Bianca Exklusiv Band 269 - Lois Faye Dyer - E-Book

Bianca Exklusiv Band 269 E-Book

Lois Faye Dyer

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Beschreibung

WAR ES NUR EIN KURZER TRAUM? von TANNER MARSH, ELLEN
Liebe auf den ersten Blick! Als Kenzie den eleganten Anwalt Ross Calder kennenlernt, weiß sie sofort, dass er ihr Traummann ist. Überglücklich stimmt sie zu, mit ihm nach New York zu gehen. Doch dann erfährt sie, dass er sie nur als Kinderfrau für seinen Sohn will …

NIE WIEDER EINSAM? von HARLEN, BRENDA
Nach einem tiefen Blick in ihre Augen weiß Nick, dass er in all den Jahren der Trennung nur auf Jessica gewartet hat. Und dieses Mal erfüllen sich alle seine heißen Träume mit ihr. Aber nach sieben Tagen kehrt Jessica in ihre Heimatstadt zurück. Wird er für immer einsam bleiben?

DIE BRAUT DES KRONPRINZEN von DYER, LOIS FAYE
Ja, der Kronprinz von Daniz ist atemberaubend attraktiv. Aber das ist noch kein Grund, so unverschämt mit ihr zu flirten! Schließlich ist Emily in seinem Fürstentum am Mittelmeer, um seine Hochzeit zu organisieren. Und noch ahnt sie nicht, wer seine Braut sein soll …

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Seitenzahl: 604

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Ellen Tanner Marsh, Brenda Harlen, Lois Faye Dyer

BIANCA EXKLUSIV BAND 269

IMPRESSUM

BIANCA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage in der Reihe BIANCA EXKLUSIVBand 269 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2004 by Ellen Tanner Marsh Originaltitel: „For His Son’s Sake“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gina Curtis Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1445

© 2005 by Brenda Harlen Originaltitel: „Once and Again“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Patrick Hansen Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1537

© 2004 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Prince’s Bride“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Patrick Hansen Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1520

Abbildungen: Nejron Photo / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733732707

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

War es nur ein kurzer Traum?

1. KAPITEL

Liebe auf den ersten Blick? Niemals. Das gibts nur im Film. Hätte jemand Kenzie Daniels prophezeit, dass ausgerechnet ihr das passieren würde, wäre sie in schallendes Gelächter ausgebrochen. Und dabei ging es auch noch um einen siebenjährigen Jungen!

Dennoch, genau das hatte sich ereignet – an einem Ort, an dem Kenzie es niemals erwartet hätte: Am Strand, in der Nähe ihres Hauses.

Bis spät in die Nacht hinein hatte sie über ihrer Zeichnung gesessen – als Künstler arbeitet man schließlich dann, wenn einen die Muse küsst. Am Morgen hatte sie beschlossen, nach dem Frühstück erst mal ein Sonnenbad zu genießen und später zu dem kleinen Supermarkt zu fahren, wo sie ihren wöchentlichen Einkauf erledigen wollte.

Ihr Weg über die Dünen führte über den Holzsteg zum Strand, wo sie ihr Handtuch auf dem Sand ausbreitete. Es herrschte Ebbe, und die Wellen plätscherten leise ans Ufer. Kenzie mochte die Strände hier am Kap Hatteras besonders, weil sie selten überfüllt waren.

Sie streifte das weite T-Shirt ab, unter dem sie einen knappen einteiligen Badeanzug trug. Sorgfältig cremte sie sich mit Sonnenöl ein, legte sich auf den Rücken und griff nach ihrer Zeitschrift. Schon bald fühlte sie, wie Nacken und Schultern sich entspannten.

Wie lange hatte sie wohl letzte Nacht gearbeitet? Zumindest bis drei, überlegte sie. Gut, dass sie nicht mehr zu Hause wohnte oder sich eine Zimmergenossin gesucht hatte, wie es ihr ihre Mutter geraten hatte. Nun brauchte sie auf niemanden Rücksicht zu nehmen, konnte das Licht brennen lassen und die Musik so laut stellen, wie es ihr gefiel.

Allein zu leben, hatte seine Vorteile. Das wurde ihr deutlich klar, nachdem sie und ihr Verlobter Brent nicht – wie geplant – geheiratet hatten.

Inzwischen genoss sie es, hier am einsamen Kap ihre Cartoons zu zeichnen, weit entfernt von den Menschen, der Presse, dem Personal und all den Verpflichtungen, die eine Heirat mit einem Mann wie dem künftigen Senator Brent Ellis mit sich gebracht hätte.

Brent bewarb sich tatsächlich dieses Jahr um den Sitz im Senat. Das hatte Kenzie von ihrer Mutter erfahren, als sie das letzte Mal miteinander telefonierten. Lächerlich, dachte Kenzie. Ich wäre eine lausige Senatorengattin. Nicht, dass sie sich nicht auf dem politischen Parkett Washingtons zu bewegen wüsste. Sie war ja praktisch auf den Benefizveranstaltungen der Republikaner groß geworden.

Aber ihr lag nichts an dem Lebensstil ihrer Eltern, und schon gar nicht an dem Brents, der gleichberechtigter Partner in der renommierten Anwaltskanzlei ihres Vaters geworden war. Sie war nicht dafür geschaffen, loyal an Brents Seite zu stehen, während er die politische Karriereleiter erklomm … auf dem Weg zur Präsidentschaft vielleicht?

Bei der Vorstellung, einmal First Lady zu sein, musste Kenzie laut auflachen. Gleichzeitig wurde sie schmerzlich daran erinnert, wie sie vor etwas mehr als einem Jahr allein eine Präsidentschaftskampagne zu Fall gebracht hatte.

Ihr Herz verkrampfte sich. Nein. Daran wollte sie jetzt auf keinen Fall denken. Während jener schrecklichen Tage, als sich bereits die ersten Auswirkungen abzeichneten, hatte sie sich fest vorgenommen, nicht über Dinge zu grübeln, die sie nicht ändern konnte. Selbst, wenn sie vorausgesehen hätte, dass sie ihre Familie mit ihrem Tun in dramatische Auseinandersetzungen stürzte, wäre sie standhaft geblieben.

Was ihren Vater betraf …

Genug damit. Keinesfalls wollte sie sich ihren freien Vormittag mit Gedanken an ihren Vater verderben.

„Vorsicht.“

Der Schrei ertönte direkt hinter ihr. Im selben Moment hörte sie über sich ein bedrohliches Knistern. Gleich darauf stürzte ein größerer flatternder Gegenstand auf sie herab.

„He!“ Kenzie schlug wild mit den Armen, um sich von den bunten Nylonschnüren und dem leuchtend grünen Lenkdrachen zu befreien, der nur wenige Zentimeter neben ihrem Kopf niedergekracht war.

„Oh Mann. Entschuldigung. Ist Ihnen was passiert?“

Der Eigentümer des Drachens kam auf sie zu, ein kleiner Junge von etwa sieben Jahren. Seine Badehose reichte ihm bis zu den Knien.

Kenzie blickte zu ihm auf und wollte ihn schon anranzen. Aber dann sah sie die hellen blauen Augen und den schwarzen Lockenkopf, und als ihre Blicke sich trafen, lächelte er sie zaghaft an. Kenzie fühlte, wie ihr plötzlich warm ums Herz wurde. Diese Grübchen auf seinen Wangen und diese Sommersprossen auf der kleinen Stupsnase …

Das Wort ‚niedlich‘ war sicher extra für diesen Jungen erfunden worden.

