Black is beautiful - HanS SachS - E-Book
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Hans Sachs

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Beschreibung

Juhari ist auf Safari in Afrika. In ihrem bisherigen Leben war sie Villenbesitzerin. Afrika und seine Bewohner waren immer schon ihr Traum. Sie liebt die Natur, Gefahr und Erotik. In der Serengeti ist sie auf den Pfaden des Afrikaforschers Grzimek unterwegs, besteigt den Kilimandscharo, wird aus dem Tanganjikasee gefischt und begleicht die Rettungstat– mit den Mitteln einer Frau. Noch nie war sie der Erotik abgeneigt. Besonders Farbige haben sie stets beeindruckt. Als die Gruppe einige Tage in einem Dorf der Massai verbringt, ist sie so von Hakim und seinem afrikanischen Outfit begeistert, dass sie mit dem Massai eine Ehe auf Massaisch eingeht. Unter einigen Volksgruppen Afrikas ist Bigamie kein Tabu. Sie kämpft gegen das Gräuel des Beschneidens und gegen die Bevölkerungsexplosion. Sie erlebt Zustimmung und Hass. Wer sich in Gefahr begibt, …

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ähnliche


Die Kapitel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

HanS SachS

 

 

 

 

 

 

 

Black is

beautiful

 

Eine Weiße unter Massai

 

 

 

 

Über den Autor HanS SachS:

 

Hans SachS ist ein Pseudonym. Unter diesem Namen unternahm ich viele Reisen, im Heimatland Deutschland und der weiten Welt.

Im fortgeschrittenen Alter geriet ich unter Zwang, in Romanform über die Erlebnisse zu schreiben. Da fließen eigenes Erleben und Fiktion zu spannungsreichen Erzählungen zusammen.

Ich charakterisiere in meinen Romanen Land und Leute und verstricke sie in Situationen, die unter die Haut gehen. So fügen sich Erinnerungen und Fantasie zu spannenden Geschichten, wobei Kriminalistik und Erotik ebenfalls nicht zu kurz kommen.

Bisher sind sieben Romane erschienen: >Der Marsch ins Verderben< >Die Hölle lassen sie hinter sich<, >Die ehrbare Villa<, >Wüstensturm und Wüstenblume<, > Black is beautiful<, >Das Dorf der Puppen< und >Das Russenkomplott<.

Ob >Die Organmafia< noch vollendet wird, steht in den Sternen.

Doch auch sonst bin ich kreativ. Ich fertige Holz- und Specksteinskulpturen und fotografiere leidenschaftlich.

Kurzgeschichten und Gedichte schreibt er seit Jahren, gelegentlich auch mundartliche. Der Roman >Das Dorf der Puppen< wurde mit der DEUTSCHEN WELLE bekannt gemacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Kapitel

 

9 In Schwarz-Afrika

18 Der Feuertanz

25 In der Serengeti

55 Am Kilimandscharo

104 Unter Massai

156 Die Dritte

165 Der nächste Anlauf

200 Juhari auf Mission

237 Stammesbesuche

262 Wasserfrevel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum:

[email protected]

www.romane-undreisen.de

1.. Auflage, 2022

© Dezember 2022 HanS Sachs – alle Rechte vorbehalten.

Mit Cartoons vom Francis-Verlag München

Impressum/Datenschutz

c/o

Papyrus Autorenklub

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkofer Str. 16-18

10247 Berlin

Bildrechte:

Eigene Bilder;

Francis-Verlag

Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Schwarzen.

Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 191-196.

Märchen/Sage

* Aus tausend und eine Nacht, von Gustav Weil

Zur Datenschutzerklärung:

das-buchregal.de/

Frankfurter Allgemeine (Abend)Zeitung

Texte: © Copyright by Werner Schröder

[email protected]

Umschlaggestaltung: © Copyright by Jo Kassis

 

Verlag:

Selbstverlag

 

 

 

Hans SachS

 

 

 

 

 

 

 

 

Black is

beautiful

 

Eine Weiße unter Massai

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Schwarz-Afrika

Die Sonne erhebt sich wie im Zeitraffer über die östlichen Berge des Sees. Ein neuer Tag bricht an. Schnell wird es nach der Kühle der Nacht angenehm warm. Eine gewisse Schwüle liegt in der Luft.

»Hab ich mich gestern gegenüber Arnold wie es sich gehört verhalten, als ich so kurz angebunden war?« sinniert Judith. »Aber ich war doch so müde von der langen Fahrt. Das müsste er verstehen!«

Das Gestirn weckte die Neuankömmlinge, die so spät erst in die Betten gekommen sind. Noch sind es gepolsterte Liegen, denn die Lodge ist auf westlichen Besuch eingestellt. In den nächsten Tagen werden es aber keine weichen Federbetten mehr sein, wenn sie im Nationalpark unterwegs sind.

Auf der Terrasse der Unterkunft wird den sechs Deutschen von einem in Afrika-Look gekleideten Kellner ein englisches Breakfast aufgetragen. Der Blick schweift über den zweitgrößten See Afrikas, dessen Wasserfläche sich die Länder demokratische Republik Kongo, Sambia, Burundi und Tansania teilen. Es sieht ganz danach aus, dass es ein herrlicher Tag wird.

Dogo, den man für die gesamte Tour verpflichtet hat, wird an einem Nebentisch mit Speise versorgt. Auf seinem eigenen Wunsch. Er möchte nicht stören.

Die Gruppe ist bereit zum Aufbruch in den ersten der Nationalparks. Sie ist ausgerüstet wie ehemals Bernhard Grzimek, der berühmte Forscher und Autor des Buches >Serengeti darf nicht sterben. < Eine Mehrtagestour ist geplant, mit Übernachtungen in Eingeborenendörfern, nicht in Hotels. Die Gemeinschaft will das ursprüngliche Afrika kennenlernen.

Kasoje ist das Einfallstor in den Mahale-Mountain-Park. Der afrikanische Guide drängt zum Aufbruch. Anders wie die meisten Südländer ist er pünktlich. Zunächst düsen sie mit einem Speed-Boot in südliche Richtung. Gischt sprüht, als die Reisegesellschaft auf dem Wasser ist. Am Greystoke Mahale, dem waldreichen Naturpark vorgelagert, betritt die Gruppe wieder festen Boden. Es ist der Ausgangspunkt zu ihrem Streifzug, und hierher wird man zurückkommen. Eine großräumige Hütte ist die Unterkunft, landestypisch mit Schilf gedeckt. In dicken Lagen isoliert es gleichfalls gegen die nächtliche Auskühlung. Wellblech, wie es oft gesehen wird und als modern gilt, leitet die Tageshitze unbarmherzig ins Innere der Behausung. Nicht alles, was fortschrittlich gilt, ist von Nutzen.

Weil die Gruppe früh losgefahren ist, kam sie bereits vor der Mittagszeit am Greystoke-Beach an. Heute wollte man noch nicht in den Urwald eindringen, sondern den Tag am Strand verbringen. Am Abend soll es dann ein zünftiges Lagerfeuer vor der Hütte geben. Nicht nur Judith fiebert dem entgegen.

Nicht in den Urwald eindringen?, sinniert Judith. Wer hätte denn etwas dagegen? Speziell nicht sie. Hat doch ein derartiges Erlebnis schon zu lange nicht mehr gehabt. Ihre Maus, in der Heimat stets sorgfältig rasiert, ist mittlerweile wieder zu einem Dickicht zugewachsen. Urwaldähnlich somit. Undurchdringlich ist es jedoch nicht!

Die Gruppe hält sich am Ostufer des Tanganjika auf. Den Tag genoss man in der Hitze unter schattigen Bäumen. Jetzt beleuchtet die Abendsonne die illustre Gesellschaft und den See; den ganzen Tag über war es seltsam schwül. Dogo warnt vor einem Gewitter. Es wurde ja schon einmal erlebt, vor einigen Tagen, in den Fischerhütten im Delta des Rifiji-Flusses.

Alkohol fließt, natürlich nur von der besten Sorte. Auch in Afrika genießt man erstklassige Alkoholika, besonders die gut zahlenden Touristen. Hier am Beach gibt es aber keine Gastronomie, lediglich diese Übernachtungshütte. Verpflegung und Getränke hatte man in Vorratsbehältern mitgebracht.

Der Guide ist solche Veranstaltungen gewohnt, und er warnt vor den Folgen. Er spricht ein leidliches Englisch. Kürzlich erst musste er eine Touristin, die stark alkoholisiert in den See sprang, bei eigener Lebensgefahr retten.

Aber was nutzen alle Warnungen, wenn die Stimmung überbordet. Eine dieser Situationen bahnt sich auch heute an. Verbunden mit dem Eindruck einer stimmungsvollen Nacht unter südlichen Sternen fallen für Europäer sämtliche Schranken.

Auch Judith gerät in Hochstimmung. Nicht nur, dass eine Flasche Safari, der afrikanische Fruchtlikör mit erotisierender Wirkung, sie ausgelassen werden lässt. Ebenso, weil sie das Gefühl hat, dass sie von ihren Mitreisenden begehrt wird. Drei Männer! Alle kernig und in Schuss. Sie musste seit (gefühlten) Ewigkeiten auf gewisse Freuden verzichten, die sie in der Heimat regelmäßig genießen durfte. Das hatte sie sich eigentlich anders vorgestellt.

Aber sie erinnert sich auch an die Eisenbahnfahrt und ihre Überlegungen zur Explosion der Weltbevölkerung. Es wäre doch gut, meint sie, wenn es in jedem Dorf mindestens einen Fernseher gäbe. Dann hätten die Männer mehr Ablenkung und kämen weniger auf erotische Gedanken.

Zum exotischen Sinnesreiz tragen neben dem Gespür für die Abendstimmung tropische Früchte wie Maracuja, Papaya, Mango, Limette und Zitrone bei. Entweder auf Eis oder in fruchtigen Cocktails serviert, bringen die immer einen echt afrikanischen Geschmack auf den Gaumen. Die Stimmung steigt.

