Bilder, die es nicht geben dürfte - Reinhard Habeck - E-Book

Bilder, die es nicht geben dürfte E-Book

Reinhard Habeck

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Beschreibung

M

Mysteriöse Fotos und Gemälde aus aller Welt

Auf der ganzen Welt existieren Bilder aus allen Zeiten, die mysteriöse­ Motive zum Gegenstand haben. Malereien und Fotodokumente, bei denen eine Fälschung ausgeschlossen werden kann, und die trotzdem Dinge zeigen, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen. Dinge, die es nach unserem heutigen Wissensstand gar nicht geben dürfte! Warum aber gibt es sie dann? Die kuriosen Darstellungen und ihre geheimnisvolle Geschichte zwingen zum Staunen, rütteln an unserem vertrauten Weltbild und werfen lästige Fragen auf.

Reinhard Habeck hat in Archiven, Galerien und Kirchen kuriose und rätselhafte Bilderwelten entdeckt, deren Geschichte er hier ebenso fundiert wie spannend erzählt.

Mit einem Vorwort von Andreas Eschbach, dem Autor von Das Jesus-Video!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Originaltitel: Bilder, die es nicht geben dürfte Copyright © Carl Ueberreuter Verlag, Wien (1. Auflage: 2009) 1. Auflage der Sonderausgabe September 2014 Genehmigte Sonderausgabe: Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Covergestaltung: Stefanie Müller Coverfoto: Reinhard Habeck, Wien ISBN E-Book 978-3-86445-446-2 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-0 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Widmung

GEWIDMET

zwei Freunden der Fantastik,

die wissen, dass ein Haus ohne Bücher arm ist,

selbst wenn wertvolle Porträts aus Mausenhausen

die Wände schmücken:

Ingrid & Willi Grömling

Andreas Eschbach: Was wäre, wenn doch ...?

Vorweg gefragt: Was wäre, wenn doch ...?

Es gibt nichts Schöneres als das Mysteriöse.

Aus ihm entspringt alle wahre Kunst und Wissenschaft.

Albert Einstein (1879–1955)

Einer meiner erfolgreichsten Romane beginnt damit, dass etwas gefunden wird, das es eigentlich nicht geben dürfte: die Bedienungs-anleitung einer japanischen Videokamera in einem zweitausend Jahre alten Grab in Palästina. Und ein großer Teil dieses Romans dreht sich um die Frage, was dieser Fund zu bedeuten hat.

Dieselbe Frage stellt man sich auch bei den Funden, die Reinhard Habeck uns in seinen Büchern präsentiert: Was hat das zu bedeuten? Man weiß es nicht. Und gerade das ist es, was unsere Fantasie in Wallung bringt. Im besten Fall zumindest. Denn natürlich gibt es auch die simple Abwehrreaktion: Kann nicht sein. Kann nicht sein, weil es nicht sein darf. Und nicht sein darf, was das bestehende Weltbild infrage stellt.

Doch auch wenn dieses unser heutiges Weltbild vorwiegend naturwissenschaftlich geprägt ist: Diejenigen, die in Abwehrhaltung gehen, sind keine Wissenschaftler. Wissenschaft funktioniert nicht so. Wissenschaftliche Theorien haben es an sich, dass man sie nicht beweisen kann – man kann sie nur widerlegen. Wissenschaftliche Theorien repräsentieren – und da können Sie jeden Naturwissenschaftler fragen, er (oder sie) wird Ihnen das überaus bereitwillig bestätigen – immer nur den aktuellen Stand unseres Irrtums. Taucht etwas auf, das sich mit einer Theorie nicht in Übereinstimmung bringen lässt, ihr womöglich krass entgegensteht, dann bricht nicht das Weltbild zusammen, sondern dann ist einfach Arbeit angesagt.

Man denke an Albert Einstein. Seine große Stunde konnte nur kommen, weil zwei Physiker – Albert Michelson und Edward Morley – 1887 in Cleveland ein Experiment durchführten, dessen Ergebnisse sich mit den damaligen physikalischen Theorien absolut nicht erklären ließen. Und dass er es war, ein kleiner Angestellter des Patentamts Bern, der die gesamte Physik auf ein neues Fundament stellte, und nicht eine der damaligen Koryphäen, mag abgesehen von Einsteins besonderen Begabungen durchaus mit daran gelegen haben, dass er damals nur ein kleiner Angestellter war und damit auf Abstand lebte zu den Gedanken, die alle dachten. Er konnte es sich erlauben, abseits der üblichen Pfade zu suchen – wo er, wie wir heute wissen, dann ja auch fündig wurde.

Offenheit ist also gefragt. Allerdings durchaus in beide Richtungen. Denn natürlich muss man sich immer auch fragen: Ist es tatsächlich so, wie es zu sein scheint? Oder unterliegen wir einer Täuschung? Die Möglichkeit des Irrtums ist nie auszuschließen, wo immer Menschen aktiv sind, und die Zahl der Trugschlüsse nimmt abseits der üblichen Pfade naturgemäß rapide zu.

Doch selbst wenn sich bei neun von zehn erstaunlichen Funden erweisen sollte, dass sie auf einem Missverständnis beruhen, auf Täuschung oder Selbsttäuschung, dass sie reiner Mumpitz sind oder sonst anderweitig erklärbar: Das reicht schon, um die Sache interessant zu machen. Um Fragen aufzubringen, die beginnen mit »Und was wäre, wenn doch ...?«

Fragen also, die in Gebiete führen können, in denen nie zuvor ein Mensch gewesen ist. Denn: Was wären wir Romanschreiber ohne Leute wie Reinhard Habeck, die ausziehen, um die Welt mit anderen Augen zu sehen? Was wären wir ohne die erstaunlichen Fundstücke, die sie mitbringen und die unsere Fantasie auf Hochtouren treiben? Und was wäre schließlich die Welt, wenn alles erklärbar wäre?

Vor allem eins: langweilig.

Nicht zuletzt deshalb bin ich froh, dass es Bücher wie »Bilder, die es nicht geben dürfte« gibt, und ich wünsche ihm viel Erfolg.

Andreas Eschbach

Prolog: Am Anfang war das Bild

Prolog: Am Anfang war das Bild

In bunten Bildern wenig Klarheit, viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit.

