Blut und Feuer - Alexandra Bracken - E-Book
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Blut und Feuer E-Book

Alexandra Bracken

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Beschreibung

Wer einmal überlebt hat, wird niemals aufhören zu kämpfen!

Seit Ruby übersinnliche Fähigkeiten besitzt, geht sie durch die Hölle. Denn die Regierung hat es auf Menschen wie sie abgesehen und greift Ruby und ihre Gruppe immer wieder an. Aber sie geben nicht auf und haben sogar einen Gefangenen genommen. Der allerdings wird immer mehr zu einer großen Gefahr für sie alle. Es handelt sich um Clancy Gray, den Sohn des Präsidenten – und auch er verfügt über ähnliche Fähigkeiten wie Ruby. Allein sie kann seine manipulativen Kräfte im Zaum halten. Nur ein unachtsamer Moment und Clancy könnte die ganze Mission und ihrer aller Leben in Gefahr bringen ...

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Buch

Ruby ist kein Mädchen wie jedes andere. Als sie zehn Jahre alt war, erlangte sie Fähigkeiten, die ihr das Leben in ihrer Familie unmöglich machten. Sie kann plötzlich Gedanken lesen und manipulieren. Allerdings wusste sie damals noch nicht damit umzugehen und verlor so nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Freunde. Jetzt kämpft sie gegen die Regierung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle Kinder mit besonderen Kräften gefangen zu nehmen und letztlich zu töten. Nach einem letzten schweren Angriff auf Los Angeles entscheiden sich Ruby und die anderen Überlebenden, sich in den Norden zurückzuziehen, zu sammeln und zu überlegen, wie sie weitermachen sollen. Allerdings macht ein Gefangener ihnen das Leben besonders schwer. Clancy Gray, der Sohn des Präsidenten, ist der Einzige, der ähnliche Begabungen hat wie Ruby. Und nur Ruby ist ihm gewachsen. Ist sie nur einen Moment unachtsam, könnte er in der ganzen Gruppe Unheil anrichten, jeden gegen den anderen aufhetzen. Und das, obwohl es sowieso schon Unruhe unter ihnen gibt. Denn nicht alle scheinen dasselbe Ziel zu verfolgen …

Weitere Informationen zu Alexandra Brackensowie zu lieferbaren Titeln der Autorinfinden Sie am Ende des Buches.

ALEXANDRA BRACKEN

Blut und Feuer

Die Überlebenden

Roman

Band 3

Aus dem amerikanischen Englischvon Ariane Böckler

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel»In the Afterlight« bei Hyperion, an imprint of Disney Book Group, New York.

Der Goldmann Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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1. AuflageDeutsche Erstveröffentlichung März 2016Copyright © der Originalausgabe 2014 by Alexandra BrackenCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2016by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, MünchenUmschlagmotiv: Getty Images /Jordan Siemens; FinePic®, MünchenRedaktion: Marie-Luise BezzenbergerNG · Herstellung: Str.Satz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-17370-8V001www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Für Merrilee, Emilyund die unzähligen anderen auf der ganzen Welt,die keine Mühe gescheut haben,um euch diese Serie in die Hände zu legen,mit all meiner Liebe und Dankbarkeit.

Als wir jung waren,wurden unsere Herzen von Feuer berührt.

Oliver Wendell Holmes jr.

Prolog

Schwarz ist die Farbe, die keine Farbe ist.

Schwarz ist die Farbe eines stillen, leeren Kinderzimmers. Schwarz ist die erdrückendste Stunde der Nacht – die Stunde, die dich in deinem schmalen Stockbett gefangen hält und dich wieder einmal in Albträumen ersticken lässt. Schwarz ist die Uniform, die sich über den breiten Schultern eines zornigen jungen Mannes spannt. Schwarz ist der Schlamm, das lidlose Auge, das jeden deiner Atemzüge beobachtet. Das leise Vibrieren des Zauns, der hoch aufragt und den Himmel zerreißt.

Schwarz ist eine Straße. Ein vergessener Nachthimmel, von verblichenen Sternen durchsetzt.

Ein glänzend neuer Gewehrlauf, der auf dein Herz zielt.

Die Farbe von Chubs’ Haaren, Liams Blutergüssen, Zus Augen.

Schwarz ist ein Zukunftsversprechen, zerstört durch Lügen und Hass.

Verrat.

Ich sehe es auf der Skala eines kaputten Kompasses, fühle es in der lähmenden Umklammerung der Trauer.

Ich renne, aber es ist mein Schatten. Der mich jagt, verschlingt, verseucht. Es ist der Knopf, den man niemals hätte drücken, die Tür, die man niemals hätte öffnen dürfen, das trockene Blut, das man niemals wegwaschen konnte. Die verkohlten Überreste eines Hauses. Das im Wald versteckte Auto, auf Abruf. Es ist der Rauch.

