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Verruchte Dark Romance von der Autorin des Weltbestellers QUICKSILVER - TOCHTER DES SILBERS. Ich bin nicht stolz auf die Dinge, die ich getan habe. Doch ich musste Alexis finden. Ich wäre sogar bereit gewesen, für meine Schwester zu sterben. Alexis war schon seit sechs Monaten verschwunden. So viele endlose, verzweifelte Tage. Dann traf ich Zeth Mayfair, einen der gefährlichsten Männer Seattles. Er erledigt seine dubiosen Aufträge ohne Gewissensbisse. Ich hätte Angst vor Zeth haben sollen, aber als er mir seine Hilfe anbot, konnte ich unmöglich ablehnen. Dieser skrupellose Mann war meine letzte Hoffnung. Nein, ich bin nicht stolz auf die Dinge, die ich getan habe … Zeth: 'Ihr Name ist Sloane Romera. Sie will, dass ich ihr Held bin, aber ich bin kein guter Mann. Ich bin ihre Verdammnis.' Die BLOOD & ROSES-Saga von Callie Hart. Verruchte Dark Romance, voller Action und unerwarteter Wendungen. Macs Books and Beauty: 'Was passiert, wenn du ein schüchternes Mauerblümchen und einen verdammt sexy, versauten, dominanten Mann zusammenführst? Es gibt ein Feuerwerk!'
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Seitenzahl: 197
Veröffentlichungsjahr: 2018
Aus dem Amerikanischen von Michael Krug
Impressum
Die amerikanische Originalausgabe Deviant – Blood & Roses #1
erschien 2014 im Verlag Createspace.
Copyright © 2014 by Callie Hart
Copyright © dieser Ausgabe 2018 by Festa Verlag, Leipzig
Titelbild: Alexander Kopainski
Alle Rechte vorbehalten
eISBN 978-3-86552-712-7
www.Festa-Verlag.de
Es war einmal
ein Junge,
der lebte in der Dunkelheit …
Und
es gefiel ihm dort.
EINS
Sloane
Wenn ich sage, ich bin ein Geist, dann meine ich das nicht wörtlich.
Ich bin ziemlich lebendig. Oder zumindest leide ich an manchen Tagen genug, um zu wissen, dass ich noch einen Herzschlag habe. Nein, wenn ich sage, ich bin ein Geist, dann meine ich damit, dass mich Menschen selten wahrnehmen.
Ich bin das Mädchen im Hintergrund. Durchschnittliche Größe, durchschnittliches Gewicht, durchschnittliche Haarfarbe. So unscheinbar, dass mich Blicke überspringen, statt auf mir zu verharren. Lautlos schleiche ich durch diese gähnende Stadt, ohne zu lächeln. Oft tagelang, ohne jemanden grüßen zu müssen. So ist es schon seit sechs Monaten. Es kommt selten vor, dass ich mit Fremden sprechen muss, und wenn, dann nur flüchtig. Die Menschen merken instinktiv, dass ich nicht für Small Talk geeignet bin. Heute ist es nicht anders.
»Hier ist Ihr Zimmerschlüssel, Miss Fredrich.« Die Rezeptionistin des Marriot in der Innenstadt von Seattle schiebt die Schlüsselkarte aus Plastik über die Marmorplatte des Schalters. Erst als sich ihre Hand zurückzieht und in sicherer Entfernung befindet, strecke ich die meine aus und nehme die Karte.
»Danke.«
Mit gesenktem Blick tackert sie die durch meine Zahlung entstandenen Unterlagen zusammen. »Und … sind Sie geschäftlich oder zum Vergnügen hier?« Die Herzlichkeit in ihren Augen verfliegt, als sie schließlich aufschaut und meine ausdruckslose Miene bemerkt. Das Lächeln fließt aus ihrem Gesicht ab wie Butter von einem heißen Messer.
»Geschäftlich«, antworte ich, denn nichts könnte wahrer sein.
