Bianca Extra Band 55 - Judy Duarte - E-Book

Bianca Extra Band 55 E-Book

Judy Duarte

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Beschreibung

TRAUMMANN SUCHT FAMILIENGLÜCK von HARLEN, BRENDA
Beim Blick in Matts blaue Augen schlägt das Herz von Singlemom Georgia sofort schneller. Ihr neuer Nachbar scheint ein absoluter Traummann zu sein; seinen zärtlichen Küssen kann sie nicht widerstehen. Bis sie fürchten muss, dass er sie aus purer Berechnung so liebevoll umwirbt …

GESTÄNDNIS IN BRIGHTON VALLEY von DUARTE, JUDY
Mallory ist wieder da! Ricks Leben steht Kopf, als seine Jugendliebe nach Brighton Valley zurückkehrt. Denn sie beichtet ihm: Er ist der Vater ihres Sohnes! Doch auch wenn er sich nach ihr verzehrt und alles geben würde für eine zweite Chance, ist sie bereits fest vergeben. Was nun?

UNSERE UNVERGESSLICHE LIEBE von SIMS, JOANNA
Nur noch die Unterschrift unter den Scheidungspapieren fehlt, da verliert Bruces Frau Savannah nach einen Unfall ihr Gedächtnis. Die Trennung, die tragischen Umstände, die dazu führten - alles ist vergessen. Zum Glück für Bruce, der nie aufgehört hat, Savannah zu lieben …

EINE HEIßE NACHT MIT SÜßEN FOLGEN von MADISON, TRACY
Ein heißer One-Night-Stand mit ungeahnten Folgen: Als Anna von Logan schwanger ist, macht der pflichtbewusste Rancher ihr sofort einen Antrag. Zum Wohl des Kindes sagt Anna Ja - aber nur zu einer Ehe auf dem Papier! Doch kaum verheiratet, prickelt es so erregend zwischen ihnen …

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Seitenzahl: 702

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Brenda Harlen, Judy Duarte, Joanna Sims, Tracy Madison

BIANCA EXTRA BAND 55

IMPRESSUM

BIANCA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 55 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2013 by Brenda Harlen Originaltitel: „From Neighbors…to Newlyweds?“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden

© 2014 by Judy Duarte Originaltitel: „The Daddy Secret“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Renate Moreira

© 2017 by Joanna Sims Originaltitel: „A Wedding to Remember“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer

© 2015 by Tracy Leigh Ritts Originaltitel: „Rock-a-Bye Bride“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Valeska Schorling

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733733551

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

BRENDA HARLEN

Traummann sucht Familienglück

Den Traum von einer eigenen Familie hat Tierarzt Matt aufgegeben. Bis er sich in Singlemom Georgia verliebt – und bald insgeheim hofft, dass sie einen neuen Vater für ihre drei Kinder sucht …

JUDY DUARTE

Geständnis in Brighton Valley

Mallory ist hin- und hergerissen. Auch wenn es plötzlich heiß zwischen ihr und ihrer Jugendliebe Rick knistert, ist sie bereits mit einem anderen verlobt. Allerdings ist Rick der Vater ihres Sohnes!

JOANNA SIMS

Unsere unvergessliche Liebe

Warum nur wollte sie einen wunderbaren Ehemann wie Bruce verlassen? fragt Savannah sich schockiert nach ihrer Amnesie. Bis sie sich plötzlich wieder erinnert … Wird sie ihm jemals verzeihen können?

TRACY MADISON

Eine heiße Nacht mit süßen Folgen

Als Logan erfährt, dass Anna sein Kind unter dem Herzen trägt, macht er ihr spontan einen Heiratsantrag. Nur, weil er ein Mann ist, der zu seiner Verantwortung steht – oder steckt mehr dahinter?

Traummann sucht Familienglück

1. KAPITEL

Endlich herrschte wohltuende Ruhe im Haus.

Mit einem Seufzer der Erleichterung setzte Georgia Reed sich an den alten Esstisch. Hoffentlich blieb es mindestens eine Stunde lang so still. Dann würde sie mit der Arbeit an dem Manuskript ein gutes Stück vorankommen. Obwohl ihr der Gedanke an einen Mittagsschlaf im Moment viel verlockender erschien als das Buch, das sie gerade bearbeitete.

Eigentlich war sie in Mutterschaftsurlaub. Aber sie hatte sich bereit erklärt, auf Stundenbasis weiter für „Tandem Publishing“ zu arbeiten, nachdem der Cheflektor sie darum gebeten hatte. Außerdem war es ein willkommener Nebenverdienst. Leider war Georgia nicht halb so produktiv, wie sie gehofft hatte. Das lag nicht zuletzt daran, dass sie ihre Kinder erst vor sechs Wochen aus der gewohnten Umgebung gerissen hatte und nach Pinehurst gezogen war.

Sie nahm einen Schluck von dem Kräutertee, den sie schon zum dritten Mal aufgewärmt hatte, und überflog das vorhergehende Kapitel, um ihre Erinnerung aufzufrischen. Doch gerade als sie sich auf die Geschichte zu konzentrieren begann, realisierte sie, dass es zu ruhig war.

Sofort waren ihre mütterlichen Instinkte geweckt. Sie schob den Stuhl zurück und lief durch den Flur ins Wohnzimmer, wo sie Quinn und Shane, beide vier Jahre alt, mit Bauklötzen allein zurückgelassen hatte. Der Teppich war übersät mit bunten Steinen – aber ihre beiden Jungen waren verschwunden. Die Terrassentür stand weit offen.

Sie war geschlossen gewesen, als sie die Kinder ins Wohnzimmer verfrachtet hatte – sogar verschlossen. Aber das Schloss funktionierte nicht mehr richtig, und manchmal konnte man es mit einer einfachen Bewegung des Türgriffs überlisten. Georgia hatte ihre Mutter gebeten, es reparieren zu lassen, doch Charlotte hatte es vermutlich vergessen.

Und jetzt waren ihre Kinder verschwunden.

Sie eilte zurück ins Wohnzimmer, um das Babyfon zu holen, ehe sie durch die Hintertür hinauseilte.

„Quinn! Shane!“ Sie lief über die Veranda und fluchte leise, als sie auf einen Bauklotz trat. Sie konnten nicht weit weg sein. Sie hatte sie doch erst vor ein paar Minuten allein gelassen. Wenn nun etwas passiert war …?

Nein. Sie wollte den Gedanken nicht zu Ende denken.

„Quinn! Shane!“

Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung war. Als sie sich rasch umdrehte, sank ihr das Herz, denn anstatt der vertrauten Gesichter ihrer Jungen sah sie einen Mann mit Dreitagebart auf dem Gras stehen.

„Suchen Sie zwei kleine Jungs, die etwa so groß sind?“ Er hielt die Hand knapp einen Meter über dem Boden.

„Haben Sie gesehen, wohin sie gelaufen sind?“, fragte sie halb verzweifelt, halb hoffnungsvoll.

„Sie sind in meinen Garten gekommen.“ Er deutete auf das Nachbargrundstück.

Georgia schloss die Augen, damit er nicht sah, dass sie den Tränen nahe war. „Oh Gott, vielen Dank.“

„Eigentlich heiße ich ja Matt. Matt Garrett.“

Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie in sein schmunzelndes Gesicht.

„Und den beiden geht’s gut“, versicherte er ihr.

„Bis ich sie mir vorknöpfe“, murmelte sie.

Sein Lächeln wurde noch breiter.

Nachdem der Anflug von Panik vorüber war und ihr Herz wieder normal schlug, nahm sie sich Zeit, ihren neuen Nachbarn genauer zu betrachten. Und was sie sah, ließ ihren Puls erneut schneller schlagen.

Matt Garrett hatte dichtes Haar, das auf attraktive Weise zerzaust war, als ob er es sich bloß mit den Fingern kämmte, eine leicht gebogene Nase und ein markantes, unrasiertes Kinn. Er war breitschultrig, schlank und muskulös. Und beim Blick in seine blauen Augen fühlte sie ein Kribbeln auf der Haut, wie sie es schon seit Langem nicht mehr gespürt hatte.

„Einer der Welpen ist in Ihren Garten ausgebüxt. Da konnten sie natürlich nicht widerstehen.“

„Welpen?“

„Kommen Sie und sehen Sie selbst.“

Sie befestigte das Babyfon an ihrem Gürtel und folgte ihm, wobei ihr Blick wohlwollend auf seinem breiten Rücken ruhte.

Er war erst vor ein paar Tagen eingezogen. Sie hatte den Umzugswagen gesehen, als sie am Mittwochnachmittag die Post hereingeholt hatte. Da war ihr der große breitschultrige Mann zum ersten Mal aufgefallen, der den Möbelpackern Anweisungen gab. Er hatte ausgefranste Jeans und ein schlabbriges T-Shirt getragen, ihr grüßend zugewinkt und ein Lächeln geschenkt, das ihr Herz schneller schlagen ließ.

Sie hatte ebenfalls die Hand gehoben, ihm mit ihrer Post zugewinkt und war rot geworden, als ihr klar wurde, was sie da tat. War es der Sex-Entzug oder Schlafmangel? Glücklicherweise war er zu weit entfernt gewesen, um ihre Reaktion bemerkt zu haben. Aber der Typ musste wirklich Sex-Appeal haben, wenn er aus der Ferne eine solche Wirkung auf sie hatte.

Eine Wirkung, die in seiner Nähe noch größer wurde.