Es ist das Feuer.

Der Funke.

Schwarz ist die Farbe der Erinnerung.

Es ist unsere Farbe.

Die einzige, die sie verwenden werden, um unsere Geschichte zu erzählen.

1. Kapitel

Die Schatten wurden länger, je weiter ich mich vom Stadtzentrum entfernte. Ich ging Richtung Westen – der sinkenden Sonne entgegen, die den letzten Rest des Tages aufflammen ließ. Das hasste ich am Winter – die Nachmittage wurden jeden Tag ein bisschen früher vom Abend verdrängt. Über den smogverhangenen Himmel von Los Angeles zogen sich violette und aschgraue Streifen.

Unter normalen Umständen wäre ich dankbar für den zusätzlichen Schutz der Abenddämmerung gewesen, während ich durch das schachbrettartig angelegte Straßennetz zu unserem derzeitigen Quartier zurückwanderte. Doch die Trümmer des Angriffs, die Errichtung von Militärstationen und Haftlagern und die überall im Weg stehenden herrenlosen Autos, die durch den elektromagnetischen Impuls unbrauchbar gemacht worden waren, hatten die Stadt so dramatisch verändert, dass man schon nach einem einzigen Kilometer in diesem Chaos vollkommen die Orientierung verlieren konnte. Ohne die übliche diesig schimmernde Lichtemission der Stadt mussten wir uns an den fernen Scheinwerfern der Militärkolonnen orientieren, wenn wir nachts unterwegs waren.

Rasch spähte ich in alle Richtungen und tastete meine Jackentasche ab, um mich zu vergewissern, dass Taschenlampe und Dienstpistole noch da waren; beide stammten von einer gewissen Private Morales und sollten nur im absoluten Notfall zum Einsatz kommen. Ich würde mich auf meinem Weg durch die Dunkelheit von niemandem erwischen lassen, ich musste zurück zum Quartier.

Eine Stunde zuvor hatte Private Morales das Pech gehabt, mir über den Weg zu laufen, als sie nach ihrem Patrouillengang allein auf dem Freeway unterwegs war. Ich hatte schon seit dem Morgengrauen hinter einem umgekippten Auto auf der Lauer gelegen und die grell erleuchtete Hochstraße beobachtet. Stündlich hatte ich die winzigen uniformierten Gestalten gezählt, die sich über den Streckenabschnitt in meiner Nähe bewegten und sich zwischen den Trucks und Humvee-Geländewagen hindurchschlängelten, die Stoßstange an Stoßstange standen und eine zusätzliche Barriere bildeten. Meine Muskeln verkrampften sich, aber ich widerstand dem Drang, woanders abzuwarten.

Meine Hartnäckigkeit sollte sich bezahlt machen. Eine Soldatin hatte ausgereicht, um mich nicht nur mit den Hilfsmitteln auszustatten, die ich für den sicheren Rückweg zum Quartier benötigte, sondern auch mit dem Wissen, wie wir endlich – endlich – aus dieser verdammten Stadt rauskommen konnten.

Ich sah mich zweimal um, bevor ich über den Ziegelhaufen kletterte, der einmal die Fassade einer Bankfiliale gewesen war, und schnappte nach Luft, als ich mir die Hand an etwas Scharfkantigem aufriss. Verärgert trat ich danach – es war ein blechernes C aus dem Banklogo – und bereute es augenblicklich. Das Scheppern hallte von den umstehenden Gebäuden wider und übertönte fast die leisen Stimmen und die schlurfenden Schritte.

Ich warf mich in die Überreste des Gebäudes und ging hinter der nächstbesten stabilen Wand in Deckung.

»Gesichert!«

»Gesichert …«

Als ich mich umdrehte, sah ich die Soldatenkolonne auf der anderen Straßenseite entlangmarschieren. Ich zählte die Helme – zwölf –, während sie ausschwärmten, um die zersplitterten Glastüren der umliegenden Bürohäuser und Läden zu inspizieren. Deckung? Schnell sah ich mich um, verschaffte mir einen Überblick über das umgestürzte, angekohlte Mobiliar, während ich instinktiv auf einen der dunklen Holzschreibtische zuhuschte und darunterkroch. Das Geräusch der auf dem losen Schutt scharrenden Schritte übertönte meine keuchenden Atemzüge.

Ich blieb, wo ich war. Den beißenden Rauch-, Asche- und Benzingestank in der Nase, horchte ich auf die Stimmen, bis sie nach und nach verklangen. Furcht krallte sich um meinen Magen, als ich mich unter dem Tisch hervorwagte und zum Eingang huschte. Ich konnte noch sehen, wie sich die Patrouille einen Weg durch die von Trümmern blockierte Straße suchte, doch ich konnte nicht mehr warten, nicht einmal ein paar Minuten.

