Birds Are Crying - Manuel De Vittorio - E-Book

Birds Are Crying E-Book

Manuel De Vittorio

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Beschreibung

60 Jahre sind vergangen. Unsere Städte wie wir sie aus unserer Zeit kennen haben sich gewandelt. Unsere Art zu leben ist nicht mehr dieselbe. Unsere Nachfahren leben in ständiger Angst vor einer neuen allgegenwärtigen Bedrohung. Schmerzhafte Verluste von geliebten Menschen stehen an der Tagesordnung. Firmen so groß und mächtig wie ganze Staaten entwickeln neue technologische Wunder, die ein Stück Sicherheit und Normalität in das Leben der Menschen zurückbringen sollen. Amari kommt aus Kamerun. Hier lebt sie in Armut. Zu viel hat die allesfressende Plage hier bereits zerstört. Und der Regierung fehlen die Mittel, um die tödlichen Aaskrähen abzuwehren. In der Hoffnung auf ein besseres Leben wagt sie die Flucht nach Gran Canaria. Auf der Insel ist die Vogelplage noch nicht angekommen. Andres lebt schon sein ganzes Leben auf Gran Canaria. Er kennt nichts anderes als Sicherheit und Reichtum. Von den tödlichen Krähen hat er nur in den Nachrichten gehört. Tagein, tagaus langweilt er sich beim Ausgeben seines Vermögens, das ihm vererbt wurde. Bis eines Abends alles anders kommt als erwartet.

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Ich widme dieses Buch meinem Sohn Matteo.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort:

 

 

Ich freue mich, dass ich Ihr Interesse an meinem Buch wecken konnte. Ebenso freue ich mich, dass es dieses Projekt überhaupt bis zu einem Ende geschafft hat. Denn es war mir nur durch eine Sportverletzung möglich es zu realisieren, indem ich die Zeit bis zur Genesung sinnvoll genutzt habe. Neben der Rolle als Familienvater, einer Vollzeitbeschäftigung und einem sportlich aktiven Lebensstil konnten nur noch die wichtigsten Dinge in den seltenen freien Blöcken untergebracht werden. Da stand an erster Stelle natürlich die Zeit mit meiner Familie.

Auf den nächsten Seiten konzentriere ich mich darauf eine spannende, einfach zu lesende Geschichte zu erzählen, über bestimmte Themen aufzuklären und zu versuchen etwas positives beizutragen. Ich hoffe das mir dies gut gelungen ist.

Nun ist es an Ihnen, den Leserinnen und Lesern, sich eine Meinung zu bilden.

 

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

 

Manuel De Vittorio

 

 

 

Birds Are Crying

             Wir ernten was wir säen

 

 

 

 

Kapitel 1:

Wo ist das Vögelchen?

 

Vor vielen Jahren,in einem ruhigen Vorort von Barcelona,ging ein Mann im Alter von circa 35 Jahren und sportlicher Statur zu seinem brandneuen Sportwagen, der in der Einfahrt seines luxuriösen Hauses stand. Es war ein Porsche. Jeder konnte sehen, wie er mit stolz geschwellter Brust zu seinem Goldstück marschierte. Seine dunklen Haare passten farblich hervorragend zum Lack seines Schlittens. Ganz offensichtlich war er ein Geschäftsmann, zumindest ließ sein Kleidungsstil darauf schließen.

Täglich fuhr er in dieser Woche mit seiner neuen Liebe in die Arbeit. Wie immer kam er spät abends nach Hause, holte sich ein Bier aus seinem unnötig großen Kühlschrank und sah sich die neuesten Entwicklungen der Börse im Fernsehen an. Während am unteren Bildschirmrand die Börsenkurse vorbeiflitzten, lief auf dem Rest des Bildschirmes ein Bericht über das Land Kamerun, dass mit einer Vogelplage zu kämpfen hatte. Genauer gesagt, ginges in dem Bericht um sogenannte Aaskrähen, die sich in den letzten Jahren laut den Forschern aufgrund von Klimaveränderungen massivvermehrt hatten. Wenig interessiert schaltete der Mann den Fernseher ab.

