Blaubeerduft auf dem kleinen Apfelhof - Sonja Flieder - E-Book

Blaubeerduft auf dem kleinen Apfelhof E-Book

Sonja Flieder

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Beschreibung

Die Geburt von Emmas Baby steht kurz bevor. Daher reist Lisa auf den Apfelhof, um ihre Freundin zu unterstützen. Diese Auszeit möchte Lisa gleichzeitig dazu nutzen, sich nach einigem Auf und Ab zu überlegen, was sie mit ihrem Leben in Zukunft anstellen will. Aber natürlich lassen ihr die tierischen Bewohner wenig Ruhe zum Nachdenken: Denn sofort entwischt ihr ein Alpaka und richtet ein heilloses Durcheinander im Blaubeerfeld des neuen Nachbarn Moritz an. Lisa würde am liebsten im Boden versinken und nimmt sich vor, Moritz ab jetzt aus dem Weg zu gehen. Leichter gesagt als getan, denn Moritz scheint immer genau da aufzutauchen, wo sie gerade ist. Und dann ist da ja auch noch Journalist Henning, der sich mehr und mehr in Lisas Leben schleicht. Wie soll man es denn da schaffen, in Ruhe über sein Leben nachzudenken? Aber der kleine Hof mit den quirligen Alpakas wäre nicht der, der er ist, wenn Lisa hier nicht ihr Glück finden und dabei ihr Herz verlieren würde.

Der zauberhafte dritte Band der Apfelhof-Reihe von Sonja Flieder. Zwischen plüschigen Alpakas und liebenswürdigen Apfelhof-Bewohnern finden verlorene Herzen ein Zuhause.

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Seitenzahl: 264

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Emmas Fahrt nach Hamburg

Lisa lebt sich ein

Ein unsympathischer Zeitgenosse

Es gibt Fencheltee

Alte und neue Bekannte

Unterwegs mit Alpakas

Neue Freundschaft

Ein Besuch und viele Gespräche

Schlimme Ereignisse

Neues Leben, neues Glück

Das Blaubeerfest

Viele Zukunftspläne

Weitere Titel der Autorin

Mein kleiner Apfelhof zum Glück

Winterglück auf dem kleinen Apfelhof

Glück an Bord

Über dieses Buch

Die Geburt von Emmas Baby steht kurz bevor. Daher reist Lisa auf den Apfelhof, um ihre Freundin zu unterstützen. Diese Auszeit möchte Lisa gleichzeitig dazu nutzen, sich nach einigem Auf und Ab zu überlegen, was sie mit ihrem Leben in Zukunft anstellen will. Aber natürlich lassen ihr die tierischen Bewohner wenig Ruhe zum Nachdenken: Denn sofort entwischt ihr ein Alpaka und richtet ein heilloses Durcheinander im Blaubeerfeld des neuen Nachbarn Moritz an. Lisa würde am liebsten im Boden versinken und nimmt sich vor, Moritz ab jetzt aus dem Weg zu gehen. Leichter gesagt als getan, denn Moritz scheint immer genau da aufzutauchen, wo sie gerade ist. Und dann ist da ja auch noch Journalist Henning, der sich mehr und mehr in Lisas Leben schleicht. Wie soll man es denn da schaffen, in Ruhe über sein Leben nachzudenken? Aber der kleine Hof mit den quirligen Alpakas wäre nicht der, der er ist, wenn Lisa hier nicht ihr Glück finden und dabei ihr Herz verlieren würde.

Über die Autorin

Sonja Flieder wurde 1974 in Stuttgart geboren. Seit sie lesen konnte, lässt sie die Faszination für Sprache und menschliche Beziehungen nicht mehr los. Deshalb wusste sie auch schon bald, dass sie Autorin werden wollte. Bereits mit siebzehn schrieb sie einige Kurzgeschichten und verfasste ihren ersten Roman. Nachdem sie durch Studium, Job und Familienplanung das Schreiben etwas aus den Augen verloren hatte, erfindet sie jetzt seit sechs Jahren fast täglich neue Geschichten. Sie lebt mit ihrem neunjährigen Sohn und drei Wellensittichen in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Köln.

Sonja Flieder

Blaubeerduft auf dem kleinen Apfelhof

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Johanna Voetlause

Covergestaltung: Guter Punkt, Müchen unter Verwendung von Motiven © tepic / iStock / Getty Images Plus; MayaCom / iStock / Getty Images; ValentynVolkov / iStock / Getty Images Plus; HannamariaH / iStock / Getty Images Plus;

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-1024-4

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Aidan

Emmas Fahrt nach Hamburg

»Das wirst du ganz sicher nicht machen!« Aufgebracht funkelte Luise ihre Enkelin an.

»Es ist doch nichts dabei«, erwiderte Emma und lächelte sanft in der Hoffnung, es würde ihre Großmutter beruhigen.

Weit gefehlt. Oma Luise sprang regelrecht aus ihrem Korbstuhl, den sie dabei fast umwarf.

»Nimm endlich Vernunft an!« Zur Unterstreichung ihrer Worte schlug sie mit der flachen Hand auf den runden Küchentisch aus Massivholz.

Dadurch schreckte sie den alten Bernhardiner Graf Radetzky auf, der es sich in seinem Körbchen neben dem Kamin bequem gemacht hatte. Verwundert hob er den Kopf und starrte sein Frauchen an.