»Oh, verstehe. Tja, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.« Kaum hat sie ihre höfliche Rezeptionsroutine abgespult, wendet sie den Blick ab. Sie erkundigt sich nicht, warum ich ohne Gepäck in ihrem Hotel aufgetaucht bin oder warum ich nur für eine Nacht gebucht habe. Oder warum ich einen Reserveschlüssel für einen Mr. Hanson bei ihr an der Rezeption hinterlegt habe. All das fragt sie nicht – das soll sie nicht. Eli ist mit mir durchgegangen, wie die Sache ablaufen wird, und bisher stimmt es beinah buchstabengetreu. Ich nehme meine Handtasche vom Schalter, steuere auf den Fahrstuhl zu und streiche meinen Mantel glatt.
22, 21, 20, 19, 18 …
Ich beobachte, wie die Zahlen nacheinander aufleuchten. Die runden Anzeigen, jede so groß wie eine Dollarmünze, werden der Reihe nach hell und dunkel, während der Aufzug herabfährt und ich geduldig warte, ohne zu blinzeln. Neben mir stehen weitere Personen, die ebenfalls auf den Fahrstuhl warten. In einem Bürogebäude oder einem Einkaufszentrum würde ich die Treppe nehmen – beengte Räume und ich sind nicht die besten Freunde. Aber da das Hotel 47 Stockwerke hat und sich mein Zimmer im 42. befindet, werde ich die unangenehme Gegenwart der anderen Menschen wohl ertragen müssen.
Die Türen gleiten auf, und ich steige als Erste ein. Die anderen Hotelgäste – vier Geschäftsleute – wohnen irgendwo in der Mitte, und ich will nicht, dass sie sich auf dem Weg nach draußen an mir vorbeidrängen. Es ist einfach, sie als Männer für die mittleren Etagen einzustufen. Sie tragen mittelmäßige Anzüge, und alle vier haben mittelmäßige Haarschnitte. Ihre Unterkunft wird auf eine von irgendeiner Buchhaltungsabteilung verwaltete Kostenstelle gebucht, und Buchhaltungsabteilungen bezahlen nicht für Penthouse-Suiten. Sie bezahlen bestenfalls für Zimmer mit eigenem Bad und Zugang zum Fitnesscenter. Keine Minibar für Sie, Mr. Firmenangestellter.
Die Fahrstuhltüren gleiten zu, und ich ziehe mich in mich zurück, lehne mich mit dem Rücken an die hintere Kabinenwand. Mit geschlossenen Augen atme ich durch die Nase.
Es wird bald vorbei sein, trotzdem legt mein Herz in der Brust einen wilden Tanz hin. Die Angst davor, festzusitzen, die Angst vor dem, was ich in Kürze tun werde, ist wie eine aggressive Schlange, die nur darauf wartet, sich in meinen Eingeweiden auszutoben.
»He. He, alles in Ordnung? Sie kommen mir ein bisschen verängstigt vor.«
Einer von ihnen redet mit mir. Er bringt meine Panik mit der Fahrt im Aufzug in Verbindung, aber damit liegt er nur teilweise richtig. Er hat braune Augen, eine sanfte, warme Farbe, die mich an geschmolzene Schokolade erinnert. Grübchen hat er auch noch. Wahrscheinlich ist er um die 23, ungefähr in meinem Alter. Er sieht nett aus. Die Art von nett, mit der ich mich vielleicht auf ein Date eingelassen hätte, bevor … bevor irgendetwas von all dem möglich geworden ist.
»Alles bestens, danke«, antworte ich.