„Nichts passiert. Der Drache hat mich ja kaum berührt.“

„Ich fürchtete schon, er würde Ihren Kopf treffen. Bin ich jetzt froh, dass er Sie verfehlt hat.“

Er war nicht nur niedlich, er hatte auch einen Akzent. War er Engländer?

Kenzie erwiderte sein Lächeln. „Es ist schon okay. Wirklich.“

„Ich heiße Angus.“ Beim Lächeln zeigte sich vorn eine Zahnlücke. „Und wie heißen Sie?“

Auch sein Name gefiel Kenzie. Sie widerstand dem Wunsch, ihm über die Haare zu fahren. „Ich heiße Kenzie.“

„He Mann! Was für ein Name ist das denn?“

„Eine Abkürzung für MacKenzie.“

Angus strahlte. „Oh, das ist ja ein echt schottischer Name.“

Kenzie lachte. „Schön, dass du ihn magst.“

„Ich bin auch Schotte. Jedenfalls mein Großvater. Ich bin in Norfolk geboren.“

Sie kannte hier nur ein Norfolk, und das lag in Virginia. „Vermutlich nicht in Virginia, oder?“

Er nickte. „Wissen Sie, wo mein Norfolk liegt?“

„Im Osten von England. Ich glaube, irgendwo nördlich von London.“

Angus lächelte. „He! Das wissen nicht viele Amerikaner.“

Seine Bewunderung schmeichelte und belustigte Kenzie. „Ich bin früher viel gereist. Habt ihr ein Haus in Avon gemietet, Angus?“

Der Junge deutete über seine Schulter. „Ja. Wir wohnen in dem Haus dort hinten.“

Hinter den Dünen waren die Dachspitzen mehrerer Strandhäuser zu sehen, aber Kenzie wandte sich gar nicht erst um. Sie sahen sich alle ähnlich. Stabile Holzhäuser, hoch über dem Grund auf Pfählen gebaut, damit sie Hochwasser und Stürmen widerstanden, die regelmäßig die Outer-Bank-Inseln heimsuchten.

Angus entwirrte die Drachenschnüre. Das Gerät war fast so groß wie der Junge. „Lenkst du zum ersten Mal einen solchen Drachen?“

„Ja. He Mann, er lässt sich schwer steuern.“

„Das Problem ist, ihn erst einmal in die Luft zu bekommen. Dann ist es ganz leicht.“

„Wissen Sie, wie man das macht?“

„Nun ja. Es ist schon eine Weile her.“

„Oh, bitte könnten Sie mir nicht zeigen, wie es geht?“

Kenzie blickte zu den Häusern. „Hat deine Familie nichts dagegen, wenn du hier die ganze Zeit allein spielst?“

„Mein Dad sagt, ich darf herkommen, solange ich nicht ans Wasser gehe. Bitte, Kenzie.“

Wie konnte sie da ablehnen? „Gib mir die Schnur. Wir versuchen es.“

Ross Calder saß im Wohnzimmer auf der Couch und ließ seinen Laptop zuschnappen. Ärgerlich fuhr er sich durchs Haar. Obwohl ihm das Internet ermöglichte, in den Ferien mit seiner Arbeit auf dem Laufenden zu sein, fand er doch, dass er in seiner Kanzlei effektiver arbeitete, wo er seinen Klienten von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen und mit den Kollegen diskutieren konnte.

Wie unpassend, gerade jetzt mehrere Wochen Urlaub zu machen, nachdem der Termin des Fitzpatrick-Prozesses auf Anfang August verlegt worden war.

Ross zog die Stirn kraus, stellte den Laptop beiseite und ging zur Tür der rückwärtigen Terrasse. Sollte er nicht doch Delia anrufen und fragen, ob sie …

Nein, das kam nicht infrage. Delia hatte ihm vor seiner Abreise am letzten Freitagnachmittag angedroht, bis Dienstag keinen einzigen Anruf von ihm entgegenzunehmen. Ebenso wollte sie sich weigern, seine E-Mails zu beantworten. Allen Mitarbeitern hatte sie empfohlen, es ihr gleich zu tun.

„Das ist nur zu Ihrem Besten“, hatte sie in ihrer liebenswürdigen mütterlichen Art gesagt. „Ich bestehe darauf, dass Sie zumindest fünf Tage vollkommen entspannen. Natürlich wäre mir lieber, Sie würden uns während der ganzen vierzehn Tage Ihrer Reise nicht belästigen. Ich bitte Sie, Ross. Das ist Ihr erster Urlaub seit sechs Jahren.“

Schon seit mehr als fünf Jahren war sie Ross’ Assistentin und achtete dabei ebenso unerbittlich auf seine Gesundheit und sein Wohlergehen wie auf die Führung der Kanzlei.

Ross trat auf die Terrasse, stützte die Hände auf das Geländer und blickte aufs Meer. Delia hat recht, dachte er. Ich muss mich jetzt nur um meinen Sohn kümmern.

Sein Sohn. Wie gewöhnlich erfüllte der Gedanke an Angus ihn mit großer Sorge. Sogleich wurden Erinnerungen an die Sprüche seines Bruders Alex wach, die, auch wenn sie nicht böse gemeint waren, ihn dennoch schmerzten: „Wie kannst du nur glauben, du wärst in der Lage, einen siebenjährigen Jungen zu erziehen?“

„Ich werde es herausfinden“, hatte Ross eigensinnig geantwortet.

„Und wie willst du das bitte anstellen? Wer ist dein Vorbild? Hoffentlich nicht unser Vater.“

Ross verdrängte die Worte seines Bruders sowie alle Erinnerungen an seinen Vater. Alex war sechs Jahre älter als er. Deshalb hatte er auch mehr Erinnerungen an den Vater, der sie und die Mutter verließ, als Ross erst drei Jahre alt war.

Seine Gedanken kehrten zu seinem Sohn zurück. Angus hatte ihn gebeten, ihn doch mit auf diese Reise nach Hatteras zu nehmen, bevor das neue Schuljahr anfing.

Eigentlich ging es Angus gar nicht ausdrücklich um Hatteras Island. Jeder Ort am Atlantischen Ozean war ihm recht. Er hatte noch nie das Meer gesehen, obwohl er in England geboren war, das buchstäblich von Wasser umgeben ist.

Auch seinen Vater hatte er erst im April dieses Jahres kennengelernt.

Wieder spürte Ross, wie sich sein Herz verkrampfte. Frustration und Sorge – vielleicht sogar Angst schienen ihn zu überwältigen, sobald er an diese neue Verantwortung dachte. Er hatte den Jungen nach dem Tod seiner Exfrau vor knapp vier Monaten sozusagen geerbt. Penelope war bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Noch immer quälten ihn Schuldgefühle und Wut. Wut auf Penelope, die ihm Angus verheimlicht hatte. Schuldgefühle, weil er bis heute ein Fremder für diesen Jungen geblieben war.

Verflixt, nicht für diesen Jungen. Für seinen Sohn. Inzwischen lebten sie schon ein paar Wochen zusammen, warum konnte er sich nicht daran gewöhnen, dass Angus zu ihm gehörte?

