Blood Moon Falling. Prüfungen der Göttin (Blood Moon Rising 2) - Liz Skadi - E-Book
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Liz Skadi

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Beschreibung

Acht göttliche Prüfungen um Leben und Tod. Eine dem Untergang geweihte Liebe, die alles verändert. Melinoé und Astello haben es geschafft – gemeinsam haben sie das tödliche Blutmondritual und den Kampf um die Krone überlebt. Doch ihr Triumph hält nicht lange an: Nicht nur im Königreich, sondern auch in ihren eigenen Reihen wächst Misstrauen und Melinoés Gefühle für Astello scheinen zum Scheitern verurteilt. Denn der zukünftige König muss heiraten. Und er wählt nicht Melinoé. Als die beiden jedoch von einer Möglichkeit erfahren, die Islá Lûna endgültig von der zerstörerischen Magie des Mondes zu befreien, müssen sie sich erneut zusammentun. In acht tödlichen Prüfungen der Göttin Nyxá begegnen ihnen größere Gefahren denn je und Melinoé merkt schnell, dass nichts ist wie es scheint. Vor allem nicht Astello … Doch die Freiheit der Insel fordert mehr, als zunächst vermutet und Melinoé und Astello müssen sich fragen, ob sie bereit sind alles aufzugeben … auch sich selbst. »Blood Moon Falling« ist eine Enemies to Lovers Slow Burn Romantasy mit einer starken Anti-Heldin, He-falls-first-Vibes und acht tödlichen und magischen Prüfungen.  //»Blood Moon Falling« ist der zweite Band der fesselnden Romantasy-Dilogie. Alle Titel der »Blood Moon«-Reihe: -- Band 1: Blood Moon Rising: Kampf um die Krone -- Band 2: Blood Moon Falling: Prüfungen der Göttin Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Liz Skadi

Blood Moon Falling. Prüfungen der Göttin (Blood Moon Rising 2)

Acht göttliche Prüfungen um Leben und Tod.Eine dem Untergang geweihte Liebe, die alles verändert.Melinoé und Astello haben es geschafft – gemeinsam haben sie das tödliche Blutmondritual und den Kampf um die Krone überlebt. Doch ihr Triumph hält nicht lange an: Nicht nur im Königreich, sondern auch in ihren eigenen Reihen wächst Misstrauen und Melinoés Gefühle für Astello scheinen zum Scheitern verurteilt. Denn der zukünftige König muss heiraten. Und er wählt nicht Melinoé. Als die beiden jedoch von einer Möglichkeit erfahren, die Islá Lûna endgültig von der zerstörerischen Magie des Mondes zu befreien, müssen sie sich erneut zusammentun. In acht tödlichen Prüfungen der Göttin Nyxá begegnen ihnen größere Gefahren denn je und Melinoé merkt schnell, dass nichts ist wie es scheint. Vor allem nicht Astello … Doch die Freiheit der Insel fordert mehr, als zunächst vermutet und Melinoé und Astello müssen sich fragen, ob sie bereit sind alles aufzugeben … auch sich selbst.

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Vita

© privat

Liz Skadi kam 1985 im Ruhrgebiet zur Welt. Als früher Bücherwurm lernte sie mit Asterix und Obelix lesen, erlebte schaurige Abenteuer mit dem kleinen Vampir und brachte bereits als Kind ihre eigenen Geschichten zu Papier. Später studierte sie Archäologie und Politikwissenschaft und arbeitete bei den Vereinten Nationen, ehe sie ihre Leidenschaft für das Schreiben wiederentdeckte und sich dem Erschaffen fremder Welten widmete. Liz hat eine Vorliebe für eigenwillige Kick-Ass-Heldinnen, (düster-)magische Welten von High bis Urban Fantasy, Drachen und nicht-toxische Romanzen. Sie ist ein absoluter Serienjunkie und Profi im Prokrastinieren, powert sich gern beim Kickboxen aus und ohne Espresso ist sie nur ein halber Mensch. Zudem schwört sie auf die Heilkraft von Schokolade. Heute wohnt sie in Hamburg, reist am liebsten um die Welt und schreibt fantastische Geschichten für junge Erwachsene.

Kapitel1

Mondfinsternis

»Wenn die Göttinnen ruhen, Lûna mit der Finsternis verschmilzt und Lillitús Lebenssaft erkaltet, verschieben sich die Mächte und es öffnet sich ein Fenster. Ein Fenster in eine neue Ära.«

Die alten Insel-Legenden (Chrônicá Edán I)

Heute ist einer dieser Tage, an denen ich wünschte, Alkohol würde in meinem Blut seine betäubende Wirkung entfalten. Mir all meine Sorgen nehmen, meinen Kopf von schweren Gedanken befreien und mir eine geruhsame Nacht schenken. Ich könnte mich gehen lassen, so wie alle anderen, und kompromisslos feiern. Unseren Sieg über die Königin. Meine erfüllte Rache.

Doch die Magíy Dêa in meinem Blut ist stärker als jeder Alkohol. Selbst zu Lûna Eclipse. Die nächsten acht Nächte wird meine Magie ruhen, so wie Lûna ruht nach ihrer blutigen Phase. Dennoch ist sie da. Bereit auszubrechen, wenn die Zeit gekommen ist und das nächtliche Grauen aufs Neue beginnt.

Mit einem wehmütigen Lächeln wende ich mich von meinen Frauen ab, die ihre letzten wachen Minuten singend und tanzend auf den Tischen von Ragnas Weinparadies verbringen, ehe sie ins wohlverdiente Koma fallen. Alix und Elysia haben sich schon vor Stunden abgeseilt, worüber ich ganz froh bin. Unsere Heilerin Cressida hat Elysias Armstumpf mit Heilkraut behandelt und fest abgebunden. Die Mondkämpferin wird es überleben. Ihr Hass auf mich hat allerding neue Dimensionen erreicht. Wäre Elysia nicht Alix’ aktuelle Flamme, hätte ich sie nach letzter Nacht für ihre Befehlsmissachtung aus der Gilde der Mondkämpferinnen geworfen. Ihr Angriff auf Astello war auch ein Angriff gegen mich. Wenn ich nicht rechtzeitig dazwischengegangen wäre, hätte sie ihn getötet. Dann könnten wir jetzt nicht so entspannt feiern. Stattdessen wären alle Kronenkämpferinnen Cardìanéras hinter uns her. Das Sichelviertel würde brennen für den Königinnenmord.

Ich bin tatsächlich überrascht, dass Astellos Autorität im Palast so weitreichend ist, dass wir den ganzen Tag unbehelligt feiern können. Ich habe mich heute auf das Schlimmste vorbereitet. Immerhin liegt meine Magíy Dêa im Koma und ich könnte das Viertel nicht mit meiner Magie verteidigen. Die Frage allerdings ist, wie lange Astellos Einfluss anhält. Denn genauso wenig, wie ich momentan Magie besitze – tut es der Prinz.

Mit einem schweren Seufzer betrachte ich Finley, der lautstark schnarchend neben mir liegt, über zwei Barstühlen ausgestreckt. Beneidenswert. Noch verschwendet niemand einen Gedanken an die Zukunft. An die zwei Dekaden, die uns bald erwarten. Doch das werden sie. Früher oder später.

Ich schiebe Finley einen weiteren Stuhl unter den Hintern, damit er sich nicht den Rücken bricht, und suche in dem Chaos von Ragnas Bar nach der letzten Flasche Blutmondburgunder. Dann steige ich über die dösenden Frauen und Mädchen, die auf dem versifften Boden des Weinparadieses ihren Rausch ausschlafen, und stoße die Tür auf.

In der Gasse schlägt mir die vertraute schwülwarme Luft des Spätherbstes ins Gesicht. Sie duftet würzig, nach gegrilltem Fleisch, Alkohol und den letzten Rauchfetzen der Blutmondopfer, die wir am frühen Morgen verbrannt haben. Die Sonne ist schon untergegangen und die sanfte Finsternis von Lûna Eclipse empfängt mich. Tief atme ich sie ein und recke mein Gesicht dem sternenbehangenen Himmel entgegen. In den Nachthimmel zu blicken, mit der sicheren Gewissheit, dass keine Gefahr dort oben lauert, ist ein seltenes Privileg.

