Big Ideas. Das Wissenschafts-Buch - John Farndon - E-Book
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Big Ideas. Das Wissenschafts-Buch E-Book

John Farndon

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Beschreibung

Wissenschaft ist nur etwas für Wenige? Ganz sicher nicht! Die menschliche Geschichte ist eine Geschichte des Forschens. Wir haben schon immer versucht, auf alles eine Antwort zu finden. "Das Wissenschaftsbuch" liefert einen ergreifenden Überblick über die Geschichte und die Entwicklung der Naturwissenschaften. Von ihren Anfängen 600 v. Chr. über die Erweiterung unseres Horizonts von 1700 bis 1800 bis hin zu vertieften neuen Erkenntnissen der letzten 50 Jahre werden die wichtigsten Theorien der Physik, Chemie, Biologie und Geowissenschaft anschaulich vorgestellt. Dabei wird auf spannungsreiche Art und Weise auf Experimente und Beobachtungen eingegangen. Sie führten schließlich zu gewaltigen neuen Erkenntnissen! Der Autor Adam Hart-Davis studierte Chemie und arbeitet seit langem als Wissenschaftsautor und Fernsehjournalist. Er war an zahlreichen BBC-Serien zu naturwissenschaftlichen und historischen Themen beteiligt und veröffentlichte bereits über 30 Bücher. Zusammen mit weiteren Autoren aus dem wissenschaftlich lehrenden oder redaktionellen Bereich erschuf er ein durchdachtes und gut verständliches Nachschlagewerk.

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INHALT

EINLEITUNG

DER BEGINN DER WISSENSCHAFT

600 V. CHR. BIS 1400

Eine Sonnenfinsternis lässt sich vorhersagen

Thales von Milet

Nun hört von der vierfachen Wurzel von allem

Empedokles

Die erste Messung des Erdumfangs

Eratosthenes

Der Mensch ist mit den niederen Wesen verwandt

At-Tusi

Ein in einer Flüssigkeit schwimmender Körper verdrängt sein Volumen

Archimedes

Die Sonne ist wie Feuer, der Mond ist wie Wasser

Zhang Heng

Das Licht gelangt auf geradem Weg in unser Auge

Alhazen

DIE WISSENSCHAFTLICHE REVOLUTION

1400–1700

In der Mitte aber von allen steht die Sonne

Nikolaus Kopernikus

Die Bahn eines jeden Planeten ist eine Ellipse

Johannes Kepler

Fallende Körper beschleunigen gleichmäßig

Galileo Galilei

Die Erdkugel ist ein Magnet

William Gilbert

Nicht durch Reden, sondern durch Versuche

Francis Bacon

Die Luft »federt«

Robert Boyle

Ist das Licht Teilchen oder Welle?

Christiaan Huygens

Erste Beobachtung eines Venustransits

Jeremiah Horrocks

Organismen entwickeln sich Schritt für Schritt

Jan Swammerdam

Alle Lebewesen bestehen aus Zellen

Robert Hooke

Gesteinsschichten bilden sich übereinander

Nicolas Steno

Mikroskopische Beobachtungen von »Animalcules«

Antonie van Leeuwenhoek

Die Messung der Lichtgeschwindigkeit

Ole Rømer

Eine Art entspringt niemals dem Samen einer anderen

John Ray

Gravitation beeinflusst alles im Universum

Isaac Newton

DIE ERWEITERUNG DES HORIZONTS

1700–1800

Die Natur schreitet nicht in Sprüngen voran

Carl von Linné

Die Wärme, die bei der Umwandlung von Wasser in Dampf verschwindet, ist nicht verloren

Joseph Black

Brennbare Luft

Henry Cavendish

Winde, die sich dem Äquator nähern, werden immer östlicher

George Hadley

Eine starke Strömung kommt aus dem Golf von Florida

Benjamin Franklin

Dephlogisierte Luft

Joseph Priestley

In der Natur wird nichts erschaffen, nichts geht verloren, alles ändert sich

Antoine Lavoisier

Die Masse einer Pflanze kommt aus der Luft

Jan Ingenhousz

Die Entdeckung neuer Planeten

Friedrich Wilhelm Herschel

Die Minderung der Lichtgeschwindigkeit

John Michell

Das elektrische Fluidum in Bewegung setzen

Alessandro Volta

Kein Anzeichen von Anfang und Ende

James Hutton

Die Anziehungskraft der Berge

Nevil Maskelyne

Das Geheimnis der Natur im Aufbau und in der Befruchtung der Pflanzen

Christian Sprengel

Die Elemente verbinden sich immer auf dieselbe Weise

Joseph Proust

EIN JAHRHUNDERT DES FORTSCHRITTS

1800–1900

Die Experimente können bei Sonnenlicht leicht wiederholt werden

Thomas Young

Die relativen Massen der letzten Teilchen bestimmen

John Dalton

Elektrizität kann chemische Effekte erzeugen

Humphry Davy

Die ersten geologischen Karten

William Smith

Sie kann die Knochen zuordnen

Mary Anning

Die Vererbung erworbener Eigenschaften

Jean-Baptiste Lamarck

Jede chemische Verbindung hat zwei Teile

Jöns Jakob Berzelius

Der elektrische Konflikt ist nicht auf den leitenden Draht beschränkt

Hans Christian Ørsted

Eines Tages, Sir, können Sie dies besteuern

Michael Faraday

Die Wärme durchdringt jede Substanz im Universum

Joseph Fourier

Die künstliche Herstellung organischer Substanzen

Friedrich Wöhler

Der Wind bläst niemals geradeaus

Gaspard-Gustave de Coriolis

Das farbige Licht der Doppelsterne

Christian Doppler

Der Gletscher war Gottes großer Hobel

Louis Agassiz

Die Natur als ein belebtes Ganzes auffassen

Alexander von Humboldt

Licht bewegt sich in Wasser langsamer als in Luft

Léon Foucault

Lebendige Kraft kann in Wärme verwandelt werden

James Prescott Joule

Statistische Untersuchung der Molekülbewegung

Ludwig Boltzmann

Plastik wollte ich eigentlich nicht erfinden

Leo Baekeland

Dieses Prinzip nenne ich die natürliche Auslese

Charles Darwin

Das Wetter vorhersagen

Robert Fitzroy

Omne vivum ex vivo – Alles Leben entsteht aus Leben

Louis Pasteur

Eine der Schlangen erfasste ihren eigenen Schwanz

Friedrich August Kekulé

In dem entschieden ausgesprochenen Durchschnitts-Verhältnisse 3:1

Gregor Mendel

Eine evolutionäre Verbindung zwischen den Vögeln und den Dinosauriern

Thomas Henry Huxley

Eine offenbare Periodizität der Eigenschaften

Dmitri Mendelejew

Licht und Magnetismus sind Erscheinungen derselben Substanz

James Clerk Maxwell

Aus der Röhre traten Strahlen aus

Wilhelm Conrad Röntgen

Der Blick ins Innere der Erde

Richard Dixon Oldham

Strahlung ist eine atomare Eigenschaft der Elemente

Marie Curie

Eine ansteckende lebendige Flüssigkeit

Martinus Beijerinck

EIN PARADIGMENWECHSEL

1900–1945

Quanten sind diskrete Energiepakete

Max Planck

Jetzt weiß ich, wie das Atom aussieht

Ernest Rutherford

Gravitation ist eine Verzerrung im Raum-Zeit-Kontinuum

Albert Einstein

Die sich verschiebenden Kontinente sind riesige Teile eines sich stets ändernden Puzzles

Alfred Wegener

Chromosomen spielen eine Rolle in der Vererbung

Thomas Hunt Morgan

Teilchen haben wellenartige Eigenschaften

Erwin Schrödinger

Unbestimmtheit ist unvermeidlich

Werner Heisenberg

Das Universum ist groß … und wird immer größer

Edwin Hubble

Der Radius des Raums war anfangs null

Georges Lemaître

Jedes Materieteilchen hat ein Gegenstück aus Antimaterie

Paul Dirac

Es gibt eine Obergrenze, ab der ein kollabierender Stern instabil wird

Subrahmanyan Chandrasekhar

Leben ist Lernen

Konrad Lorenz

95 Prozent des Universums fehlen

Fritz Zwicky

Eine universelle Rechenmaschine

Alan Turing

Die Natur der chemischen Bindung

Linus Pauling

Eine furchtbare Kraft steckt im Atomkern

J. Robert Oppenheimer

GRUNDBAUSTEINE

1945–HEUTE

Wir bestehen aus Sternenstaub

Fred Hoyle

Springende Gene

Barbara McClintock

Die seltsame Theorie von Licht und Materie

Richard Feynman

Das Leben ist kein Wunder

Harold Urey und Stanley Miller

Wir möchten eine Struktur für das Salz der Desoxyribonukleinsäure (DNA) vorschlagen

James Watson und Francis Crick

Alles, was passieren kann, passiert auch

Hugh Everett III

Ein perfektes Tic Tac Toe

Donald Michie

Die Einheit der Fundamentalkräfte

Sheldon Glashow

Der Grund für die globale Erwärmung sind wir selbst

Charles Keeling

Der Schmetterlingseffekt

Edward Lorenz

Das Vakuum ist nicht das Nichts

Peter Higgs

Symbiose gibt es überall

Lynn Margulis

Die Dreierbande – Quarks

Murray Gell-Mann

Eine Theorie für Alles?

Gabriele Veneziano

Schwarze Löcher verdampfen

Stephen Hawking

Die Erde und alle ihre Lebensformen bilden einen einzigen lebenden Organismus namens Gaia

James Lovelock

Eine Wolke besteht aus Schwaden auf Schwaden

Benoît Mandelbrot

Ein Quantenmodell für Computer

Yuri Manin

Gene können sich von einer Art zu einer anderen bewegen

Michael Syvanen

Der Fußball hält sehr hohen Druck aus

Harold Kroto

Genübertragung auf Menschen kann Krankheiten heilen

William French Anderson

Der Entwurf neuer Lebensformen am Bildschirm

Craig Venter

Ein neues Gesetz der Natur

Ian Wilmut

Welten jenseits unseres Sonnensystems

Geoffrey Marcy

ANHANG

GLOSSAR

DANK

EINLEITUNG

Wissenschaft ist die permanente Suche nach Wahrheit – ein ständiger Versuch zu enthüllen, wie das Universum funktioniert, der bis in die ältesten Kulturen zurückreicht. Getrieben durch Neugier, baut sie auf logisches Denken, Beobachtung und Experimente. Der griechische Philosoph Aristoteles etwa schuf in seinen wissenschaftlichen Schriften die Grundlagen für viele der nachfolgenden Werke. Er war ein guter Naturbeobachter, aber da er rein auf Logik und Erörterungen vertraute und keinerlei Experimente durchführte, verstand er vieles falsch. So behauptete er, dass große Körper schneller fielen als kleine und doppelt so schwere Körper auch doppelt so schnell. Diese Vorstellung ist zwar falsch, doch sie wurde erst 1590 von dem italienischen Astronomen Galileo Galilei widerlegt. Heute mag es selbstverständlich sein, dass gute Wissenschaftler sich auf empirische Befunde stützen, doch das galt nicht immer.

