens, der ebenso tabu ist wie sein Bild, scheint dieses unerklärliche Wissen, das tief in meinem Herzen verankert ist, nur zu bestätigen.
Der Prinz lebt.
»Du hast noch Zeit bis zu deinem Termin im Ärztezentrum«, sagt Monah und holt mich wieder zurück in die Wirklichkeit. »Sollen wir uns die Übertragung der Krönung gemeinsam anschauen?« Dass sie nun doch bereit ist, sich die Zeremonie anzusehen, liegt wohl allein daran, dass sie mich ablenken möchte. Diese Familie hat mich wirklich mehr als freundlich aufgenommen.
Ich murmele meine Zustimmung und erhebe mich. »Soll ich das Feuer für Euch entfachen, Großmutter? Es ist ein kalter Tag. Die Wärme des Kaminfeuers wird den Schmerz in Euren Knochen lindern.«
Sie lacht, aber es klingt freundlich. »Mir gefällt, wie du redest«, sagt sie und nickt in Richtung des Kamins. »Bleib tapfer, kleine Poetin. Die Ärzte werden schon herausfinden, was mit dir los ist.«
Die Elektrikerin ist der Ansicht, ich sei Studentin an der Königlichen Akademie. Als die Königin neben der Einstellung des Zugverkehrs zwischen den Inseln auch die Schließung der Akademie anordnete, hatten Hunderte Studierende von den Nachbarinseln plötzlich keine Bleibe mehr. Die Elektrikerin glaubt, ich wäre eine dieser Gestrandeten und hätte mein Gedächtnis bei einem Unfall verloren. Deshalb hat sie mich aufgenommen und mir einen Termin bei einem Arzt besorgt. Sie denkt, ich studiere die Kunst des Dichtens und spreche deshalb, als würde ich nicht von hier sein.
Ich wage nicht, ihr zu gestehen, dass ihre Theorie – genau wie all die anderen Theorien, die man in den letzten zwei Wochen an mich herangetragen hat – absolut nichts in mir wachruft.
Vor dem Kamin kniend fahre ich mit dem Finger unter dem Sims entlang, bis ich den Zündknopf finde und eine Reihe hübscher kleiner Flammen zwischen den Steinen auflodert.
Als ich das zum ersten Mal beobachtete, war ich mit einem spitzen Schrei zurückgewichen, woraufhin der zehnjährige Sohn der Elektrikerin schallend über meine Dummheit lachte. Meine erste Vermutung war, dass es sich dabei um einen verblüffenden Zauber handelt. Mittlerweile weiß ich, dass das Unsinn ist. Die Steine im Kamin sind mit winzigen Löchern versehen und mit einer Leitung verbunden, durch die ein Stoff fließt, der heiß und sauber brennt. Jedes Haus der Stadt wird damit versorgt.
Dennoch zucke ich jedes Mal, wenn sich ein Feuer entzündet, ebenso erschrocken zurück, wie wenn einer ihrer Bildschirme zum Leben erwacht. Zwar kann ich meine Reaktionen immer besser verbergen, doch mit jedem dieser kleinen Wunder wird mir das Herz ein wenig schwerer. Denn ihm schwant bereits, was mein Verstand und meine Erinnerung nicht fassen können – es ist nur ein vager Verdacht, ein unmöglicher Gedanke. Aber … Ich gehöre nicht hierher.
Ich richte mich auf und schalte, bevor ich zu meinem Sessel zurückkehre, den Bildschirm über dem Kamin ein. Obwohl ich weiß, wie ich mich kleiden muss, wie mein Haar kämmen und wie eine Schleife binden, ängstigt mich mein Mangel an Kenntnissen. Für die Familie der Elektrikerin ist der Gebrauch des Bildschirms so leicht und selbstverständlich wie der eines Haarkamms.
Für mich ist er … magisch.
Auf dem Bildschirm ist ein aus der Luft aufgenommenes Bild der überfüllten Straßen vor dem Palast zu sehen. Viele müssen ihre Häuser noch vor der Elektrikerin und ihrem Sohn verlassen haben, denn es sind Hunderte – nein, Tausende, mehr als ich mir je vorgestellt habe. Die Menge drängt sich vor den geschlossenen Palasttoren wie wogende Wellen, die gegen ein Flussufer schlagen. Der schiere Anblick dieser Masse an Körpern zerrt an meinen Nerven.
Die Elektrikerin hat sich dafür entschuldigt, dass mein Treffen mit ihrem Cousin, dem Spezialisten, ausgerechnet auf den Tag der Krönung fällt, als würde ich das Spektakel meines Lebens verpassen. Aber ich musste wohl nur deshalb nicht länger als zwei Wochen warten, weil niemand sonst diesen Termin wollte.
Während die versammelte Menge vor Aufregung und Vorfreude brodelt, wird mir bei der Vorstellung, unter ihnen zu weilen, so schwindelig, dass ich die Augen schließen muss. Meine Gastgeberin und ihre Familie haben sofort akzeptiert, dass ich nicht berührt werden will. Doch dort draußen, inmitten der Menge … ich könnte den Menschen nicht ausweichen.
Ein Murmeln aus dem Sessel neben mir lässt mich die Augen öffnen. Monah verfolgt mit ernstem Gesicht die Übertragung, als würde sie gleich Zeugin eines sehr bedeutenden Ereignisses.
Das Bild hat von der Luftaufnahme der Menschenmenge zu einem Podium im Innenhof des Palastes gewechselt. Es ist umgeben von den Maschinen, die Bilder und Geräusche aufzeichnen und diese dann durch die Stadt schicken. Die Leute, die eng nebeneinander hinter den Maschinen stehen, sind besser gekleidet als die Menschen vor dem Palast – es müssen Berater und andere wichtige Staatsdiener sein. Welche Rollen sie genau innehaben, weiß ich nicht oder kann mich nicht daran erinnern. Dem ungeduldigen Murren nach zu urteilen interessiert sich Monah im Moment jedoch genauso wenig für sie wie für die Maschinen – Kameras, flüstert mir mein Verstand eines der Wörter zu, die ich in den vergangenen Wochen gelernt habe. Alle Kameras sind auf das leere Podium und den verhangenen Pavillon gerichtet, aus dem jeden Moment die Königin treten wird.