In der Ferne vernehme ich die rhythmischen Trommelschläge auf dem Marktplatz und das Jauchzen der Frauen und Männer, die ihre gemeinsame Freizeit genießen. Eine ungewohnte Geräuschkulisse. Ein paar Jungs hocken auf dem Dach des gegenüberliegenden Wohnhauses und lassen ihre Beine baumeln. Einem von ihnen entgleitet die Weinflasche und sie zerschellt vor meinen Füßen. Daraufhin brechen sie in schallendes Gelächter aus, das jedoch augenblicklich verstummt, sobald sie mich erkennen.

»Melinoé!« Quill, der Sohn unseres Edelsteinschleifers Soréen, wirft mir eine Kusshand zu. »Du bist unsere Königin, Melinoé!«

Die anderen johlen begeistert, gefolgt von einem losgelösten Lachen, das man selten in unserem Viertel hört. Üblicherweise gibt es hier nicht viel zu lachen. Schon gar nicht für die Männer der Schöpfung.

»Er steht auf dich!« Quills Freund erntet dafür einen Hieb in die Seite.

»Stell dich hinten an!«, rufe ich hinauf.

Tatsächlich habe ich heute so viele Liebesbekundungen erhalten wie in meinem ganzen Leben nicht. Ich habe die Leute immer beschützt, seit meinem dreizehnten Lebensjahr, seitdem ich zur Anführerin der Mondkämpferinnen des Sichelviertels ernannt wurde. Jeder hier kennt mich. Den meisten von ihnen rettete ich mindestens einmal das Leben. Sie wissen, was ich leiste und was sie mir zu verdanken haben. Aus der anfänglichen Furcht vor meiner Magie entwickelte sich Akzeptanz und schließlich eine Selbstverständlichkeit. Der gestrige Königinnenmord aber hatte eine ganz andere Wirkung auf die Menschen des Viertels. Die Nachricht unseres Sieges schlug auf dem Marktplatz ein wie eine Mondbombe. Die Menschen hoffen, dass sich nun alles ändern wird. Dass sie keine Angst mehr haben müssen, weil ich nun die mächtigste Frau Cardìanéras bin und über die Stadt herrschen und sie alle beschützen werde.

Niemand von ihnen weiß, dass auch der Prinz Magíy Dêa besitzt. Dass er der rechtmäßige Erbe ist und den Thron besteigen wird, so die Göttinnen es wollen und die Kronenkämpferinnen und der Hofstaat ihn lassen. Natürlich wabert das Gerücht, dass der Prinz das Blutmondritual überlebt hat und die Herrschaft anstrebt, durch die Gassen, seit wir aus dem Vollmondviertel wiedergekehrt sind. Niemand aber glaubt, dass er wirklich zum König gekrönt wird. Ein Mann auf dem Thron? So etwas hat es noch nie gegeben. Dass ich ihn dabei unterstütze, stößt auf Unverständnis, nicht nur bei meinen Frauen. Ich habe heute viele Gespräche belauscht und alle sind sich einig: Ich unterstütze Astello nur, weil ich auf diese Weise die Herrschaft an mich reißen will. Mein Plan wäre bereits ins Detail ausgearbeitet. Ich heirate den Prinzen, raube seinen Samen und töten ihn anschließend, sodass ich als legitime Königinnenmutter herrschen kann.

Ein wenig erschreckt es mich, dass die Menschen denken, ich wäre zu so etwas fähig. Ich habe die Königin nicht getötet, weil ich nach ihrer Macht strebte. Sie sollten mich besser kennen. Aber vor allem sollten sie mir vertrauen. Mir und meiner Führung. Das tun sie. Noch. Doch ich frage mich, wie lange.

Ich schlendere ein Stück die Gasse hinab und suche etwas Ruhe und Abgeschiedenheit in dem schmalen Seitenpfad neben dem Weinparadies. Meine Ohren klingeln von den letzten Stunden, in denen meine Frauen aus vollem Hals geschrien, gesungen und gelacht haben. Ich habe mich schon früh ausgeklinkt. Feiern ist nicht meins. Es fällt mir schwer, mich gehen zu lassen. Alles zu vergessen und wenn es nur für einen Tag ist. Als anführende Mondkämpferin geht der Kampf des Lebens vierundzwanzig Stunden. Wird nicht gekämpft, wird geschlafen.

Doch es ist nicht Müdigkeit, die mich jetzt von der Feier wegführt. Ich sehne mich nach einer anderen Art der Ruhe. Einer anderen Art der Zerstreuung. Nach etwas, das ich ironischerweise während des Blutmondrituals fand. Eine Auszeit. Eine Ablenkung von dem, was mich spätestens in acht Nächten wieder erwartet, von den vorwurfsvollen Blicken meiner Frauen, den getuschelten Worten der Bürger und dem mörderischen Funkeln in Elysias eisblauen Augen.

Gedankenverloren spiele ich mit dem schwarzen Diamanten um meinen Hals. Die permanente Anspannung, die Verantwortung, die auf mir lastet, … hier kann sie mir niemand abnehmen. Im Gegenteil werde ich an jeder Ecke daran erinnert. Ist es verwerflich, dass ich mich nach dem Prinzen sehne? Danach, wie ich mich in seiner Nähe fühle? Ist es, wie Ragna sagt, und mir stehen solche Dinge nicht zu?

Mein Blick gleitet über das schwarze Brett an der Mauer. Blutspritzer übersäen die vielen Zettel, die darauf gepinnt sind. Der Blutregen hat die meisten ruiniert. Ein Plakat jedoch ist unversehrt, wurde ganz frisch angebracht. KÖNIGINNENMÖRDERIN GESUCHT. TOT ODER LEBENDIG. Das Porträt wurde wohl erst heute gezeichnet und ist nur skizziert, aber nicht schlecht getroffen. Ich sehe verdammt wütend aus.

Ich reiße das Papier herunter. Dann falte ich es fein säuberlich und stecke es tief in den Ausschnitt meines Lederbustiers. Ich werde das Kopfgeldplakat in mein provisorisches Heim hängen und jede freie Minute ansehen. Königinnenmörderin. Das klingt wie Musik in meinen Ohren.

»Ich habe nicht gesehen, wer es war.«

Ich wirble zu Ragna herum. An Neumond sind meine Sinne sehr viel weniger stark ausgeprägt und ich habe ihre Präsenz nicht bemerkt. Die Barbesitzerin lehnt gegen die Mauer ihrer Weinbar und mustert mich aus bernsteinfarbenen Augen. Das flammenrote Haar hat sie auf der rechten Seite zu einem strammen Zopf geflochten, eine glimmende Zigarette hängt aus ihrem Mundwinkel. Ihre linke Gesichtshälfte zieren zwei frische Schnittwunden, die rechte Hand ist noch immer abgebunden, seit sie in der ersten Blutmondnacht einen weiteren Finger verlor.

»Wenn ich sie erwischt hätte, würde ihr Kopf jetzt über meiner Tür hängen«, brummt sie und nickt zu dem Zettel, der aus meinem Ausschnitt ragt.

»Wir greifen keine Kronenkämpferinnen mehr an, Ragna.«

Sie verzieht das Gesicht, als habe sie auf eine Zitrone gebissen. »Ist das eine deiner neuen Regeln?«

»Ja.«

Die Stimmung ist aufgeheizt genug. Mir ist klar, dass Astello die Kronenkämpferinnen nicht von mir fernhalten kann. Nicht in der ersten Nacht. Ich habe ihre Königin getötet. Es ist ihre Aufgabe, mich zu jagen und zur Strecke zu bringen. Es wird seine Zeit dauern, bis der Prinz ihren Respekt und Gehorsam verdient hat, selbst wenn er endlich seine Magie zeigen kann. Auch bei mir und meinen Kämpferinnen kam der Respekt nicht von heute auf morgen. Eine Anführerin zu sein, ist nicht einfach. Sie aber zu bleiben, ist noch sehr viel härter.