Die wissenschaftliche Methode

Ein logisches System für das wissenschaftliche Vorgehen wurde erstmals im frühen 17. Jahrhundert von dem englischen Philosophen Francis Bacon vorgeschlagen. Er baute auf dem 600 Jahre alten Werk des arabischen Gelehrten Alhazen auf und wurde schon bald von dem französischen Philosophen René Descartes bestärkt. In dem System müssen Forscher Beobachtungen machen, eine Theorie zu ihrer Erklärung entwickeln und dann die Theorie mit Experimenten prüfen. Anschließend wird die Theorie Kollegen vorgelegt, die entweder Lücken in den Überlegungen finden und sie so widerlegen oder die Experimente wiederholen und die Ergebnisse bestätigen können.

Das Aufstellen einer überprüfbaren Hypothese oder Vorhersage ist immer von Nutzen. Der englische Astronom Edmond Halley beobachtete 1682 einen Kometen.

»Alle Wahrheiten sind leicht zu verstehen, wenn sie entdeckt sind. Es kommt darauf an, sie zu entdecken.«

Galileo Galilei

Da ihm die Ähnlichkeit zu bereits 1531 und 1607 gesichteten Kometen auffiel, behauptete er, es handele sich bei allen um denselben Kometen, der auf einer Bahn um die Sonne kreise. Er berechnete, dass der Komet 1758 wiederkehren würde – und er hatte recht, wenn auch nur knapp: Der Komet wurde am 25. Dezember gesichtet. Heute heißt er Halley’scher Komet. Da Astronomen kaum Versuche durchführen können, müssen sie Belege aus Beobachtungen herleiten.

Manchmal eröffnen Versuche auch völlig neue Blickwinkel: Als der Physiker Ernest Rutherford seinen Studenten zusah, die Alphateilchen auf eine Goldfolie schossen und dabei nur kleine Streuwinkel untersuchten, schlug er ihnen vor, den Detektor auch neben der Teilchenquelle aufzustellen. Zu ihrer aller Überraschung prallten einige Teilchen von der papierdünnen Folie zurück – so, als würden Granaten von Seidenpapier reflektiert. Das führte ihn zu einer neuen Idee über den Aufbau der Atome.

Ein Versuch ist umso überzeugender, je besser der Forscher mit seiner neuen Theorie das Ergebnis vorhersagen kann. Wenn die Vorhersage tatsächlich eintritt, ist die Theorie gestützt. Dennoch kann die Wissenschaft nicht beweisen, dass eine Theorie korrekt ist. Der Wissenschaftsphilosoph Karl Popper zeigte im 20. Jahrhundert, dass Theorien nur widerlegt werden können. Jeder Versuch, der zum erwarteten Ergebnis führt, stützt eine Theorie, doch nur ein gescheitertes Experiment kann sie zum Einsturz bringen.

Über die Jahrhunderte wurden alte Vorstellungen wie das geozentrische Universum, die vier Temperamente, das Feuerelement Phlogiston und das rätselhafte Medium Äther widerlegt und durch neue ersetzt. Doch auch sie sind wiederum nur Theorien, wenn auch ihre Widerlegung angesichts der Belege in vielen Fällen unwahrscheinlich ist.

Entwicklung der Ideen

Die Wissenschaft schreitet selten in einfachen, logischen Schritten voran. Zwar können Entdeckungen unabhängig voneinander gemacht werden, aber fast immer baut ein Fortschritt auf vorigen Arbeiten und Theorien auf. Ein Grund für den Bau des riesigen Teilchenbeschleunigers LHC ab 1998 war die Suche nach dem 1964 vorhergesagten Higgs-Teilchen. Die Vorhersage stützte sich auf theoretische Vorarbeiten über den Aufbau des Atoms, die bis Rutherford und den dänischen Forscher Niels Bohr in den 1920er-Jahren zurückreichten und ihrerseits die Entdeckung des Elektrons 1897 voraussetzten. Diese wiederum hing von der Entdeckung der Kathodenstrahlen 1869 ab, welche ohne die Vakuumpumpe und die Erfindung der Batterie 1799 nie möglich gewesen wäre – und so spannt sich der Bogen über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Der große englische Physiker Isaac Newton sagte: »Wenn ich weiter geblickt habe, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stehe.« Damit meinte er vor allem Galilei, aber vielleicht hat er auch ein Exemplar der Optik von Alhazen gesehen.

Die ersten Wissenschaftler

Die ersten Philosophen mit wissenschaftlichem Anspruch lebten im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland. Thales von Milet sagte im Jahr 585 v. Chr. eine Sonnenfinsternis voraus. Pythagoras gründete 50 Jahre später im heutigen Süditalien eine mathematische Schule und Xenophanes fand Muscheln auf einem Berg und schloss daraus, die ganze Erde müsse einst von Meer bedeckt gewesen sein.

In Sizilien behauptete Empedokles im 4. Jahrhundert v. Chr., Erde, Luft, Feuer und Wasser seien die »vierfache Wurzel von allem«. Einer Legende nach bestieg er mit seinen Anhängern den Ätna und stürzte sich hinein, um seine Unsterblichkeit zu zeigen – und tatsächlich erinnern wir uns noch heute an ihn.

Sterngucker

Zur gleichen Zeit versuchten Menschen in Indien, China und rund um das Mittelmeer, die Bewegung der Himmelskörper zu verstehen. Sie fertigten Sternkarten – auch zur Navigation – und benannten Sterne und Sterngruppen. Einige »Wandelsterne«, die vor dem Hintergrund der »Fixsterne« unregelmäßige Bahnen zogen, nannten sie »Planeten«. Die Chinesen entdeckten um 240 v. Chr. den Halley’schen Kometen und beobachteten 1054 eine Supernova, die heute Krebsnebel genannt wird. »

»Um die Wahrheit zu finden, muss einmal im Leben an allem, soweit es möglich ist, gezweifelt werden.«

René Descartes

Haus der Weisheit

Im späten 8. Jahrhundert gründete das Abbasiden-Kalifat in der neuen Hauptstadt Bagdad das »Haus der Weisheit« mit einer Riesenbibliothek. Das setzte schnelle Fortschritte der islamischen Wissenschaft und Technik in Gang. Viele sinnreiche mechanische Geräte wurden dort erfunden, etwa das Astrolabium, ein Hilfsmittel zur Navigation mithilfe der Sterne. Die Alchemie florierte, Techniken wie die Destillation tauchten auf. Die Gelehrten sammelten in der Bibliothek die wichtigsten Bücher aus Griechenland und Indien und übersetzten sie ins Arabische. Auf diese Weise wurden sie bewahrt und später im Westen wiederentdeckt. Die »arabischen« Zahlen, inklusive der Null, stammen also aus Indien.

Die moderne Wissenschaft

Als das Monopol der Kirche über die wissenschaftliche Wahrheit in der westlichen Welt langsam zu schwinden begann, erschienen 1543 zwei bahnbrechende Bücher. Der flämische Anatom Andreas Vesalius beschrieb in De Humani Corporis Fabrica mit ausgezeichneten Illustrationen seine Sektionen menschlicher Körper. In De Revolutionibus Orbium Coelestium behauptete der polnische Domherr Nikolaus Kopernikus, dass die Sonne den Mittelpunkt des Universums bilde. Damit überwand er das geozentrische Weltmodell, das Ptolemäus von Alexandria ein Jahrtausend zuvor entwickelt hatte.

Im Jahr 1600 erklärte der englische Arzt William Gilbert in De Magnete, dass die Kompassnadel nach Norden zeigt, weil die Erde selbst ein Magnet ist. Er behauptete sogar, dass der Erdkern aus Eisen bestehe. 1623 beschrieb William Harvey, ein weiterer englischer Arzt, das Herz als Pumpe, die das Blut durch den Körper treibt. Damit verwarf er die 1400 Jahre alte Theorie des spätantiken Arztes Galen. In den 1660er-Jahren schrieb der irische Chemiker Robert Boyle mehrere Bücher, darunter The Sceptical Chymist, worin er den Begriff des chemischen Elements definierte. Dies markiert die Geburt der Chemie als Wissenschaft, in Abgrenzung zur mystischen Alchemie, von der sie abstammt.

Robert Hooke, zeitweise Boyles Assistent, schrieb 1665 mit Micrographia den ersten wissenschaftlichen Bestseller. Seine Falttafeln mit herrlichen Bildern, etwa von einem Floh oder einem Fliegenauge, eröffneten eine mikroskopische Welt, die niemand je zuvor gesehen hatte. 1687 folgte Isaac Newtons Werk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica, kurz Principia, das als das wichtigste Wissenschaftsbuch aller Zeiten gilt. Seine Bewegungsgesetze und das universelle Gravitationsgesetz bilden die Grundlage der klassischen Physik.

Elemente, Atome, Evolution

Im 18. Jahrhundert erkannte der französische Chemiker Antoine Lavoisier die Rolle von Sauerstoff bei der Verbrennung und widerlegte die Phlogistontheorie. Bald wurden etliche neue Gase und ihre Eigenschaften untersucht. Das Nachdenken über Gase in der Atmosphäre führte den britischen Forscher John Dalton zu der Behauptung, jedes Element bestehe aus einzigartigen Atomen, und er entwickelte die Idee des Atomgewichts. Dann schuf der deutsche Chemiker Friedrich August Kekulé die Grundlagen der Molekülstruktur und der russische Chemiker Dmitri Mendelejew stellte das erste Periodensystem der Elemente vor.