Verdammt noch mal, man kann doch kein kleines Kind erben! Immerhin hatte er keinen geringen Anteil an Angus’ Entstehen, auch wenn er später im Leben des Jungen keine Rolle gespielt hatte. Von Bedeutung war nur noch, dass Ross jetzt Angus Calders rechtmäßiger Beschützer war. Sein Vater.

Hinter den Dünen hörte er die Wellen brechen. Angus war dort irgendwo und ließ seinen Drachen steigen.

Vielleicht sollte er ihm dabei helfen und mit ihm spielen, einen Strandspaziergang vorschlagen oder etwas dergleichen. Aber Ross mochte das Meer nicht besonders. Er war im Norden des Bundesstaates New York geboren und aufgewachsen und zog die Flüsse und Süßwasserseen von New England dem salzigen Meer vor.

Aber Angus war ganz wild darauf, das Meer kennenzulernen. Er hatte den Atlas aus Ross’ Bibliothek geholt und seine Finger die Küste entlanggleiten lassen, vorbei an Delaware, Maryland und Virginia, bis er auf Norfolk traf.

„Sieh nur. Daher komme ich“, hatte Angus aufgeregt geschrien, als ob Ross das nicht wüsste. Als Nächstes fiel Angus’ Blick auf Nags Head in North Carolina.

„Was meinst du wohl, warum die Stadt Nags Head heißt?“ Pferdekopf war in der Tat ein seltsamer Name für eine Stadt.

Das war die erste Frage, die er seinem Vater von sich aus stellte.

Die Erklärung, die Ross ihm gab, ließ Angus’ Augen leuchten. Ross selbst glaubte keinen Moment an das Märchen von North Carolinas Piraten, die einem Pferd eine Laterne um den Hals hängen und es bei Nacht über die Dünen schicken, um die Schiffe ans Ufer zu locken, die sie dann ausplünderten.

Aber Angus glaubte es. Und selbstverständlich wollte er diesen Ort kennenlernen. Aber wie sich beim Buchen der Reise herausstellte, handelte es sich bei Nags Head um einen Ort, wo es für Ross’ Geschmack zu viel Minigolf, Pizzabuden und Einkaufscenter gab. Delia hatte daraufhin aus dem Internet andere Informationen gezogen, diesmal über Cape Hatteras National Seashore auf Hatteras Island, wo sich meilenweit leere Strände und klares blaues Wasser erstreckten.

Ross war mit Angus vor zwei Tagen nach Norfolk in Virginia geflogen und hatte dort einen Wagen gemietet für die Zweistundenfahrt zu ihrem Strandhaus bei Avon auf Hatteras Island. Und seitdem hatte Angus praktisch jede wache Minute am Strand verbracht.

Und Ross konnte nicht leugnen: Der Aufenthalt tat dem Jungen – seinem Sohn – unendlich gut.

Aber wo blieb er nur? Ross blickte auf seine Armbanduhr. Viertel vor zehn. Er hatte Angus gebeten, nicht länger als zwanzig Minuten fortzubleiben. Um neun hatte er das Haus verlassen. Stirnrunzelnd stieg Ross die Treppe hinunter und eilte zum hölzernen Dünenweg.

Erleichtert sah er, dass Angus zumindest das Versprechen gehalten und sich vom Wasser fern gehalten hatte. Der Junge saß im Sand jenseits des Holzstegs und blickte lachend zum Himmel hinauf.

Der Drache, den sie am Tag zuvor gekauft hatten, kurvte schwungvoll über ihm. Aber Angus hielt keine Schnur in den Händen. Wer steuerte?

„Jetzt bist du dran. Hier, mein Kleiner.“

Eine junge Frau übergab die Schnüre seinem Sohn. Sie trug eine Sonnenbrille und einen dunkelblauen einteiligen Badeanzug. Ihre schulterlangen blonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Ross blieb abrupt stehen. Seit seine Exfrau und er sich getrennt hatten, mied Ross prinzipiell jede ernsthafte Beziehung und versuchte Frauen aus dem Weg zu gehen. Aber diese Frau war nicht der Typ, den ein Mann ignorieren konnte. Ihre langen sonnengebräunten Beine, die reizvollen Kurven und das umwerfend attraktive Aussehen ließen jedes Männerherz höher schlagen. Aber sie strahlte mehr als Sex-Appeal aus. Etwas an ihr, die Art, wie sie Angus anlächelte, wie sie den Kopf zurückwarf, wirkte sehr süß, natürlich und unwiderstehlich – selbst auf ihn.

„Hier, halte sie so.“

Der Drache wurde mit zwei Schnüren gelenkt, an denen je ein Handgriff befestigt war. Die Frau zeigte Angus, wie er seine beiden Hände einsetzen musste, um die Bewegungen des Drachens durch langsames Heben und Senken zu verändern.

„Sehen Sie, ich kann es!“

Angus schrie vor Aufregung, als der Drache auf sein Lenken reagierte. Ross hatte den Jungen noch nie so begeistert gesehen, seit er ihm in London im Haus von Penelopes Eltern zum ersten Mal begegnet war. Er schämte sich, als er sich erinnerte, wie er und Angus sich damals förmlich die Hände geschüttelt hatten. Er hatte sich gefragt, ob er den Jungen umarmen sollte oder nicht. Angus könnte ja in Tränen ausbrechen vor Verlegenheit oder, was noch schlimmer gewesen wäre, ihn von sich stoßen.

Angus schien ähnliche Bedenken gehabt zu haben.

Wieder verspürte Ross diesen Schmerz in seiner Brust.

„Angus“, rief er. „Du solltest doch nur zwanzig Minuten bleiben.“

Erschrocken drehten sich Angus und die Frau um. Ross hatte in den Dünen gestanden, wo sie ihn nicht sehen konnten. Nun ging er mit gerunzelter Stirn zu den beiden hinunter.

„Ist das dein Dad?“, fragte Kenzie. „Er scheint verärgert zu sein.“

„Er hasst es, wenn ich mich verspäte.“ Eine Spur Panik schwang in Angus’ Stimme mit. „Ich weiß ja gar nicht, wann zwanzig Minuten vorbei sind.“

Wie sollte er auch? Er hatte ja nicht einmal eine Uhr.

Keine Frage, dieser Mann war Angus’ Vater. Sie hatten die gleichen blauen Augen und lockigen schwarzen Haare. Angus’ süßes Lächeln war jedoch der unfreundlichen Miene seines Vaters vorzuziehen. Der Mann trug Jeans, teure Bootsschuhe und ein abgetragenes T-Shirt, das wohl den Anschein von Lässigkeit erwecken sollte.

„Wo warst du?“, fragte Ross.

Angus senkte den Kopf. „Entschuldige. Ich wusste nicht, dass es schon so spät ist.“

Ross kreuzte die Arme vor der Brust. Keine unbedingt versöhnliche Haltung. „Dann können wir dich auch nicht allein herkommen lassen, finde ich.“

Jetzt wurde es Kenzie aber zu viel! „Entschuldigen Sie“, platzte sie heraus. „Ich frage mich, wen hier die Schuld trifft. Angus scheint mir ein bisschen zu klein zu sein, um allein am Strand zu spielen.“

„Tatsächlich?“

Kenzie meinte, eine leichte Unsicherheit in seiner Frage zu hören. Sie wandte sich dem Jungen zu. „Wie alt bist du, Angus? Sechs? Sieben?“

„Am Mittwoch werde ich acht“, antwortete er stolz.