»Und wer sagt ihnen, dass sie uns nicht angreifen sollen?« Ragna verschränkt die Arme vor der Brust und ich wappne mich für eine unangenehme Diskussion, für die ich weder Kraft noch Nerven habe. »Vor zwei Stunden ist eine ganze Meute dieser Frauen über die Grenze getreten. Leía und ihre Schülerinnen haben sie verjagt, zum Glück waren unsere Kämpferinnen Théa und Imôgen in der Nähe. Sie wollten dich, Noé. Wahrscheinlich wären sie über Leichen gegangen, um dich in ihre Finger zu kriegen. Sie wollen deinen Kopf, dein Herz und deine Seele. Und keine Lûna lenkt sie von ihrer Mordlust ab.«

»Die Gemüter sind aufgeheizt.« Ich schiebe mich an Ragna vorbei, will dieses Gespräch abwürgen, bevor es eklig wird. Für mich oder für sie. »Kipp einfach keinen zusätzlichen Schnaps in die Flammen, Ragna.«

Doch die Mondkämpferin packt mich am Arm und hält mich zurück. »Du gewinnst das Blutmondritual und bist dennoch die Gejagte?«, raunt sie mir ihren rauchigen Atem ins Gesicht. »Wir siegen über die Königin und verkriechen uns wieder? Diese Stadt steht auf der Kippe. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich das Fenster schließen. Und nichts hat sich geändert.«

»Es wird sich alles ändern, Ragna!« Wütend entreiße ich mich ihr. »Das passiert nicht über Nacht. Soll ich unsere Frauen ins Vollmondviertel führen, dem sicheren Tod entgegen? Gegen die Kronenkämpferinnen können wir nicht siegen, Ragna. Nicht ohne meine Magie. Und mit meiner Magie wäre es ein sinnloses Blutvergießen. Die Menschen in den inneren Vierteln würden mich hassen. Sie haben Celeste verehrt wie ihre Göttin. In ihren Augen bin ich eine Xáxèses. Eine Königinnenmörderin, die unsere Göttinnen betrogen hat. In ihren Augen sind wir die Bösen.«

Kopfschüttelnd betrachtet Ragna mich mit diesem Blick, bei dem ich normalerweise sofort an die Decke gehe. Als wäre ich ihr größtes Sorgenkind. Ein junges Mädchen, das nicht weiß, in welche Richtung sich die Welt dreht. »Du wirst immer meinen Respekt haben, Melinoé. Ich werde dir folgen, egal wohin. Blind, wenn es sein muss. Aber da bin ich eine Ausnahme in diesem Viertel.«

Ich stoße hart die Luft aus. »Ich muss mich nicht mehr beweisen. Ich habe genug für dieses Viertel getan. Und das tue ich auch weiterhin.«

»In unseren Augen sieht es nicht danach aus, Melinoé.« Geschickt positioniert Ragna sich wieder zwischen mir und der rettenden Gasse. »Es sieht so aus, als würdest du kurz vor dem Sieg aufgeben. Solange ein Ráy auf dem Thron sitzt, hat sich nichts geändert.«

Ich kann Ragnas Sorge nachvollziehen. Ich würde genauso denken und ebenso harsch reagieren, hätte ich nicht Seite an Seite mit Astello das Blutmondritual bestritten. Und erkannt, dass der Prinz nicht nur ein nächster Ráy ist. Er ist anders. Nicht nur wegen seiner Magíy Dêa. »Wenn der Prinz nicht die Krone tragen würde, dann jemand anderes. Wäre euch Evètte lieber?«

Ragna tippt mir energisch an die Brust und ich zucke leicht zusammen, als sie unbeabsichtigt das Gemîni-Tattoo berührt. Die ganze Nacht schon fürchte ich, es könne durch das Leder glühen. Würden meine Frauen von meiner Sternenverbindung mit dem Prinzen erfahren … Ich weiß nicht, was geschehen würde. Vielleicht würden sie glauben, ich hätte mir während des Blutmondrituals eine besondere Form des Mondwahnsinns eingefangen. »Ich will dich auf dem Thron sehen, Noé. Und niemanden sonst.«

Bei dem Satz zieht sich mein Herz zusammen, geht instinktiv in Abwehrhaltung. Ich wusste, dass diese Forderung früher oder später kommen würde. Schon den ganzen Tag nennen die Menschen mich Königin und fragen, wann ich endlich den Thron besteige. Doch das waren nur Sprüche im Rausch des Alkohols. Aus Ragnas Mund hat es eine ganz andere Bedeutung. Was sie sagt, meint sie auch. Sie ist nüchtern. Denkt pragmatisch. Jeder hier im Viertel sieht zu ihr auf. Und plappert ihr nach.

»Der Hofstaat würde mich in der ersten Nacht erdolchen«, würge ich dieses Thema ab, bevor sie sich ernsthaft darauf versteift.

»Wie wir alle wissen, stirbst du nicht so leicht.« Ihre Augen halten meine fest, ihr Blick ist so stechend, dass es wehtut. Sie will mich herausfordern. Will eine Antwort. Und sehen, ob ich mich ihr füge oder meinen eigenen Weg gehe.

»Das willst du also?« Ich schiele zur Gasse und senke meine Stimme, als einige Frauen uns passieren und neugierig in den schmalen Seitengang spähen. »Ich soll mir den Thron unter den Nagel reißen und über eine zerrissene Stadt herrschen, die kurz vor einem Bürgerkrieg steht, umgeben von Menschen, die mich hassen und tot sehen wollen? Ich bin keine Tyrannin, Ragna. Du weißt, ich habe ein Herz. Und das werde ich mir auch behalten. Egal, was kommt.«

»Diese Probleme könntest du leicht umgehen.« Ragna zuckt gelassen mit den Schultern. »Heirate den Prinzen.«

Ich lasse keuchend die Luft ab. »Hat Blôdá Lûna dich verflucht?« Ich bin bemüht, Ragnas Forderung aus ihrem pragmatischen Blickwinkel zu betrachten. Doch das kann ich nicht. Ragna, die ganz genau weiß, wie ich mein Leben lang um meine Freiheit und mein Herz gekämpft habe, schlägt mir vor, einen Ráy zu heiraten? Nicht aus Liebe, sondern um von seiner Macht zu profitieren?

Ragnas Mundwinkel zuckt amüsiert. Sie versteht meine Reaktion wohl falsch, denkt, eine Ehe mit einem Mann liegt unter meiner Würde. »Dann töte den Prinzen und heirate Evètte«, schlägt sie stattdessen vor. »Noch gibt es viele Möglichkeiten, Melinoé. Ergreif sie, bevor es zu spät ist. Du bist nun die einzige Frau mit Magíy Dêa. Du besitzt den Segen der verdammten Göttinnen, die sie dort drüben im Vollmondviertel so sehr lieben.«

»Ich bin nicht der einzige Mensch mit Magíy Dêa im Blut, Ragna.« Ich wollte es bei einer heutigen Versammlung verkünden, meine Frauen sanft die Wahrheit offenbaren. Über Astello. Und über unsere Magie, die plötzlich auch durch männliche Adern fließt. Aber Ragna besitzt die Fähigkeit, mich mit wenigen Worten zur Weißglut zu bringen und meine Pläne über den Haufen zu werfen.

»Natürlich bist du das.« Ragna pafft an ihrer Zigarette und bläst die Kringel in die warme Nachtluft. »Alix hat noch Hoffnung, aber bei deiner Mutter war es genauso. Das Wasser hat sie nur geheilt.«

»Ich rede nicht von Alix, Ragna.«

Ihre linke Augenbraue wandert verwundert empor. »Von wem redest du dann?«

Anstelle einer Antwort schweift mein Blick gen Osten, zum Palast. Dorthin, wo seit unserem Angriff auf die Königin kein Schutzschild mehr wabert. Ich frage mich, warum Astello ihn noch nicht wieder aktiviert hat. Die Magie der Sterne wirkt auch zu Neumond und der Schutzschild über Voll- und Halbmondviertel war stets aktiv. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Astello – das wandelnde Lexikon – Sternbild und Magiespruch des Schutzzaubers im Schlaf zeichnen und rezitieren kann.

