Bilder aus dem Leben einer Königstochter - Emmy von Dincklage - E-Book

Bilder aus dem Leben einer Königstochter E-Book

Emmy von Dincklage

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Beschreibung

Eleonore Ulfeld wurde am 8. Juli 1621 auf Schloss Frederiksborg in Hillerød geboren. Sie war eine Tochter des Königs von Dänemark und Norwegen, Christian IV., aus dessen morganatischer Ehe mit Kirsten Munk. Mit 9 Jahren wurde Eleonore mit dem Grafen Corfiz Ulfeld, dem zukünftigen dänischen Reichshofmeister verlobt. Die Hochzeit fand 1636 statt. Corfiz Ulfeld stieg zu einem der einflussreichsten Männer Dänemarks auf, fiel in Ungnade und wurde schließlich bis heute einer der bedeutendsten Staatsfeinde Dänemarks. Ulfeld tauchte unter und starb am 20. Februar 1664 im oder auf dem Rhein zwischen Basel und Neuenburg. Eleonore folgte ihm 34 Jahre später nach 22 jähriger Gefangenschaft und 14-jährigem Leben in Freiheit. Geschichtsnah beschreibt Emmy von Dincklage das Leben der Königstochter Eleonore Ulfeld in einzelnen Stationen (Bildern), beginnend mit der Trennung des Königs Christian IV. von ihrer Mutter, der versuchter Königsmord vorgeworfen wird, über Aufstieg und Fall ihres Ehemannes Corfiz Ulfeld bis zur ihrer Gefangennahme und ihrem Tod. Dabei sieht Emmy von Dincklage Eleonore und Corfiz Ulfeld immer als ein Paar, dass sich aus voller Überzeugung und vom ganzen Herzen für Dänemark einsetzt. Die anfänglich starke Position der beiden rief viele Neider hervor, die es schließlich schafften - nach Emmy von Dincklage - die staats- und königstreuen Eleonore und Corfiz Ulfeld beim König in Ungnade fallen zu lassen. Basis dieser Ausgabe ist die Novelle „Bilder aus dem Leben einer Königstochter“, die Emmy von Dincklage in ihrem Buch Neue Novellen, 2. Band, „Treue Seelen“, Seiten 101 - 271, im Verlag Bernhard Schlicke, Leipzig, 1871 veröffentlichte. Da die Werke zur damaligen Zeit in Fraktur gedruckt wurden, erfolgte zur besseren Lesbarkeit eine buchstabengetreue Transkription des Werkes in die heutige Antiqua-Schrift. Originalrechtschreibung, Interpunktion, Grammatik und Satzaufbau wurden beibehalten; Anführungszeichen der wörtlichen Rede sind den heutigen Regeln angepasst; offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Dadurch ist es möglich, dass der Leser nicht nur über die Inhalte, sondern auch über den Textaufbau in die damaligen gesellschaftlichen Gegebenheiten tief eintauchen kann.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Vorwort zur stimm-los Ausgabe

I. Kirsten Munk.

II. Eleonore Christine.

III. Sophie Amalie, Königin von Dänemark.

IV. Angela van Borel.

V. Die Verbannte.

VI. Im Kerker.

VII. Trennung und Ende.

Impressum

Impressum

Transkription

Wiedergefundene Perlen der Literatur Nr. 96

1. Auflage, 2023

stimm-los

Dr. Hungeling Verlagsbuchhandlung und Antiquariat

Gänseblümchenweg 5

16303 Schwedt/Oder

[email protected]

www.stimm-los.de

Vorwort zur stimm-los Ausgabe

Dieses Werk ist Teil der Buchreihe »Wiedergefundene Perlen der Literatur«. Der Verlag stimm-los veröffentlicht in dieser Buchreihe Werke aus vielen Jahrhunderten. Mit dieser Buchreihe verfolgt stimm-los das Ziel, Klassiker der Weltliteratur verschiedener Sprachen als Buch einem breiten Leserkreis wieder zugänglich zu machen. Förderung der Kultur und Erhaltung der Literatur stehen dabei im Vordergrund. So trägt stimm-los dazu bei, dass viele Werke nicht in Vergessenheit geraten. Die Autoren dieser Werke erhalten wieder eine Stimme; sie sind nicht stimm-los.