»Mir selbst komme ich nur wie ein Junge vor, der am Strand spielt und sich damit vergnügt, ein noch glatteres Kieselsteinchen … zu finden, während das große Meer der Wahrheit gänzlich unerforscht vor mir liegt.«

Isaac Newton

Die elektrische Batterie, erfunden 1799 von Alessandro Volta, eröffnete neue Forschungsfelder. Der Däne Hans Christian Ørsted und der Brite Michael Faraday entdeckten den Elektromagnetismus, die Grundlage für den Elektromotor. Mittlerweile wurden die Ideen der klassischen Physik auf die Atmosphäre, die Sterne, die Lichtgeschwindigkeit und die Wärme angewandt und die Disziplin der Thermodynamik entwickelte sich.

Die Geologen rekonstruierten anhand von Gesteinsschichten die Erdgeschichte, und als Reste ausgestorbener Tiere gefunden wurden, kam die Paläontologie in Mode. Eine berühmte Fossilienjägerin war die Autodidaktin Mary Anning. Mit den Dinosauriern entwickelten sich auch die Idee einer Evolution – am bekanntesten die Theorie von Charles Darwin – und neue Theorien über den Ursprung des Lebens und die Ökologie.

Unbestimmt und unendlich

Anfang des 20. Jh. entwickelte der junge Albert Einstein seine Relativitätstheorie, die die klassische Physik erschütterte und die Idee der Absolutheit von Zeit und Raum verwarf. Neue Atommodelle entstanden. Versuche zeigten, dass Licht sich mal als Welle und mal als Teilchen verhielt. Und Werner Heisenberg zeigte, dass es bei Messungen prinzipielle Unbestimmtheiten gibt.

Beeindruckend war an diesem Jahrhundert aber vor allem, wie die Wissenschaften dank technischer Fortschritte schneller denn je voranschreiten und immer präzisere Theorien aufstellen konnten. Immer größere Teilchenbeschleuniger enthüllten neue Grundbausteine der Materie. Immer stärkere Teleskope zeigten, dass das Universum sich ausdehnt und wohl aus einem »Urknall« entstanden ist. Die Idee von Schwarzen Löchern etablierte sich. Dunkle Materie und dunkle Energie, was immer das auch sei, erfüllen wohl das Universum, und die Astronomen entdeckten neue Welten – Planeten ferner Sterne, die zum Teil möglicherweise Leben tragen. Alan Turing entwickelte das Konzept einer universellen Rechenmaschine und heute sind PCs, das Internet und Smartphones weltweit verbreitet.

»Realität ist eine Illusion, allerdings eine sehr hartnäckige.«

Albert Einstein

Geheimnisse des Lebens

In der Biologie erwiesen sich die Chromosomen als Grundlage der Vererbung, und die chemische Struktur der DNA wurde entschlüsselt. Kaum 40 Jahre später begann das Humangenomprojekt, das anfangs fast unlösbar erschien, dann aber durch Fortschritte der Computertechnik immer rascher vorankam. DNA-Sequenzierung ist heute fast Laborroutine, Gentherapie ist keine vage Hoffnung mehr, und die ersten Säugetiere sind geklont.

Heutige Forscher entwickeln die Theorien und Erkenntnisse in beharrlicher Suche nach der Wahrheit weiter. Es wird wohl immer mehr Fragen als Antworten geben, doch neue Entdeckungen werden gewiss auch künftig erstaunen.

DER BEGINN DER WISSENSCHAFT

600 V. CHR. BIS 1400

585 V. CHR.

Thales von Milet sagt eine Sonnenfinsternis voraus und beendet damit die Schlacht am Halys.

UM 500 V. CHR.

Xenophanes findet Muscheln im Gebirge und behauptet, die ganze Erde sei einst von Wasser bedeckt gewesen.

UM 325 V. CHR.

Aristoteles schreibt eine Reihe von Büchern über Physik, Biologie und Zoologie.

UM 250 V. CHR.

Aristarch von Samos behauptet, nicht die Erde, sondern die Sonne bilde den Mittelpunkt des Universums.

UM 530 V. CHR.

Pythagoras gründet in Kroton (Süditalien) eine mathematische Schule.

UM 450 V. CHR.

Nach Empedokles bestehen alle Dinge aus einer Kombination von Erde, Luft, Feuer und Wasser.

UM 300 V. CHR.

Theophrast von Eresos schreibt Bücher wie die Naturgeschichte der Gewächse und begründet damit die Botanik.

UM 240 V. CHR.

Archimedes ermittelt, dass eine Krone nicht aus purem Gold besteht, indem er ihren Auftrieb misst.

UM 240 V. CHR.

Archimedes’ Freund Erathostenes berechnet den Umfang der Erde aus der Länge eines Schattens zur Mittagszeit.

UM 130 V. CHR.

Hipparch entdeckt die Präzession der Erdbahn und stellt den ersten Sternenkatalog des Abendlandes zusammen.

UM 150 V. CHR.

Der Almagest von Claudius Ptolemäus wird trotz vieler Fehler das maßgebliche Lehrbuch zur Astronomie im Westen.

964

Der persische Astronom Abd ar-Rahman as-Sufi überarbeitet den Almagest und gibt vielen Sternen die heute noch gebräuchlichen arabischen Namen.

UM 230 V. CHR.

Ktesibios baut Wasseruhren, sogenannte Klepsydren, die jahrhundertelang die genausten Zeitmesser bleiben.

UM 120 V. CHR.

In China untersucht Zhang Heng Verfinsterungen und erstellt einen Katalog mit 2500 Sternen.

628

Der indische Mathematiker Brahmagupta stellt die ersten Regeln zum Gebrauch der Zahl Null vor.

1021

Alhazen, einer der ersten Experimentalforscher, führt seine Versuche über das Sehen und die Optik durch.

Die wissenschaftliche Erforschung der Welt hat ihre Wurzeln in Mesopotamien. Die Erfindung der Landwirtschaft und der Schrift gaben den Menschen mehr Zeit für Untersuchungen und außerdem die Möglichkeit, ihre Ergebnisse festzuhalten. Inspiriert wurde die frühe Wissenschaft durch den nächtlichen Himmel. Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. beobachteten sumerische Priester die Sterne und hielten ihre Ergebnisse auf Tontafeln fest. Ihre Methoden sind zwar nicht überliefert, doch eine Tafel von 1800 v. Chr. zeigt, dass die Eigenschaften rechtwinkliger Dreiecke bekannt waren.

Das antike Griechenland

Die alten Griechen betrachteten Wissenschaft als Teil der Philosophie. Als erste Person mit einem wissenschaftlichen Werk gilt Thales von Milet, von dem Platon berichtete, er habe so viel Zeit mit Träumerei und Sternbeobachtung verbracht, dass er einmal in einen Brunnen fiel. Wohl mithilfe von Daten der älteren Babylonier sagte Thales 585 v. Chr. eine Sonnenfinsternis voraus und zeigte so die Macht der Wissenschaft.

Das antike Griechenland war kein einheitlicher Staat, sondern ein lockerer Bund vieler Stadtstaaten. Aus Milet in der heutigen Türkei stammen mehrere berühmte Philosophen. Im griechischen Athen lehrte und wirkte Aristoteles, ein kluger Beobachter, der aber keine eigenen Experimente durchführte. Wenn er viele kluge Köpfe zusammenführte, so glaubte er, werde sich die Wahrheit zeigen. Der Ingenieur Archimedes aus Syrakus auf Sizilien untersuchte die Eigenschaften von Flüssigkeiten. Ein neues Zentrum der Gelehrsamkeit war Alexandria, gegründet 331 v. Chr. von Alexander dem Großen an der Mündung des Nils. Hier bestimmte Eratosthenes den Umfang der Erde, Ktesibios baute genaue Uhren, und Heron erfand die Dampfturbine. Zudem wurden in Alexandria Bücher gesammelt, doch diese umfangreichste Bibliothek der antiken Welt brannte ab, als Römer und Christen die Stadt eroberten.

Wissenschaft in Asien

Unabhängig blühte die Wissenschaft in China. Die Chinesen erfanden das Schießpulver – und damit Feuerwerk, Raketen und Kanonen – sowie den Blasebalg zur Metallherstellung. Hier wurden der erste Seismograf und der erste Kompass gebaut. Im Jahr 1054 beobachteten chinesische Astronomen eine Supernova, die seit 1731 als Krebsnebel bezeichnet wird.

Anspruchsvolle Geräte des ersten Jahrtausends, etwa das Spinnrad, wurden in Indien entwickelt, und chinesische Gesandte studierten die dortige Landwirtschaft. Indische Mathematiker entwickelten das Zahlensystem mit der Null und mit negativen Zahlen, das heute als »arabisches« bekannt ist, und sie definierten auch die trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus.

Die goldene Zeit des Islam

Mitte des 8. Jahrhunderts verlegten die Abbasiden die Hauptstadt ihres Kalifats von Damaskus nach Bagdad. Getreu dem Koranvers »Die Tinte eines Gelehrten ist heiliger als das Blut eines Märtyrers« gründete Kalif Al-Ma’mūn, der Sohn von Hārūn ar-Raschīd, das »Haus der Weisheit« (Bayt al-Hikma), ein Forschungszentrum mit umfangreicher Bibliothek. Die Gelehrten sammelten Bücher der alten griechischen Stadtstaaten und übersetzten sie ins Arabische. Auf diese Weise überlebten etliche antike Texte, die im Westen aber bis ins Mittelalter hinein unbekannt blieben. In der Mitte des 9. Jahrhunderts war die Bibliothek in Bagdad zu einer würdigen Nachfolgerin der Bibliothek von Alexandria geworden.

Im Haus der Weisheit arbeiteten mehrere Astronomen, darunter as-Sufi, der auf den Werken von Hipparch und Ptolemäus aufbaute. Für die arabischen Nomaden hatte die Astronomie praktischen Nutzen, da ihre Kamelkarawanen nachts durch die Wüste zogen. Alhazen aus Basra, der in Bagdad studierte, war einer der ersten Experimentalforscher. Sein Buch zum Thema Optik dürfte wichtigen Einfluss auf die Werke von Isaac Newton gehabt haben. Die arabischen Alchemisten entwickelten die Destillation und andere neue Verfahren, und sie prägten Begriffe wie Alkali, Aldehyd oder Alkohol. Der Arzt ar-Razi (Rhazes) führte die Seife ein, unterschied erstmals zwischen Pocken und Masern und schrieb in einem seiner vielen Bücher: »Aufgabe des Arztes ist es, Gutes zu tun, selbst an unseren Feinden.« al-Chwarizmi und andere Mathematiker entwickelten die Algebra sowie die Algorithmen und der Ingenieur al-Dschazari erfand die Schubkurbel, die noch heute etwa in Fahrräder eingebaut wird. Erst viele Jahrhunderte später konnten europäische Wissenschaftler zu diesen Leistungen aufschließen.