Als ich die Erinnerungen der Soldatin durchforstet und mir die Informationen zusammengereimt hatte, die ich brauchte, fühlte es sich an, als wäre mir ein schwerer Stein endlich vom Herzen gefallen. Sie hatte mir die Lücken in den Verteidigungslinien des Freeways so deutlich gezeigt, als hätte sie mir eine Landkarte gereicht, auf der sie mit Leuchtstift markiert waren. Danach ging es nur noch darum, mich aus ihren Erinnerungen zu löschen.

Die Agenten der Children’s League wären garantiert sauer gewesen, dass es geklappt hatte. Nichts von dem, was sie selbst versucht hatten, war von Erfolg gekrönt gewesen, und gleichzeitig war die Ausbeute ihrer Lebensmittelraubzüge immer kleiner geworden. Cole hatte sie wieder und wieder gedrängt, es mich versuchen zu lassen, aber die anderen Agenten stimmten nur unter der Bedingung zu, dass ich alleine ging – um keine weiteren Gefangennahmen zu riskieren. Wir hatten schon zwei Agenten verloren, die bei ihren Ausflügen in die Stadt unvorsichtig gewesen waren.

Ich war nicht unvorsichtig, aber allmählich war ich kurz vor dem Verzweifeln. Wir mussten handeln, sonst würde uns das Militär in unseren Verstecken aushungern.

US-Army und Nationalgarde hatten eine Art Barriere um die Innenstadt von Los Angeles errichtet, indem sie sich des ausgeklügelten Freeway-Systems bedienten. Die gewundenen Asphaltmonster bildeten einen engen Ring um das Stadtzentrum und schnitten uns von der Außenwelt ab. Freeway 101 befand sich im Norden und Osten, I-10 im Süden und 110 im Westen. Möglicherweise hätten wir fliehen können, wenn wir es gleich versucht hätten, nachdem wir aus den Trümmern des Hauptquartiers entkommen waren, aber … da war dieses Wort, das Chubs immer benutzte: Kriegsneurose. Er fand es erstaunlich, dass wir überhaupt in der Lage waren, uns von der Stelle zu rühren.

Ich hätte Druck machen sollen. Ich hätte die anderen zum Abhauen zwingen sollen, statt zusammenzuklappen. Das hätte ich tun sollen – wenn ich nicht an sein Gesicht gedacht hätte, dort unten im Dunkeln gefangen. Ich presste mir die Hände vor die Augen, kämpfte gegen die Übelkeit und die stechenden Schmerzen in meinem Schädel an. Denk an etwas anderes. Irgendetwas. Diese Kopfschmerzen waren unerträglich; viel schlimmer als die, die ich bekam, wenn ich versucht hatte, meine Fähigkeiten zu kontrollieren.

Ich durfte nicht stehen bleiben, ich verdrängte das schlaffe Gefühl in meinen Beinen und zwang mich zu einem leichten Trab. Dabei spürte ich den Schmerz der Erschöpfung in der Kehle, die Schwere meiner Augenlider, doch das Adrenalin ließ mich weiterlaufen, selbst als ein Teil von mir zusammenklappen wollte. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal tief genug geschlafen hatte, um dem zur Realität gewordenen Albtraum um uns herum zu entfliehen.

Die Straße wies unzählige Risse auf, und überall lag Schutt herum, den die Armee noch nicht entfernt hatte. Hier und da kam ich an bunten Farbklecksen vorbei – ein roter Damenpumps, eine Handtasche, ein Fahrrad –, alles verlassen und vergessen. Einige Gegenstände waren aus nahegelegenen Fenstern geschleudert worden; durch die Hitze der Explosionen waren sie schwarz verkohlt. Diese sinnlose Zerstörung machte mich krank.

Als ich über die nächste Kreuzung joggte, schaute ich in die Olive Street. Das schimmernde Lichtfeld des Pershing Square drei Querstraßen weiter zog meinen Blick auf sich. Der ehemalige Park war zu einem Internierungslager umfunktioniert worden, übereilt zusammengeschustert, während die Trümmer der Stadt noch schwelten. Die armen Leute hinter dem Zaun hatten in den umliegenden Gebäuden gearbeitet, als Präsident Gray seinen Angriff gegen die Children’s League und die Federal Coalition startete, eine kleine Gruppe früherer Politiker, die sich gegen ihn verbündet hatten. Vermutlich handelte es sich um einen Vergeltungsschlag, da eine oder beide Gruppen beim letzten Attentatsversuch auf den Präsidenten die Finger im Spiel gehabt hatten. Auf der Suche nach Cate und den anderen hatten wir die Lager im Auge behalten und mit angesehen, wie die Zahl der Insassen zunahm, als mehr und mehr Zivilisten aufgegriffen und gegen ihren Willen festgehalten wurden.