»Du weißt doch genau, was alles passieren könnte«, sagte Luise und blickte Emma eindringlich an. »Außerdem sollte dir klar sein, dass du nicht nur an dich denken kannst.«

Emma beugte sich vor und stützte ihre Ellbogen auf den Tisch. »Stell dir vor, das ist mir durchaus klar. Und genau das ist der Punkt: Ich bin schwanger, nicht krank.«

Nach einem tiefen Seufzer setzte sich Oma Luise wieder hin. Als Radetzky sah, dass sie sich wohl wieder beruhigt hatte, legte er seinen Kopf auf die Vorderpfoten. Sekunden später hörte Emma sein leises Schnarchen.

»Ach Emmchen, das wollte ich damit doch gar nicht sagen. Ich möchte nur nicht, dass du ein unnötiges Risiko eingehst.«

»Mache ich doch gar nicht. Meine beste Freundin vom Bahnhof abzuholen, klingt für mich nicht gerade nach Lebensgefahr.« Emma richtete sich auf, um an ihrer Teetasse zu nippen. Genüsslich verzog sie das Gesicht, als das köstliche Apfel-Zimt-Aroma auf ihre Geschmacksknospen traf.

Resigniert schüttelte Luise mit dem Kopf. »Ich sehe schon, du bist von deinem Vorhaben nicht abzubringen. Versprich mir aber bitte, vorsichtig zu sein.«

»Versprochen«, sagte Emma und zwinkerte ihr zu.

Sie stand auf, indem sie sich mit beiden Händen schwer auf die Tischplatte stützte. Inzwischen war sie im achten Monat, und von ihrer einstigen Beweglichkeit war nicht mehr viel übrig geblieben. Langsam ging sie zu ihrer Großmutter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, woraufhin Luise kurz ihre Hand drückte.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Emma. »Es wird alles gutgehen.«

»Hoffen wir das Beste.« Luise zwang sich zu einem Lächeln, bevor sie die Augen schloss und tief seufzte. »Von wem hast du nur diese unglaubliche Sturheit.«

»Na, von dir natürlich, Oma.«

Bei Radetzkys Körbchen machte Emma Halt in der Absicht, ihm über den Kopf zu streichen. Ihr dicker Bauch machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Schwerfällig beugte sie sich hinunter und wäre fast nach vorne gekippt. Schnell richtete sie sich wieder auf. Emma zog eine Grimasse. Sie beschränkte sich darauf, dem alten Hund zuzulächeln.

Wie sehr freute sie sich auf den Tag, an dem sie ihre Füße wieder sehen konnte. Er bedeutete neben wiedergewonnener Bewegungsfreiheit natürlich auch, dass sie ihr Baby endlich in den Armen halten konnte. Ein tiefes Glücksgefühl durchströmte Emma. Noch vor einem Jahr hätte sie noch nicht einmal gewagt, von einer eigenen Familie zu träumen.

Im Hausflur schlüpfte sie leise fluchend in bequeme Slipper, die ihr unter normalen Umständen zu groß wären. Leider waren ihre Füße seit ein paar Wochen permanent angeschwollen, was Emma überaus nervig fand.

Sie mahnte sich zu mehr Gelassenheit. Im Grunde konnte sie sich mehr als glücklich schätzen, dass ihr die Schwangerschaft kaum Probleme bereitete. Gut, sie war extrem geruchsempfindlich. Vor allem, wenn sie Farben roch, kippte sie einfach um. Und dann gab es da noch die Sache mit den roten Ampeln, die Oma Luise gerade so in Sorge versetzte. Aber ansonsten war alles in bester Ordnung.

Sanft strich sich Emma über ihren Bauch. Wenn ihr Baby nach der Geburt auch so lieb war, stand einem glücklichen Familienleben mit ihm und Lukas nichts im Wege.

Beim Verlassen des Hauses fiel Emmas Blick auf die ehemalige Scheune. Mit viel Arbeit war daraus ein florierendes Café geworden, auf das sie sehr stolz war.

Kurz überlegte Emma, ob sie nach den Alpakas auf der Weide schauen sollte. Sie entschied sich dagegen, da sie unbedingt pünktlich am Hamburger Hauptbahnhof ankommen wollte. Schließlich holte sie nicht jeden Tag ihre beste Freundin Lisa von einer dreimonatigen Asienreise ab.

Umständlich quetschte sich Emma auf den Fahrersitz ihres knallroten Minis, wobei ihr Babybauch kaum am Lenkrad vorbeikam. Emma schnitt eine Grimasse, bevor sie den Motor startete und vorsichtig vom Apfelhof fuhr.

Wie erwartet, stand sie kurze Zeit später auf der Autobahn im obligatorischen Stau. Ihre Gedanken schweiften zu Lukas. Eigentlich hätte er sie nach Hamburg begleiten sollen, doch ein Notfall im Undeloher Tierheim war dazwischengekommen. Seit Monaten zeigte er dort ehrenamtlichen, unermüdlichen Einsatz, was beinahe in einer Katastrophe für ihre Beziehung geendet hätte.