EINE SONNENFINSTERNIS LÄSST SICH VORHERSAGEH

THALES VON MILET (624–546 V. CHR.)

IM KONTEXT

GEBIET

Astronomie

FRÜHER

um 2000 v. Chr. Anlagen wie die bei Stonehenge könnten zur Berechnung von Sonnenfinsternissen gedient haben.

um 1800 v. Chr. Die ältesten Aufzeichnungen zur Bewegung der Himmelskörper entstehen in Babylon.

2. Jt. v. Chr.

Babylonische Astronomen entwickeln Methoden zur Vorhersage von Sonnenfinsternissen, nutzen dazu aber Mondbeobachtungen, keine Mathematik.

SPÄTER

um 140 v. Chr. Der griechische Astronom Hipparch sagt Sonnenfinsternisse mithilfe des Saros-Zyklus der Erd- und Mondbewegungen vorher.

Thales von Milet, einer griechischen Kolonie in Kleinasien, gilt oft als Begründer der westlichen Philosophie, er war aber auch eine Schlüsselfigur der frühen Wissenschaft. Zu Lebzeiten wurde er wegen seiner Werke zur Mathematik, Physik und Astronomie geschätzt. Von seiner berühmtesten Leistung berichtete der griechische Historiker Herodot über ein Jahrhundert später: Demnach soll Thales eine Sonnenfinsternis vorhergesagt haben, die heute auf den 28. Mai 585 v. Chr. datiert wird. Sie beendete die Schlacht am Halys in der heutigen Türkei zwischen den Lydern und den Medern.

»Da begab es sich, dass … aus Tag auf einmal Nacht ward. Und dieselbige Tagesverwandlung hatte Thales von Milet den Ionern vorher verkündiget.«

Herodot

Zweifelhafte Geschichte

Eine solche Leistung wurde mehrere Jahrhunderte nicht wiederholt und die Wissenschaftshistoriker sind sich nicht einig darüber, ob und wenn ja, wie Thales die Sonnenfinsternis tatsächlich berechnen konnte. Einige behaupteten, Herodots Bericht sei ungenau und vage, doch Thales’ Leistung war wohl weithin bekannt und wurde auch von vielen Autoren geglaubt, die Herodot sonst kritisch gegenüberstanden. Ist der Bericht wahr, hat Thales wohl einen 18-jährigen Zyklus in der Bewegung von Sonne und Mond gefunden, der heute Saros-Zyklus heißt und von späteren griechischen Astronomen zur Vorhersage von Finsternissen verwendet wurde. Unabhängig von der Methode hatte die Vorhersage jedenfalls einen dramatischen Effekt. Die Finsternis beendete nicht nur die Schlacht, sondern auch einen 15-jährigen Krieg der Meder und Lyder.

NUN HÖRT VON DER VIERFACHEN WURZEL VON ALLEM

EMPEDOKLES (490–430 V. CHR.)

IM KONTEXT

GEBIET

Chemie

FRÜHER

um 585 v. Chr. Thales zufolge besteht die ganze Welt aus Wasser.

um 535 v. Chr. Laut Anaximenes besteht alles aus Luft, woraus Wasser und dann Steine entstehen.

SPÄTER

um 400 v. Chr. Der Philosoph Demokrit behauptet, die Welt bestehe aus kleinen, unteilbaren Teilchen – den Atomen.

1661 In seinem Buch Sceptical Chymist definiert Robert Boyle die chemischen Elemente.

1808 John Daltons Atomtheorie besagt, dass jedes Element Atome von unterschiedlicher Masse hat.

1869 Dmitri Mendelejew entwickelt ein Periodensystem, in dem die Elemente nach ihren gemeinsamen Eigenschaften angeordnet sind.

Die Zusammensetzung der Dinge beschäftigte die griechische Antike. Thales von Milet, der flüssiges Wasser, festes Eis und gasförmigen Nebel kannte, glaubte, alles müsse aus Wasser bestehen. Aristoteles behauptete, »das Wesen aller Dinge ist feucht, selbst die Hitze entsteht aus der Feuchte und lebt durch sie.« Zwei Generationen nach Thales schrieb Anaximenes, die Welt bestehe aus Luft, denn die Luft kondensiere zu Nebel, dann zu Regen und schließlich zu Stein.

Der auf Sizilien geborene Arzt und Dichter Empedokles entwickelte eine komplexere Theorie: Ihm zufolge gibt es für alles in der Welt vier Wurzeln – das Wort »Elemente« benutzte er nicht –, nämlich Erde, Luft, Feuer und Wasser. Bei ihrer Vermischung entstehen Eigenschaften wie Hitze und Feuchte und daraus dann Erde, Steine, Pflanzen und Tiere. Ursprünglich bildeten seine vier Wurzeln eine perfekte Kugel, zusammengehalten durch die Liebe, doch ihr entgegen wirkt der Streit und treibt alles auseinander. Liebe und Streit, das waren für Empedokles die Kräfte, die das Universum formen. In unserer Welt herrscht der Streit vor, und daher ist das Leben so schwierig.

Empedokles betrachtete die vierfachen Wurzeln als zwei Gegensatzpaare: Feuer/Wasser und Luft/Erde. Aus ihrer Mischung entstehen alle Stoffe.

Diese Theorie beherrschte mit nur wenigen Verfeinerungen als »Lehre der vier Temperamente« das europäische Denken bis zum 17. Jahrhundert, als sich die moderne Chemie herausbildete.

DIE ERSTE MESSUNG DES ERDUMFANGS

ERATOSTHENES (276–194 V. CHR.)

IM KONTEXT

GEBIET

Geografie

FRÜHER

6. Jh. v. Chr. Der griechische Mathematiker Pythagoras sagt, die Erde sei eine Kugel, keine Scheibe.

3. Jh. v. Chr. Aristarch von Samos setzt als Erster die Sonne ins Zentrum des bekannten Universums und bestimmt mithilfe der Trigonometrie die relative Größe von Sonne und Mond sowie ihren Abstand zur Erde.

Spätes 3. Jh. v. Chr.

Erathostenes verwendet in seinen Karten Parallelen und Meridiane (entsprechend der geografischen Länge und Breite).

SPÄTER

18. Jh. Französische und spanische Forscher bestimmen den Umfang und die genaue Form der Erdkugel.

Den griechischen Astronomen und Mathematiker Eratosthenes kennt man heute vor allem, weil er als Erster die Größe der Erde bestimmte. Er gilt aber auch als Begründer der Geografie, denn er prägte nicht nur den Begriff, sondern führte auch viele der Grundprinzipien ein, mit denen Orte auf unserem Planeten vermessen werden. Eratosthenes stammt aus Kyrene (im heutigen Libyen), doch er reiste durch die damalige griechische Welt, studierte in Athen und Alexandria und wurde dort schließlich Leiter der berühmten Bibliothek.

In Alexandria erfuhr Eratosthenes, dass in der südlich gelegenen Stadt Syene (dem heutigen Assuan) die Sonne zur Sommersonnenwende (am längsten Tag des Jahres, wenn die Sonne am höchsten steigt) mittags genau senkrecht stehe. Er nahm an, die Sonne sei so weit entfernt, dass ihre Strahlen praktisch parallel auf die Erde treffen. Mit einem senkrechten Stab – einem »Gnomon« – maß er die Schattenlänge zum selben Zeitpunkt in Alexandria. Hier stand die Sonne 7,2° südlich des Zenits – 1/50 vom Umfang eines Kreises. Daher musste, so argumentierte er, die Entfernung der beiden Städte in nord-südlicher Richtung 1/50 des Erdumfangs betragen. Auf diese Weise berechnete er den Umfang unserer Erde auf 230 000 Stadien (39 690km) – und irrte sich damit um weniger als zwei Prozent.

Die Sonne steht senkrecht über Syene, doch in Alexandria wirft der Gnomon einen Schatten. Mit dem Winkel des Schattens konnte Eratosthenes den Erdumfang berechnen.

DER MENSCH IST MIT DEN NIEDEREN WESEN VERWANDT

AT-TUSI (1201–1274)

IM KONTEXT

GEBIET

Biologie

FRÜHER

um 550 v. Chr. Nach Anaximander von Milet entstand das Leben im Wasser und entwickelte sich von dort.

um 340 v. Chr. Platons Theorie der Formen besagt, dass die Arten unveränderlich sind.

um 300 v. Chr. Epikur meint, dass früher viele andere Arten lebten, dass sich aber immer nur die erfolgreichsten fortpflanzen können.

SPÄTER

1377 In Muqaddimah schreibt Ibn Khaldun, dass der Mensch vom Affen abstammt.

1809 Jean-Baptiste Lamarck entwickelt eine Theorie zur Evolution der Arten.

1858 Alfred Russel Wallace und Charles Darwin stellen ihre Theorie zur Evolution durch natürliche Auslese vor.

Der persische Gelehrte Nazir ad-Din at-Tusi aus Bagdad war Dichter, Philosoph, Mathematiker und Astronom. Als einer der Ersten beschrieb er ein System der Evolution: Das Universum habe einst aus identischen Elementen bestanden, die sich nach und nach auseinander entwickelten – einige seien zu Mineralien geworden, aus anderen, die sich schneller veränderten, seien Pflanzen und Tiere entstanden.

In seinem Buch Aklaq-i-Nasiri zu Fragen der Ethik entwickelte er eine Hierarchie des Lebens, in der Tiere höher standen als Pflanzen und der Mensch höher als die Tiere. Er betrachtete den bewussten Willen der Tiere als Schritt zum Bewusstsein des Menschen. Tiere können sich bewusst auf Futtersuche begeben und neue Dinge lernen. Dies betrachtete at-Tusi als die Fähigkeit zu denken: »Ein ausgebildetes Pferd oder ein Jagdfalke stehen im Tierreich auf einem höheren Entwicklungspunkt«, sagte er und fügte hinzu: »Hier beginnen die ersten Schritte zur Vollendung des Menschen.« At-Tusi glaubte, dass sich die Organismen mit der Zeit verändern, und sah darin eine Entwicklung zur Vollkommenheit. Den Menschen reihte er auf einem mittleren Platz ein, sah ihn jedoch in der Lage, durch seinen Willen ein höheres Niveau zu erreichen. At-Tusi behauptete, dass sich nicht nur die Lebewesen mit der Zeit verändern, sondern dass sich alles Leben aus einer Zeit entwickelt hatte, in der es kein Leben gab.

