Bitte recht feindlich! - Karina Lübke - E-Book

Bitte recht feindlich! E-Book

Karina Lübke

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  • Herausgeber: Lappan
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Karina Lübke schreibt seit 2015 jeden Monat ihre Meinung zu aktuellen Themen und den großen Fragen des Lebens in der BARBARA. Scharfsinnig wie -züngig und unglaublich komisch schreibt sie von der Schnuckisierung am Arbeitsplatz, über augenpenetrierende Penisfotos beim Online-Dating, bis zum verbitternden Zuckerverbot durch Ernährungsfaschisten. Es geht um bösartige Natur, den auch mit geblümten Spüllappen nicht wegzuwischenden Hass auf Hausarbeit, traurigen Wortverlust durch Emojis, das menschliche Grundrecht, Angst zu haben und um ihre verbotene Liebe zu High Heels. Es geht um Kerle und Kinder und kindische Kerle, um Politik, Gesellschaft, Geld und gute Worte. Und um Liebe – trotz allem. Dieses Buch fasst ihre besten Kolumnen zusammen und enthält neue, bisher unveröffentlichte Texte.

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Karina Lübke

Bitte recht feindlich

Gut gezielte An- und Aufregungen

LAPPAN

„Lass doch mal gut sein? Was für ein Unsinn – man kann logischerweise nur Sachen gut sein lassen, wenn sie es denn sind. Nein, Wut ist keine peinliche, unweibliche Unart, nicht die Unfähigkeit zur Selbstbeherrschung, sondern ein mächtiger Indikator dafür, dass irgendetwas gewaltig schiefläuft. Dabei bin ich eigentlich supernett, die Welt lässt mich nur so selten.“

Karina Lübke schreibt seit 2015 jeden Monat in der ihre Meinung zu aktuellen Themen, aufregenden Kleinigkeiten sowie den großen Fragen des Lebens.

Scharfsinnig, schonungslos und unglaublich komisch geht es um unseren Alltag: die „Schnuckisierung“ am Arbeitsplatz, den traurigen Wortverlust durch Emojis und das verbitterte Zuckerverbot durch Ernährungsfaschist*innen. Aber auch um das menschliche Grundrecht Angst zu haben, um Kerle, Kinder und kindische Kerle, um Politik, Geld und gute Worte. Und um Liebe – trotz allem.

Dieses Buch enthält neben der Sammlung der besten Kolumnen völlig neue, bisher unveröffentlichte Texte.

KARINA LÜBKE studierte erst an der Folkwangschule Design und absolvierte dann bei Wolf Schneider die Hamburger Journalistenschule.

Anschließend wurde sie Redakteurin und Kolumnistin („Das wahre Leben“) bei dem legendären Zeitgeistmagazin TEMPO und schreibt seitdem freiberuflich u.a. für das SZ-Magazin, die ZEIT, DIE WOCHE, den Stern, emotion, SALON, Myself, Brigitte MOM und WOMAN.

Lübke verfasste auch diverse düstere Kurzgeschichten in Thriller-Anthologien und wurde dafür mit dem „Marlowe“ ausgezeichnet. Ihr erster Roman „Bei aller Liebe“ wurde 2007 veröffentlicht.

Ihre monatliche Kolumne „Bitte recht feindlich“ in der Zeitschrift BARBARA hat seit Jahren eine große Fangemeinde und ist beim Lappan Verlag in Buchform erschienen.

Zwischendurch heiratete Karina Lübke, zog eine Tochter und einen Sohn groß und ließ sich scheiden. Sie lebt in Hamburg und findet, dass sie oft bessere Geschichten schreibt als das Leben.

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

In diesem E-Book befinden sich eventuell Verlinkungen zu Webseiten Dritter.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Lappan Verlag in der Carlsen Verlag GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

© der deutschen Erstausgabe by Lappan Verlag in der CARLSEN Verlag GmbH, Oldenburg/Hamburg 2021

®Lizenz der Marke BARBARA durch Gruner + Jahr GmbH.