„Das sind Luke – und Jack.“ Er deutete auf zwei Männer, die auf seiner Veranda saßen. „Meine Brüder.“

Der Erstgenannte war sogar noch größer als ihr Nachbar, der bereits gut und gern eins fünfundachtzig maß. Er hatte das gleiche braune Haar und die gleichen blaugrünen Augen. Der zweite Bruder war genauso groß, aber er hatte noch kräftigere Schultern, und sein Haar war etwas dunkler. Und alle drei eine Sünde wert …

„Ich bin Georgia“, stellte sie sich vor. Beim Anblick ihrer Zwillinge schlug ihr Herz wieder langsamer. „Und diese Mini-Houdinis sind Quinn und Shane.“

„Was ist ein Houdini?“ Zum ersten Mal, seit Georgia das Nachbargrundstück betreten hatte, riss Quinn sich vom Anblick des mit einer Decke ausgestopften Wäschekorbs los.

„Ein kleiner Junge, der in ernsthaften Schwierigkeiten steckt, weil er das Haus ohne Mommy verlassen hat“, antwortete sie streng.

Schuldbewusst sah ihr Sohn sie an. „Wir wollten nur die kleinen Hunde anschauen.“

„Kleine Hunde“, echote Shane und sah sie mit diesem Lächeln an, bei dem ihr Herz sofort weich wurde, weil es sie an den Vater der Kleinen erinnerte.

Selbst neugierig geworden, trat sie ein paar Schritte näher. Dennoch musste sie den Kindern klarmachen, dass sie das Haus nicht so ohne Weiteres verlassen durften.

„Wenn ihr die kleinen Hunde sehen wollt, hättet ihr Mommy sagen müssen, dass ihr die Hunde sehen wollt“, erklärte sie.

„Aber du hast doch gesagt, wir sollen dich nicht bei der Arbeit stören“, erinnerte Quinn sie.

Genau das hatte sie ihnen tatsächlich eingeschärft.

„Ich habe euch aber auch gesagt, dass ihr nirgendwo hingehen sollt – nicht einmal in den Garten –, ohne mir Bescheid zu geben.“

Doch wie konnte sie böse sein, wenn ihr selbst das Herz schmolz beim Anblick der winzigen Wollknäuel, die in dem Korb herumtollten?

Erneut schaute sie ihren Nachbarn an. „Sie haben vier Welpen?“

„Nein.“ Energisch schüttelte Matt den Kopf. „Ich habe überhaupt keine Welpen. Sie gehören Luke.“

„Bis ich ein gutes Zuhause für sie finde“, ergänzte sein Bruder.

„Wie sind Sie denn daran gekommen?“, wollte sie wissen.

„Ich bin Tierarzt“, erklärte er. „Wenn jemand ein ausgesetztes Tier am Straßenrand findet, landet es in der Regel in meiner Praxis. In diesem Fall war das ausgesetzte Tier eine hochschwangere Beaglehündin, die zwei Tage später acht Welpen bekam.“

„Acht?“ Bei dem Gedanken zuckte sie innerlich zusammen. Als ob die Geburt von Zwillingen nicht schon hart genug gewesen wäre.

„Meine Sprechstundenhilfe kümmert sich um die anderen vier.“

„Sind sie nicht noch zu jung, um von ihrer Mutter getrennt zu werden?“, meinte sie stirnrunzelnd.

„Stimmt“, pflichtete er ihr bei.

Mehr sagte er nicht, aber es war genug, um zu verstehen, dass die Hündin die Geburt nicht überlebt hatte. Gut, dass er vor den Zwillingen nicht deutlicher geworden war.

„Ein schönes Hündchen“, sagte Shane und tätschelte einen winzigen Kopf.

„Können wir einen haben?“, fragte Quinn – der Zwilling, der nie lange um den heißen Brei redete.

Sie schüttelte den Kopf. Sie schlug ihren Kindern nur ungern etwas ab, aber manchmal musste sie Nein sagen. „Tut mir leid, Jungs. So ein kleiner Hund bedeutet auch Verantwortung, und die können wir im Moment nicht übernehmen.“

Sie leistete jedoch keinen Widerstand, als Matt einen der Welpen aus der Kiste nahm und ihr in die Hand drückte. Und sie konnte nicht anders, als den kleinen, weichen Körper dicht an sich zu drücken und zu streicheln. Als die winzige rosa Zunge über ihr Kinn fuhr, zerschmolz ihr geradezu das Herz.

„Er mag dich, Mom“, stellte Quinn fest.

„Sie“, korrigierte Matt ihn. „Das da ist ein Mädchen.“

Quinn rümpfte die Nase. „Wir wollen aber kein Hundemädchen.“

„Wir wollen überhaupt kein Hundebaby“, wiederholte Georgia mit fester Stimme.

„Oh doch, wir wollen ein Hundebaby“, beharrte Shane.

„Außer Dr. Luke sagt, dass sie noch nicht weg dürfen“, sagte Quinn. „Weil sie zu klein zum Fressen sind und mit der Flasche gefüttert werden müssen.“

Shane schmollte noch eine weitere Minute, aber die Erwähnung von Futter erinnerte ihn daran: „Ich habe Hunger.“

„Dann lass uns nach Hause gehen und Pizza backen“, schlug Georgia vor.

„Mit Pepperoni?“

„Mit ganz viel Pepperoni“, versprach sie.

Aber Quinn schüttelte den Kopf. „Wir wollen nicht nach Hause gehen. Wir möchten bei den Daddys bleiben.“

Georgias Wangen wurden heiß, während sie einen Mann nach dem anderen ansah.

Matts Lächeln verrutschte, Luke konzentrierte sich auf die Tiere, und Jack trat tatsächlich einen Schritt zurück.

„Sie sind in dem Alter, wo sie glauben, dass jeder erwachsene Mann ein Daddy ist“, erklärte sie rasch. „Vor allem, seit sie ihren eigenen Vater verloren haben.“

„Er ist nicht verloren, er ist tot“, sagte Quinn unverblümt.

Sofort füllten Shanes Augen sich mit Tränen, und seine Lippen zitterten. „Ich vermisse Daddy.“

Georgia legte den Arm um seine Schultern.

Matt zog die Augenbrauen hoch. „Sie sind Witwe?“

Sie nickte nur, weil sie plötzlich einen Kloß im Hals hatte. „Mein Mann ist vor elf Monaten gestorben.“ Irgendwie hatte sie sich mit seinem Tod abgefunden. Trotzdem vermisste sie ihn sehr. Es gab Momente, in denen sie geradezu überwältigt war von der Verantwortung, die sie als alleinerziehende Mutter zu tragen hatte. „Deshalb bin ich mit meiner Mutter hierhergezogen.“

„Charlotte ist Ihre Mutter?“

„Sie kennen sie?“

„Ich habe sie getroffen, als ich mir dieses Haus zum ersten Mal angesehen habe“, erklärte er. „Aber seit meinem Einzug habe ich sie nicht mehr gesehen.“

„Sie macht gerade Urlaub mit Freunden in Las Vegas. Wie jedes Jahr“, antwortete Georgia.

„Und lässt Sie mit zwei kleinen Jungs allein“, sagte er mitfühlend.

„Und einem Baby“, ergänzte sie. In diesem Moment erklang ein leises Maunzen aus dem Babyfon an ihrem Gürtel.

„Pippa wird wach.“ Quinn sprang auf. Seine kleine Schwester war für ihn dann doch attraktiver als der Wunsch, bei den „Daddys“ zu bleiben.

„Pippa“, echote Shane.

Fragend schaute Matt Georgia an. „Sie haben drei Kinder?“

Sie nickte. „Die Zwillinge sind vier Jahre alt, und meine Tochter vier Monate.“

Das erklärt die dunklen Ränder unter ihren hübschen Augen, überlegte Matt. Zwei Jungs im Kindergartenalter und ein Baby würden jede Mutter an den Rand der Erschöpfung treiben – vor allem, wenn sie keinen Mann zur Unterstützung hatte. Aber selbst in ihrem erschöpften Zustand war sie eine der attraktivsten Frauen, denen er je begegnet war.

Sie hatte ein herzförmiges Gesicht, helle Haut, elegant geschwungene Lippen, eine niedliche Nase voller Sommersprossen und Augen von einem Blau, wie er es noch nie gesehen hatte. Sie trug eine ärmellose gelbe Bluse und verwaschene Jeans und hatte das honigblonde Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Irgendwie fühlte er sich sofort zu ihr hingezogen.

Und da er nur wenige Zentimeter von ihr entfernt stand, spürte er die Anziehungskraft umso stärker. Stärker als den Instinkt, der ihn davor warnte, sich mit einer Frau einzulassen, die drei Kinder hatte.

„Da haben Sie ja wirklich alle Hände voll zu tun“, meinte er.

„Jeder Tag ist eine Herausforderung“, bestätigte sie. An die Jungs gewandt, fuhr sie fort: „Kommt – wir müssen uns um eure Schwester kümmern.“

„Können wir mit Pippa herkommen und ihr die Hunde zeigen?“, fragte Quinn hoffnungsvoll.

Seine Mutter schüttelte den Kopf. „Nein. Ihr solltet euch lieber bei Mr. Garrett entschuldigen, dass ihr einfach auf sein Grundstück gelaufen seid …“

„Matt, bitte“, unterbrach er sie, weil es freundlicher als Mister und weniger distanziert als „Doktor“ klang. Außerdem wollte er von seiner netten Nachbarin unbedingt beim Vornamen genannt werden. „Und es macht überhaupt nichts, dass sie in meinen Garten gekommen sind. Im Gegenteil, es ist mir ein Vergnügen, euch alle kennengelernt zu haben.“

„Heißt das, dass wir wiederkommen dürfen?“, fragte Quinn.

„Jederzeit.“

„In spätestens zwei Wochen werden Sie einen Zaun bauen lassen“, warnte Georgia ihn.