 

 

 

 

 

 

Die Haustüre öffnete sich und ein kleiner, neunjähriger Junge sprang ins Freie. Er hielt einen Fußball in der Hand und starrte betrübt auf den Boden. Der gut gekleidete Geschäftsmann, der ein wenig in die Jahre gekommen war, eilte ebenfalls heraus und wandte sich seinem Sohn zu. Er ging in die Hocke und sagte mit bedauernder Stimme:

„Es tut mir leid, ich muss zur Arbeit, es ist wichtig und ich kann jetzt nicht mit dir spielen.“

Eine Frau durchschritt die Türschwelle, gab dem Mann einen Kuss und begleitete den Jungen Hand in Hand zurück ins Haus. Der Sportwagen hatte sich inzwischen in einen Luxus-SUV verwandelt. Selbstverständlich der Marke treu geblieben. Am Haus wurde an der rechten Seite, um mehr Wohnfläche zu schaffen, angebaut.

Täglich setzte sich der Mann pünktlich, als könnte man den Wecker nach ihm stellen, in sein Auto und fuhr zur Arbeit. Als es dunkel wurde, wanderten zwei Lichter einsam die Einfahrt hinauf. Der Mann kam wie immer spät zurück nach Hause. Anders als zu Arbeitsbeginn war es beim Feierabend weniger pünktlich und unvorhersehbar. Sein gewohnter Weg führte ihn zum neuen Kühlschrank, der mit allerhand„Smart-Home"-Funktionenausgestattet war und erleichterte das Gerät um ein kühles Bier.

Klick! Der Fernseher ging an und der Nachrichtensender schleuderte die Börsenentwicklungen des Tages am unteren Bildschirmrand entlang. In der oberen Hälfte des Bildes berichteten Sie über die aktuelle Lage in Afrika. Die Menschen dort hatten mit ausgetrockneten Feldern, einigen unbewohnbaren Häusern und Wassermangel zu kämpfen. Die Urheber des Ganzen waren riesige Vogelschwärme, die vermehrt über den Kontinent verteilt gefundenwurden.

Er dachte augenrollend: „Jeden Tag diese Vogelplage in Afrika, gibt es nichts Wichtigeres?“

Man konnte am Gesicht des Mannes ablesen, dass er genervt war.

Als er den Blick wieder auf den Fernseher richtete, war gerade eine junge Frau zu sehen, die ein Interview gab. Sie erzählte, dass die Vögel fast alle Insekten im Land aufgefressen hatten, ohne diese können die Pflanzen nicht mehr ausreichend bestäubt werden, was eine Landwirtschaft quasi unmöglich macht. Die Brunnen sind durch Kot der Vögel verschmutzt worden. Die Suche nach sauberem Trinkwasser wird so von Tag zu Tag erschwert. Zur Krönung wurde gestern ihre neunjährige Tochter von einer Krähe, die Hunger hatte und keine Nahrung mehr fand, angefallen.

Eine Karte mit rot markierten Gebieten wurde eingeblendet. Als das Gehirn des Mannes die Informationen des Fernsehers verarbeitet hatte und er realisierte, was genau er gerade sah, wurden seine Augenso groß wie der Fußball seines Sohnes, den dieser am Morgen noch in der Hand gehalten hatte. Der halbe afrikanische Kontinent war mit roter, bedrohlicher Farbe ausgefüllt. Nachdenklich und ein wenig verängstigt machte der Mann den Fernseher aus und ging zu seiner bereits schlafenden Frau ins Bett.

 

Ein Herr, der verzweifelt versuchte ein frischer und dynamischer Mittzwanziger zu sein, aber offensichtlich schon weit über 30 war, entspannte in seinem Pool. Zwei leicht bekleideten jungen Damen leisteten ihm Gesellschaft. Sein Balzverhalten, welches man an Peinlichkeit nicht übertreffen konnte, sorgte bei Menschen in den meisten Fällen dafür, dass sievon vornherein negativ ihm gegenüber eingestellt waren. Er wirkte, als hätte er ein Jahresabo an Selbstüberschätzung abgeschlossen. Überall lagen Flaschen und Gläser herum. Im Pool hatte sich sogar eine schwimmende Plastikinsel aus Bechern und Tüten gebildet, fast wie in einem Miniatur-Experiment zum Thema Ozeanverschmutzung. Es klingelte an der Tür.