Bei dieser Ausgabe handelt es sich um eine wörtliche Wiedergabe der Novelle

Titel:

Bilder aus dem Leben einer Königstochter

Autorin:

Emmy von Dincklage

Erschienen in:

E. von Dincklage, Novellen II. Band „Treue Seelen“, Seiten 101 - 271, Verlag Bernhard Schlicke, Leipzig, 1871

Die Transkription »Fraktur nach Antiqua« erfolgte verlagsintern. Originalrechtschreibung, Grammatik und Satzbildung wurden beibehalten. Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.

I. Kirsten Munk.

Die Toilette der Gräfin Christine von Schleswig-Holstein, Herrin zu Boller, Saverskov und Moegelkier, war vollendet; ihre manchmal herrischen und launenhaften Bewegungen machten einer Würde Platz, wie dieselbe der »Frau des Königs« zukommt und mit ihrem Anzug übereinstimmt, der, trotz des warmen Juni-Tages, aus schweren, schwarzen Stoffen besteht. Es mochte kein Zufall sein, daß die einst so gefeierte Dame, sie, deren Name in Dänemark wie kein anderer gefürchtet ward, jetzt flüchtig an die ungückliche Maria Stuart erinnerte, wie sie den letzten Gang antritt, denn auch Kirsten Munk bereitete sich vor in das Dunkel — nicht des Grabes, oder eines einsamen, vergessenen Daseins, auf ihrem Edelhof zu Boller, im Stifte Aarhuus, herab zu steigen. Die Hand, welche siebenzehn Jahre in Dänemark gebietend war, strich fürsorglich noch einmal über den breiten, eckigen Spitzenkragen, unter welchem ein kostbares Halsband lag, rückte die anschließende Haube tief in die Stirn, dann, zu ihrer Dienerin gewendet, sprach die Gräfin: »Blicke mich an Wibeke, Du wirst die Gemahlin Christian IV., die Mutter von elf seiner schönen, blühenden Kinder nicht wieder schmücken, wie es ihr gebührt, sie wird heute Abend, gleich der verstoßenen Hagar, Schloß Rosenborg verlassen, oder — wenn die Verbannung noch zu viel Gnade für sie ist, in den blauen Thurm zu Kopenhagen wandern, weil ihre vielgepriesenen Locken in der Sorge um den kriegerischen Gemahl, über die Nachtwachen an seinem Schmerzenslager ergrauen wollen, und sie ihre Schönheit auf die Wangen der holden Töchter verpflanzte, das ist mein Vergehen! Mein und meiner Kinder Namen werden fortan nicht mehr in dem Kirchengebet eingeschlossen, aber kein Machtspruch ist im Stande ihn aus dem Herzen Derer zu reißen, deren Wohlthäterin ich war — Wibeke, was Du bist und hast, verdankst Du mir — bete für mich!«

Wibeke Kruse brach in überlautes Schluchzen aus und verbarg ihre boshaft glänzenden Augen hinter der Schürze: »Ach«, stammelte sie, »es wird doch meiner guten Herrin nichts geschehen?«

»Wibeke, ich beklage aufrichtig, Dir nicht zu allen Zeiten eine gute Herrin gewesen zu sein, aber ich hoffe zu Gott, Du wirst mir, meines Unglücks halber, nicht nachtragen, daß ich in den Tagen des höchsten Erdenglanzes geblendet war!«

Die Gemahlin des Königs hatte zu lange in dem Widerschein des Purpurs gelebt, um ihren königlichen Worten nicht eine königliche Gabe beizufügen, ehe sie das Gemach verließ, kaum aber schloß sich die Thür hinter ihr, so waren auch die Thränen der Dienerin versiegt, sie schleuderte die Goldstücke verächtlich zur Seite und senkte lauschend ihr hübsches Köpfchen: »Das ist schlimm«, murmelte das Mädchen, »sie ras’t und schreit nicht, wie ehedem, wenn ich ihre vielgepriesenen Locken kräus’te, sie geht zu den Kindern, der Reichsrath wird die Scheidung nicht genehmigen und der König schweres Spiel haben — weiß Gott, sie ließ sich heute nicht reizen und hätte ich ihr jedes Haar einzeln ausgerissen und ihr alle Nadeln direct ins Fleisch gebohrt! O wie glühend hasse ich dieses eit’le Weib! Beten will ich für die Gemahlin des Königs, täglich, stündlich, wenn ich eben nichts anderes zu thun habe, aber sie soll nicht Kirsten Munk, sondern Wibeke Kruse heißen! Ja Du thörichtes Weib, nicht Deine Herrschsucht und Dein Alter stürzen Dich, nein ein Hauch, ein Blick Deiner Dienerin, Du wirst verstoßen, um des Kusses willen, den Christian IV. von einem kleinen, schwarzäugigen Mädchen stahl!«