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

Am Anfang war das Bild. Aber wann war der Anfang? So viel steht fest: Lange bevor der Mensch fähig war, seine Gedanken, Erlebnisse und Wünsche niederzuschreiben, zeichnete er sie auf. »Gefunkt« hat es vor etwa 35.000 Jahren, als plötzlich die ersten farbenprächtigen Höhlenmalereien in Spanien und Frankreich entstanden sind. Die Maltechnik der Wandbilder ist von erstaunlich fortschrittlicher Qualität. Lebensechte Tierdarstellungen in dreidimensionaler Bewegung, überirdische Götter- und Mischwesen sowie Zeichen und Symbole, die von manchen Forschern als »Höhlenschrift« und »Sternkarten« gedeutet werden. Wo aber liegen wirklich die Anfänge dieser Kunstfertigkeit? Sie müssten noch viel weiter in die Vergangenheit zurückreichen.

Im Bereich der Felskunst stoßen wir tatsächlich auf weitaus ältere Spuren, aber sie sind wegen der Datierung ihres hohen Alters innerhalb der Gelehrtenwelt umstritten. Die traditionelle Lehrmeinung lässt die Funde nur als »zufällige Gravuren« oder »primitive Kritzeleien« gelten. Mathematisch ausgeklügelte Mondkalender, astronomische »Taschenrechner« und geniale Erfindungen passen nicht in die meist als »roh« und »unzivilisiert« angesehene Altsteinzeit. Doch die regelwidrigen »Kunstwerke« existieren und können untersucht werden.

Wenn es nicht so fantastisch klingen würde, könnte man annehmen, Meister Pablo Picasso oder einer seiner Kollegen hätte sich mit einer Zeitmaschine in die Eiszeit katapultiert und die »modernen« Geniestreiche angefertigt. Der Hausverstand sagt: Irgendetwas stimmt mit unserer Vergangenheit nicht. Entweder sind die Datierungen falsch oder die vorgeschichtliche Periode verlief ganz anders als bisher angenommen.

Was mit geheimnisvoller Höhlenkunst seinen Anfang nahm, zieht sich kreuz und quer durch die gesamte Menschheitsgeschichte bis hinein in die Gegenwart. Immer wieder werden wir mit Bildern konfrontiert, die uns faszinieren und in Staunen versetzen: heilige Tücher wie das Turiner Grabtuch, der Schleier von Manoppello oder die Tilma von Guadalupe, wo Pinselstriche sowie Farbspuren fehlen und ihre Entstehung »überirdischen Mächten« zugeschrieben wird; weinende Marienikonen und angebliche Erscheinungen der Mutter Gottes; mittelalterliche Fresken und Gemälde mit verborgenen Botschaften; gewaltige Geoglyphen und Kreise im Korn, die nur aus der Luft betrachtet einen Sinn ergeben; bisher geheim gehaltene X-Akten der britischen Regierung, UFO-Schnappschüsse von Piloten und Astronauten; mysteriöse Weltraumfotos der NASA-Missionen und vieles mehr.

Verraten außergewöhnliche Bilder mehr als tausend Worte? Interpretieren wir das Gesehene wirklich richtig? Jedenfalls ist das bildhaft Sichtbare länger im Bewusstsein gespeichert als das geschriebene Wort. Aber können wir unseren Augen immer trauen? Im Zeitalter von Internet, digitaler Fotobearbeitung und einer manipulierten Bilderflut darf das ernsthaft bezweifelt werden. Kuriose Fotomontagen und gefälschte Videos präsentieren sich in täuschender Echtheit. Für den Laien, aber auch für Journalisten und Forscher sind diese »Meisterwerke« nicht immer sofort als Betrug zu entlarven.

Gleiches gilt für so manchen archäologischen Sensationsfund, der sich hinterher als Schwindel herausstellt. Das Fahrrad von Leonardo da Vinci fällt mir dazu ein. Lange Zeit galt es als sicher, dass der älteste Entwurf eines Drahtesels aus dem Jahre 1855 stammt – bis 1974 in Manuskripten Leonardos eine Zeichnung eines Rades mit Pedalen und einer Kette gefunden wurde. Seitdem galt das italienische Universalgenie, dem diese Erfindung durchaus zuzutrauen gewesen wäre, als erster Fahrradkonstrukteur. Allerdings nur 23 Jahre lang, denn 1997 deckte das Magazin New Scientist auf, dass bei der Zeichnung nur die zwei Kreise von Leonardo stammen: den Rest hatte ein Mönch, der Leonardos Manuskript in den 1960er-Jahren restaurierte, einfach dazugemalt.

Man darf nicht alles für bare Münze nehmen. Das gilt besonders für den Bereich der Grenzwissenschaften. Eine gesunde Skepsis ist notwendig, wenn wir uns dem Themenkreis unerklärlicher Phänomene widmen. Dennoch: Es gibt eine Fülle authentischer Motive mit rätselhafter Charakteristik. Manches davon findet vielleicht im Zuge weiterer Forschung eine plausible Deutung, anderes wird ungeklärt bleiben.

Ein gefälschtes »UFO-Foto« ist kein Beweis dafür, dass automatisch alle Aufnahmen unbekannter Flugobjekte ein Betrug sein müssen oder auf Täuschung beruhen. Heutzutage lässt sich so ziemlich alles fälschen. Unheimlich spaßig gemeinte Wettbewerbe fördern das. Wir kennen auch begabte Nachahmer, die Meisterwerke von Van Gogh oder Salvador Dalí geschickt imitieren. Und Geldfälscher haben sowieso immer Hochsaison. Niemand käme aber auf die Idee, dass deshalb alle Werke der großen Meister Fälschungen wären oder sämtliche Euro-Scheine Falschmünzerei.

Bei Recherchen in Archiven, Museen und an wundersamen Plätzen stieß ich auf vielerlei Merkwürdigkeiten. Während beim Vorgänger-Buch Dinge, die es nicht geben dürfte mysteriöse Museumsstücke zur Diskussion standen, sind es diesmal fantastische »Bilderrätsel«. Die ausgewählten Beispiele kommen der Bedeutung des althochdeutschen Wortes »bilidi« (= Bild) sehr nahe. Der Begriff steht für »Nachbildung« oder »Abbild« und war ursprünglich die Bezeichnung für »Wunder«.