Lukas war fast rund um die Uhr im Einsatz gewesen, als er versucht hatte, irgendwie den Spagat zwischen eigener Praxis, Tierheim und seiner Freundin zu meistern. Dass er und Emma sich kaum noch gesehen hatten, bildete nur die Spitze des Eisbergs.

Bevor sich Emma vollends in Erinnerungen verlieren konnte, kam der Verkehr wieder in Fluss, und sie konzentrierte sich schnell wieder auf die Straße. Ohne weitere Vorkommnisse passierte sie das Hamburger Ortsschild.

Die freudige Erwartung, Lisa gleich wiederzusehen, ließ Emma über das ganze Gesicht strahlen. Sogar das Schicksal meinte es gut mit ihr, indem es ihr über eine weite Strecke eine grüne Welle schenkte.

Nur noch etwa vier Kilometer trennten Emma vom Hamburger Hauptbahnhof, als sie auf die erste rote Ampel traf. Sie bremste ab und konnte nicht verhindern, dass sie ein Gefühl der Nervosität überkam. Was, wenn Oma Luise recht hatte, und es wieder passierte?

Normalerweise fuhr Emma aus diesem Grund derzeit nicht alleine Auto. Wie es der Zufall wollte, waren heute alle ihre Freunde verhindert. Gärtner Kalle brachte Oma Luise gerade zu einem wichtigen Arzttermin, und Frida war seit dem Frühstück wie vom Erdboden verschluckt. Sie habe etwas Wichtiges zu erledigen, hatte sie augenzwinkernd gesagt.

Doch es ging alles gut. Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhr Emma ganz normal weiter. Ein rascher Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie gut in der Zeit lag. Wenn jetzt nichts mehr dazwischenkam, würde sie pünktlich am Bahnsteig eintreffen.

Emma bog nach links ab und sah, dass sie an der nächsten Ampel anhalten musste. Sie hatte es fast geschafft. Nur noch wenige Meter trennten sie vom Eingang des Parkhauses.

Plötzlich wurde ihr flau im Magen. Vor ihren Augen erschienen Schlieren, die wie Nebelschwaden ihr Sichtfeld verengten. Bevor sie das Bewusstsein verlor, schaffte sie es gerade noch, auf die Bremse zu treten.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte eine tiefe Männerstimme, die nur schwach in Emmas Ohren drang.

Nachdem sie ein paarmal geblinzelt hatte, erkannte sie einen kräftigen Mann, der ihre Fahrertür geöffnet hatte und sie mit besorgter Miene musterte. Da Emma den Mann nur schemenhaft sehen konnte, schüttelte sie kräftig den Kopf, um die Benommenheit zu verscheuchen.

»Ich rufe einen Krankenwagen«, sagte der Mann und zückte sein Handy.

»Nein, nein, es ist alles okay«, beeilte sich Emma, ihm zu versichern.

»Sind Sie sicher?«

»Ja.« Emma verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Es ist nur so, dass ich manchmal einfach einschlafe, wenn ich eine rote Ampel sehe. In Ohnmacht gefallen bin ich allerdings dabei noch nie.« Nach einem Seufzen deutete sie vielsagend auf ihren Bauch. »Die Lieblingsfarbe des Babys ist wohl definitiv nicht rot.«

Erstaunt riss der Mann die Augen auf. »Von so etwas habe ich noch nie gehört.«

»Glauben Sie mir, ich auch nicht.« Jetzt erst kam Emma dazu, sich umzusehen.

Um ihr Auto hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet. Die Ampel hatte längst wieder umgeschaltet, sodass sie ohne Vordermann mitten auf der Straße stand. Andere Autos überholten sie, deren Fahrer ihr erzürnte Blicke zuwarfen. Einer zeigte ihr sogar den Vogel.

Mehrmals versicherte Emma dem Mann, dass es ihr gutging. Sie versprach ihm hoch und heilig, nur noch bis zum Parkhaus zu fahren. Auf dem Rückweg würde sich Lisa ans Steuer setzen. Nach einem letzten prüfenden Blick auf Emma verabschiedete sich der Mann und stieg in sein Auto, das hinter Emmas stand.

Sie beschloss, niemandem von dem Vorfall zu erzählen. Damit würde sie alle nur unnötig aufregen. Zum Glück war ja alles noch einmal gutgegangen.

Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich ganz schön erschrocken. Es war eine Sache, an einer roten Ampel kurz einzunicken, aber eine ganz andere, dabei das Bewusstsein zu verlieren.

Bis zur Geburt des Babys würde sie auf die anderen hören und das Autofahren sein lassen. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können! Emma presste sich beide Hände aufs Herz. Wie es aussah, hatte Oma Luise wieder einmal recht behalten. Es war höchste Zeit, einen Gang herunterzuschalten, damit das Baby wohlbehalten auf die Welt kam.

Emma atmete tief durch und fuhr ohne weitere Vorkommnisse ins Parkhaus. Da sie nun Zeit verloren hatte, beeilte sie sich, um rechtzeitig zum Bahnsteig zu kommen.

Als sie außer Atem auf dem Gleis eintraf, fuhr gerade die S-Bahn ein. Vorfreude und Aufregung ergriffen sie, bei der Aussicht, Lisa gleich in ihre Arme schließen zu können. Wie es ihr in Asien wohl ergangen war?