Der Herr richtete sich genervt auf und rief: „Andres!“, Andres!!!“

Ein Junge mit ungefähr elf Jahren kam auf die Terrasse hinaus und wartete darauf, was sein Vater von ihm wollte. Flankiert von den zwei Frauen brüllte er in Richtung seines Sohnes und teilte ihm mit, dass vermutlich seine Mutter vor der Tür steht, um ihn abzuholen. Und er solle doch bitte dieses Mal Emilio davon berichten, wie großartig es bei Papa ist.

Endlich war das, vonbeiden Seiten aus verhasste, gemeinsameWochenende vorbei.

Sichtlich erfreut abgeholt zu werden, ging der Junge zu seinem gepackten Koffer. Eilig schnappte er sich das gute Stück und machte sich auf den Weg zur Tür. Mitten auf dem Weg lief er an seinem Großvater vorbei, der im Rollstuhl saß. Sein Großvater wohnte noch im Haus, da es eigentlich noch ihm gehörte. Andres wusste nicht viel über den Vater seines Vaters. Nur dass er einmal ein großer Geschäftsmann war und er seine Firma irgendwann für wahnsinnig viel Geld verkauft hatte; und dass er bei der Erziehung seines Sohnes ordentlich versagt haben musste. (Vor ein paar Jahren hatte ihn dann die Demenz erwischt,und seitdem verbrachte er den Rest seiner Tage damit herumzusitzen und irgendwelche Börsenkurse auf seinem Lieblings-Nachrichtensender zu verfolgen. Der Junge verließ das Haus und im Fernseher des alten Mannes war ein Notfallbericht zu sehen. Sie hatten dafür sogar zum allerersten Mal die Börsenkurse am unteren Bildschirmrand ausgeblendet.

„Ausnahmezustand in Afrika!“,war die Schlagzeile des Berichtes.

„Der komplette Kontinent befindet sich im Quarantänezustand. Kaum Nahrung, wenig Wasser, massenhaft Tote“, stand im Fließtext, der die Börsenkurse ersetzte.

Die Bilder zeigten fliegende schwarze Strudel, die den kompletten Himmel verdunkelten und kaum noch als Städte zu identifizierende Gebiete. Ein Satellitenbild, auf dem viele kleine, sichlangsam bewegende dunkle Flecken zu sehen waren, wurde eingeblendet. Eine verwahrlost wirkende Frau Anfang 30 gab mit schwacher Stimme ein Interview.

„Sie haben alles zerstört“, sagte sie verzweifelt. „Sie haben uns die Nahrung genommen, sie haben uns das Wasser genommen. Hier neben mir ist einer der wenigen Brunnen, die noch halbwegs trinkbares Wasser enthalten“, sagte sie, während sie auf ein Loch im Boden zeigte. „Unsere Häuser verfallen durch den sauren Kot der Vögel und sind unbewohnbar geworden.“

Die Frau stoppte kurz und es schien, alsmüsste sie sich sammeln, da die Emotionen sie ansonsten überwältigen würden.

Wieder „Frau der Lage“ fuhr sie niedergeschlagen fort:

„Viele starben an den Krankheiten, die durch die Kot-Belastung übertragen wurden. Die Menschen, die gesund blieben, fielen nach und nach den aggressiven Vögeln zum Opfer. Die Weidetiere wurden schon vor Wochen von der Plage verspeist. Ich wusste nicht einmal, dass Krähen zu so etwas fähig sind.“

Sie holte ein kleines Mädchen vor die Kamera und fuhr fort:

„Das ist meine Tochter Amari. Sie hat keine Perspektive mehr. Das arme Kind leidet jeden Tag Hunger und Durst. Wo soll ich denn mit ihr hin? Ich versuche sie so gut zu beschützen, wie ich kann, aber ich brauche Hilfe. Wir alle hier brauchen Hilfe!

 

Helft uns!

Helft uns!

Helft uns!“

 

Ein Reporter übernahm wieder und berichtete über erstmalige Sichtungen von riesengroßen, alles vernichtenden Vogelschwärmen in Europa, Asien, Nord- und Südamerika.