»Gut.« Der Mann mit den Schokoladenaugen lächelt mich an. »Bei meiner Schwester hilft es manchmal, wenn sie tief durchatmet. Sie hat’s auch nicht so mit Aufzügen.«
Er ist so süß. Viel süßer, als ich es verdiene, wenn man bedenkt, warum ich heute hier bin. Ich belohne ihn mit einem brüchigen Lächeln – er grinst zurück. Dann öffnen sich die Türen und die vier steigen aus. Ich stecke die Hände in die Taschen, um sie vom Zittern abzuhalten. 18 Stockwerke bin ich allein, was besser ist, als mit vier Fremden eingesperrt zu sein, aber immer noch nicht toll. Dann bin endlich ich mit dem Aussteigen an der Reihe. Das Hotel unterscheidet sich nicht groß von anderen, in denen ich übernachtet habe. Der einzige Unterschied – der Unterschied, durch den es aus meiner Erinnerung hervorstechen wird, solange ich lebe – ist, dass ich aus einem ganz bestimmten Grund hier bin: um Sex mit einem völlig Fremden zu haben. Und ich tue es, um meine kleine Schwester zu finden.
Als ich mich im Zimmer befinde und meinen Mantel ordentlich an den Haken hinter der Tür gehängt habe, fühle ich mich einigermaßen bereit. Ich trage, was von mir verlangt worden ist – schwarzen Spitzenstoff. Genauer hat sich Eli – der Privatdetektiv, den ich engagiert habe, um meine Schwester zu finden – nicht ausgedrückt. Er hat die ganze Sache eingefädelt.
»Manchmal reicht Geld allein nicht aus, um sich zu erkaufen, was man will, meine Liebe. Manchmal ist ein wenig mehr … Überzeugungsarbeit nötig, um solche Informationen zu bekommen. Passen Sie auf: Ich sage Ihnen, was ich weiß, wenn Sie mir einen kleinen Gefallen tun.«
»Was für einen Gefallen?«
»Sie machen für einen zahlenden Kunden die Beine breit, und Sie bekommen von mir alles, was Sie wissen müssen.« Das widerliche Schwein besaß sogar noch die Frechheit zu lächeln. »Ach, jetzt kommen Sie schon, Miss Romera. Sehen Sie mich nicht so an. Sie wollen Ihre Schwester doch finden, oder?«
Und am Ende habe ich zugestimmt. Er hatte recht: Ich will Lex unbedingt finden. Und offensichtlich tue ich dafür wirklich alles. Selbst wenn ich danach vielleicht nicht mehr mit mir leben kann.
Eli hat gesagt, ich solle heute neben den Dessous noch etwas anderes mitbringen, etwas, das sich in meiner Jackentasche verbirgt. Ich hole es heraus und setze es auf. Die Maske besteht aus schwarzer Spitze mit blutroten Rändern. Durch sie fühle ich mich ein bisschen weniger angewidert. Im Badezimmer drücke ich auf den Lichtschalter und suche in meiner Handtasche nach dem Einzigen, was mir bei dieser Erfahrung meine geistige Gesundheit bewahren wird: einer Packung Valium. Einer der Vorteile, wenn man im fünften Jahr der Facharztausbildung ist – irgendjemand ist immer verfügbar, der bei Bedarf Rezepte ausstellt, ohne Fragen zu stellen. Das Rezept für das Sedativum lautet nicht mal auf meinen Namen, daher wird es nie in meiner Krankenakte auftauchen. Ich werfe eine Pille ein – das ist genug, um mich zu beruhigen, aber nicht genug, um mich schläfrig werden zu lassen. Dann betrachte ich mich im Spiegel und schnüre das Band der Maske unter meinem Haar zusammen.
Du siehst beschissen aus, Sloane.
Das sage ich mir neuerdings jedes Mal, wenn ich in den Spiegel blicke. Vielleicht ist es wahr, vielleicht auch nicht.