Die Kinder der Gräfin, bis auf den ältesten Sohn, der abenteuernd in fremden Ländern lebte, waren in der großen Halle des Schlosses versammelt, inmitten des bangen Kreises, das kleinste Enkeltöchterchen auf den Knieen, saß Christinen’s Mutter, Ellen Marswin. Alle waren in der steifen und prunkenden Art ihres Jahrhunderts festlich geschmückt und doch wußten Alle, daß es keiner frohen Feier gelte, denn unter der tiefen Witwen-Schleppe, welche die Stirn der alten, freundlichen Großmutter bedeckte, fiel eine Thräne nach der Anderen herab und ihre guten, hellgrauen Augen schienen vom Weinen abgebleicht. Christine ließ sich von den Die­nern, welche ihr die Thür geöffnet hatten, einen Sessel in die Mitte des Raumes schieben und winkte ihnen dann, die Familie allein zu lassen. Das Mutterauge hing innig an den jungen, erwartungsvollen Gesichtern, leise strich die Rechte Waldemar Christian’s blonde Locken aus des Knaben Stirn und liebkos’te dann die zierlichen Händchen der Zwillings­schwestern Christiane und Hedwig, als strömte mit jeder Berührung neuer Muth in die bedrängte Seele der Gräfin hinüber.

»Meine Kinder«, begann Christine endlich, »bis zu diesem Tage hat Euch die Liebe Eurer Mutter beschützt und gestützt und Eurem Lebenswege die fröhlichste Sorglosigkeit bewahrt — ein schweres Verhängniß zwingt mich jetzt auch meinerseits den Prüfstein an die Kraft und den Werth Eurer Liebe zu mir zu legen, noch ehe es mir vergönnt ward, Eure Erziehung zu jener Reife zu führen, die zu erstreben Gott mich, als Eure Mutter, begnadigte! Meine Kinder, ich habe keine Freunde mehr in Dänemark, als jene Greisin und Euch, aber ich fürchte die richtenden Stimmen eines mißgünstigen Hofes — der ganzen Welt nicht, wenn Eure Lippen mich frei­spre­chen!«

Die Gräfin verbarg einige Sekunden das Antlitz in den Händen, um Kraft für das letzte, entsetzliche Wort, das sie, wie eine zündende Pechfackel, in diese harmlosen Gemüther schleudern mußte, zu sammeln. Mehrere der Kinder knieten schluchzend neben ihr, denn sie erblickten einen Schmerz, ergreifender als die Thränen der Großmutter, weil er mit Fassung ertragen ward, und um so größer, weil seine unbekannte Veranlassung wie ein verhülltes Gespenst, aus jedem Winkel hervorbrechen konnte.

»Welches Vergehens kann man die Frau des Königs anklagen?« fragte eine tiefe, im Zorn vibrirende Mädchenstimme.

Die Gräfin blickte empor; vor ihr stand, hoch aufgerichtet, ihre dritte und begabteste Tochter, Eleonore Christine; das edele Oval ihres Gesichtes schien kaum der aufgeschossenen Kindergestalt anzugehören, denn es war von zwei blitzenden, wunderbaren Augen beherrscht, die jetzt denen der Mutter mit einer Zuversicht begegneten, welche dieser das Herz erbeben machte — ja dies Wesen mußte auch im Bettlergewande die Tochter eines Königs bleiben, mochte Kirsten Munk geschmäht und verstoßen werden, ein Recht konnte ihr selbst Gott nicht rauben, das an ihre Kinder!

»Wessen ich angeklagt werde?« fragte die Gräfin zurück, »Alles dessen, meine Kinder, was mich unwerth machen müßte, die Gemahlin Eures Vaters, die treue Mutter meiner Söhne und Töchter zu heißen! Ja, es war noch nicht genug, daß man mich anklagte von der Liebe und Pflicht abgewichen zu sein, dies Brandmal, für das kein Henkerbeil geschliffen wird, genügte nicht, man beschuldigt mich eines Mordversuches auf den König!«

Ein vielstimmiger Weheschrei beantwortete diese Mittheilung, die kleinen Arme umklammerten verzweiflungsvoll von allen Seiten die Mutter. Eleonore war tödtlich blaß geworden, einmal öffnete sich ihre geballte Hand instinktmäßig eine Stütze zu erfassen, aber die Anwandlung war nur vorübergehend, sie suchte schon einen Ausweg und murmelte zwischen den geschlossenen Zähnen: »Mutter, Ihr habt mächtige Verbindungen!«