Ich kann verstehen, weshalb Monah die Krönung mitverfolgen möchte, obwohl sie darin keinen Grund zum Feiern sieht.
Sosehr die Menschen hier ihren alten König, den Vater der Königin, geliebt haben, so skeptisch scheinen sie ihrer neuen Regentin gegenüberzustehen. Allerorts hört man Gerüchte über seltsame Entscheidungen und eine ungewöhnliche Geheimnistuerei seitens des Thrones. Manche behaupten, die Königin habe den Zugverkehr zwischen den Inseln in der Absicht einstellen lassen, ihn nie wieder aufzunehmen.
Es wird gemunkelt, ihr sei völlig gleichgültig, was geschehen wird, wenn die Geschäfte in Alciel leer gekauft sind. Auf der Hauptinsel gibt es keine Farmen – alle Lebensmittel kommen von kleineren Inseln, die weit entfernt sind.
Die Menschen fragen sich, weshalb die Königin nicht mehr zu ihrem Volk spricht, weshalb die täglichen Audienzen gestrichen wurden und weshalb sie außer ihren Bediensteten und Wachen, die das Palastgelände nicht verlassen, niemand mehr gesehen hat.
Es heißt, die neue Regentin sei verrückt geworden.
Auf dem Bildschirm öffnet sich der Vorhang und Beatrin, die Königin von Alciel, betritt das Podium. Ihre Höflinge brechen in begeisterten Applaus aus, werden aber vom Gebrüll der Massen jenseits der Tore übertönt, die wie wir das Geschehen auf riesigen Bildschirmen in der gesamten Stadt verfolgen.
Sie ist groß und auf eine unnahbare Art schön, ihre Haut von einem makellosen Braun, ein bis zwei Nuancen dunkler als meine. Stellvertretend für die Krone, die sie am Ende der Zeremonie tragen wird, ist ihr langes schwarzes Haar zu einem Kranz um ihren Kopf geflochten. Sie ist dünn, dünner als auf den vor Monaten oder Jahren aufgenommenen Bildern, die ich von ihr gesehen habe, und ihre Augen scheinen in die Ferne zu schweifen – allerdings steht sie ja auch vor Aberhunderten von Menschen.
Ihre Lippen bewegen sich bereits seit einer Weile, als ihre Stimme das Grölen der Menge schließlich übertönt. Sie hebt die Hände, um Ruhe bittend.
»Danke«, sagt sie mit tönender Stimme. »Es berührt mich zutiefst, euch an diesem glorreichen Morgen hier vor mir zu sehen. Unser Volk musste in diesen letzten schweren Wochen so viel Leid ertragen, so viele Verluste und Unsicherheiten hinnehmen. Und doch höre ich die Kraft in euren Stimmen, sehe die Entschlossenheit in euren Gesichtern und weiß, dass Alciel zu seiner alten Stärke zurückfinden wird. Wir haben die schwärzesten aller Tage überstanden und werden nun gemeinsam erleben, wie Hoffnung und Wohlstand dieses Land wieder zum Leuchten bringen.«
Königin Beatrin macht eine Pause und ihr Volk bricht in Jubel aus. Ihre Worte rühren auch mein Herz. Sie ist eine begnadete Rednerin, die ihr Publikum zu begeistern weiß.
»Ihr fragt euch vielleicht, wie ich mir da so sicher sein kann«, spricht sie weiter, als die nachlassenden Rufe der Menge es wieder zulassen. »Und ich könnte die lange Geschichte unseres Volkes anführen und unsere unvergleichliche Fähigkeit, uns anzupassen. Ich könnte die Macht des königlichen Blutes nennen, das in meinen Adern fließt, das Blut meines Vaters und der Mutter seines Vaters, das über tausend Jahre von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Aber die Wahrheit, geliebtes Volk, ist, dass ich eine Besucherin empfangen durfte.«
Das Johlen der Menge verstummt und noch bevor ich Monahs gerunzelte Stirn sehe, weiß ich, dass dieser letzte Satz vom Üblichen abweicht.
Beatrin wartet noch einen Moment, bis es ganz still ist, dann spricht sie mit großem Ernst weiter. In ihrer kraftvollen Stimme schwingt eine ungewöhnliche Leidenschaft mit. »Ihr alle seid heute hier, um mitzuerleben, wie eure Königin nach dem Ende der Trauerzeit zum ersten Mal die Krone tragen wird. Doch ich möchte euch auch mit einer anderen Herrscherin bekannt machen. Wahrscheinlich werdet ihr, was sie zu sagen hat, nicht glauben – anfangs habe ich es selbst nicht getan. Aber heute, nach vielen nächtelangen Gesprächen, glaube ich ihr – glaube ich an sie –, und das aus tiefstem Herzen.«
Von ihren Gefühlen überwältigt tritt die Königin mit rot geränderten Augen zur Seite und deutet mit ausgestrecktem Arm auf den Pavillon. Die Bewegung der Vorhänge verrät, dass noch jemand dahinter steht. »Ich weiß, ihr alle werdet so begeistert von ihr sein, wie ich es bin: Nimhara, zweiundvierzigste Trägerin des Göttlichen, lebende Göttin ihres Volkes und die erste Abgesandte von Unten in unserem Land.«
Die fassungslose Stille, die nun folgt, bildet einen harten Kontrast zu dem ohrenbetäubenden Jubel noch vor wenigen Minuten. Eine junge Frau tritt aus dem Pavillon und stellt sich neben die Königin. Ihr Gesicht ist leicht unscharf, scheinbar sind die Kameraleute ebenso überrumpelt wie alle anderen. Neben mir brabbelt Monah etwas von »unmöglich« und »niemand lebt im Unten«, wobei ihre Stimme sich vor Aufregung fast überschlägt.
Ich nehme keine Notiz davon. Ich höre sie nicht. Und auch die dicht gedrängte Menge auf dem Bildschirm höre ich nicht mehr, obwohl sie wieder in Bewegung geraten ist und die Königin die explosive Stimmung nicht mehr kontrollieren kann.
Da ist nur dieser dumpfe Widerhall einer Erinnerung in meinen Ohren. Ich kenne diesen Namen.