Ich starre mich in letzter Zeit so regelmäßig und so lange an, bis mein Spiegelbild keinen Sinn mehr für mich ergibt. Lex war immer die Schönere von uns beiden. Ich weiß, dass ich einen gut gebauten Körper habe. Eli hat gesagt, das sei der einzige Grund, warum er sich auf Geschäfte mit mir einlässt – weil meine Titten echt sind und ich einen hübschen Hintern besitze. Deine Größe könnte manchen Kerlen unangenehm sein, aber tja … dagegen lässt sich nicht viel machen. Ich konzentriere mich auf die dunklen Ringe unter meinen Augen und denke daran, dass all das nur vorübergehend ist. Nicht für immer. Schließlich bin ich Medizinstudentin. Der Körper ist bloß eine Maschine, voll von Rädchen und komplizierten Teilen, die alle vor sich hin ticken und harmonisch zusammenarbeiten, um einen am Leben zu erhalten. Sex zu haben ist nur eine Nutzung der Maschine, mehr nicht.
Du kannst das, Sloane. Du kannst das.
Und dann, keine zwei Sekunden später …
Lex würde das nicht wollen. Sie würde nicht wollen, dass du benutzt und missbraucht wirst, dich für so wenig verkaufst. Ich hasse diese Stimme in meinem Kopf. Sie macht es mir so schwer, das hier durchzuziehen. Aber es ist nicht so, dass ich meinen wertvollsten Besitz für Drogen oder Geld verhökere. Auch nicht für Ruhm und Macht, wie es manche Frauen tun. Nein, ich tue es aus Liebe. Aus Liebe zu Lex. Jede Schwester würde dasselbe tun.
Inzwischen sind es sechs Monate. Ich bin immer noch nicht damit vorangekommen, Alexis zu finden, und das hier fühlt sich wirklich wie mein letzter Ausweg an. Eli ist schlau – er gibt mir gerade genug Informationen, um meine Hoffnung zu schüren, aber nicht annähernd genug, dass ich aus unserem kleinen Arrangement aussteigen könnte.
Klopf-klopf-klopf.
»Heilige Sch…« Die Tür. Ich sauge mir die Unterlippe in den Mund, sperre den Fluch hinter den Zähnen ein. Es ist so weit.
Mr. Hanson wird sich unten den Schlüssel vom putzmunteren Hausmeister geholt haben. Aber mir wurde gesagt, ich solle warten, bis geklopft wird. Mein Zeichen dafür, dass der Mann eingetroffen ist, mit dem ich schlafen werde. Und ich soll im Badezimmer warten, bis er mich holen kommt. Ich ziehe die Tür zu, und einen flüchtigen Moment lang überkommt mich ein Anflug von Angst. Wenn ich mich hier drin einschließe und mich weigere rauszukommen, wie lange würde er wohl warten, bevor er stinksauer wird und geht? Aber das kann ich nicht tun. Dann würde Eli nie seinen Teil der Vereinbarung einhalten, und außerdem … spielt nichts von dem hier noch eine Rolle. Nichts. Ist bloß etwas, das ich hinter mich bringen muss.
Ich höre den elektronischen Piepton, als die Schlüsselkarte von der Tür erkannt wird, dann das harte Klicken, als sich das Schloss öffnet. Danach folgt Stille. Die Kante des Spülbeckens bohrt sich gegen die Rückseiten meiner Beine, während ich wie erstarrt verharre und mich schwer dagegenlehne, bevor mir einfällt, dass ich es lieber nicht tun sollte. Davon bleiben Male an meinem Körper zurück, und das ist gegen die Regeln, auch wenn es nur vorübergehende Male sind.
Zum Glück setzt die Wirkung des Medikaments ein und erfüllt mich mit einem gedämpften Gefühl von Ruhe. Und das ist gut so, denn wer immer da draußen ist, er lässt sich reichlich Zeit dabei, es sich gemütlich zu machen. Ohne Valium hätte ich kurz davorgestanden, die Flucht zu ergreifen, als letztlich Knöchel an die Tür klopfen. »Komm jetzt raus. Schalt zuerst das Licht aus«, befiehlt eine Stimme. Sie klingt rau, kratzig. Vielleicht die Stimme eines Rauchers? Na toll. Ich werde die nächsten zwei Stunden mit der Zunge im Mund eines Rauchers verbringen und muss mir danach den eigenen Mund desinfizieren. Ich schalte das Licht aus und öffne die Tür. Was ich dahinter erblicke, verdutzt mich.
