Ich und Du - warum? - Josef Aldenhoff - E-Book

Ich und Du - warum? E-Book

Josef Aldenhoff

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Beschreibung

Der renommierte Psychotherapeut erklärt uns die
Liebe


Nichts halten wir für so selbstverständlich wie das Vermögen, eine gute Zweierbeziehung zu leben. Und kaum etwas scheitert so regelmäßig wie die Ehe. Dauerhaft gelungene Partnerschaften sind rar. Doch unermüdlich stürzen wir uns in das Abenteuer Beziehung. Warum? Und was können wir tun, damit eine Beziehung gute Chancen hat?

Diesen Fragen geht der erfahrene Psychotherapeut Josef Aldenhoff nach. Dabei macht er gleich zu Beginn klar, dass wir keineswegs nur mit dem Hier und Jetzt des Beziehungsalltags kämpfen, denn unser innerer Schaltplan hat Millionen Jahre auf dem Buckel. Unsere Vorstellungen von romantischer Liebe, tollem Sex, gutem gemeinsamen Altwerden – und das alles mit einer Person: Sie kommen im Logbuch der Evolution nicht vor. Josef Aldenhoff erklärt uns amüsant und leichtfüßig, gleichwohl ernsthaft und nüchtern, worauf wir uns mit der Liebe einlassen und wie wir im Wissen um die Hindernisse lebenslang an einer guten Beziehung arbeiten können.

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Seitenzahl: 377

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Josef Aldenhoff

Ich und Du – warum?

Was Beziehungen schwierig macht und wie sie gelingen können

C. Bertelsmann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage© 2016 by C. Bertelsmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: buxdesign, MünchenSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-16265-8V001www.cbertelsmann.de

Inhalt

Ich und Du – wie geht das?

Sie sind ein Beziehungsinsider

Vertrauen ist das Zauberwort

Warum sind wir so fit in Beziehungen?

Ihre erste Beziehung

Nachfragen, niemals anklagen

Wann und wie entsteht Beziehung?

Chance Pubertät!

Allein

Los geht’s!

Projektion und Empathie

Aber man darf halt nie auf eine Reaktion hoffen

Kennenlernen – wie?

Soziale Netze und die Liebe

Himmelsmacht 1

Beziehungsbiologie

Paartherapie – die erste Sitzung

Leidenschaft contra Ewigkeitsanspruch

Sexualität: beunruhigend, beglückend und vor allem höchst individuell!

Ganz konkret – Sex!

Sex ist nicht gleich Sex

Her oder: Warum lieben Sie nicht Ihr Betriebssystem?

Himmelsmacht 2

Konventionen 1: Monogamie

Paare – im Guten wie im Schrecklichen

Paartherapie – Heiraten oder nicht heiraten

Konventionen 2: Zusammenziehen

Optimierung: toll, toller – Angst?

Selbstverantwortung bis zur Erschöpfung

Kinder kommen einfach so – und verändern Ihr Leben komplett!

Paartherapie – Kinder ja oder nein? Und wenn ja, wann?

Kinder haben Rechte

Unergründlich und intensiv: Prominente über Kinder

Kinder verändern Ihre Beziehung

Alles hat sich verändert

Gedankenspiele für werdende Eltern

Alles ist möglich?

Gute Eltern, böse Eltern

Für meine Eltern

Die Sache mit der Gewöhnung

Reden oder schweigen?

Zuhören – die schwerste aller Künste?

Ehrlichkeit, Treue und die schnöde Realität

Keine Liebe widersteht einem Unbekannten, der eine Bar betritt

Auch Untreue setzt Verantwortung voraus

Vater Burdas Vielweiberei

Eifersucht – was wollen Sie eigentlich wissen?

Paartherapie – Was tun mit der neuen Verliebtheit?

Vom zeit-losen Glück zur Burnout-Beziehung

Wie Differenzen zu Krisen werden

Investment Liebe?

Streiten? Wie?

Das Ich, der Flow und die Liebe

Ich und die Anderen

Beziehungskrankheiten

Frauen sind einfach viel komplexer und interessanter als Männer

Trennen? Oder: Beziehungen sind kostbar

Machen Sie Trennung zum Thema! Es lohnt sich!

Trennungsgründe: leiden oder loslassen?

Trennung mit Kindern

Paartherapie – Hätten wir etwas anders machen können?

In guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod euch scheidet

Happy End

Liebe ist ein Geschenk

Anhang

Dank

Literaturempfehlungen

Anmerkungen

Register

Maria, Maria, Maria …für Anna-Lena, Carla, Ella, Franz, Johannes, Johann, Lara, Lenny, Lilian, Lisa, Luise, Lukas, Tedi.

Ich und Du – wie geht das?

Vor 630 Millionen Jahren war die Erde ein eisverkrusteter Ball, snowball-earth. Kein Ort für Lebewesen. In den Lücken des Eises hatten sich unsere Vorfahren für Millionen Jahre zur Verteidigung eingerichtet. Lebenskraft gestaut. Jetzt löste sich der Bann, der Planet erwärmte sich. Die Lebewesen breiteten sich über den Erdball aus, zu Wasser, zu Lande. Dies war die erste Globalisierung.

Von diesem Glücksfall tragen wir einen Hoffnungsvorrat in uns, in den Knochen, in den Augen, den Ohren, in unserem Gehirn, auf der Haut, in jeder Regung.

Von diesem Vorrat zehren wir in den Zeiten des Fortschritts und der Abstiege. Keine Enttäuschung braucht diesen Vorrat völlig auf. Wie ein Phönix entsteht er bei jeder Neugeburt, fast ungeschmälert. Stets derselbe glücksfähige Typ.

Alexander Kluge1

Menschen wollen nicht allein sein. Sie nicht, ich nicht.

Wir suchen Nähe, Vertrauen und vor allem – Liebe. Sie bricht unsere selbst geschaffenen Panzer auf, bringt unser geordnetes, von vielerlei Nützlichkeitserwägungen geprägtes Leben so in Fahrt, dass wir wider alle Hemmungen und Ängste, wider Erfahrung, gute Vorsätze und alle Vernunft losgehen, um die und den Anderen zu suchen, die zu uns passen. Um dann aufzublühen im Jubel der Verliebtheit, in diesem überwältigenden Glück einer anderen Möglichkeit, zu leben, einer Hoffnung, die sich immer wieder neu entfaltet.

Woher kommt dieser Zauber? Dieses Versprechen, aus dem sich seit Jahrtausenden wie aus keinem anderen Phantasie, Poesie, Tragik mit nie versiegender Kraft speisen?

Ist es der Hoffnungsvorrat, von dem Alexander Kluge spricht? Liebe als Ursprung aller Sehnsucht nach gelungenem Leben? Liebe als Ursprung allen Lebens überhaupt – im unmittelbaren wie im übertragenen Sinn?

Beziehung ist hoch attraktiv, Liebe für viele das Wunschziel ihres Lebens, die treibende Kraft, immer aufs Neue Grenzen zu überschreiten, so kühn und wagemutig zu sein, dass uns unsere Alltagspersönlichkeit kaum wiedererkennt. Wir gehen aus uns heraus, wachsen über uns hinaus. Wir glauben, dass alles möglich ist. So fühlt sich Glück an. Und wenn es nach uns geht, sollte das dauern. Ein Leben lang.

Aber dann mischt sich die Vernunft ein. Über viele Generationen vererbt, ebenfalls ein Überlebensfaktor. Sie will Glück allenfalls in geordneter, berechenbarer Form, in stabilen Beziehungen. Zumeist in Zweierbeziehungen als Mann und Frau. Sie sind nach wie vor die bürgerlich-etablierte Form des Zusammenlebens, die so selbstverständlich erscheint, dass Schwule und Lesben vehement um dieses Recht auf Ehe kämpfen. So wichtig ist den meisten Menschen ihre Existenz als Zweierbeziehung, dass sie eilig die nächste Beziehung beginnen, noch bevor sie die gerade scheiternde beendet haben. Einige probieren es nach der Scheidung sogar wieder mit demselben Partner.

Hier also scheinen wir unsere alles überstrahlende Herausforderung zu suchen: Dieses überaus attraktive Wagnis Liebe zu leben, in den Beziehungsstrukturen unserer Gesellschaft, als Gegenentwurf zu all den Normen und Erwartungen, dem allseits geforderten Funktionieren und Optimieren.

Die Liebe ermutigt und befähigt, sich über all diese pseudovernünftigen Zwänge hinwegzusetzen. Im unerschütterlichen Vertrauen darauf, dass es gelingen kann.