Ein Großteil »meiner« seltsamen Bildwerke kann der geschätzte Leser selbst in Augenschein nehmen, vor Ort überprüfen und sich darüber eine persönliche Meinung bilden. Ausflüge in geheimnisvolle Wunderwelten bringen immer Überraschungen. Mit »Bilder, die es nicht geben dürfte« möchte ich auf einige Besonderheiten aufmerksam machen. Ganz im Sinne des Jazztrompeters Louis Armstrong (1901–1971), der die Suche nach der Wahrheit sehr treffend formulierte: »Wie oft ist die Mona Lisa schon kopiert worden. Und trotzdem stehen die Leute nach wie vor Schlange, um sich das Original anzu-sehen.«

Reinhard Habeck

Bilderrätsel der Vorzeit

Erzähle mir die Vergangenheit und ich werde die Zukunft erkennen.

Konfuzius (551–479 v. Chr.)

Eiszeit-Karikaturen, utopische Höhlenkunst und die prähistorische Galerie der Sternengötter

Thema:

Die ersten Kunstwerke der Menschheit

Besichtigung:

Die ältesten bisher bekannten Höhlenmalereien befinden sich in der 1994 entdeckten Chauvet-Grotte in der Nähe der Kleinstadt Vallon-Pont-d’Arc in Südfrankreich. Die »moderne« Maltechnik verblüfft die Fachwelt. Leider sind die Höhlenwunder für die Öffentlichkeit gesperrt. Andere bedeutende Höhlen sind für die Allgemeinheit ebenfalls geschlossen, darunter die Cosquer-Höhle südlich von Marseille, die wegen ihrer Lage nur Tauchern zugänglich ist. Die Höhle von Lascaux bei Montignac, Département Dordogne, sie zeigt Motive, die als »astronomische Sternkarten« gedeutet werden, ist nur als originalgetreues Imitat zu besichtigen. Gleiches gilt für die berühmte Altamira-Höhle bei Santillana del Mar, Provinz Santander, Spanien. Gesperrt ist ebenso die Cueva La Pasiega, wo neben Tierbildern eine rätselhafte Bildbotschaft angebracht ist. Zugänglich ist die riesige Mas d’Azil-Höhle mit ihrem gewaltigen, 70 Meter hohen Eingang und 500 Meter langen Tunnel. Der Bach Arize und eine Straße führen hindurch. Wandmalereien sind keine vorhanden, aber im Grottenmuseum sind Kieselsteine der Eiszeit ausgestellt, die an moderne Schriftzeichen erinnern. Es müssen keine Höhlen sein, Felskunst unter freiem Himmel hat ebenso Sehenswertes zu bieten, etwa vor unserer Haustüre das norditalienische Val Camonica, Provinz Brescia, zwischen dem Tonalepass und dem Iseosee. Rund 350.000 Petroglyphen hat man inzwischen entdeckt, darunter Darstellungen behelmter Wesen mit Strahlenkränzen.

Besonderheit:

Viele archäologische Funde und Bilddokumente wurden am »falschen« Ort entdeckt oder stammen aus der »falschen« Zeit: 400.000 Jahre alte Venusfiguren, Urzeit-Astronomie, prähistorische »Taschenrechner«, antike Saurier-Darstellungen oder eiszeitliche »Schriftsteine«. Fälschungen? Fehldeutungen? Stimmen die Datierungen nicht? Oder waren unsere Urahnen viel weiter entwickelt als gedacht?

Entstehungszeit:

Den ältesten anerkannten Höhlenmalereien und plastischen Kunstwerken wird ein Alter von bis zu 36.000 Jahren zugebilligt. Daneben existieren etliche Artefakte, die wesentlich älter sind, aber von der Wissenschaft angezweifelt werden.

Die geschichtliche Überlieferung setzt mit den ältesten Bildern der Welt ein, die an Felsüberhängen und an Höhlenwänden der Nachwelt hinterlassen wurden. Die farbenprächtigen Motive zeigen Tiere, Mischwesen und abstrakte Zeichen. Aber welchen Sinn hatten die Darstellungen? Warum sind die Jäger und Sammler der Eiszeit überhaupt in finstere Höhlen vorgedrungen? Und welche Impulse führten dann zur fantastischen Höhlenkunst? Gehaust haben unsere Urväter dort jedenfalls nicht, auch wenn das gelegentlich noch heute in Lehrbüchern behauptet wird. Die Menschen der Altsteinzeit bevorzugten das freie Gelände, bauten sich Laubhütten oder buddelten Erdlöcher, wie zahlreiche archäologische Fundstellen belegen. Die Bezeichnung »Höhlenmensch« stimmt nicht. »Erdloch-Bewohner« oder »Laubhütten-Typ« wäre treffender.

Auf den Spuren der ersten Künstler

Höhlenlabyrinthe und Grotten dienten nie dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen. Als Siedlungsplatz wurde eher der Eingangsbereich genutzt, sei es als Schutz vor Unwetter oder als geeigneter Platz für eine Feuerstelle. Das dunkle Höhleninnere war als Wohnstätte tabu. Das mag manchmal an einem gefräßigen Bären oder Löwen gelegen haben, der seinen Schlafplatz nicht mit ungebetenen Gästen teilen wollte. Aber auch sonst bot das Reich der Finsternis nicht viel Einladendes: Der düstere, glitschige, unheimliche Ort war den Toten vorbehalten. Wer wollte hier einziehen? Archäologen nehmen an, dass die verborgene Unterwelt sakrale Stätten waren, wohin sich nur Schamanen vorwagten, um mit Verstorbenen, Tiergeistern und höheren Wesen in Kontakt zu treten. Die hinterlassenen Kunstwerke sind stumme Zeugnisse dieser rituellen Kulte, deren ursprüngliche Bedeutung längst vergessen ist. Sie vermitteln uns einen faszinierenden Einblick in eine untergegangene Welt. Aber sind wir imstande, das hinterlassene Erbe richtig zu deuten? Niemand von uns, weder wissbegierige Anthropologen noch hoch qualifizierte Kunstexperten, waren damals bei der Entstehung der Meisterwerke dabei. Wollte man ihren wahren Informationsgehalt begreifen, müsste man ein eingeweihter Steinzeit-Picasso sein. Da viele hinterlassene Spuren für uns unverständlich und rätselhaft bleiben, sind Archäologen bei der Interpretation der Symbole meist auf Spekulationen angewiesen.