Nämlich nichts.
Absolut nichts. Im Zimmer ist es pechschwarz.
»Hast du den Lichtschalter nicht gefunden?«
»Rühr ihn nicht an. Komm einfach her«, fordert mich die Stimme auf. Der Mann klingt jung und er scheint allein zu sein. Natürlich habe ich auch nicht mit mehr als einem Kerl gerechnet. Eli hat geschworen, es würde nur der eine Mann sein. Und nur dieses eine Mal. Vorsichtig betrete ich den Raum. Ich wünschte, ich hätte genauer darauf geachtet, wo die Möbel stehen, bevor ich mich eingeschlossen habe. Prompt stoße ich mir den Zeh an wer weiß was und zische vor Schmerz.
»Alles in Ordnung?« In seiner Stimme schwingt Belustigung mit, was ich irgendwie irritierend finde. Welchen Mann geilt es auf, wenn sich eine Frau den Zeh bricht?
»Na ja … ich kann nichts sehen«, murmle ich.
»Ich fürchte, das ist beabsichtigt. Komm her.«
Wenn ich nur wüsste, wohin. Dann wäre ich wahrscheinlich ein bisschen weniger verwirrt. Ich starte einen neuen Versuch. Diesmal gelingt es mir, zum Bett zu stolpern, ohne mit etwas zu kollidieren. Die Matratze senkt sich, als ich hineinklettere und mich frage, wo zum Teufel er ist. Ich fürchte mich nicht halb so sehr, wie ich sollte. Tatsächlich fühle ich mich fast ein wenig berauscht.
»Setz dich mit den Händen hinter dem Rücken mitten aufs Bett«, flüstert er. Ich frage mich, ob er mich fesseln wird. Was mich eigentlich beunruhigen sollte. Und mich zu jedem anderen Zeitpunkt auch beunruhigen würde.
»Brauchst du einen Namen?«, frage ich ihn. Eli hat gesagt, ich solle mich erkundigen.
Ein tiefes, kehliges Brummen durchbricht die Stille, und mir wird klar, dass er gerade lacht. »Bietest du an, mir deinen richtigen Namen zu verraten?«
»Eli hat gesagt, das sei gegen die Regeln.«
»Dann nicht.« Wieder senkt sich die Matratze. Er bewegt sich, rückt näher. Sein heißer Atem haucht auf meine Haut, als er spricht. »Es gibt mir nichts, dich Melody oder Candy zu nennen oder sonst irgendeinen erfundenen Scheißnamen zu verwenden. Wir werden einfach eine Weile Fremde füreinander sein. Ist das in Ordnung für dich?«
»Ja, ich … ich denke, schon.«
In der Dunkelheit fühlt sich meine Haut lebendig an. Genau wie meine anderen Sinne. Meine Nase trägt mir weiter einen Hauch von Minze und Meer zu. Wer immer der Mann ist, er riecht unglaublich. Keine Spur von Zigarettengestank an ihm. Was bedeutet, diese Stimme … diese Stimme ist zu 100 Prozent natürlich. Ich werde neugierig auf ihn, wenn auch nur sehr am Rande.
»Hast du das schon mal gemacht? Auf diese Weise?«, will er von mir wissen.
»Noch nie.« Der Atem stockt mir in der Kehle. Mittlerweile bin ich dermaßen high, dass ich kaum noch klar denken kann. Aber das Fehlen von jeglichem Licht im Zimmer bringt mein Herz zum Rasen. Vielleicht weil dieser Typ ein Serienmörder sein könnte. Er könnte auch mit eingeschaltetem Licht ein Serienmörder sein, schon klar. Nur hätte ich dann zumindest die Chance, es in seinen Augen zu erkennen und um mein Leben zu rennen.