Der alte Mann war währenddessen vor dem Bildschirm eingeschlafen und träumte in diesem Moment vom größten Deal seines Lebens

 

 

 

 

 

Kapitel 2:

Eine lange Reise

 

 

 

Der Himmel war tiefschwarz. Kein einziger Lichtstrahl schaffte es, sich durch das Dunkel zu kämpfen. Zusammengekauert und das Gesicht mit einem Tuch bedeckt, saß Amari, eine junge Frau aus Kamerun, in der Ecke einer Wellblechhütte. Der bescheidene Unterschlupf hatte keine Eingangstür und war auf einer Seite komplett ohne Außenwand. In dieser Gegend waren die Hütten alle auf diese Art gebaut worden. Die Menschen konnten sich bei Gefahr schnell hineinbegeben und sich den gierigen Blicken aus der Luft entziehen.

Von weitem hörte sie durch die laute Geräuschkulisse hindurch eine leise Stimme rufen: „Amari komm schnell hierher!“

Amari überwand sich aufzustehen und durch ein kleines Fenster, den Rufen folgend, auf die Straße zu schauen. In der Ferne sah sie eine Frau, die aus einer Tür im Boden herausschaute und wie wild mit den ausgestreckten Händen fuchtelte. Dies konnte sie wegen akuter Lebensgefahr lediglich ein paar Sekunden machen, ehe sie wieder unter der Luke Deckung suchen musste. Die Frau wollte, dass Amari sich schleunigst zu ihr in den unterirdischen Schutzbunker gesellte.

Panisch überlegte Amari: „Wie soll ich es nur zu ihr schaffen? Wenn ich einfach so ohne weiteres losgehe, bin ich sofort tot.“

Unter Anspannung und großem Druck schaute sie sich um, sofern sie bei der Dunkelheit überhaupt etwas sehen konnte. Bis in die Knochen spürte sie das laute, unangenehme Krächzen, dass von außerhalb der Hütte ihre Ohren malträtierte. Aufgrund der fehlenden Wand konnte Amari in der benachbarten Wellblechhütte, die ebenfalls auf einer Seite keine Außenwand besaß, auf dem Tisch etwas Feuerzeugbenzin erspähen. Direkt in ihrer unmittelbaren Nähe, in der gegenüberliegenden Ecke, lag ein alter Regenschirm. Da war sie. Amari hatte die rettende Idee.

„Das muss funktionieren! Das muss funktionieren!“, sagte sie mehrmals zu sich selbst.

Um die benachbarte Hütte zu erreichen, musste Amari eine kurze Strecke unter freiem Himmel zurücklegen. Das war riskant. Sie nahm all ihren Mut zusammen, schnappte sich blitzschnell den alten Regenschirm und rollte sich gekonnt, wie ein lautloser Attentäter, in die Hütte nebenan in Reichweite des Feuerzeugbenzins. Sie schaffte es zu ihrer Erleichterung ohne Aufsehen zu erregen.

„Jetzt muss es schnell gehen!“

Sie schüttete Feuerzeugbenzin über den Regenschirm und ... Mist!

„Wo ist das Feuerzeug?“, fluchte sie laut ins Leere.

Sie durchsuchte all ihre Taschen und konnte es nicht finden. Verschiedene dunkle Szenarien verbreiteten sich in ihren Gedanken.

„Ist es schon vorbei? Ist mein Leben bereits mit 22 Jahren zu Ende?“

Während die pessimistischen Gedanken in ihr wüteten, sprang es förmlich in ihr Blickfeld:

Das Feuerzeug!

Es lag auf dem Boden im Freien, zwischen den zwei Hütten. Sie musste es bei ihrer Rolle verloren haben.

In Windeseile hechtete Amari zum Feuerzeug und setzte den Regenschirm so schnell sie konnte in Brand. Ein Feuersturm entfachte über ihr. In Amaris großen, dunklen Augen spiegelten sich die Flammen und ließen sie ungefährlich und friedlich wirken. In Wirklichkeit waren sie unerträglich heiß und kaum zu bändigen.