Über den Beginn und die Motivation der »kreativen Explosion« wird in Fachkreisen noch debattiert. Soweit bekannt, stammt ein Großteil prähistorischer Höhlenkunst aus der letzten Phase der Eiszeit, die vor rund 10.000 Jahren endete. Als älteste wissenschaftlich anerkannte Geniestreiche gelten die Höhlen- und Felsbilder in Südfrankreich und Nordspanien. Sie werden auf bis zu 36.000 Jahre datiert. Die ältesten bisher entdeckten afrikanischen Malereien sind hingegen »nur« 25.000 Jahre alt und stammen aus der »Apollo 11 Cave« in Namibia. Das verwundert ein wenig. Müssten die afrikanischen Kunstwerke nicht älter sein als die europäischen? Oder sind sie vorhanden, wurden aber noch nicht entdeckt?

Folgt man der Evolutionstheorie, trat vor höchstens 200.000 Jahren erstmals der Homo sapiens sapiens, der »moderne«, vernunftbegabte Mensch in Erscheinung. Aus Afrika kommend soll er vor etwa 100.000 Jahren ausgezogen sein, um Schritt für Schritt die ganze Welt zu besiedeln. So breitete er sich über den Nahen Osten und den Bosporus kommend westwärts in ganz Europa aus. Die Vertreter der »Out of Africa«-Theorie gehen davon aus, dass beim weltweiten Siegeszug alle anderen Frühmenschen verdrängt wurden und komplett ausstarben. So auch der keineswegs einfältige Neandertaler, dessen direkte Ahnen bereits vor 150.000 Jahren den Raum zwischen dem Nahen Osten und Europa besiedelt hatten. Für seine Ausrottung soll der superkluge »Jetztmensch« nur wenige Jahrtausende benötigt haben. Was die genauen Umstände waren, die dann vor 30.000 Jahren zum plötzlichen Verschwinden des Neandertalers geführt haben, ist bis heute ungeklärt.

Die ältesten anerkannten Funde des europäischen Homo sapiens sapiens stammen aus Rumänien und sind 35.000 Jahre alt – stammen also etwa aus der Epoche der ältesten Höhlenmalereien. In der anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien lagern die in Europa am besten erhaltenen Überreste unseres direkten Vorfahren der Gattung intelligenter »Jetztmensch«. Die Knochen wurden im tschechischen Mladec gefunden und sind nachweislich 31.000 Jahre alt. So weit die offiziellen Fakten.

Wie aber sind jene urzeitlichen Entdeckungen zu beurteilen, die das gängige Weltbild ordentlich durcheinanderwirbeln? Wieso lassen sich in der steinzeitlichen Ära, die oft fälschlich mit rückständig und roh gleichgesetzt wird, erstaunlich fortschrittliche Kenntnisse der Astronomie, Kunst, Religion, Medizin, Mathematik und sogar Vorstufen der Schrift nachweisen? Welche Schlüsse dürfen wir aus diesen teils raffinierten Erfindungen und Entdeckungen prähistorischer Kulturen ziehen? Gab es bereits in der frühen Steinzeit Zivilisationen? Oder sind die Datierungen falsch? Wie glaubwürdig und gesichert sind jene Daten, die uns Prähistoriker zur Vorgeschichte vermitteln? Viele Fragezeichen und Ungereimtheiten machen eines deutlich: Das vertraute Bild über unsere Vergangenheit ist voller »weißer Flecken«. Waren unsere »primitiven« Urahnen viel fortschrittlicher als wir glauben?

Disney-Cartoons in der »Sixtinischen Kapelle der Eiszeit«

Die Schulweisheit lehrt, dass die Entwicklung spezifischer Kenntnisse immer schrittweise erfolgte. Zuerst wurde der Buchdruck erfunden, dann die Schreibmaschine und schließlich der Computer. Immer schön der Reihe nach, niemals umgekehrt. Wer Bilder der bis dato ältesten Wandmalereien in der südfranzösischen Chauvet-Höhle betrachtet, kann leicht zur Auffassung gelangen. dass diese logische Abfolge falsch ist.

Das einzigartige Höhlenwunder liegt in der Nähe der Kleinstadt Vallon-Pont-d’Arc im Tal der Ardèche. Noch während der Eiszeit verschloss ein herabgefallender Felsbrocken den Eingang. Die Grotte blieb für die Außenwelt verschlossen, jedenfalls bis zum 18. Dezember 1994. Der Denkmalpfleger Jean-Marie Chauvet bemerkte bei einem Kontrollgang, dass aus dem schmalen Spalt eines Kalkfelsens ein ungewöhnlicher Luftzug drang. Er alarmierte seine Archäologenfreunde Éliette Brunel Deschamps und Christian Hillaire. Das erfahrene Forschertrio war einen Tag lang mit der Freilegung beschäftigt, bevor der Eintritt in die Unterwelt möglich wurde. Zunächst krochen sie durch einen sieben Meter langen Stollen bis zu einem Schacht, warfen eine Strickleiter hinunter und gelangten ins Zentrum eines urzeitlichen Palais mit gewaltigen Räumen und Gängen. Was die drei Entdecker hier an den Felsmauern zu Gesicht bekamen, verschlug ihnen die Sprache: farbenprächtige Gemälde in dreidimensionaler Wirkung. Sie könnten dem Skizzenblock eines modernen Zeichners entnommen worden sein.