Die Frau trägt Rot, ein langes Gewand aus durchscheinendem Stoff, in dem sich die Morgensonne fängt und es in Brand setzt. Ihr langes dunkles Haar ist von Gold gekrönt, in der Hand hält sie eine Art Stab mit einer gefährlich aussehenden Spitze. Sie wendet sich der Königin zu, der nun die Tränen über die Wangen laufen, und spricht mit ihr. Obwohl die Frau in Rot sich bemüht ihr Gesicht vor den Kameras zu verbergen, löst ihr Anblick eine so heftige Reaktion in mir aus, dass ich laut aufschreie.
Ich kenne sie. Nimhara. Trägerin des Göttlichen. Gottheit. Hell wie Glockenschläge klingen die Worte nach und wirbeln in meinem Kopf Erinnerungsfetzen auf wie ein Windstoß die Asche.
Aus Hunderten von Kehlen höre ich den Namen, immer wieder. Unbekannte Gesichter, die mir dennoch vertrauter scheinen als mein eigenes, blitzen auf. Ich sehe eine andere Terrasse, einen anderen Balkon, einen anderen Garten. Ich sehe einen Fluss, tief unter mir, der im Mondschein glitzert. Ich sehe das Wolkenmeer, auf das ich heute Morgen vom Balkon aus geblickt habe. Nur sehe ich es von unten, erhellt von einer Sonne, die sich über eine weite Ebene aus wogendem Gras und alten Ruinen erhebt.
Ich springe auf. Wie Wellen gegen eine Mole schlagen verlorene Erinnerungen gegen die dicken Mauern in meinem Kopf und lassen sie erbeben – reißen sie aber nicht ein. Was bleibt, ist nur eine einzige Gewissheit. Ich gehöre nicht hierher.
Die Ahnung, die mich quält, seit ich in jener bitteren Nacht vor zwei Wochen neben den Gleisen aufgewacht bin, verhärtet sich in meiner Brust und lässt mich taumeln. Die Wahrheit, zu schrecklich, um sie zu akzeptieren, und zu verrückt, um mit irgendjemandem darüber zu sprechen, schießt durch meine Adern wie Gift. Wie eine Krankheit, eine Pest, die mich von diesen Menschen, die so freundlich zu mir waren, für immer trennt. Ich werde niemals eine von ihnen sein, denn dies ist nicht mein Zuhause.
Ich komme aus einer anderen Welt.
»Habt Ihr hier geschlafen, North?«
Ich tauche aus meinem Traum auf und schwimme der Stimme entgegen. Durch meinen Kopf wabert Nebel, meine Augen brennen. Meine abgewinkelten Arme, auf denen ich geschlafen habe, sind steif und schmerzen, als ich versuche sie zu strecken. Ich reibe mir das Gesicht, um wach zu werden, und überprüfe dabei heimlich, ob mir Spuckefäden in den Mundwinkeln hängen. Als ich die Augen kurz zusammenkneife und dann weit aufreiße, sitzt vor mir auf dem Tisch der Kater und sieht mich vorwurfsvoll an.
Hinter ihm steht mit verschränkten Armen Techeki und blickt streng, aber nicht unfreundlich auf uns herab. Obwohl er in den letzten Tagen ein bisschen mitgenommen zu sein scheint, ist sein Kopf noch immer glatt rasiert und seine bronzefarbene Haut glänzt im Schein der Archivlampen, wo ich anscheinend die Nacht verbracht habe.
»Ist es schon Morgen?«, frage ich.
»Ja. Wie kommt es, dass Ihr schon wieder hier geschlafen habt?«
»Das war nicht meine Absicht«, entgegne ich und werfe dem Kater einen Blick zu, als könnte er meine Aussage bestätigen. Aber der starrt mich nur weiter mit großen Augen an.
Der Meister der Zeremonie – und nun Tempelvorsteher und Vorgesetzter von Nimhs Priestern und Bediensteten – seufzt auf eine Art und Weise, die mich an meine Mütter erinnert. »Die Aufsichtführenden wagen es nicht, Euch zu wecken, North. Niemand wagt es, dem Letzten Stern aus der Prophezeiung auf die Schulter zu tippen, um ihm mitzuteilen, dass es Zeit ist, schlafen zu gehen.«
»Einer Ihrer Graumäntel hat es gestern aber doch getan«, entgegne ich genervt von seinem Tonfall, der klingt, als spräche er mit einem ungehorsamen Kind.
»Ich bitte Euch«, versucht er mich zu beschwichtigen. Ich kenne niemanden, der seine Emotionen besser im Griff hat als Techeki, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob es ein Zeichen seiner Müdigkeit oder unserer neuen Vertrautheit ist, dass er mir gegenüber durchblicken lässt, dass er sich um mich sorgt.
»Es sind nicht meine Graumäntel. Wenn überhaupt, dann sind sie nur meine vorübergehende Lösung für ein Problem, dem ich im Moment nicht anders Herr werden kann.«
Zu sagen, die Graumäntel und Nimhs Priester wären sich in manchen Dingen nicht ganz einig, wäre so schamlos untertrieben, wie wenn ich behaupten würde, ich wäre nur ein klein wenig überrascht gewesen, als mir klar wurde, dass Magie tatsächlich existiert.
Die von einer – im Übrigen knallharten – Frau namens Elorin angeführten Graumäntel sind der Ansicht, Nimhs Volk sollte seine Magie – und seine Religion – aufgeben. Um den Nebel, die Quelle der Magie, von der Stadt fernzuhalten, haben sie Himmelsstahl im Fluss versenkt und sie so zu einem ihrer Bunker gemacht.
Die Lampen, die im frühen Morgenlicht schon fast erloschen sind, brennen mit Öl anstatt mit Zauberfeuer, und selbst die Luft im Tempel hat sich verändert. Alles ist in eine gedämpfte Atmosphäre getaucht, die mich extrem nervös macht.
Jemanden, den man kaum gekannt hat, kann man eigentlich nicht vermissen. Und doch fehlt mir Nimh so sehr, dass es sich anfühlt, als drücke mir jemand permanent die Kehle zu.