Suchend blickte sie sich in der Menschenmenge um, die das Gleis bevölkerte, doch sie konnte Lisa nirgends entdecken. Hatte sie etwa die S-Bahn verpasst?

Erschrocken zuckte sie zusammen, als ihr jemand von hinten auf die Schulter tippte. Emma drehte sich um und sah nach über drei Monaten endlich ihre beste Freundin wieder, die einen großen Trekkingrucksack trug. Tränen schossen ihr in die Augen, und die beiden Freundinnen umarmten sich heftig.

Einen Moment lang standen sie engumschlungen da, wobei Emma die vertraute Berührung genoss. Sie konnte kaum glauben, dass Lisa endlich wieder da war. So schnell würde sie ihre Freundin auch nicht mehr gehen lassen, beschloss sie für sich.

»Ich hab dich so vermisst.« Lisa blinzelte angestrengt ein paar Tränen weg.

»Und ich dich erst.« Verstohlen wischte sich Emma über die Augen. Sie trat einen Schritt zurück, um Lisa von oben bis unten zu mustern. »Gut siehst du aus«, sagte sie anerkennend. »So braun gebrannt warst du noch nie. Und was hast du mit deinen Haaren gemacht?«

Lisa lachte. »Henna.« In der Tat zierten nun rote Locken ihren Kopf, die zudem einiges an Länge eingebüßt hatten.

»Sieht gut aus«, sagte Emma. Insgeheim fand sie es allerdings ein wenig schade, dass Lisa sich die Haare gefärbt hatte. Davor hatten sie beide eine lange Lockenmähne im gleichen Braunton gehabt.

»War Zeit für eine Veränderung.« Grinsend zog Lisa an einer ihrer schulterlangen Haarsträhnen. »Sonst hätte uns das Baby womöglich noch verwechselt.«

Beide lachten.

»Eins ist schon mal sicher: Frida wird von deinen Klamotten begeistert sein.«

Lisa trug eine gebatikte Pluderhose und ein dazu passendes T-Shirt. Nichts erinnerte an die toughe Grafikerin im eleganten Arbeitsoutfit.

»Meinst du nicht, dass es dafür zu farbsicher ist?«

Lächelnd schüttelte Emma den Kopf. »Nein, die Rosatöne in Verbindung mit den roten Haaren werden Frida begeistern. Da bin ich mir sicher.«

»Wie geht's dem Baby?«, fragte Lisa und streichelte kurz über Emmas Bauch.

»Alles bestens.«

Gut gelaunt hakten sich die beiden Frauen unter und gingen zu Emmas Auto. Nachdem Emma es geöffnet hatte, hielt sie Lisa wortlos den Schlüssel hin.

»Ich soll fahren?« Lisa blickte sie mit großen Augen an. »Warum das denn?«

»Frag nicht.«

Lisa lebt sich ein

»Wirf mich nicht um!«, rief Lisa lachend und versuchte vergeblich, Radetzky abzuwehren, der überglücklich an ihr hochsprang.

Abgesehen von den beiden und Emma befand sich niemand auf dem Apfelhof. Obwohl Lisa wusste, dass die anderen wichtige Termine hatten, war sie ein wenig enttäuscht darüber. Am liebsten hätte sie jetzt alle auf einmal in den Arm geschlossen. Doch das musste noch ein wenig warten. Zumindest die Alpakas auf der Weide konnte sie gebührend begrüßen.

Nachdem sie ihren Trekkingrucksack im Hausflur abgestellt hatte, machte sie sich in Begleitung von Emma und einem schwanzwedelnden Rady auf den Weg dorthin.

»Himmel, inzwischen watschle ich wie eine Ente«, sagte Emma und seufzte tief. »Hoffentlich folgen mir nicht bald ein paar Küken, weil sie mich für ihre Mutter halten. Und wenn mein Bauch noch größer wird, kippe ich bestimmt einfach vornüber.«

Lisa lachte. »Deswegen bin ich ja hier, um dir ein bisschen zur Hand zu gehen. Und wenn du umkippst, organisiert Lukas bestimmt einen Kran, der dich wieder in die Senkrechte befördert.«

»Sehr witzig.« Emma schnaubte und bedachte ihre Freundin mit einem strafenden Blick. »Warte nur ab, bis du mal schwanger bist.«

»Na ja, die Gefahr besteht eher nicht«, sagte Lisa und fluchte leise, als sie über eine Unebenheit auf dem Feldweg stolperte. »Momentan hab ich ja nicht mal den passenden Mann. Und wie es aussieht, wird das auch in nächster Zeit nichts.«

»Wer weiß. Manchmal geht es schneller, als man denkt.« Liebevoll tätschelte Emma Lisas rechten Arm, ließ es jedoch rasch wieder sein, da sie drohte, das Gleichgewicht zu verlieren.

Kurz darauf erreichten sie die Weide. Schneewittchen, Dornröschen, Cinderella, Lancelot und die junge Rapunzel hatten sie bereits bemerkt. Alle fünf drängelten sich an das Gatter.

»Ihr müsst schon ein Stück weggehen.« Emma lachte. »Sonst kommen wir nicht rein, und es wird nichts mit der Begrüßung.«

Vorsichtig drückte sie das Gatter auf, woraufhin sich die Alpakas widerwillig ein wenig zurückzogen. Sobald Lisa und Emma die Weide betraten, wurde Emma von den fünf Tieren umringt. Radetzky, der den beiden gefolgt war, lief schwanzwedelnd um alle herum.