Ragna schnaubt und lenkt meine Aufmerksamkeit wieder zu ihr. »Viele Frauen kamen gestern zu mir.« Sie drückt die Zigarette an der Mauer aus und spuckt Tabakreste zu Boden. »Willst du wissen, was sie mich gefragt haben?«

»Du wirst es mir bestimmt erzählen.«

»Unsere Anführerin besiegt die Prinzessinnen, lässt aber den Prinzen am Leben?« Ragna verschränkt ihre muskelbepackten Arme vor der Brust und bedenkt mich mit einem feurigen Blick. »Niemand versteht das. Und auch ich habe mir den Kopf darüber zermartert. Ich kam zu dem Schluss, dass es nur eine logische Antwort gibt …« Ich verspanne mich innerlich, während ich warte, dass Ragna ihre Rede fortsetzt. »Du hast einen Plan. Du willst den Prinzen heiraten und dich durch ihn legitimieren. Das ist verdammt clever. Ich wäre stolz auf dich … wüsste ich nicht, dass dies eben nicht dein Plan ist.« Ihr Blick verdunkelt sich. »Du hast diesen Prinzen aus einem anderen Grund am Leben gelassen.«

Nervöse Hitze steigt in mir empor und lässt mich schwitzen. Ich habe Astello aus vielen Gründen am Leben gelassen. Die meisten davon würde ich niemals laut aussprechen, schon gar nicht vor meinen Frauen. Und einem davon gewähre ich nicht mal Einlass in meine eigene Gedankenwelt. »Und der wäre?«, knurre ich widerwillig.

»Du entziehst dich der Verantwortung. Wenn einer noch am Leben ist, bestenfalls der Schwächste von ihnen, dann hast du eine Ausrede, seinen Platz nicht einnehmen zu müssen.«

Ich stoße die Luft aus. Vor Empörung und auch vor Erleichterung, dass sie keinen der wahren Gründe kennt. »Er ist nicht der Schwächste! Er besitzt Magie, Ragna.« Ich lasse die Mondbombe platzen, um sie von allen anderen Beweggründen abzulenken. Vor allem aber von dem Zwillingsband. »Durch Astello Ráys Adern fließt Magíy Dêa.«

Ragna sieht mich an, als habe ich Mondwahnsinn, bevor sie in schallendes Gelächter ausbricht.

»Ich könnte ihn nicht töten, selbst wenn ich es wollte.« Ich trete auf Ragna zu und verfinstere meine Augen, lasse meine blutrote Magie drohend über den Onyx wabern. Ihr Lachen verstummt abrupt. »Und wenn du noch einmal von mir verlangst, ich solle mich in eine Heirat zwingen und an den Thron fesseln, aus einem anderen Grund als dem, dass ich es will, dann wirst du die Konsequenzen tragen«, raune ich warnend. »Ich schütze mein Herz mit allem, was ich besitze.« Ich kralle meine Finger in meine linke Brust und das Gemîni-Tattoo. »Ihr habt alles von mir. Aber nicht mein Herz. Nicht meine Seele. Nicht die Entscheidung, ob und wann und mit wem ich mein Leben oder mein Bett teile.« Ich schlucke meine Wuttränen hinunter. Ich kenne Ragnas Art, bin ich doch mit ihr aufgewachsen. Dennoch ist sie noch immer verletzend. »Ich habe für uns gesiegt und gekämpft und ich werde es auch weiterhin tun. So lange, bis wir alles haben, was wir wollen.« Tief atme ich durch, um das Zittern aus meiner Stimme zu vertreiben. »Das mag nicht morgen sein. Aber ich verspreche es. Reicht das?«

Ehe Ragna etwas erwidern kann, schiebe ich mich an ihr vorbei und lasse sie stehen. Die Wut in meinem Bauch mischt sich mit Angst, während ich mich zügig auf den Weg zum Grenzstrich mache. Wenn meine Frauen von mir verlangen, den Thron zu besteigen, kann ich mich nur schwer querstellen. Mit meiner Magíy Dêa bin ich Allgemeingut. Und ich will Verantwortung zeigen. Ich würde alles für mein Volk tun. Sie haben mich beschützt, als die Königin mich jagte, und nun beschütze ich sie. Aber mein Herz ist das eine, was ich von dieser grausamen Welt abschirme, seitdem ich zum ersten Mal in Celestes eiskalte Augen blickte. Ich wollte nie werden wie sie. Skrupellos, gnadenlos und herzlos. Angeblich Eigenschaften, die die Magíy Dêa zu verantworten hat. Eine Lüge, denn ich habe um mein Herz und meine Seele gekämpft, beides erfolgreich beschützt und mir geschworen, niemandem je zu erlauben, die Macht darüber zu besitzen.

Den Kampf des Lebens mit jemandem zu teilen, nur um der Macht willen? Weil mein Volk es verlangt? Alles daran fühlt sich falsch an. Macht und Liebe sind wie der Stern des Winters und des Sommers. Sie umrunden sich auf ewiglich, ohne sich je zu treffen. Geht der eine auf, geht der andere unter. Und mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken, dass ich vielleicht gar keine andere Wahl habe, als auf den falschen Stern zu setzen und den anderen dabei für immer aus dem Auge zu verlieren.

Gefangen in diesen dunklen Grübeleien biege ich auf den Grenzstrich ein. Sofort fällt mein Blick auf die schwere Samtgardine, die den Türrahmen von Alix’ Bruchbude kleidet. Seit wir den Thronsaal gestürmt und unseren Sieg vom Dach gerufen haben, hatte ich kaum Gelegenheit, mich mit Alix zu unterhalten. Ihr zu erzählen, was beim Blutmondritual geschehen ist und welche Rolle Astello in allem spielt. Ich weiß, sie würde es nicht verstehen. Ohnehin ist sie angepisst, weil sie nicht mit Magíy Dêa beschenkt wurde, sondern nur von ihrer Môrnéra befreit. Daher werfe ich nur einen flüchtigen Blick durch das halb verbarrikadierte Fenster. Alix und Elysia liegen eng umschlungen auf der schmalen Pritsche. Das versetzt mir einen leichten Stich im Herzen. Nicht aus Eifersucht. Aus Neid vor ihrem Glück. Auch wenn es nur kurz ist, so wie alles auf dieser Insel ein kurzes Ablaufdatum hat. Das macht es nur umso wertvoller.

Ich wende mich von den beiden ab und eile weiter die Grenzgasse hinab, die letzte Barriere vor dem bösen Nebelwald. Noch hat niemand aufgeräumt. Die Straße aus schwarzem Lavastein ist klebrig vom Blut, die Löcher in der Grenzmauer sind tief wie Krater. Überall liegt Müll, ich steige über zerschmetterte Fensterläden und Glassplitter. Nur die Leichen haben wir entsorgt. Für alles andere müssen die restlichen Bürger des Sichelviertels ihre Finger schmutzig machen. Wir Kämpferinnen haben genug getan.

Ein vertrautes Gefühl der Ruhe erfüllt mich, als meine provisorische Absteige in Sichtweite kommt. Es ist ein heruntergekommenes Haus mit halbem Dach und jeder Menge Mäusen und Ratten. Tür und Fenster hängen aus den Angeln, haben aber erstaunlicherweise dem Blutmond getrotzt. Lange hat dort niemand gewohnt. Jedes Mal, wenn ich hierher zurückkehre, weiß ich, dass eine weitere Nacht überstanden ist und ich überlebt habe.

Ich stoße die knarzende Tür auf und der Gestank nach Staub, Moder und verschimmeltem Essen schlägt mir entgegen. Irgendwo muss ich einen Apfel liegen gelassen haben. Wer weiß, vielleicht kann ich mir ein Haus suchen, in dem ich dauerhaft lebe, wenn ich nicht mehr von allen Seiten gejagt werde. Auch wenn mir der Gedanke seltsam erscheint. Mein Leben lang war ich eine Nomadin, schlief jeden Tag woanders, und die meiste Zeit in irgendwelchen Löchern. Eine lange Zeit sogar im Nebelwald. Ein festes Heim, ein Zuhause, das ich mir einrichten kann und zu dem ich jederzeit zurückkehre? Das Gefühl ist befremdlich. Schön … aber befremdlich.

Vielleicht ziehe ich mit Finley zusammen. Momentan wohnt er noch bei seiner Mutter. Auch wenn ich mir das Leben mit dem nervtötenden Reporter alles andere als einfach vorstelle, wäre die Alternative – Alix und höchstwahrscheinlich Elysia – weniger prickelnd.

Mit großen Schritten wate ich durch den Staub und die verendeten Ratten und entferne den Verschlussstein vor einem der Mauerlöcher, in denen ich mein weniges Hab und Gut verwahre. Ich ziehe meinen weichen Lederumhang über, der mich seit vielen Jahren vor den wachsamen Augen der Kronenkämpferinnen beschützt, und binde einen Mundschutz am Hinterkopf fest. Heute Nacht fungiert er lediglich als Gesichtsschutz. Schließlich verstaue ich die Weinflasche in einer Tasche, werfe sie mir über die Schulter und schiebe meinen Monddolch aus grünem Turmalin in den Gürtel. Mehr Waffen werde ich hoffentlich nicht benötigen.