Seither staunen Kunstexperten über die hier angewandte Maltechnik: perspektivische Wiedergaben, naturgetreue Bewegungsabläufe, eine unglaubliche Vielfalt an komplizierten Studien, plastische Formen, niveauvolle Schattierungen mit klarem Bildaufbau. So etwas hatte man den Menschen der Eiszeit niemals zugetraut. Auf Hunderten Wandbildern sind ganze Herden von Pferden, Rentieren oder Auerochsen, sind Löwen und andere Tiere verblüffend dynamisch und lebensecht verewigt worden, so als würden sie jeden Moment aus dem Felsgestein springen. Sie sind von einer derartigen Qualität, dass angenommen werden muss, die Anfänge dieser Kunst reichen viel weiter in die Eiszeit zurück. Denn wie sollten die Meisterwerke plötzlich aus dem Nichts heraus entstanden sein? Der Verstand sagt, es muss künstlerische Vorstufen dazu gegeben haben. Doch davon fehlt – zumindest offiziell – jede Spur. Und was danach folgte, blieb im Vergleich dazu eher bescheiden. Erst die berühmten Malereien von Lascaux im französischen Département Dordogne oder jene von Altamira im spanischen Kantabrien zeigen wieder diese hohe Qualität, sind aber erst rund 20.000 Jahre später entstanden.

Der Öffentlichkeit bleiben die Schätze verwehrt. Selbst autorisierte Archäologen und Kunsthistoriker dürfen sich nur für wenige Stunden im »Bauch der Erde« aufhalten. Man befürchtet, jede Veränderung der Luftfeuchtigkeit könnte zur Zerstörung des steinzeitlichen Bilder-Zoos führen. Die Konfrontation mit unbequemen Fragen, die Besucher beim Betrachten stellen könnten, ist damit freilich ebenso ausgeschlossen. Und Fragen gibt es zur Genüge. Warum umfasst die Bildergalerie fünfzig Wollnashörner, einen Uhu, eine Hyäne, einen Panther und weitere Katzentiere, die in anderen europäischen Höhlen selten oder gar nicht vorkommen? Weshalb wurde in dem fast 8000 Quadratmeter umfassenden Grottensystem kaum jagdbares Getier dargestellt? Ein Bild zeigt ein bizarres Mischwesen mit den Beinen eines Menschen und dem Oberkörper eines europäischen Bisons. Ein anderes ist noch grotesker und erinnert an einen Affen mit dem Kopf eines Rüsseltieres, das statt Füßen »Rollschuhe« trägt. Geschöpfe aus der »Anderswelt«?

Ebenfalls ungeklärt: Wieso blieben bestens geeignete Flächen von Bildern frei? Und was bedeuten die ockerfarbig aufgemalten Abdrücke von Händen, denen einzelne Finger und Fingerglieder fehlen? Sind es Künstlersignaturen, bildhaft gemachte Verstümmelungen oder eine für uns unverständliche Zeichensprache? Die gleichen Fragen tauchen bei abstrakten Symbolen und roten Punkten auf. Handelt es sich um Zeichen für Bilder, die noch folgen sollten, oder sind es bereits Vorläufer einer Schrift?

Die Analyse der Farben brachte noch mehr Erstaunliches ans Licht: Die Genies der Altsteinzeit stellten ihre bunte Malpalette in einem aufwendigen Verfahren her und zauberten mit Pinseln aus Tierhaaren die Bilder an die Felswände. Die Bearbeitungs- und Sprühmethode ist so perfekt, dass sie es mit den Techniken heutiger Pastellmalerei aufnehmen kann. Für unterschiedliche rötliche Farbtöne verwendeten sie zum Beispiel Rötel und Magnetit sowie Ocker, ein Gemisch von Verwitterungsprodukten des Eisenerzes. Mit dem Erhitzen von eisenhaltigem Gestein gelang den Urzeit-Künstlern die Herstellung eines haltbaren, leuchtenden Rots. Damit die Farben besser deckten, setzten sie ihnen Ton, Kalk, Feldspat oder Granit zu. War die Felsoberfläche rau und feucht, wurden Öle, Fette und Harze beigemengt, ebenso mineralhaltiges Wasser, Blut oder Speichel. Für besondere optische Glimmereffekte sorgte zusätzlich fein verteilter Biotit, Katzengold genannt. Diesen Fertigkeiten verdanken selbst die Maler der Gegenwart den Erhalt der meisten Farben. Woher aber bezogen die Eiszeitmenschen dieses umfangreiche Wissen?

Der französische Paläontologe Jean Clottes, der das aus Botanikern, Geologen und Kunsthistorikern bestehende Forschungsprojekt »Grotte Chauvet« leitet, gesteht freimütig: »Diese Malereien haben unsere bisherigen Theorien über den Haufen geworfen und geben der Forschung viele Rätsel auf.« Das hohe Alter und die fortschrittliche Maltechnik stehen »in eklatantem Gegensatz zu allen bisherigen Vorstellungen«, bestätigt sein deutscher Kollege Hansjürgen Müller-Beck vom Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen. Die brisanten Zeichnungen weisen einen einheitlichen Stil auf. »Hier war ein urzeitlicher Leonardo da Vinci am Werk« schwärmen Kunstexperten. Der unbekannte Meister könnte die Wunderwerke allein geschaffen haben, bestenfalls unterstützt durch Kunstschüler. Diese kühne These leitet Jean Clottes aus stilistisch identischen Details einiger Gemälde ab. Doch wo sind die Vorstufen, die zur ausgereiften Fähigkeit führten? Jean Clottes vage These: Der kluge Homo sapiens hat diese Kenntnisse »fertig« aus Afrika mitgebracht und bei seiner Ankunft in Westeuropa vor rund 43.000 Jahren nicht erst mühsam erlernen müssen.

Eine weitere Seltsamkeit lässt vermuten, dass die Höhle kein gewöhnlicher Ort war: Aufgefundene Feuerstellen wurden kaum benutzt. Dies untermauert den Verdacht, dass die reich verzierte Höhle wenig Besucher kannte. Spekuliert wird darüber, ob neben den Höhlenbären vielleicht nur der Meister und seine Gehilfen die Höhle betreten hatten. Erst 6000 Jahre später wagte sich ein Jugendlicher mit seinem Hund ins Innere. Das beweisen ihre Abdrücke im Lehmboden und Kohlemarkierungen, die der Junge mit seiner Fackel an den Höhlenwänden hinterließ. Da haben wir das nächste Zeitparadoxon. Eine Hundepfote vor etwa 25.000 Jahren? Aufgrund der Zehenstellung scheidet ein Wolf als Erklärung aus. Es muss tatsächlich ein Hund gewesen sein. Anhand des Abdrucks ließ sich sogar die Rasse identifizieren: Es war ein »moderner« Schäferhund! Das passt aber überhaupt nicht zur bisherigen Geschichte der Vierbeiner. Die ältesten Knochen vom besten Freund des Menschen sind 14.000 Jahre alt.