– Alle Rechte vorbehalten. –

ISBN Printausgabe: 978-3-8303-3588-7

ISBN E-BOOK: 978-3-8303-5553-3

Lektorat: Theresa Behle

Gestaltung | Herstellung: Monika Swirski

Grafiken: © IDYdesign by shutterstock.com (Inhalt)

und © Clash_Gene by shutterstock.com (Titel)

EPUB-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

INHALT

Vorwort

Bitte lächeln

Flagge zeigen

Liebe Karriere

Doktorspiele

Frontansicht

Tiefergelegt

Reue sanft

Ich war’s!

Kleine Racker

Halt mal an!

Alles gut?

Grüne Hölle

Furcht, los!

Erspar mir das

Sauber bleiben!

Och, Mann!

Schreib’s auf!

Alles Lüge!

Prisen-Krise

Protest, marsch!

Sendeschluss

Na, gut drauf?

Hab’s so satt

Rosa rosa

Innen-Ansicht

Mach’s selbst

Nachtreten

Zug Zug Zug

Arbeits-Platzangst

Schlaf. Mit. Mir

Plötzlich Stier

Nicht annehmbar

Grüne Daumenschrauben

Du bist dran …

Neue Heimat

Wohl angesteckt

Ende der Teilzeit

Guter Rat?

Macht euch frei!

Sammelt euch!

Sie ist in Ordnung!

Welch Schmach?

Spinnt ihr?

Verkehrs-Wesen

Fertig ist die Laube

Ausgebadet

Ich will’s nicht wissen

Maskenball

Abgesagt

Keine Chance für die Liebe

Rücksicht, los! 

Alter!

Trockenphase

Frauengold

Heirate mich (nicht)

Gestalttherapie

Letzte Bestellung!

Jahresabschluss

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser!

Wer kennt noch Poesiealben? Als ich sieben Jahre alt und gerade in der zweiten Klasse war, schrieb meine Mutter mir Folgendes in das meine und damit quasi hinter die Ohren:

„Wer lächelt statt zu toben ist immer der Stärkere.“

(Laotse)

„Möge dir, liebe Karina, diese Weisheit immer rechtzeitig im Leben einfallen.“

Ich sag mal so: Ein schlichtes „In allen vier Ecken soll Liebe drinstecken“ hätte mir als Lebensweisheit völlig ausgereicht. Denn mit „toben“ meinte sie natürlich nicht auf dem Spielplatz herumzutoben, wie ich zuerst verwirrt gedacht hatte, sondern Tobsuchtsanfälle zu bekommen. Nach diesem Eintrag vermied ich, das Büchlein weiter herumgehen zu lassen. Ich schämte mich dafür, nicht so zen wie ein chinesischer Weiser zu sein, der vor etwa 2400 Jahren in einer extrem untervölkerten und auch sonst reizarmen Welt gelebt haben musste. Ein Ideal, das ich nie erreichen konnte – und das noch nicht mal mein eigenes war.

Natürlich scheiterte ich immer weiter daran, ein nettes Mädchen zu sein, das seinen auflodernden Zorn über die Gemeinheiten der Welt sofort unter einem Löschschaumteppich aus falschem Lächeln erstickt. Was sollte nur aus mir werden? Nun, was immerhin NICHT aus mir wurde, war eine raffinierte Frau, die ihre Bedürfnisse und Meinungen nicht klar kommuniziert, sondern lieber lächelnd intrigiert. Ein Mann versuchte es mal mit folgendem vergifteten Kompliment: „Ich weiß gar nicht, warum du dich immer so aufregst, du siehst doch gut aus und könntest mit deinem Leben zufrieden sein?“ Als ich mich dabei aufregte, ihm zu erklären, warum diese Aussage in jeder Hinsicht ein Grund mehr war wütend zu werden, legte er nach: „Außerdem steht dir diese Wut gar nicht, die macht hässlich.“

Zum Glück war er nicht Laotse und ich mittlerweile schon eine ganze Weile erwachsen. Mit so was kann mich keiner mehr kriegen. Ich finde, Wut steht mir gut. Vor allem aber steht sie mir zu, wie jedem Menschen: Wurde je einem Jungen geraten, sich eines der elf menschlichen Grundgefühle abzugewöhnen, zu denen bereits Aristoteles den Zorn zählte? Auch der Hulk ist nicht schön, wenn er ausrastet und grün, grunzend und tobend aus seinen Klamotten herausplatzt; aber seine Superkräfte, die ihm aus der Wut gegen die Bösen zuwachsen, sind gigantisch und retten allen immer hübsch Netten den Arsch.