Er schüttelte den Kopf. „Wenn ich das täte, könnten sie ja gar nicht herüberkommen, um im Baumhaus zu spielen.“

„Mommy sagt, wir dürfen nicht in das Baumhaus gehen“, sagte Quinn. „Weil es nicht uns gehört.“

„Aber ein Baumhaus ist für kleine Jungs gemacht, und da ich selbst keinen kleinen Jungen habe …“ Matt ignorierte den Stich in seinem Herzen und sprach betont beiläufig weiter, „… wäre es doch gut, wenn es hin und wieder mal benutzt würde, damit es sich nicht einsam fühlt.“

„Wir könnten es besuchen“, trompetete Quinn sofort, und Shane nickte enthusiastisch, während Georgia die Augen verdrehte.

„Das ist eine tolle Idee – vorausgesetzt, eure Mom ist damit einverstanden“, sagte Matt.

„Dürfen wir, Mommy?“

„Och, bitte, bitte!“

Matt hielt den Atem an, weil er genauso auf ihre Antwort gespannt war wie die Zwillinge. Warum eigentlich? Er kannte diese Frau doch kaum. Doch er wusste, dass er sie gern näher kennenlernen würde, und er wusste auch, dass ihm die Kinder nichts ausmachen würden. Im Gegenteil …

„Darüber können wir ein anderes Mal reden“, entgegnete Georgia.

Quinn seufzte. „Das sagt sie immer, wenn sie Nein meint.“

„Nein, es heißt, dass wir ein anderes Mal darüber reden können“, wiederholte sie mit fester Stimme.

„Ich habe Hunger“, wiederholte Shane.

Sie fuhr ihm mit der Hand durchs Haar. „Dann sollten wir nach Hause gehen und Pizza machen.“

„Ich habe keinen Hunger“, sagte Quinn. „Ich möchte hierbleiben.“

„Wenn du keinen Hunger hast, wird Shane die ganze Pizza allein aufessen.“

Auf Georgias Antwort reagierte Quinn mit einem mürrischen Blick.

„Und du könntest uns beim Streichen der Veranda helfen“, schlug Matt ihm vor.

Jetzt runzelte er die Stirn. „Ich glaube, ich esse lieber Pizza.“

„Ich würde auch lieber Pizza essen als anstreichen“, schaltete Luke sich ein.

„Leider haben wir keine Wahl“, flüsterte Jack verschwörerisch.

„Und da ihr die tatsächlich nicht habt, könnt ihr jetzt Pinsel und Farbe holen“, befahl Matt.

Jack ging ins Haus, und Luke nahm den Korb mit den Welpen und setzte ihn in den Schatten eines Baumes, damit die neugierigen Tiere sie nicht bei der Arbeit störten.

Quinn und Shane blieben neben Georgia stehen. Ihre sehnsüchtigen Blicke folgten den Hunden. Mit einem Blick zur Mutter der Zwillinge hatte Matt das Gefühl, dass er genau wusste, was die beiden empfanden.

In den drei Jahren seit seiner Scheidung hatte er sich oft gefragt, ob er sich jemals wieder zu einer Frau hingezogen fühlen würde. Zehn Minuten, nachdem er Georgia Reed kennengelernt hatte, konnte er diese Frage mit einem entschiedenen Ja beantworten.

„Danke“, sagte sie nun zu ihm.

„Wofür?“

„Dass Sie so geduldig und nachsichtig mit den Jungs sind.“

„Ich mag Kinder“, antwortete er nur.

„Dann werden Sie sich in dieser Nachbarschaft wohlfühlen“, versicherte sie ihm.

Lächelnd schaute er sie an. „Das tue ich bereits.“

Matt blickte Georgia nach, die ihre Jungen an jeweils eine Hand genommen hatte. Offenbar wollte sie sichergehen, dass sie nicht wieder entwischten.

Als er seine attraktive Nachbarin zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie Mutter sein könnte. Jetzt, da er wusste, dass sie nicht nur Zwillinge, sondern auch noch ein Baby hatte, musste er noch intensiver über sie nachdenken. Eine alleinstehende Nachbarin, ausgesprochen sexy dazu … das weckte Gedanken in ihm, die er lange nicht gehabt hatte. Dass sie Kinder hatte, machte die Situation nicht unbedingt leichter …

Matt hatte einige nette Frauen kennengelernt, ohne sein Herz an sie zu verschenken. Aber Kinder mochte er wirklich sehr gern – vor allem, weil der Verlust seines eigenen Sohnes ein tiefes Loch in seinem Herzen hinterlassen hatte.

„Ich weiß, was du denkst“, sagte Luke, während er auf die Terrasse trat.

„Glaubst du?“

Sein jüngster Bruder nickte. „Ja, sie ist eine Augenweide. Aber auf ihrer Stirn steht Probleme geschrieben.“

„Ich habe nur überlegt, dass es doch nett ist, endlich meine Nachbarin kennengelernt zu haben.“

„Du hast daran gedacht, sie zum Essen einzuladen“, konterte Luke.

„Vielleicht“, antwortete Matt leichthin.

Jack stellte die Malerutensilien auf die Holzdielen. „Tu’s nicht.“

„Warum nicht?“, fragte er fast unwillig.

„Gefährliches Terrain.“

„Du meinst, eine Einladung zum Abendessen führt unweigerlich zu einer zweiten Einladung?“ Matt verbarg seinen Sarkasmus nicht.

„Und ehe du dich versiehst, stehst du vorm Altar“, fügte Luke hinzu.

„Du bist doch auch letzte Woche mit Becky McKenzie ausgegangen“, erinnerte ihn sein Bruder. „Aber ich sehe trotzdem keinen Ring an deinem Finger.“

„Weil es tatsächlich nur eine Einladung zum Dinner ist, wenn unser kleiner Bruder jemanden zum Essen einlädt“, erklärte Jack.

„Höchstens auch noch zum Frühstück“, grinste Luke.

„Aber wenn du eine Frau zum ersten Mal ausführst, Matt …“ Jack hielt inne und runzelte die Stirn. „Nun gut, wir wissen nicht genau, was es zu bedeuten hat, weil du schon ewig nicht mehr ausgegangen bist, seit Lindsay dich verlassen hat.“

„Ich bin mit Frauen ausgegangen.“

Luke schüttelte den Kopf. „Ja, aber es war nie eine richtige Beziehung.“

Jetzt runzelte Matt die Stirn, denn sein Bruder hatte recht.

„Und diese hier hat schon eine Menge Gepäck dabei“, warnte Jack.

„Genauer gesagt, drei Stück“, ergänzte Luke.

„Ihr interpretiert da viel zu viel hinein“, wehrte Matt ab.

„Ich bin natürlich froh, wenn du dich wieder ernsthaft für eine Frau interessierst“, sagte Jack. „Aber warum springst du gleich ins eiskalte Wasser, wo doch unzählige wunderschöne Frauen am Beckenrand stehen?“

Darauf wusste Matt nichts zu erwidern. Er konnte sich selbst nicht erklären, was er an Georgia Reed so attraktiv fand. Vielleicht wollte er sich auch nicht eingestehen, dass er sein Herz an die beiden kleinen Jungen verloren hatte, die sich die Welpen ansehen wollten, noch ehe er wusste, dass die hübsche blonde Nachbarin ihre Mutter war.

Seit dem Ende seiner Ehe war er sehr vorsichtig, was neue Beziehungen anging. Dass er an den Jungs einen Narren gefressen hatte, sollte ihn ebenfalls eher misstrauisch machen. Immerhin hatte er genug von Trennungen und den Schmerzen, die damit verbunden waren.

Nein, das wollte er nicht noch einmal durchmachen.

Dessen war er sich jedenfalls sicher gewesen, bevor Quinn und Shane in seinen Garten gestürmt waren.

„Ich will doch nur meine Nachbarin ein bisschen besser kennenlernen“, verteidigte Matt sich.

„Dann tu das“, sagte Luke. „Aber fang nichts mit ihr an. Denn wenn eine solche Beziehung in die Hose geht, wird die Nachbarschaft zur Hölle.“

„Fast so schlimm, wie mit einer Frau im Bett zu landen, die nur eine gute Freundin sein soll“, sekundierte Jack.

Offenbar hatte Jack entsprechende Erfahrungen gemacht. Matt hakte lieber nicht nach.

„Wenn du einsam bist, solltest du dir ein Tier anschaffen“, schlug Luke vor.

„So einen Welpen?“, fragte Matt trocken.

Sein Bruder grinste. „Der beste Freund des Menschen.“

„Ein Hund ist eine zu große Verpflichtung.“

„Weniger als eine Frau mit drei Kindern“, meinte Jack.

Allmählich wurde Matt ungeduldig. „Wollen wir jetzt den ganzen Tag darüber reden, oder wollen wir endlich die verdammte Veranda streichen?“

„Okay, dann streichen wir endlich die verdammte Veranda“, grinste Luke.

2. KAPITEL

Nachdem die Jungen ihre Pizza gegessen hatte, beschloss Georgia, zum Supermarkt zu fahren, um den Kühlschrank aufzufüllen. Sie legte Pippa in den Kinderwagen, rief Quinn und Shane und machte sich auf den Weg. Als sie am Haus ihres Nachbarn vorbeikam und die drei Männer bei der Arbeit sah, schlug ihr Puls auf einmal schneller. Sie war selbst überrascht angesichts ihrer Reaktion. Seit Phillips Tod wechselten sich bei ihr im Grunde nur zwei Gefühle ab: Trauer und Erschöpfung. Das Prickeln, das sie bei Matts Anblick empfand, war daher eine nette Abwechslung.

Matt bemerkte sie und hob die Hand zum Gruß. Sie winkte zurück, ehe sie den Blick rasch abwandte und sich wieder auf ihren Weg konzentrierte. Hoffentlich hatte er nicht bemerkt, dass sie ihn angestarrt hatte.