„Wir haben hier keine Bademeister“, erklärte Kenzie. „In der Nähe des Ufers gibt es gefährliche Strömungen.“

„Angus kennt die Regeln.“ Kenzie konnte den eindringlichen Blick des Mannes geradezu fühlen. „Er darf nicht ans Wasser gehen.“

Aber Kenzie konnte auch stur sein. „Ein siebenjähriges Kind sollte nur in Begleitung eines Erwachsenen an den Strand gehen, Mr. …“

„Calder. Ross Calder.“

Vielleicht war er nicht gerade begeistert, dass sie ihm Vorwürfe machte, aber er blieb zumindest höflich.

Kenzie schüttelte ihm die Hand. „Ich bin MacKenzie Daniels.“

Au! Er hatte ihr die Hand zu fest gedrückt – zweifellos absichtlich, als wollte er ihr zeigen, dass er hier das Sagen hatte. Sie löste ihre Hand ganz langsam aus seiner, obwohl sie sie ihm am liebsten entrissen hätte. Weil die Berührung ihr einen physischen Schock versetzte. Ein heißer Strom schien durch ihren Arm und Körper zu fahren.

Trotzdem, der Kerl war ihr unsympathisch. Und viel zu streng mit seinem Sohn. Hoffentlich war Mrs. Calder netter.

Der Drache lag inzwischen unbeachtet hinter ihnen im Sand.

„Übe nur weiter, Angus. Du hast es großartig gemacht.“

„Wirklich?“

Kenzie hätte gern einen Arm um den Kleinen gelegt und seinem Vater die Zunge herausgestreckt, weil er so ein Spielverderber war. „Du kannst es mir glauben.“

„Helfen Sie mir morgen wieder?“

„Wenn ich wieder hier bin, vielleicht. Aber ich wohne in Buxton.“

„Wo ist das?“

„Das ist die Stadt mit dem Leuchtturm. Ich bin heute nur zufällig hier, weil ich Lebensmittel einkaufen wollte.“

Avon hatte den einzigen Supermarkt südlich von Nags Head.

„Okay. Vielleicht sehen wir uns wieder.“ Angus sah sie unglücklich an. Was mochte der Grund dafür sein?

Kenzie blickte Ross Calder streng an. „Es war nett, Sie kennenzulernen, Mr. Calder.“

„Ebenfalls, Miss Daniels.“

Mit dem Sonnenbaden war es heute ja wohl nichts mehr. Sie war viel zu aufgewühlt, um noch zu entspannen. Und nicht nur, dass sie sich über die Überheblichkeit dieses Mannes ärgerte. Nein, was sie fast noch mehr aufbrachte, war ihre körperliche Reaktion auf ihn.

Unsinn. Kenzie sammelte ihre Sachen ein und machte sich auf den Weg zu ihrem Auto. Der Holzsteg zum Parkplatz führte sie an den letzten Häusern vorbei, die an die Stadt angrenzten. Angus hatte gesagt, er würde in einem von ihnen wohnen. Kenzie warf verstohlen einen Blick auf die Terrassen, aber dort war niemand zu sehen. Sie seufzte. Obwohl etwas an diesem Jungen mit den blauen Augen sie tief berührt hatte, meinte sie doch, ihn nicht unbedingt wiedersehen zu müssen. Und seinen Vater schon gar nicht.

2. KAPITEL

Avon war eine kleine Stadt. Bekannten zu begegnen war keine Ausnahme, sondern die Regel. Kenzie hatte jedoch nicht erwartet, Ross Calder und seinen Sohn schon so bald wiederzusehen, nämlich noch am Abend desselben Tages.

Sie hatte den Nachmittag damit verbracht, ihre Cartoons zu kolorieren und zum Absenden fertig zu stellen. Anschließend ging sie zum Steg hinter ihrem Haus, um nach den Reusen zu schauen. Sie waren voller Fische, sogar ein paar größere Schollen und ein Adlerfisch schwammen darin herum. Doch wie gewöhnlich reichte diese Menge nicht für all die hungrigen Mäuler, die sie zu füttern hatte. Deshalb fuhr sie nach Avon, um einen Teil ihres knappen Geldes in einem Laden für Anglerbedarf auszugeben.

Kenzie wollte gerade zu ihrem Pick-up zurückgehen, als sie ihren Namen hörte. Sie stützte ihre Tasche auf eine Hüfte und drehte sich um. „Angus! Was machst du denn hier?“

„Wir gehen ins Kino.“

Das Kino lag gleich gegenüber dem Parkplatz.

Hinter dem Wagen kam nun auch sein Vater zum Vorschein. Kenzie hatte schon beinahe vergessen, wie attraktiv dieser Ross Calder war.

„Hallo.“ Kenzie hielt nach Angus’ Mutter Ausschau, aber Ross und Angus waren allein.

Aufgeregt hüpfte der Junge vor ihr her. „Was ist in deiner Tasche?“

„Angus …“, warnte sein Vater.

„Ist schon in Ordnung“, sagte sie rasch. „Da sind kleine Fische drin.“

„Darf ich sie sehen?“

Bereitwillig öffnete sie den Behälter. Als der Junge sich darüber beugte, begegneten sich Ross’ und Kenzies Blicke. Sie lächelte. Es gab doch nichts Liebenswerteres als einen neugierigen kleinen Jungen. Außerdem hatte sie jetzt Gelegenheit, auch Ross genauer zu mustern. Er war wirklich nett anzusehen.

Aber der Mann erwiderte ihr Lächeln nicht. Mit finsterer Miene blickte er Kenzie prüfend an, als wolle er herausfinden, was in ihr vorging.

„Wollen Sie damit fischen?“ Angus war offensichtlich von dem Inhalt des Behälters fasziniert.

„Ich verfüttere sie an meine Vögel.“

„Toll. Welche Vögel fressen denn kleine Fische?“

„Reiher zum Beispiel.“

„Haben Sie einen Reiher, Kenzie?“

Sie lachte. An Ross Calders Miene sah sie jedoch, dass er dem Gespräch zwischen ihr und seinem Sohn nur ungeduldig gefolgt war. Ein wenig boshaft sagte sie: „Wenn du Lust hast, und dein Vater es erlaubt, kannst du mich morgen zu Hause besuchen. Ich glaube, das wird dich sehr interessieren.“

Angus wirbelte herum. „Machen wir das?“

„Wir?“

„Ich kann doch nicht Auto fahren, oder?“

Kenzie konnte sich kaum das Lachen verbeißen.

„Wir werden sehen.“ Ross’ Ton ließ nicht erkennen, was er dachte. Er war aber offensichtlich unsicher, ob er den Wünschen seines Sohnes sofort nachgeben sollte.

„Bitte.“

„Angus, lass uns morgen darüber sprechen. Sonst kommen wir noch zu spät ins Kino.“

„Beeilen Sie sich lieber.“ Kenzie nickte. „Es ist das einzige Kino in dieser Gegend, die Vorstellungen sind immer schnell ausverkauft. Also, Sie kommen morgen nach zehn. Okay?“ Sie beschrieb ihnen den Weg zu ihrem Haus und verabschiedete sich. Es verschaffte ihr eine gewisse Genugtuung, wie sie Ross Calder überrumpelt hatte.