Judith ist zunehmend enthemmt. Unter dem Eindruck des lodernden Lagerfeuers, des Fruchtlikörs und der vorgerückten Stunde in fröhlicher Gesellschaft hat sie ein Bad in den Wellen im Sinn. Der See lockt, doch der Guide warnt.

Über seine Bedenken setzt sie sich leichtfertig hinweg. Sie wäre eine passable Schwimmerin. Wasser sei ihr Element.

Ihr afrikanisches Outfit aus Kleid und Schulterumhang, das sie sich in Dodoma gekauft hatte, streift sie ab und steht unvermittelt nackt wie Eva vor dem Sündenfall am Gestade. Trotz Warnrufen des Reiseführers schreitet sie den leicht abfallenden Strand ins Gewässer hinein. Außer vom schwarzen Reisebegleiter und Erwin, ihrem ständigen Bettnachbarn, wird das kaum beachtet. Sie verlässt sich auf ihr außergewöhnliches Schwimmtalent. Doch der dunkelhäutige Begleiter befürchtet Schlimmes. Er weiß um die Gefahren der Wildnis und des Tanganjika.

Judith schreitet unbeirrt ins Wasser. Es vermittelt eine angenehme Kühle. Schon hat es ihre Brüste erreicht, die es sanft umspült. Erwin beobachtet sie vom Strand aus. Ihre Nacktheit erregt ihn. Sie hat eine herrlich geformte Kehrseite. Hat er ja schon in Dodoma bemerkt.

Die Frau seiner Begierde wirft sich jetzt ins Nass und schwimmt mit peitschenden Kraulschlägen auf den See hinaus. Der einheimische Reisebegleiter ist aufgeregt, denn er kennt die drohenden Gefahren des Gewässers. Es gibt hier wegen des Fischreichtums Nilkrokodile und Wasserpythons. Judith hört die Rufe nicht, die ihr vom Ufer her nachschallen.

Jetzt ist die ganze Safarigruppe in heller Aufregung. Wenn so ein Urtier auftauchen würde? Die schleichen sich an, nur dass ihre Nüstern über die Wasseroberfläche reichen.

Judith ist eine gute Schwimmerin und verlässt sich auf ihre Sinne. Nach kurzer Zeit ist sie weit draußen im See. Herrlich, das Wasser. Judith ist eine Wasserratte.

Indem sie einmal zurückschaut, sieht die ganze Gesellschaft wild gestikulierend am Seeufer stehen. Der Wasserspiegel ist ruhig, das Nass kühl und angenehm. Es sind auch keine Gewitterwolken zu erkennen. Sie meint, dass man ihr ihrer Schwimmkünste wegen zuwinkt und erkennt nicht den Ernst der Lage. Sie winkt zurück.

Daher entschließen sich der schwarze Guide und Erwin ohne langes Überlegen, ebenfalls in den Tanganjika hinauszuschwimmen. Sie müssen Judith zurückholen, begeben sich allerdings selber in Lebensgefahr. Was ist der Frau bloß in den Kopf geschossen, sich so der Gefahr auszusetzen?

Ein Boot hat man nicht mehr zur Verfügung. Das hat sie an diesem Strand abgesetzt und ist sofort zurückgefahren. Eine Rettungsmöglichkeit dadurch scheidet somit aus.

Beide sind ebenso gute Schwimmer wie die Deutsche. Voll fürchterlicher Ahnungen kraulen sie hinter der Unbelehrbaren her. Weit vom Gestade entfernt und kaum noch zu erkennen, erreichen sie Judith und erklären ihr die gefährliche Lage. Das ist dann ein Schock für die sportliche Frau. Gemeinsam sprintet man zurück.

Es glänzt in der untergehenden Sonne so eigenartig. Was ist das? Sind es die Augen eines Urtieres, das sich unter der Wasseroberfläche anschleicht? Krokodile vermögen nicht besonders gut zu sehen, nehmen dafür aber kleinste Bewegungen im Wasser wahr. Oder ist es eine Schlange, eine Boa, die sich auch gerne im Nass tummelt? Doch so weit draußen? Die halten sich gewöhnlich mehr am Ufer auf.

Der Reiseführer ist ein kräftiger und umsichtiger Mensch und sich seiner Verantwortung voll bewusst. Deshalb drängt er Erwin und Judith, weiter zu schwimmen. Er will zurückbleiben, um die Erscheinung näher zu betrachten. Damit begibt er sich natürlich in höchste Lebensgefahr, doch er verlässt sich auf Instinkt und Erfahrung.

Weshalb nur sind die Weißen oft so sorglos? Er hatte es ja vor Kurzem auch mit einer anderen Touristin erlebt, die er aus einer ähnlichen Situation herausholen musste.

Die beiden Safariteilnehmer entfernten sich immer weiter von ihm, während Dogo mit unmerklichen Schwimmbewegungen auf der Stelle im Wasser steht. Er meint dann zu erkennen, dass sich ein krokodilähnlicher Körper nähert. Es könnte jedoch ebenso ein Baumstamm sein. Wegen der schlingernden Bewegungen aber vielleicht eine Boa?

„Jetzt musst du stark sein“, versuchte er sich selber Mut einzureden. Ist es tatsächlich eine Echse, und ist sie zudem hungrig – was anzunehmen ist, denn sonst würde sie nicht in den See hinausschwimmen – dann könnte das Krokodil ihn zerreißen, oder eine Boa, die zwar nicht giftig ist, ihn umschlingen und ertränken. Aber Boas fangen gewöhnlich keine Beute, die sie nicht hinunterschlingen können.

Ihm wird heiß, obwohl er im kühlen See auf der Stelle tritt. Er beobachtet den Punkt angestrengt, wo er dieses gewisse Glitzern bemerkt hat. Mal ist es verschwunden, dann taucht es wieder auf. Ist es eines der unheimlichen Tiere? Mit unmerklichen Schwimmbewegungen bewegt er sich in Richtung Strand.

Trotz dass Judith eine Wassernixe ist, ist sie durch die Aufregung völlig ermattet, als sie den Sandstrand erreicht hat. Nur mit Unterstützung durch Erwin vermag sie das Wasser verlassen und bricht dann ausgelaugt zusammen. Das ist gerade noch mal gut gegangen. Für Judith und Erwin. Doch Dogo? Was ist mit dem?

Die Frau zittert am ganzen Körper, aber weniger vor Kälte; eher von der überstandenen Gefahr. Fürsorglich legt Erwin der Nackten eine Decke um die Schultern. Durch diese Berührung bekommt er trotz der irrealen Situation männliche Gefühle.

Judith hat sich dann zum Glück bald wieder erholt. Dogo ist noch nicht an Land, also muss Erwin erneut ins Wasser – von den beiden anderen, René und dem schweigsamen Herrn Schwertfeger kann er das nicht erwarten. Er nimmt sich ein Buschmesser, das man für den Urwaldtrip vorsorglich eingepackt hat, zwischen die Zähne und schwimmt wieder hinaus. Es ist fast völlig dunkel geworden, nur ein geringes Himmelsleuchten von der hinter dem Horizont verschwundenen Sonne ist noch wahrnehmbar. Es ist schwierig, mit dem Messer zu schwimmen, doch er kann Dogo nicht allein lassen. Todesmutig wirft er sich ins Wasser.

Da kommt ihm der Guide entgegen. Schwimmend, nicht verstümmelt und nicht erdrückt. Das, was er für fressgierige Tiere gehalten hat, war tatsächlich ein vom Ufer abgetriebener Baumstamm, der in der Dünung auf-und untertauchte. Allah und Gott sei Dank. Diesmal war das gut gegangen. Doch wenn diese Frau weiterhin solche Kapriolen schlägt?

Das Lagerfeuer wird erneut zum Lodern gebracht. Es verbreitet wohlige Wärme. Alles, was an trockenem Holz aufzutreiben ist, wird in die Flammen geworfen. Die vom Schwimmen unterkühlten Reisenden kommen allmählich auf normale Körpertemperaturen zurück. Judith war nackt ins Wasser gegangen und ist sich gar nicht bewusst, dass sie weiterhin hüllenlos ist. Die Gefahr hat ihr das objektive Denkvermögen geraubt.

Mit nichts weiter bedeckt wie der wärmenden Decke, die Erwin ihr umgelegt hat, tanzt sie um das Feuer und wird zum Begierdeobjekt der Männer. Es ist ein nicht alltäglicher Anblick. Ein Wunder, dass man bereits wieder auf das Normale zurückzukehren vermag. Judith wird nicht einfach so über die von ihr verursachte Gefahr hinweggehen können. Ihr ist bewusst, dass sie einiges gutzumachen hat. Aber wie?

In der Gruppe ist nur eine weitere Frau, verheiratet mit einem ruhigen Menschen, wie man ihn nicht alle Tage trifft. Verwunderlich, dass der so wenig redet; war der Mann doch sein Berufsleben lang Pädagoge. Wie hat er denn bloß sein Wissen vermittelt? Seine Ehehälfte sieht sich jetzt solidarisch mit Judith und leistet ihr beim Feuertanz Gesellschaft.

Dogo und Erwin machen Judith keine Vorwürfe, aber beide meinen, dass sich die Frau doch erkenntlich zeigen müsse. Na ja, braucht ja nicht heute zu sein. Sind ja lange genug auf Safari. Da ergibt sich mit Sicherheit eine Gelegenheit.

Der Guide hat neben seinen Führungsqualitäten auch noch ein Trommlertalent. So heizt er den Tänzerinnen zusätzlich ein. Marion entledigt sich gleichfalls ihrer Kleidung und wirbelt ebenso hemmungslos um das Feuer. Das hätte Judith von der Frau niemals erwartet. Ja, stille Wasser sind tief.