Amari wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte,bevor der Schirm komplett abbrennen und sie ungeschützt im Freien stehen würde. Also eilte sie ohne Zeit zu verlieren voran. Geschützt unter dem brennenden Regenschirm befand sie sich in der Mitte der Straße. Obwohl sie ihr Ziel, den Bunker zu erreichen, mit höchster Aufmerksamkeit verfolgte, hatten ihre Augen etwas anderes im Sinn und wandten sich dem Himmel zu. Es war ein atemberaubendes und gleichzeitig bis ins Knochenmark beängstigendes Schauspiel. Ein Ozean aus schwarzen Krähen, die am Himmel in fliegenden Wellen entlang glitten und sich auf alles stürzten, das annähernd nach Nahrung aussah, kreiste um Amari herum. Eingeschüchtert von dem Anblick, der sich ihr bot, hörten ihre Beine auf zu funktionieren. Als sie wieder zu sich fand wurde ihr bewusst, dass sich ihre Überlebenschancen soeben verringert hatten.

„Ich werde auf keinen Fall aufgeben“, sagte Amari zu sich selbst und sprintete in Richtung der rettenden Tür im Boden.

Ein prüfender Blick nach oben offenbarte ihr die miserable Nachricht. Der Schirm war so gut wie abgebrannt. Und im nächsten Moment war es bereits geschehen. Amari ließ den Schirm fallen. Das Feuer war bis zu ihren Händen vorgedrungen und hatte schmerzende, verbrannte Stellen zurückgelassen. Der Schwarm, weniger beeindruckt vom nur noch rauchenden Schirm, nahm Notiz von ihr und machte sich auf den Weg sein Werk zu verrichten. Unter Todesangst mobilisierte Amari ihre letzten Reserven. Die Frau, die ungeduldig auf Amari wartete, öffnete ihr die Bunkerluke genau zur richtigen Zeit. Amari setzte den ersten Fuß auf die Bunkerleiter. Im selben Moment stürzten die Schnellsten der Vögel bereits auf sie und bohrten ihre Schnäbel in ihr Fleisch. Qualvolle, schmerzerfüllte Schreie übertönten das Krähen der Vögel für einen Moment. Der zweite Fuß folgte dem ersten und noch weitere drei Vögel drangen durch Amaris Haut und hinterließen blutende Wunden. Sie blickte kurz auf. Da war er, der große tödlicheRest, der sich auf direktem Weg zu ihr befand. Ein heftiges, metallisches Geräusch erschütterte den Bunker.

“DONG!“

In letzter Sekunde konnte Amari die Bunkeröffnung verschließen und der Todesschwarm flog mit voller Wucht gegen die geschlossene Luke. Vollgepumpt mit Adrenalin und noch gar nicht realisierend es in den sicheren Bunker geschafft zuhaben, stieg Amari die Leiter hinunter. Sie drehte sich zu der Frau und es bedurfte keiner Worte um Amaris Dankbarkeit zuübermitteln.

Sie betrat einen Raum voller armer, mitgenommener Seelen. In der Ecke waren drei weinende Frauen. Eine davon war in unendlicher Trauer, da sie mehrere Minuten zuvor ihren Mann als Futter an die Vögel opfern musste, um selbst zu überleben. Sie hatte einen ausgeprägten Überlebenswillen. Ob selbst mitgewirkt oder nicht, der Schmerz des Verlustes war derselbe, mit den Schuldgefühlen im Schlepptau ja sogar noch schlimmer. Die anderen Beiden hatten es besser getroffen. Sie wurden nur mit den üblichen Fleischwunden versehen und versteckten sich verängstigt und unter Schock im Bunker. Sehnsüchtig warteten sie darauf, dass die Vögel weiterziehen würden und sie wieder zurück nach Hause konnten.