»Lebewesen, die diese neuen Merkmale schneller erringen, sind vielseitiger. Und damit haben sie einen Vorteil gegenüber anderen Geschöpfen.«

Nazir ad-Din at-Tusi

EIN IN EINER FLÜSSIGKEIT SCHWIMMENDER KÖRPER VERDRÄNGT SEIN VOLUMEN

ARCHIMEDES (287–212 V. CHR.)

IM KONTEXT

GEBIET

Physik

FRÜHER

3. Jt. v. Chr. Frühe Metallurgen entdecken, dass Legierungen (Mischungen geschmolzener Metalle) fester sein können als jedes der Ausgangsmetalle.

600 v. Chr. Griechische Münzen bestehen aus einer Gold-Silber-Legierung namens Elektrum.

SPÄTER

1687 In Principia Mathematica entwickelt Isaac Newton seine Gravitationstheorie und erklärt, dass die Schwerkraft alle Körper in Richtung Erdmittelpunkt zieht (und umgekehrt).

1738 Der Schweizer Mathematiker Daniel Bernoulli entwickelt seine kinetische Fluidtheorie. Darin erklärt er den Druck in Fluiden durch die zufällige Bewegung der Moleküle.

Der römische Autor Vitruv, der zwei Jahrhunderte nach Archimedes lebte, überliefert folgende, wohl apokryphe Geschichte: Hieron II., König von Sizilien, hatte eine neue Goldkrone bestellt. Er vermutete allerdings, dass der Goldschmied einen Teil des Goldes durch billigeres Silber ersetzt hatte, indem er Silber und Gold zusammen einschmolz, sodass die Farbe die gleiche war wie bei reinem Gold. Er bat Archimedes, seinen wichtigsten Forscher, dem Verdacht nachzugehen.

Das war auch für Archimedes ein schwieriges Problem, denn er durfte die kostbare Krone ja nicht beschädigen. In einem öffentlichen Bad in Syrakus dachte er darüber nach. Das Becken war bis zum Rand gefüllt, und als er hineinstieg, bemerkte er zweierlei: Der Wasserspiegel stieg, sodass ein wenig überlief, und er fühlte sich schwerelos. Mit dem Ruf »Heureka!« (Ich hab’s gefunden!) lief er splitternackt nach Hause.

Messung des Volumens

Archimedes’ Idee lautete: Wenn er die Krone in einen randvollen Eimer mit Wasser tauchte, dann musste sie etwas Wasser verdrängen, nämlich genau so viel wie ihr eigenes Volumen. Die übergelaufene Wassermenge – und somit das Volumen der Krone – ließ sich messen. Da Silber eine geringere Dichte hat als Gold, ist eine Silberkrone größer als eine gleich schwere Goldkrone und muss mehr Wasser verdrängen. Eine gemischte Krone verdrängt also mehr Wasser als eine reine Goldkrone und auch mehr als ein Goldbarren von gleichem Gewicht. Zwar war dieser winzige Effekt schwer zu messen, doch hatte Archimedes auch bemerkt, dass Körper in einer Flüssigkeit eine nach oben gerichtete Auftriebskraft erfahren, die der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit entspricht.

Wahrscheinlich löste Archimedes seine Aufgabe, indem er die Krone und einen gleich schweren Goldbarren so an die Balken einer Waage hängte, dass die Waage im Gleichgewicht war. Dann senkte er die Waage in eine Wasserwanne. Bestand die Krone aus purem Gold, mussten sie und der Goldbarren dieselbe Auftriebskraft erfahren und der Balken der Waage waagerecht bleiben. Enthielt die Krone aber Silber, dann hatte sie ein größeres Volumen als der Goldbarren, verdrängte mehr Wasser und erfuhr einen größeren Auftrieb, sodass der Balken sich neigen musste.

Seine Idee wurde als Archimedisches Prinzip bekannt: Ein Körper in einer Flüssigkeit erfährt einen Auftrieb, der so groß ist wie die Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit. Dieses Prinzip erklärt, warum ein Schiff aus Eisen trotzdem auf dem Wasser schwimmt. Ein Schiff, das eine Tonne wiegt, sinkt ein, bis es eine Tonne Wasser verdrängt hat, taucht dann aber nicht weiter ein. Der hohle Rumpf hat ein größeres Volumen und verdrängt mehr Wasser als ein Eisenklumpen von gleichem Gewicht, sodass er einen größeren Auftrieb erfährt.

»Ein Körper, der spezifisch schwerer ist als die Flüssigkeit, sinkt in dieser bis zum Grunde hinab und wird in der Flüssigkeit um so viel leichter, wie die von ihm verdrängte Flüssigkeitsmenge wiegt.«

Archimedes

Vitruv berichtet, dass Hierons Krone tatsächlich etwas Silber enthielt. Der betrügerische Goldschmied wurde hingerichtet.

Archimedes

Archimedes war der wohl bedeutendste Mathematiker der Antike. Er wurde um 287 v. Chr. geboren und kam bei der Einnahme seiner Heimatstadt Syrakus durch die Römer 212 v. Chr. ums Leben. Er hatte mehrere schreckliche Waffen gegen die römischen Kriegsschiffe entwickelt: ein Katapult, einen Kran, mit dem man den Bug von Schiffen aus dem Wasser heben konnte, und auch Brennspiegel, die feindliche Schiffe in Brand setzten. Während eines Aufenthalts in Ägypten erfand er wohl auch die Archimedische Schraube, die noch heute zur Bewässerung dient. Er berechnete einen Näherungswert für Pi (das Verhältnis zwischen dem Umfang und Durchmesser des Kreises) und formulierte die Hebelgesetze. Auf den Beweis, dass der kleinste Zylinder, in den eine vorgegebene Kugel passt, das eineinhalbfache Volumen der Kugel hat, war er so stolz, dass in seinen Grabstein ein Zylinder und eine Kugel graviert wurden.

Hauptwerk

um 250 v. Chr.Über schwimmende Körper

DIE SONNE IST WIE FEUER, DER MOND IST WIE WASSER

ZHANG HENG (78–139)

IM KONTEXT

GEBIET

Physik

FRÜHER

140 v. Chr. Hipparch kann Finsternisse vorhersagen.

150 n. Chr. Ptolemäus verbessert Hipparchs Sternenkatalog und erstellt praktische Tabellen zur Berechnung der Positionen der Himmelskörper.

SPÄTER

11. Jh. Shen Kuo zeigt in Pinselunterhaltungen am Traumbach anhand der Zu- und Abnahme des Mondes, dass alle Himmelskörper (aber nicht die Erde) kugelig sein müssen.

1543 In De Revolutionibus Orbium Coelestium (Über die Kreisbewegungen der Weltkörper) beschreibt Nikolaus Kopernikus ein heliozentrisches Weltsystem.

1609 Johannes Kepler erkennt die Planetenbahnen als Ellipsen und formuliert die Kepler’schen Gesetze.

Um 140 v. Chr. stellte der griechische Astronom Hipparch – wohl der beste Astronom der Antike – einen Katalog mit rund 850 Sternen zusammen. Er versuchte auch, die Bewegungen von Sonne und Mond sowie die Finsternisse vorherzusagen. In seinem Buch Almagest führte Ptolemäus von Alexandria um 150 n. Chr. schon 1000 Sterne und 48 Sternbilder auf. Der größte Teil seines Werks war eine überarbeitete Version von Hipparchs Katalog, allerdings in einer praktischeren Form. Im Westen blieb der Almagest bis ins Mittelalter das maßgebliche Astronomiebuch. Seine Tafeln boten alle Informationen, um die künftigen Positionen von Sonne und Mond, den Planeten und den großen Sternen sowie die Sonnen- und Mondfinsternisse zu berechnen.

120 n. Chr. schrieb der chinesische Gelehrte Zhang Heng in seinem Ling Xian (Die spirituelle Verfassung des Universums): »Der Himmel ist wie ein Hühnerei, und er ist rund wie das Geschoss einer Armbrust. Die Erde liegt wie der Eidotter allein in der Mitte. Der Himmel ist groß und die Erde klein.« Zhang beschrieb also wie Hipparch und Ptolemäus ein Universum mit der Erde als Mittelpunkt. Er katalogisierte 2500 helle Sterne und 124 Sternbilder und fügte hinzu, »von den sehr kleinen Sternen gibt es 11520«.

»Der Mond und die Planeten sind Yin; sie haben Gestalt, aber kein Licht.«

Jing Fang

Finsternisse des Mondes und der Planeten

Fasziniert war Zhang von den Finsternissen. Er schrieb: »Die Sonne ist wie Feuer und der Mond wie Wasser. Das Feuer strahlt Licht ab, das Wasser reflektiert es. Das Leuchten des Mondes kommt also vom Strahlen der Sonne, und der Mond wird dunkel, wenn das Sonnenlicht verdeckt ist. Die zur Sonne gewandte Seite ist beleuchtet, die ihr abgewandte Seite ist dunkel.« Zhang beschrieb auch eine Mondfinsternis, bei der das Sonnenlicht den Mond nicht erreichen kann, weil die Erde im Weg ist. Er erkannte, dass auch die Planeten »wie Wasser« seien, also das Licht reflektieren und verfinstert werden können: »Wenn [etwas Ähnliches] bei einem Planeten auftritt, sprechen wir von einer Bedeckung. Wenn der Mond die Bahn der Sonne kreuzt, gibt es eine Sonnenfinsternis.«

Im 11. Jh. erweiterte der Astronom Shen Kuo die Arbeiten von Zhang um einen wichtigen Aspekt. Seiner Ansicht nach bewiesen die Zunahme und Abnahme des Mondes, dass die Himmelskörper kugelförmig seien.

Die Sichel der Venus wird gleich durch den Mond verdunkelt. Zhangs Beobachtungen führten ihn zu dem Schluss, dass die Planeten und der Mond kein eigenes Licht erzeugen.

Zhang Heng

Zhang Heng wurde 78 n. Chr., zur Zeit der Han-Dynastie, in Xi’e (in der heutigen Provinz Henan in der östlichen Mitte Chinas) geboren. Mit 17 Jahren begann er, Literatur zu studieren, um Dichter zu werden. Mit Ende 20 beherrschte er die Mathematik und wurde 115 von Kaiser Anti zum Hofastrologen ernannt.

