Bin ich psycho ... oder geht das von alleine weg? - Josef Aldenhoff - E-Book

Bin ich psycho ... oder geht das von alleine weg? E-Book

Josef Aldenhoff

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Beschreibung

Schlaflosigkeit, Burn-out, Depression – wo verläuft die Grenzlinie zwischen einer vorübergehenden Stimmung und einer ernsthaften Krankheit?

Allzu oft ist uns die Seele ein Buch mit sieben Siegeln. Wir empfinden ihre Reaktionen auf die vielfältigen Anforderungen unseres Lebens als Zumutung und staunen, dass sie sich in starken Gefühlen äußert, die verunsichern und uns aus der Bahn werfen können. Ist das alles normal? Geht es von selbst wieder weg? Bin ich krank?
Fragen, die für den erfahrenen Psychiater und Therapeuten Josef Aldenhoff Alltag sind. In seinem Wegweiser durch das Labyrinth unserer Seelenzustände erläutert er Empfindungen, die sich zu Depressionen, Sucht, Panik oder Traumata auswachsen können. Er erklärt, was man über ihre Entstehung weiß und wie man Abhilfe finden kann. Unverblümt, realistisch und mit einem Hauch (Selbst-)Ironie vermittelt er notwendiges Wissen und Vertrauen in die seelischen Selbstheilungskräfte. Der Autor ermutigt dazu, heftige Emotionen und psychische Störungen ohne Tabu als Teil unseres Lebens anzunehmen.

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Seitenzahl: 432

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Josef Aldenhoff

Bin ich psycho …

oder geht das von alleine weg?

Erste Hilfe für die Seele

C. Bertelsmann

1. Auflage

© 2014 by C. Bertelsmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: buxdesign, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-13060-2www.cbertelsmann.de

Inhalt

Die Seele ist eine Zumutung

Ein uralter Begleiter – die Angst

Bin ich subjektiv oder objektiv – gesund oder krank?

Der übliche Blues – oder eine Depression?

Als junge Mutter depressiv?

Nimm Dir das Leben! – Suizidalität

Endlich fliegen! – Bipolar?

Brauchen Sie einen Arzt?

Eingebildet krank? – Somatoforme Störung

Es ist (fast) alles im Kopf – Schmerz

Do not harm!

Keine gute Nacht – Schlafstörungen

Ist das Leben zu zweit leichter? – Paarprobleme

Zu dick, zu dünn – wie kompliziert kann essen sein?

Das Licht kommt vom Ende – Alter als Chance

Brauchen – missbrauchen – abhängig werden

Von der Krankschreibung bis zum § 63 – Selbstverständlichkeiten oder juristische Fallstricke?

Über die Vor- und Nachteile des Denkens

Wie funktioniert das mit der Therapie?

Seelenverwundungen – Traumatisierung ist nicht selten

Seele & Co. – Respekt vor uns selbst

Dank

Glossar

Medikamentenübersicht

Literaturhinweise

Sachregister

Für Uli und für Lilian, Lara, Anna-Lena und Johannes

Die Seele ist eine Zumutung

Geht es Ihnen eigentlich gut – oder sind Sie sich nicht so sicher?

Die Statistiken zumindest sind evident: Immer mehr Menschen haben seelische Probleme und suchen deswegen Hilfe. Das ist auf jeden Fall besser, als einsam vor sich hin zu leiden und schließlich bei Alkohol, Tabletten oder Selbstmord zu landen. Es wird allerdings auch diskutiert, dass Psychiater und Pharma-Industrie gerne bedrohliche Elefanten aus harmlosen Mücken machen, um sich und teure Medikamente gut an Sie zu verkaufen. Und wenn Sie sich tatsächlich aufraffen und mit einem Fachmann/einer Fachfrau sprechen wollen, dann finden Sie als Kassenpatient in der Regel keinen, der schnell Zeit für Sie hat.

Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.

Als schnelle Orientierung: was Sie von schwierigen neuen Gefühlen und Gedanken zu halten haben, ob diese eine normale Reaktion auf eine vielleicht von Ihnen selbst herbeigeführte Lebenssituation sind, oder ob Sie tatsächlich zu einem Fachmann/einer Fachfrau gehen sollten, wobei das eine das andere nicht ausschließt.Als gut verständliche Information: über Störungen und ihre Behandlungsmöglichkeiten – nicht für den Experten, sondern für die Betroffenen. Als meine persönliche Empfehlung an Sie: welche Therapien ich auf Grund meiner Erfahrung als Therapeut und Psychiater – gegebenenfalls auch für mich selbst – für sinnvoll erachte.Als erste Hilfestellung: wenn Sie in Not sind und an den abweisenden Terminkalendern von Ärzten zu scheitern drohen.

Wir kennen uns schlecht

Obwohl ich fast vierzig Jahre als Psychiater, Psychotherapeut und Neurobiologe tätig bin, staune ich immer noch, wie wenig der Einzelne als möglicher Betroffener über die grundlegenden Reaktionsformen der Seele weiß und wie deutlich psychische Störungen in der Gesellschaft ignoriert und auch sanktioniert werden. Und ich wundere mich, wie wenig Vertrauen wir in unsere Reaktionen haben: Ist es nicht logisch, dass wir Menschen von traurigen wie schönen Ereignissen beeinflusst werden? Ist Angst nicht ein tief in jedem Lebewesen verankertes und überlebensnotwendiges Zeichen der Warnung? Was ist wichtig, damit wir uns im Altern wohlfühlen? Wie reagiert meine Seele, wenn sie verletzt wird? Wie funktioniert das mit der Liebe? Und wann beginnt Störung? Wann werden wir krank?