Ich verlasse mein Haus und wende mich gen Osten. Mein Weg durch die Stadt führt mich durch die dunkelsten Gassen Cardìanéras. Unser Angriff auf den Palast, der Königinnenmord und die allgegenwärtige Angst, dass Celeste keine magische Königin nachfolgt, hat die Bürger aufgescheucht. Sie stehen in Grüppchen auf den Straßen und unterhalten sich angeregt. Über mich, über Celeste und über den Prinzen, der als einziger Ráy überlebt hat. Sie denken, auch Evètte wäre tot. Doch die jüngste Prinzessin sitzt sicher als Geisel im Keller von Ragnas Weinparadies.

Ich schleiche mich durch die dicht bewachsenen Gärten und Parks des Halbmondviertels, bleibe trotz der Mondfinsternis im Schatten der Bäume. Das Viertel wurde im Gegensatz zum unserem bereits aufgeräumt. Viele Männer putzen jetzt noch, säubern selbst die entlegensten Ecken. Es ist ruhig hier, trotz der spürbaren Anspannung. Gemütliches Licht erhellt die Fenster der Wohnhäuser. Nur gelegentlich erblicke ich eine Patrouille der Kronenkämpferinnen. Da ich mich ohne Magie nur mit reiner Muskelmasse gegen die starken Kämpferinnen zur Wehr setzen müsste, bin ich besonders wachsam. Ich weiß nicht, wie weit Astellos Einfluss geht. Da er von seiner Familie geächtet wurde, wird es mit seiner Popularität und Autorität nicht weit gestellt sein. Daher verschmelze ich im angrenzenden Vollmondviertel mit den Schatten der Villen und husche wachsam zwischen den Bäumen und Büschen der prunkvollen Gärten umher.

Unbehelligt schaffe ich es zur kreisförmigen Palastmauer mit den goldenen Zinnen und folge ihr bis zum schiefergrauen Gebirge der Morgendämmerung, das hinter dem Mondpalast majestätisch in den Sternenhimmel ragt. An den scharfen Steinvorsprüngen hangle ich mich hinauf und schwinge mich auf die breite Lavasteinmauer. Von dort springe ich mithilfe des Aquilá-Sternbilds auf das Dach des Südeingangs und kauere mich hinter einen Schornstein.

Eine Weile bleibe ich sitzen und lausche dem steten Pochen meines Herzens. Keine der Wächterinnen scheint mich bemerkt zu haben. Also wage ich mich weiter vor, husche von Dach zu Dach des südlichen Arms des strahlenförmigen Gebäudes. Bis zu dem Schicksalsdach, auf dem Esmeráy mich vor sieben Jahren fast getötet hätte. Damals habe ich erkannt, dass meine Magíy Dêa mich nicht allmächtig macht und ein Königinnenreich nicht einfach zu stürzen ist. Dass mein Leben zu wertvoll ist, um es der Königin zu schenken, und meine Aufgabe im Sichelviertel liegt.

Ich schließe meine Augen und lausche auf meine Magie, die im Dämmerschlaf von Lûna Eclipse durch meine Adern fließt. Die Sternbilder auf meiner Haut strahlen hell wie die Originale am Himmel, doch auch ihre Wirkung ist abgeschwächt. Ich habe sie aufgefrischt, während die anderen feierten. Alle bis auf das Gemîni-Sternbild, das verborgen bleibt, bis ich bereit bin, meine Verbindung mit dem Prinzen mit meinen Frauen zu teilen. Doch genau dieses Sternbild brauche ich nun. Daher zücke ich meine Diamantnadel und zeichne die Linien auf meiner linken Brust nach. Mehr braucht es nicht. Ich muss das Aktivierungslied nicht einmal anstimmen. Sofort verspüre ich ein Ziehen, sehr viel kräftiger als jenes, das ich konstant fühle. Astellos Präsenz.

Ich folge der unsichtbaren Fährte bis zu einem der achtkantigen Türme, welche die zerstörte Kuppel des Thronsaals umgeben. Ein warmes Licht brennt hinter einem der Fenster. Auf leisen Sohlen husche ich heran und muss feststellen, dass es breit offen steht. Verdammt leichtsinnig. Viele trachten nach Astellos Leben. Nicht nur im Palast. Auch bei uns.

In einem flinken Satz bin ich im Schlafzimmer des Prinzen. Astellos Griff nach seinem schwarzen Diamantdolch ist zügig, wäre ich eine Mörderin, wäre er aber viel zu langsam.

»Wartest du darauf, umgebracht zu werden?« Ich deute zum offenen Fenster.

Überraschung huscht über Astellos mondfarbene Augen, während er mich und meine Verkleidung mustert. Schließlich zupft ein verschmitztes Lächeln an seinen Mundwinkeln. »Wenn die Killerin so wunderschön ist, ja.« Er legt die tödliche Waffe wieder neben sich auf den Nachttisch.

Mit einem Augenrollen befreie ich mich von Gesichtsschutz und Umhang. Dann sondiere ich den Prinzen und sein Zimmer. Astello trägt einen schwarzen Seidenpyjama und sieht wahrlich umwerfend aus. Zum ersten Mal sehe ich ihn ohne seine hässliche Lederkluft, offenbar frisch gebadet und mit glänzendem Haar, das sich in ordentlichen Wellen um sein Gesicht schmiegt. Seine silbernen Augen strahlen wie Sterne am Himmel und selbst seine Lippen schimmern einladend im Kerzenlicht. In seinem Schoß liegt ein aufgeschlagenes Buch, dem antiquierten Aussehen nach ein sehr altes. Seine heiß geliebten Insel-Legenden, so schätze ich. Auf dem Nachttisch stehen eine Tasse, drei brennende Kerzen im perfekten Dreieck und eine Glasschale mit Wasser, in der eine blutrot-schwarze Rosenblüte schwimmt. Ein prasselnder Kamin spendet trotz der herbstlichen Wärme eine angenehme und gemütliche Atmosphäre. Auf einer breiten Kommode entdecke ich einen Stapel frische Laken und diverse Garnituren Bettwäsche, der benachbarte Spiegelschrank weist ein üppiges Sortiment an ordentlich aufgereihten Toilettenartikeln auf. Ein Korb steht neben der offenen Badezimmertür, in dem zerknüllte Wäsche darauf wartet, gewaschen zu werden. Ein eigentümlicher Geruch liegt in der Luft. Es riecht nach Astello, doch etwas anderes überlagert den Duft. Ein süßliches Parfüm, das fast betörend wirkt. Wie ein Aphrodisiakum.

Und da durchfährt es mich. Ich weiß nicht, wieso ich es vergessen habe. Astello ist ein Koncùbinó. Ein sehr gefragter dazu.

Astello mustert mich ebenso aufmerksam wie ich seine Gemächer. »Ich habe dich nicht erwartet …«, sagt er zögerlich und lässt den Satz schwerelos im Raum hängen.

Meine Augenbraue schießt empor. »Heißt das, ich soll wieder gehen?«

Seine Lippen verziehen sich zu einem charmanten Lächeln und er glättet das Laken neben sich. »Du bist immer willkommen, Melinoé.«

Er sagt es mit einer samtweichen Stimme und einem herausfordernden Funkeln in den Augen, als würde er mich in sein Bett einladen.

Was er ja auch tut.

Ich bleibe dennoch am Fenster stehen, wünschte, meine Magie wäre heute nicht so träge. Sicherlich würde ich den Duft mindestens einer weiblichen Person in diesem Raum identifizieren können. »Hast du jemand anderen erwartet?«

»Nicht durchs Fenster.«

»Durch die Tür?«

Astello legt den Kopf schief und sein Blick wird intensiver. Als würde er versuchen, mit Magie meine Gedanken zu lesen. Was glücklicherweise nicht funktioniert. Zumindest nicht meines Wissens. »Wir sind allein, Melinoé.«

Argwöhnisch inspiziere ich das große Bett und die seidigen Bezüge im royalen Blutrot. Wie dumm von mir, anzunehmen, Astello habe nichts Besseres zu tun, als mich in sein privates Edán zu entführen. Ich hätte gar nicht herkommen sollen. So etwas passiert, wenn man seinem Herzen folgt, würde Ragna jetzt sagen.

Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Was machst du?«

Er hält demonstrativ das Buch hoch. »Lesen.«

»Den ganzen Tag?«

»Ich habe gerade angefangen.« Seine Stirn kräuselt sich. »Melinoé, was hast du auf dem Herzen?« Sein Blick schweift zu dem Dolch an meiner Hüfte. »Oder bist du doch hier, um mich zu töten?«

»Nicht heute.«

Ich verdränge die Vorstellung von einer anderen Frau in seinem Bett und nähere mich ihm. Jetzt bin ich schon mal hier. Außerdem habe ich mich nicht umsonst durch die ganze Stadt geschlichen. Zögerlich streiche ich mit den Fingerkuppen über das seidige Bettlaken. Schließlich gebe ich mir einen Ruck, schalte den Verstand und auch Ragnas Stimme aus und lasse mich auf die voluminöse Bettdecke fallen. Bei Lûna! Die Wäsche duftet wunderbar blumig und frisch. Außerdem sind die Federn so weich, dass ich vergehen möchte. Ein Bett. Ein richtiges Bett. Noch nie habe ich in einem anständigen Bett gelegen. Noch nie!

»Wow«, entfährt es mir und ich räkle mich mit einem wohligen Seufzer auf den flauschigen Federn. »Wie schaffst du es je aus diesem Bett? Ich würde den Kampf des Lebens verträumen.«

Astello zieht mich ungeniert mit den Augen aus. Da brennt ein Feuer in dem schillernden Silber, das ich dort schon mehr als einmal in meiner Gegenwart gesehen habe. Allein das Gefühl, begehrt zu werden, lässt mich viele dunkle Dinge, die schwer auf meiner Seele liegen, vergessen.

»Du verträumst den Kampf?« Sein Mundwinkel zuckt amüsiert.

»Na ja. Vielleicht ein paar Minuten.«

Sein sanftes Lachen rollt wie eine erregende Welle über mich. Das Kaminfeuer sorgt für eine Hitze, die mich an unsere Höhle vor dem Vulcáno Dêa erinnert. Und daran, wie wundervoll ich mich dort gefühlt habe. Ganz und gar wundervoll.

Ich drehe mich auf die Seite und betrachte den Prinzen, wie er in seiner Perfektion daliegt, frisch duftend, mit Haaren, die zerwühlt werden wollen, und verführerisch silbrigen Augen, in denen sich das Feuer des Kamins spiegelt. Er sieht aus, als wäre er bereit und präpariert, jemanden zu beglücken.

Stattdessen liest er.

Ich linse auf den Buchrücken. Das Buch ist in der alten Inselsprache verfasst, die ich beherrsche, obwohl sie für das gemeine Volk verboten ist. Tatsächlich ist es eine Abhandlung der Insel-Legenden über die Göttinnentriade. »Spannend?«

Astello klappt geräuschvoll das Buch zu und hüllt uns in Staub. »Melinoé«, sagt er in ernster Stimmlage. »Du bist doch nicht durch die ganze Stadt gelaufen, um über Literatur zu reden.«

»So klug, wie ich dich kenne.« Ich komme in den Schneidersitz und zücke grinsend die Flasche Blutmondburgunder. »Ich bin hier, um unseren Sieg zu feiern. Der beste Wein in ganz Cardìanéra. Hast du Gläser?«

Astello zögert kurz. Irgendetwas an der Art, wie er zögert, gefällt mir nicht. Es hat etwas von einem Opfer, das seinen Jäger einzuschätzen versucht. Glaubt er tatsächlich, ich will ihn töten?

Doch er lächelt schließlich und gleitet vom Bett. Er tritt vor eine Vitrine, in der ungefähr einhundert verschiedene Arten Weingläser aufgereiht sind, und wählt zwei aus. »Ich habe dich wirklich nicht erwartet«, wiederholt er sich. »Nicht … so früh.«

»Was soll das denn heißen?« Obwohl ich gestehen muss, dass ich nicht eingeplant habe, den Prinzen so schnell wiederzusehen. Als ich mich im Thronsaal von ihm verabschiedet habe, nahm ich an, dies sei ein Abschied für immer. Zumindest für unsere Beziehung. Welcher Art diese auch war. Dass ich ihn aus der Distanz sehe, sicherlich. In seiner neuen Rolle als König, so er sie ausfüllen wird.

Aber … im Bett?

Eigentlich wollte ich Abstand gewinnen zu ihm und dem, was beim Blutmondritual geschehen ist. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn so schnell vermissen würde. Die kleine Auszeit vom Kampf des Lebens, die er mir schenkt … wenn er denn dazu bereit ist.

»Ich dachte, du würdest mit deinen Frauen feiern.« Er platziert zwei langstielige Kristallgläser auf einem Silbertablett und stellt es aufs Bett. Dazu gesellen sich noch Plätzchen und sogar ein Schälchen mit einer blutrot-schwarzen Rosenblüte. In meinem Leben habe ich noch nie solch einen Luxus gesehen. »Ich nahm an, du wärst froh, mich erst mal wieder los zu sein.«

»Das dachte ich auch.« Mit einem lauten Knall entkorke ich den Wein. »Aber du bist eben unwiderstehlich.« Während ich den Wein einschütte, beobachtet Astello mich so intensiv, dass ich mich kaum konzentrieren kann. Fast kippe ich den exquisiten Alkohol auf das teure Bettzeug. »Hübsche Blume«, lenke ich seinen Blick von mir ab.

»Wunderschön wie deine Augen«, raunt er mit tiefer Stimme.

Ich sehe zu Astello auf. Ich wünschte, unser Prinz sähe ein bisschen weniger perfekt aus und wäre nicht so liebenswert, intelligent und zuvorkommend. Dann könnte ich es auf das rein Körperliche reduzieren. Das könnte ich sogar Ragna und Alix verkaufen. Es ist sein Penis, der mich zu ihm lockt, nicht … er. »Lass die Sprüche. Ich bin keine deiner Kundinnen.«

Astellos Augenbrauen sacken so tief ab, dass seine hübschen Augen in Schatten liegen. »So etwas sage ich keiner meiner Kundinnen.« Der Ton seiner Stimme hat einen eisigen Beiklang, der mich an Celeste erinnert.

»Klar.« Ich reiche ihm ein Weinglas.

Anstatt es anzunehmen, sieht er mich nur weiter an. »Möchtest du wissen, wie die Rose heißt?«

Ich stöhne und kippe mir das Glas Wein herunter, lasse den warmen Alkohol meine Kehle hinabrinnen. »Nein. Aber du wirst es mir ja doch sagen.«

»Melinoé.«

Ich blinzle ihm über den Rand des Glases entgegen. »Was?«

»Die Rose heißt Melinoé.« Er fischt die Blüte aus der Wasserschale. »Als ich sie zum ersten Mal bei einem Spaziergang bei uns im Garten entdeckte, war es lediglich eine zufällige Mutation zwischen schwarzen und blutroten Rosen. Ich habe den Gärtner gebeten, sie zu züchten und Melinoé zu taufen. Sie wachsen nun an einem entlegenen Ort in unseren Gärten, ganz im Osten beim Gebirge der Morgendämmerung.«

Ich sehe ihn ungläubig an. »Ich schleiche mich zu dir, um ein bisschen Spaß zu haben, und du kommst mir mit so einer bedeutungsschweren Sache?«

Lächelnd streicht er mit dem samtigen Blütenblatt über meine Wange. Das Gefühl ruft ein aufregendes Kribbeln hervor, das durch meine Blutbahn rauscht und an den richtigen Stellen verweilt. »Siehst du?«, flüstert er. »Genau so hinreißend wie deine Augen.«

Wieso schlägt dieser plumpe Charme bei mir an? Was stimmt mit mir nicht? »Du willst nur davon ablenken, dass du jemand anderen erwartet hast.«

Sein Mundwinkel zuckt. Ah. Ich habe ihn ertappt. »Es gibt einen Unterschied zwischen Erwarten und Befürchten.«

»Und wo ordnest du meinen Besuch ein?«

Sein Lächeln würde Lûna erweichen. »Unter Erträumen.«

»Man kann dir wirklich schlecht böse sein.« Ich fülle das Glas erneut bis zum Rand und drücke es Astello in die Hand.