»Nimh hätte im Tempel niemals Graumäntel geduldet«, widerspreche ich bockig. »Und Sie haben sie eingeladen.«
»Wäre Nimh hier, wären sie nicht hier«, entgegnet Techeki. »Aber solange Nimh nicht zurück ist, sind Elorin und ihre Graumäntel die Einzigen, die den Nebel davon abhalten, sich jede einzelne Seele in dieser Stadt zu holen. Ihr wisst das und ich hoffe, ich werde es eines Tages auch Nimh erklären können. Und sollte sie mir dennoch nicht verzeihen, kann ich nichts daran ändern.«
»Aber es muss doch …«
»Nein, es gibt keine andere Möglichkeit«, unterbricht er mich knapp. »Wir hatten dieses Thema bereits, North. Ich weiß, dass Ihr Elorin die Stirn bieten wollt, und wenn ich ehrlich bin, habe ich es satt, ständig dazwischenzugehen. Den Graumänteln ist es gleichgültig, ob Ihr Teil der Prophezeiung seid, momentan haben wir aber dasselbe Interesse. Wir müssen verhindern, dass der Nebel in die Stadt eindringt, auch wenn das auf Kosten der Magie geht. Nur so wird Nimhara noch ein Volk haben, zu dem sie zurückkehren kann, auch wenn sie mich dann vielleicht nicht mehr dazu zählt.«
Ich sage nichts. Wir wissen beide, dass er recht hat – Skrupel können wir uns nicht leisten. Nicht, solange unsere Göttin nicht da ist. Nicht, solange die Gefahr so groß ist.
»Legt Euch schlafen, North«, sagt er schließlich ein wenig milder. »Wenn Ihr irgendetwas überlest, weil die Müdigkeit Euren Verstand in eine breiige Masse verwandelt, nutzt Ihr niemandem etwas. Ihr müsst die Sache langsam und zielgerichtet angehen, wenn sie Erfolg haben soll. Ihr seid der Stern und ich glaube, wenn irgendjemand einen Weg finden kann sie zurückzuholen, dann Ihr.«
Der Stern.
Alles, was ich hier bin, alles, was ich habe, habe ich nur, weil ich ein Teil von Nimhs Prophezeiung bin.
Ich greife nach meinem Wasserglas, um den Geschmack nach alten Schuhen im Mund loszuwerden, aber es ist leer. Techeki nimmt den Krug und schenkt mir nach.
»Irgendwelche Fortschritte?«
»Nein.« Meine Antwort hängt schwer zwischen uns.
Seit zwei Wochen wühle ich mich verzweifelt durch die Archive, bin einem Weg nach Hause aber noch kein Stück näher gekommen. In den ersten Tagen habe ich noch kreuz und quer nach Hinweisen gesucht, wild entschlossen irgendetwas zu finden, das unser Problem lösen könnte. Mittlerweile habe ich mir Techekis Rat zu Herzen genommen und versuche methodischer vorzugehen. Ich will sicher sein, dass ich nichts übersehe, während ich mich durch die Archive arbeite.
»Wir brauchen Matias«, brummt Techeki und lässt den Blick über die unzähligen Regalreihen schweifen, deren oberste Fächer im diesigen Licht der Morgensonne verschwimmen. »Doch unser Meister der Archive ist ja lieber damit beschäftigt, für seine Flussläufer den Fischerkönig zu spielen, und will nicht gefunden werden.«
Ich weiß, wo er zu finden ist, es erscheint mir aber nicht der richtige Moment, Matias zu verraten.
Techeki klingt müde – natürlich. Er hat mindestens genauso viel gearbeitet wie ich.
In der Hoffnung, irgendeine Möglichkeit zu finden ihn zu reparieren, hat er mit einem Frachtkahn meinen Gleiter holen lassen. Aber er war nur noch ein Klumpen geschmolzener Schrott. Obwohl Techeki mir Schmiede zur Verfügung gestellt hatte, die eigentlich beim Wiederaufbau der Stadt gebraucht wurden, konnten wir weder den Skysinger instand setzen noch den Kronreif, der Nimh und Inshara von hier nach Alciel transportiert hat.
Er hat wirklich alles versucht, was uns eingefallen ist, ist jedem Hinweis, wie ich wieder nach Hause kommen könnte, nachgegangen und hat währenddessen kaum geschlafen. Die halbe Stadt hat dabei zugesehen, wie Inshara Nimh berührt hat, was für eine unberührbare Göttin fatal ist, und sie hat die Stadt in Trümmer gelegt. Trotzdem versucht er so gut er kann ihre Getreuen bei der Stange zu halten.
Er will seine Göttin zurückhaben. Ich will nach Hause.
Zumindest glaube ich, dass ich das will.
Ich kann die Gesichter meiner Familie vor mir sehen, die Freude meiner Mütter, wenn sie erfahren, dass ich noch am Leben bin. Meinen Großvater, dessen Sorgenfalten sich bei meinem Anblick erleichtert glätten. Miri und Saelis, die mich in die Arme schließen. Ich vermisse sie alle so sehr, dass es mir fast die Brust zerreißt. Wenn ich jedoch die Augen schließe … dann ist es immer nur Nimhs Gesicht, das vor mir auftaucht.
»Schlaft ein wenig«, wiederholt Techeki noch einmal leise und wendet sich zum Gehen.
»Das werde ich«, murmele ich. Aber als ich anfange meine Sachen auf einen ordentlichen Stapel zu legen, fällt mein Blick auf das Schriftstück, das ich gelesen hatte, kurz bevor ich eingeschlafen bin, und plötzlich erinnere ich mich wieder. »Warten Sie«, rufe ich und springe auf. »Ich habe da etwas Merkwürdiges gefunden.«
Techeki bleibt stehen und schiebt die Hände in die Ärmel seines Gewandes. Er will verhindern, dass seine Körpersprache ihn verrät, doch allein diese Geste spricht Bände: Ich soll nicht merken, dass wieder Hoffnung in ihm aufkeimt. »Ja?«
»Je weiter ich in den Aufzeichnungen zurückgehe, umso mehr Hinweise finde ich auf etwas, das sich das Orakel nennt und mit dem Aufstieg, oder auch Exodus, in Zusammenhang steht.«
Techeki fixiert mich mit diesem überraschten Gesichtsausdruck, von dem er genau weiß, dass er mir auf die Nerven geht. »Kennt man diese Geschichte in eurem Land denn nicht? Seid ihr so sehr damit beschäftigt, Götter zu spielen, dass ihr vergessen habt, wie die Welt entstanden ist?«
»Nein, sind wir nicht«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Unsere Geschichte ist nur … anders.« Er kann einem die Freude, etwas Neues zu erfahren, wirklich vermiesen. »Ist das Orakel eine Art Gottheit, die die Welt erschaffen hat?«, will ich wissen.