Als »Profi« habe ich in der Vergangenheit viele Erklärungen aus Fachbüchern übernommen, um allerdings immer häufiger, manchmal schon bei »einfachen« Aufklärungsgesprächen, zu merken, dass die Sicht des Betroffenen sich anders darstellt und anfühlt. Und mit Depression und Angst kenne ich mich nicht nur als Fachmann aus. Ich selbst habe im Rahmen der Ausbildung Psychotherapien gemacht, aber auch einige Male, weil ich es persönlich für nötig hielt. Diese meine Therapie-Eindrücke sind auch in die Überlegungen dieses Buches eingeflossen.

Nichts ist so persönlich wie unsere Seele. Und von nichts scheinen wir so wenig zu verstehen. Mit dem Körper ist es etwas besser; wir lernen ihn im Laufe unsres Lebens allmählich kennen, merken, wie er reagiert, wenn wir ihm etwas zumuten – Alkohol oder Marathonläufe.

Die Seele aber ist eine Zumutung. Jeden Morgen aufs Neue. Die Befindlichkeit vom Abend vorher ist verschwunden, nicht mehr abrufbar, Sie sind in einem neuen Zustand. Stabilere Phasen wechseln sich ab mit Zeiten, in denen Sie dünnhäutig, sensibel sind und sich verwundbar fühlen. Das ist normal.

Normal?

Damit sind wir schon im Zentrum des Geschehens. Die Frage, ob das, was Sie empfinden, denken, wahrnehmen, normal ist, noch normal ist, bildet das Zentrum dieses Buchs. Und was zu tun wäre, wenn die Antwort »nein« hieße.

Normalität hat zwei Seiten:

Die eine ist unmittelbar erlebbar. Wahrnehmungen, Gefühle, Denken sind so wie immer, wir befinden uns in unserer persönlichen Norm. Oder irgendetwas fühlt sich anders an. Solche Abweichungen können uns manchmal glücklich machen, etwas Neues, Überraschendes ist in unser Leben getreten; überwiegend aber irritieren uns solche Veränderungen. Ich will Ihnen in diesem Buch Hilfestellungen geben, wie Sie mit Ihren ganz persönlichen Abweichungen von der Norm umgehen könnten. Warum sind sie oft so beunruhigend? Weil unser oberstes Ziel die Kontrolle über uns selbst ist. Wir wollen uns im Griff haben, aber merken auf Schritt und Tritt, dass das allenfalls ansatzweise und sehr häufig gar nicht funktioniert. Es gibt Menschen, die sich wegen dieser fehlenden »Selbstdisziplin« fertig machen – was das Selbstgefühl verschlechtert, ohne die Kontrolle zu verbessern. Warum können wir unsere Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken so wenig kontrollieren? Wir denken linear, und so sind auch die Erwartungen an uns selbst: Eines soll auf das andere folgen, jede Handlung ihre Konsequenz haben; wir glauben an einfache Kausalitäten. Wer alles richtig macht, wird belohnt. Es gibt doch Regeln, oder? Eher oder! Denn unser lineares Denken ist ein letztlich untauglicher Versuch, mit dem umzugehen, was unser Gehirn macht. Das ist hoch komplex. Komplex ist ein Begriff aus den Systemwissenschaften, der unter anderem besagt, dass das Verhalten eines Systems nicht präzise vorhersagbar ist. Wie das Wetter. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie sich klar machen, dass die plötzlich hinter den Bergen des Chiemgaus auftauchende Gewitterfront im Vergleich zu den Vorgängen in Ihrem Zentralnervensystem prognostisch relativ schlicht und überschaubar ist. Soweit zu unserer persönlichen Normalität.

Die andere Seite der Normalität beschreibt, ob Sie – noch – in die Normen der anderen, Ihrer Umgebung, der Familie, der Kollegen, der Gesellschaft passen. Sind Sie wie alle, oder weichen Sie ab und fallen damit plötzlich auf? Und wenn Sie abweichen, schaffen Sie es, das als interessante Individualität erscheinen zu lassen, oder wird es Ihnen als stigmatisierende Macke ausgelegt, mit den entsprechenden Folgen? Die Antwort bekommen Sie nur durch die Reaktionen der Anderen und wundern sich. Das ist Ihnen nicht geheuer, denn Sie wissen und haben vielleicht schon erlebt, die Anderen tolerieren Anderssein nur sehr bedingt, manchmal in ritualisierter Form, im religiösen Kontext, manchmal als gerade noch tolerierbare Folge von Alkohol. Normabweichungen, wie sie bei seelischen Störungen auftreten, werden sehr unterschiedlich wahrgenommen: Depressive Störungen werden oft über Jahre nicht erkannt, der Betroffene und seine Umgebung denken, diese reduzierte Freude, der maue Antrieb seien Teil der Persönlichkeit; manisches oder psychotisches Verhalten fällt dagegen auf und wird entsprechend geahndet. Sie dürfen in Gesellschaft regelmäßig zu viel trinken, wenn es die anderen auch tun, aber sobald Sie sich eine Kokainlinie legen oder Ihre Heroinspritze auspacken, finden Sie sich schnell außerhalb der Burgmauern der Normalität wieder und nicht zuletzt auch außerhalb der Legalität. Mit heftigen Folgen!

Wenn Sie die möglichen rechtlichen Konsequenzen Ihres »anderen« Verhaltens berücksichtigen, werden Sie sich Ihre Selbstständigkeit besser bewahren können, eher Frau/Herr Ihrer selbst bleiben, als wenn Sie den Kopf in den Sand stecken und plötzlich feststellen, dass Sie gegen Ihren Willen in eine psychiatrische Station eingewiesen wurden (siehe »Von der Krankschreibung bis zum § 63«).