»Nein, nein, mein Kind«, erwiderte Christine traurig, »die, welche ich für meine wärmsten Anhänger hielt, waren meine erbittertsten Feinde!«

»Ich gehe zum König«, rief Waldemar, »er wird Euch Recht verschaffen!«

»Bleib’, mein Knabe«, entgegnete die Gräfin trübe, »der König hat mit eigner Hand meine Anklage aufgeschrieben und der Reichsrath wird heute das Urtheil fällen.«

»O mein Gott«, murmelte Eleonore, als scheute sie es einer so entsetzlichen Gewißheit jenseits ihrer Lippen Worte zu geben — »die Gemahlin des Königs wird vor Gericht gestellt, und es tritt in ganz Dänemark kein Vertheidiger für sie auf!« — das junge Mädchen eilte auf und ab in dem weiten Raum, dann sprach sie, mit plötzlichem Entschluß: »Mutter, ich bin wohl noch ein Kind, aber warum sollte nicht ein Kind sprechen dürfen, wo ein Stein sich erbarmen würde? Nehmt mich mit vor den Rath! Was ist noch zu verlieren? Hier gilt es zu retten!«

»Nehmt uns auch mit, herzliebe Mutter!« riefen die andern Kinder.

Die Gräfin erhob sich, sie breitete die Arme aus und rief in stolzer Mutterfreude: »Dank! Dank! Ihr seid mein Herzblut, wer mich trifft, soll auch Euch treffen; wenn in den Annalen der Weltgeschichte mein Unglück verzeichnet wird, so soll daneben stehen: ›Kirsten Munk litt unschuldig, wehe dem Jahrhundert, das es wagt, ein Weib zu verurtheilen, welches von ihren Kindern freigesprochen wird!‹«

»Kirsten, meine Tochter«, bat die edle Witwe, Ellen Marswin auf Nöragergaard, »laß uns allein gehen, schone der Kinder!«

»Mutter«, antwortete Christine mild, »es ist für die Kinder eines Königs nie zu früh, die Wahrheit zu erkennen, es giebt keine wirkliche Macht, es giebt keinen wahren Sieg auf Erden, als den eines guten Bewußtseins — Soli Deo gloria*), so kann auch der Besiegte Sieger bleiben!«

*) Christinen’s Wahlspruch.

Ellen Marswin war zu sehr gewohnt, sich den Ansichten der intelligenten Tochter zu unterwerfen, um noch einen Einspruch zu erheben; sie erwählte das bessere Theil und betete still vor sich hin. Vielleicht hatten die Engel Mitleid mit der Herzensangst der alten Edelfrau, denn es wurde der Gräfin ein Brief überreicht, dessen Inhalt sie mit sichtbarer Genugthuung überflog. »Meine Lieben«, sprach Christine, als sie gelesen hatte, »Dänemarks Ritterthum ist noch nicht zum feilen Mummenschanz herabgesunken, es giebt eine Hand, die nicht vor den Pranken der drei Löwen des vaterländischen Wappen-Schildes zittert, sondern sich kühn erhebt, für ein ergrauendes, verleumdetes Weib. Wenn Ihr Euren Morgen- und Abendsegen sprecht, so geschehe es nie ohne eine Fürbitte für Corfiz Ulfeld einzuschließen. Der edle Herr erbietet sich heute vor König und Rath meine Sache zu verfechten, obgleich selbst einem Grafen Ulfeld keine Sicherheit für sein Leben bleibt, wo sogar die Gemahlin des Königs auf das Schlimmste vorbereitet sein muß. Weint nicht, meine Kinder, in der Stunde, die den Schmerz eines ganzen Lebens auf meine Brust wälzt; laßt mich nicht ohne die Gewißheit, daß mein verketzertes Dasein meinen Kindern zum Gewinn wurde, und ich will versuchen, mich von allen andern irdischen Hoffnungen loszuringen.«