Techeki seufzt wieder, als wäre ich ein kleines Kind, dem man alles erklären muss. »Das Orakel hat uns die Geschichte vom Anfang der Welt erzählt. Ohne das Orakel wüssten wir weder, woher wir kommen, noch, warum wir hier sind, und auch nicht, dass es vor diesem bereits andere Lebenszyklen gegeben hat.«
»Und warum wird das Orakel in den neueren Geschichten nicht mehr erwähnt?«
»Irgendwann begannen die Theologen an der Existenz des Orakels zu zweifeln. Wenn es ein Gott war, war das problematisch, weil laut der Legende nach dem Exodus nur eine Gottheit zurückgeblieben war – die lebende Gottheit. Und wenn es nur ein gewöhnlicher Mensch war, woher konnte es dann wissen, wie die Welt entstanden war? Und so haben die religiösen Gelehrten, wie es so ihre Art ist, das Orakel im Laufe der Zeit einfach aus ihrem Kanon gestrichen.«
Die Vorstellung, dass ernsthafte Gelehrte einen Teil der Geschichte einfach unter den Teppich kehren, um ihn nicht erklären zu müssen, amüsiert mich so sehr, dass mein Ärger verfliegt. »Wie kann ich mehr über dieses Orakel erfahren? Oder über die Geschichte, die es euch erzählt hat? Wenn das alles mit dem Exodus zu tun hat, kann ich vielleicht etwas Entscheidendes herausfinden.«
Techekis Mundwinkel zucken. »Ihr könnt froh sein, dass Matias nicht aufzufinden ist. Er würde Euch bitten, Euch zu setzen und Euch die Sage in ihrer kompletten Länge erzählen.«
Ich verziehe keine Miene. Techeki muss nicht wissen, was ich über den früheren Meister der Archive alles weiß. »Ich denke, für meine Zwecke wird die kurze Version genügen.«
Techeki hält einen Moment inne und verschränkt die Arme hinter dem Rücken. Obwohl er sich über den alten Mann lustig macht, dessen Spezialgebiet es ist, Heldenepen oder bedeutende Weisheiten vorzutragen, nimmt er exakt dieselbe Haltung ein.
»Unser Leben ist ein ewiger Kreislauf. Alles, was geschehen ist, wird wieder geschehen – alles, was geschieht, ist schon geschehen. Unsere Welt ist nur ein Glied in einer endlosen Kette aus Entstehung und Zerstörung, Freud und Leid, Leben und Tod und hätte schon vor tausend Jahren enden sollen. Aber der Lichtbringer, die Gottheit, die dazu bestimmt war, ihr ein Ende zu bereiten, brachte es nicht über sich sie zu zerstören.«
»Den Teil kenne ich bereits«, unterbreche ich Techeki, ohne das verärgerte Blitzen in seinen Augen zu beachten. »Nimh hat mir die Geschichte erzählt. Weil er die Welt nicht zerstören wollte, ist der Lichtbringer mit den anderen Göttern in den Himmel geflohen.« Bei dem Gedanken, dass alle in Alciel – einschließlich mir – Götter sein sollen, fällt es mir schwer nicht zu grinsen. »Aber er hat eine Prophezeiung zurückgelassen, die besagt, dass er eines Tages wiedergeboren und zurückkommen würde, um zu beenden, was er vor tausend Jahren nicht vollbracht hat.« Und Nimh glaubt, diese Aufgabe – diese Verantwortung – sei ihr zugefallen, kann ich mir gerade noch verkneifen hinzuzufügen.
»Mehr oder weniger.« Techeki nickt. »Was uns allerdings das Orakel sagt – und die meisten Theologen gerne vergessen, wenn sie die Sage des Lichtbringers immer wieder neu schreiben –, ist, warum er uns verlassen hat. In der Version des Orakels betrachtete der Lichtbringer die Welt und war hin- und hergerissen. Sie war voll von Gewalt, Leid und Streit, doch auch ein Ort der Schönheit, Liebe und Vergebung. Er konnte das Gute nicht vom Schlechten trennen und brachte es nicht übers Herz, mit der Finsternis auch das Licht auszulöschen. Er hat uns verlassen, sagt das Orakel, weil wir ihm das Herz gebrochen haben.«
So poetisch die Geschichte auch ist, sie erklärt nicht, wie unsere Vorfahren es geschafft haben, rein technisch, eine ganze Stadt in den Himmel aufsteigen zu lassen – und wie ich selbst wieder dorthin gelange.
Doch Techeki ist noch nicht fertig. »Das Orakel behauptet auch, der Lichtbringer habe die eine Hälfte seines Herzens ins Land der Götter mitgenommen und die andere hiergelassen. In dieser Version der Geschichte kann diese Welt nur enden und ein neuer Zyklus beginnen, wenn die Hälften wieder vereint sind.«
Ich zucke innerlich zusammen. »Dann ist die Hälfte, die hiergeblieben ist, die lebende Gottheit, nehme ich an. Aber das würde auch bedeuten, dass die andere Hälfte irgendwo in Alciel herumschwirrt. Wahrscheinlich mögen eure Theologen die Geschichte deshalb nicht so besonders gerne.«
Techeki zuckt mit den Schultern. »In der Version des Orakels gibt es nichts, das nahelegt, dass das Herz des Lichtbringers etwas mit der lebenden Gottheit zu tun hat. Manche glauben, es müsse sich um zwei Artefakte handeln, die große Macht haben, oder um das Wolkenland selbst. Ich muss gestehen, mehr weiß ich auch nicht – in unseren Ritualen sind die Geschehnisse, von denen das Orakel berichtet, nur noch sehr selten zu finden. Die Menschen bevorzugen das Lied des Zerstörers – die Geschichte des Lichtbringers, wie Nimh sie Euch erzählt hat.«
»Okay, verstehe. Trotzdem danke.« Ich mache mir nicht die Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen. Irgendetwas stört mich. Wie ein winziger Splitter in meinem Fuß, der zu tief sitzt, um ihn herauszubekommen. Wenn die Version dieses Orakels nicht zu den anderen Geschichten passt … dann könnte vielleicht doch etwas dran sein, das mir weiterhilft.
Techeki sieht mich lange an. Dann murmelt er: »Ihr seht schrecklich aus, Prinz North. Ihr solltet Euch wirklich etwas Ruhe gönnen.« Als er geht, hallen seine Schritte die langen Regalreihen entlang.