Wie könnten Sie herausfinden, ob Sie therapeutisch etwas für sich tun sollten, ein Medikament nehmen, eine Psychotherapie machen?

Es gibt ein paar Hinweise. Sie sind nicht allumfassend, helfen aber weiter.

Der Schlaf: Die meisten seelischen Störungen werden von Schlafstörungen begleitet, beziehungsweise die Schlafstörungen gehen ihnen voraus. Meistens ist es ein morgendliches Früherwachen, zwei bis drei Stunden vor der normalen Aufwachzeit, manchmal sind es auch Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. Wenn diese Phänomene gelegentlich auftreten, liegt es in der Grauzone der Normalität, wenn Sie über Wochen und Monate schlecht schlafen, sollten Sie dringend etwas dagegen tun.Nach dem Aufwachen ist alles grau, oder Sie haben jeden Tag Angst.Sie stellen seit einiger Zeit fest, dass entweder Sie oder Ihre Umwelt sich verändert haben, Ihre Gefühle sind grundsätzlich anders als vor Wochen oder Monaten, seltener vor Jahren.Sie leiden an Ihrer Umwelt und/oder an sich, akut oder schon seit langer Zeit.

Vor allem der letzte Punkt ist entscheidend.

Wird es von selbst wieder gut?

Das ist die Millionenfrage, und Ihre Antwort entscheidet oft tatsächlich über Wohl und Wehe. Befindlichkeitsschwankungen sind normal und vergehen in der Regel bald wieder; seltener können sie in seelische Störungen übergehen, die wiederum spontan abklingen, aber auch dauerhaft werden können. Nach allem, was wir wissen, ist unser Gehirn ein sich selbst organisierendes System, das über viele stabilisierende Mechanismen verfügt. Wobei eine solche Stabilisierung nicht Gesundheit bedeuten muss, denn sie kann auf krankhaftem Niveau erfolgen.

Abwarten kann eine Tugend sein, aber auch der Anfang vom Ende, wenn das Warten nicht zu einer Besserung führt, sondern zur Stabilisierung im Kranken.

Ein Beispiel: Als die 80-jährige Dame ihren schweren Suizidversuch dank der modernen Intensivmedizin überlebt hatte, fragte ich sie, warum sie denn in ihrem Alter, in dem einem das Leben ja ohnehin nicht mehr unbegrenzt erscheint, noch auf solche Ideen käme. »Ich ertrage diesen Mann nicht mehr, er sieht nur fern und redet nicht mit mir.« Sie bestätigte meine Vermutung, dass dies nicht erst in den letzten Wochen so war, sondern schon in den letzten zwanzig Jahren. Sie habe aber lange geglaubt, es werde von selbst besser.

Gerade im zwischenmenschlichen Bereich stabilisieren sich zwei nicht mehr gut kommunizierende Systeme oft auf dem denkbar niedrigsten Niveau. Mit sechzig kann man noch eine Paartherapie machen. Oder sich trennen. Mit achtzig schafft das kaum noch jemand.

Was uns krank macht, kann unser normaler Lebensstil sein, dessen Pathologie uns nicht bewusst ist.

Ein Beispiel: Eine Depression ist eine behandlungspflichtige Krankheit, so würden die meisten Psychiater sagen. Sie können Ihre Depression – jede ist anders – aber auch als eine Reaktion Ihres Systems verstehen, das die beruflichen und emotionalen Überforderungen, die Sie sich ständig zumuten, nicht mehr bewältigen kann und deswegen in den Schongang schaltet: Sie haben keinen Antrieb mehr, um sich weiter zu überfordern, Ihre geistige Kapazität, die Sie brauchen, um besser als die Anderen zu sein – warum eigentlich? –, wird runtergeschaltet, Ihre emotionale Schwingungsfähigkeit, die Ihnen hilft, in Ihrem sozialen Umfeld zu brillieren, lässt nach. Sie werden gnadenlos vom sich ständig beweisen wollenden Alpha-Männchen auf den Gamma-Zeitgenossen reduziert, der das Leben nur noch im langsamsten Schongang hin bekommt. Mancher glaubt, diese Verminderung nicht mehr mit seinem Leben vereinbaren zu können.

Erkennen Sie diese Signale intuitiv und schonen Sie sich, so kann sich Ihr System spontan regenerieren, und Sie werden wieder der Alte. Das wäre dann eine Spontanheilung. Weil Sie aber den zugrunde liegenden Mechanismus nicht durchschauen – er ist Ihnen ja nicht bewusst –, gehen Sie sofort wieder in die alte Rolle hinein und bekommen einen Rückfall, mit deutlich schwereren Symptomen.

In dieser Situation wäre die Hoffnung auf den positiven Spontanverlauf ein Verhängnis; ein Medikament bekäme die Depression weg, aber erst durch eine störungsspezifische Psychotherapie werden Sie lernen, wie Sie Ihren Lebensstil ändern müssen. So Sie das wollen.

Es gibt Spontanverläufe, aber wir sollten unser Vertrauen darauf nicht als Vorwand nehmen, uns nicht mit uns selbst auseinanderzusetzen.