Dazu fällt mir folgende Geschichte ein. Als ich Anfang zwanzig war, fuhr ich mit meinem damaligen, fast zwei Meter großen Freund spätsonntagabends Zug. Wir saßen lesend in einem Abteil und in allen Gängen verkeilten sich reichlich besoffene, frustriert-aggressive Bundeswehrsoldaten auf dem Weg von einem netten Wochenende zurück in die Kasernen. Es war eine lange, langweilige Fahrt und das Handy war noch nicht erfunden. Irgendwann brauchten sie wohl mehr Unterhaltung und begannen deshalb, permanent unsere Abteiltür aufzureißen und unter Beifall und Gelächter ihrer Kameraden obszöne Sprüche hineinzujohlen. „Willst du nicht mal was dagegen tun?“, fragte ich meinen Freund empört, der einfach dasaß, Zeitung las und so tat, als ginge ihn das gar nichts an. Es war doch klar, dass diese Strategie nicht funktionieren würde! Die Gruppendynamik schaukelte sich hoch, die Situation eskalierte zunehmend, und wir hatten keine Möglichkeit, Hilfe zu rufen oder zu holen. Mittlerweile wurden zu den Obszönitäten auch brennende Zigarettenkippen in unser Abteil geschnipst. Ich bekam Angst.

„Jetzt sag was!“, forderte ich den Mann an meiner Seite auf, „rede mit denen!“ Er guckte nur furchtsam und sagte: „Was soll ich denn sagen? Das bringt doch bei solchen Leuten nichts.“

Und da war er wieder, der Hulk-Moment. Meine Angst schlug in rasende Wut um: Auf den nutzlosen Riesenkerl neben mir. Auf die Arschlöcher draußen auf dem Gang, die uns schadenfroh durch das schmierige Glas anglotzten. Ich sprang vom Sitz hoch, riss die Abteiltür auf und schrie die Typen volle Kanne an: „Ich schwöre, der Nächste, der diese verdammte Scheißschiebetür auch nur ANFASST, dem HAUE ICH DERART AUF DIE FRESSE!“ Stille. Sie starrten fassungslos zurück. Dann knallte ich die Tür zwischen uns wieder zu, zog sämtliche schmuddelbeigen Gardinen davor und machte mich kampfbereit. Eine kleine Stimme in mir jammerte „Bist du total verrückt?! Das könnte gleich wehtun!“. Aber Hulkina knurrte sie entschlossen nieder: „Mag sein, aber dabei werde ich ihnen auch so sehr wehtun wie ich nur irgendwie kann.“

Was soll ich sagen: Es funktionierte. Wohl auch, weil sie meine Entschlossenheit bemerkt hatten und ich dabei nicht entschuldigend gelächelt hatte, sodass es als Flirtversuch hätte aufgefasst werden können. Die Scheiß-Schiebetür blieb bis Hamburg zu und von draußen hörte man nur noch vereinzeltes, peinlich berührtes „Höho, hast du die Alte gesehen?“ und gedämpftes „Die ist ja total durchgeknallt. Der arme Typ“.

Aus männlicher Solidarität hatten sie jetzt plötzlich sogar Mitleid mit dem nutzlosen Mann an meiner Seite, der es mit so einer Furie aushalten musste.