Techeki hat recht. Ich werde ein paar Stunden schlafen, damit mein Gehirn sich erholen kann, und dann noch einmal durchgehen, was ich bisher zusammengetragen habe. Vielleicht ist mir ja irgendetwas entgangen. Vielleicht erhält eines der alten Dokumente vor dem Hintergrund der Geschichte des Orakels eine neue Bedeutung.
Ich lehne mich im Stuhl zurück und meine Hand tastet automatisch nach dem Schutzstein in meiner Hosentasche, den Nimh mir gegeben hat. Ich trage ihn immer bei mir.
Er ist mittlerweile so dick mit rotem Faden umwickelt, dass kein Fitzelchen mehr von dem Stein zu sehen ist. Vor zwei Wochen erst hatte ich mir ein Stück roter Seide um die Taille geschlungen und sie getragen wie die Schärpe eines Flussläufers – ein Bekenntnis zu Nimh, das ihre Augen zum Leuchten brachte. Die Schärpe ist längst weg, aber als ich den Kater vor ein paar Tagen beobachtete, wie er mit einem roten Fadenknäuel spielte, habe ich es, ohne zu wissen warum, in meine Tasche gesteckt. Als ich in der Nacht nicht schlafen konnte, habe ich die Fäden dann entwirrt, glatt gestrichen und um den Stein gewickelt.
Zwei Hälften eines Herzens … Oben und Unten? Meine Welt in Alciel und Nimhs hier? Oder zwei Teile eines Artefakts, die durch den Aufstieg getrennt wurden? Oder …
Oder zwei Menschen?
Ich streiche mit dem Daumen über den Faden um Nimhs Schutzstein und in meinem Kopf hallen die Worte wider, die sie mir beim Fest der Sterbenden, in diesem kostbaren, gestohlenen Augenblick, bevor Inshara alles zerstörte, zugeflüstert hat. Ich glaube, die Prophezeiung hat uns zusammengeführt, North. Dies ist unsere Bestimmung.
Ich nehme die Hand aus der Tasche und reibe mir über den Nasenrücken. Vielleicht will ich einfach, dass es wahr ist. Dass die beiden Herzhälften des Lichtbringers für mein und Nimhs gemeinsames Schicksal stehen. Denn dann wären wir laut der Prophezeiung wieder zusammen, bevor alles endgültig vorbei ist.
Wenn ich doch nur ein wenig mehr über dieses alte Orakel herausfinden könnte. Vielleicht würde ich dann auch Antworten auf meine Fragen finden.
Mit einem leisen Seufzen kehre ich zurück ins Hier und Jetzt. »Was hältst du von einem kleinen Nickerchen?«, frage ich den Kater.
Vorsichtig kommt er näher und leckt an meinem Handgelenk. Dann beißt er plötzlich zu.
»Aua! Wofür war das denn?«
Er weicht ein paar Schritte zurück und starrt an mir vorbei auf etwas, das sich hinter meinem Rücken befindet. Als ich mich umdrehe, sehe ich eine Gestalt mit Kapuze näher kommen, was eigentlich nichts Ungewöhnliches ist. Alle Akolythen tragen Kapuzen, ein Zeichen für Nimhs Abwesenheit, aber diesen begrüßt der Kater mit einem kurzen Maunzen.
Oh nein. Nicht schon wieder.
Die Gestalt setzt sich mir schräg gegenüber an den Tisch. Als sie den Kopf hebt, kann ich ihr Gesicht sehen. Es ist eine Frau – eine Flussläuferin. Nimh kennt sie sehr gut, aber ich bin ihr erst vor Kurzem zum ersten Mal begegnet.
Ihr Name ist Hiret. Ihre Zöpfe sind abgeschnitten, ein Zeichen, dass sie gerade erst Witwe geworden ist. Die rasierten Haare machen es ihr leicht, sich als Akolyth auszugeben. Ihr Gesicht ist hager und ihre braune Haut unter den Augen deutlich dunkler.
»Sag Matias, dass es bei meinem Nein bleibt«, erkläre ich ihr ruhig, aber entschieden. Das geht schon seit Tagen so und langsam bin ich mit meiner Geduld am Ende. Hirets Schwester Didyet hat ihre Magie und ihren Glauben abgelegt und ist von den Flussläufern zu den Graumänteln übergelaufen, aber Blut ist dicker als Wasser. Mit ziemlicher Sicherheit ist sie es, die Hiret heimlich Zugang zum Tempel verschafft.
»Er wird kein Nein akzeptieren«, entgegnet Hiret ebenso ruhig. »Du bist der Letzte Stern. Nimharas Volk braucht dein Licht in der Finsternis ihrer Abwesenheit.«
»Und ich brauche die Hilfe eures Fischerkönigs bei meiner Suche nach einem Weg zurück in den Himmel«, knurre ich und muss mich sehr zusammenreißen, um nicht laut zu werden.
»Die Prophezeiung hat Euch hierhergeführt«, sagt sie. »Der Ort Eurer Bestimmung ist hier.«
Normalerweise ist das Gespräch an dieser Stelle beendet. Normalerweise halte ich meinen Mund, weil Hirets Mann in der Nacht, in der ich Nimh traf, sein Leben gelassen hat. Er war einer der Flussläufer, die Nimh begleiteten, als sie der Prophezeiung folgte, die uns zusammengeführt hat.
Er hat an Nimh geglaubt und Insharas Schatten haben ihn dafür getötet.