Der mysteriöse Mann atmet aus, haucht mir einen weiteren warmen Atemzug auf die Brust. Meine Nippel richten sich auf, obwohl mir nicht kalt ist. Das habe ich noch nie zuvor erlebt. Noch nie. Wahrscheinlich weil ich einem Mann noch nie so nah gewesen bin. »Leg die Hände auf den Schoß«, befiehlt er mir.
Ich tue es. Ich zucke leicht zusammen, als ich spüre, wie er die Hand ausstreckt und meinen Schenkel berührt. »Angst?«
»Nein.«
Er lacht. Ein grausamer, verruchter Laut. Langsam wandert seine Hand mein Bein hoch, bis er meine Hand ertastet. Seine Finger schlingen sich um mein Handgelenk. »Du bist mutiger als die meisten Frauen.«
»Du machst das mit vielen Frauen?«
»Ja.«
Wenigstens ist er ehrlich. Er hebt meine Hand, führt sie zu sich. Stoppeln piken die empfindliche Haut an der Innenseite meines Handgelenks.
»Du riechst nach Blumen. Welches Parfüm trägst du?«
»Ofresia«, antworte ich.
»Ist sauber. Nicht zu penetrant. Gefällt mir.«
Da bin ich aber froh. Mir ist nach Kichern zumute. Seine Nase streift mein Handgelenk, kurz danach folgt die zarte Berührung seiner Lippen. Der Kuss fällt kaum spürbar aus, sanft gehaucht, doch ich kann viel herauslesen. Er hat volle Lippen und versteht, mit dem Mund umzugehen. Das kommt unerwartet. Ich zapple auf dem Bett, frage mich, wohin das führen soll. Wo sein Mund als Nächstes landen wird.
»Hast du dir je überlegt, wie es wohl wäre, blind zu sein?«, fragt er mit dieser tiefen Stimme.
»Warum? Bist du blind?«
»Nein. Beantworte die Frage.«
»Ich denke, schon. Manchmal.«
Er führt meine Hand höher und ergreift sie mit seinen beiden Händen, öffnet meine Finger, um die Handfläche freizulegen. Er tut es langsam, fährt mit seinen schwieligen Fingern die meinen entlang, und mich durchläuft unwillkürlich ein Schauder. Es ist eine schlichte Geste, aber wie er sie ausführt, fühlt sie sich intim und überlegt an, nicht plump, um mich bloß zu begrapschen. Ich halte den Atem an, als er meine Hand weiterführt, bis meine Fingerspitzen auf sein Haar stoßen und anschließend abwärts über sein Gesicht wandern.
»Sag mir, was du glaubst, wie ich aussehe.« Seine Stimme ist ein widerhallendes Grollen. Er lässt meine Hand los, und ich muss mich vorbeugen, um ihn zu erreichen. Ich rutsche näher, ziehe die Beine unter den Hintern, damit ich besser das Gleichgewicht halten kann, bevor ich auch die andere Hand zu seinem Gesicht hebe.
Er hat kurze Haare, ein wenig steif von dem Festiger, den er benutzt. Seine Züge sind ausdrucksstark, prägnant. Die Kieferpartie leicht kantig, die Nase größtenteils gerade, abgesehen von einem etwas flacheren Bereich in der Nähe des Stirnansatzes. Seine Wimpern erweisen sich als überraschend lang, und seine Lippen … Ich hatte recht. Seine Lippen sind voll und entschieden weicher, als es die eines Mannes sein dürften. Vor allem eines Mannes mit einer solchen Stimme. Mit den kribbelnden Kuppen meiner Finger ertaste ich, dass dieser Mann das Gesicht eines Engels besitzt. Eines barbarischen Engels – vielleicht eines jener Engel, die damals in Babylon gewütet haben.
»Also, was denkst du?«, fragt er.