—————

Der Reichsrath, welchen Christian IV. von Dänemark zusammenberief und der des Königs Scheidungs-Klage gegen seine greise Gemahlin, Kirsten Munk, welche sich später Christine, Gräfin zu Schleswig-Holstein nannte, erwägen sollte, war nicht eben in der angenehmsten Stimmung diesem Befehle gefolgt, wenn auch nur bei sehr Wenigen eine persönliche Theilnahme für die Angeklagte vorherrschte, deren ehrgeiziger Charakter und geistige Begabung den König so lange leiteten. Aber grade durch diese Eigenschaften war Christine eine furchtbare Gegnerin, falls sie jetzt im Stande war, sich gegen die Anklage zu rechtfertigen, eine Gegnerin alle Denen, welche unentschieden oder gar feindlich gegen sie auftraten. Da die Parteien noch nicht zu erwarten waren, bildeten sich einige halblaut redende Gruppen, der »guten Herren vom Rath«, deren Gesichter aufrichtiger waren als ihre Lippen, denn auf mancher Stirn runzelte sich eine bedenkliche Falte, während andere eine unverhohlene Freude über den — nur zu spät eingetroffenen Sturz der Frau zeigte, welche im vollen Schein königlichen Vertrauens einen unverhältnißmäßig großen Schatten auf ihre Umgebung werfen mußte.

»Sagt einmal, Hans Lindenow«, fragte Lay von Ahlefeld in einer der tiefen Finsternischen, »woher kommt dies Unwetter? Sie ist doch eine gar stattliche Frau!«

Hans Lindenow auf Hundslund schielte unter den grauen Augenbrauen hervor und knurrte: »Stattlich, junger Herr? da könnt Ihr eine genudelte Gans oder eine Blutwurst auch stattlich finden, dick, dick ist sie, Augen ohne Glanz, zuviel Farbe — na, Ihr hättet sie früher kennen sollen, ein so schönes Weib hüpft nur alle hundert Jahr einmal über die Erde, ich erlebe es nicht wieder!«

»Aber, werther Hans, sie konnte nicht immer jung bleiben, also —!«

»Nun, so sind Andere jung dafür, man läßt sich von dieser scheiden!«

»Ach, eine Dame vom Hofe verdrängte die arme Gräfin?« fragte Lay eifrig weiter.

»Keine Dame!« lachte Lindenow, »keine Dame, aber hübsch soll sie sein!«

»Nun, so hol’ der ——!« begann Lay Ahlefeld, als Lindenow’s breite Faust ihm den Mund zuhielt.

»Nicht wahr Freund Lay«, nahm Hans das Gespräch wieder auf, »möchtet gerne auch Elephanten-Ritter werden? Wenn das ist, stimmt gegen die Gräfin, stellt keine Betrachtungen an, laßt das Ding gehen wie es geht und ich prophezeihe Euch den Orden!«

Lay Ahlefeld sah ein wenig verblüfft drein, er war eben erst von Holstein zurück gekehrt und den Hofintriguen fremd geworden.

»Er hat mir’s selbst gesagt, er wird für den König reden!« rief Caspar von Buchwald in diesem Augenblicke — »alle Wetter, es wird hart hergehen, denn seine Zunge ist zweischneidig wie keine andere zwischen Nord- und Ostsee.«

»Wer wird für den König reden?« fragte Lay Ahlefeld.

»Einer«, erwiderte zornesroth und heftig der junge und hübsche Reichsgraf Penz, »der sich nicht scheut über die Köpfe anderer Leute empor zu steigen, weil der seinige leicht und hohl genug ist, um den Füßen auf keinem schlüpferigen Wege hinderlich zu sein. Zuckt nicht die Achseln, Ihr Herren, ich bin bereit dem Junker Hannibal Sehestedt dies und noch mehr in’s Gesicht zu sagen!«

»Er wird des Königs Sache vertheidigen!« bemerkte Caspar von Buchwald, auf seine prachtvolle Tabatière klopfend.

»Und empor steigen«, rief der Reichsgraf Penz, »aber nie so hoch, daß ich mich vor einem Sehestedt bückte oder mit meinen Ansichten zurückhielte.«

Die Männer sahen sich an und schwiegen.

»Hm«, ließ sich Hans Lindenow vernehmen, »wenn es des Soldaten Pflicht ist für eine mißliche Sache zu fechten, so kann der Staatsmann immerhin für eine solche reden. Seit wir zu Lübeck den Frieden mit Kaiser und Reich und allen Glaubensbekenntnissen, die es giebt und nicht giebt, schlossen, weil die Landsknechte entlaufen und die Kriegskasse leer war, ist das Reden im Werthe gestiegen. Ich für meine Person halte indessen auch nichts vom Reden und mische mich nicht in fremde Händel.«

»Sehr brav«, rief der Reichsgraf Penz in seiner heftigen Art, »aber wie, wenn man zur Schlichtung dieser Händel berufen wird?«

»Dann — —?« sagte Hans Lindenow gedehnt und strich das Unterkinn, welches einen großen Theil des Kragens bedeckte, der sein Ledercoller zierte, und machte ein höchst einfältiges Gesicht.