»Besonders scheinen sie sich ja nicht über meine Rückkehr zu freuen«, stellte Lisa in trockenem Ton fest.

Emma lachte. »Es liegt daran, dass ich die Leckerlis in der Tasche habe.«

»Du weißt ganz eindeutig, wie man sich beliebt macht.«

Nachdem Emma eine Runde Leckerlis verteilt hatte, wandten sich die Alpakas Lisa zu. Lächelnd streichelte sie eines nach dem anderen.

»Rapunzel, du bist ja richtig groß geworden«, sagte sie und strich über den Hals des jungen Alpakas.

Als wolle sie ihr zustimmen, stupste Rapunzel kurz mit der Nase gegen Lisas linke Wange. Ihr großes Fellbüschel auf der Stirn kitzelte Lisa, was sie zum Lachen brachte. Dann drehte sich Rapunzel um und sprang übermütig davon.

»Ich hab die fünf echt vermisst.«

»Das glaube ich dir aufs Wort.« Emma lächelte sie an. »Weißt du, ich kann mir ein Leben ohne sie inzwischen gar nicht mehr vorstellen.«

»Ich bin auch froh, sie noch eine Weile um mich zu haben«, sagte Lisa.

»Hast du denn eine Entscheidung getroffen, was du jetzt machen willst?«

Lisa schüttelte den Kopf. »Immer noch nicht. Während meiner Reise ist so viel passiert, dass ich nicht so zum Nachdenken gekommen bin, wie ich eigentlich wollte.«

»Das wird schon«, sagte Emma und stieß ihr aufmunternd in die Seite. »Jetzt bist du ja erst einmal hier, und dann ergibt sich alles wie von selbst. Wirst schon sehen.«

»Hoffentlich hast du recht.«

***

Am Abend kamen alle zusammen. Als Erste trafen Luise und Kalle auf Heidschnucks Heimat ein. Mit ausgebreiteten Armen trat der alte Gärtner auf Lisa zu, die sich von ihrem Korbstuhl am runden Küchentisch aus Massivholz erhob, um ihn zu begrüßen. Unsanft stieß ihn Oma Luise beiseite, damit sie Lisa zuerst begrüßen konnte. Seinen vorwurfsvollen Blick ignorierend, drückte Luise ihre junge Freundin innig an sich.

Vor lauter Wiedersehensfreude traten Lisa Tränen in die Augen, die sie unauffällig wegwischte.

Als Kalle endlich an der Reihe war, drückte er sie unbeholfen an sich. »Schön, dass ich jetzt auch mal darf«, brummte er. »Seitdem Luise und ich ein Paar sind, entdecke ich recht rüde Verhaltensweisen an ihr.«

»Pff«, machte Luise. »Noch nie was von Ladies first gehört?«

Kalle blickte sie über Lisas Kopf hinweg an. »Lady? Das wüsste ich.«

Kichernd schmiegte sich Lisa an seine Brust. »Ihr habt euch wirklich kein Stück verändert.«

»Das wäre ja noch schöner.« In spielerischer Strenge zog Luise ihre Stirn kraus. »Solange ich dabei noch ein Wörtchen mitzureden habe, wird das auch nicht passieren.«

Kurz darauf klingelte es an der Tür. Radetzky sprang wie ein junger Hund aus seinem Körbchen und rannte freudig bellend voraus. Emma folgte ihm weitaus langsamer.

Wenig später betraten Lukas und Frida die Küche. Lukas zog Lisa in eine kurze, aber liebevolle Umarmung und drückte Emma einen Kuss auf die Stirn, bevor er ins Esszimmer ging, um sich einen Stuhl zu holen. Vorsorglich holte Lisa tief Luft, denn Frida trat auf sie zu in der Absicht, sie in eine ihrer berüchtigten Umklammerungen zu ziehen.

»Ach, Kindchen, wir haben dich so vermisst«, sagte Frida mit einem verräterischen Schniefen.

Lisa versuchte, etwas zu erwidern, doch es gelang ihr nicht. Dies lag nicht nur daran, dass sie immer noch versuchte, den Atem anzuhalten. Ihr Gesicht befand sich an Fridas Busen, und es sah nicht so aus, als ob ihre Freundin sie so schnell aus ihren Fängen lassen würde.

Daher beschränkte sich Lisa darauf, ihr Gesicht zur Seite zu drehen. Da ihr die Luft langsam knapp wurde, atmete sie tief ein. Ein Schwall des intensiven Patschuli-Parfums, das Frida stets in rauen Mengen verwendete, drang in ihre Nase und brachte sie zum Husten.

»Hast du dich erkältet?«, erkundigte sich Frida sofort in besorgtem Ton.

Lisa schüttelte den Kopf. Um möglichst wenig des fragwürdigen Wohlgeruchs abzubekommen, atmete sie flach durch den Mund. Sie überlegte, ob Frida es als unhöflich empfinden würde, wenn sie sich sanft aus der Umarmung befreite.