»Ich denke, du bist wahrscheinlich sehr attraktiv«, gestehe ich.
Er brummt. »Und was ist mit dem Rest von mir?«
Er übt ein wenig Druck auf meine Unterarme aus, bis sie hinunter auf seine Brust wandern, wo meine Finger auf glatte Haut und harte, definierte Muskeln stoßen. Sie zucken leicht, als meine Hände über sie streichen, weiter abwärts. Ich passiere drei horizontale Erhebungen in seiner Haut, die an der Stelle nicht sein sollten, rechts der Bauchmuskeln mit wenigen Zentimetern Abstand dazwischen. Meine Finger zeichnen Kreise über sie, als wollten sie ihnen ihre Geschichte entlocken, als wollten sie ergründen, woher sie stammen. In ihnen verbirgt sich eine unerzählte Geschichte von Gewalt, verewigt an seinem beeindruckenden Körper. Er zittert leicht, als ich ihn erkunde, ihn mit einer federleichten Berührung abtaste, bis ich mir den Weg über seinen Waschbrettbauch und zurück nach oben über die schräge Bauchmuskulatur gebahnt habe. Dabei saugt er scharf die Luft ein und spannt den Körper an, und ich lächle ein wenig. Ich lächle. Der Mann ist kitzlig. Er lacht nicht, fordert mich nicht auf, ihn an der Stelle nicht zu berühren. Aber sein Körper versteift sich noch mehr, als ich den Bereich erneut passiere, um meine Theorie auf die Probe zu stellen.
Ich visiere seine Schultern an, die sich als breit und stark erweisen. Dann schlinge ich die Arme um seinen Nacken, lasse die Hände über seine Schulterblätter wandern. Er ist geradezu riesig, trotzdem fürchte ich mich nicht wirklich vor ihm. Sollte ich natürlich, ja, aber ich tue es nicht. Das Valium dämpft meine Angst. Abgesehen davon habe ich mir vorgestellt, dass der Typ hereinkommen und Hand an mich legen würde, dass er jeden Quadratzentimeter von mir betatschen und auf jeden Fall sehen wollen würde, wofür er bezahlt. Bisher hat mich dieser Mann noch kaum angefasst, hat nur meine Hand berührt.
»Und?«, fragt er.
»Woher stammen die Narben?«
»Auf mich wurde eingestochen.« Er überlegt gar nicht, ob er mir antworten soll, sondern sagt es rundheraus.
»Wärst du daran fast gestorben?«
»Ja.«
»Hat es wehgetan?«
»Ja.«
Ich löse die Hände von seinen Schultern und suche erneut die Narben, eine, zwei, drei. Sie fühlen sich gezackt und schrecklich unter meinen Fingerspitzen an. »Was ist aus der Person geworden, die dir das angetan hat?« Beinah will ich es nicht fragen. Dieser geheimnisvolle Mann hat sich als verstörend offenherzig erwiesen, seit diese skurrile Begegnung vor fünf Minuten begonnen hat, und ich fürchte, dass mir seine Antwort letztlich doch eine Heidenangst einjagen könnte.
»Er hat bekommen, was er verdient«, erwidert er leise. Die Laken rascheln, als er sich bewegt. Seine Bauchmuskeln spannen sich unter meinen Händen an. Als er mein Haar berührt, die Finger mit den Strähnen verflicht, grüble ich noch darüber nach, ob das heißen soll, dass er den Täter umgebracht hat.
»Ich habe sehr spezielle Vorstellungen davon, was ich will. Du musst tun, was ich verlange, ohne Fragen zu stellen, dann wird es für uns beide angenehm verlaufen, in Ordnung?«, haucht er.
Endlich bringt ein Adrenalinschub meine Nervenenden zum Kribbeln – eine angemessene Reaktion auf meine gegenwärtige Lage. Worauf zum Teufel habe ich mich nur eingelassen?