Wahrscheinlich war er derlei Blicke von Frauen gewohnt – so, wie er gebaut war …

Sie hatte nicht viel Erfahrung mit Männern wie den Garrett-Brüdern, aber sie kannte den Typ Mann. In der Highschool gehörten sie zu den begehrtesten Jungs: die Sportler, die nur mit den hübschesten Mädchen ausgingen; die Jungs, die so waren, wie alle anderen Jungen sein wollten und nach denen sich alle Mädchen verzehrten.

Nur Georgia nicht. Sie machte sich keine Illusionen und wusste, dass diese Jungen keinen zweiten Blick an sie verschwenden würden. Und das taten sie tatsächlich nicht. Bis Aiden Grainger sie eines Tages fragte, ob sie ihm beim Jahrbuch behilflich sein wollte. Selbst das schob sie auf ihre guten Rechtschreibkenntnisse. Wie überrascht war sie daher, als er sie eines Tages nach der Schule nach Hause begleitete und zum Abschied küsste!

Als sie zum ersten Mal seine Lippen spürte, war es um sie geschehen. Sie blieben für den Rest des Schuljahrs zusammen und schmiedeten Pläne für einen Trip durch Europa nach dem Schulabschluss. Aiden wollte die Welt kennenlernen, und Georgia wollte das auch – solange sie nur mit ihm zusammen sein konnte.

Dass sie ihre eigenen Wünsche und Träume aufgab, erschreckte sie allerdings. Es erinnerte sie an die Zeiten, als ihre Mutter so häufig umgezogen war – um einem Mann zu folgen.

Als Georgia dreizehn war und zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren die Schule wechseln musste, schwor sie sich, so etwas nie zu tun. Und jetzt, kaum fünf Jahre später, war sie bereit, auf ein Studienstipendium zu verzichten, um mit irgendeinem Mann durch Europa zu ziehen? Nein, das konnte sie unmöglich tun.

Aiden behauptete zwar, dass er von ihrer Entscheidung enttäuscht sei, aber seine Pläne wollte er dennoch nicht ändern. Also reiste er allein nach Europa, und sie ging ans College und ließ die Vergangenheit hinter sich.

Sie brauchte allerdings lange, um über Aiden hinwegzukommen – und noch länger, um wieder bereit zu sein für eine neue Beziehung. Und dann traf sie Phillip Reed.

Zehn Jahre lang hatte sie sich bei ihm sicher und geborgen gefühlt, war damit vollkommen zufrieden gewesen.

Wie also war es möglich, dass sie sich fragte, ob das schon die große Liebe gewesen war oder ob es möglicherweise noch mehr geben konnte – kaum, dass sie Matt Garrett kennengelernt hatte? Wie hatte er es geschafft, Gefühle in ihr zu wecken, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten?

Da sie keine Antwort auf diese Fragen hatte, beschloss sie, keinerlei Zeit mit solchen Gedanken zu verschwenden und betrat den Supermarkt.

Als Matt beschlossen hatte umzuziehen, hatte seine Maklerin stets den gleichen Begriff wie ein Mantra wiederholt: Lage, Lage, Lage. Und Tina Stilwell hatte ihm versichert, dass sein neues Zuhause in einer Topgegend lag. Es gab Grünanlagen, Freizeitparks, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen in unmittelbarer Umgebung, dazu Restaurants und das Krankenhaus, in dem er als Orthopäde arbeitete, ganz in der Nähe. Die schöne Nachbarin hatte sie mit keinem Wort erwähnt – und Matt war sich nicht sicher, wie sehr ihn dieser Umstand bei seiner Wahl beeinflusst hatte.

Er hätte eigentlich gar nicht umziehen müssen – und noch weniger war er auf der Suche nach einer neuen Beziehung. Aber er war davon überzeugt, dass er sein Geld mit dem Kauf dieses Hauses gut angelegt hatte.

Jack hatte ihn gefragt, warum ein alleinstehender Mann vier Schlafzimmer und drei Badezimmer brauchte, und Matt gab zu, dass es in der Tat mehr Platz war, als er benötigte. Er hatte ihm allerdings verschwiegen, dass er insgeheim immer noch hoffte, den gesamten Platz eines Tages zu brauchen. Denn jetzt begann ein neuer Lebensabschnitt für ihn, und er hatte nicht vor, sich mit Selbstmitleid oder Vorwürfen zu quälen. Nein, von nun an würde er nur in die Zukunft schauen.

Aber erst einmal musste er den Rasen trimmen.

Während er den Rasenmäher hin und her schob, warf er verstohlene Blicke zum Nachbargrundstück hinüber. In den vergangenen Tagen hatte er Georgia Reed nicht gesehen. Sie war auch gar nicht zu Hause, denn ihr Minivan stand nicht vor der Tür. Was ihn nicht daran hinderte, trotzdem alle paar Minuten über den Zaun hinweg zu blinzeln.

Seit seiner Scheidung hatte er nur ein paar kurzlebige Affären gehabt. Nichts wirklich Weltbewegendes war dabei gewesen. Er vermisste die Freundschaft, das Zusammensein und die Intimität. Nicht unbedingt den Sex, aber die Vertrautheit und Nähe. Er vermisste es, neben jemandem einzuschlafen und aufzuwachen. Er vermisste die Gespräche beim Essen, das gemeinsame Fernsehen auf dem Sofa und das lange Kuscheln im Bett an einem verregneten Sonntagmorgen. Er hätte gern eine Partnerin an seiner Seite – nicht nur, um die Feiertage gemeinsam zu begehen, sondern auch um alle Tage dazwischen mit ihr zu verbringen.

Und er vermisste es, Vater zu sein. Drei Jahre lang war sein kleiner Sohn der Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Aber Liam lebte nun seit drei Jahren nicht mehr bei ihm, und es wurde allmählich Zeit, dass Matt die Realität akzeptierte und nach vorn schaute.

Vielleicht sollte er doch einen der Welpen zu sich nehmen, überlegte er seufzend. Dann würde er am Ende eines langen Tages wenigstens nicht in ein leeres Haus kommen.

Wieder schaute er zum Nachbarhaus. Dessen Bewohnerin wusste bestimmt nicht, was es hieß, einsam zu sein. Mit drei Kindern, die ständig etwas von ihr wollten, blieben ihr wohl kaum mehr als fünf Minuten am Tag für sich selbst.

Bestimmt war es nicht leicht für Georgia, in so jungen Jahren bereits Witwe zu sein. Wie alt mochte sie wohl sein? Ihr dreißigster Geburtstag konnte noch nicht lange zurückliegen. Sie musste also sehr jung geheiratet haben – und trauerte wahrscheinlich immer noch um ihren Mann. Doch selbst wenn sie das nicht tat, hatte sie sicherlich kein Interesse an einer Beziehung mit ihrem Nachbarn.

Fang nichts mit ihr an. Denn wenn eine solche Beziehung in die Hose geht, wird die Nachbarschaft zur Hölle.

Luke hatte vermutlich recht. Also beschloss Matt, den Rat seines Bruders anzunehmen und sich zurückzuhalten. Was nicht bedeutete, dass er und Georgia nicht befreundet sein konnten. Dagegen würden seine Brüder bestimmt nichts einzuwenden haben. Und da eine Freundschaft mit einer guten Nachbarschaft begann, beschloss er, Georgias Rasen gleich mit zu mähen.

Während er das tat, schlug sein Herz beim Gedanken an die hübsche Frau immer schneller.

Als Georgia auf dem Lakespur Drive einbog, überlegte sie, was sie sich für den Rest des Tages vorgenommen hatte. An erster Stelle der To-do-Liste stand das Manuskript, das sie endlich zu Ende lesen musste. Dann würde sie Pippa in ihrem Wagen auf die Veranda stellen und den Rasen mähen. Ihr war noch immer unwohl bei dem Gedanken, dass die Jungen im Nachbargarten spielen durften, aber sie beschloss, ihnen ausnahmsweise den Besuch im Baumhaus zu erlauben, um ungestört im Garten arbeiten zu können.

In den vergangenen Tagen hatte sie Matt Garrett kaum gesehen. Viel mehr als seinen Namen wusste sie eigentlich nicht von ihm. Sie hatte keine Ahnung, wo und was er arbeitete, ob er verheiratet oder verlobt oder anderweitig gebunden war. Nicht, dass es sie besonders interessierte. Sie war einfach nur … neugierig.

Als sie nun feststellte, dass er den Rasen vor ihrem Haus mähte, wurde ihre Neugier noch größer. Sie parkte den Minivan, öffnete die Hecktür, um die Zwillinge austeigen zu lassen, und löste Pippa aus ihrem Babysitz. Mit dem Baby auf dem Arm ging sie zum Haus, und er winkte ihr zu. „Brauchen Sie Hilfe?“ Er deutete auf ihre Einkaufstüten im Kofferraum.

Sie drehte sich zu ihm um. Was sie sah, ließ ihren Mund trocken werden. Sein Haar war zerzaust, sein enges graues T-Shirt verschwitzt, und seine gebräunte Haut glänzte feucht. Seine ganze Erscheinung wirkte auf sie … ausgesprochen männlich.

Sie schluckte. „Nein danke, ich …“

Er achtete gar nicht auf ihren Protest, sondern griff einfach nach den beiden Tüten.

Sie atmete tief durch. „Okay. Vielen Dank.“

Sein Lächeln sorgte dafür, dass ihr die Knie weich wie Pudding wurden.

Er war wirklich sehr attraktiv.