Manche sind sensibler als andere – was kein Nachteil sein muss

Jeder bringt eine bestimmte Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten mit; der eine hält mehr aus als der andere. Modern nennt man das Resilienz. Sie hängt von den Genen und von Ihren Erfahrungen im Umgang mit Belastungsfaktoren ab. Allerdings ist Resilienz ein Konzept, von dem Sie selbst zunächst nicht so viel profitieren, weil Sie erst, wenn Sie krank sind, merken, dass Ihre Resilienz nicht ausgereicht hat. Dann müssten Sie das Konzept ändern und Hilfe annehmen. Wenn Sie zu sehr in Ihre ach so tolle Resilienz verliebt sind, kann das schwierig werden. Mehr haben Sie davon, wenn Sie Ihre Krankheit zu ergründen versuchen, Ihre persönlichen Empfindlichkeiten entdecken und akzeptieren (!), um sich schließlich zu überlegen, wie Sie damit umgehen könnten. Vielleicht bräuchten Sie eher unterstützende als aufregende Partner, auch wenn es Sie zu Letzteren hinzieht; vielleicht sind Sie doch nicht der Typ, der seine Karriere über Überstunden und Schlafmangel anschieben sollte; vielleicht brauchen Sie am Wochenende eher Ruhe als das anspruchsvolle Freizeitprogramm mit Freunden, von dem Sie sich eigentlich im Arbeitsprozess erst wieder erholen sollten.

Oft ist unser Umgang mit Stress die eigentliche Grundlage unserer Widerstandsfähigkeit gegen Krankheit. Das Reden vom »Stress« ist so alltäglich geworden, dass wir übersehen, welch zentrale Rolle die vielfältigen und höchst differenzierten Verarbeitungsmechanismen von Stress bei der Entstehung von Krankheiten spielen: Angst und Depression sind Stresserkrankungen, Abhängigkeit kann ein verfehlter Versuch der Stressabwehr sein, Stress kann genetisch angelegte, aber bislang friedlich vor sich hin schlummernde Empfindlichkeiten für Psychosen aufwecken. Antistress-Medikamente warten immer noch auf ihre klinische Erprobung, aber immerhin wissen wir, dass Antistress-Meditation einen allgemein stabilisierenden Effekt hat.

In der Prognose sind wir Mediziner richtig schlecht. Das sollten Sie wissen. Wir können nicht voraussagen, wann ein Schwerkranker sterben wird, wie lange eine Depression noch dauern wird, ob eine akute Psychose zu einer chronischen wird oder abheilt, ob Sie Ihre Angststörung überwinden oder deswegen berentet werden. Am wenigsten Ahnung haben wir von allem, was noch im Bereich der Gesundheit oder in der Grauzone des Krankheitsbeginns liegt. Wir werden umso sicherer, je mehr Symptome tatsächlich vorhanden sind. Natürlich gibt es Näherungswerte, und es gibt Erfahrung. Ein Arzt mit 30-jähriger Berufserfahrung ist im günstigen Fall im statistischen Mittelwert seiner Prognosen besser als ein Anfänger; doch es wäre vermessen, daraus abzuleiten, dass er den Verlauf im Einzelfall exakt voraussagen kann. Wenig clever wäre aber auch, wenn Sie für sich selbst immer wieder den Einzelfall einfordern, der entgegen aller medizinischen Einschätzung ganz toll verlaufen wird, ohne dass Sie etwas für sich tun. Passieren kann das – aber eher selten.

Angesichts der wunderbaren Undurchschaubarkeit unseres Gehirns wäre bei all dem für beide Seiten, Patienten wie Therapeuten, eine so unzeitgemäße Haltung wie Demut durchaus angemessen.

Nicht jeder, der seltsame Gefühle hat, ist therapiebedürftig. Und wenn einer nicht weiter weiß, muss es nicht immer gleich die »große« Psychotherapie sein; ein schlafanstoßendes Antidepressivum und ein paar Stunden Beratung bringen auch schon ganz schön was. Vielen reicht ein bisschen mehr Wissen über sich selbst aus, um sich wieder mit sich zu arrangieren. Manche mögen mit diesem Buch auch ihren hypochondrischen Neigungen nachspüren, ohne gleich die Wartezimmer zu verstopfen. Für andere wiederum kann dieses Buch eine Hinführung sein, sich endlich um sich selber zu kümmern. Die subjektive Entscheidung für eine Behandlung, eine Therapie ist wichtig für das Ergebnis. Aber sie sollte heutzutage, wenn möglich, auch auf der Grundlage wissenschaftlicher Evidenz erfolgen. Deshalb ist der Dialog zwischen Betroffenem und Profi so wichtig: Jeder muss das Seine beitragen, wenn aus der Behandlung etwas werden soll. Das geht nur, wenn beide sich verstehen. Zu diesem Verständnis will ich mit diesem Buch einen Beitrag leisten.

Viele sagen, dass unser Gesundheitssystem in eine Krise hineinschlittere, zutreffender ist wohl, dass es schon tief drin steckt. Zur Abhilfe werden alle möglichen Rezepte diskutiert. Ich bin überzeugt, dass diese nur dann funktionieren werden, wenn das Interesse und die persönlichen Bedürfnisse des Einzelnen dabei im Mittelpunkt stehen:

Es geht um Sie!

Im Aufbau der einzelnen Kapitel dieses Buches beginne ich mit der Innenansicht des persönlichen Erlebens seelischer Probleme. Danach biete ich Erklärungsmodelle, die das Verständnis verbessern können, und schließlich diskutiere ich, ob und wann man etwas tun sollte. Ich habe mich bemüht, die Behandlungsmöglichkeiten so darzustellen, dass jeder selbst entscheiden kann, welchen Weg er gehen will. Um die offizielle diagnostische Klassifikation – die DSM V ist ja derzeit in erstaunlich vielen Mündern – , kümmere ich mich nicht; die Fachleute sollten sie gut kennen, für die Betroffenen ist eine offizielle Diagnose zwar eine wichtige Information unter anderen, aber meistens treibt uns ja vieles um, für das es keine Diagnose gibt.

Welche Probleme ich erwähne, orientiert sich an meiner individuellen Berufserfahrung und an den Befindlichkeiten und Problemen, mit denen Menschen häufig zu mir gekommen sind. Dieses Buch ist kein Lexikon.