Gelingen lassen wollen wir Liebe bevorzugt in dauerhaften Beziehungen, nur Wenige halten Serien von kurzen Glücksgeschichten für erstrebenswert. Aber gerade für die langen Beziehungen gilt, dass Glück oder auch nur Zufriedenheit eher selten sind. Von den »ordentlich« geschlossenen Ehen scheitern über dreißig Prozent – über das Scheitern nicht-ehelicher Beziehungen gibt es keine sicheren Zahlen. Dauer wird oft mit Kampf auf den verschiedensten Beziehungsebenen bezahlt. Solche alten Liebesbeziehungen setzen auf die längst enttäuschten Träume und die immer noch aktiven Erwartungen; wieder und wieder mit hohem Einsatz und im gefährlichen Wissen um die Schwächen des anderen, die früher durch Vertrauen behütet waren – um dann in immer bittereren Niederlagen zu enden. Liebe hat sich längst dem Hass angenähert.

Warum ist Innehalten in diesem Stadium so schwer, oft unmöglich? Warum fragen Sie nicht, ob es Ihnen noch gut genug geht, um so weiterzumachen?

Vielleicht, weil loslassen zwar Ihrer Liebe gutgetan hätte, aber nicht Ihrem Bedürfnis nach Macht, nach Kontrolle. Kontrollverlust macht Angst, und sei es nur die Angst, allein im Regen zu stehen. Macht wird in Beziehungen selten thematisiert, vielleicht gerade, weil es ein Grundthema ist. Das die Liebe erdrückt. Angst wird schon eher wahrgenommen, vor allem, wenn sich das Beziehungsgefüge zu lockern beginnt.

Es kommt Vieles an die Oberfläche, wenn zwei Menschen zusammenleben, Erwünschtes, Beglückendes, aber auf Dauer eben auch unsere ungeliebten, in den Schatten verbannten Anteile. Wie die sich entpuppen, unterliegt meist nicht unserer vernünftigen Kontrolle. Es kann sich so schön anfühlen, wenn das Interesse des Anderen die Persönlichkeitsanteile wachsen lässt, an die wir selbst nicht glauben mochten, aber nicht immer erscheinen sie uns deshalb akzeptabel.

Als Therapeut frage ich mich oft: Warum nur stürzen wir uns immer wieder begeistert und siegesgewiss in dieses schwierigste aller Vorhaben? Aber als Mann weiß ich, wie ich es als Frau wüsste – nur anders –, dass nichts so unfassbar mitreißend ist, wie der Moment, wenn mich die Liebe packt. Da kommt mir aller therapeutische Hochmut abhanden – Gott sei Dank! –, und ich verstehe meine Klienten, die sich hineinstürzen in das nächste Beziehungsabenteuer.

Mit jedem neuen Versuch wird die Frage dringlicher, was wir tun könnten, damit es endlich klappt?

Um unser Bedürfnis nach Beziehung gut leben zu können, nicht überwiegend daran zu leiden und andere leiden zu machen, sollten wir uns mit unserer Herkunft und den dadurch geprägten seelischen Strukturen vertraut machen. Und herausfinden, wie diese Strukturen unsere Beziehungen dominieren. Denn das Gelingen von Beziehungen setzt, bei allen Emotionen, Wissen voraus. Das wäre ja durchaus verfügbar, manchmal auf der Ebene des gesunden Menschenverstandes, manchmal als Ergebnis aufwendiger wissenschaftlicher Studien. Wir müssten uns nur darum bemühen. Die heute landläufigen Erwartungen an eine glückliche Beziehung beruhen auf idealisierenden Vorstellungen und haben mit den Beziehungsrealitäten nur wenig zu tun.

Gute Beziehung bleibt ein anspruchsvolles Ziel.

Wie komme ich dazu, dieses Buch über Liebe und Beziehungen zu schreiben? Sind zwei geschiedene Ehen, immer wieder neue, mehr oder weniger glückliche Beziehungen ein Qualitätsmerkmal? Bei einiger Introspektion durchaus. Einige Motivation kommt aus meiner therapeutischen Tätigkeit, während der mir wieder und wieder vor Augen geführt wird, wie wenig Wissen den Willen zur Beziehung begleitet. Das gilt keineswegs nur für den schnellen Sex oder die von vornherein als kurzfristig angelegte Urlaubsbekanntschaft, sondern gerade auch für viele langjährige Ehen, bei denen das Aufwachen aus einer nachhaltig gepflegten Illusion so viel schmerzhafter ist als nach dem One-Night-Stand.