Dogo hat schon oft Reisegesellschaften begleitet, aber dass europide Frauen nackt um ein Lagerfeuer wirbeln, hat er bisher nicht erlebt. Ist das in Europa so üblich?

So wie Hellhäutige auf Negride stehen, ist es umgekehrt ebenso. Afrikaner begehren leidenschaftlich weiße Weiber. Mehr noch, wenn sie lange, blonde Haare haben. Und dazu füllig sind. So ergeht es Dogo, während er die unbekleideten Evas tanzen sieht.

Ein imaginärer Anspruch aufgrund der Rettungstat verwirrt ihn. Er fantasiert, dass Judith sich erkenntlich zeigen müsse. Doch Erwin war an der Rettungsaktion ja ebenfalls aktiv beteiligt. Der ist ja ebenso nur ein Mann.

Sein Trommeln wird ekstatischer, die Tanzfiguren exotisch. Die Langnasen vollziehen nicht mehr nur elementare Tanzschritte, sondern Körperbewegungen, die alle erdenklichen Deutungen zulassen. Judith ist bedacht, ihren Rettern deren mutige Tat mit ihrem Anblick zu vergelten. Aber ob das genügen wird? Und ihre Geschlechtsgenossin scheint auch nicht völlig ohne Ambitionen zu sein. Das verspricht ja ein in jeder Hinsicht heißer Tanz unter dem Kreuz des Südens zu werden.

Der sechstgrößte Binnensee der Welt mit einer maximalen Tiefe von 1.470 Meter war der Schauplatz des fast zum Drama gewordenen Abends. Erwin ist durch das zweimalige Rettungsschwimmen im kühlen Gewässer ebenfalls unterkühlt. Durch das prasselnde Feuer und die erotisierenden Tänze wird er wieder aufgeheizt; er rechnet sich für die nicht ungefährliche Hilfe ebenso eine angemessene Gegenleistung aus. So selbstlos ist er nicht, alsdass er keinen Dank begehren mag.

Denn er sprang ohne langes Überlegen ins Gewässer. Nur seine Oberbekleidung hatte er rasch von sich geworfen. Der dunkelhäutige Guide tauchte nur mit einem Lendenschurz ins Nass.

Wieder an Land, ist dem Hilfsbereiten seine triefende Unterwäsche jedoch reichlich unangenehm am Körper. Auch er macht sich hüllenlos, und nunmehr twisten drei Weiße ohne Hemmungen um das Feuer. Lodernde Flammen, drum herum enthemmt Tanzende: Ein passenderes Bild von Afrika vermag man sich kaum vorzustellen.

Judith hatte es ja seit einigen Tagen, als sie durch Losentscheid mit Erwin in einem Zimmer schlief, auf ihn abgesehen. Nur - der schnallte es nicht. Jetzt scheint sich ihm die Gelegenheit zu ergeben. Doch Judith steht ebenso auf schwarz. Deshalb hat sie ja Afrika zum Urlaubsziel gewählt. Für die Rettung vor den gefräßigen Tieren hat sie sich bei Dogo zu bedanken. Das gehört sich so.

Und mit welchen Mitteln trägt ein weibliches Wesen gewöhnlich so eine Schuld ab? Natürlich, damit. Judith hat ja eh seit Reisebeginn nichts Männliches mehr verkosten können. Jetzt lechzt sie danach. Ihr Abschied von Arnold liegt ja schon sooo lange zurück.

Auch ihre Beschützer sind durch die Situation in Stimmung gekommen. Die Rundtänze bewirkten Wunder. Kälte und Hitze haben es vollbracht. Aber wieso Wunder? Das ist ein völlig natürlicher Vorgang. Insbesondere der Einheimische verspricht ihr zum Hochgenuss zu werden. Doch Dogo ist ja nur ein afrikanischer Begleiter. Er hält sich zurück, denn diesen lukrativen Job möchte er nicht verlieren.

Wenn er wüsste, wie scharf Judith auf das Männliche an ihm ist......

Die Flammen fallen in sich zusammen.Es ist ein Abend, wie ihn sich jeder Europäer in Afrika wünscht.Sie twisten weiter zu vorgerückter Stunde um die langsam verlöschende Glut. Es wird dunkel in der Runde. Erwin ergreift die Initiative.

Der Feuertanz

Die Flammen sind nahezu erloschen. Aber völlig absterben sollen sie nicht. Äußerliche Wärme haben die Teilnehmer der Safari gerne, selbst wenn sie innerlich auch lodern. Der Uhrzeiger bewegt sich auf Mitternacht zu.

Noch immer steckt der Schock in den Knochen. Die Schwimmer hätten keine Chance, wenn sie tatsächlich vom Krokodil oder einer Seeschlange angegriffen worden wären! Das Überleben verdient gefeiert zu werden.

Den Auftakt hat man ja hinter sich. Das sollte aber nicht alles gewesen sein. Erwin legt drei Scheite nach, denn ihm ist es jetzt zu dunkel geworden. Seine Beute ist fast nicht mehr zu erkennen, und frischlich ist ihm mittlerweile ebenso. Der Schwimmer ist keineswegs ein Single. Nur auf dieser Safari reist er ohne Frau.

Etwas Abstand von der eigenen Mutti gewinnen, sicher auch einige Abenteuer erleben, die nicht nur auf die Natur Afrikas beschränkt sind, würde ihm nicht schaden, ist seine Überzeugung. Hier bietet sich die Gelegenheit. Er kommt sich reichlich dämlich vor, dass er die Zimmergenossin nicht einfach so genommen hat, wie sie so zerwühlt auf dem Bett lag. Jetzt aber, beim Nackttanz um das lodernde Feuer, meint er, dass die Stunde gekommen wäre.

Die um den See herum lebenden Fischer bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Fischfang. Der getrocknete Fang wird ins Landesinnere verkauft. Heute jedoch wird der Fang frisch über der Glut gebraten und verzehrt. Erwin macht sich dabei nützlich und hilft beim Braten. Das erste Kiementier reicht er Judith, einen weiteren Fisch verspeist er selber. Dazu gibt es herzhaft-Erwärmendes zu trinken. Nach wie vor sind die drei von Kopf bis Fuß bekleidet wie Adam und Eva.

Durch die unvorhergesehenen Ereignisse, die erlittenen Aufregungen und den irren Tänzen unter dem afrikanischen Sternenhimmel hatte sich Hunger eingestellt. Der Physische wurde gestillt, doch der Psychische rumort ebenfalls. Die Ausgangssituation für Aktivitäten ist pfundig. Bei Konyagi, einem tansanischen Gin, der gerne von Männern getrunken wird, und Afrikoko, dem Likör aus Schokolade und Kokos, kommt man sich sehr nahe. Dodomoa-Wein ist ein weiteres Stimulans. Erwin ist auf Kurs, und was er nicht für möglich hält, auch Judith. Ihre natürliche Haarpracht ist wieder gewachsen, und darauf ist sie stolz.

Und dann das Malheur. Fällt doch ein gebratener Fisch auf Erwins bestes Stück. Mit erloschenen Augen lugt der in Richtung Judith und hinterlässt einen schmerzhaften Brandfleck. Das erzeugt brüllendes Gelächter. Und Judith hat keine Hemmungen, das fettige Geschenk von Erwins Lümmel zu entfernen. Denn da gehört es nicht hin.

Die Wirkung ist spontan, der Anblick aber nicht für jeden gedacht. Judith setzt sich auf Erwins Schoß – was die Heiterkeit nur steigert. Der Bann ist gebrochen.

Der Alkohol kreist im Blut. Und morgen früh ist Aufbruch in den Dschungel. Aus der Ferne hört man das Heulen und Bellen von Schakalen, Brüllen der Löwen, aber auch Schreie und die Warnlaute von Nachtaffen, die bis Mitternacht auf Nahrungssuche sind. Viele andere Laute, undefinierbar für Nichtkenner, erfüllen die Nacht.

Und endlich ruft der Schlaf. Bis auf Judith und Erwin suchen alle ihr Nachtlager auf. Das Feuer ist auf beide übergesprungen.

Die Episode mit dem Fischkopf hat Judith klar gemacht, dass sie ihre Abstinenz beenden muss. Ihr hungert nach ihrem Lebenselixier. Eine gewichtige Portion ist in greifbarer Nähe. Hoffentlich ist es keine Mogelpackung.

Der Guide nächtigt bei den einheimischen Fischern.

Bei aller Sinnenlust: Unter den Augen der anderen Safariteilnehmer traute Erwin sich doch nicht, Judith zu begehren. Ihm dürstet jedoch wie ein Eremit die Erleuchtung. Das zuletzt nur noch leicht glimmende Feuer ist jetzt völlig erloschen. Hier bedarf es keines Wächters, und mit Raubtieren ist nicht zu rechnen. In der Rundhütte ist es stocke duster, nur tastend kann man zu seinem Lager finden. Judith wartet. Nicht darauf, dass der Mond aufgeht.

Und das Ehepaar? Die Frau hat am Nackttanz teilgenommen, das wird ihren Gatten nicht teilnahmslos gelassen haben. Die Eheleute haben eine kleine Schutzhütte nur für sich. Die Übrigen der Reisegesellschaft teilen sich eine Größere.

Judith fühlt sich niedergeschlagen, um nicht zu sagen depressiv. Da hat sie sich über alle Maßen auf diese Reise gefreut, nicht nur als Naturliebhaberin. Insgeheim lauerte sie darauf, mal etwas für ihre Libido tun zu können. Sind die Männer denn so gehemmt, oder haben die keine Ambitionen?

Weil Judith sich unter ihre Laken verkrochen hat, bemerkte sie nicht, dass Erwin sich ihr unmerklich nähert. Er hat sich Judiths Lagerstatt gemerkt und meint, wegen der Finsternis in der Hütte könnten die Reisegefährten sein Anschleichen nicht bemerken. Da hat er sich wohl gründlich getäuscht. Zielstrebig kriecht er darauf zu, immer bemüht, kein Geräusch zu verursachen. Er hat ja mehrfach neben dieser Frau geschlafen. Heute dürfte es mal »mit ihr« werden. Er hat sich ja schließlich Löhnung verdient. Wird sie ihn unter ihr Laken lassen?