Ein uralter Begleiter – die Angst

Plötzlich

Angst oder

ein unerklärliches Gefühl oder

Druck oder

Schmerz

im Brustkorb oder

Bauchoder

Kopf

gar nicht kontrollierbar oder

immer stärker

Katastrophe oder

Irrsinn oder

Tod

eine lebensbedrohliche Situation!

Was kann das sein?

Eine schwere körperliche Störung:

Herzinfarkt oder

Lungenembolie oder

Hirnblutung.

Gehen Sie sofort zum Arzt oder Notarzt oder in die Notaufnahme, zur eingehenden körperlichen Diagnostik, inklusive MRT, Herzkatheter – was auch immer die Ärzte für nötig halten! Wehren Sie sich auf keinen Fall dagegen, denn Sie könnten tatsächlich an einer lebensbedrohlichen Störung leiden, die Sie nur bei schnellem Handeln überstehen.

Schließlich sind diese Untersuchungen ohne Ergebnis geblieben, und Sie bekommen nach all dem die Auskunft:

»Sie haben nichts.«

Leider fängt es morgen und übermorgen wieder an. Ein- oder zweimal gehen Sie in die Notaufnahme, dann wird es Ihnen peinlich.

Was ist das?

Panikattacken.

Eine häufige psychiatrische Störung, jeder Fünfte hat so etwas mindestens in einer Lebensphase. Obwohl diese massive, aber, wie sich nach mehrfacher und eingehender Diagnostik herausstellt, zumindest körperlich grundlose Angst höchst irritierend für Sie ist, sind Sie nicht verrückt, sondern haben eine gut zu behandelnde Störung.

Wie entsteht so etwas?

Sie selbst erkennen in der Regel keinen Grund für die massive, Ihre gesamte Wahrnehmung dominierende Symptomatik. Diese Diskrepanz verunsichert Sie sehr.

Panikattacken sind nicht Ausdruck einer besonderen, Ihnen vielleicht nur noch nicht bewussten Bedrohung. Ihr Organismus informiert Sie lediglich über ein uraltes und sehr wirksames Angstsystem, dass irgendetwas nicht stimmt. Dass etwas nicht stimmt? Ja, aber nicht am Herz-Kreislauf-System, worauf die Symptome hinzudeuten scheinen, sondern irgendwo auf dem weiten Feld der Seele. Ohne dass es Ihnen bewusst geworden ist, hat Ihre emotionale Belastung so stark zugenommen, dass es den feinen Sensoren Ihres Systems auffällig vorkommt. Dazu passt, dass Angststörungen oft gemeinsam mit Depressionen auftreten, die auch Ausdruck diffuser Überforderungen sein können. Auffällig viele Menschen mit Panikattacken berichten im Laufe der Zeit über Unsicherheiten bezüglich ihrer Partnerschaft. Kein offenes Zerwürfnis, Sie wissen eigentlich nicht, ob überhaupt irgendetwas nicht stimmt, allenfalls gibt es indirekte Hinweise, dass sich in einer vielleicht sehr intensiven Beziehung etwas gelockert hat.

Dieser unspezifische Hintergrund von Panikstörungen hat wahrscheinlich seinen Sinn darin, dass unsere Vorfahren immer wieder mit irgendwelchen unklaren, aber potenziell bedrohlichen Situationen konfrontiert waren, die sie nicht konkret, sondern nur mit einer unspezifischen Anhebung des Stresslevels beantworten konnten. War der Organismus erst mal auf Alarm gestimmt, konnte er schneller reagieren, wenn es ernsthaft bedrohlich wurde.

Auch Depressionen werden ja durch übermäßigen Stress ausgelöst.

Die Panikattacken sollen weg!

Wenn Sie starke Panikattacken haben, wollen Sie nur eins: Das soll aufhören, sofort! Ursachenforschung interessiert Sie zunächst überhaupt nicht. Meistens hören diese Attacken sofort auf, wenn Sie in der Nähe von Ärzten sind. Ein Patient hatte sein Wohnmobil auf dem Krankenhausparkplatz geparkt, weil er sich dort am sichersten fühlte!

Akut helfen auch Medikamente. Ziel ist nicht, einzelne Angstattacken zu beenden, denn die hören meist sowieso von selbst wieder auf. Nein! Sie wollen unbedingt verhindern, dass diese Zustände wiederkommen, und Sie wollen nicht ständig in negativer Erwartung sein.

Deswegen scheiden Benzodiazepine zur Behandlung praktisch aus, denn sie könnten nur die einzelne Attacke schnell beenden, aber ihr prophylaktisches Potenzial ist gering. Im Gegenteil, die bei diesen Substanzen ausgeprägte Gewöhnung macht sich bei Panikattacken sehr negativ bemerkbar, weil die Entzugssymptomatik Panikattacken ähneln oder sie auslösen kann.

Das einzig sinnvolle medikamentöse Konzept sind Antidepressiva. (Die bei Hausärzten gelegentlich beliebten injizierbaren Antipsychotika, zum Beispiel Imap oder Fluspirilen, kommen wegen der möglichen Spätfolgen überhaupt nicht in Frage.) Lange Zeit bot sich lediglich das trizyklische Antidepressivum Imipramin an, heute werden in erster Linie SSRIs, vor allem Citalopram, gegeben.

Mit diesen Substanzen bekommen Sie Panikattacken in der Regel nach wenigen Tagen bis Wochen weg. Der Nachteil dieser medikamentösen Behandlung liegt außer in den Nebenwirkungen in der Rückfallrate nach Absetzen. Trotzdem sind Antidepressiva ein erster, wirksamer Weg, wenn Sie häufige Angstattacken haben und schnelle Erleichterung suchen.