Aber heute Morgen platzt mir der Kragen. »Ich scheiß auf die Prophezeiung, Hiret. Sie hat mich aus meiner Welt gerissen, aus meinem Leben, weg von meiner Familie und meinen Freunden. Sie hat mich zu Nimh gebracht und in all das hier hineingezogen – in all eure Feindseligkeiten untereinander. Eure Prophezeiung hat Nimh in den Himmel gehoben und mich in den Abgrund gestürzt.«
Sie klappt den Mund auf, ich bin aber noch lange nicht fertig. »Bisher hat eure Prophezeiung den Menschen, die mir etwas bedeuten, nur Schaden zugefügt. Ich habe keine Lust mehr, nach Hinweisen zu suchen, was diese Prophezeiung als Nächstes von mir will. Ich will einfach nur wissen, wie ich nach Hause komme. Das ist das Rätsel, das ich lösen muss. Und wenn dort, wo ich zu Hause bin, auch Nimh ist, dann solltet ihr es ebenfalls lösen wollen.«
Hiret wartet, bis mein Wortschwall abgeebbt ist, und hat dann eine einfache Antwort für mich. »Der Fischerkönig der Flussläufer«, verkündet sie mit vorgeschobenem Kinn, »hat nach Euch gerufen, Wolkenländer.«
»Warum sollte ich tun, was er von mir verlangt?«, frage ich. »Er hat mich belogen, seit wir uns hier in den Archiven zum ersten Mal getroffen haben. Er hat sich als Nimhs bescheidener Archivar ausgegeben und sonst nichts – weder hat er erwähnt, dass er der Fischerkönig der Flussläufer, noch, dass er ein Sentinel ist. Als ich ihn gebeten habe mir zu helfen einen Weg nach Hause zu finden, hat er nicht einmal angedeutet, dass er Mitglied eines alten Ordens ist, der die Passage zwischen den Welten bewacht.«
»Er hatte seine Gründe«, faucht sie.
»Und ganz offensichtlich hat er die auch jetzt noch«, zische ich zurück. »Ansonsten würde er nicht weiterhin den Weg nach Alciel bewachen, während ich auf meiner verzweifelten Suche nach irgendetwas, dass ihn preisgibt, seine Archive auseinandernehme.«
»Wenn er wüsste, wie wir sie finden können, würde er es Euch sagen«, beharrt sie.
»Was will er denn von mir?«, frage ich. »Wenn er nicht vorhat mir zu helfen?«
»Das wird er Euch sagen, wenn Ihr zu ihm geht.«
»Was nicht passieren wird.«
»Ihr schuldet es ihm«, flüstert sie mit Nachdruck. »Wie könnt ihr es wagen, seinem Ruf nicht zu folgen?«
Hirets Augen durchbohren mich wie Messer und ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt. »Ich kann den Tempel nicht verlassen«, erkläre ich ihr. »Überall in der Stadt sind Schatten. Es wäre idiotisch, mich von ihnen schnappen zu lassen.«
»Dann versteckt Ihr Euch?«, will sie wissen. »Der Fluss hat keine Fische mehr. Unser Getreide verdorrt. Nicht mehr lange und die Menschen werden verhungern.«
»Ich bin kein großer Gärtner«, entgegne ich.
»Immer mehr Leute laufen zum Schattenkult über, weil es dort noch Vorräte von den Plünderungen gibt. Und der Rest fängt an auf die ketzerischen Worte der Graumäntel zu hören, die aus Nimharas Tempel dringen. Der Glaube ihres Volkes wird schwächer, und wenn wir keine gemeinsame Lösung finden, werden wir alle sterben. Jeder für sich allein.«
»Ich kann euch nicht retten«, entgegne ich ernst und erschöpft.
»Ihr seid der Letzte Stern! Wenn uns einer retten kann, dann Ihr.«
Ich beiße die Zähne so fest aufeinander, dass mir der Kiefer schmerzt, und atme dann ganz langsam aus. Aber es hilft nicht. »Hiret, ich habe alles aufgegeben, um für Nimh zu kämpfen und eure Prophezeiung zu erfüllen. Aber jetzt ist Schluss damit. Ich bin niemandes Stern. Alles, was ich im Moment tun muss, ist einen Weg nach Alciel finden, wo alle, die ich liebe, in großer Gefahr schweben. Wenn es nicht schon zu spät ist. Sag also eurem Fischerkönig, dem Sentinel, dass er mich dabei unterstützen kann oder sich unsere Wege hier trennen.«
»Ich …«
Dieses Mal bin ich derjenige, der sie unterbricht. »Du solltest jetzt gehen, Hiret. Ich habe bisher nichts verraten, weil Matias mich, als Inshara nach meinem Kopf schrie, aus dem Tempel geschleust hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, aber es reicht jetzt. Wenn du noch einmal hierherkommst, rufe ich die Tempelwachen. Techeki wird sich freuen jemanden kennenzulernen, der ihn zu seinem alten Rivalen führen kann.«
Mit offenem Mund starrt sie mich an. Das wagst du nicht, drohen mir ihre weit aufgerissenen Augen.
Woraufhin meine sich zu Schlitzen verengen: Lass es besser nicht darauf ankommen.
Eine Zeit lang fixieren wir uns gegenseitig – ein Test ihrerseits, wie ernst ich es meine, dem ich aber standhalte –, dann gibt sie plötzlich auf, erhebt sich und zieht ihre Kapuze zurecht. »Heute Abend wird jemand an der üblichen Stelle auf Euch warten«, sagt sie, dreht mir den Rücken zu und geht.
Ich warte, bis sie verschwunden ist, dann stehe ich ebenfalls auf und sammle meine Papiere zusammen. »Komm, Käpt’n Plüschpfote«, fordere ich den Kater auf. »Gönnen wir uns ein paar Stunden Schlaf.«
Der Kater starrt mich an und versenkt seine Krallen in einem Stapel Papier.
»Was?«
Er starrt mich weiter an.
»Ich tue, was ich kann«, sage ich leise. »Wenn ich mit Hiret gehe, bringt uns das auch nicht zu Nimh. Es würde bedeuten Nimh aufzugeben – und dazu bin ich noch nicht bereit.«
Ich glaube, der Kater ist mit ein Grund, weshalb die Flussläufer davon überzeugt sind, dass ausgerechnet ich derjenige bin, der sie retten kann. Bisher galt seine Loyalität ausschließlich Nimh, weshalb sie seine Anhänglichkeit mir gegenüber wohl als eine Art Zeichen deuten.
Dabei habe ich ihnen bereits gesagt, dass er mir nicht folgt. Ich füttere ihn nur.
Vorbei an verschlafenen Akolythen und Bediensteten, die Frühschicht schieben, schleiche ich mich mit dem Kater durch die Korridore.
Ich habe zwar eigene Gemächer, doch wir gehen an einen Ort, an dem niemand wagt mich zu stören – an einen Ort, der allein den Gottheiten vorbehalten ist. Der Kater musste mich mehrere Male in diesen abgeschiedenen Gang führen, bis ich es endlich kapiert habe – zuerst dachte ich, wir wären in einer Sackgasse gelandet, an deren Ende er jedes Mal die Wand anmaunzte und dann erwartungsvoll zu mir hochblickte.