Den Platz seiner Begierde hat er erreicht. Vorsichtig hebt er das Betttuch an und erfühlt darunter einen zitternden Körper. Zittert sie vor Kälte, Halluzinationen oder sind das gar Anzeichen einer Erkrankung? Eine der typischen afrikanischen Infektionen, die insbesondere Ausländer befällt? Ist es ein Schock durch die Bedrohung im See? Erwin erschrickt.

Die Zweifel werden ihm aber schnell genommen. Nicht, dass die Mitreisende ihn empört von sich weist: Sie ist beglückt, dass jetzt hoffentlich die Abstinenz ihr Ende findet. Wildbewegt ergreift Judith von Erwin Besitz. Der wähnt sich wie im siebten Himmel.

Sie hat ja seinen körperlichen Status kennengelernt. Im Hotelzimmer, indem er erregt vor ihr stand, und beim Sonnenbaden. Heute auch, wie er nach der Rettung aus dem Tanganjika zum Erwärmen nackt um die Flammen tanzte. Anschauungsunterricht hatte sie genug; da ist die Dunkelheit kein Hemmnis.

Deshalb ja ihre Depression. Tagelang ohne Sex, obwohl verführerische Männer um sich. Aber keinerlei Gelegenheit, an einen Zauberstab heranzukommen. Das muss in dieser Hütte nachgeholt werden. Und sie beurteilt dabei ein schönes Stück voraus. Nicht nur für Erwin hat sie Feuer gefangen. Es nehmen ja weitere solo Reiseteilnehmer an der Safari teil. Nicht ausgeschlossen, dass sich ein Intermezzo mit dem schwarzen Führer ergibt. Denn bei dem wird sie sich gleichfalls zu bedanken haben. Jetzt aber ist zunächst Erwin der Mann ihrer Passion. Es erscheint ihr wie ein Gottesgeschenk, dass er unter ihre Decke kam. Da wird ihr Zittern gleich in andere Bahnen gelenkt.

 

Erwin macht sich schwere Gedanken, ob René und Arnold etwas bemerkt haben könnten. Judith ist das gleichgültig. René und Arnold II, wie sie ihn nennt, um einen Abstand zu dem ihr Angetrauten zu setzen, sind inzwischen aber hellwach geworden. Wer kann auch ratzen, wenn sich vor ihren Ohren Lustbezogenes abspielt. Das Treiben ist wegen der absoluten Dunkelheit zwar nur akustisch zu verfolgen, doch besonders das erregt sie hochgradig, denn so wird vor allen Dingen ihre Fantasie angeregt. Im Kopfkino läuft ein aufbrausender Film ab. Überhaupt: Der Name Arnold verfolgt Judith überall hin. Es wird Zeit, herauszufinden, ob es nicht nur eine Namensgleichheit ist, die sie in Erregung versetzt.

Judith und Erwin bleiben im Laufe des Umtriebs nicht bei ihrer Lautlosigkeit. Unter der Bettdecke entstehen wollüstige Laute. Und als das Gefecht zügelloser wird, vergessen sie sämtliche Hemmungen und verlagern den Kampf auf die Decke. Und da sollen die Spanner sich, nur akustisch beteiligt, wie Gruftis verhalten? Leise wird beratschlagt, ob sie ins Getümmel eingreifen sollten. Eigenhändig sich Freuden zu bereiten, macht aber gelegentlich ebenso Spaß. Sie werden sich Judith schon noch vorknöpfen. Ist ja deutlich erkennbar, worauf die Frau steht.

Die beiden Akteure ließen es dann gemäßigter angehen, nachdem sie die erste Hitze verbrannt hat. Der Jäger hat nach einem finalen Schuss zum Halali geblasen und ist auf sein eigenes Lager zurück gekraucht. Sie sind der Überzeugung, dass die Reisegefährten vom Scharmützel nichts mitgekommen haben. Doch Erwin hat sein Limit überschritten.

Der Tag dämmert. Es bleibt keine Zeit zur Erholung. Ein anstrengender Marsch wird es werden, wie Dogo erklärt. Und wenn die Nachtarbeit ihren Tribut fordert? Eine Safari ist kräftezehrend. Und man steht erst am Anfang.

Um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen, gibt es ein kräftiges Breakfast. Ham and Eggs, von den Engländern populär gemacht.

Es liegt noch Tau auf den Gräsern, als die Rucksäcke geschultert werden. Das Grüppchen wird die Savanne und zwischengelagertes Gestrüpp mit vereinzelt stehenden Eukalyptusbaumgruppen durchziehen. Jetzt, in der Trockenzeit, tragen sie silberfarbene Blätter.

Stunden schon ist die Gruppe auf den Beinen. Im Gänsemarsch durchquert man das Grasland. Wenn die Sonne im Zenit steht, wird eine ausgiebige Mittagspause eingelegt. Heute wird eine Übernachtung in freier Wildbahn gewagt. Zelte werden aufgebaut, denn ein Dorf ist an diesem Tag nicht zu erreichen.

Es ist ja alles dabei. Die Träger pirschten voraus, bereiten das Biwak vor und sorgen für die Verpflegung.

Judith ist belastbar, aber ist sie jetzt zum Freiwild geworden? Erwin hatte sein Vergnügen, doch die Spanner rechnen sich gleichfalls Chancen aus.

Den Tag über lassen sie es sich nicht anmerken, dass sie die Nachtarbeit mitbekommen haben. Erwin ist zurückhaltend wie immer. Judith aber hat ein gewisses Lächeln im Gesicht; sie ist merklich aufgeblüht. Wenn der Trip in der Weise weitergeht, wird es für sie eine genussvolle Safari.

Nicht nur durch das Marschieren ist die Gruppe rechtschaffen müde. Auch die Akklimatisierung steckt manchem in den Knochen. Und Liebemachen zehrt ebenfalls.

Judith plant ein neues Abenteuer. Sie ist nicht nur der Natur wegen in den schwarzen Kontinent gereist. Land und Leute will sie kennlernen. In aller Vielfalt.

Sie hat allerhand Nachholbedarf, der mit Erwin allein nicht gestillt ist. Wer tappt als Nächster in ihre Falle? Sie wird daran erinnert, dass sie sich noch ein anderes Ziel gesetzt hat, indem Dogo ihr am Abend über den Weg läuft. Am Tag marschierte er an der Spitze der Kolonne.

Am Ende des Tages wird ein Lagerfeuer entfacht, das nicht nur zur Erwärmung erforderlich ist. Auch Raubtiere werden damit ferngehalten. Denn die Gruppe nächtigt nicht in einem Kral, der gewöhnlich durch eine hohe Dornenhecke geschützt ist. Wenn das Feuer später heruntergebrannt ist, wacht zusätzlich ein Posten und sorgt für Sicherheit.

Das wird im Wechsel ein Guide oder einer der Träger sein.

Auf ihren anderen Retter aus großer Not hat Judith es heute abgesehen. Ihre Erkenntlichkeit mag sie nicht bis zum St. Nimmerleinstag hinausschieben.

Judith besitzt ein ausgezeichnetes Organisationstalent. Sie arrangiert, dass ihr Erretter die erste Nachtwache hat. Es wird wieder ein langer Abend am Lagerfeuer, doch dann verabschiedet sich Einer nach dem anderen ins Zelt. Judith bleibt als die Letzte der Gruppe am verglimmenden Feuer sitzen.

Sie möchte noch einige Zeit das Kreuz des Südens genießen, wie sie zweideutig erklärt. René und Arnold II kommen heute nicht zum Zug, auch wenn sie wortreich an der Unterhaltung teilgenommen haben.

Der schwarze Guide saß recht still in der Runde. Den ganzen Tag schon gefiel er sich in seinem afrikanischen Look. Er hofft, für die gelungene Rettungstat angemessen belohnt zu werden und rechnet mit einer Beschenkung in tansanischen Schillingen. Nicht mit Sex, obwohl er insgeheim davon träumt.

Manchmal erfüllen sich Träume schneller, wie man zu denken wagt.

Er malt sich aus, wie es wäre, eine bleiche Frau zu haben. Herrlich müsste das sein. Er ahnt nicht, dass Judith ähnliche Gedanken hat.

In der Serengeti

Die Amtssprache in Tansania und Kenia ist Suaheli. Und der Guide der Gruppe Dogo. Das ist ein hier traditioneller männlicher Vorname.

Die Tagesetappe ist erfolgreich verlaufen. Die vorige Nacht hat keine nachteiligen Spuren hinterlassen. Außer Judith haben sich die anderen Teilnehmer zum Schlaf zurückgezogen. Judith bleibt verträumt am langsam niederbrennenden Feuer sitzen. Ob Arnold mal anruft? Sie würde mit ihm gerne in Kontakt bleiben.

Aber Anrufen könnte sie ja geradeso. Ob ihn ihre Abenteuer interessieren? Sie versucht es, bekommt jedoch keine Verbindung. Sie weiß allerdings nicht, dass er in der Wüsteneinsamkeit unterwegs ist und ein Empfang dort schwer möglich ist.

Sie schaut träumend in die Glut und lässt die vergangene Nacht Revue passieren. Dabei bemerkt sie nicht, dass Dogo in ihre Nähe getreten ist. Scheu steht er abseits. Dann hört sie ein verstohlenes Räuspern. Sie gewahrt den Mann, der ihr vermutlich das Leben rettete. Er ist ein Naturbursche und deshalb selbst in der nächtlichen Kühle weiterhin in seinem aufregenden Outfit. Der beinahe -Nacktheit.