Oma Luise nahm ihr die Entscheidung ab. »Jetzt lass das arme Mädchen endlich wieder frei«, sagte sie. »Sonst erdrückst du sie womöglich noch.«

Kurz darauf saßen alle am Küchentisch. Zur Feier des Tages hatte Luise einen ihrer berühmten Apfelkuchen gebacken. Dazu gab es für jeden eine Tasse Tee.

Auf Emmas Bitte hin begann Lisa, von ihrer Reise zu berichten. Einiges wussten ihre Freunde bereits, da Emma und Lisa regelmäßig geskyped hatten. Während Lisa erzählte, lauschten die anderen gebannt ihren Schilderungen. Die indienbegeisterte Frida bekam sogar feuchte Augen und blickte verträumt ins Leere. Sie schien in schönen Erinnerungen zu schwelgen.

»Da bekomme ja sogar ich etwas Fernweh«, sagte Kalle, als Lisa geendet hatte.

»Als ob dich jemand aus deiner Gärtnerei wegbekäme.« Luise blickte ihn amüsiert an.

»Stimmt.« Grinsend zwinkerte Lisa ihr zu. »Am Anfang dachte ich sogar, sein Strohhut ist festgewachsen.«

»Macht euch nur lustig über einen alten Mann.« In gespielter Verzweiflung fuhr sich Kalle durch seine grauen Haare, was dazu führte, dass sie in alle Richtungen abstanden. »Jetzt gerade trage ich zum Beispiel keinen Hut, wie ihr hoffentlich sehen könnt.«

»Aber nur, weil wir beim Arzt waren und ich dir strengstens untersagt habe, deine Gärtnerkluft zu tragen.«

»Schon gut, schon gut.« Kalle hob beide Hände. »Könnten wir jetzt bitte das Thema wechseln?«

Luise tat ihm den Gefallen. »Was hast du eigentlich den ganzen Tag getrieben?«, fragte sie und blickte Frida neugierig an.

»Überraschung.« Gut gelaunt grinste Frida in die Runde. »Mehr verrate ich nicht. Und wenn ihr euch auf den Kopf stellt und mit den Füßen wackelt.«

»Die Gefahr besteht bei mir derzeit sowieso nicht«, sagte Emma und blickte vielsagend an sich herunter.

Tröstend tätschelte ihr Lisa die linke Hand. »Ist ja nicht mehr lange so.«

Lukas drückte seine Liebste kurz an sich und schlug dann leicht mit beiden Handflächen auf den Tisch. »So, ihr Lieben. Ich werde mich jetzt verabschieden und noch kurz rüber ins Haus gehen. Die Handwerker waren heute da, und ich will sehen, wie weit sie gekommen sind.«

»Darf ich mitkommen?«, fragte Lisa. »Ich bin total neugierig auf euer neues Haus. Als Emma mir erzählt hat, dass ihr baut, war ich sozusagen ganz aus dem Häuschen.«

»Warum gehen wir nicht einfach alle mit?« Voller Tatendrang rieb sich Luise die Hände. »Radetzky muss sowieso noch mal raus und die Alpakas in den Stall.«

Als der alte Hund seinen Namen hörte, hob er den Kopf von den Vorderpfoten und wedelte leicht mit dem Schwanz. Auf Luises Nicken hin sprang er aus seinem Körbchen, das neben dem Ofen stand.

Gemeinsam machten sich alle auf den Weg zu dem kleinen Häuschen, das Emma und Lukas schon bald beziehen würden. Sie hatten ein Grundstück gefunden, das nur wenige Gehminuten von Heidschnucks Heimat entfernt war. Dadurch blieben sie nicht nur nahe bei Emmas Großmutter. Für Emma würde es dadurch künftig auch kein Problem sein, sich weiterhin um das Café auf dem Apfelhof und die Alpakawanderungen zu kümmern.

»Das ist ja zuckersüß!«, rief Lisa, als sie wenig später vor dem Haus standen, und klatschte begeistert in die Hände. »Ihr habt sogar ein Reetdach!«

Die Fassade hatten Emma und Lukas weiß tünchen lassen. Fensterläden und Haustür waren in hellblauer Farbe gestrichen. Alle waren sich einig, dass dies dem kleinen Häuschen einen unverwechselbaren Charme verlieh.

Heute hatten die Handwerker im Badezimmer gearbeitet. Daher machte sich die Gruppe schnurstracks auf den Weg dorthin. Den Rest des Hauses würden sie Lisa später zeigen.

»Ist das schön geworden.« Begeistert blickte sich Lisa im neuen Badezimmer um.

Zu aller Zufriedenheit waren die Handwerker fertig geworden. Das absolute Highlight des Raumes bildete die riesige Badewanne mit Whirlpoolfunktion.

Auch der Rest des Hauses konnte sich bereits sehen lassen. Es fehlte nur noch der Bodenbelag in zwei Räumen und Farbe an den Wänden. Wenn die Handwerker in ihrem bisher raschen Tempo weiterarbeiteten, war das Haus zur Geburt des Babys bezugsfertig.

»Es ist wirklich total schön hier.« Lisa trat zu Emma und nahm sie in die Arme. »Komplett eingerichtet, ist es bestimmt urgemütlich.«

»Mir gefällt das Gästezimmer am besten«, sagte Luise mit verschmitztem Lächeln.