Außer den nahezu 500 Zeichen und Tierdarstellungen wurden steinerne Pfeilspitzen und 4000 Knochen von Bären gefunden. Dagegen gibt es nirgendwo in der Höhle einen Mammutknochen, obwohl etliche Abbildungen auch diese Rüsseltiere zeigen. In einem Höhlenabschnitt liegen von Menschen aufgetürmte Steinplatten, die bis zu 150 Kilogramm wiegen. Sie müssen mit enormem Kraftaufwand ins Innere der Höhle geschleift worden sein. Aber wozu? Ein bearbeiteter Steinblock mit einem aufgelegten Bärenschädel gibt den Hinweis. Es könnte der erste Altar der Menschheit gewesen sein.

Dazu passen die Bärenbilder, die an die Wände gezaubert sind. Dennoch irritiert ihr Aussehen: Mit ihren kurzen und manchmal roten Schnauzen wirken sie putzig wie lustige Cartoons. Auch bei anderen Motiven in der Chauvet-Höhle, vor allem bei den Löwen und Pferden, ist eine unterschiedliche Mimik erkennbar. Bei manchen Gesichtern hat man den Eindruck, sie lachen einen an. Dieses rundliche »Kindchenschema« ist bei Comic-Zeichnern ein beliebtes Stilelement. Micky-Maus-Schöpfer Walt Disney (1901–1966) hat es in den 1950er- Jahren populär gemacht und die Trickfilmindustrie verwendet es heute noch gerne.

1:Wie ein Cartoon aus der modernen Trickfilmindustrie: urzeitlicher Bär in der französischenChauvet-Grotte(J.-M. Chauvet, Ministére de la culture et de la communiation,www.culture-gouv.fr.)

Hier schließt eine weitere Charakteristik des Zeichenstils an. Die Linienführung der Umrisse geschah meist ohne Unterbrechung. Ein Student der Kunstakademie, der das Schnellzeichnen beherrscht, hätte es nicht besser geschafft. Der Höhlenexperte Jean Clottes glaubt, dass die Steinzeitgenies für ein Bild nicht länger als ein paar Minuten benötigt haben. Selbst anspruchsvolle Gemälde, bei denen die Maler mit verwischter Kohle arbeiteten, den Untergrund vorbehandelten und die Konturen teilweise mit Gravuren herausarbeiteten, wurden ruck, zuck vollendet.

Nicht nur Tiere, auch Menschen wurden bereits in der Eiszeit meisterhaft karikiert. Das zeigen rund 1500 Kalksteinplättchen, die 1937 in der Grotte de la Marche in der südfranzösischen Gemeinde Lussac-les-Châteaux, 40 Kilometer südöstlich von Poitiers gelegen, aufgefunden wurden. Der Amateurforscher Léon Péricard und der Prähistoriker Stéphane Lwoff widmeten sich fünf Jahre lang der Erforschung dieser prähistorischen »Witzefabrik« und dokumentierten 1941 ihre Entdeckungen in einer wissenschaftlichen Studie. Darin wird neben unverdächtigen Funden, wie etwa steinzeitlichen Werkzeugen, auch die kuriose Comic-Galerie mit Fotos, Abgüssen und Objektbeschreibungen akribisch aufgelistet: Sie zeigen unterschiedliche Menschentypen, teils in modischen Kleidern und mit lustigen Gesichtern. Die Objekte haben nicht das hohe Alter der Chauvet-Malereien, aber mit 16.000 Jahren passen sie trotzdem nicht ins Bild der Vorzeit. Die Fachwelt hat die Artefakte deshalb nicht ernst genommen und sie verschwanden großteils im Fundus des Musée de l’Homme in Paris und im Musée de Préhistoire in Lussac-les-Châteaux.

2:Titelseite einer wissenschaftlichen Arbeit zu den La- Marche-Höhlen-Karikaturen aus dem Jahre 1944 von Stéphane Lwoff.

(Bild: ArchivReinhard Habeck)

Nach über siebzig Jahren sind die »Leichen« nun endlich aus dem Kellerarchiv geholt worden. Ein Wissenschaftler, Nicolas Mélard, hat sich der Causa angenommen und hält es für wahrscheinlich, dass die gravierten Täfelchen trotz der irrwitzigen Motive authentisch sind. Für die Echtheit spricht: In den Jahren 1988 bis 1993 wurden bei Freilegungen in der Grotte La Marche weitere Darstellungen gefunden, die menschliche Antlitze zeigen. Zu den Fragen im Karikaturenkrimi soll »demnächst eine neue wissenschaftliche Studie Gewissheit bringen«, verspricht der französische Forscher.

Der Datierungs-Disput

Utopische Höhlenkunst? Unglaublich, aber wahr? Völlig auszuschließen ist es nicht, dass sich jemand einen Scherz mit der Wissenschaft erlaubt hat. Aber der Eindruck einer Fälschung ist immer dann gegeben, wenn bedeutende Entdeckungen gängige Lehren auf den Kopf stellen. Das war bei der 5300 Jahre alten Gletschermumie »Ötzi« vom Tiroler Hauslabjoch der Fall oder bei der 3600 Jahre alten »Himmelsscheibe von Nebra« aus Sachsen-Anhalt und gilt freilich genauso für die modern anmutenden Höhlenmalereien der Ardèche. In der Höhle von Chauvet spricht aber allein schon die mineralische Ablagerung der Farbaufträge gegen eine Manipulation.