Zhang lebte in einer Zeit des raschen wissenschaftlichen Fortschritts. Neben seinem astronomischen Werk entwickelte er eine wassergetriebene Armillarsphäre (eine Art Planetarium) und den ersten, zunächst verlachten Seismografen, der 138 n. Chr. ein 400km entferntes Erdbeben nachwies. Er baute das erste Hodometer zur Messung der Wegstrecke eines Fahrzeugs und einen nichtmagnetischen Kompasswagen, der immer nach Süden zeigte. Außerdem war er ein geschätzter Dichter, dessen Werk uns lebendige Einsichten in die damalige Kultur gibt.

Hauptwerke

um 120 n. Chr.Die spirituelle Verfassung des Universums (Ling Xian)

um 120 n. Chr.Die Karte des Ling Xian

DAS LICHT GELANGT AUF GERADEM WEG IN UNSER AUGE

ALHAZEN (UM 965–1040)

IM KONTEXT

GEBIET

Physik

FRÜHER

350 v. Chr. Aristoteles sagt, das Sehen entstehe durch eine physikalische Wirkung, die in das Auge eindringt.

300 v. Chr. Nach Euklid sendet das Auge »Sehstrahlen« aus, die ins Auge zurückgelangen.

um 984 Abu Sad al-Ala ibn Sahl leitet erstmals das Brechungsgesetz korrekt her.

SPÄTER

1240 Der englische Bischof Robert Grosseteste verwendet Geometrie in seinen optischen Versuchen und beschreibt korrekt die Farben.

1604 Johannes Kepler leitet aus Alhazens Werk eine Theorie der Netzhautabbildung her.

um 1620 Alhazens Ideen wirken auf Francis Bacon und seine Auffassung der experimentell gestützten Forschung.

Der arabische Astronom und Mathematiker Alhazen, der im Goldenen Zeitalter der islamischen Kultur in Bagdad (im heutigen Irak) wirkte, dürfte der erste Experimentalforscher der Welt gewesen sein. Als die früheren Griechen und Perser die Welt erklärten, hatten sie ihre Erkenntnisse durch abstrakt-logische Schlüsse hergeleitet, nicht durch physikalische Versuche. Alhazen hingegen, geprägt durch die islamische Forschungskultur, wandte als Erster das an, was wir heute die wissenschaftliche Methode nennen: Er stellte Hypothesen auf und prüfte sie systematisch durch Versuche. Er schrieb: »Der Wahrheitssuchende ist nicht, wer die Schriften der Alten studiert und … sie glaubt, sondern wer sein Vertrauen in die Alten anzweifelt, infrage stellt, was von ihnen kommt, und sich auf Argumentation und Demonstration verlässt.«

Das Sehen verstehen

Alhazen gilt heute als Begründer der wissenschaftlichen Optik. Seine wichtigsten Werke waren Untersuchungen zum Aufbau des Auges und des Sehvorgangs. Die griechischen Gelehrten Euklid und später Ptolemäus glaubten, das Sehen hinge mit »Sehstrahlen« zusammen, die vom Auge ausgehen und von dem betrachteten Objekt reflektiert werden. Alhazen zeigte durch Beobachtung der Schatten und der Reflexion, dass das Licht von Körpern reflektiert wird und sich geradlinig ins Auge ausbreitet. Bis das Licht die Netzhaut erreicht, ist das Sehen also ein passiver Vorgang, kein aktiver. Er schrieb: »Von jedem Punkt eines farbigen Körpers, auf den Licht trifft, gehen Licht und Farbe entlang jeder geraden Linie aus, die man von diesem Punkt ziehen kann.« Um etwas zu sehen, müssen wir nur die Augen öffnen und das Licht hineinlassen. Dazu braucht man keine »Sehstrahlen«.

Alhazen beschrieb erstmals die Camera obscura, mit der man eine auf dem Kopf stehende Projektion auf einer Mattscheibe erzeugen kann.

»Wer die Schriften der Forscher studiert und die Wahrheit erfahren will, muss sich zum Feind all dessen machen, was er liest.«

Alhazen

Alhazen fand durch Untersuchungen von Rinderaugen auch heraus, dass das Licht durch ein kleines Loch (die Pupille) ins Auge gelangt und durch die Linse auf eine empfindliche Fläche im Augenhintergrund (die Netzhaut) fokussiert wird. Doch obwohl er das Auge als Linse erkannte, konnte er nicht erklären, wie das Auge oder das Gehirn die Bilder formt.

Versuche mit Licht

In seinem monumentalen, siebenbändigen Schatz der Optik legte Alhazen eine Theorie des Lichts und des Sehens dar. Bis zum Erscheinen von Newtons Opticks fast 700 Jahre später blieb dieses Buch maßgeblich für das Thema. Es untersucht die Beeinflussung des Lichts durch Linsen und beschreibt die Richtungsänderung (Brechung) von Licht – 600 Jahre vor dem Brechungsgesetz des Niederländers Willebrord van Roijen Snell. Alhazen untersuchte auch die Lichtbrechung an der Atmosphäre und beschreibt Schatten, Regenbogen und Verfinsterungen. Sein Buch übte starken Einfluss auf die späteren westlichen Wissenschaftler aus, darunter Francis Bacon, der Alhazens wissenschaftliche Methode während der Renaissance in Europa etablierte.

Alhazen

Abu Ali al-Hassan ibn al-Haitham (im Westen als Alhazen bekannt) wurde in Basra im heutigen Irak geboren und studierte in Bagdad. Als junger Mann erhielt er einen Verwaltungsposten in Basra, langweilte sich dort aber. Als er von den jährlichen Überschwemmungen des Nils hörte, soll er dem Kalifen al-Hakim in Kairo den Vorschlag gemacht haben, einen Damm zu bauen. In Kairo empfangen, erkannte er aber, dass es mit den damaligen Mitteln unmöglich war, den in Assuan rund 1,5 km breiten Nil zu regulieren. Um dem Zorn des Kalifen zu entkommen, täuschte er eine Geisteskrankheit vor und blieb zwölf Jahre im »Haus der Weisheit« in Kairo, wo er fast alle seine wissenschaftlichen Werke schrieb. Nach al-Hakims Tod 1021 soll er auf wundersame Weise genesen sein …

Hauptwerke

1011–1021Schatz der Optik

um 1030Über den Aufbau der Welt und Über die Milchstraße

DIE WISSENSCHAFTLICHE REVOLUTION

1400–1700

1543

In dem Werk De Revolutionibus Orbium Coelestium beschreibt Nikolaus Kopernikus ein heliozentrisches Universum.

1609

Johannes Kepler behauptet, der Mars beschreibe eine elliptische Bahn.

UM 1620

Francis Bacon skizziert in Novum Organum Scientarum und The New Atlantis die wissenschaftliche Methode.

1643

Der Italiener Evangelista Torricelli erfindet das Barometer.

1600

Der Astronom William Gilbert schreibt De Magnete über den Magnetismus. Darin behauptet er, die Erde selbst sei ein Magnet.

1610

Galileo Galilei entdeckt mit seinem Fernrohr vier Jupitermonde und macht Versuche mit Kugeln, die Rampen hinabrollen.

1639

Der Astronom Jeremiah Horrocks beobachtet einen Venustransit.

UM 1660

Robert Boyle schreibt sein Buch New Experiments Physico-Mechanical, in dem er den Luftdruck untersucht.

1665

In Micrographia stellt Robert Hooke der Welt die Anatomie der Flöhe und Bienen sowie die Struktur von Kork vor.

1669

In seiner Historia Insectorum Generalis beschreibt Jan Swammerdam, wie Insekten in Entwicklungsstadien reifen.

1676

Anhand der Jupitermonde zeigt Ole Rømer, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich ist.

1686

John Ray schreibt Historia Plantarum, eine Enzyklopädie des Pflanzenreichs.

1669

Nicolas Steno schreibt über Einschlüsse (Fossilien und Kristalle) innerhalb von Gesteinen.

AB 1670

Antoni van Leeuwenhoek beobachtet mit einfachen Mikroskopen einzellige Organismen, Spermien und sogar Bakterien.

1678

Christiaan Huygens stellt seine Wellentheorie des Lichts vor, die im Widerspruch zur späteren Korpuskulartheorie von Isaac Newton steht.

1687

In Philosophiae Naturalis Principia Mathematica leitet Isaac Newton die Bewegungsgesetze her.

Das Goldene Zeitalter des Islams, eine Blüte der Wissenschaften und Künste, begann Mitte des 8. Jahrhunderts in Bagdad, der Hauptstadt der Abbassiden, und dauerte etwa 500 Jahre. Es legte den Grundstein für die versuchsorientierte, moderne wissenschaftliche Methode. In Europa sollte es dagegen noch einige hundert Jahre dauern, bis das wissenschaftliche Denken die Fesseln der religiösen Dogmatik sprengen konnte.

Gefährliche Gedanken

Jahrhundertelang basierte das Weltbild der katholischen Kirche auf der Vorstellung des Aristoteles, nach der sich alle Himmelskörper um die Erde drehten. 1532 endlich, nach Jahren der Arbeit mit komplizierter Mathematik, vollendete der polnische Arzt und Domherr Nikolaus Kopernikus sein Weltmodell mit der Sonne als Mittelpunkt der Welt. Um den Vorwurf der Ketzerei zu entkräften, behauptete er, es sei nur ein mathematisches Modell, und er veröffentlichte sein Buch erst auf dem Totenbett. Doch das kopernikanische Modell gewann schnell viele Anhänger. Der deutsche Astronom Johannes Kepler verfeinerte die Theorie anhand der Beobachtungen seines dänischen Mentors Tycho Brahe. Nach seinen Rechnungen sollten die Bahnen der Planeten elliptisch sein. Nach der Erfindung des Fernrohrs entdeckte der italienische Gelehrte Galileo Galilei 1610 vier Jupitermonde. Die Erklärungsmacht des neuen Weltmodells war nicht zu leugnen.

Galilei zeigte auch die Beweiskraft von Experimenten, als er fallende Körper untersuchte. Als Zeitmaß verwendete er ein Pendel. Das wiederum nahm der Niederländer Christaan Huygens 1657 als Grundlage für den Bau der ersten Pendeluhr. Der englische Philosoph Francis Bacon schrieb zwei Bücher über die wissenschaftliche Methode und schuf damit die theoretische Grundlage für die moderne Wissenschaft, basierend auf Experiment, Beobachtung und Messung.