Nun, vielleicht hätte sie das nicht tun sollen. Schließlich war sie nicht dumm, und sie vermutete stark, dass Ross Calder nichts mit ihr zu tun haben wollte. Er war sicherlich daran gewöhnt, Befehle zu geben, die dann auch befolgt wurden. Und die waren klar: Bleib weg von meinem Jungen.

Zum Teufel mit Mr. Ross Calder! Für Angus würde es eine große Freude sein, ihre Vögel anzuschauen. Dafür konnte sie getrost die Lustlosigkeit seines Vaters in Kauf nehmen. Bereits einen Monat nach ihrem Umzug nach Buxton war sie der Gesellschaft zum Schutz kranker Wildvögel beigetreten. Hinter ihrer weiß gestrichenen Hütte befand sich eine Voliere, und als ihr Vermieter ihr erzählte, dass die früheren Mieter zu den freiwilligen Vogelschützern gehörten, beschloss sie sofort, sich ebenfalls zu engagieren. Nun lebten bereits mehr als ein Dutzend gefiederte Waisenkinder unter ihrer Obhut, und sie fand, ein Besuch ihrer Voliere sei für jeden jungen Menschen wirklich etwas ganz Besonderes.

Als sie ihre Taschen im Wagen verstaute, kehrten ihre Gedanken zu Ross zurück. Warum wirkte der Mann nur so verkrampft? Wenn er nicht Acht gab, verdarb er seinem Sohn das glückliche Lächeln für immer.

Ich spreche schließlich aus Erfahrung, sagte sie sich. Aber sie wollte nicht an ihren Vater denken. Sonst lief sie am Ende mit so grimmiger Miene herum wie Angus’ Dad.

Ich muss verrückt sein, dachte Ross. Besuche ich doch tatsächlich mit Angus eine fremde Frau, um ihre Vögel anzuschauen. Warum um Himmels willen besteht das Kind auf diesem Wunsch? Dabei verbrachte es heute schon mindestens eine Stunde damit, auf der Terrasse die Möwen zu füttern. Waren das denn nicht genug Vögel für einen Tag?

Und dennoch! Hier steuerte er nun seinen Mietwagen auf den Highway gen Süden nach Buxton.

„Oh. Sieh mal.“ Angus zeigte auf den schwarzweißen Leuchtturm von Cape Hatteras am Horizont. „Ist das der Leuchtturm, auf den wir gestern geklettert sind?“

„Ja. Aber sicher.“

Sie waren ohne Pause die Stufen bis ganz nach oben gestiegen, und Ross hatte Angus erlaubt, sich so lange er wollte am Anblick des Ozeans, des weiten Strandes und der weit unter ihnen liegenden Dächer zu erfreuen. Ross war glücklich gewesen, seinen Sohn so fröhlich zu sehen.

Zugegeben, es war auch das erste Mal gewesen, dass er sich in Gegenwart seines Sohnes einigermaßen locker zu geben vermochte. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, etwas zu tun oder zu sagen, das Angus veranlassen könnte, sich wieder in sich selbst zurückzuziehen, wie damals, als sie sich zum ersten Mal in England nach Penelopes Tod begegneten …

Ross verzog das Gesicht. Er erinnerte sich nicht gern an jene Tage und versuchte, nicht zu viel darüber zu grübeln, warum er und Angus sich bisher nur so langsam näher kamen.

Aber gestern schien Angus sich mit ihm wirklich wohl gefühlt zu haben, und es gab keinen Grund, warum das heute anders sein sollte. Vielleicht würde der Besuch bei MacKenzie Daniels wieder ein wenig von der spontanen Freude wecken, mit der sie auf den Leuchtturm geklettert waren.

Allerdings musste er zugeben, auch er war ziemlich neugierig. Nicht so sehr auf MacKenzie Daniels Vögel, sondern auf die Frau selber.

Selbstverständlich war sein Interesse rein wissenschaftlicher Natur. Es hatte nichts damit zu tun, dass er sich schuldig fühlte, sie am Strand so schroff abgefertigt zu haben. Das hatte er nicht gewollt. Aber als sie ihm klar machte, wie gefährlich es war, Angus allein ans Wasser gehen zu lassen, hatte er Panik in sich aufsteigen fühlen. Was hätte alles passieren können! In Sachen Kindererziehung war er ein absoluter Anfänger. Vielleicht habe ich mich ja deshalb hinter dieser unfreundlichen Fassade versteckt, entschuldigte er sich im Stillen.

Okay, vielleicht hatte er sich über Kenzie Daniels geärgert. Dennoch, man musste schon blind sein, wenn man nicht sah, wie entspannt und offen Angus sich in ihrer Anwesenheit gab.

„Sollten wir nicht gleich hinter dem Leuchtturm abbiegen?“, riss Angus seinen Vater aus seinen Gedanken.

„Gut aufgepasst, Sohn“, lobte Ross.

Angus lächelte schüchtern. „Danke.“

Vorbei an einer lichten Baumgruppe und Marschland, holperte der Wagen über einen schmalen gepflasterten Weg, der an einer Auffahrt endete. Dort stand auch der Pick-up, den Ross am Tag zuvor vor dem Laden für Anglerbedarf gesehen hatte.

Das Haus war ebenerdig gebaut und verriet mit seinem verwitterten weißen Anstrich und der knorrigen Eiche vor der Terrasse ein ansehnliches Alter.

Stammte MacKenzie Daniels aus einer alteingesessenen Familie dieser Gegend?

„Ich gehe jetzt rein.“ Angus hatte bereits seinen Gurt gelöst und rannte den Weg zum Haus hinauf. Keine Spur von Unsicherheit, wie sonst in neuen Situationen. Was hat diese Frau so Besonderes an sich, fragte sich Ross verzweifelt.

Vom Küchenfenster aus sah Kenzie den Wagen auf die Auffahrt einbiegen. Plötzlich geriet sie in Panik. „Himmel, sie sind schon da. Danke für die Warnung, Freunde“, schalt sie ihre beiden Hunde, die auf dem Vorleger lagen und alle viere von sich streckten.

Ihr blieb keine Zeit, die Haare zu bürsten und das Make-up zu überprüfen. Sie hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass Angus und sein Vater kamen. Trotzdem war sie vorsichtshalber früh aufgestanden. Sie hatte Staub gesaugt und war zum Gingerbread House in Frisco gefahren, um Doughnuts und Mandelhörnchen zu kaufen.

Auf einmal wusste sie gar nicht mehr, wie sie es wagen konnte, diesen Mann in ihr Haus einzuladen. Was hielt er wohl von ihren voll gestopften Zimmern mit den schäbigen Möbeln? Den Fenstern und Wänden, von denen die Farbe abblätterte? Sicher wohnte Ross in einer deutlich eleganteren Umgebung.