Es ist schon lustig. Obwohl Frauen tausend Gründe mehr haben, wütend zu werden als Männer, haben sie offenbar keine Lizenz dazu. Hey, jede Woche werden statistisch zwei Frauen von ihren (Ex)Partnern umgebracht, dann wären da noch alltäglich der Pay-Gap, der Orgasm-Gap, Sexismus, Diskriminierung und systematische Verarmung durch Mutterschaft und Ehegattensplitting, um nur die gravierendsten zu nennen. Lass doch mal gut sein? Was für ein Unsinn – man kann logischerweise nur Sachen gut sein lassen, wenn sie es denn sind. Nein, Wut ist keine peinliche, unweibliche Unart, nicht die Unfähigkeit zur Selbstbeherrschung, sondern ein mächtiger Indikator dafür, dass irgendetwas gewaltig schiefläuft. Männer hassen diesen Trick! Wer Frauen aus Eigennutz pseudo-besorgt rät, einfach nicht mehr wütend zu werden, weil sie sich damit nur selbst schaden würden, könnte auch vorschlagen, rot leuchtende Sicherheitslampen im Atomkraftwerk ’rauszudrehen, um das Problem zu lösen – oder es wenigstens nicht mehr sehen zu müssen. Wenn dem Mann dann alles um die Ohren fliegt, ist der fassungslos, weil er die Kernschmelze gar nicht hat kommen sehen. Es war doch alles in Ordnung! Mein innerer Grenzschutz hat meinen persönlichen Sicherheitsbereich mit Zorn vermint. Wer die vielen freundlichen Warnschilder kilometerweit davor – „Bitte Halt“ … „STOP! Hier nicht weiter!“ und schließlich „BIST DU LEBENSMÜDE? AB HIER KEINEN SCHRITT MEHR!“ – ignoriert, ist selber schuld. Dabei bin ich eigentlich supernett, die Welt lässt mich nur so selten.

Neulich war es mal wieder so weit. Ein berufliches Projekt, das so gut wie abgeschlossen war, wurde kurz vor der Umsetzung noch einmal ohne jede Not umgeworfen und das Ergebnis war schrecklich. Nun wurde es mir stolz als die bessere Alternative präsentiert. Nach der ersten Schockstarre rasten in meinem Hirn typisch weibliche Gedanken: Wie konnte ich meine Ablehnung deutlich formulieren, aber ohne dabei herrisch zu wirken, oder zickig oder rechthaberisch oder schwach oder bedürftig, beleidigt oder hysterisch, hormonell herausgefordert oder aggressiv, eiskalt, nicht teamfähig, arrogant, genervt, irrational, oder nervig oder sexuell unbefriedigt oder zu emotional oder zu hart oder zu selbstgerecht oder – um Gottes Willen! – gar wütend zu wirken? Dann dachte Hulkina nicht länger nach, sondern rief in die Zoomkonferenz: „Spinnt ihr jetzt total? Nur über meine Leiche! NO! FUCKING! WAY!“ Das reichte. Bis zum nächsten Mal. Denn gute Gründe, mich mehr oder weniger aufzuregen, gibt es immer wieder, ganz im Gegensatz zu Wundern.

In diesem Buch sind jetzt erstmals die allerschönsten dieser Gründe versammelt, komplett überarbeitet und mit einigen neuen Aufregern ergänzt.

Meine Tochter ist übrigens fast so alt wie ich damals in dem Zugabteil. Als Kleinkind in ihrer Selbstbestimmungsphase hatte sie spektakuläre Wutanfälle. „Gefühlsstark“ heißt das in der Pädagogik heutzutage. Mittlerweile ist sie 22 Jahre alt, unfassbar sozial, klug und höflich. Sie glaubt noch, dass Frauen und Männer gleiche Berufschancen haben, man sich nur genug anstrengen muss, um Erfolg zu haben und dass man jedes Problem mit jedem in Ruhe ausdiskutieren könnte. Also, von mir hat sie das nicht. Es macht mir manchmal Angst, wie enttäuschend sich das Leben ihr gegenüber verhalten wird. Und ich möchte ihr ins geistige Poesiealbum schreiben:

Bitte, Liebling, bleib wütend. Für dich. Denn wer tobt, statt zu lächeln, ist, wenn’s darauf ankommt, doch die Stärkere.

Nimm dies, Laotse.