Weitere Entdeckungen kamen in rascher Folge. Der irische Physiker Robert Boyle untersuchte mithilfe einer Luftpumpe die Eigenschaften der Luft. Huygens und Isaac Newton entwickelten einander widersprechende Theorien zur Lichtausbreitung und begründeten so die wissenschaftliche Optik. Der dänische Astronom Ole Rømer fand kleine Unregelmäßigkeiten beim Umlauf der Jupitermonde und schätzte damit die Lichtgeschwindigkeit ab. Sein Landsmann, Bischof Nicolas Steno, zweifelte an einem Großteil der antiken Schriften und entwickelte eigene Gedanken zu Astronomie und Geologie. Seine Prinzipien der Stratigrafie (Untersuchung der Gesteinsschichten) sind noch heute wissenschaftliche Basis der Geologie.

Mikrowelten

Technische Fortschritte im 17. Jahrhundert führten zu Entdeckungen im kleinsten Maßstab. Anfang des Jahrhunderts entwickelten niederländische Brillenmacher die ersten Mikroskope. Etwas später baute Robert Hooke ein Mikroskop und fertigte Zeichnungen seiner Entdeckungen, etwa von kleinen Käfern oder Flöhen. Der niederländische Tuchhändler Antoni van Leeuwenhoek baute – vielleicht angeregt von Hookes Zeichnungen – selbst Hunderte von Mikroskopen und fand winzige Lebewesen an Orten, an denen noch nie jemand danach gesucht hatte, etwa in einem Tropfen Wasser. Er hatte einzellige Lebewesen wie Protisten und Bakterien entdeckt, die er »Animalcules« nannte. Als er der britischen Royal Society davon berichtete, schickte diese drei Geistliche, die seine Entdeckungen bezeugen sollten. Der niederländische Mikroskopiker Jan Swammerdam zeigte, dass Ei, Larve, Puppe und Imago die Lebensstadien eines Insekts und nicht unterschiedliche, von Gott geschaffene Tiere sind. Damit waren alte, noch auf Aristoteles zurückgehende Vorstellungen vom Tisch. Der englische Biologe John Ray stellte inzwischen eine gewaltige Enzyklopädie der Pflanzen zusammen – der erste Versuch einer systematischen Klassifikation.

Mathematische Analysis

Diese Entdeckungen kündigten schon die Aufklärung an und schufen die Grundlagen für Disziplinen wie Astronomie, Chemie, Geologie, Physik und Biologie. Der wissenschaftliche Höhepunkt des Jahrhunderts war Newtons monumentales Buch Philosophiæ Naturalis Principia Mathematica, in dem er die Bewegungsgesetze und die Gravitation herleitete. Mehr als zwei Jahrhunderte lang blieb die Newton’sche Physik die beste Beschreibung der Welt und bildete zusammen mit der mathematischen Analysis – unabhängig entwickelt von Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz – ein mächtiges Werkzeug für weitere wissenschaftliche Forschungen.

IN DER MITTE ABER VON ALLEN STEHT DIE SONNE

NIKOLAUS KOPERNIKUS (1473–1543)

IM KONTEXT

GEBIET

Astronomie

FRÜHER

3. Jh. v. Chr. In seinem Buch Der Sandrechner berichtet Archimedes von Ideen des Aristarch von Samos, wonach das Universum viel größer sei als geglaubt und die Sonne in ihrem Zentrum liege.

150 n. Chr. Claudius Ptolemäus von Alexandria beschreibt mathematisch ein geozentrisches Modell des Weltalls.

SPÄTER

1609 Johannes Kepler löst die Widersprüche des heliozentrischen Modells des Sonnensystems, indem er elliptische Bahnen fordert.

1610 Nachdem Galileo Galilei die Jupitermonde beobachtete, ist er überzeugt, dass Kopernikus recht hatte.

Seit der frühen Geschichte war das Denken der westlichen Welt durch die Vorstellung geprägt, die Erde sei der Mittelpunkt der Welt. Dieses »geozentrische Denken« erwuchs aus alltäglichen Beobachtungen und dem gesunden Menschenverstand: Wir fühlen keine Bewegung des Bodens, und auch die Beobachtung der Himmelskörper liefert keine Hinweise darauf, dass die Erde sich bewegt. Was sonst sollte also die Erklärung sein, als dass die Sonne, der Mond, die Planeten und Sterne sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit um die Erde drehen? Dieses System scheint in der Antike weithin akzeptiert gewesen zu sein und es wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. in der klassischen Philosophie durch die Werke von Platon und Aristoteles vertieft.

Doch als die alten Griechen die Bewegungen der Planeten zu vermessen begannen, zeigten sich die Probleme des geozentrischen Modells. Die Wege der bekannten Planeten – fünf »Wandelsterne« am Himmel – folgten sehr komplizierten Bahnen. Merkur und Venus waren immer am Morgen- und Abendhimmel zu sehen. Mars, Jupiter und Saturn hingegen benötigten 780 Tage sowie zwölf beziehungsweise 30 Jahre für eine Umkreisung des Fixsternhimmels, und ihre Bahn wurde durch »Rückwärtsschleifen« verkompliziert, in denen sie sich langsamer und entgegen der üblichen Richtung bewegten.

»Wenn der allmächtige Gott mich gefragt hätte, bevor er sich an seine Schöpfung machte, ich hätte ihm etwas Einfacheres empfohlen.«

Alfons X.König von Kastilien

Das ptolemäische System

Um diese Komplikationen zu erklären, entwickelten griechische Astronomen die Idee der Epizyklen – kleine »Unterbahnen«, auf denen die Planeten kreisten und deren Mittelpunkte sich ihrerseits um die Sonne bewegten. Im 2. Jahrhundert wurde dieses System von dem griechisch-römischen Astronomen und Geografen Ptolemäus verfeinert.

Doch schon in der antiken Welt gab es andere Ansichten – Aristarch von Samos beispielsweise berechnete im 3. Jahrhundert v. Chr. anhand ausgefeilter trigonometrischer Messungen die Relativabstände von Sonne und Mond. Er erkannte, dass die Sonne riesig sein musste, und kam daraufhin zu dem Schluss, dass sie weit wahrscheinlicher den Mittelpunkt für die Bewegungen im Kosmos bilde.

Doch das ptolemäische System setzte sich durch – mit weitreichenden Folgen. Beim Niedergang des Römischen Reiches in den folgenden Jahrhunderten übernahm die christliche Kirche viele der herrschenden Ansichten. Die Vorstellung, die Erde sei der Mittelpunkt der Welt und der Mensch die Krone der göttlichen Schöpfung mit dem Recht, die Welt zu beherrschen, bildete bis zum 16. Jahrhundert eine der zentralen Lehren des Christentums.

Das heißt allerdings nicht, dass die Astronomie in den eineinhalb Jahrtausenden nach Ptolemäus stagniert hätte. Die Fähigkeit, die Bewegungen der Planeten genau vorherzusagen, war nicht nur ein wissenschaftlich-philosophisches Rätsel, sondern hatte dank des Aberglaubens der Astrologie auch durchaus praktische Zwecke. Damit hatten die Sterndeuter aller Richtungen gute Gründe, sich um immer bessere Messungen der Planetenbewegungen zu bemühen.

Im ptolemäischen Modell des Universums steht die Erde unbewegt im Zentrum. Sonne, Mond und die fünf bekannten Planeten umkreisen sie auf kreisförmigen Bahnen. Um diese Vorstellung mit den Beobachtungen in Einklang zu bringen, musste Ptolemäus zu jeder Planetenbewegung kleinere Epizyklen hinzufügen.

Arabische Gelehrsamkeit

Die letzten Jahrhunderte des ersten Jahrtausends fallen mit der ersten Blüte der arabischen Wissenschaft zusammen. Die schnelle Verbreitung des Islam brachte arabische Denker in Kontakt mit den klassischen Texten, darunter auch die astronomischen Schriften von Ptolemäus und anderen.

Die »Positionsastronomie« – die Berechnung der Örter von Himmelskörpern – erreichte ihren Höhepunkt in Spanien, einem Schmelztiegel von islamischem, jüdischem und christlichem Gedankengut. Im späten 13. Jahrhundert regte König Alfons X. von Kastilien die Zusammenstellung der Alfonsinischen Tafeln an, einer Kombination neuer Beobachtungen mit jahrhundertealten islamischen Aufzeichnungen. Sie erhöhten die Genauigkeit des ptolemäischen Systems und stellten die Daten bereit, die bis ins 17. Jahrhundert hinein für die Planetenberechnung verwendet wurden.

Ptolemäus infrage gestellt

Bis dahin war das ptolemäische System allerdings absurd kompliziert geworden, weil immer weitere Epizyklen notwendig wurden, um Vorhersagen und Beobachtungen in Einklang zu bringen. 1377 ging der französische Scholastiker Nikolaus von Oresme, der Bischof von Lisieux, in seinem Livre du Ciel et du Monde (Buch des Himmels und der Erde) diese Frage direkt an. Er zeigte, dass es keine beobachtbaren Hinweise auf den Stillstand der Erde gab, und behauptete, damit gäbe es keinen Grund, nicht auch die Möglichkeit der Bewegung anzunehmen. Obwohl er damit die Grundlage für das ptolemäische System zerstörte, blieb Oresme aber dabei, dass er nicht an eine sich bewegende Erde glaubte.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte sich die Situation grundlegend geändert. Renaissance und Reformation hatten viele alte religiöse Dogmen infrage gestellt. Vor diesem Hintergrund unternahm der Arzt, Astronom und Domherr Nikolaus Kopernikus aus Frauenburg im heutigen Polen die ersten Schritte hin zur modernen heliozentrischen Theorie und verschob den Mittelpunkt des Universums von der Erde zur Sonne.

Kopernikus schrieb seine Ideen zuerst in dem kurzen Pamphlet Commentariolus nieder, der ab etwa 1514 im Freundeskreis zirkulierte. Seine Theorie ähnelte im Wesentlichen dem von Aristarch ausgearbeiteten System. Doch obwohl er viele Fehler älterer Modelle überwand, blieb er doch tief im ptolemäischen Denken verhaftet – hauptsächlich in der Vorstellung, die Bahnen der Himmelskörper würden auf kristallinen Kugeln verlaufen, die sich ihrerseits im Kreis drehten. Daher musste auch Kopernikus eine Art von Epizyklen einführen, um die Planetengeschwindigkeiten in bestimmten Teilen ihrer Bahn anzupassen. Eine wichtige Folgerung seines Modells war eine enorme Vergrößerung des Universums. Wenn die Erde sich um die Sonne bewegte, dann sollte sich das in einer Parallaxe durch die ständig geänderte Blickrichtung äußern: Die Sterne müssten sich dann im Lauf des Jahres am Himmel hin- und herbewegen. Da sie das nicht taten, mussten sie wirklich sehr weit entfernt sein.