»Warum das denn?« Verwundert blickte Emma ihre Großmutter an.

»Weil man daraus problemlos ein zweites Kinderzimmer machen kann natürlich.«

***

Als Lisa am nächsten Morgen erwachte, blickte sie sich erst einmal verwirrt um. Dann erst fiel ihr ein, dass sie ja wieder auf dem Apfelhof war und sich im Gästezimmer befand. Sicher würde sie noch ein paar Tage brauchen, um sich daran zu gewöhnen, nicht mehr auf Reisen zu sein. Drei Monate unterwegs zu sein, war schließlich eine lange Zeit.

Jetzt würde sie erst einmal mit Emma besprechen, wie sie am besten auf dem Apfelhof helfen konnte. Schwungvoll stand sie auf. Nachdem sie in eine weiße Pluderhose und ein ebenso weißes T-Shirt geschlüpft war, bewegte sie die Hüften hin und her. Der Tragekomfort war wirklich um Welten besser als bei Business-Kostümen.

Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, so etwas jemals wieder zu tragen. Schon bald würde sie sich entscheiden müssen, ob sie in ihren Job zurückkehren oder ihr Leben komplett umkrempeln wollte. Doch wie immer schob sie diese Entscheidung erst mal wieder zur Seite. Kommt Zeit, kommt Rat, sagte sie zu sich.

Nach dem Frühstück setzte Lisa sich mit Emma und Luise zusammen. Die drei beschlossen, dass es am Sinnvollsten war, wenn Lisa die Alpakawanderungen übernahm. Seit Luises Beinbruch konnte sie keine langen Strecken mehr gehen, und Emma war schwangerschaftsbedingt nicht so gut zu Fuß wie sonst.

»Das Alpakaführen übe ich besser noch ein bisschen«, sagte Lisa. »Immerhin war ich erst bei einer Alpakawanderung dabei. Jetzt muss ich außerdem die komplette Verantwortung übernehmen.«

»Das bekommst du schon hin.« Emma nickte ihr aufmunternd zu. »Schließlich hast du es geschafft, während eines Schneesturms fast die ganze Gruppe nach Hause zu bringen.«

»Erinnere mich bloß nicht daran.« Nach einem Schnauben verdrehte Lisa die Augen. »Wenn ich nur an diesen blöden Jan denke, der einfach mit Lancelot abgehauen ist, könnte ich ...«

»Da sagst du was.« Luise nickte zustimmend. »Ich werde nie vergessen, welche Ängste ich ausgestanden habe.«

»Zum Glück ist ja alles gut ausgegangen«, sagte Emma. »Zum Üben nimmst du am besten Schneewittchen. Wenn du mit dem sturen Eselchen klarkommst, klappt es mit allen anderen auch.«

»Wäre nicht vielleicht Rapunzel besser?« Nachdenklich kratzte sich Luise am Kopf. »Sie ist zwar nicht so stur, aber dafür übermütig. Bei ihr besteht meiner Meinung nach die größte Gefahr, dass sie aus purer Lebensfreude irgendeinen Unsinn veranstaltet.«

»Das stimmt schon.« Emma tippte sich gegen die Nasenspitze. »Ich tendiere trotzdem zu Schneewittchen. Rapunzel ist zwar eine kleine Chaotin, folgt aber immer ihrer Mutter.«

»Ich übe einfach mit beiden.«

Damit war es entschieden. Luise und Emma würden sich weiterhin hauptsächlich um das Café kümmern und Lisa sich um die Alpakas. Für die Bewirtung der Gäste war Frida zuständig, während es in Kalles Verantwortung lag, ihnen den Umgang mit Kräutern und Gemüse näherzubringen.

Da schon bald die nächste Alpakawanderung anstand, war es höchste Zeit, dass Lisa die nötige Sicherheit mit den Tieren gewann und Verantwortung für die ganze Gruppe übernehmen konnte. Radetzky würde ihr zur Seite stehen. Er kannte alle Wanderstrecken und fand jederzeit nach Hause.

Daher fühlte sich Lisa recht sicher, als sie in seiner Begleitung Schneewittchen von der Weide holte. Mit Radetzkys Hilfe würde sie es schon schaffen. Bereits am nächsten Wochenende wurden die nächsten Gäste erwartet. Bis dahin musste Lisa fit sein, was Alpakas betraf.

Sie war froh, dass sie vor ihrer Abreise schon Erfahrungen hatte sammeln können. Ansonsten hätte sie sich den Umgang mit den sensiblen Tieren nicht zugetraut. Normalerweise waren die Fünf herzensgute Wesen, doch wenn jemand sie ärgerte oder in Angst versetzte, konnten sie auch ganz anders.

Schneewittchen schien nicht sehr begeistert von der Aussicht, von ihrer kleinen Herde getrennt zu werden. Erst nach gutem Zureden ließ sie sich widerwillig das Halfter anlegen und von den anderen wegführen. Lisa versprach ihr hoch und heilig, dass sie bald wieder mit ihnen vereint sein würde.

Gefolgt von Radetzky machten sie sich auf den Weg. Streng genommen hätte Lisa den alten Hund anleinen müssen, doch sie verzichtete darauf. Gleich zwei Tiere an der Leine zu führen, würde sie überfordern. Sie war sich sicher, dass Rady keinen Unsinn machen, sondern nur ein wenig herumschnüffeln würde.