Die Potenz von Afrikanern kennt sie. In ihrer Villa in Deutschland hat sie ihre Erfahrungen gesammelt. Kann sich hier wiederholen, was ihr daheim so gefallen hat? Wenn sie an gestern zurückdenkt, da Dogo todesmutig und im Vertrauen auf seine Körperkraft sich dem vermeintlichen Untier entgegenstellte, wird sie schwach. Zum Glück war es dann nur ein Baumstamm, doch das ließ sich im Wasser zunächst nicht erkennen.

Dogo ist eine beeindruckende Figur, muskulös, breitschultrig, von gedrungener Statur. Im Gegenteil zu den Massai, die gewöhnlich von großem Wuchs sind. Er ist ein echter Schwarzafrikaner, wie er in ihr Weltbild passt. Beide merken dann schnell, dass ein andersartiges Feuer zu brennen beginnt. Jetzt überwindet Dogo seine Scheu und setzt sich zu Judith.

Bisher hatte die Deutsche keine Gelegenheit, dem Retter seinen Mut zu vergüten. Der Moment dazu ist jetz günstig. Sie darf jedoch keinesfalls den Eindruck erwecken, dass sie eine Malaya wäre. Denn in Afrika und vielen anderen Ländern ist es nicht opportun, dass Frauen die Initiative ergreifen. Es gilt aber als Schönheitsideal, wenn eine Mammy Kleidergröße 48 oder 50 trägt.

Damit kann Judith nun allerdings nicht protzen. Nach afrikanischem Verständnis ist sie ein kleiner, androgyner Junge, wegen ihrer weißen Hautfarbe. Doch deshalb (und nur deswegen) wird sie als reich angesehen. In ihrem Fall stimmt das zwar, andererseits werden die meisten Europiden so eingestuft. An jeder Straßenecke in den Städten, wo Touristen unterwegs sind, erhalten weibliche Touris von Tansaniern Heiratsanträge!

Kann sie bei Dogo unter diesen Voraussetzungen landen?

Doch der Reisebegleiter kennt von seiner Tätigkeit die Bleichgesichter, und außerdem ist er auf Judith hitzig. Darüber hinaus ist er unnachgiebig in seiner Überzeugung, dass die Frau sich für den Einsatz für sie erkenntlich zu zeigen hätte. In Afrika hat der Mann das Sagen.

Wenn er wüsste, dass Judith einem anderen bereits ihre Dankbarkeit bezeugt und abgetragen hat ... und wie sie von ihm denkt ......

Dogo verhält sich weiterhin verschüchtert, denn er befürchtet, seinen Job zu verlieren, sobald er wie ein tansanischer Mann agiert. Das bemerkt Judith. Deshalb hat sie keine andere Wahl, wie jetzt doch die Initiative zu ergreifen. Selbst für den Fall, dass sie dann in Dogos Augen als Malaya gelten würde.

Wie aus Versehen berührt sie dessen Oberschenkel. Ganz nach der Art, wie sie Erwin seinen wertvollen Anhang wieder gesäubert hatte.

Dogo ist überrascht, dann crazy. Spontan zeigt sich bei ihm eine ererbte Erregtheit. Er ist es gewohnt, sich in der Natur vorwiegend nur mit einem Lendenschurz zu bewegen. So hat Judith leichtes Spiel.

Ein Vorspiel schenkt sie sich. Das ist in Tansania weitgehend unüblich. Wenn eine Lanze auf Angriff getrimmt ist, folgt der Stich, und schon ist alles vorbei. Nicht jedoch unter Judith`s Regie. Sie hat sich vor der Reise informiert.

Das Lendentuch liegt im Gras. Ihre Verteidigungsstellung hat sie aufgegeben. Lieber ehrenvoll unterliegen, wie schmählich flüchten. Man ist erst am Anfang der Safari.

Der Abend ist noch immer angenehm temperiert, ja schwül warm. Sterne glitzern und der fast volle Mond schickt sein diffuses Licht über die Lichtung.

Judith hat schon so manchen Kampf ausgefochten, aber an einem Lagerfeuer in afrikanischer Nacht noch nie–das ist Neuland!

Die Waffe trifft Judith unvermittelt. Und da der Krieger meint, die Amazone tödlich getroffen zu haben, will er den Fight beenden. Da ist er bei Judith an der falschen Adresse. Sie wird ihm zeigen, dass eine deutsche Frau nicht so leicht zu besiegen ist.

In einem weiteren Waffengang wird die totgeglaubte zur Furie. Dogos Haut glänzt. Er hat sich gegen Moskitostiche eingeölt,nicht jedoch mit einer Gegenattacke gerechnet.

Tod oder Leben – jetzt hat Judith das Sagen. Dogo hat noch nie erlebt, dass ein Weib ihn besiegte. Heute hat er es zu erdulden.

Der Baumstamm, hier ihre Sitzgelegenheit, ersetzt ein gutes Turngerät. Er ist zwar nicht mit dem Rondell oder dem Schwebebalken in ihrer Villa daheim zu vergleichen, aber doch akzeptabel für ihre Turnübungen.

Der Guide ist außergewöhnlich gelenkig. Indem er sich zurückbeugt, berühren seine Schultern den Boden. Seine Waffe wird in Stellung gebracht, um Judith erneut zu attackieren. Im Kampfgetümmel verlieren die Sportler den Überblick. Das ist es, was der Marketenderin gefehlt hat.

Erwin bemerkt am Morgen wieder dieses zufriedene Grienen in Judith`s Gesicht. Er hatte doch keinen Kontakt zu ihr in der Nacht. Soll das ein Versprechen sein? Oder gibt es außer ihm jemanden, der sich mit ihr vergnügt? Er wird eifersüchtig.

Die Zelte werden abgebaut, und weiter geht der Marsch. Die Gruppe gelangt jetzt in die Gegend, wo sich gewöhnlich die an den Menschen gewöhnten Schimpansen aufhalten. Manchmal sind sie nicht auffindbar, doch gelegentlich kommen die dem Homo sapiens verwandten Tiere in die Nähe von Touristen. Sie sind neugierig und hoffen dann, Futter zu erhalten, ohne sich selber bemühen zu müssen.

Diese so oft verkannten und zu Versuchszwecken missbrauchten Lebewesen sind äußerst intelligent. Sie erkennen genau, wann Gefahr droht. Dann verziehen sie sich auf die Bäume und warnen, sogar Menschen.

Da hat der Guide etwas bemerkt. Er weist seine Schutzbefohlenen an, sich besonders still zu verhalten.

Elefanten sind es, die ihren Trampelpfad queren. Es ist ein überschaubarer Trupp. Eine ältere Leitkuh und drei erwachsene, junge Kühe sind mit ein paar Kälbern unterwegs. Bullen stoßen immer nur zur Paarungszeit auf die Herden, sonst sind sie Einzelgänger oder leben in männlichen Gemeinschaften.

Die majestätischen Tiere haben die Menschen offenbar nicht wahrgenommen, denn die Witterung steht ungünstig für sie. Dennoch müssen die Touristen sich äußerst vorsichtig verhalten, weil die intelligenten Elefanten über ein außerordentlich gutes Gehör verfügen und unglaublich gefährlich reagieren können. Besonders dann, wenn sie Nachwuchs haben. Nur Menschen sind ihrer gewinnbringenden Stoßzähne wegen ihre Feinde. Und darauf sind Wilderer aus.

Erst nachdem die Elefantengruppe außer Sicht ist, setzen die Safariteilnehmer ihre Tour fort. Heute müssen sie das Dorf erreichen, das sie erwartet. Dort werden sie mit neuen Nahrungsmitteln versorgt. Von da nimmt man auch einen zweiten Guide mit, der sich in Savanne und Wald noch besser auskennt. Es ist ein ausgesprochener Experte im Aufspüren und erklären von Fährten, sodass zu erwarten ist, manches scheue Tier der Steppe beobachten zu können.

Eine weitere große Gefahr wurde im offenen Gelände mit Glück und Umsicht umgangen: Schlangen, die in der Sonne auf Lauer liegen. Gewöhnlich verschwinden die zwar im Gebüsch, sobald sie anhand der Bodenerschütterung bemerken, dass das mögliche Fressopfer doch zu groß für sie ist. Wenn der Mensch oder andere Lebewesen jedoch schleichen, kann es sein, dass das Reptil die Gefahr nicht erkennt, da Schlangen nicht gut sehen können. Dann beißen sie zu, und das ist oft tödlich.

Außer Elefanten und Reptilien wird man dank des neuen Guides aber auch schlanke Oryx Antilopen gewahren. Die tragen zu langen Spießen gewachsene Hörner. Auf Gnus mit massigen, gedrungenen Körpern und wie Sicheln geformten Brauschen wird er aufmerksam machen. Und auf flinke, kleine DikDiks.

Dazu kennt er eine Vielzahl von Vögeln, deren Namen sich nicht alle merken lassen. Pfirsichköpfchen sind eine Papageienart, der gelbe Maskenweber, der ein dunkles Gesicht hat. Das Schwarzköpfchen, wie seine Bezeichnung sagt, mit schwarzem Kopf, gelber Brust und grünem Bauch, mit einem Papageienschnabel. Ebenso die Angolaturteltaube, gerne am Wasser lebend, den Lappenstar, einen Madenpicker auf großen Wildtieren, noch einen Madenhacker, den Braunkopfliest, der einen langen Schnabel und bunten Körper besitzt. Eine Menge anderer Vögel schwirrt hier herum, welche die Savannen Tansanias wunderbar beleben.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen Judith und ihre Begleiter den Kral. Die Bewohner freuen sich über jeden Besucher, weil damit ein extra Verdienst verbunden ist. Und der wird solidarisch unter sämtlichen Dorfbewohnern aufgeteilt.

Schwere Feldarbeit bringt wegen zunehmender Trockenheit immer weniger Ertrag. Davon lässt sich kaum leben. Geldeinnahmen sind eher durch Übernachtungsgäste und Führungen zu erzielen. Deshalb ist sanfter Tourismus so wichtig. Das hat man erkannt.