»Bist du auf mich böse?«

»Willst du reden oder anstoßen?«

Klirrend stoßen wir unsere Gläser aneinander. Dabei verschmelzen unsere Blicke und das unterschwellige Feuer in seinen Mondaugen entfacht sofort ein prickelndes Verlangen in mir. Gut zu wissen. Es war nicht nur die Extremsituation. Der Prinz hat was und ich will es.

»Hast du heute noch was vor?«, pirsche ich mich vor.

Er nimmt nur einen winzigen Schluck, ehe er das Glas wieder abstellt. »Wieso fragst du?«

Ich kneife die Augen zusammen. »Du wirkst nervös.«

Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar, wobei mein Blick auf seine vernarbte Handfläche fällt. Mein Gemîni-Tattoo zwickt bei dem Gedanken an Astellos schmerzvolle Vergangenheit. Livs unfreiwillige Tätowierung des Arachnîa-Tattoos hat auch auf meiner Brust Narben hinterlassen. »Wegen dir, Melinoé«, gesteht er. »Ich wünschte, ich wüsste, warum du hier bist.«

»Wie gesagt. Ich möchte mit dir anstoßen.« Ich tippe an sein volles Glas, das er nicht mehr anrührt. Dies ist der beste Wein, den Ragna zu bieten hat. »Immerhin haben wir viel zu feiern.«

Er sieht mich lange an. Als suche er nach einem Hinweis auf meine wahre Intention. Als könne ich zu Neumond lügen. Ungeduld regt sich in mir. Ich bin kurz davor, einfach meine Brüste rauszuholen.

»Möchtest du mit mir über die Kronenkämpferinnen sprechen?«, fragt er schließlich zaghaft. »Ich habe gehört, dass –«

Ich seufze frustriert und knalle mein Glas auf das Tablett. »Ich bin hier, weil ich dich brauche. Also …« Ich lasse meinen Blick mit einem unmissverständlichen Verlangen über seinen Körper gleiten. Meine Hand legt sich an seine Wange und verschwindet in seinem nachtschwarzen Haar. Es ist weicher noch als der Seidenbezug und duftet nach frischer Kräuterseife. »Dich, Astello. Mein Kopf explodiert, wenn ich darüber nachdenke, was alles auf mich zukommt. An all jene, die mich tot sehen wollen oder hassen oder Unmögliches von mir erwarten.« Ich beuge mich vor und meine Lippen berühren seine, nur hauchzart, ein winziger Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. »Erinnerst du dich an Edán?«

»Natürlich«, raunt er heiser. Sein Atem schmeckt, wie ich es in Erinnerung habe. Himmlisch.

Fordernd graben sich meine Fingernägel in seine Kopfhaut. »Ich will dieses Edán.«

Er sieht mich fragend an, seine Augen so nah vor mir, dass ich in ihnen versinke, dem vertrauten Silbersee und seiner viel zu attraktiven Seele.

»Jetzt«, betone ich energischer.

Die Erkenntnis dringt endlich zu ihm durch und nachdem sich eine chaotische Vielfalt an Emotionen in seinen Augen abgewechselt hat, befreit er sich mit einem sanften Lächeln aus meiner Umklammerung und nimmt das Tablett von der Bettdecke. »Das habe ich ehrlicherweise nicht erwartet.«

»Ich auch nicht, glaub mir.« Mit leichter Nervosität beobachte ich, wie Astello elegant vom Bett gleitet und das Tablett und den Wein auf der Kommode platziert. Was, wenn er mich ablehnt? Wenn er keine Lust hat, schon mehr als bedient ist oder das zwischen uns für ihn das war, was es auch für mich hätte sein sollen? Eine einmalige Sache.

Der Schmerz der Ablehnung breitet sich bereits in meiner Brust aus. Wieso, bei Lûna, ruft der Prinz solch starke Gefühle in mir hervor?

Astello begibt sich zur Tür. Will er einfach gehen? »Ich dachte, was beim Blutmondritual passiert, bleibt beim Blutmondritual?«

Ich sollte gehen. Bevor er geht. Und mir ein wenig Würde bewahren. »Ich habe das Gefühl, dass du keine Lust auf mich hast …«

Astello schließt seine Tür mit einer flinken Handumdrehung ab. Dann bringt er eine leuchtende Diamantnadel aus seinem Pyjama zutage und zeichnet zügig die Linien eines Sternbilds nach, das mir unbekannt ist. Als er sich wieder zu mir umdreht, flackern die Flammen des Kamins über seine schillernden Augen. »Ich schwöre bei den Göttinnen und meiner Seele und allem, was mir heilig ist, dass das nicht der Fall ist«, sagt er mit einer Inbrunst, die dem Feuer in seinen Augen in nichts nachsteht. »Und ich hoffe inständig, dass du das auch weißt.«

Der Stich in meiner Brust verflüchtigt sich, als wäre er nie da gewesen. »Hm«, antworte ich nur.

»Was?«

»Wusstest du, dass wir zu Neumond nicht lügen können?«

»Natürlich.«

»Und willst du mich was fragen?«

Er runzelt die Stirn und setzt sich auf die Bettkante. »Möchtest du mich etwas fragen?«

Ich deute auf die Bettdecke, auf der ich sitze. »Lag schon eine andere Frau in diesen Laken?«

Seine Augenbraue wandert ein Stück empor. »Nein.«

»Aber in denen dort?« Ich zeige auf den Korb mit der gebrauchten Bettwäsche.

»Muss ich darauf antworten?«

»Das ist schon Antwort genug.«

Er legt den Kopf schief und betrachtet mich eingehend. »Stört es dich?«

Ich zucke mit den Schultern. Ob es mich stört? Natürlich stört es mich. Kolossal stört es mich. Ich bin Melinoé. Rebellenkönigin. Siegerin des Blutmondrituals. Frauen haben stets um meine Gunst gebuhlt. Ich lebe monogam, das mag ungewöhnlich sein in unserer Stadt, doch ich liebe die Exklusivität, die eine loyale Bindung mit sich bringt. Das Umworbenwerden, der Gedanke, dass sich jemand nach mir verzehrt. Nur nach mir. Ich war nie eine Frau für eine Nacht und kann damit wenig anfangen. Meine Magie, die selbst noch in späten Jahren immer wieder in erregenden Momenten ausbrach, hinderte mich zusätzlich daran, einfach meinen Spaß zu haben. Bei Astello hingegen war genau das meine Intention, leider war mir nicht bewusst, dass tatsächlich Gefühle im Spiel sind. Ich weiß nicht, welche Gefühle das sind, aber sie rufen Eifersucht in mir hervor. Und der Gedanke, dass Astello andere Frauen beglückt, kitzelt an meinem Stolz.

Ich verdränge diese lästigen Emotionen. Sie sind völlig fehl am Platz, das weiß ich selbst. Ich will nur eines. Den Prinzen. Exklusiv, für eine Stunde. Oder zwei.

»Du bist jetzt König«, verweile ich dennoch bei dem Thema.

»Noch nicht.«

»Aber danach …« Ich schiele wieder zu dem Wäschekorb. »Du sagtest mal, dass du monogam bist und dir deine Arbeit keinen Spaß bereitet.«

»Ja …«, antwortet er zögerlich.

»Und mit mir?«

Kurz scheint er sprachlos. Seine Lippen öffnen und schließen sich, während er nach Worten sucht. »Bitte vergleich dich niemals wieder mit meinen Kundinnen.« Seine Stimme ist dunkel und hat einen bitteren Beiklang. »Habe ich dir jemals das Gefühl gegeben, unsere gemeinsamen Stunden wären nur Zwang gewesen?«

»Es ist dein Job, Frauen ein gutes Gefühl zu geben.« Ich würde gerne damit aufhören, aber mein verletzter Stolz lässt mich nicht.

Astello erhebt sich mit dieser Entschlossenheit, mit der er alles angeht, umrundet das Bett und geht vor mir auf die Knie. Er ist groß genug, dass wir dennoch fast auf Augenhöhe sind. Seine Hände umgreifen sanft meine Taille. »Es war der schönste Tag meines Lebens, Melinoé«, verkündet er mit einer Aufrichtigkeit, die mich aus der Bahn wirft. Immerhin ist Neumond. Was Astello sagt, ist die pure Wahrheit. »Meine bisherigen Vereinigungen waren wie ein Gang durch die brennende Ödnis. Unsere gemeinsamen Stunden sind wie ein Tanz über die Sterne mit Honig und Blutmondburgunder.«

Wenn ich mich nicht besser kennen würde, würde ich meinen, Wärme steigt in meine Wangen auf. Astello scheut wirklich nicht davor, seine Gefühle zu zeigen. Ganz im Gegensatz zu mir, die nicht mal weiß, wie sie ihre eigenen Gefühle liest.