In der vorherigen Nacht hatte es stark geregnet, weswegen der Feldweg recht matschig war. Emma hatte Lisa gestern erzählt, dass sich der August in den letzten Tagen von ungewöhnlicher Feuchtigkeit zeigte.

Hoffentlich spielte der Wettergott mit, wenn die Gäste kamen. Zumindest war nicht mit einem Schneesturm zu rechnen wie letztes Mal.

Schneewittchen schien sich langsam mit dem Gedanken anzufreunden, einen Spaziergang zu machen. Hocherhobenen Hauptes schritt sie neben Lisa her. Immer wieder schnupperte sie herum, als wolle sie alle Düfte der Heide aufsaugen.

Die Luft roch süßlich und leicht nach Honig, aber auch erdig schwer durch den vielen Regen. Inzwischen wusste Lisa, dass der Honiggeruch von unzähligen Bienenvölkern ausgelöst wurde, die sich den Nektar aus Millionen von Heideblüten holten.

Sie ließ ihren Blick über die Umgebung schweifen. Die Heideblüten erstrahlten in kräftigem Lila, Wacholder und Kiefern leuchteten in sattem Grün. Das silbrige Weiß der Birken bildeten einen interessanten Kontrast.

Es ist so schön hier, dachte sie. Im Grunde wäre es eine Schande, wenn sie in die Großstadt zurückkehren und nach dem Sabbatical ihre alte Arbeit wieder aufnehmen würde. Doch wovon sollte sie hier leben? Auf dem Land einen Job als Grafikerin zu finden war sicher nicht gerade einfach.

Lisa seufzte. »Ach, Schneewittchen. Was soll ich nur machen?«

Als hätte Schneewittchen sie verstanden, stupste sie Lisa mit der Nase an, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Umgebung widmete. Dankbar lächelte Lisa sie an. Durch die kurze Liebkosung ging es ihr tatsächlich besser.

In der Ferne sah Lisa das kleine, etwas verwitterte Bauernhäuschen, von dem sie begeistert war, seit sie es das erste Mal gesehen hatte. Inzwischen wusste sie, dass es Gärtner Kalle gehörte, der dafür keine Verwendung hatte. Luise hatte ihr erzählt, dass es seit mehreren Jahren unbewohnt war. Mit etwas handwerklichem Geschick und viel Liebe konnte man sicher ein Schmuckstück daraus machen.

Ob das vielleicht eine Option für sie war? Nachdenklich tippte sich Lisa mit einem Zeigefinger an die Nasenspitze. Das Jobproblem wäre dadurch allerdings nicht gelöst. In Gedanken versunken lief sie weiter. Dabei bemerkte sie nicht, dass Schneewittchen mit gerecktem Hals begierig zu einem Blaubeerfeld schielte. Was Lisa auch nicht wusste, war, dass Blaubeeren zu Schneewittchens bevorzugten Leckereien gehörten.

Dass etwas nicht stimmte, merkte Lisa erst, als Schneewittchen an der Leine zog. Instinktiv griff Lisa stärker zu, doch es war zu spät. Mit einem Ruck befreite sich das Alpaka und stakste schnurstracks auf das Blaubeerfeld zu.

Durch den mangelnden Gegenzug verlor Lisa das Gleichgewicht. Mit einem leisen Aufschrei fiel sie geradewegs in den Matsch. Es gelang ihr, den Aufprall mit den Händen etwas abzumildern, konnte jedoch nicht verhindern, dass sie bäuchlings mit dem Gesicht voran den vom Regen schlammigen Boden küsste.

Benommen blieb sie einen Augenblick liegen und sortierte ihre Gliedmaßen. Bis auf den Schreck schien ihr nichts passiert zu sein. Wie es aussah, hatte sie sich keine Verletzungen zugezogen.

Langsam rappelte sich Lisa auf und versuchte im Sitzen, sich den Matsch aus den Augen zu wischen. Dies gestaltete sich nicht so einfach, wie sie gehofft hatte. Leise fluchend kramte sie mit geschlossenen Augen in der Tasche ihrer Pluderhose nach einem Taschentuch, als sie hinter sich eine Männerstimme hörte.

»Was machst du denn hier ganz alleine?«, fragte der Mann. »Bist wohl auf Beutefang? Freut mich, dass dir meine Blaubeeren so gut schmecken.«

Radetzky fing an, lautstark zu bellen. Ihm war es wohl nicht ganz geheuer, dass der Mann einfach so mit Schneewittchen sprach. Sie gehörte schließlich zu seinem Rudel und stand unter seinem Schutz.

»Wen haben wir denn da? Seid ihr zusammen unterwegs und macht die Heide unsicher?« Der Mann klang eindeutig amüsiert.

Inzwischen hatte Lisa ein Taschentuch hervorgekramt und wischte sich damit über die Augen. Sie musste schnellstmöglich wieder etwas sehen. Womöglich war der Mann ein Irrer. Es hörte sich zwar nicht danach an, doch man konnte ja nie wissen.

»Ah, da haben wir ja die potenzielle Besitzerin«, sagte der Mann. »Sie tragen ein ungewöhnliches Outfit, muss ich sagen.« Er lachte.