Wenn Sie keine akuten Attacken mehr haben, wäre es nicht schlecht, mal mit dem Nachdenken anzufangen, im günstigen Fall zusammen mit dem Psychiater. Machen Sie sich klar, dass dieses gewaltige Gefühlsgetöse eben gerade nicht für eine große körperliche oder seelische Bedrohung steht, dass Sie nicht sterben, nicht verrückt werden. Deswegen war es ja so wichtig, dass Sie gleich am Anfang eine eingehende körperliche Diagnostik gemacht haben1. Weil unspezifischer Stress bei der Entstehung von Panikattacken eine zentrale Rolle spielt, sollten Sie etwas dagegen tun. Das geht am effektivsten mit einem verhaltenstherapeutischen Gesamtkonzept: Sie lernen zunächst in der Psychoedukation, dass diese Symptome nicht zu Katastrophe, Tod oder Wahnsinn führen, sondern nach kurzer Zeit wieder abklingen. Das hilft schon mal eine ganze Menge, und es gibt Patienten, denen diese Information ausreicht. Wenn danach noch die eine oder andere Attacke kommt, versehen Sie die mit dem Etikett »harmlos« und kommen gut damit über die Runden. Daraus können Sie lernen, dass das eigentliche Problem in unserer Bewertung der Symptome liegt, nicht in den Symptomen an sich.

Stressmanagement

Als nächsten Schritt sollten Sie mit Ihrem/Ihrer Therapeute(i)n/in die Stressfaktoren Ihres persönlichen Lebens suchen und einzeln bewerten. Es hilft schon sehr viel, sich mal anzuschauen, was alles »los« ist. Ihr therapeutisches Gegenüber hilft Ihnen, die Aufmerksamkeit auch auf Punkte zu lenken, die Sie selbst lieber unter den Teppich kehren würden. An dieser Stelle kommen zwei therapeutische Interventionen in Frage:

Sie können einzelne Stressfaktoren angehen, also die Arbeitslast vermindern, ein Gespräch mit dem Partner führen und sich gemeinsam klar machen, wo die Beziehung steht, überlegen, ob Ihr Entschluss, die leicht demenzkranke Schwiegermutter zu sich zu nehmen, wirklich sinnvoll war. Und so weiter. Sie merken dann vielleicht, dass Sie viele Regelungen getroffen haben, die rational total viel Sinn machen, emotional aber eher keinen.Langfristig sinnvoll wäre, wenn Sie sich auf allgemeine Aktivitäten zum Umgang mit Stress einlassen könnten. Unspezifisch, aber auch schon hilfreich wäre regelmäßiger Ausdauersport, sehr spezifisch wären Verfahren zur Steigerung der alltäglichen Achtsamkeit, zum Beispiel Meditationsverfahren nach Jon Kabat-Zinn. Wenn Sie regelmäßig meditieren, am besten unter Anleitung, werden Sie merken, dass Sie ruhiger werden, weniger Angst haben, dass Ihr Stresslevel sinkt. Das funktioniert allerdings nur, wenn Sie es regelmäßig betreiben, über Monate und Jahre.

Zusammen mit Ihren Therapeuten sollten Sie sich dann mit dem grundsätzlichen Verhaltensmodell der Emotionen auseinandersetzen: Alle starken Emotionen haben einen Anfang und ein Ende, jede physiologische Reaktion steigt erst an und normalisiert sich dann wieder. Dieses Modell ist auch für Angstzustände enorm wichtig! Wenn Sie eine Attacke bekommen, versuchen Sie, auf den Anstieg, den Höhepunkt und das Nachlassen zu achten, beginnen Sie mit einer stufenweisen Exposition der Angstsituation. Entscheidend für den Erfolg ist, dass Sie in der Situation bleiben, bis die Symptomatik ganz abgeklungen ist! Vorheriger Abbruch führt zur Verstärkung!

Komplikationen?

Die gefährlichste Komplikation von Panikattacken entsteht aus einer auf den ersten Blick ganz vernünftig erscheinenden Verhaltensweise, dem Vermeiden.

Vermeiden ist aber eben nur auf den ersten Blick sehr vernünftig: Sie können sich viel Stress ersparen, wenn Sie potenziell angstmachenden Situationen aus dem Weg gehen und sie nicht gezielt aufsuchen. Bei akuten Einzelereignissen, zum Beispiel pöbelnden Hooligans in der U-Bahn, ist diese Strategie gut. Bei Ängsten mit der Tendenz zur Chronifizierung ist sie schlicht katastrophal! Denn dann werden Sie schnell herausfinden, dass Sie alle Situationen, in denen das mögliche Auftreten solcher Angstzustände maximal unangenehm wäre, wie U-Bahn, Supermarkt mit langer Schlange, Aufzug in Hochhäusern, Flugzeuge, vermeiden könnten! Das führt dazu, dass Sie all diese Situationen nicht mehr aufsuchen werden und dann auch nicht mehr aufsuchen können, was zu massivsten Einschränkungen Ihres normalen Lebens führt. Man/frau geht nicht mehr einkaufen, arbeiten, macht sich von anderen abhängig, verliert den Job, wird früh berentet.