Da ich solche Art Komplimente nicht gewohnt bin, weiß ich leider auch nicht, wie ich auf sie reagieren soll. »Also muss ich nichts zahlen.«

Astello blinzelt verwirrt. »Wie bitte?«

»Normalerweise wirst du bestimmt gut dafür bezahlt.«

Unsicher schweifen seine Augen über mein Gesicht. »Durchaus …«

»Wie teuer sind deine Dienste als Koncùbinó?«

Astello ändert leicht seine Position, seine Hände rutschen meine Hüfte hinab. Ihm scheint das Thema sichtlich unangenehm. »Das willst du wahrscheinlich gar nicht wissen.«

»Wahrscheinlich nicht …« Ich streiche über die Seide des Bettbezugs und fange das Rosenblatt auf, das vom Tablett auf das Kissen gesegelt ist.

»Du musst nichts zahlen, Melinoé«, versichert Astello mit sanfter Stimme.

Mein Blick schnellt zu ihm zurück. »Das würde ich auch nicht!« Obwohl das vieles vereinfachen würde.

Er lächelt versöhnlich. »Ich will dich auch, Noé.«

Geräuschvoll atme ich aus. »Warum reden wir dann noch immer?«

Ich wollte nur ein bisschen Sex. Warum ist das hier so kompliziert? Wieso mache ich es kompliziert?

Astellos Hände wandern meine Oberschenkel hinab, dabei beugt er sich vor und versiegelt meine Lippen mit einem hingebungsvollen Kuss, der mich daran erinnert, warum ich dem Prinzen von den Zehen bis zu den Haarspitzen verfallen bin. Seine Lippen sind so weich und himmlisch, wie ich sie in Erinnerung habe. Sanft zieht er an meinen Kniekehlen und unterbricht den Kuss nicht, als ich zurück aufs Bett sinke. Mühelos schiebt er mich in die Position, in der er mich haben will, und ich mache es mir in den seidigen Laken gemütlich. Ich schließe meine Augen und seufze leise, während Astello mich nach und nach entblättert und jeden Zentimeter meines Körpers liebkost. Heute habe ich keinerlei Verlangen danach, das Kommando zu übernehmen. Zu hasten. Acht Nächte habe ich gekämpft und der nächste Kampf steht bereits in den Startlöchern. Nein, heute will ich nur genießen und die Welt vergessen. Astello soll meinen Kopf freipusten und mein immer wiederkehrendes Gedankenkarussell aus dem Gleichgewicht bringen. Wenigstens für einen Moment.

Und das tut er mit Leidenschaft und Präzision. Ich bekomme kaum mit, wie er mich aus meiner Rüstung schält, meinem Bustier und meinem Slip. Stattdessen spüre ich seine wunderbaren Lippen an jeder Stelle meines Körpers, seine talentierte Zunge und langen, feingliedrigen Hände. Oh, diese Hände. Solch weiche Finger habe ich noch nie auf meiner Haut gespürt. Zumal sie genau wissen, was sie zu tun haben und wo ich sie gern hätte. Ich muss ihm keine Instruktionen geben oder ihm verklickern, dass er die Klappe halten soll, wie ich es bei Alix ständig musste. Nein, Astello beglückt mich schweigsam und daher schweige auch ich, bis sich meine wohligen Seufzer und heiseren Atemzüge mit gehauchten Flüchen und mühsam unterdrückten Schreien abwechseln. Die Seide unter meinem Rücken, das Knistern des Kamins, der Duft des Rosenöls, das Astello herbeigezaubert hat und in meine Haut massiert … Ich fühle mich wie im Himmel. Als wäre ich schon ein Stern und müsste mir um nichts mehr Sorgen machen.

Ich wünschte, ich hätte den Prinzen schon früher getroffen. Zu schade, dass er nie bei mir angeklopft hat, als er verkleidet durchs Sichelviertel schlich und mich beobachtet hat. Aber höchstwahrscheinlich hätte ich ihn getötet, daher schiebe ich auch diesen letzten störenden Gedanken beiseite und lasse mich ins Edán entführen. Und weit darüber hinaus.

Nachdem ich zum zweiten Mal in Ekstase geschrien habe – ich hoffe inständig, dieser Raum ist mit einem schalldämpfenden Sternbild versehen –, wühle ich mit den Fingern durch Astellos Haar, um seine Aufmerksamkeit nach oben zu lenken. »Willst du nicht mitmachen?«

Astello bettet sein Kinn auf meinem Bauch und sieht zu mir auf. Er schaut so zerwühlt und glücklich aus, wie ich mich fühle. Dabei ist er nur Zuschauer. »Ich bin vollauf befriedigt.«

»Wovon?«

»Von dir.«

»Komm hoch.« Es ist so bequem hier, ich will mich keinen Millimeter vom Fleck rühren. Außerdem hat sein ausgiebiges Vorspiel mich völlig geschafft. Mehr als jeder Kampf.

Astellos Arme drücken sich neben mir in die Matratze und er bettet sich so sanft über mir, dass meine Haut nur von seinem seidigen Pyjama touchiert wird. Meine harten Brustwarzen reiben dagegen, als er sich hinabbeugt und seine Zunge über meine Lippen gleitet, erst sanft, dann immer forscher. Ich öffne meinen Mund und gewähre ihm Einlass. Unser heißer Atem vermischt sich und der innige Kuss schmeckt nach Sex und Rosenöl. Ich kann nicht genug von seinen Lippen bekommen, seine Küsse sind fast so gut wie der Sex, gleichzeitig aber schreit meine Lunge nach Luft und mein Körper abermals nach mehr. Alles in mir steht im Widerspruch, als sich Astellos Hüfte absenkt und gefühlvoll gegen meine schmiegt. Die Seide fühlt sich glatt und rau zugleich an, reizt meine sensible Stelle, die nach Astellos hingebungsvollen Liebkosungen mehr als ausgereizt ist. Und doch will ich mehr.

Ich stöhne leise und mein Bein windet sich um seine Hüfte. »Du bist immer noch angezogen.«

»Willst du das ändern?« Er rollt wie beiläufig seine Hüfte und entlockt mir einen rauen Seufzer, während seine Zunge über mein Schlüsselbein fährt.

»Ich kann mich nicht bewegen.« Meine Finger graben sich tiefer in sein Haar und mein Bein zieht sich enger um seine Taille. »Du hast mich geschafft.«

Sein leises Lachen perlt über meinen Hals und seine Hüftbewegungen werden zielstrebiger. Seine Härte drängt gegen mich und auch wenn ich noch äußerst empfindlich bin, bildet sich wieder eine vertraute Anspannung, die sich rasant steigert und nach einem Ventil sucht. Verdammt, ich wünschte, ich wäre nicht vierzehn Monate abstinent gewesen, bevor ich Astello traf.

»Denke nicht, ich wäre notgeil«, raune ich, um meine steigende Herzfrequenz zu entschuldigen. »Im Kampf bleibt kaum Zeit für die schönen Seiten des Lebens.«

Er knabbert an meinem Ohrläppchen. »Wieso sollte ich das denken?«

»Weil ich es am liebsten die ganze Nacht und die nächsten acht Nächte tun würde.« Meine Finger verlassen sein weiches Haar und fahren über seinen Nacken, bohren sich in seine Schulterblätter. »Und weil du beim ersten Mal nicht zwei Minuten gebraucht hast, bis ich die Palastwände zum Wackeln und die hübschen Fenster zum Klirren gebracht habe.«

Ich spüre sein Lächeln an meiner Halsbeuge. »Ich hätte nichts dagegen, es jede Nacht zu tun.«

Ich winde mich unter ihm. »Okay, aber du musst deine Klamotten loswerden, sonst dreh ich durch.«

»Wie gesagt.« Er sieht auf mich hinab und in seinen Augen blitzt ein amüsierter Funke. »Das musst du schon selbst tun.«

»Du meinst, weil du genug getan hast?«

»Weil ich es mag, wenn du mich ausziehst.«