Schon bei ihrer ersten Begegnung war sie von seinem Aussehen fasziniert gewesen – und ziemlich irritiert wegen der Reaktion ihres Körpers. Sie versuchte, sich einzureden, dass er auch nur ein Mann wie alle anderen war und bestimmt nicht so toll, wie sie vermutet hatte. Doch nun, als sie ihm allein gegenüberstand, musste sie zugeben, dass sie sich geirrt und seine Wirkung auf sie vollkommen unterschätzt hatte.

Seine blauen Augen waren sanft und verführerisch, und sein wohlgeformter Mund schien eine Menge zu versprechen – nicht zuletzt viel Vergnügen. Nicht, dass sie daran interessiert gewesen wäre – sie dachte nicht einmal an einen unschuldigen Flirt. Dennoch pulsierte ihr das Blut durch die Adern wie schon lange nicht mehr.

Matt folgte ihr ins Haus und stellte die Einkaufstüten auf die Küchentheke.

„Können wir rüberkommen und die kleinen Hunde anschauen?“, fragte Quinn, und Shane schaute seinen Nachbarn bittend an.

„Die Hunde sind heute gar nicht bei mir“, erwiderte Matt.

„Wo sind sie denn?“

„Bei meinem Bruder in der Praxis.“

„Er ist der Hundedoktor“, erinnerte Quinn seinen Bruder.

„Er ist Doktor für alle Tiere“, stellte Matt klar.

„Vielleicht können wir die Hunde in der Praxis besuchen?“, schlug Quinn vor.

„Nicht heute“, antwortete Georgia.

Shane zog eine Schnute. „Ich möchte einen Hund.“

„Aber du hast doch eine kleine Schwester.“

„Ich hätte lieber einen Hund“, brummelte Quinn.

Matt wandte sich ab, um sein Grinsen zu verbergen, und wusch sich die Hände am Spülbecken. „Die Hunde sind wirklich süß“, sagte er. „Aber deine Schwester ist noch viel süßer.“

„Findest du wirklich?“ Quinn klang ziemlich skeptisch.

„Aber sicher!“ Er schaute Georgia an. „Darf ich sie mal halten?“

Sie zögerte. „Wenn Sie wollen … aber sie kennt nicht viele Fremde. Sie könnte also …“

Sie beendete den Satz nicht, denn er hatte ihr Pippa bereits aus dem Arm genommen.

„Was könnte sie?“, wollte Matt wissen.

„Protestieren, wollte ich sagen. Aber wie ich sehe, tut sie es nicht.“

Stattdessen schaute ihn das kleine Mädchen aus großen blauen Augen an und verzog den Mund zu einem Lächeln. Matts Herz wurde weit.

„Sie ist bezaubernd“, stellte er fest.

„Manchmal schon“, gab ihre Mutter zu.

„Meistens schreit sie aber“, ergänzte Quinn.

„Vor allem nachts“, ergänzte Shane.

Georgia seufzte. „Ja, sie leidet an Koliken.“

„Können Sie da überhaupt schlafen?“, fragte er mitfühlend.

„Nicht mehr so gut, seit meine Mom in Urlaub ist“, erwiderte sie. „Aber ich schaffe es schon irgendwie – wenn man mal davon absieht, dass sich der Stapel an Büroarbeit immer höher türmt.“

Shane zerrte am Saum ihrer Bluse. „Ich habe Hunger.“

„Ich weiß, Schatz. Du bekommst etwas zu essen, sobald ich die Lebensmittel eingeräumt habe.“

„Ich möchte Nudeln“, verkündete Quinn.

„Die hattest du doch gestern schon. Heute gibt es Käsesandwiches. Wenn ihr wollte, könnt ihr ein wenig fernsehen, bis das Essen fertig ist.“

Ihr Vorschlag kam offenbar gut an, denn die Jungen verschwanden sofort im Wohnzimmer.

„Aber Ihre Kinder müssen nicht darunter leiden“, bemerkte er. „Und das ist ja das Wichtigste überhaupt.“

Sie lächelte ein wenig erschöpft. „Und dank Ihnen muss mein Rasen nicht leiden – vielen Dank“, meinte sie und begann, ihre Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen.

„Sie sollten es mal mit Sojamilch versuchen“, riet er ihr mit einem Blick auf die Milchtüten. „Normale Milch kann nämlich Koliken verursachen.“

„Woher wissen Sie das?“, fragte sie erstaunt.

„Ich lese viel.“

„Das habe ich auch mal getan“, seufzte sie und schloss den Kühlschrank. „Manchmal sogar zum Vergnügen.“

„Irgendwann werden Sie das auch wieder tun.“

„Hoffentlich haben Sie recht. Im Moment leben wir von einem Tag zum anderen.“

„Wie gesagt: Sie machen einen großartigen Job mit Ihren Kindern.“

„Das sollten Sie mir mal um drei Uhr nachts sagen.“ Sofort merkte sie, dass ihre Worte missverständlich waren, und sie errötete.

Ihm war klar, dass er das nicht als Einladung verstehen sollte. Falls sie jedoch Hilfe benötigte, wäre er gern der Mann, der sie unterstützen wollte. Gefährliche Gedanken! Sie war nicht seine Frau, ihre Kinder waren nicht seine Kinder, und er musste sich den Gedanken aus dem Kopf schlagen, dass es jemals so sein würde. Dennoch …

„Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Er schrieb seine Telefonnummer auf einen Notizblock, der auf der Küchentheke lag. „Wenn Sie Hilfe brauchen – rufen Sie mich einfach an. Egal, um welche Zeit.“

„Sie haben mir doch schon mit dem Rasen geholfen.“

„Na ja, für gute Taten gibt es ja keine Obergrenze.“

„Wissen Sie, ich habe in den letzten Jahren in New York gewohnt. Die meisten meiner Nachbarn kannte ich gar nicht, und der größte Gefallen, den man einander erwies, war das Aufhalten der Aufzugtür.“

„Ihr Umzug nach Pinehurst ist also eine große Verbesserung Ihrer Lebensumstände.“

„Meine Mutter hatte schon angekündigt, dass es eine vollkommen andere Welt ist. Sie hat mich dazu ermutigt, mich mit fremden Leuten zu unterhalten, und sie hat mich sogar dafür ausgeschimpft, dass ich mein Auto nachts abschließe, wenn es vor der Tür steht.“

„Sie schließen Ihr Auto ab?“, fragte er ungläubig.

„In New York habe ich in einem Apartment im zweiten Stock gewohnt. Als ich eines Tages in den Coffeeshop gegangen bin, ohne meine Tür dreifach abzuschließen, war die Wohnung komplett ausgeräumt, als ich nach einer halben Stunde zurückgekommen bin.“

„Kein Wunder, dass Sie vorsichtig geworden sind“, meinte er. „Aber hier passen die Nachbarn aufeinander auf. Und ich stelle gerade fest, dass ich Ihnen im Weg stehe.“ Mit dem Baby immer noch auf dem Arm, trat er einen Schritt beiseite, während sie die Sandwiches für die Zwillinge zubereitete.

„Sie halten Pippa, das ist Hilfe genug“, erwiderte sie und rief die Jungen in die Küche.

Er grinste schief. „Na ja, solange ich nützlich bin …“

Die Zwillinge stürmten in die Küche und kletterten auf die Stühle. Zu Matts Verwunderung stellte Georgia auch vor ihn einen Teller.

„Milch?“, fragte sie. „Oder möchten Sie etwas anderes?“

„Milch ist okay. Aber Sie brauchen mir nichts zu essen zu machen.“

„Es ist nur ein gegrilltes Käsesandwich.“

„Immerhin sieht es appetitlicher aus als die kalte Pizza in meinem Kühlschrank.“

„Ein Sandwich ist nicht viel im Vergleich zum Rasenmähen“, lächelte sie.

„Sie werden sich noch an das Kleinstadtleben gewöhnen“, konterte er.

„Ich versuche es.“

Sollte aus ihrer Bekanntschaft Freundschaft – und vielleicht sogar noch mehr werden? Die Warnung seiner Brüder Jack und Luke kam ihm in den Sinn. Doch er vergaß sie sofort wieder, als er Georgias wunderbares Lächeln sah.

Georgia wartete, bis Matts Wagen aus der Einfahrt verschwunden war, ehe sie den Zwillingen erlaubte, in das Baumhaus zu gehen. In den letzten Wochen hatten sie öfter dort gespielt – aber nur, wenn ihr neuer Nachbar nicht zu Hause war.

Nicht, dass sie Matt aus dem Weg ging. Jedenfalls nicht bewusst. Aber dieser Mann hatte etwas an sich, dass bei ihr jedes Mal sämtliche Alarmglocken schrillten.

Er war freundlich und konnte wunderbar mit den Kindern umgehen. Wenn sie nicht immer dieses Prickeln in seiner Nähe verspürte, hätte sie bestimmt darüber nachgedacht, sich mit ihm anzufreunden. Aber da sie seine Anwesenheit so sehr irritierte, beschloss sie sicherheitshalber, Abstand zu ihm zu wahren.

Sie schob Pippas Kinderwagen auf das Nachbargrundstück, um die Zwillinge zu beaufsichtigen, die bereits auf dem Baum herumkletterten.

Georgia hatte einen Klappstuhl mitgebracht, den sie neben den Wagen stellte. Während sie damit beschäftigt war, fiel ihr Blick auf die Leiter, die an den Baum gelehnt war. Auf der obersten Sprosse stand Shane und schaute sich nach ihr um.

„Sei vorsichtig!“, rief sie und wollte zu ihm hinüberlaufen. Zu spät. Der Junge rutschte aus und stürzte wie ein Stein auf die Erde.