Ich will versuchen, Modelle zu vermitteln, wie Beziehung funktionieren könnte, und Hindernisse zeigen, die das Scheitern heraufbeschwören.

Gerade dann, wenn es nicht funktioniert hat, wenn Sie sich eingestehen müssen, dass Sie, ja Sie, nicht die oder der Andere, Ihre Beziehung nicht zuletzt auch durch Ihr Verhalten ruiniert haben, wäre es für alle Beteiligten, Sie, Ihre/n Partner/in und die ja oft so schnell entstandenen Kinder, besser, wenn Sie sich gut, vielleicht ein wenig resignativ, aber ohne Rosenkrieg trennen könnten, um – danach – vielleicht, ja, ein neues Beziehungsleben beginnen zu können. Wieder offen zu sein für die Beglückungen und die Verrücktheiten der Liebe, die uns lebendiger machen als alles andere.

* * * *

Es gibt drei Arten von Texten in diesem Buch:

Der Haupttext, der mit diesem Einleitungskapitel beginnt;Kapitel, die vorwiegend erklären, die psychologische oder biologische Mechanismen deutlich machen sollen, sind in Kästen gesetzt;Zitate und Notate von mehr oder weniger prominenten Zeitgenossen, die ihre – oft überraschende – Meinung zu Beziehungen oder zu Liebe äußern, und fiktive Paartherapien, also Gespräche zwischen ihr, ihm und dem Therapeuten, die versuchen, interpersonale Mechanismen, manchmal auch Sackgassen deutlich zu machen.

Sie sind ein Beziehungsinsider

Von Beziehungen verstehen Sie jede Menge, es ist Ihnen nur meistens nicht bewusst.

Zum Beispiel:

Ihr Chef stellt Ihnen den neuen Mitarbeiter vor, den Nachfolger von Herrn M., mit dem Sie sich von Anfang an so schwertaten. Nach den Erfahrungen mit seinem Vorgänger waren Sie durchaus reserviert.

Doch schon in der ersten Minute ist alles anders, Sie öffnen das Visier; ein paar Worte gewechselt, Sie wissen, es wird klappen.

Abends berichten Sie Ihrer Frau davon, die Ihnen rät, etwas vorsichtiger zu sein und abzuwarten, aber Sie sind sich sicher. Und behalten recht. Zwischen Ihnen und dem Neuen stimmt die Chemie.

Es könnte auch umgekehrt sein:

Sie geben sich Mühe, wollen der Neuen ohne Vorurteile begegnen; aber Sie merken vom ersten Moment an, dass Sie ihr nicht trauen, dass sich Ihnen die Nackenhaare aufstellen. Innerlich schelten Sie sich dafür, können sich selbst nicht verstehen. Aber nach ein paar Monaten wissen Sie sicher, dass Ihr erstes Gefühl Sie nicht getrogen hat: Für Sie bleibt die Neue eine Schlange!

Noch ein Szenario:

Sie leben schon lange genug allein, haben sich eingerichtet; viel Hoffnung haben Sie nicht, dass Sie die Frau Ihres Lebens noch treffen werden. Die Wunden aus Ihrer ersten Ehe sind allmählich vernarbt. Schön wäre es schon, nicht mehr solo durch die Welt zu dackeln.

Heute haben Sie sich entschlossen, in die neu eröffneten Deichtorhallen zu gehen. An Beziehung denken Sie gar nicht, eine Fotoausstellung ist ja keine Partnerbörse. Irgendwann lässt Ihre Begeisterung für die Bilder etwas nach, und Sie bemerken, dass eine attraktive Frau sich für genau dieselben Fotos zu interessieren scheint. Stimmt das denn? Ihr Eindruck bestätigt sich, verstohlen fangen Sie an, sie zu beobachten. Irgendwann bemerkt sie das und lächelt Sie an! Sie erschrecken und drehen erst mal eine Runde durch einen Nebenraum, aber schließlich gewinnt Ihre Neugier die Überhand, und Sie suchen sie, finden sie nach einigen bangen Minuten auch. Und im Überschwang des Wiederfindens sprechen Sie sie an, ob sie nicht Lust hätte, mit Ihnen einen Kaffee zu trinken. Nicht so wahnsinnig originell, aber Sie haben ohnehin schon zu viel Herzklopfen, um noch klare Gedanken zu fassen. Doch das Gefühl ist ganz klar: Ihnen würde Ihr Leben entgleiten, wenn Sie ihr nicht noch näher kommen könnten, wenigstens für einen kurzen Moment. Offensichtlich passt der Vorschlag, sie nimmt an.