Zwei verwahrloste dünne Männer in der anderen Ecke waren am Ende ihrer Kräfte und wirkten verzweifelt. Einer von ihnen hatte einen aussichtslosen Kampf gegen die Killerkrähen geführt, um seiner Familie genügend Zeit zu verschaffen in ein sicheres Gebäude zu kommen. Er hatte den Kontakt zu ihnen verloren und der Status seiner Liebsten war ihm zum jetzigen Zeitpunkt unbekannt. Der zweite, ein bärtiger Genosse, war seit Stunden damit beschäftigt den Verletzten und Bedürftigen seines Viertels zu helfen, bis ihn seine Kräfte verließen. Amari begab sich stillschweigend zum freien Platz auf dem Fußboden in der Mitte. Kein Wort fiel in der von Trauer und Hilflosigkeit getränkten Stimmung, bis der bärtige Mann mit wutentbrannter, tobender Stimme schimpfte:

„Warum kommen sie nicht? Unsere Regierung hat bereits zwanzig Bird Booster in Auftrag gegeben und bezahlt. Warum kommt Brasil nicht, um uns zu helfen. Gut verdient haben sie ja bereits an unserem Leid.“

„Die Firma Brasil hat die Bird Booster nicht entwickelt, um zu helfen und diese Technologie jedem zugänglich zu machen, sondern um sich an unserem Leid ein goldenes Näschen zu verdienen. Warum sonst haben sie sich das Monopolrecht für den Bau gesichert und haben damit anderen Firmen die Möglichkeit genommen uns zu unterstützen.

„Das Stimmt, wir sind ihnen völlig egal“, sagte ein anderer, noch älterer Herr.

„Ja prima“, entgegnete der Bärtige. Und jetzt kommen sie trotz Auftragsvergabe und Vorausbezahlung nicht. Jeder, derfür diese Firma arbeitet,wird dafür büßen müssen, das schwöre ich.“

Ein kleiner Junge, der gerade mit seinen Schnürsenkeln spielte, blickte auf und fragte: „Aber Onkel Sarim, ist Brasil nicht ein Land, das ganz weit weg von hier ist?“

Der bärtige Mann mit Namen Sarim beruhigte sich und sprach zu dem Jungen in gemäßigter Tonlage:

„Das ist schon lange her,mein Kleiner. Es stimmt, Brasil war vor vielen Jahren ein ganz gewöhnliches Land.“

Er richtete nun seinen Blick auf und schaute jeden einzelnen in der Runde abwechselnd an.

„Nachdem sie die Lösung zur Abwehr der Plage, die Bird Booster entwickelten, konnten sie Riesenerfolge verbuchen. Eine unvorstellbare Menge an Geld floss auf ihre Konten, undals sie nicht mehr wussten wohin damit, kauften sie mal eben das gesamte Land in dem sie einst ihren Firmensitz hatten. Damit wurden sie zur ersten Country Company weltweit. Also quasi eine Firma in der Größe eines Landes. Sie sind unabhängig und haben eigene Gesetze. Lediglich an die Gesetze des Weltrates müssen sie sich halten, aberdie gelten ja bekanntlich für jedes Land und jede Firma auf der Welt.“

Sein Blick schweifte wieder zurück zu dem Jungen.

Somit hast du eigentlich teilweise recht, mein Junge. Sie sind sozusagen immer noch ein Land, das nun mit Firmenstrukturen angeführt wird.“

Sarim machte eine kurze nachdenkliche Pause und führte dann fort: „Ich hoffe nur, dass die Booster bald gebaut werden und die von One Industries mit der Auslieferung der Sozial Pods nicht auch noch so lange brauchen. Ansonsten wird es uns alle bald nicht mehr geben. Wobei deren Pods sowieso nur für die wenigen Finanzstarken unter uns sind.“

Der Junge grinste und berichtigte: „Onkel Sarim,keiner nennt sie Sozial Pods. Man nennt sie einfach nur Pods oder Social-Pods.“

Sarim konterte eingeschnappt: „Das ist doch total irrelevant,sollten wir - wie anzunehmen – sowieso keine bekommen.“

Amari hörte gespannt zu. Noch nie hatte sie Bird Booster oder Social Pods in echt gesehen und saugte daher aus Neugierde alle Informationen auf, die sie bekommen konnte. Sie wusste auch nicht,wie Bird Booster genau funktionierten. Alle Informationen hatte sie meistens aus dem Fernsehen. In der Werbung wurden diese Türme von der Firma Brasil als Rettung der Menschheit angepriesen. Mittels eines Tons auf einer bestimmten Frequenz, die mit speziell auf die Vögel abgestimmten Druckwellen übertragen wurde, hielten die Bird Booster die Vögel von den Städten fern. Immer wieder schweifte Amari mit den Gedanken ab und realisierte, welch ein Glück sie eben gehabt hatte.