Als Georgia die Notaufnahme betrat, wusste sie nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, mit dem jammernden Shane, der greinenden Pippa und dem immer noch schockierten Quinn hierherzukommen. „Er darf nicht sterben“, schluchzte Quinn. „Bitte, lass ihn nicht sterben.“

„Er wird nicht sterben“, beruhigte sie ihn. „Er hat sich vermutlich nur den Arm gebrochen.“ Sie hatte ihm einen Eisbeutel mit einem Handtuch um den rechten Oberarm gebunden, um die Schmerzen zu lindern.

Am Schreibtisch der Notaufnahme saß eine gelangweilte Krankenschwester, die Georgias Namen und Versicherungsnummer notierte und sie aufforderte zu warten. Doch noch ehe Georgia sich auf einen der freien Stühle setzen konnte, kam eine sehr jung aussehende Krankenschwester mit einem Rollstuhl in den Wartebereich. Auf ihrem Namensschild stand „Brittney“. Sie gehörte also zum Krankenhauspersonal. Dabei sah sie aus wie eine Schülerin.

„Ich bringe dich ins Röntgenzimmer, damit sich der Doktor deinen Arm anschauen kann“, erklärte sie Shane.

Panisch schaute er seine Mutter an. Georgia strich ihm eine Locke aus der Stirn.

„Möchtest du, dass deine Mom, dein Bruder und deine Schwester mit dir kommen?“, fragte Brittney.

Shane nickte. „Tut röntgen weh?“, wollte er wissen.

Brittney hockte sich vor ihn hin, sodass sie auf Augenhöhe mit ihm sprechen konnte. „Es tut vielleicht ein bisschen weh, wenn die Schwester deinen Arm bewegen muss, um das Bild zu machen. Aber es ist die beste Methode, um herauszufinden, wie wir deinen Arm wieder heil machen können.“

Shane zögerte kurz, ehe er nickte. „Okay.“

Brittney lächelte und wollte von Quinn wissen: „Wie alt bist du denn?“

„Vier.“ Stolz streckte er vier Finger hoch.

„Hm.“ Sie tat, als dächte sie über etwas sehr Wichtiges nach. „Ich weiß nicht, ob das geht.“

„Was geht?“, wollte er sofort wissen.

„Nun ja, laut Krankenhausregeln darf man erst ab fünf Jahren einen Rollstuhl schieben, außer man hat eine spezielle Berechtigung dazu hat. Oder hast du eine Rollstuhlschiebe-Berechtigung?“

Quinn schüttelte den Kopf.

Brittney suchte in den Taschen ihres Kittels und zog ein blaues Papier hervor, auf dem in großen Lettern VORLÄUFIGE ROLLSTUHL-ROLLLIZENZ stand. Trotz ihres desolaten Zustands musste Georgia sich ein Lächeln verbeißen, als Brittney ihr zuzwinkerte. „Glücklicherweise habe ich eine Berechtigung bei mir, die allerdings nur heute gilt“, lächelte sie. „Die kann ich dir geben, wenn du mir versprichst, den Rollstuhl ganz langsam und sehr vorsichtig zur Röntgenabteilung zu schieben.“

„Das mach ich“, versicherte er ihr.

„Gut. Aber ich muss erst deinen Namen auf das Papier schreiben.“

„Quinn Reed.“

„Okay. Und heute ist der …?“

Fragend sah Quinn seine Mutter an. „Der zweiundzwanzigste Mai“, half sie ihm.

Brittney notierte das Datum auf den Zettel und reichte ihn Quinn. Ehrfurchtsvoll studierte er das Blatt ein paar Sekunden, ehe er es vorsichtig in seine Tasche schob und die Rollstuhlgriffe mit beiden Händen fest umklammerte.

„Aber pass gut auf“, warnte Brittney ihn. „Wenn du irgendetwas oder irgendjemanden umfährst, muss ich dir die Berechtigung sofort wieder abnehmen.“

Er nickte folgsam, und die kleine Prozession setzte sich in Bewegung.

Zwanzig Minuten später war Shanes Arm geröntgt worden. Quinn schob seinen Bruder aus dem Behandlungszimmer in den Wartebereich, und Brittney verabschiedete sich von ihnen mit den Worten: „Dr. Layton wird gleich bei dir sein, Shane. Dann sagt er dir, was mit deinem Arm passieren wird. Es wird nicht lange dauern“, wiederholte sie an Georgia gewandt.

Und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis die Tür zum Behandlungsraum erneut geöffnet wurde – und Georgia die Kinnlade herunterfiel. Im Gegensatz zu Quinn und Shane, die beide – Shane trotz seiner Schmerzen – übers ganze Gesicht strahlten.

„Sie sind aber nicht Dr. Layton“, stammelte Georgia konsterniert, während sie eintraten.

„Im Moment geht es in der Notaufnahme drunter und drüber“, antwortete Matt. „Deshalb hat Dr. Layton mich gebeten, mir Shanes Röntgenaufnahmen anzusehen.“

Quinn setzte sich aufrecht hin. „Du bist auch Arzt?“

Matt nickte.

„Du siehst gar nicht wie einer aus“, sagte er fast vorwurfsvoll.

„Quinn!“, ermahnte ihn seine Mutter.

„Wie sieht ein Arzt denn aus?“, fragte Matt schmunzelnd.

Der Junge betrachtete ihn ein paar Sekunden. „Älter“, antwortete er schließlich. „Mit grauen Haaren und einer Brille.“

„Ich bin immerhin viel älter als du“, sagte Matt.

„Trotzdem siehst du nicht wie ein Doktor aus.“

„Ich bin Orthopäde“, erklärte Matt.

„Siehst du?“ Triumphierend sah Quinn seine Mutter an.

„Ein Orthopäde ist auch ein Arzt“, bestätigte sie.

Fragend schaute er zurück zu Matt.

Er nickte. „Ein Orthopäde ist ein Spezialist, der kaputte Knochen heilt.“

Quinn schluckte. „Ist Shane kaputt?“

Matt verbiss sich ein Lächeln. „Nein, dein Bruder ist nicht kaputt. Aber ein Knochen in seinem Arm ist kaputt.“

„Ich bin aus deinem Baumhaus gefallen“, erklärte Shane.

Besorgt sah Matt ihn an. „Von ganz oben?“

Der kleine Junge schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin auf der Leiter ausgerutscht.“

„Und er ist auf den Arm gefallen“, ergänzte Georgia. „Er hat ihn ausgestreckt, um sich abzufangen.“

„Und dabei hast du ihn dir natürlich gebrochen.“ Matt nickte verständnisvoll. „Soll ich dir das Bild zeigen, auf dem du den Bruch sehen kannst?“

Shane nickte.

Matt setzte sich vor einen Computerbildschirm und tippte etwas in die Tastatur. „Das hier ist die Speiche – so nennt man das“, er zeigte mit dem Kugelschreiber auf den Schirm, „… und das ist die Elle.“

Shane nickte und verzog schmerzhaft das Gesicht.

„Siehst du den Unterschied zwischen den beiden Knochen?“

„Ich sehe ihn!“, rief Quinn, und Shane nickte erneut.

„Nun ja, da es Shanes Arm ist, sollte er uns den Unterschied erklären“, meinte Matt.

Quinn zog eine Schnute, sagte aber nichts mehr.

„Was siehst du, Shane?“

„Der Speicher …“ Er verstummte.

„Die Speiche“, soufflierte Matt.

„Da ist ein Strich.“

„Genau. Dieser Strich ist der Bruch. Man nennt das einen distalen Speichenbruch.“

„Er tut weh.“ Shane klang halb jammernd und halb stolz, weil er so etwas Kompliziertes an seinem Arm hatte.

„Ich weiß“, sagte Matt.

„Kannst du das wieder ganz machen?“, wollte Quinn wissen. „Du hast doch gesagt, dass du kaputte Knochen wieder ganz machen kannst.“

Matt nickte. „Ja. Ich kann es, und ich werde es tun.“

3. KAPITEL

Georgia hatte versucht, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, aber die Tatsache, dass ihr neuer Nachbar nicht nur sehr freundlich und gutaussehend war, sondern darüber hinaus auch ein toller Arzt, lenkte sie ziemlich ab. Verstohlen musterte sie ihn, während er sich um Shane kümmerte. Im weißen Kittel und mit weißen Turnschuhen sah der Mann ganz anders aus als der attraktive Gärtner, der ihr den Rasen gemäht hatte. Hätte er sie an jenem Tag seinen Beruf raten lassen, hätte sie vermutlich auf Ingenieur oder Feuerwehrmann getippt. Dass er Mediziner war, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.

Sie hatte allerdings auch noch nie einen Arzt kennengelernt, der nicht innerhalb von fünf Minuten auf seinen Beruf zu sprechen gekommen wäre. Seit drei Wochen war er nun schon ihr Nachbar, und sie hatte keine Ahnung gehabt. Vielleicht hätte der Mercedes in seiner Einfahrt ein erster Hinweis auf seine Tätigkeit sein können, Und jetzt erlebte sie Dr. Garrett ganz in seinem Element.

Während er den Arm eingipste, erklärte er den Zwillingen mit einfachen Worten, was er gerade tat. Dennoch blieb Quinn misstrauisch.

„Muss Shane sterben?“, fragte er sorgenvoll.

„Nein“, beruhigte Matt ihn. „An einem gebrochenen Arm stirbt man nicht.“

Auch Shane sah ihn nun verängstigt an. „Versprichst du mir das?“

Unwillkürlich füllten Georgias Augen sich mit Tränen. Seit Phillips Tod hatten sich die Zwillinge allein auf ihre Worte verlassen, wenn sie verunsichert waren oder Fragen hatten. Natürlich war es vernünftig, dass sie Matt fragten, denn er war der Arzt. Dennoch versetzte es ihr einen Stich, dass die Jungen zum ersten Mal einem anderen Menschen so viel Vertrauen entgegenbrachten.