Im Gespräch stellt sich heraus, was Sie eigentlich schon wussten, als Sie sie zuerst sahen: Dass Sie gut zusammenpassen. Nach zwei Monaten leben Sie in einer beginnenden, mit vielen Unsicherheiten behafteten, aber offensichtlich aufkeimenden Liebesbeziehung.

Natürlich hätte das auch anders gehen können. Sie hätte Sie doof finden, Ihre Anmache als Anmache abqualifizieren können, oder sie wäre verheiratet gewesen, oder, oder, oder … War aber nicht!

Eine »alte« Geschichte:

Ihre Erinnerungen an die Kindheit sind nicht mehr so klar, aber Ihre große Schwester erzählt Ihnen bei irgendeinem Familientreffen, dass Sie schon als Dreijähriger sehr klar wussten, mit der neuen Frau Ihres Vaters, also Ihrer Stiefmutter, würden Sie nicht zurecht kommen. Zumindest hätten Sie sich sehr eindeutig verhalten. Es gab erkennbar keinen Grund. Sie war nett zu Ihnen, gab sich offensichtlich Mühe. Ihre Dreikäsehoch-Einschätzung hat sich aber bewahrheitet.

Überlebensvorteil Beziehung

Was ich hier über Beziehungen schreibe, wissen Sie eigentlich schon. Sie hätten es als Mensch nicht weit gebracht, wenn Sie nicht Insider zum Thema Beziehung wären. Auch in Ihrer Herkunftsfamilie konnten Sie sich nur so durchsetzen.

Mit »wissen« meine ich nicht unbedingt, dass Sie darüber Vorträge halten könnten. Aber das müssen Sie ja auch nicht, um sprechen oder laufen oder radfahren, Stimmen oder Gesichter erkennen zu können. Sie tun es einfach. Ganz ähnlich leben Sie Beziehungen, ohne groß darüber nachzudenken; aus einer mehr oder weniger stabilen Gewissheit, dass es so schon irgendwie stimmt. Aus Ihrer sozialen Umwelt, aus dem Verhalten Ihrer Eltern, das Sie geprägt hat, und nicht zuletzt aufgrund der Genetik ist Ihre Beziehungskompetenz entstanden, und die ist weitgehend automatisiertes Verhalten. Was nicht heißt, dass soziale Kompetenz simpel oder trivial wäre: Wenn auch nur minimale Fähigkeiten fehlen, wie beispielsweise bei dem gerade sehr populären Asperger-Autismus, funktioniert zwar einiges im Leben gut, aber anderes, vor allem im Bereich Beziehung, kann unendlich mühsam und nur für Nichtbetroffene komisch sein.2

Entstanden ist die Beziehungsfähigkeit als Überlebensvorteil unter härtesten Bedingungen, zu einem Zeitpunkt, als keineswegs klar war, dass die Menschen das Überleben packen würden.

Unsere Beziehungsfähigkeit ist ein, vielleicht der wichtigste, Evolutionsvorteil, der die Gattung Mensch überleben und alle anderen Lebewesen dominieren ließ. Halbwegs zutreffend einschätzen zu können, wie andere Ihnen gesonnen sind, ist ein unglaubliches Erfolgskonzept! Und weil Sie ahnen, dass Sie das gut können, wollen Sie es immer wieder ausprobieren. Nicht selten ordnen Sie diese Fähigkeit einem anderen menschlichen Bedürfnis, dem nach Macht, unter. Unser Ich will mit guten Gründen Macht! Und so üben wir Macht über die aus, die wir am besten kennen, die uns vertrauen, uns anvertraut sind. Wenn Sie in solch einer Situation feststecken, fragen Sie sich vielleicht manchmal, ob das so geplant war.

Ihre evolutionäre Herkunft macht Glanz und Elend Ihrer heutigen Beziehungen aus. Sie sind ein Oldtimer, Ihr Schaltplan hat Millionen Jahre auf dem Buckel. Diese Ausstattung garantiert Ihnen die Möglichkeit, Kindheit und Jugend zu überleben und sich fortzupflanzen. Mehr war in den kurzen Lebensdauern vor über hunderttausend Jahren nicht drin. Schon das ist nicht so einfach, alles andere erfordert Sonderausstattungen.