Ich klemme mir die Dokumente unter den Arm und taste nach dem Knopf, der in einem der steinernen Ornamente eines Schmuckpfeilers verborgen ist. Kurz darauf gleitet eine geheime Tür zur Seite und der Kater schlüpft vor mir hindurch in Nimhs heiligen Garten.
Über unseren Köpfen holen Dachfenster und Spiegel das Licht der Morgensonne herein und erhellen einen Raum, der ungefähr doppelt so groß ist wie mein Schlafzimmer.
Filigrane Kletterpflanzen bedecken die kühlen Wände, über die Wasser in ein von Moos umrandetes Becken plätschert. Vor dem Becken steht eine Steinbank und überall recken Blumen sich dem Licht entgegen – rote, orange und gelbe –, mit langen zarten Stielen, die sich sanft im Luftzug der sich hinter meinem Rücken schließenden Tür wiegen. Es gibt hier sogar einen echten Baum mit glatter weißer Rinde und Ästen, die sich in die Höhe strecken und dann in weichen Bögen aus graugrünen Blättern und frischen rosafarbenen Blüten wieder herabfallen.
Ich habe ein paar Kissen und Decken hergebracht, denn hier unter diesem Baum kann ich ungestört schlafen – keiner der Tempelbediensteten würde es wagen, gegen die Tür eines Raumes zu hämmern, der allein den Göttern vorbehalten ist. Und Elorin und ihren Graumänteln hat, so viel ich weiß, niemand von seiner Existenz erzählt.
Ich muss jedoch gestehen, dass dieser wunderschöne Ort immer mehr wie mein Zimmer zu Hause aussieht. Neben meiner Matratze stapelt sich das Papier und an der Tür stehen mehrere dreckige Teller, die ich schon seit Tagen mit nach draußen nehmen will. An einer freien Wand habe ich eine ganze Reihe von Dokumenten aufgehängt, von denen die Hälfte bereits mit meinen krakeligen Notizen versehen ist. Obwohl ich die Informationen selbst zusammengetragen habe, kommen sie mir allmählich vor wie die Sammlung eines durchgeknallten Verschwörungstheoretikers.
Hier, in diesem wundervollen Garten, ist meine Anwesenheit ein Sakrileg. Das Chaos, das gerade meine Welt und meinen Kopf beherrscht, nimmt ihm seine Ruhe und Göttlichkeit.
Zwischen blühenden Ranken hängen mehrere Zeichnungen von Flügeln, die ein verrückter Erfinder, der die Vögel imitieren wollte, vor langer Zeit angefertigt haben muss. Hätte er damals etwas wie meinen Gleiter, den Skysinger, zu Gesicht bekommen, wären ihm wahrscheinlich die Augen aus dem Kopf gefallen. Trotzdem werfe ich die Zeichnungen nicht weg. Ich habe den Skysinger nicht mehr und bin mittlerweile verzweifelt genug alles auszuprobieren, was ich finde.
Den Gleiter habe ich eigenhändig gebaut, aus Teilen, die ich den Motoren unter meiner Stadt entnommen habe. Ich war mir sicher ihn mit der Zeit immer weiter verbessern und dann ein Luftschiff bauen zu können, das allein mit der Kraft seines Motors fliegt. An dem Tag, an dem ich abgestürzt bin, hatte ich vor dem Senat über meine Pläne gesprochen. Ich glaube immer noch, dass ich dieses Luftschiff bauen könnte, aber die Technik, die ich dafür benötige, existiert nur in meinem Land über den Wolken.
Es gibt wohl nichts Schlimmeres, als sich jedes einzelne Teil, das man brauchen würde, genau vorstellen zu können, aber keine Möglichkeit zu haben daran zu kommen – so, als stünde man am Rand einer Schlucht und entdeckte ein Brett, das einem als Brücke dienen könnte … nur dass es auf der anderen Seite liegt.
Gleich neben den Skizzen der Flugmaschine stapeln sich Schriftrollen, in denen ein Zweiter Exodus erwähnt wird. Die Rollen haben mir fast das Herz gebrochen. Für einen Moment hatte ich gehofft, jemand hätte nach dem Aufstieg Alciels – für Nimhs Volk der Exodus – einen Weg in den Himmel gefunden. Tatsächlich ist das Wissen darüber, wie man das geschafft hat, im Laufe der Geschichte verloren gegangen, aber für einen kurzen Augenblick dachte ich dennoch, die zerfledderten Schriftrollen würden mir verraten, wie ich ein zweites Mal aufsteigen könnte. Leider kann ich kaum ein Wort davon entziffern.
Neben dem Wasserbecken liegen, mit einem Stein beschwert, die Mythen, die ich zu den Sentinels gefunden habe. Die Sentinels existieren seit den ersten Aufzeichnungen über das Unten und kennen angeblich den Weg zwischen dieser und meiner Welt. Es ist darin viel von magischen Türen und treuen Herzen die Rede und ich frage mich, ob es sich hier um dieselben Hälften eines gebrochenen Herzens handelt wie in der Version der Geschichte, die das Orakel erzählt. Aber auch sie enthalten keinerlei Hinweise darauf, wer oder was diese Herzen sind und wo sie sich befinden. Und was auch mit keinem Wort erwähnt wird, ist, dass zumindest einer dieser Sentinels noch lebt.
Matias’ Offenbarung auf den Tempeltreppen nach Nimhs und Insharas Aufstieg hat Techeki und die anderen offensichtlich genauso schockiert wie mich. Falls Matias weiß, wie man in den Himmel kommt, wird er es mir nicht verraten. So viel ist sicher.
Noch eine Sackgasse also.
Seit zwei Wochen suche ich bereits nach einer Möglichkeit, nach Hause zu kommen, und bin keinen Schritt weitergekommen. Ich versuche meine Enttäuschung nicht allzu groß werden zu lassen und lege die wenigen Notizen, die ich mir zu diesem Orakel gemacht habe, auf den Stapel mit den Sentinel-Mythen. Noch mehr Geschichten, noch mehr Sichtweisen auf die Mythologie des Exodus. Nur nichts, was mir dabei helfen könnte zu erfahren, wie unsere Vorfahren auf die andere Seite der Wolken gelangt sind.