„Hoch und heilig“, antwortete Matt feierlich.

Shane nickte zögernd zum Zeichen, dass er das Wort des Mannes für bare Münze nahm.

„Darf ich dir jetzt auch eine Frage stellen?“, fragte Matt.

Wieder nickte Shane.

„Was ist deine Lieblingsfarbe?“

„Blau.“

„Dann werden wir einen blauen Gips um deinen Arm machen“, verkündete der Arzt, was ein Lächeln auf die Lippen seines kleinen Patienten zauberte. Matt ging hinaus und kam kurz darauf mit Brittney und einer älteren Kollegin zurück. Die grauhaarige Krankenschwester brachte Shanes Arm in die richtige Position, während Matt den Gipsverband anlegte und Brittney aufmerksam zuschaute. Zum Schluss legte Matt Shanes Arm in eine Schlinge, schob sie über die Schulter und erklärte ihm, dass es für ihn und seinen Arm so am bequemsten wäre.

„In welcher Hand hältst du einen Stift, wenn du malst?“, wollte Brittney wissen.

„Diese hier.“ Er hob die unverletzte Hand.

„Kannst du damit eine Eiswaffel halten?“

Shane nickte schüchtern, nachdem er seine Mutter fragend angeschaut hatte.

„Sie lieben Eis.“ Georgia griff in ihre Tasche, um Geld herauszuholen.

Das Mädchen machte eine abwehrende Handbewegung. „Die spendiert Dr. Garrett. Es gehört zum Service des Hauses.“

Matt drückte ihr eine Zwanzig-Dollar-Note in die Hand.

„Hat der Rollstuhlfahrer noch seine Rollstuhl-Rolllizenz?“

Quinn zog das Papier aus seiner Tasche.

„Dann lass uns mal das Eis holen gehen.“

„Danke, Britt“, Matt lächelte das Mädchen an.

Mit gemischten Gefühlen sah Georgia ihren Zwillingen hinterher, die mit der jungen Schwester hinausgingen. Sie wurden so schnell erwachsen; dennoch würden sie immer ihre Babys bleiben – genau wie die Kleine, die sie die ganze Zeit im Arm gehalten hatte.

„Brittney ist wirklich toll“, sagte sie jetzt zu Matt. „Ich weiß nicht, wie ich das ohne ihre Hilfe überstanden hätte. Sie kann wundervoll mit Kindern umgehen.“

„Es ist bestimmt auch nicht einfach, mit drei Kindern, von denen eines ziemliche Schmerzen hat, hierherzukommen und das alles zu managen. Konnte denn keiner der Nachbarn auf die beiden anderen aufpassen?“

„Nun, der eine Nachbar hat gearbeitet …“ Sie lächelte Matt an, „… und die andere Nachbarin, Mrs. Dunford, besucht gerade ihre Schwester. Außerdem wäre Quinn bestimmt nicht bei ihr geblieben. Er hatte furchtbare Angst, weil sein Bruder ins Krankenhaus musste, und wollte sichergehen, dass er auch heil wieder nach Hause kommt.“

„Hat er Angst vor Krankenhäusern?“

„Beide haben Angst vor Krankenhäusern.“

„Gibt es dafür einen Grund?“

Sie nickte. „Weil ihr Vater – mein Mann – im Krankenhaus gestorben ist.“

„Das ist verständlich“, sagte er.

„Es war ein Herzanfall“, erklärte sie. „Er erkannte die Symptome und hat den Notarzt gerufen, aber die Attacke war zu heftig. Die Jungs haben mitgekriegt, dass er noch lebte, als er in den Krankenwagen gebracht wurde. Und im Krankenhaus war er dann auf einmal tot.“

„Und jetzt glauben sie, dass jeder, der ins Krankenhaus kommt, dort auch sterben muss“, mutmaßte er.

Wieder nickte sie. „Ich habe ihnen zu erklären versucht, dass es nicht die Schuld des Arztes war. Dass es niemandes Schuld war. Aber sie haben mir wohl nicht geglaubt.“

„Wer ist eigentlich Mrs. Dunford?“

„Sie wohnt auf der anderen Straßenseite. Sie steht jeden Morgen um sieben auf und gießt die Blumen. Sie hat einen grünen Daumen.“

Er nickte. „Ach, die ist das. Sie hat auch ein Talent für Ingwerplätzchen.“

„Sie kennen Sie?“

„Jetzt schon. Sie hat mir einen Korb Kekse gebracht und mich in der Nachbarschaft willkommen geheißen. Dummerweise hat sie ihren Namen nicht genannt …“

„Weil alle sie kennen.“

„Na ja, aber ich bin neu in der Gegend“, verteidigte er sich.

„Wahrscheinlich hat sie Ihnen die Plätzchen gebracht in der Hoffnung, dass sie Sie mit ihrer Enkelin bekanntmachen kann.“

„Dann hätte sie mir besser Schokoplätzchen gebracht. Die esse ich nämlich am liebsten.“

„Das werde ich ihr sagen.“

Er schüttelte den Kopf. „Meine Verabredungen mache ich lieber selbst. Obwohl Brittney immer sagt, dass ich dabei Unterstützung brauche.“

„Brittney? Die Krankenschwester, die wie fünfzehn aussieht?“

„Sie ist siebzehn.“

„Dann ist sie gar keine Krankenschwester?“

Er lachte. „Sie ist Praktikantin. Sie geht noch zur Schule. Und außerdem ist sie meine Nichte.“

„Sie hat das ganz toll gemacht mit den Zwillingen.“

„Sie möchte auch Kinderärztin werden.“

„Das nenne ich zielstrebig.“

„Sie ist sehr entschlossen. Und sie gehört zu den meistgefragten Babysittern in der Stadt.“

„Das werde ich mir merken. Für den Fall, dass ich auch mal jemanden brauche“, versprach sie. Wahrscheinlich würde Brittney längst ihr Studium beendet haben, wenn dieser Fall eintrat. Wenn er überhaupt jemals eintreten sollte …

Deshalb war sie mehr als überrascht, als Matt sagte: „Vielleicht am Freitagabend? Dann könnte ich Sie zum Essen einladen.“

Eine Minute lang sah sie ihn so verwirrt an, als habe er eine andere Sprache gesprochen, und Matt fragte sich bereits, ob er diesen Vorschlag besser nicht gemacht hätte.

Normalerweise war er nicht so spontan. Georgia weckte in ihm offenbar Eigenschaften, von denen er selbst nicht gewusst hatte, dass sie in ihm schlummerten. Und falls Georgia seine Einladung annahm – was sie hoffentlich tat –, würde er seiner Nichte sagen, dass sie ihre Bemühungen als Heiratsvermittlerin endgültig einstellen konnte.

„Ist das … Soll das eine Einladung sein?“

Ihre Frage weckten allerdings sofort neue Zweifel in ihm. War er überhaupt selbst in der Lage, für Dates zu sorgen?

Wenn eine solche Beziehung in die Hose geht, wird die Nachbarschaft zur Hölle. Lukes Worte kamen ihm in den Sinn, doch er beschloss, sie zu ignorieren. Denn Matt wollte seine wunderschöne Nachbarin unbedingt näher kennenlernen. Da konnte sein Bruder sagen, was er wollte.

„Wir müssen es ja nicht so nennen“, antwortete er.

„Es ist also kein Date?“

„So lange Sie nicht Ja sagen, ist es gar nichts.“

Sie überlegte eine Weile, ehe sie den Kopf schüttelte. „Ich kann nicht.“

„Sie können nicht mit einem Bekannten essen gehen? Mit einem Nachbarn?“

„Ich kann meine Kinder keiner Fremden überlassen – selbst wenn Brittany die meistgefragte Babysitterin der Stadt ist.“

Trotzdem hatte er den Eindruck – jedenfalls für eine Sekunde –, dass sie daran gedacht hatte, seine Einladung anzunehmen.

„Quinn und Shane scheinen sie sehr zu mögen“, erinnerte er sie.

„Sie geht wunderbar mit ihnen um“, gab sie zu. „Aber mit Pippa ist es etwas anderes. Im Moment gibt es da noch ein paar Dinge, die außer ihrer Mutter niemand für sie tun kann.“

Okay, er musste nicht zweimal mit der Nase auf etwas gestoßen werden. Einmal genügte. Unwillkürlich schaute er auf ihre Brüste und schlug sofort die Augen nieder.

Sie hatte seinen Blick dennoch bemerkt. Ihre geröteten Wangen waren ein unmissverständlicher Hinweis.

„Wie wäre es dann, wenn wir bei mir essen? Dann sind Sie schnell zu Hause, wenn es nötig ist.“

„Wissen Sie, ich schätze Ihre Einladung wirklich sehr, aber mir geht es gut. Sie brauchen mich nicht zu bemitleiden, weil ich mich allein um meine drei Kinder kümmern muss.“

„Denken Sie das wirklich – dass ich Sie bemitleide?“

„Ich weiß nicht, was ich denken soll“, gestand sie. „Es ist die einzige Erklärung, die ich mir vorstellen kann.“

„Nun, ich habe mir schon überlegt, dass Ihnen ein paar Stunden ohne Verantwortung durchaus guttun könnten“, sagte Matt. „Aber ich habe überhaupt kein Mitleid mit Ihnen. Im Gegenteil, ich denke, Sie können sich glücklich schätzen, drei wunderbare Kinder zu haben, die sich ihrerseits glücklich schätzen können, Sie als Mutter zu haben.“ Denn er wusste aus Erfahrung, dass nichts das Band zwischen Eltern und Kinder ersetzen konnte – und nichts die Leerstelle füllen konnte, wenn dieses Band einmal gerissen war.