Nimm endlich Vernunft an, ermahnte sie sich. Es gab keinen Grund, sich der blanken Holzfußböden in ihrem Wohnzimmer, der ausgefransten Decke über der Couch oder der Muschel- und Strandgutsammlung zu schämen, die ihre Fensterbretter schmückten. Ihr flatterndes Herz beruhigte sich erst, als sie die Haustür öffnete und Angus ihr entgegeneilte. Sie erwiderte sein Lächeln, unterdrückte jedoch den Wunsch, ihn zu umarmen. „Hallo! Ich war nicht ganz sicher, ob ihr kommen würdet.“

„Ich habe doch gesagt, dass ich deine Vögel anschauen möchte. Das weißt du doch, oder?“

Ross stand noch auf der Treppe unter ihr, sodass sich ihre Blicke auf gleicher Ebene trafen. Herausfordernd schaute sie ihn an. „Und Sie? Sind Sie unter Protest hier, oder waren auch Sie gerne bereit herzukommen?“

Ihre Offenheit überraschte Ross. „Ich fürchte, ich bin schuldig im Sinne der Anklage.“

Kenzie hatte ihn bis gerade eben noch nie lachen sehen. Himmel! Wusste der Mann eigentlich, wie charmant er war, wenn er so lachte? Ihr Herz schlug Purzelbäume, und sie fühlte, wie sie rot wurde. Lächerlich, dachte sie. Es ist schließlich nichts Ungewöhnliches für mich, wenn mich ein Mann anlächelt.

„Zu welchem Punkt bekennen Sie sich denn schuldig?“, fragte sie scharf.

„Zum zweiten. Seien Sie unbesorgt, Miss Daniels. Es gab nichts, was ich heute lieber getan hätte, als meinen Sohn herzubringen.“

Sie brauchte sich nicht zu fragen, von wem Angus seinen Charme geerbt hatte. Wenn Ross Calder seinen Charme spielen ließ, war er unwiderstehlich. In diesem Fall schien er sogar zu meinen, was er sagte. Es sei denn, er war ein hervorragender Lügner. Wie ihr Vater …

„Bitte, nennen Sie mich Kenzie.“

Schwanzwedelnd kamen die beiden Hunde an die Fliegentür und beschnüffelten Angus. „He Mann, Kenzie, wer ist das denn?“

„Das sind Zoom und Jazz, Angus. Du darfst dich geehrt fühlen. Normalerweise erheben sie sich für niemanden.“

„Darf ich sie zu uns auf die Veranda holen?“

„Gern. Nur zu.“

„Sie sehen aus wie Tiger. Zu welcher Rasse gehören sie? Sind sie freundlich?“

„Es sind Greyhounds. Sie mögen jeden.“

„Rennhunde im Ruhestand?“, fragte Ross.

Kenzie nickte. Sie war überrascht, dass Ross Bescheid wusste.

„He Mann, das sind Rennhunde?“ Angus staunte.

„Das waren sie einmal. In manchen Gegenden werden Greyhounds wie Pferde für den Sport gezüchtet. Zoom und Jazz liefen auf einer Rennstrecke in Florida. Nachdem ihre Karriere beendet war, erhielt ich sie von einem Freund, der ein Tierheim für Greyhounds in der Nähe von Disney World hat.“

„Rennen sie noch immer gern schnell?“, fragte Angus fasziniert.

„Darauf kannst du wetten. Deshalb muss ich sie draußen immer an die Leine nehmen. Sonst sind sie sofort auf und davon. Aber die meiste Zeit schlafen sie. Sie sind richtige Pantoffelhelden.“

„Pantoffelhelden?“ Angus zog die Nase kraus.

Ross lachte. „Sie liegen wohl gern auf der Couch und sehen fern.“

„Genau wie ich.“ Angus strahlte.

Ross und Kenzie mussten lachen. Und auf einmal wurde es Kenzie warm ums Herz. Kein Zweifel, sie zog es vor, freundschaftlich mit Ross zu plaudern, als kühl und aggressiv mit ihm zu reden, wie gestern auf dem Parklatz, als er sich ihr gegenüber so distanziert verhalten hatte.

Angus drehte sich zu Kenzie um. „Sind die Vögel drinnen?“

„Sie sind hinter dem Haus. Komm mit.“

Die Hunde blieben auf der Veranda. Kenzie führte Angus und Ross durch den Garten. Schließlich kamen sie an einen Schuppen, und Kenzie öffnete das Vorhängeschloss. „Das war früher mal eine Garage. Nun ist es eine Art Krankenhaus für Vögel.“

Der Junge machte große Augen. „Ein Vogelkrankenhaus?“

„Richtig. Du musst also leise sein. Es sind nämlich wilde Vögel, keine Haustiere. Sie haben Angst vor dir. Du darfst dich nicht schnell bewegen oder ihnen zu nahe kommen.“

„Okay.“ Sofort senkte Angus die Stimme und flüsterte ehrfürchtig.

Lächelnd suchten Kenzies Augen Ross’ Blick. Wusste der Mann eigentlich, wie entzückend sein Sohn war?

Offensichtlich nicht. Statt sich über den Jungen zu freuen, schaute er prüfend das Dach des Schuppens an, als würde er überlegen, ob es überhaupt sicher war, ihn zu betreten.

Sie schob das Kinn vor. „Kommen Sie. Es wird nicht über Ihnen zusammenkrachen.“

„Cool“, staunte Angus. „Sieh nur.“

Ross drehte sich um. Angus deutete auf die hintere Wand, an der sich Käfige und kleinere Ställe reihten, die sich zu verschiedenen Außenvolieren öffneten. Wohl ein Dutzend Vögel drehten ihre Köpfe in ihre Richtung, einige nervös, andere ganz ruhig. Ross erkannte einen Pelikan, einen Falken und einen Reiher. Die restlichen kannte er nicht.

Angus wollte sogleich wissen, was dem Pelikan zugestoßen war. Als Kenzie ihm erzählte, dass der Vogel sich mit seinem Schnabel in einem Fischernetz verfangen hatte und beinahe verhungert wäre, hörte er vor Aufregung zitternd zu. So begeistert hatte Ross seinen Sohn nur einmal gesehen, als sie einen Spielzeugladen in Manhattan besuchten, wo Angus mit einer Modelleisenbahn spielen durfte.

Für gewöhnlich verhielt sich sein Sohn in der Öffentlichkeit extrem zurückhaltend, aber jetzt wirkte er weder schüchtern noch ängstlich. Er strahlte Kenzie glücklich an.

„Ich würde den Pelikan behalten, wenn ich du wäre. Er ist der schönste Vogel der Welt.“

Darüber musste sogar Ross lachen.

„Gefällt er dir nicht?“, fragte Angus.

„Ich finde ihn unglaublich hässlich.“

„Das ist nicht wahr.“

„Oh doch. Er scheint noch aus dem Zeitalter der Dinosaurier zu stammen“, scherzte Ross, aber Angus starrte ihn unter Tränen an. „Dir gefällt aber auch gar nichts.“

Ross wandte sich ab, aber Kenzie hatte den Schmerz in seinen Augen bemerkt. „Du musst doch zugeben, Angus, dass der Pelikan ein wenig seltsam aussieht“, mischte sie sich rasch ein. „Und man kann wirklich nichts Schönes an seinem Schnabel finden, wenn er ihn benutzt.“

„Beißen Pelikane denn?“

„Oh ja, das will ich meinen.“

Angus trat rasch einen Schritt zurück.

„Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen, Kenzie?“, fragte Ross. „Sind Sie Tierärztin?“

„Nein. Ich mache das ganz freiwillig. Wenn im Tierheim in Menteo kein Platz mehr ist, schicken sie die Tiere her. Ich bin so eine Art Ausweichstelle.“

„Wie lange machen Sie das schon?“

„Ungefähr ein Jahr. Möchtest du sie einmal mit Fischen füttern, Angus?“

„Darf ich?“

„Sicher.“ Sie beugte sich über die Kühltruhe. Unbewusst ermöglichte sie damit Ross einen Blick auf ihre langen, sonnengebräunten Beine. Und als sie noch tiefer in die Truhe hineinlangte, rutschte ihr T-Shirt ein wenig hoch und ließ noch mehr gebräunte Haut sehen.