Besonders das heute vom common sense formulierte Ziel, in einer glücklichen Beziehung mit einem significant other gut zu leben, älter zu werden, respektvoll und freundschaftlich miteinander umzugehen, Interessen zu teilen und möglichst noch tollen Sex miteinander zu haben, stand nicht in den Lieferbedingungen. Auch wenn es manchmal funktioniert, bleibt es eine Herausforderung, vielleicht eine Vision, jedenfalls überhaupt keine Selbstverständlichkeit!

Im Vergleich zu Ihren Vorfahren leben Sie heute in tiefstem Frieden und unter luxuriösen Bedingungen. Selbst wenn Sie existenzielle Sorgen haben, sind die nicht gleich lebensbedrohend, zumindest nicht in Mitteleuropa. Deswegen haben Sie den Kopf ziemlich frei und bilden sich auch öfter mal ein, Sie könnten Ihre Beziehung offen und frei gestalten, ohne dass es negative Konsequenzen hätte.

Können Sie auch. Bis zu einem gewissen Grad. Die Grundbedingungen dafür sind gerade in den letzten fünfzig Jahren sehr viel günstiger geworden:

Auch wenn Sie nicht mehr den Ernährer spielen wollen, werden Frau und Kinder nicht verhungern, denn wir leben in einem ziemlich guten, allerdings nicht völlig risikolosen sozialen Netz. Auch wenn Ihre Frau Ihnen den Krempel hingeschmissen hat und mal für ein paar Wochen die familienferneren Alternativen des Lebens ausprobiert, haben Sie reale Chancen, dass Sie das mit den Kindern, dem Haushalt und dem Job hinkriegen, ohne existenziell gefährdet zu sein. Viele Alleinerziehende machen es Ihnen vor.Wenn Sie mit Ihrer frisch (seit drei Wochen) erbeuteten neuen Traumpartnerin Sex haben und sie gleich schwängern, finden Sie sich nicht unausweichlich in einer neuen Kleinfamilie wieder. Es ist keine Katastrophe – selbst wenn Sie das vielleicht so erleben –, Sie könnten das Baby ja abtreiben lassen, ohne sozial geächtet zu werden. Das wollten Sie nie, aber wie das halt so ist. Wenn Sie katholisch erzogen sind, macht Ihnen das Gewissensbisse, aber die Wenigsten werden ihre Karriere- und Lebensplanung heute den moralischen Zwängen einer Religionsgemeinschaft unterordnen.Wenn es mit Ihrer Ehe nach zwanzig Jahren nicht mehr »klappt«, dann können Sie sich offen eine neue Partnerin suchen, sich scheiden lassen, ohne dass Ihnen – außer vielleicht von Ihrer Mutter – Vorwürfe gemacht werden. Sie müssen also nicht für den Rest Ihres Lebens in einer unglücklichen Ehe verharren und sich eine heimliche Geliebte halten. Sie können, aber Sie müssen nicht. Wenn Sie nicht heiraten, sondern in einer früher als »wild« bezeichneten Ehe leben wollen, können Sie das ohne viele Nachteile realisieren, wenn Sie die juristischen Rahmenbedingungen – Adoption der Kinder etc. – beachten.

Was Beziehungsgestaltung angeht, ist der Rahmen des Möglichen in der Tat viel weiter geworden, ja, die Möglichkeiten sind (fast) unbegrenzt. Normen sind kaum noch sichtbar. Sie können wirklich fast jeder finanziellen, zwischenmenschlichen, werbungsinduzierten Laune folgen, Ihr Sexleben nach den Anregungen von Fifty Shades of Grey ausrichten oder versuchen, die geilsten Youporn-trailer nachzuspielen, Ihre Kinder nach den Kriterien von Summerhill aufwachsen lassen – weiß noch jemand, was das war? Googeln können Sie’s ja mal – oder nach den Empfehlungen der Super-Nanny erziehen, zusammenleben, mit oder ohne Trauschein usw. usf.

Nur, wie gut geht es Ihnen damit?

Das ist offen. Ein Zitat von Jesper Juul macht das deutlich:

»In den Familien herrschen … komplizierte Zustände … Das Zusammenleben von Kindern und Eltern findet in einer Offenheit statt, die aber nicht definiert ist. Das Vielversprechende daran sind die neuen Möglichkeiten, echte Gleichwürdigkeit und Wärme in den Beziehungen entstehen zu lassen. Die Gefahr besteht darin, dass der äußere Rahmen diesen Prozess nicht stützen kann und dass das Fehlen von festen Richtlinien ein Gefühl von Angst und Chaos auslösen kann.«3

Beziehungswärme oder Angst?