Eine aufmüpfige These hat der deutsche Darwin-Kritiker Hans-Joachim Zillmer anzubieten. Er hält die Steinzeitkunst zwar für echt, bezweifelt aber ihr hohes Alter. Die 800.000 Jahre umfassende Zeitspanne von der Entwicklung des Homo erectus über den Neandertaler bis zur Gegenwart schrumpfen bei Zillmer auf höchstens 5000 Jahre. Indizien für diese kühne Behauptung erkennt der Forscher in der seiner Meinung nach fehlerhaften Datierung geologischer Schichten. Zillmer verweist auf das Beispiel der Vogelherd-Höhle in Baden-Württemberg mit ihren acht Fundschichten aus der mittleren und jüngeren Altsteinzeit. Hier wurden 1931 die ältesten aus Mammutelfenbein geschnitzten Tierplastiken in Europa gefunden, denen ein Alter von 32.000 Jahren zugewiesen wird. In den gleichen Schichten wurden auch Menschenknochen entdeckt, die ebenfalls aus der Eiszeitepoche stammen müssten. Ein am 8. Juli 2008 erschienener Bericht im Fachblatt Nature nennt dazu die Daten gemäß der Radiokarbon-Datierung. Das Ergebnis widerspricht der bisherigen Auffassung: Die untersuchten Knochenfragmente sind keineswegs 32.000 Jahre alt, sondern haben bestenfalls fünf Jahrtausende am Buckel. Der altsteinzeitliche Schädel entpuppte sich als moderner Mensch der Jungsteinzeit.

Hans-Joachim Zillmer folgert daraus, dass auch die aufgefundenen Kunstwerke aus viel jüngeren Epochen stammen müssten. Seine Begründung: »Die Ablagerungen in der Vogelherd-Höhle sind ungefähr 2,40 Meter dick, wobei die unterste Schicht über 350.000 Jahre alt sein soll. In etwa 1,50 Meter Tiefe liegt die Grenze des älteren Aurignaciens (Schicht V) mit einem Alter von nur 30.000 Jahren. Wenn man jetzt das Alter dieser Schicht V (= älteres Aurignacien) anhand des Schädelfundes von 32.000 Jahren auf 3900 bis 5000 Jahre reduziert, werden auch die darüber liegenden geologischen Schichten entsprechend jünger. Eigentlich sollte die oberste Schicht (Schicht I) bereits 4500 Jahre alt sein und zur Jungsteinzeit gehören. Die Schichten II bis IV müssen entsprechend auch als wesentlich jünger angegeben werden.«

Nach Zillmers Vorstellung können auch für die restlichen unteren 90 Zentimeter (unter der zu verjüngenden Schicht V) nicht weit über 300.000 Jahre veranschlagt werden. »Alle Schichten zusammen entsprechen eher einem Alter von nur 5000 Jahren«, erklärt Zillmer und glaubt, dass auch der moderne Mensch gemäß diesem alternativen Zeitmodell erst wenige Tausend Jahre alt ist.

Abenteuerliche Überlegungen eines übereifrigen »Schichtarbeiters«? Oder ist die erdgeschichtliche Zeitskala der Menschheit tatsächlich eine Illusion? Für Laien ist es schwer, den Wahrheitsgehalt vorgebrachter Thesen zu überprüfen. Faktum ist aber, dass es grobe Ungereimtheiten bei Datierungen gibt, die zur Verunsicherung beitragen. Die zentrale Frage lautet: Wie präzise sind die wissenschaftlichen Methoden zur Bestimmung des absoluten Alters archäologischer Fundstücke?

Die C-14-Methode (Radiokarbon-Datierung) ist die am meisten angewendete Technik, etwa bei Fossilien durch Ermittlung ihres Gehalts an radioaktivem Kohlenstoff. Lebewesen tauschen über ihren Stoffwechsel mit der Atmosphäre ständig Kohlenstoff aus, sodass in ihrem Körper dasselbe Isotopen-Verhältnis vorliegt wie in der Luft. Erst nach dem Tode nimmt im Organismus der radioaktive C-14-Gehalt konstant ab und beträgt nach 5730 Jahren nur noch die Hälfte des Ausgangswertes. Altertumsforscher bezeichnen diesen Vorgang als »Halbwertszeit«. Nach 11.460 Jahren ist nur noch ein Viertel der ursprünglichen Menge vorhanden. Nach 50.000 Jahren sind es kaum noch messbare Reste, die aber durch Spezialtechniken noch bis zu 70.000 Jahren bestimmt werden können.

Die Tücke bei der Sache: Verunreinigungen mit neuzeitlichem Kohlenstoff, etwa durch eingesickertes Grundwasser, können die Datierungen verfälschen. Eine weiterte Fehlerquelle sind die über die Jahrtausende veränderten Kohlenstoffkonzentrationen in der Atmosphäre, von denen man früher annahm, sie wären immer gleich. Seit einigen Jahren liegen verbesserte Radikarbon-Methoden vor, die gerade im frühen Datierungsbereich wesentlich zuverlässiger sind. So gelang es Physikern, die Präparierung von Knochenmaterial zu optimieren und Verunreinigungen mit »modernem« Kohlenstoff aus den Proben zu entfernen. Gleichzeitig führte eine Analyse von Tiefseesedimenten zu einer genauen Rekonstruktion der atmosphärischen Kohlenstoffverhältnisse der letzten 50.000 Jahre. Mit diesen neuen Erkenntnissen wurden ursprüngliche Radiokarbon-Datierungen überprüft. Dabei gab es einige Überraschungen: Nach den korrigierten Daten fand die Einwanderung des »modernen« Homo sapiens nach Europa bereits vor 46.000 Jahren statt und vollzog sich in nur 5000 Jahren. Auch die urzeitlichen »Disney-Cartoons« aus der Chauvet-Grotte wurden mit der verbesserten Methodik überprüft. Das Ergebnis ist eindeutig: Die »modernen« Kunstwerke entstanden bereits vor 36.000 Jahren und sind damit um 5000 Jahre älter als bisher angenommen!

Schon Pablo Picasso (1881–1973) erkannte beim packenden Anblick der eiszeitlichen Höhlenmalereien von Lascaux in Südfrankreich: »Uns ist nichts Neues eingefallen!«

Koexistenz von Dinosaurier und Mensch?