Damit die Menschen in Städten, in denen Bird Booster im Einsatz waren, problemlos leben und miteinander kommunizieren konnten, hatte die Firma One Industries die Social-Pods entwickelt. Sie schützen vor den Druckwellen, die das menschliche Gehör ohne Schutzvorrichtung sofort irreparabel zerstören und die Person in Orientierungslosigkeit versetzen würden. Durch die Pods konnten sich Menschen, die im Einzugsgebiet um einen Booster herum lebten, trotz heftiger Geräuschkulisse völlig normal unterhalten. Da sie solch eine Technik in Amaris Stadt nicht hatten, wusste sie auch nicht mehr darüber. Alles,was sie wusste war, dass es nach dem heutigen Tag - nach vorherigen Zweifeln -zu einhundert Prozent feststand:

„Ich muss hier weg.“

 

In ihrer Stadt war der Wunsch nach Veränderung natürlich nichts Ungewöhnliches. Jeder Zweite sprach davon, Kamerun für ein besseres Leben zu verlassen. Gran Canaria hier, Gran Canaria da. Alle wollten sie auf die plagefreie Insel. Das Paradies im Paradies! So nannten sie es täglich in den Nachrichten. Amari konnte diese im Gemeinschaftsraum verfolgen, in dem sich der einzige Fernseher der gesamten Stadt befand. Es gab nur ein Problem: Nur reiche, wohlhabende Leute und Familien durften dort wohnen. Die Mittellosen, denen es wirklich schlecht ging, wurden an den Schutzmauern auf offener See oder bereits auf dem Festland in der Stadt Tarfaya abgewiesen. In dieser Hafenstadt existierte für Afrikaner die einzige Überfahrtmöglichkeit zur Insel. Sie war hervorragend als Transitstadt nach Gran Canaria geeignet, da die Entfernung vom Festland zur Insel am geringsten war. Vor 60 Jahren war Tarfaya ein kleines Dorf in Marokko gewesen; mittlerweilehatte es sich in eine große und wichtige Grenzstadt verwandelt, die von Flüchtlingen nur so belagert wurde.

Nichtsdestotrotz wartete in Kamerun nur der Tod auf Amari. Gleich am nächsten Morgen, als die Plage fürs Erste weitergezogen war und Amari ein wenig Schlaf bekommen hatte, ging sie zusammen mit den anderen Bunkerinsassen an die Oberfläche zurück.

Sie überlegte, wohin sie am effektivsten gehen müsste, um alle nötigen Informationen für ihre Reise schnellstmöglich einzuholen.

Als ersten Gedanken kam ihr die verrückte Ira in den Sinn. Sie war vor fünf Jahren losgezogen und hatte die Flucht nach eigenen Angaben fast geschafft. Nach zwei Jahren in Flüchtlingslagern vor den Toren der Stadt Tarfaya und drei gescheiterten Versuchen auf See, gab sie dann schließlich auf und ging zurück in ihre Heimat. Ob sie es wirklich fast geschafft hatte, konnte kein lebendes Wesen bezeugen. Jedoch kam sie durch ihre detailreichen, spannenden Erzählungen zu ein wenig Ruhm in unserer Stadt.

Überzeugt von ihrem Einfall, machte sich Amari umgehend auf den Weg. Fest ihr Ziel im Blick überlegte sie sich, welche Informationen sie benötigte und welche Fragen dafür gestellt werden müssen. Auf ihrem Weg bemerkte sie kaum noch die Zerstörung, welche die Krähen in ihrem Treiben hinterlassen hatten. Sie hatte dies einfach schon zu oft gesehen um davon beeindruckt gewesen zu sein.