»Nun dann?« riefen Alle neugierig und lachend.

»Dann«, fuhr Lindenow pathetisch fort, »macht man es wie des Königs Leibarzt Peter Pay, wenn Se. Majestät Zahnweh hat!«

»Und was thut Meister Peter?« drängten die Männer.

»Je nun, Kinder«, schmunzelte Hans, »er reißt flugs alle hohlen Zähne aus, nach dem Grundsatze: Was nicht nutzt das schadet!«

»Na, die hohlen Zähne«, meinte Caspar von Buchwald, »mit denen beißt man wenigstens Andere nicht, aber die gesunden wollen etwas zu verzehren haben.«

»So reißen wir auch die gesunden aus!« lachte Hans vor sich hin und nickte listig mit dem Kopfe.

Das waren die Präliminarien zu Christinens Proceß. Das Schicksal des Weibes wiegt so leicht in der Hand des Mannes, besonders wenn er in der Mehrzahl über sie zu richten hat, und doch ist ihr Schmerz so unsäglich viel tiefer, als der seine, und doch zerreißt sein feindliches Gegenüberstehen die tausend zarten Fäden einer Treue und Anhänglichkeit, mit denen sich der männliche Muth vergebens in die Schranken stellt, wo es Ausdauer und Aufopferung gilt.

Die Gräfin trat mit ihren Kindern, ihrer Mutter und Corfiz Ulfeld, wie eine Königin ein. Der letztere war einer der schönsten, gewandt­­­esten und unterrichtesten Cavaliere des dänischen Hofes. Bald erschien auch Christian IV., nachlässig auf den Arm des jungen Sehestedt gestützt. Der König zuckte leicht mit den Achseln, als er an seiner Familie vorüber dem Throne zuschritt und Frau Christine kannte ihn genugsam, um aus dieser, halb mitleidigen, halb wegwerfenden Bewegung zu errathen, wie sehr ihre Feinde des Königs wankelmüthiges Herz voll Gift geträufelt hatten; indem sie seinen Schwächen schmeichelten legten sie einen harten und kalten Panzer um dies von Natur so muthige und lenksame Herz, daß es sich in erniedrigende Ungerechtigkeit verstrickte.

Der König winkte und Hannibal Sehestedt entfaltete, nach kurzer Einleitung, das Document, welches die neunzehn Anklagepuncte enthielt; diese waren in der Form von Fragen abgefaßt, welche die Gräfin Christine und die edle Witwe Ellen Marswin zu bejahen oder zu verneinen hatten.

Außer den bereits erwähnten Anschuldigungen der Untreue und des Mordversuchs, durch Gift, auf den König, lautete ein anderer Punkt: »Sie habe dem Könige geweissagt, er würde nicht länger als bis zu Ostern leben!« ferner: »Sie habe viele ihrer Sachen ohne Erlaubniß des Königs nach Schweden bringen lassen!« ferner: »daß sie auf Dalum das Bildniß des Königs aus der diamantnen Einfassung gerissen und es wüthend auf die Erde geschleudert habe!« Endlich: »daß sie Nachts, heimlicher Weise, sich in sein Cabinet eingeschlichen und dort allerhand Briefschaften aufgesucht habe.«

Christine leugnete, indem sie ihr »ja« und »nein« mit fester Stimme aussprach und hörte aufrecht die scandalösen Beschuldigungen an; die Häupter ihrer Töchter schwankten betäubt, gleich Wiesenblumen im Hagelschlag. Die Anklage schloß: »Welche von diesen Punkten man will bewiesen haben, wollen wir solche mit lebenden Personen, Adel und Unadel beweisen, die wir, wenn es nöthig thut, zur Stelle schaffen wollen. Kopenhagen den 19. Junius 1632.«

Christine trat einen Schritt vor: »Ich verlange nicht meine Ankläger bezeichnet zu sehen, ich weiß, welche von den Männern und Frauen des Hofes Gründe hatten die Gemahlin des Königs, seine treue und sorgende Begleiterin, zu stürzen; nur die Schlange, so mich bezüchtigt das Bild des Königs verunglimpft zu haben, die Zunge, welche die eigne unwürdige Gemeinheit wie einen Schmutzflecken auf meinen Namen warf — die Person verlange ich zu sehen!

---ENDE DER LESEPROBE---