Valium hin, Valium her, mir ist bewusst, dass seine Worte wie eine Drohung geklungen haben. Ich bin mit der Situation hoffnungslos überfordert, nur gibt es herzlich wenig, was ich jetzt noch unternehmen kann. Und abgesehen davon: Alexis. Immer Alexis. »Das kann ich«, flüstere ich.
»Gut. Leg dich auf den Rücken.«
Ich lasse ihn los. Plötzlich habe ich das Gefühl, mitten in einem Ozean zu treiben und zu ertrinken, ohne Aussicht darauf, mich irgendwie zu retten. Der vernünftige, intelligente Teil meines Gehirns klammert sich immer noch an einen vagen Selbsterhaltungstrieb und fordert mich brüllend auf, schleunigst das Weite zu suchen. Und zum ersten Mal reicht Elis drohender Zorn beinah nicht mehr aus, um mich auf dem Bett zu halten. Sehr wohl jedoch der Gedanke daran, Alexis zu finden. Meine Muskeln zucken, sind bereit, zur Tat zu schreiten, als der Mann zärtlich mein rechtes Fußgelenk ergreift.
»Hast du dich heute schon angefasst?«
Was zum … »Du … du meinst …«
»Hast du dich heute schon zum Kommen gebracht? Hast du an deiner Muschi rumgespielt?«
Meine Wangen werden unangenehm heiß. Das hat mich noch nie jemand gefragt. »Nein. Nein, h-habe ich nicht«, stammle ich.
»Gut. Dann wirst du umso süßer schmecken.« Statt die Finger unter den Bund meines Slips zu haken und ihn runterzuziehen, schiebt er ihn lediglich zur Seite. Meine Beine versteifen sich, als ich spüre, wie sein heißer Atem über meine nackte Haut haucht. Ich bin mir nicht sicher, was ich mit den Händen machen soll. Das ist für mich völlig unbekanntes Terrain. Wenn man von einem Mann geleckt wird, dann in der Regel, weil er etwas sehr, sehr Schlimmes angestellt hat und es wiedergutmachen muss. Zumindest behauptet das Pippa, meine einzige Freundin auf der Welt. Ich habe nie einen festen Freund gehabt, der mich schlecht behandelt hätte, also habe ich es nie selbst erlebt.
»Willst du, dass ich dich lecke?« Plötzlich klingt seine Stimme noch tiefer und trieft vor dem Versprechen von Sex.
»Ich will, was immer du willst«, bringe ich hervor. Immerhin bezahlt er dafür. Und diese Sache hier wird mir helfen, Lex zurückzubekommen. Er packt mich hart oben am Bein und drückt zu, bis ich aufschreie.
»So spielen wir das hier nicht. Nimm mich in Besitz, sonst nehme ich dich in Besitz. Und glaub mir … das willst du nicht.«
Scheiße. »J-ja, ich will, dass du mich leckst.«
Mit einem zufriedenen Brummen setzt er sich sofort in Bewegung und bahnt sich den Weg zwischen meine Beine. Als seine Zunge vorschnellt und mich leckt, verkrampfen sich meine Beinmuskeln. Es fühlt sich heiß an und … und gut. Was um alles in der Welt … Ich sollte nicht so darauf reagieren. Verlegenheit nistet sich kribbelnd in meinen Wangen ein. Was bin ich für ein Mensch, dass ich die oralen Zuwendungen eines völlig Fremden genieße? Noch dazu unter diesen Umständen. Aber ich kann nichts dagegen tun. Mein gesamter Körper fühlt sich an, als würde er liebkost.
Seine Zunge bewegt sich gekonnt, übt leichten Druck auf meinen Kitzler aus, streicht mit einem Rhythmus auf und ab, der eine Hitzewelle nach der anderen durch mich branden lässt. Ich lasse mich fallen, lasse die Anspannung aus meinen Armen und Beinen abfließen, als er zu lecken aufhört und stattdessen saugt.
»Fuck!«