Nach ein paar hundert Metern kam sie an ihrer alten Schule vorbei. Es war schon eine Weile vergangen, als sie das letzte Mal Unterricht hatte. Damals, an Tagen, an denen keine Vögel in der Stadt zu sehen waren und der Weg zur Schule nur wenig Gefahr geboten hatte, konnte sie an den - für sie - spannenden Lehrstunden teilnehmen. Der Klassenraum befand sich genau wie der Schutzbunker in einem Kellergewölbe unter der Erde. Sie konnte dort eine Menge über Europa lernen. Dieser Zusammenschluss von Staaten faszinierte sie am meisten. Anders als im Amerika von heute bestand Europa aus ganz vielen kleinen Ländern, die ihre eigenen Sprachen und unterschiedliche Kulturen und Mentalitäten hatten. Und dennoch fanden sie alle innerhalb der Europäischen Union einen Konsens. Etwas weiter passierte sie das Haus eines Freundes, der ihr stets, trotz einer gemeinsamen gescheiterten Vergangenheit als Paar, zur Seite gestanden und ausgeholfen hatte, sogut er konnte. Seine ungesund intensive Leidenschaft zu technischen Spielereien weckte unter den Einwohnern der Stadt ein großes Interesse an seiner Person. Am Haus schien alles den Umständen entsprechend in Ordnung zu sein. Deshalb entschloss sie sich dazu, nicht auf einen Abstecher bei ihm vorbeizugehen und setzte ihren Weg fort.

Fast angekommen, bemerkte Amari schon von weitem, welcheSpuren der Fluchtversuch bei der - wie ihr Name schon andeutet - verrückten Ira hinterlassen hatte. Sie humpelte, hatte zerzaustes graues Haar und schrie gerade wie in Tobsucht ein Holzpferd an, welches sie sich in mühseliger Handarbeit selbst gebaut hatte. Zusätzlich fehlte ihr ein Auge und das - in Anführungszeichen -gesunde Auge rollte wie wild nach rechts und links, was es schwer machte einen Augenkontakt mit ihr aufrecht zu erhalten.

„Hallo Ira“, rief Amari.

Ira drehte sich zu Amari und sagte: „Hallo Kindchen, was führt dich zu mir? Du willst mir nicht rein zufällig beim Zähmen dieser bockigen Stute helfen?“

Amari musste kurz Grinsen, da der Anblick von Ira und dem Holzpferd wirklich lustig war. Ähnlich einem alten, zankenden Ehepaar. Nur eben mit hölzernem Gefährten in Pferdeoptik.

Amari erwiderte: „Nein, heute nicht. Ich bin hier, weil ich nach Gran Canaria flüchten möchte und ich von dir möglichst viele Informationen darüber brauche.“

Ira schaute sie mit überraschtem Blick an, während ihr einziges gesundes Auge zielsuchend in jede Richtung wanderte.

„Oh Kindchen, nicht du auch noch“, krächzte sie.

„Bitte! Bitte! Bitte! Ira!“, flehte Amari. „Ich will so nicht den Rest meines Lebens verbringen. Wenn du mir nicht hilfst, versucheich es anderswo oder mache mich einfach so auf den Weg.“

Ira schnaufte schwer und erwiderte: „Ey, ey, ich kann dich ja eh nicht davon abhalten. Lieber machst du dich mit meinen Ratschlägenauf den Weg als ohne. Aber ich warne dich“, ermahnte sie mit dramatischer Stimme:„Mach dich auf eine heftige Reise gefasst.“

Also, dein erstes Zwischenziel wird Nigeria sein. Am besten erreichst du das Land über Jaunde und dann weiter nach Duala bis zur Grenze. Dieser Weg kommt dir gelegen, da du dich fast ausschließlich in dichtem Wald geschützt vor Angreifern von oben bewegen kannst.“

„Oh, war das schön, als ich nackt im Einklang mit den Bäumen im Wald getanzt habe“, schweifte Ira kurz ab.

Sie fing sich wieder und setzte ihre Ausführungen fort.

„Ähm, in Nigeria solltest du dich in Richtung der Stadt Abuja begeben. Aber geh auf keinen Fall in die Stadt hinein. Am besten überhaupt keine Stadt betreten, in denen gibt es regelmäßig Plagen-Angriffe. Jetzt kommen wir zum richtig unangenehmen Teil. Du musst als Nächstes ganze fünfzig Kilometer nach Norden in Richtung Wüste.

---ENDE DER LESEPROBE---