Alles schon da gewesen? Was tun mit den vielen irregulären Hinterlassenschaften aus grauer Vorzeit, die wegen ihrer Charakteristik oder Altersdatierung nicht ins bekannte Schema passen? Man kann sie ignorieren, ihre Herkunft bezweifeln, sie als Zufälligkeiten und Launen der Natur abtun oder einen Betrug unterstellen. Mag sein, dass einige dieser archäologischen Anomalien eine banale Aufklärung finden. Der Gesamtkomplex des Problems kann damit sicherlich nicht gelöst werden. Schon die Vielzahl der mysteriösen Funde spricht dagegen.

Eines der skurrilsten Exponate aus der Erdgeschichte: ein Schuhsohlenabdruck, der 1968 im amerikanischen Bundesstaat Utah entdeckt wurde. Seine in eine Schieferplatte eingefasste Länge misst 32,5 Zentimeter, die Breite 11,3 Zentimeter. Das eigentliche Kuriosum ist ein Detail am Rande der Fußsohle. Dort ist deutlich ein zertretener Trilobit sichtbar, ein urzeitliches Krebstier. Somit scheidet eine ungewohnte zufällige Felsbildung als natürliche Ursache aus. Die Verwirrung bleibt: Trilobiten lebten vor 570 Millionen Jahren. Spätestens mit Beginn der Dinosaurier-Ära, vor etwa 230 Millionen Jahren, starben sie aus – folglich müsste der Abdruck älter als dieses Datum sein. Nach der Evolutionstheorie und den konventionellen erdgeschichtlichen Zeitbestimmungen kann es einen derartigen Abdruck nicht geben. Es gilt als unmöglich, dass zur damaligen Zeit Menschen existiert haben könnten, wo doch noch nicht einmal Säugetiere, sondern nur Leben im Meer in Form von wirbellosen Kreaturen vorhanden war. Folglich kann es sich nur um eine »Fälschung« handeln, sagen Wissenschaftler. Das Finderduo, das Ehepaar Mabel und William J. Meister, ist inzwischen verstorben. Doch der Abdruck existiert und liegt heute im Creation Evidence Museum in Glen Rose, Texas, USA. Dort kann er inmitten anderer unmöglicher Dinge, etwa einem fossilen Hammer oder einem angeblich mehrere Millionen Jahre alten Eisenbecher, bestaunt und überprüft werden. (Siehe Farbteil, Bild 19)

Da stellt sich die Frage nach dem Ursprung. Wann hat sich der blitzgescheite Mensch entwickelt? Die Funde bei Laetioli im afrikanischen Tansania zählen zu den ältesten anerkannten Fußspuren des Vormenschen. Sie wurden 1976 von der britischen Paläontologin Mary Leakey (1913–1996) entdeckt. 3,5 Millionen Jahre zuvor hatten sich die Fußabdrücke eines menschlichen Urahns in vulkanischer Asche eingeprägt. Was nicht mit der traditionellen Weltanschauung harmoniert: menschliche Spuren in Epochen und an Orten, wo sie nichts verloren haben. So machten britische Archäologen im Jahre 2005 südlich von Mexiko-City eine überraschende Entdeckung: In einem stillgelegten Steinbruch, nahe dem Vulkan Cerro Toluquilla, stießen die Forscher auf Menschenfährten, die rund 40.000 Jahre alt sind. Damit müsste die Geschichte Amerikas neu geschrieben werden. Denn bisher ging die Fachwelt davon aus, dass die ersten Siedler den Kontinent am Ende der Eiszeit über eine Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska erreichten. Dagegen vermuten Vertreter der »Küsten-Migrations-Theorie« schon länger, dass die ersten Einwanderer Amerika in Booten erreichten.

Nicht weniger kontrovers sind die prähistorischen Artefakte aus der mexikanischen Ortschaft Hueyatlaco. In den 1960er-Jahren kamen dort, 120 Kilometer südlich von Mexiko-City, unter einer zehn Meter dicken Sedimentschicht Steinwerkzeuge zum Vorschein, die der Herstellungsart des modernen Homo sapiens entsprechen. Irregulär ist aber ihr Alter: 250.000 Jahre. Welcher unbekannte Menschentyp soll sie damals im angeblich unbesiedelten Altamerika hergestellt haben?

Die gleichen Fragen werfen nordamerikanische Funde im Flussbett des Kaw River bei Kansas City auf. Geologen datieren ihr Alter auf bis zu 200.000 Jahre. Noch mysteriöser ist ein menschlicher Fußabdruck in einer sieben Millionen Jahre alten Gesteinsschicht in Bolivien. Der Archäologe Roberto Hidalgo fand ihn vor wenigen Jahren in der Umgebung des Ortes Jesús de Machaca in der Nähe des Titicacasees auf dem bolivianischen Altiplano. Der Anthropologe Villamor Encinas erstellte mit Kollegen ein Gutachten, aus dem hervorgeht, dass der Abdruck von einem »modernen Menschen« stammen muss, »mit stabilem, aufrechtem Gang«. Das Paradoxe: Zu diesem Zeitpunkt gab es dort weit und breit keine Menschen, versichern Paläontologen. (Siehe Farbteil, Bild 20)

Heftig umstritten sind auch die Spuren in einem ausgetrockneten Flussbett des Paluxy River in der Nähe von Glen Rose in Texas. Sie wurden nach einer Springflut im Jahre 1908 freigelegt und zeigen Saurierfährten und menschliche Fußspuren in denselben geologischen Schichten. Unserem Wissenstand zufolge ist es völlig ausgeschlossen, dass sich Dinosaurier und Menschen jemals begegnet sind. Laut Evolutionstheorie endete das Zeitalter der Riesenechsen nach einer globalen Klimakatastrophe vor 65 Millionen Jahren. Wäre es denkbar, dass Exemplare überlebt haben? Dem urzeitlichen »Quastenflosser« aus der Familie der Coelacanthidae ist diese Hexerei geglückt. Er tauchte erstmals vor 450 Millionen Jahren auf und galt seit 70 Millionen Jahren als ausgestorben. Bis zum Jahre 1938, als ein Exemplar im Indischen Ozean gefangen wurde. Aber erst 1987 gelang es einer deutschen Forschergruppe, das lebende Fossil in seinem natürlichen Lebensraum vor den Komoren zu filmen. Warum sollten nicht ebenso andere Krypto-Tiere das Unmögliche geschafft haben? Auffällige Hinweise finden sich seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die jüngste Vergangenheit.