Bitte lächeln

Mein Gesicht ist aufsehenerregend, ich werde seit jeher darauf angesprochen. Aber das ist kein Grund zur Freude. Meistens sind die Kommentare nämlich: „Warum guckst du eigentlich immer so genervt?“ Wenn ich konzentriert zuhöre: „Sie glauben mir nicht, was? Sie schauen so skeptisch!“ Oder, am schrecklichsten: „Oy, Mädchen, lach doch mal!“ Mitten auf der Straße verlangt. Von Fremden. Stehe ich in der Öffentlichkeit auf dem Lächelstrich, oder was? Dazu diese Schwemme herzchenwärmender Sinnbildsprüche im Internet wie: „Lächele, und die Welt lächelt zurück.“ Ich kenne ja eher „Lächele, und die Welt sagt, du sollst ihr einen Kaffee holen“. Ich sehe permanent derart unterwältigt aus, dass ich keine Miene verziehe. Vom präventiven Lächeln, vom sexy Gesicht-Twerking meiner Mimikmuskeln verstehe ich leider nichts. Aber jetzt die gute Nachricht: Plötzlich ist mein schwer erregbarer Ausdruck, der wie ein Bildschirmschoner auf der Oberfläche liegt, als „RBF“, Resting Bitch Face total im Trend. Ich habe eins – genau wie Victoria Beckham und Kristen Stewart. Erfunden wurde der Begriff als Parodievideo auf YouTube, aber nun ist er ironischerweise ernsthaft im Sprachgebrauch. Es gibt auch eine männliche Version, das Resting Asshole Face (RAF), wodurch allerdings kaum jemand ein Problem bekommt. Düster blickende Helden schreien geradezu danach, von einer fröhlichen Frau aufgemuntert zu werden; während düster guckende Frauen offensichtlich danach schreien, dafür kritisiert zu werden. Ist ja auch undankbar – da dürfen wir schon studieren, wählen, Männern die Jobs streitig machen, eheliche Pflichten vernachlässigen und sind immer noch nicht happy. Wo bleibt da das dankbare Lächeln?

Wer lächelt, der meckert nicht, schreit nicht, kritisiert nicht. Frauen sind das gesellschaftliche Sozialamt, ihr Lächeln wird inflationär eingesetzt wie Geranienkübel. Hübsch freundliche Gesichter signalisieren nonverbal Verfügbarkeit und Hilfsbereitschaft: Sprechen Sie mich jederzeit gern an! Kann ich Ihnen helfen? Einen schönen Tag noch! Das ist die aktuelle Selbstverkäufermentalität. Und der Druck ist groß: Schönheitschirurgen bekommen ernsthafte Anfragen von Frauen, wie ihr dauerfrostiger Gesichtsausdruck aufzutauen wäre. Also ich würde da die Kombination aus feministischer Literatur und Bar empfehlen. Außerdem hat gerade mein RBF mit zunehmendem Alter den schönen Nebeneffekt, dass ich relativ wenige Falten habe – ganz ohne Botox, weil ich weder Frohsinn noch Orgasmen fake. Meine Emotionen gehören mir, und wer sie zu sehen bekommt, weiß, dass alles echt ist.

Die öffentliche Darstellung brillanter Laune nimmt immer mehr zu. Durch glückstrahlende Partyfotos auf Facebook und Instagram fühlen sich immer mehr als Verlierer: Alle anderen haben sorglos Spaß, nur ich nicht. Aber echte Menschen sind keine Profilbilder und Gespräche keine Chatverläufe mit Grinse-Smileys. Mein ausdrucksloses Gesicht ist einfach mal offline wie mein Geist. Und dessen Kommentarfunktion ist auch geschlossen.

Flagge zeigen

Extremisten waren früher auch extremer. Elitärer. Cooler. Vor allem aber: seltener. Heute ist Extremismus Mainstream und jeder propagiert seine Weltanschauung und seinen Lebensstil. „Wähle deine Fronten“ gibt es nicht nur bei Ikea in der Küchenabteilung: Will einer nicht deiner Meinung sein, dann schlag ihm gleich den Schädel ein und sei es nur im Internet, wo man sich mit Schlagwörtern prügelt. Dabei ist extremere Stellungnahme gefordert als im Kamasutra, es bleibt kaum Zeit zum Nachdenken oder für eine differenzierte Meinungsbildung. Auch in der Flüchtlingsfrage kann man nur zwischen zwei Extremen wählen: „Fremdenhasser“ oder „Bahnhofsklatscher“. Es gibt in dieser Katastrophe keine gemäßigten politischen Klimazonen mehr.