Der zweite Guide bietet für heute Nacht eine Exkursion an, auf der man Großtiere an der Tränke beobachten könnte.

»Irgendjemand Lust, dabei zu sein, trotz des anstrengenden Tages?« Fragt er seine Gruppe.

Judith möchte schon, doch alleine mit ihm? Sie hat zwar keine Angst vor unbekannten Figuren, aber lieber wäre ihr, wenn sich aus der Reisegruppe jemand finden würde. Ja, und dann melden sich die Schwertfegers, das Lehrerehepaar. Und damit erklärt sich auch, weshalb er immer so schweigsam ist: Der Mann ist passionierter Waidmann daheim, und wenn es auf Pirsch geht, hat man tunlichst seinen Babbel zu halten. Das ist ihm im Laufe der Jahre so ins Blut übergegangen.

Das passt ja gut, diese Vierergruppe. Ein Naturkenner, zwei Jäger und Marion. Ja, zwei Nimrods, denn Judith ist ebenso auf Jagd. Wenn auch nicht auf wilde Tiere.

Man kennt es ja, dass abends die Feuer angezündet werden. Bisher machte das Sinn, weil kein Strom für Licht oder zum Kochen zur Verfügung stand. Jetzt hält die Solartechnik nach und nach selbst in entlegenen Dörfern Einzug und bringt gewissen Fortschritt. Somit wird erreicht, die Wälder vor Abholzung zu bewahren. Gleichzeitig wird einer zusätzlichen Austrocknung der Landschaft entgegengewirkt. Das Wissen über diese Zusammenhänge ist unter den Einheimischen leider bislang nicht weit verbreitet.

Der Reisegruppe wird vom Dorfältesten eine geräumige Rundhütte zugewiesen. Schlafen wird man auf Holzgestellen, worauf eine Lage getrocknetes Gras liegt. Jeder Träumer bekommt dazu ein Moskitonetz, denn nachts sind diese fliegenden Viecher besonders aktiv.

Die Waschgelegenheit ist eine Dusche. Aus einem in einem Baum hängenden Wasserkanister. Komfort ist hier nicht angesagt. Man ist auf Safari.

Die Dorfbewohner säubern sich auf gleiche Weise. Männer und Frauen mitsamt den Kindern. Und die Weiber sind barbusig. Das ist hier so üblich. Trotzdem erkrankten Erwin und Konsorten an Stielaugen.

Wegen der nächtlichen Pirsch teilt sich die Gruppe. Diejenigen, die nicht mitwollen, sitzen um das Dorffeuer, die anderen machen sich auf den Pfad, Löwen, Zebras, Gnus und Hyänen vor die Kamera zu bekommen. Denn mit einer Flinte schießen ist strengstens verboten. Die Tiere stehen allesamt auf der Schutzliste, und die Eingeborenen sind selber dafür aufgeschlossen, den Wildbestand zu erhalten. Er ist ihr Pfand für den Tourismus.

Schwertfeger schleppt eine große Fotoausrüstung mit sich herum. Schwere Tele, kleine Weitwinkel und Objektive, die sich besonders für Tierfotografie eignen. Judith begnügt sich mit ihren Augen. Die Ausbeute ist gut. Schwerdtfeger ist zufrieden. Es war eine gelungene Exkursion.

Am folgenden Morgen bricht die Gruppe zur dritten Etappe auf. Das nächste Übernachtungsdorf ist ebenfalls auf ihr Kommen vorbereitet. Hier wird sie ein Geschichtenerzähler am Lagerfeuer unterhalten. Judith freut sich drauf. Dogo wird übersetzen.

Afrikanische Geschichten sind stets aus dem Leben gegriffen. Darauf ist die gesamte Gemeinschaft, nicht nur die Weißen, außerordentlich gespannt.

Nach einem weiteren anstrengenden Tag werden die Traveller traditionell vom Dorfältesten begrüßt. Das ist aufgrund seines Alters stets eine Respektsperson. Anders wie in westlichen Ländern, wo Traditionen und Betagtheit von der Jugend zunehmend nicht mehr respektiert werden.

Die Dorfgemeinschaft findet sich zu einem Tanz zu Ehren der Gäste um das obligatorische Feuer zusammen, das im Mittelpunkt der im Kreis errichteten Hütten lodert.

Drei frisch erlegte DikDiks, über Holzfeuer gegrillt, dazu Salate aus unbekannten, schmackhaften Kräutern, füllen die hungrigen Mägen. Als Getränk wird etwas angeboten, das aussieht wie Wasser, aber brennend wie Schnaps durch die Kehle rinnt. » Gut gegen Moskitos,« meint der Dorfälteste.

Der Geschichtenerzähler hatte sich einen Mantel aus gegerbten Tierfellen umgelegt, der ebenso seine Füße umhüllt. Dazu trug er eine Art Turban, was er sich von Arabern abgekupfert hatte. Voneiner Kaffern-Kindergeschichte aus vergangenen Zeiten begann erzu berichten:

»Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten zwei Kinder. Einen Knaben und ein Mädchen. Da die Mutter aber eine Kannibalin war, hatte der Vater beide gleich nach ihrer Geburt zu ihrem Großvater geschickt. Bei dem lebten sie und wuchsen auf. Als sie größer wurden, sprachen sie eines Tages zu dem alten Mann:«.

»Wir sind lange genug hier gewesen; es verlangt uns heimzugehen, um unsere Eltern zu sehen.«

Der Großvater antwortete:

»Werdet ihr auch zurückkommen? Ihr wisst doch, dass eure Mutter eine Menschenfresserin ist?«

Die Kinder aber blieben bei ihrem Vorsatz, und so willigte der Alte schließlich ein und ließ sie ziehen. Doch ehe sie sich auf den Weg machten, warnte er sie nochmals:

»Seht zu, dass nur euer Vater von eurer Anwesenheit weiß und nicht die Mutter. Meidet sie!«

Als die Sonne untergegangen war, sagte Kinazinei, der Knabe, zu seiner Schwester:

»Lass uns nun aufbrechen, meine Schwester; denn der Weg ist weit.«

Die ganze Nacht über schritten sie rüstig vorwärts und erreichten ihres Vaters Hütte kurz vor Sonnenaufgang. An der Türe d blieben sie stehen und horchten, ob sie der Mutter Stimme hören würden. Als sie sicher waren, dass nur der Vater daheim war, öffneten sie und traten ein. Kaum sah der Vater seine Kinder, als er vor Entsetzen die Hände zusammenschlug und ausrief:

»O meine Kinder, warum seid ihr hierhergekommen? Wisst ihr denn nicht, dass eure Mutter eine Kannibalin ist? Sie wird euch töten, wenn sie euch hier findet.«

Indem er noch so redete, hörte man einen gewaltigen Lärm wie das Rollen von Donner; das war das Nahen der Menschenfresserin. Schnell versteckte der Mann seine Kinder in einem entlegenen Winkel der Hütte, bedeckte sie mit Fellen und gebot ihnen, sich völlig ruhig zu verhalten. Kaum hatte er sie sorgfältig verborgen, als die Mutter eintrat. In der einen Hand hielt sie ein Tier, in der anderen den toten Körper eines Mannes. Übergangslos stand sie still. Mit rollenden Augen in dem Raume umherspähend, sprach sie:

»Hier ist etwas, das gut riecht! Ich glaube, meine Kinder sind hier.«

Doch ihr Mann antwortete:

»Du träumst! Wie sollten die Kinder hierherkommen!«

Sie aber beruhigte sich nicht, sondern schnüffelte von Ecke zu Ecke. Als sie zu den Fellen kam, hob sie dieselben hoch und fand die Kinder.

»Es tut mir leid um euch, meine Kinder, euch hier zu sehen,« sagte sie traurig, »denn mein Gelüst nach Menschenfleisch ist zuzeiten so groß, dass ich selbst die eigenen Kinder nicht schonen kann.

Ihr hättet nicht herkommen sollen; denn ihr wusstet, dass ich eine Menschenfresserin bin.«

Darauf bereitete sie für ihren Mann und die Kinder das Tier zum Essen, für sich aber den toten Mann. Als es nun Abend geworden war, legten sie alle sich schlafen. Der Vater aber nahm die Kinder schnell beiseite und sagte:

»Gebt wohl acht. Ihr werdet im Magen eurer Mutter Menschen tanzen, wilde Tiere brüllen und Hunde bellen hören. Dann wisset, dass sie schläft. Steht alsbald leise auf und geht eilends fort; denn wenn sie euch morgen früh sieht, wird sie euch verschlingen.«

Es währte auch gar nicht lange, so hörten sie einen entsetzlichen Lärm in dem Magen ihrer Mutter. Hurtig standen sie auf und machten sich auf den Rückweg. Um Mitternacht erwachte das Weib und ward sehr zornig, dass die Kinder fortgegangen waren. Schnell stand sie auf, nahm eine Axt und folgte ihnen. Indem die Kinder hinter sich sahen, gewahrten sie mit Schrecken ihre Mutter, die schon ganz nahegekommen war. Sie waren zu müde, um schnell rennen zu können, und fürchteten sich sehr. Schließlich sagte der Knabe zu dem Mädchen:

»Vielleicht werden unsere Tränen und Bitten die Mutter rühren. Lass uns stehen bleiben und sie erwarten.«

Doch das Mädchen erwiderte:

»Sie ist hungrig und wird weder unserer Tränen, noch unserer Bitten achten.«

Doch der Knabe beharrte darauf:

»Lass es uns versuchen.«

Bald war die Kannibalin ganz nahegekommen; da fingen die Kinder an, laut zu klagen und um ihr Leben zu flehen. Und wirklich wurde die Frau gerührt davon und kehrte um. Nachdem sie in ihre Hütte trat, ergriff sie ihren Mann, um ihn zu töten und zu verspeisen; sie war sehr hungrig. Doch der wehrte sich und rief:

»Ho, ho, wenn du mich tötest, wer ist denn dann dein Mann?«

Da ließ sie ihm das Leben, machte sich aber sofort wieder auf den Weg, um ihre Kinder erneut zu verfolgen. Nahe bei dem Dorf ihres Großvaters holte sie die ein und verschlang beide. Dann ging sie in das Dorf und verspeiste Männer, Frauen und Kinder und schließlich auch alles Vieh, welches sie vorfand. Gegen Abend begab sie sich auf den Heimweg. Als sie durch ein tiefes Tal kam, sah sie von weitem einen schönen, bunten Vogel. Der wuchs zusehends und war schließlich so groß wie ein Haus. Nachdem die Frau ganz nahegekommen war, fing der Vogel an mit lauter Stimme zu singen:

»Ich bin der schönste Vogel dieses Tales; warum kommst du, mich zu stören?«

Während er so sang, kam er schrittweise näher und nahm schließlich der Frau ihre Axt fort; dabei sang er immerzu. Die Kannibalin begann, sich zu fürchten.