Der Sammelbegriff dafür ist die Agoraphobie (eigentlich: Angst, große freie Plätze zu überqueren). Dieses Vermeidungsverhalten wirkt sich auf die Dauer viel katastrophaler aus als die Panikattacken alleine und betrifft in abgeschwächter Form viele Lebensbereiche. Manchmal tritt Vermeidung schon im Rahmen grippaler Infekte mit leichten Kreislaufproblemen auf: Sofort konfrontieren Sie sich nicht mehr mit potenziell riskanten Situationen, sitzen im Kino nur am Rand, überqueren keine freien Plätze mehr, sondern laufen lieber drum herum etc. etc. Wenn Ihr Leben sich nicht mit immer dichteren Vermeidungsnetzen überziehen soll, gibt es nur ein sinnvolles Verhalten: hinein in die Herausforderung! Alles machen, was auch nur entfernt nach Vermeiden aussieht. Das wusste anscheinend auch Goethe: Er litt an Höhenangst und hat sich nach der Überlieferung auf jedes Gerüst, jedes höhere Gebäude begeben, das ihm in den Weg kam.

Das muss nicht sein!

Eine weitere gefährliche Komplikation ist die Entwicklung von Abhängigkeit: Viele Angstpatienten versuchen eine Selbstmedikation mit Benzodiazepinen oder Alkohol. Die Gemeinheit ist, dass beides im ersten Ansatz oft hilft, aber das dicke Ende unvermeidlich nachkommt. Beide Substanzen machen eine Toleranz, das heißt, die Wirkung schwächt sich ab, Sie müssten die Dosis erhöhen, gegebenenfalls gewaltig (!), und dann werden die Nebenwirkungen, beim Alkohol insbesondere die Organtoxizität, ein richtiges Problem. Aus dieser Sackgasse gibt es nur einen, allerdings gut wirksamen Ausweg: die Entgiftung in einer stationären psychiatrischen Abteilung. Dauer: zwei Wochen (Alkohol) oder bis zu drei Monaten (Benzodiazepine). Besser ist, wenn Sie es gar nicht so weit kommen lassen!

Und wenn Sie nichts dagegen tun, kann es passieren, dass Sie an Ihrer Angsterkrankung verzweifeln und deswegen versuchen, sich das Leben zu nehmen. Manchmal erwächst die Verzweiflung gerade aus dem ständig zunehmenden Vermeiden, das allmählich jede Eigenständigkeit blockiert und oft als Versagen erlebt wird, die Demoralisierung durch die Abhängigkeit oder durch die gleichzeitige Depression. Tragisch ist das vor allem deshalb, weil sich Angsterkrankungen meist gut behandeln lassen. Die Suizidgefährdung wird besonders groß, wenn Sie ablehnen, sich Hilfe zu suchen.

Hilfe brauchen Sie vor allem dann, wenn Sie häufiger den Gedanken haben, das Leben tauge doch nichts mehr, Sie hätten es nicht mehr verdient, zu leben, wenn Sie Pläne machen, wie Sie aus dem Leben gehen könnten usw.

Dann sollten Sie sofort zu einem Arzt Ihres Vertrauens oder, wenn Sie nicht sofort einen Termin bekommen, in die Notaufnahme der nächsten Psychiatrie gehen.

Sonst ist es demnächst zu spät (siehe auch Kapitel zur Suizidalität).

Bei einer Panikstörung brauchen Sie Hilfe!

Wurschteln Sie sich nicht durch, machen Sie keine Selbstbehandlungsversuche mit Benzos oder Alkohol! Ein Therapeut, vorzugsweise ein Verhaltenstherapeut2, gibt Ihnen Hilfestellungen, wie Sie die Angst verstehen können, wie Sie lernen, die Angst zu zähmen, sich in Stressmanagement fit zu machen, was Sie auch sonst gut brauchen können und wie Sie nicht Opfer Ihres Vermeidungsverhaltens werden. Therapie lohnt sich!

Also, was tun?

Das absolute must:

der Ausschluss einer schweren körperlichen Erkrankung im Bereich Herz, Lunge, Magen-Darm, Hormone, insbesondere Schilddrüse;

wenn alles unauffällig ist – und ausnahmsweise erst dann! –, kommt die Seele dran.

Der vernünftige Mittelweg:

Vermutlich werden Sie auf einen Psychotherapie-Platz Wochen – oder länger – warten müssen, die Sie nicht mit mehreren Panikattacken am Tag verbringen wollen. Also suchen Sie sich eine gute Beratung bei einem gut informierten Hausarzt oder Psychiater, der eine Behandlung mit Antidepressiva durchführen kann. Wenn diese Behandlung gegriffen hat – unter seltenen Umständen muss man zwei oder drei Antidepressiva durchprobieren –, müssen Sie sich entscheiden, ob Sie es dabei bewenden lassen wollen – Vorteil: geringer Aufwand, Nachteil: Rückfallrisiko bei Absetzen –, oder ob Sie sich einen Therapieplatz bei einem Verhaltenstherapeuten suchen wollen.

Und wenn es wieder kommt?

Das kann passieren. Vielleicht ist der Stress größer als gedacht, vielleicht gibt es andere, neue Stressfaktoren. Die möglichen Gründe sind vielfältig. In so einem Fall sollten Sie das wiederholen, was Ihnen gut geholfen hat, unter Umständen einige Auffrischungssitzungen bei Ihrem Therapeuten machen.

Angst ohne Panik?

Es gibt noch eine abgeschwächte Variante. Sie sieht auf den ersten Blick so ähnlich wie die Panikattacken aus, es fehlt aber der sehr dramatische Anfallscharakter; die Intensität ist geringer, dafür ist die Angst ständig da, verbunden mit einer starken Tendenz, sich um alles zu sorgen. Das nervt auch, aber in anderer Weise, man wird nicht so erschreckt, wie bei Panikattacken, aber dafür allmählich zermürbt und zieht sich mehr und mehr zurück.

Was ist das?

Man nennt das Generalisiertes Angstsyndrom.

Woher es kommt, weiß man nicht so genau, wie überhaupt unbekannt ist, warum der eine so und die andere anders reagiert.