»Da die Sonne unbeweglich ruht, muss alles dasjenige, was von einer Bewegung der Sonne erscheint, vielmehr in der Bewegung der Erde seine Wahrheit finden.«

Nikolaus Kopernikus

Das kopernikanische Modell erwies sich bald als weit genauer als das noch so verfeinerte alte ptolemäische System. In den intellektuellen Kreisen in ganz Europa hörte man davon. Die Nachricht gelangte auch nach Rom, wo sie anfangs sogar begrüßt wurde. Das neue Modell erregte solch ein Aufsehen, dass der deutsche Mathematiker Georg Joachim Rheticus nach Frauenburg reiste und ab 1539 Kopernikus’ Schüler und Assistent wurde. Rheticus schrieb 1540 den ersten weitverbreiteten Bericht über das kopernikanische System, die Narratio Prima. Und er drängte den alten Mann, sein Werk selbst zu veröffentlichen. Kopernikus selbst hatte schon jahrelang darüber nachgedacht, doch erst 1543 willigte er ein, als er schon auf dem Totenbett lag.

Diese Darstellung des kopernikanischen Systems aus dem 17. Jh. zeigt, wie die Planeten kreisförmig um die Sonne laufen. Kopernikus glaubte, die Planeten hingen an himmlischen Sphären aus Kristall.

Mathematisches Hilfsmittel

Das posthum erschienene De Revolutionibus Orbium Coelestium (Über die Kreisbewegungen der Weltkörper) stieß anfangs nicht auf Empörung, obwohl die Vorstellung, dass sich die Erde bewegte, in direktem Widerspruch zu einigen Stellen der Bibel stand und daher sowohl für katholische als auch für protestantische Theologen ketzerisch war. Um dieses Thema zu umgehen, bezeichnete das Vorwort das erläuterte heliozentrische Modell als rein mathematisches Hilfsmittel für Berechnungen, nicht als Beschreibung des realen Universums. Zu Lebzeiten hatte Kopernikus keine solchen Vorbehalte gezeigt. Trotz seiner häretischen Konsequenzen wurde das kopernikanische System 1582 sogar bei den Rechnungen zur großen Kalenderreform unter Papst Gregor XIII. verwendet.

Dennoch tauchten nach den akribischen Beobachtungen des dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546–1601) bald neue Probleme mit der Vorhersagegenauigkeit des kopernikanischen Modells auf: Er zeigte, dass es die Planetenbewegungen nicht adäquat beschrieb. Brahe versuchte, die Abweichungen mit einem eigenen Modell zu beschreiben, in dem die Planeten sich um die Sonne bewegten, Sonne und Mond aber eine Bahn um die Erde beschrieben. Erst Brahes Schüler Johannes Kepler fand die wahre Lösung – elliptische Bahnen.

Dass der Kopernikanismus sechs Jahrzehnte später zum Sinnbild für die Rückständigkeit der Kirche wurde, hing hauptsächlich mit dem Streit um Galileo Galilei zusammen. 1610 untersuchte er die Phasen der Venus und die Sichtbarkeit der Jupitermonde. Er kam zu der Überzeugung, das heliozentrische Modell sei korrekt, und er brachte seine glühende Unterstützung später in seinem Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme von 1632 zum Ausdruck. Seine Überzeugung brachte Galilei jedoch in Konflikt mit dem Papst. Ein Ergebnis davon war 1616 die nachträgliche Zensur von umstrittenen Passagen in De Revolutionibus. Dieser Bann wurde erst über zwei Jahrhunderte später aufgehoben.

»So lenkt in der Tat die Sonne, auf dem königlichen Throne sitzend, die sie umkreisende Familie der Gestirne.«

Nikolaus Kopernikus

Während sich die Erde um die Sonne bewegt, scheint sich die Position der Sterne in verschiedenen Entfernungen durch die sogenannte Parallaxe zu ändern. Da die Sterne aber so weit entfernt sind, ist der Effekt sehr klein und lässt sich nur mit dem Teleskop nachweisen.

Nikolaus Kopernikus

Kopernikus wurde 1473 als jüngstes von vier Kindern eines reichen Kaufmanns in Thorn (heute Toruń, Polen) geboren. Sein Vater starb, als Nikolaus zehn Jahre alt war. Ein Onkel nahm ihn bei sich auf und sorgte für seine Ausbildung an der Universität Krakau. Nach einigen Jahren in Italien, wo er Medizin und Rechtswissenschaften studierte, kehrte er 1503 zurück und wurde Domherr unter seinem Onkel, jetzt Fürstbischof von Ermland.

Kopernikus beherrschte sowohl Sprachen als auch Mathematik, übersetzte mehrere wichtige Werke und entwickelte Ideen sowohl zur Ökonomie als auch zur Astronomie. Die in De Revolutionibus skizzierte Theorie war mathematisch sehr komplex. Daher wurde ihre Bedeutung zwar anerkannt, für praktische Zwecke wurde sie aber nur selten verwendet.

Hauptwerke

1514Commentariolus

1543De Revolutionibus Orbium Coelestium (Über die Kreisbewegungen der Weltkörper)

DIE BAHN EINES JEDEN PLANETEN IST EINE ELLIPSE

JOHANNES KEPLER (1571–1630)

IM KONTEXT

GEBIET

Astronomie

FRÜHER

150 n. Chr. Ptolemäus von Alexandria schreibt den Almagest. Er geht dabei von einem Modell des Universums aus, bei dem die Erde im Zentrum steht, umkreist von Sonne, Mond, Planeten und Sternen, die an festen Himmelssphären hängen.

16. Jh. Die Idee eines Universums mit der Sonne im Mittelpunkt gewinnt nach Kopernikus’ Tod neue Anhänger.

SPÄTER

1639 Jeremiah Horrocks kann anhand von Keplers Gedanken einen Venustransit vor der Sonnenscheibe vorhersagen und beobachten.

1687 Isaac Newtons Bewegungsgesetze und das Gravitationsgesetz geben den Kepler‘schen Gesetzen ihre physikalische Grundlage.

Kopernikus’ Werk über die Himmelssphären von 1543 brachte überzeugende Hinweise für das heliozentrische Modell des Universums mit der Sonne im Mittelpunkt, das System litt aber unter Problemen. Kopernikus hatte sich nicht von der antiken Idee lösen können, die Himmelskörper hingen an Kristallsphären, und daher behauptete er, die Planeten liefen auf Kreisbahnen um die Sonne. Um ihre Unregelmäßigkeiten zu berücksichtigen, musste er eine Reihe von Komplikationen einführen.

Supernova und Kometen

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts führte der dänische Adlige Tycho Brahe Beobachtungen durch, die sich für die Lösung des Problems als wesentlich herausstellen sollten. 1572 widerlegte eine helle Supernova (Sternexplosion) im Sternbild Cassiopeia Kopernikus’ Idee, das Universum jenseits der Planeten sei unveränderlich. 1577 zeichnete Brahe die Bewegung eines Kometen auf. Kometen galten als lokale Erscheinungen, näher als der Mond, doch nach Brahes Beobachungen musste der Komet weit hinter dem Mond liegen und sich zwischen den Planeten bewegen. Auf einen Schlag zerstörten diese Erkenntnisse die Vorstellung der »himmlischen Sphären«. Dennoch blieb Brahe bei der Idee von Kreisbahnen in seinem geozentrischen Modell.

1597 wurde Brahe nach Prag berufen, wo er seine letzten Jahre als Hofmathematiker für Kaiser Rudolf II. arbeitete. Sein Assistent war Johannes Kepler, der Brahes Werk nach dessen Tod weiterführte.

Bruch mit den Kreisen

Als Kepler aus Brahes Beobachtungen eine neue Marsbahn berechnete, kam er zu der Überzeugung, die Bahn müsse eher eiförmig als echt kreisrund sein. Kepler formulierte ein heliozentrisches Modell mit eiförmigen Bahnen, doch auch dies stimmte nicht mit den Beobachtungen überein. 1605 schloss er, Mars müsse sich auf einer Ellipse um die Sonne bewegen, einem »gestreckten Kreis« mit der Sonne in einem der beiden Brennpunkte. In seiner Astronomia Nova (Neue Astronomie) von 1609 skizzierte er zwei Gesetze der Planetenbewegung. Nach dem ersten Gesetz ist jede Planetenbahn elliptisch und nach dem zweiten Gesetz überstreicht die Verbindungslinie zwischen dem Planeten und der Sonne in gleichen Zeiten gleiche Flächen. Demnach nimmt die Geschwindigkeit eines Planeten zu, je näher er der Sonne ist. Ein drittes Gesetz von 1619 verbindet das Planetenjahr mit dem Abstand zur Sonne: Das Quadrat der Umlaufzeit (Jahr) ist proportional zur dritten Potenz der Entfernung von der Sonne. Ein Planet, der doppelt so weit von der Sonne entfernt ist wie ein anderer, hat also eine fast dreimal so lange Umlaufzeit. Welche Kraft die Planeten auf ihrer Bahn hält, blieb damals aber noch unklar. Kepler glaubte an eine Art von Magnetismus. Erst Newton zeigte 1687, dass es die Gravitation ist.

Nach den Kepler’schen Gesetzen ist die Umlaufbahn der Planeten eine Ellipse, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. In jedem bestimmten Zeitraum t überstreicht die Verbindungslinie von einem Planeten zur Sonne gleiche Flächen (A) der Ellipse.

Johannes Kepler

Der 1571 in Weil der Stadt bei Stuttgart geborene Johannes Kepler erlebte als kleines Kind den großen Kometen von 1577 und war seither von der Himmelskunde fasziniert. Bei seinem Studium in Tübingen entwickelte er einen Ruf als brillanter Mathematiker und Astrologe. Er korrespondierte mit verschiedenen führenden Astronomen seiner Zeit, darunter auch mit Tycho Brahe. 1600 schließlich ging er nach Prag und wurde Brahes Assistent.