»Vogel, gib mir meine Axt wieder, ich will dein Fleisch ja nicht!«

Da riss der Vogel ihr einen Arm aus. Sie schrie laut auf vor Schmerz und sprach:

»Vogel, gib mir, was mein; gib mir zurück, was du mir genommen hast; dann werde ich weitergehen.«

Doch der Vogel schien sie gar nicht zu hören, sondern sang immer denselben alten Sang:

»Ich bin der schönste Vogel dieses Tales!«

Da rief die Frau erneut mit lauter Stimme:

»Vogel, gib mir wieder, was du mir genommen hast! Ich muss heimgehen zu meinem Mann und für ihn kochen!«

Da riss ihr der Vogel ein Bein aus, sodass sie zur Erde fiel. Der Vogel aber sang weiter und weiter die nämlichen Worte. Dieweil die Frau sah, dass ihr Leben in Gefahr war, sann sie auf eine List, um zu entkommen.

»Vogel,« sprach sie, »du kannst nicht gut singen. Ich will dich singen lehren, wenn du mir wiedergibst, was mein, und mich gehen lässt.«

Da breitete der Vogel seine Flügel aus und riss ihr mit seinem Schnabel den Magen auf. Aus dem Magen aber kamen hervor alle Leute und alles Vieh, das die Frau in den letzten Tagen verschluckt hatte. Und sie selber starb unter großen Schmerzen. Ihre eigenen Kinder kamen auch wieder zum Vorschein, und die anderen Leute machten sie zu Herren des Landes.

»Denn,« sprachen sie, »durch euch sind wir wieder zum Leben zurückgekommen; ihr habt uns alle gerettet.«

Ein mächtiger Häuptling heiratete das tüchtige Mädchen, und Kinazinei wurde mit der Tochter eines anderen Stammesoberhauptes vermählt. Man sagte, dass sie glücklich geworden sind.

 

Diese Geschichte wird seit Generationen erzählt. Die Zuhörer sind tief ergriffen von der Erzählkunst des Mannes.

Es sind nicht wenige, die davon überzeugt sind, dass es früher wahrhaftig Kannibalen gab. Auch ist nicht auszuschließen, dass man diese Mär erfunden hat, weil es wirklich Löwen gibt, die zu Menschenfressern geworden sind. Denn manche der Raubtiere hatten erkannt, dass ein Mensch zu einer leichten Beute werden kann.

Im Mahale-Nationalpark leben neben den intelligenten Schimpansen auch die Könige der Tiere. Ebenso sind Büffel, Schakale und eine große Vogelvielfalt auf der Pirsch zu erleben. In der Trockenzeit versammeln sich an den letzten Wasserlöchern Zebras, Antilopen und Gnus. Sie werden dort von Krokodilen erwartet.

Ein weiterer ereignisreicher Tag wurde mit einem vergnüglichen Abend beendet. Selbst Judith hatte heute keine zusätzlichen Ambitionen. Die Afrikareise wird ja lange dauern, sagt sie sich. Sollte man es mit Katastrophe bezeichnen, dass sie vor Müdigkeit auf die Schlafstatt fällt und keinerlei Bedacht mehr hat auf Mann?

Wenn Schimpansen der Liebe frönen, dürfen die Beteiligten der Safari das ebenfalls, meint Judith. Hat sich ja bereits zweimal den Luxus gegönnt.

 

Es ist äußerst anstrengend, durch den ursprünglichsten der Nationalparks Tansanias einen Fußmarsch zu unternehmen. Sollte sich trotz bester Planung herausstellen, dass die Kräfte der Gruppe nicht reichen, könnte man immer noch auf Kamele oder Landrover zurückgreifen. Wenn auch die Massai und ihre nahen Verwandten, die Makonde, in ihren Reservaten zumeist ohne Reittiere unterwegs sind, haben sie doch mittlerweile die Vorzüge solcher Tiere und der Technik erkannt.

Safarijäger sind aber keine Weicheier! Einige Tage im Busch und der offenen Savanne stehen den Touristen noch bevor. Sie werden den Naturpark in einem weiten Bogen umrunden und dann zum Ausgangspunkt zurückkehren. Erhebliche Entfernungen sind es, die zurückzulegen sind.

Es sind betuchte und körperlich leistungsfähige Teilnehmer, die sich zusammengefunden haben. Und sie haben sich dazu die längste und schwierigste Variante der Reise ausgesucht.

Am nächsten Morgen startet die Gruppe weit vor Sonnenaufgang. Es ist die beste Zeit, um Tiere zu beobachten. Die Vielfalt der Vogelwelt ist zu der Tageszeit in ihrer schillerndsten Pracht zu sehen. Auch Schlangen sind dann zu entdecken, wie sie sich von der aufsteigenden Sonne aus der Nachtstarre aufwärmen lassen. Zu dem Zeitpunkt sind die Gift-oder Würgetiere noch ungefährlich.

Die Deutschen sind begeistert. Zunächst streunt man weiter durch den Busch, dann öffnet sich Graslandschaft. Die Blicke schweifen in die Ferne.

Linker Hand sieht man die mehr wie 2000 mtr. hohen Berge des Parks, die aber nicht das Ziel der Gruppe sind. Doch von da oben müsste man einen herrlichen Blick über die Wälder und den zweitgrößten See Afrikas haben. Den Tanganjikasee mit einer Tiefe von 1.470 Metern im ostafrikanischen Grabenbruch.

Schimpansen wurden bisher nicht gesichtet. Die halten sich eher in den urwüchsigen Bergwäldern auf. Leider aber werden davon große Flächen abgeholzt. Damit wird der Lebensraum der Primaten stets weiter eingeengt.

Dorthin, an den Fuß der Gebirgsstöcke, wird man morgen gelangen. Heute wird ein zentral gelegenes Wasserloch besucht, in einer Senke, wohin viele Tierarten zur Tränke kommen.

Da ist besondere Vorsicht geboten. Tagsüber, in der größten Hitze, dösen die Raubtiere im Schatten von Felsen und Bäumen. In der Dämmerung schleichen sie sich an, um ein saftiges Mahl zu schlagen. Da wäre dann auch die Safarigruppe in Gefahr. Selbst Wissenschaftlern ist es ein Rätsel, wie Krokodile dahin gekommen sind. Die Tränken haben doch keine Verbindung zu Flussläufen. War das früher anders?

Die Gruppe wird von erfahrenen Guides geleitet. Die verstehen es aufgrund ihrer Naturverbundenheit, Menschen von Löwen, Geparden, Leoparden und Schakalen fernzuhalten. Und weil der Trupp zu Fuß unterwegs ist, haben sie beste Chancen, die Savannentiere an der Tränke zu beobachten. Die werden nicht durch Autolärm- und Staub vergrämt. Es ist ein grandioses Erlebnis, in der Abenddämmerung eine wild lebende Tierwelt auszuspähen.

Nicht wenige Meilen wird die Gruppe nach diesem Abenteuer bis zu einem von Dornengebüsch umfassten Eingeborenendorf noch zurückzulegen haben. Dort erwartet die Touristen ein Mahl mit saftigem Büffelfleisch. Wenn aber keine Safarigruppe den Kral aufsucht, haben die Bewohner nicht ein solches Festessen. Dann gibt es Hirse - morgens- mittags und abends. Mal zu Fladenbrot gebacken, oder als Suppe gekocht. Das ist die ganze Abwechslung.

Mahlzeit und Nachtruhe werden neue Kraft für den weiteren Tag bringen.

 

Selbst die sonst so zweisamkeitsbedürftige Judith hält zurzeit nichts von kraftraubenden Sonderaktivitäten. In Tansania erinnert sie sich nur gelegentlich an ihren angetrauten Mann. Sie hat Weitere um sich, die sie verwöhnen könnten. Was ihr Arnold auf der arabischen Halbinsel treibt, ist ihr auch recht egal. Weiterhin kein Mobilfunkkontakt. Die Berge schirmen offenbar den Empfang ab.

Der tansanische Guide bemerkt, dass auch die anderen auf diese Judith abgefahren sind. Er meint, ein Bevorzugter zu sein. Dass die Bwana Erwin ihren Dank bereits abgestattet hat, weiß er nicht.

Der Einheimische ist nur der Führer der Gruppe. Ein Anrecht auf Judith darf er sich nicht anmaßen, und doch trachtet er, sie tiefer in die Geheimnisse afrikanischer Liebe einzuweisen.

Nach den anstrengenden Tagen in der Savanne hat niemand eine Chance bei der Deutschen. Sobald die vor Fett triefenden Fleischstücke des Jagdglücks verzehrt sind, verzieht sich die Spezies Mensch auf die Schlafgestelle. An das Surren der Moskitos hat man sich gewöhnt.

Dogo hat Halluzinationen von wilden Tieren, denn die hat er täglich um sich. Und Judith erscheint ihm in der Fantasie wie eine Löwin, gegen die er sich zu wehren hat. Um nicht selber umzukommen, sticht er immer wieder zu, bis das Raubtier endlich besiegt ist. Dabei erwacht er und bemerkt, dass ihm ein Speer zur Verfügung steht.