Ross schien die Verletzung, die er mit seiner Bemerkung über den Pelikan bei Angus ausgelöst hatte, vergessen zu haben. Er gab sich dem schlichten Vergnügen hin, Kenzies attraktive sexy Kurven zu bewundern. Er wollte es nicht zugeben, aber er begann, Kenzie Daniels mit mehr persönlichem Interesse anzuschauen. Ja, er war sich ihrer liebevollen Art, auf die Angus sogleich reagiert hatte, voll bewusst. Aber das Gefühl sexueller Zuneigung überraschte ihn jetzt völlig und erschien ihm total unpassend. Hatte er nicht genug Sorgen mit seinem Sohn?

„Igitt.“ Angus riss Ross wieder einmal aus seinen Gedanken.

Kenzie hatte einen Fisch mit glasigen Augen aus der Tiefkühltruhe geangelt und wedelte damit vor Angus’ Augen. „Na? Hast du deine Meinung geändert?“

„Ach …“

„Ich fasse auch nicht gern solch glitschige Fische an.“ Sie half ihm, ein Paar übergroße Handschuhe anzuziehen und zeigte ihm, wie man die Vögel fütterte. Angus zuckte nicht mit der Wimper, als ein Tölpel mit einem langen spitzen Schnabel blitzschnell vorwärts hüpfte und ihm den Fisch aus der Hand riss. Begeistert schrie er auf, als er sah, wie ein großer Reiher seine Mahlzeit in einem Stück hinunterwürgte.

Als alle Vögel ihren Anteil erhalten hatten, schob Kenzie einen Tritt vor das große Spülbecken und hob Angus hinauf. „Jetzt schrubben wir uns erst mal den Geruch von den Händen. Nimm ganz viel Seife. So. Bist du jetzt auch hungrig und durstig?“

„Sehr.“

„Ich habe Gebäck im Haus.“

„Oh. Was denn?“

„Wir können ja mal nachschauen.“

Angus sprang vom Tritt und rannte ins Freie, ohne seinen Vater um Erlaubnis zu bitten.

Kenzie hing das Handtuch wieder an seinen Platz. „Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, wenn ich ihm etwas Süßes gebe.“

„Wie machen Sie das bloß?“ Ross blickte sie mit ernster Miene an. Seine Stimme klang schroff, und er wirkte seltsam verletzlich.

„Was meinen Sie?“

„Bei Ihnen sieht es so einfach aus.“

Etwas in ihrem Innern begann zu schmelzen. Nur kein Mitleid, ermahnte sie sich fest. Aber sie wollte auch nicht vorgeben, sie habe ihn nicht verstanden. „Es ist einfach. Vor allem bei einem Jungen wie Ihrem …“

„Ich spreche nicht von Angus im Besonderen. Sie haben offensichtlich viel mit Kindern zu tun. Wie viele haben Sie?“

„Ich … Ich habe … Ich bin nicht verheiratet.“

„Oh.“ Einen Moment schwieg Ross. Dann sah er sie ziemlich hilflos an. „Und warum tun Sie das dann?“

Kenzie biss sich auf die Unterlippe. Irgendetwas stimmte hier nicht. „Das lässt sich eigentlich gar nicht richtig erklären. Es ist etwas Bestimmtes, wissen Sie? Hier drinnen.“ Sie legte eine Hand aufs Herz.

Als sich seine Miene veränderte, sah sie deutlich, dass er litt.

„Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll.“

Einer seltsamen Regung folgend, legte Kenzie eine Hand auf seine. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“

„Was meinen Sie?“

Ross’ Finger umschlossen ihre Hand. Auf einmal spürte Kenzie, wie sich ihre Wangen röteten. Ross sah sie an, als hinge unendlich viel von ihrer Antwort ab.

„Ich meine, tief drinnen in Ihrem Herzen wissen Sie genau, wie Sie mit Angus umgehen müssen. Es ist kinderleicht, wenn Sie … jemanden wirklich lieben.“

Aus irgendeinem Grund hatte sie Probleme, das Wort Liebe auszusprechen.

„Kenzie?“ Angus’ Kopf kam hinter der Tür zum Vorschein. „Beeil dich bitte. He Mann, ich kann gar nicht erwarten, dass es mit dem Kuchen losgeht.“

Gedankenversunken folgte sie ihm. Irgendetwas stimmte nicht zwischen Ross Calder und seinem Sohn. Keiner schien sich in der Gegenwart des anderen wohl zu fühlen. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie wusste alles über schlechte Beziehungen zwischen Eltern und ihren Kindern. Seit einem Jahr hatte ihr Vater kein Wort mehr mit ihr gesprochen. Ja, als Letztes hatte er verkündet, er sähe sie fortan nicht mehr als seine Tochter an.

Aber Angus war erst sieben. Mit einem so jungen Kind konnte man doch nicht so distanziert umgehen.

Und welchen Einfluss hat Mrs. Calder auf diese verkrampfte Situation?

Vielleicht waren Ross und seine Frau geschieden. Vielleicht nahm Angus seinem Vater die Trennung der Eltern übel, und vielleicht war diese Reise nach den Outer-Bank-Inseln Ross’ Versuch, etwas gutzumachen.

Er konnte auch ein Wochenendvater sein. Armer Ross, armer Angus.

Sie öffnete dem Jungen die Küchentür. Wieder widerstand sie dem Wunsch, ihm über den Wuschelkopf zu fahren. Wenn sie versuchte, sich in das Kind hineinzuversetzen, tat ihr das Herz weh.

„Die Doughnuts stehen auf dem Tisch. Greif zu. Ich gieße dir auch ein Glas Milch ein.“

Ross folgte ihr durch die Fliegentür.

„Kaffee?“, fragte sie.

„Wenn es nicht zu viel Mühe macht.“

Ross sah sich in der Küche um. Dieser Raum mit seinem alten Spülbecken, mit den wenigen schiefen, weiß lackierten Wandschränken und der Resopalarbeitsfläche war nicht zu vergleichen mit der eleganten Edelstahlküche, die er in New York besessen hatte, bevor er seine alte Kanzlei verlassen musste. Das war zu Beginn des Jahres gewesen, als die Auseinandersetzungen mit Angus’ Großeltern in England dramatisch wurden.

Kenzies Beruf schien nicht sehr lukrativ zu sein. Allerdings brauchte man auch wenig, wenn man so lebte wie sie.

Inzwischen hatte es sich Angus am Küchentisch bequem gemacht und sah sich interessiert um. „Das Haus erinnert mich an Norfolk“, bemerkte er.

„Wo dein Großvater wohnt?“, fragte Kenzie auf Verdacht.

„Ja. Hier ist auch alles so alt.“

Ross war überrascht. Was wusste Kenzie über Angus’ Familie?

„Wieso spricht Angus mit englischem Akzent und Sie nicht, Ross?“

„Ich bin Amerikaner. Angus nicht.“

„Oh. Dann ist seine Mutter …“

„Meine Frau … meine Exfrau ist … war Engländerin.“

„War?“

„Sie starb Anfang dieses Jahres.“

Die Antwort ließ Kenzie zusammenzucken. Rasch warf sie einen Blick zu Angus hinüber. „Oh, Angus, das tut mir leid.“

„Ist schon okay.“ Aber der Junge blickte sie nicht an. Er schluckte schwer.