Wenn Sie, Ihr/e Partner/in, Ihre Kinder sich gut fühlen, bekommt Partnerschaft eine lebenstabilisierende Funktion im Sinne des Wortes, denn auch Ihre Gesundheit profitiert davon. Kaum ein äußerer Faktor wirkt sich gesundheitlich so positiv aus wie Wohlbefinden in der Beziehung. Sex mit der geliebten Person hat zwar – bei großen individuellen Unterschieden – keinen größeren Trainingseffekt als »schwere Hausarbeit« oder »Graben im Garten« …, ist aber fundamental beglückend und gesundheitsfördernd.4 Liebe heilt, wie Werner Bartens mit vielen Beispielen belegt5, und wem die Liebe zerbricht, der muss auch auf seine Gesundheit aufpassen, besonders auf sein Herz. Kein Witz!

Also, mit Ihrer Freiheit umgehen lernen, das wär’s. Mit Ihrer Freiheit. Wie Sie Beziehung gestalten, wie Sie lieben, wie Sie glücklich werden könnten, das unterliegt einem höchst individuellen Bewertungssystem. Vorbilder, Modelle sind nicht schlecht, aber letzten Endes können nur Sie für sich selbst entscheiden, was für Sie persönlich stimmt. Ausprobieren ist manchmal okay, manchmal wissen Sie es eigentlich schon vorher. Denn wie gesagt: In Sachen Beziehung sind Sie Insider!

Vertrauen ist das Zauberwort

Hugh Jackman, geboren 1968, ist ein sehr erfolgreicher Schauspieler und Musicaldarsteller; er sagt über seine 20 Jahre währende Beziehung:

»Am Tag meines Heiratsantrags wollte ich meine Frau Deborra mit einem Picknick im Park überraschen, aber es schüttete, die Enten fraßen die Croissants, und ich brachte vor lauter Nervosität keinen Bissen runter. Jetzt sind wir bald 20 Jahre verheiratet, und ich fand es überhaupt nicht hart. Im Englischen sagt man ja scherzhaft ›happy wife, happy life‹. Da ist schon etwas dran, und ich sage auch zu meinen Kindern immer, wenn sie mit meinem Ruhm hadern: Erfolg kommt und geht, aber die Liebe zu euch wird immer bleiben.«6

Klaus Meine, geboren 1948, ist seit 1969 Frontman und Songwriter der Band Scorpions. Er spricht über Treue.

SZ: Eine so langlebige Ehe (43 Jahre) kriegen die wenigsten Rockstars hin. Wie geht das?

KM: Keine Ahnung. Warum soll das denn nicht gehen?

SZ: Sie sind in fernen Ländern auf Tour, stehen immer im Mittelpunkt, werden überall gepampert. Ego-Anfälle, Exzesse, ungeahndete Grenzüberschreitungen, ewige Rastlosigkeit, totale Dekadenz. So stellt man sich das vor als Nicht-Star.

KM: Sicher, aber Gabi und ich haben das ganz gut hingekriegt über die Jahre. Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen ist das Zauberwort. Wenn du einen Partner hast, der immer da ist, wenn es dir nicht gut geht, der dich auf so einer langen Strecke supportet, dann muss man das auch zurückgeben.7

Warum sind wir so fit in Beziehungen?

Wenn wir uns Menschen mit unseren nächsten Verwandten unter den Primaten vergleichen, ist zweifelsfrei klar: Der Mensch ist himmelhoch überlegen! Aber vor 200000 Jahren war diese Entwicklung längst nicht ausgemacht. In der afrikanischen Savanne, wo nach heutigem Wissen wohl unsere Ursprünge liegen, waren die Überlebenschancen unserer unmittelbaren Vorläufer alles andere als rosig. Umgeben von Konkurrenten, die viel stärker, schneller, gefährlicher waren, kaum weniger intelligent und vor allem viel, viel zahlreicher, grenzte es aus Sicht der Evolution wohl an ein Wunder, dass sich Menschen überhaupt entwickeln konnten und dass sie überlebt haben. Zumal menschliche Babys viel mehr Kalorien verbrauchen als die Kinder von Schimpansen, Bonobos, Orang-Utans oder Gorillas.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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