Da überkommt ihn körperliche Lust. Eine unbändige Kraft treibt ihn. Es ist Frühling.

Wie er vermutet, schlafen alle tief und fest, außer einem Wächter. Darf er sich zu seiner Löwin schleichen? Einmal ist keinmal, meint er. Für die Lebensrettung stände ihm auch die zweite Seite der Medaille zu. Die Weiße hat es ihm angetan.

Der Kralwächter gewahrt ihn nicht. Der richtet sein volles Augenmerk auf die Umgebung der Dornenhecke. Denn da scheint sich etwas bewegt zu haben.

Das nutzt Dogo. Der Mond hat sich gerade hinter einer Wolke versteckt. Er hat Kenntnis, wo der Leu im Schlummer liegt, weil er ihr vorhin ein paar Sachen an ihren Platz gebracht hat. Sie hat einen unruhigen Schlaf, murmelt einige Worte. Jetzt wirkt sie erregt. Träumt sie?

Es ist immer noch schwül. Sachte hebt er die Decke an, unter der sie ihre Träume auslebt. Sie ist nackt und erwacht nicht.

Dogo erinnert sich an sein Hirngespinst, in dem er die Löwin bezwang. Seine Fantasie wird sich erfüllen. So, wie Dogo es traumhaft erlebte, sticht er zu. Und sie wacht selbst dabei nicht auf. Hat sie ebenso eine Illusion, die ihr wie die Wirklichkeit erscheint?

Was wird sie sich am Morgen wohl zusammenreimen? War es Fantasievorstellung, die sie ertrug, oder doch die Wahrheit? Egal, was ihr widerfuhr, Selbsttäuschung versus Wahrhaftigkeit. Sie hatte ein einprägsames Erlebnis.

Beim Breakfast versucht sie, in den Mienen ihrer Begleiter zu lesen. Nichts aber lässt erkennen, ob einer der Jäger zum Schuss kam. An ein Traumerlebnis glaubt sie nicht mehr.

 

Der Weg über die Savanne hinüber zum Wald wird beschwerlich sein. Doch man wusste von vornherein, dass die Safari reich an Erkenntnissen und kein Zuckerschlecken sein würde. Heute wird man die Schimpansen locken.

Die haben sich im Laufe der Jahre an Menschen gewöhnt, denn es kommen immer mehr dieser Zweibeiner in ihr Revier. Na gut, wenn die Bananen oder andere Leckereien mitbringen, lassen wir uns sehen, werden sie sich denken.

Nach einigen Stunden Urwaldpirsch wagen sich Judith und ihre Freunde aus der Deckung. Die Tiere haben die Homo sapiens aber weit eher entdeckt wie umgekehrt.

Schimpansen und die mit ihnen verwandten Bonobo sind intelligente Lebewesen. Sie verhalten sich oft menschenähnlich. Oder Menschen benehmen sich affenähnlich. Je nach Sichtweise.

Beide Tiergruppen leben in Familienverbänden. Ihr Anführer ist Herr über einige Weibchen und beherrscht sie in seinem Harem. Männliche Rivalen werden vertrieben. Haben Homo sapiens das Sexualleben von den Langhaarigen übernommen? Bei Judith ließe es sich vermuten.

Nachdem die Gruppe Mensch die Horde Schimpansen entdeckt hat, wird zur Morgengabe eine Staude Bananen auf den Boden gelegt. Darauf haben die Baumbewohner gewartet. Gar nicht so schüchtern nähern sie sich, und ruck zuck werden die Früchte unter dem Rudel aufgeteilt und genussvoll verspeist. Dabei lässt sich eine Rangordnung erkennen. Dogo erklärt, wie es funktioniert. Besonders Judith hat er im Blick.

Quasi zum Nachtisch können die Safariteilnehmer die liebevolle Fellpflege der Menschenaffen wahrnehmen. Und den enthemmten Sexualtrieb des Patriarchen. Wie es dem Herrscher zusteht, greift er sich eines der Weibchen und pflanzt ihr ungeniert sein Attribut ein. Eine rasche Begehung, und das naturbedingte Begehren ist gestillt. Er wendet sich der Nächsten zu und waltet seines Amtes.

Die Haremangehörigen lassen es willig geschehen, denn das Ritual sorgt für den innigen Zusammenhalt der Gruppe. Es ist, wie wenn die Schimpansen den Menschen eine Lektion in Sachen Liebe erteilen wollen.

Alles wurde aus kurzer Distanz miterlebt, und Judith bemerkt, wie ihren Männern der Hafer sticht. Nur bei Dogo nicht. Sie kommt zu dem Schluss, dass er derjenige war, der ihr den Traum versüßte. Na, warte!

Der zweite Guide, der sich so vorzüglich in der Naturlandschaft auskennt, ergreift die Gelegenheit, der Safarigruppe sein Wissen über die Menschenaffen mitzuteilen. Er setzt sich in Positur und doziert:

»Ladys and Gentlemen, ich habe lange Jahre gelernt und mich damit befasst, die Lebens- und Liebesgewohnheiten anderer Lebewesen zu begreifen. Und da ich oft in diese Gegend komme, fasziniert mich ganz besonders diese Horde Schimpansen. Ich glaube sogar, dass die mich erkennen, wenn ich hier auftauche.«

»Die Tiere sind eine Familie aus der Gattung Menschenaffen. Sie sind die nächsten lebenden Verwandten des Menschen und bewohnen das mittlere Afrika. Zur Klasse zählen zwei Arten: der Gemeine Schimpanse und der Bonobo oder Zwergschimpanse.

Die Benennung ist abgeleitet aus der Bantu-Sprache Tschiluba. kivili-chimpenze ist die lokale Bezeichnung des Tiers und lässt sich mit Schein-Mensch oder Affe übersetzen.«

»Der wissenschaftliche Gattungsname Pan bezieht sich auf den bocksfüßigen Hirtengott Pan in der griechischen Mythologie. Es spielten auch andere Vorstellungen eine Rolle, nach denen die Schimpansen wie behaarte, geschwänzte Urmenschen in Erscheinung traten. Das Beiwort paniscus für den Bonobo ist abgeleitet von paniskos; es bedeutet kleiner Pan und verweist auf die altgriechische Sitte, miniaturisierte Statuen dieser Gottheit an Feldern aufzustellen.«

Mit diesem Wissen beeindruckt er die Safaris. Er sonnt sich in deren Lob, um dann fortzufahren:

»Schimpansen haben eine Kopfrumpflänge von 64 bis 94 Zentimetern. Ein Schwanz fehlt, wie bei allen Menschenaffen. Aufrecht stehende Tiere erreichen eine Größe von 1 bis 1,7 Metern. Hinsichtlich des Gewichts herrscht ein deutlicher Geschlechterunterschied: Wenn Weibchen 25 bis 50 Kilogramm schwer werden, kommen Männchen auf 35 bis 70 Kilo. Die Bezeichnung Zwergschimpanse für den Bonobo ist insofern irreführend, weil beide Arten annähernd die gleiche Größe haben. Allerdings hat der Bonobo einen grazileren Schädel und weniger muskulöse Gliedmaßen.

Die Arme der Schimpansen sind länger wie die Beine. Hände und Füße enden in fünf Fingern, wobei Daumen und große Zehen wie bei vielen Primaten opponierbar sind; deshalb geeignet zum Umgreifen von Ästen. Der größte Teil des Körpers ist von einem dunkelbraunen bis schwarzen Fell bedeckt.

Der Kopf ist durch die runden Ohren, die Überaugenwülste und hervorstehende Schnauze charakterisiert. Das Gesicht ist unbehaart und bei alten Tieren dunkelgrau bis schwärzlich gefärbt. Im Bau des Schädels unterscheiden sich die beiden Arten darin, dass der gemeine Schimpanse ein helleres Antlitz hat und die Stirn rundlicher ist als die des Bonobo.

Die Schimpansenmännchen besitzen deutlich größere Eckzähne als der Bonobo. Die Schneidezähne sind breiter und die Molaren mit runderen Höckern versehen wie beim Gorilla.

Schimpansen sind im zentralen Afrika beheimatet. Ihr Verbreitungsgebiet reicht vom Senegal über Nigeria und den Norden und Osten der Demokratischen Republik Kongo bis Uganda und Tansania. Der Bonobo ist in den mittleren und südlicheren Teilen des Erdteils heimisch. Der breite Fluss stellt für den Schimpansen die Verbreitungsgrenze dar, weil der für ihn kaum zu überqueren ist. Der Wasserlauf bildet ebenso die Grenze der Bonobos. Und das Fehlen von Gorillas in deren Lebensraum mag erklären, weshalb sich bei ihnen keine aggressiven und wehrhaften Männertruppen organisiert haben.

Schimpansen können sowohl am Boden wie auch auf Bäumen nach Nahrung suchen. Meist geschieht dies jedoch im Astwerk. Am Erdboden bewegen sie sich wie Gorillas im Knöchelgang, das heißt, dass sie sich mit den vorderen Extremitäten auf die zweiten und dritten Fingerglieder aufstützen. Im Geäst klettern sie entweder mit allen vier Gliedmaßen oder schwingen sich an den Armen hängend fort. Generell sind Bonobos in stärkerem Ausmaß Baumbewohner und bewegen sich häufiger suspensorisch wie Schimpansen.

Schimpansen sind überwiegend tagaktiv. Zur Nachtruhe legen sie ein Blätternest in den Bäumen an, wobei sie üblicherweise jede Nacht ein neues Nest errichten. Diese und andere Menschenaffen gelten unfähig zu schwimmen und können in Zoos normalerweise auf Inseln umgeben von einem Wassergraben gehalten werden; zahlreiche Fälle von ertrunkenen sind bekannt.