„Ich habe wirklich Glück“, erwiderte sie leise. „Obwohl ich manchmal gar nicht weiß, wie viel Glück ich habe – und ebenso wenig weiß ich, wie ich auf derlei unerwartete Freundlichkeiten reagieren soll.“

„Sie können damit reagieren, dass Sie einfach sagen, okay, ich komme am Freitag zu Ihnen zum Abendessen.“

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Sie sind ganz schön hartnäckig, nicht wahr?“

„Das ist nicht die Antwort, auf die ich gehofft habe“, entgegnete er.

„Nun gut – ich komme am Freitagabend zum Essen zu Ihnen“, stimmte sie schließlich zu. „Falls Brittney Zeit hat – und bereit ist, auf die Kinder aufzupassen.“

„Passt Ihnen sieben Uhr?“

„Sollten Sie nicht erst die Babysitterin fragen?“

„Brittney wird Zeit haben“, versicherte er ihr.

„Dann ist sieben Uhr perfekt“, erwiderte Georgia.

„Irgendetwas, das Sie nicht mögen oder worauf Sie allergisch reagieren?“

Erneut schüttelte sie den Kopf.

„Und Ihr Lieblingsessen?“

Ihr Lächeln wurde breiter. „Alles, was ich nicht selber kochen muss.“

Es wurde eine lange Nacht für Georgia. Sie gab Shane ein mildes Schmerzmittel, damit er schlafen konnte, versicherte Quinn erneut, dass ein gebrochener Arm keine lebensgefährliche Verletzung war, versorgte Pippa und sank Stunden später todmüde aufs Sofa.

Doch Ruhe fand sie keine, da ihr Matt nicht aus dem Kopf gehen wollte. Er war ein ausgesprochen netter Mann, der gut mit den Kindern umzugehen wusste. Wäre das alles gewesen, hätte Georgia keine Sekunde gezögert, seine Einladung anzunehmen. Aber in Gegenwart von Matt Garrett wurden Gefühle in ihr wach, die sie lange nicht gehabt hatte – und das machte sie vorsichtig.

Ihre Mutter hatte immer gesagt, sich zu verlieben sei wie ein Sprung in unbekannte Gewässer. Charlotte hatte derlei Abenteuer stets genossen. Aber Georgia war eher vorsichtig. Und anders als ihre Mutter hatte sie nur wenige Beziehungen gehabt.

Mit Philipp hatte sie zunächst nur eine Freundschaft verbunden. Die jedoch war im Laufe der Zeit immer enger geworden. Trotzdem war sie aus allen Wolken gefallen, als er ihr eines Tages einen Heiratsantrag gemacht hatte. Aber mit dem besten Freund konnte man eigentlich nichts falsch machen, hatte Georgia sich gesagt, und in die Hochzeit eingewilligt. Sie hatten eine gute Ehe geführt, sie passten sehr gut zusammen, und ihre Liebe war immer tiefer geworden. Er war der einzige Mensch, in dessen Gesellschaft sie sich rundum wohlfühlte.

In Matt Garretts Gegenwart dagegen fühlte sie sich überhaupt nicht wohl.

Sie war einunddreißig, hatte drei Kinder – und keine Ahnung, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollte. Vielleicht sollte sie einfach eine Nacht darüber schlafen. Die letzten Tage ohne die Unterstützung ihrer Mutter – und nun auch noch der unerwartete Besuch in der Notaufnahme – waren einfach zu viel für sie gewesen. Und jetzt geriet sie auch noch ins Grübeln über ihren Nachbarn und ihre Zukunft …

Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Ihre Mutter war dran.

„Wie geht es euch denn?“, wollte sie wissen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich meine Enkelkinder vermisse.“

„Oh doch“, antwortete Georgia. „Aber du wirst sie ja morgen wiedersehen. Sie freuen sich auch schon auf dich.“

„Nun, genau deshalb rufe ich an“, begann Charlotte, und Georgia spürte sofort einen Kloß im Magen. „Meine Pläne haben sich ein wenig geändert.“

„Inwiefern?“ Sie bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall.

„Ich habe jemanden kennengelernt.“ Auf einmal klang Charlotte ganz aufgeregt. „Oh Schatz, ich hätte nicht geglaubt, dass ich mich noch einmal verlieben würde. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet. Ich meine, ich hatte ja schon immer Glück in der Liebe …“

Glück? Nur Charlotte Warring, geschiedene Eckland, geschiedene Tuff, geschiedene Masterton, geschiedene Kendrick käme auf die Idee, vier gescheiterte Ehen als Glück zu bezeichnen. Andererseits gehörten ihre übersprudelnde Lebensfreude und ihr unverbrüchlicher Optimismus zu den Eigenschaften, die die Männer an ihr besonders mochten – und natürlich der Umstand, dass sie mindestens zehn Jahre jünger als vierundfünfzig aussah.

Nun gut. Georgia versuchte gelassen zu bleiben. Ihre Mutter hatte jemanden kennengelernt. Sie hatte nichts dagegen, dass sie eine Beziehung anfing – nicht wirklich. Aber sie konnte nicht glauben, dass sich ihre Mutter in einen Mann verliebt hatte, den sie erst ein paar Tage lang kannte.

„… aber als sich unsere Blicke über den Baccara-Tisch hinweg trafen, hatte ich das Gefühl, meine Finger in eine Steckdose gesteckt zu haben.“

Jetzt musste Georgia schmunzeln. „Schön, dass du dich so gut amüsierst …“

„Ja, blendend“, unterbrach Charlotte sie. „Und nach der Zeremonie letzte Nacht hat Trigger dafür gesorgt, dass wir ein Upgrade in die Hochzeitssuite bekommen haben. Dort habe ich so viel Champagner getrunken, dass ich mich immer noch ein bisschen beschwipst fühle.“

Genau das Gefühl hatte Georgia plötzlich auch, obwohl sie keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte. Zeremonie? Hochzeitssuite? Trigger?

„Mom!“ Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Willst du mir damit etwa sagen, dass du den Mann geheiratet hast?“

„Schatz, wenn die Liebe an deine Tür klopft, dann öffnest du sie nicht nur einen Spalt breit, sondern reißt sie ganz auf.“

Georgia schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

„Ja“, beantwortete Charlotte endlich ihre Frage. „Ich bin jetzt ganz offiziell Mrs. Trigger Branston.“

„Sein Name ist wirklich Trigger?“

„Eigentlich heißt er Henry. Aber alle nennen ihn Trigger, weil er so schnell am Abzug ist.“

„Am Abzug?“ Von Sekunde zu Sekunde hoffte Georgia mehr, dass dieses Gespräch nur ein bizarrer Wachtraum sein möge.

„Bei seinem Gewehr“, erklärte Charlotte. „Er hat bei allen möglichen Schießwettbewerben den ersten Preis gewonnen.“

„Das ist … äh … ziemlich beeindruckend.“

„Das kann man wohl sagen“, bestätigte Charlotte.

„Und damit … verdient er sein Geld?“, wollte Georgia wissen.

Ihre Mutter lachte. „Natürlich nicht. Das ist nur sein Hobby. Ansonsten hat er genug mit seiner Ranch zu tun.“

„Wo ist die denn?“

„Im Südwesten von Montana.“

„Du ziehst nach Montana?“

„Na ja, er kann seine Ziegen und seine Schafe schlecht nach New York bringen, nicht wahr?“

Ziegen und Schafe?

Georgia wollte sich die Einzelheiten lieber nicht ausmalen. Etwas anderes lag ihr mehr am Herzen. „Und was hast du mit dem Haus hier vor?“

„Oh, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ihr könnt natürlich so lange drin wohnen, wie ihr wollt.“

Das war typisch für ihre Mutter. Sie war ebenso impulsiv wie großzügig. Georgia wusste das Angebot zwar zu schätzen, aber eigentlich war sie nur ihrer Mutter wegen nach Pinehurst gezogen.

Sie hütete sich jedoch, etwas zu sagen. Wie konnte sie dem Glück ihrer Mutter im Weg stehen, wenn sie so freudig und stolz klang? Welches Recht hatte sie, Kritik an Charlottes Lebensführung zu üben, nur weil ihre eigene nicht so glücklich war?

Mit Tränen in den Augen sagte sie deshalb nur: „Herzlichen Glückwunsch, Mrs. Branston.“

Das Lachen ihrer Mutter perlte an ihr Ohr. „Ich wusste, dass du mir mein Glück gönnst, Schatz.“

Das tat sie natürlich. Denn ihre Mutter hatte wirklich ein großes Herz und verdiente es, glücklich zu sein. Aber vorsichtshalber beschloss sie schon jetzt, sich Trigger Branston vorzuknöpfen, sollte der ihre Mutter nicht glücklich machen.

Andererseits musste diese Ehe ja nicht ebenso scheitern wie die vier vorhergehenden. Vielleicht war Georgia auch nur deshalb so skeptisch, weil sie niemals so leben wollte wie ihre Mutter.

Möglicherweise war sie auch nur deshalb nicht an einer romantischen Beziehung interessiert, weil sie im Moment einfach zu müde war und nur noch ins Bett wollte. Sie hoffte auf einen traumlosen Schlaf. Denn jedes Mal, wenn sie in den vergangenen Tagen die Augen geschlossen hatte, musste sie unweigerlich an den attraktiven Doktor von nebenan denken.

Matt wickelte gerade Kartoffeln in Folie, als es an der Tür klingelte. Da es erst kurz nach sechs Uhr abends und damit zu früh für Georgia war, beschloss er, das Klingeln einfach zu ignorieren. Als die Tür kurz darauf geöffnet wurde und schwere Tritte durch den Gang hallten, wusste er, dass es einer seiner Brüder war. Und schon tauchte Jack im Türrahmen auf.