Kenzie sah Ross an, der seinen Sohn eindringlich zu beobachten schien.

„Vielleicht sollten wir jetzt nach Hause gehen, Angus“, schlug er leise vor.

„Aber ich habe meine Milch noch nicht ausgetrunken.“

„Und Sie haben noch keine Bärentatze probiert“, ermahnte Kenzie Ross.

„Was bitte ist eine Bärentatze?“

„Eine Art Apfeltasche mit Mandeln darin.“

„He Mann, Mandeln! Dann möchte ich lieber noch einen Doughnut.“ Angus lächelte.

Kenzie reichte ihm den Teller. „Iss nur, so viel du magst, mein Junge.“

Der beklemmende Moment war vorbei. Ross setzte sich an den Tisch. Langsam entspannte er sich wieder. Dies ist das erste Mal, dass Penelopes Tod in Gegenwart einer fremden Person erwähnt wurde, überlegte Ross. Angus reagierte besser, als er befürchtet hatte. Und Kenzie fragte höflicherweise nicht weiter nach, wie es andere Leute womöglich getan hätten.

„Kenzie, was bedeuten all diese Zeichnungen in dem Zimmer da drüben?“

„Angus, sei nicht so neugierig“, ermahnte Ross seinen Sohn.

„Das ist schon okay. Du darfst sie dir ansehen, wenn du magst.“ Sie schenkte Ross Kaffee nach. „Noch eine Bärentatze?“

„Da kann man kaum widerstehen.“

„Wem sagen Sie das? Ich werde heute Nachmittag eine extra Meile laufen müssen.“

Ross hatte sie richtig eingeschätzt. Sie joggte. Das mochte er an ihr, denn er joggte auch.

Angus’ Kopf erschien in der Tür. „Sind das Cartoons?“

Kenzie blickte auf. „Ja.“

„Aber ich kann sie gar nicht verstehen.“

Kenzie lachte. „Weil sie für Erwachsene gedacht sind. Die Cartoons sollen Erwachsene dazu bringen, über Dinge nachzudenken, die in unserem Land passieren. Es sind politische Cartoons.“

„Das ganze Zimmer ist voll davon. Dad, komm, sieh mal. He Mann, sie hat auch einen coolen Computer.“

Ross staunte ebenfalls nicht wenig. „Haben Sie die Cartoons gezeichnet?“

Kenzie nickte.

„Beruflich oder zum Vergnügen?“

„Ich zeichne politische Cartoons für den Norfolk Messenger.“

„Wow.“ Angus strahlte. „Ich habe noch nie eine Cartoonzeichnerin kennengelernt.“

Dasselbe galt für Ross. Er sah sich die Zeichnungen auf den Ständern und an den Wänden genau an. Sie waren außerordentlich gut, politisch scharfsinnig und überaus komisch. „Das haben Sie alles gezeichnet?“

„Sie scheinen es mir nicht zuzutrauen. Wirke ich wie eine dumme Blondine aus dem Süden?“

„Wirklich, Miss Daniels, Sie passen in keine Schablone hinein.“

Kenzie runzelte die Stirn. Sollte sie das als Kompliment ansehen? Einzigartig zu sein konnte beides bedeuten – gut oder sehr schlecht.

Schon wieder hatte Ross diesen verletzlichen Ausdruck in den Augen. Als habe er bisher nicht viel Grund zum Lächeln gehabt.

Wieso machte sie sich überhaupt Gedanken darüber?

Glücklicherweise hatte Ross sich inzwischen wieder ihren Zeichnungen zugewandt. „Sie haben einen guten politischen Durchblick. Aber von Anwälten haben Sie anscheinend keine hohe Meinung.“

„Die hat doch wohl niemand.“

Ihr plötzlich scharfer Ton überraschte Ross. „Sie mögen Anwälte nicht?“

„Im Allgemeinen nicht. Wenn Washington ein Sündenpfuhl ist – und manchmal kommt es mir so vor –, dann sind die Anwälte darin die Schlimmsten.“

„Das klingt aber ziemlich hart.“

Sie streckte das Kinn vor. „Trifft aber den Kern.“

„Mein Vater ist Anwalt“, ließ sich Angus an dieser Stelle hilfreich vernehmen.

Kenzies Blick flog zu Ross, dessen Miene undurchschaubar blieb. „Stimmt das?“

„Es stimmt.“

Auf einmal hatte Kenzie das demütigende Gefühl, dass sie auf ihn reingefallen war. Der Mann war weder verletzlich noch litt er unter irgendeinem inneren Schmerz. Sie hatte ihn einfach falsch eingeschätzt. Ross gab sich zurückhaltend aus einem Gefühl der Überlegenheit. Und diese ausdruckslose Miene, mit der er immer mit ihr sprach, hatte er sich im Gerichtssaal angewöhnt, wo man ein Pokerface brauchte.

Kein Wunder, dass Angus sich in Gegenwart dieses Mannes nicht wohl fühlte. Sie wollte zwar nicht verallgemeinern, aber alle Anwälte, die sie kannte – und sie kannte viele –, waren nicht gerade warmherzig und feinfühlig. Außerdem waren sie keine liebevollen Väter.

Das wusste sie aus eigener Erfahrung …

Oh ja, Kenzie wusste, wie schwer es war, eine gute Beziehung mit einem kaltherzigen Anwalt als Vater zu unterhalten.

„Kenzie? Darf ich die Hunde reinlassen? Sie bellen auf der Veranda.“

„Aber sicher, Junge.“ Kenzie erwiderte Angus’ Lächeln.

Ross hatte sie beobachtet und konnte sich auf einmal eines Gefühls der Eifersucht nicht erwehren. Warum schenkte ihm Kenzie nicht ein so natürliches Lächeln? Wieso fühlte er sich zwischen den beiden hier wie ein Außenseiter? Vielleicht entwickelte Angus Kenzie gegenüber sogar eine unangebrachte Sehnsucht nach mütterlicher Zuneigung?

Gütiger Himmel! Das hätte ihm ja gerade noch gefehlt.

„Komm Angus. Wir müssen jetzt gehen. Wir danken Ihnen für Ihre Gastfreundschaft, Miss Daniels. Es ist schon spät.“

Der Junge ließ den Kopf hängen. „Danke, Kenzie“, murmelte er. „Es hat Spaß gemacht.“

Kenzie hätte am liebsten „Einspruch“ geschrien, ließ es aber bleiben. Ein richtiger Anwalt, dachte sie wütend. Der nimmt eben keine Rücksicht auf die Gefühle anderer.

3. KAPITEL

„Delia, ich sage Ihnen, Angus ist hier ein vollkommen anderes Kind. Er gibt sich offen und freundlich und bemüht sich, zu gefallen. Man könnte es eine totale Veränderung nennen. Alles, was diese Frau sagt und tut, ist für ihn ‚He Mann‘ und ‚super cool‘. Ich verstehe gar nichts mehr.“

„Erinnert sie ihn vielleicht an seine Mutter?“

Ross sah Penelope vor sich, groß gewachsen im eleganten kleinen Schwarzen, daneben Kenzie Daniels in Shorts und T-Shirt, wie sie den toten Fisch aus der Tiefkühltruhe angelte. „Unmöglich.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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