Was können Sie tun?

Auch hier ist kognitive Verhaltenstherapie gut wirksam vor allem gegen die Sorgen und die oft begleitend auftretenden Depressionen. Wichtig ist auch hier, dass Sie etwas tun, denn die ständige Angst, die ständigen Sorgen, die eigentlich ja keinen Realitätskern haben, machen Sie mürbe, Ihre Lebensfreude verschwindet, und nach einiger Zeit führen Sie ein Schattendasein. Die bessere Alternative ist, sich der Herausforderung zu stellen, sich Hilfe zu suchen, das Leben aktiver anzugehen.

Noch eine Angst?

Es ist Ihnen ja etwas peinlich, aber im Herbst, wenn die dicken fetten Spinnen von draußen in die Wärme wollen, geraten Sie richtig in Panik! Sie sind trotz größter Überwindung nicht in der Lage, so ein Tier mit Hilfe eines Glases und einer Postkarte wieder nach draußen zu befördern; Sie schreien nach Ihrem Freund, so Sie ihn haben, und handeln sich dafür den Vorwurf ein, hysterisch zu sein. Sind Sie nicht, sondern Sie haben eine Phobie, in dem beschriebenen Fall konkret eine Spinnenphobie.

Der Begriff »Phobie« bedeutet, dass Ihre Angst einen Auslöser hat: Spinnen, Schlangen, Mäuse, Hunde, Blut, Injektionen, Zahnarzt, Aufzug, Brücken, Höhe … Wenn Sie so etwas bei sich entdecken, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder ist der Auslöser sehr selten oder in unseren Breiten irrelevant, dann müssen Sie nichts tun. Schlangen etwa spielen bei uns kaum eine Rolle, wenn Sie nicht gerade im Zoo arbeiten. Alternativ kommt Ihnen der Auslöser täglich in die Quere und hindert Sie an der Ausübung Ihres normalen Lebens: Etwa wenn Sie auf dem Weg zu Ihrer Arbeitsstelle eine Hochbrücke passieren müssen. Oder wenn das Stockwerk, in dem Sie wohnen oder arbeiten, zu Fuß nicht erreichbar ist, es sei denn, Sie wollen einen gewaltigen Oberschenkelzuwachs riskieren, dann müssen Sie etwas tun.

Etwas ist auch in diesem Fall die klassische Verhaltenstherapie: Vertrauensverhältnis zum Therapeuten aufbauen, Konfrontation mit dem Auslöser in steigernder Form und auf jeder Stufe so lange in der auslösenden Situation bleiben, bis sich Angst, Puls, Blutdruck völlig normalisiert haben.

So bekommen Sie jede Phobie in den Griff.

Es gibt ja auch die ganz normale Angst.

Nein, all diese Beschreibungen treffen auf Sie nicht zu. Aber Sie haben einfach öfters mal Angst. Wahrscheinlich sind Sie gar nicht auf die Idee gekommen, das könnte eine Störung sein. Ist es auch nicht. Angst ist normal.

Die Fähigkeit, Angst zu empfinden, ist ein Grundmechanismus des Überlebens. Die Aktivierung des zentralen Nervensystems, die Beschleunigung von Puls und Atmung, die Erhöhung der Muskelspannung und das Abschalten aller Körperfunktionen, die wir im Moment gerade nicht brauchen können, zum Beispiel der Darmtätigkeit, sind Voraussetzungen, um in lebensgefährlichen Situationen fliehen oder uns wehren zu können. Tieren und Menschen bleibt eine dritte Möglichkeit, wenn sie nicht fliehen oder kämpfen können: to freeze – starr werden, wie tot, so dass der Angreifer möglichst das Interesse verliert. Das sind normale Verhaltensweisen, die wir allerdings in unserer zivilisierten Gesellschaft nur selten erleben, weil das Gefährdungspotenzial in der Regel sehr gering ist. Diese uralten Reaktionsmuster, die das Verhaltensrepertoire von einfachen Wirbeltieren bis zum Menschen prägen, sind allerdings nicht mehr geeignet, alle in unserer heutigen Welt vorkommenden Gefährdungen zu erfassen. So haben wir keine Möglichkeit, radioaktive Strahlung zu spüren, um uns davor zu schützen; auch die für das Überleben unserer Art wahrscheinlich ziemlich relevante Klimaveränderung entzieht sich offensichtlich unserer Wahrnehmung und löst dementsprechend auch keine Angstreaktion aus. Wir konstruieren intellektuell Gefährdungspotenziale, ohne dass diese mit einem entsprechenden Angstgefühl einhergehen. Wenn Sie dann doch mal Angst bekommen, wissen Sie nicht mehr, was das sein soll. Angst ist okay und soll Ihnen helfen, sich zu aktivieren, um das zu überwinden, was Ihnen Angst macht.

1Das gilt übrigens für alle seelischen Störungen! Sie können sekundär zu einer körperlichen Störung auftreten, und dies sollte man zumindest einmal im Verlauf der Krankengeschichte abgeklärt haben.

2Eine tiefenpsychologische Behandlung ist bei Angststörungen die zweite Wahl, bringt Ihnen für die Angstattacken nur selten etwas, obwohl Sie natürlich viel Interessantes über sich erfahren können.

Bin ich subjektiv oder objektiv – gesund oder krank?

Sie empfinden sich – irgendwie. Das Leben ist schon mal besser gelaufen, und manchmal sind Sie genervt, dass Sie sich so hängen lassen. Aber Sie haben sich gerade entschlossen, dieses Leben zu akzeptieren, wie es ist.

Und dann kommt einer und sagt: »Du bist krank!«

Was heißt das?

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