Aber keine Cate weit und breit. Wenn sie und die anderen Agenten, die das Hauptquartier vor dem Angriff verlassen hatten, es nicht aus der Stadt herausgeschafft hatten, hielten sie sich so gut versteckt, dass wir sie nicht finden konnten – nicht einmal durch unsere Notfall-Kontaktverfahren.

Schon wieder ein kleiner Militärkonvoi – durch Reifengebrumm und das Knistern der Funkgeräte wurde ich rechtzeitig gewarnt. Ich verkniff mir ein frustriertes Schnauben und ging hinter einem ausgeschlachteten SUV in Deckung, bis die Soldaten an mir vorbeimarschiert waren. Dann klopfte ich mir den Staub ab, den sie mit ihren schweren Stiefeln aufgewirbelt hatten, und rannte weiter.

Wir – die League oder das, was davon übrig geblieben war – wechselten alle paar Tage unser Versteck, blieben nie lange in einem Gebäude. Wenn wir uns nach draußen wagten, um nach Lebensmitteln und Wasser zu suchen oder die Lager zu beobachten, reichte der leiseste Verdacht, jemand könne uns gefolgt sein, und wir suchten uns eine andere Bleibe. Das war clever, keine Frage, doch ich verlor langsam den Überblick, wo wir uns wann aufgehalten hatten.

Die Stille wirkte jetzt, wo ich den östlichen Teil der Stadt erreicht hatte, noch bedrückender und zerrte mehr an den Nerven als die Schüsse und Maschinengewehrsalven, die beim Pershing Square die Luft erfüllt hatten. Ich fasste die Taschenlampe fester, brachte es jedoch nicht über mich, sie aus der Tasche zu ziehen, selbst als ich gegen eine Steinmauer stolperte und mir den Ellbogen aufschürfte. Ich blickte zum Himmel hinauf. Neumond. Natürlich.

Ein unbehagliches Gefühl, dasselbe, das seit Wochen auf meiner Schulter hockte und mir düstere Prophezeiungen ins Ohr flüsterte, verwandelte sich in ein glühend heißes Messer in meiner Brust – drang langsam tiefer ein und zerriss alles in seiner Nähe. Ich räusperte mich und versuchte, die vergiftete Luft aus der Lunge zu bekommen. An der nächsten Kreuzung zwang ich mich, stehen zu bleiben, und duckte mich in die Nische eines ehemaligen Bankautomaten.

Luft holen, befahl ich mir. Ganz tief. Dann schüttelte ich Arme und Hände aus, doch das Gefühl der Schwere blieb. Ich schloss die Augen und lauschte auf das Knattern eines in der Ferne dahinrasenden Hubschraubers. Ein Instinkt – beharrlich und drängend – veranlasste mich, rechts in die Bay Street einzubiegen, statt weiter auf der Alameda bis zur Kreuzung mit der Seventh Street zu laufen. Das wäre der direktere Weg zu unserem derzeitigen Quartier an der Ecke Jesse Street/Santa Fe Avenue gewesen, die schnellste Möglichkeit, die anderen zu informieren, einen Plan zu schmieden und abzuhauen.

Doch falls mich jemand beobachtete oder verfolgte, würde ich ihn auf der Seventh Street abhängen können. Meine Füße übernahmen das Kommando und drängten mich nach Osten, auf den Los Angeles River zu.

Nach anderthalb Blocks bemerkte ich die Schatten, die die Mateo Street entlang zur Seventh Street hinaufschlichen. Ich blieb aus vollem Lauf abrupt stehen – meine Hände schnellten vor, um mich an einem Briefkasten festzuhalten, bevor ich mitten auf der Straße hinschlug.

Ich keuchte auf. Zu knapp. So etwas passierte, wenn ich mir nicht die Zeit nahm, langsamer zu werden und mich zu vergewissern, dass die Straße frei war. Ich spürte den Widerhall meines rasenden Pulses im Kopf und rieb mir die Schläfen. Etwas Warmes und Klebriges schmierte über meine Stirn, doch ich kümmerte mich nicht weiter darum.

Tief geduckt schlich ich weiter und versuchte herauszufinden, in welche Richtung die Truppen sich bewegten. Sie waren schon viel zu nah an unserem Quartier – wenn ich kehrtmachte, konnte ich vielleicht vor ihnen am Lagerhaus sein und die anderen warnen.

Aber sie waren einfach … stehen geblieben.

An der Kreuzung hatten sie die eingedrückte Fassade eines Baumarktes angesteuert und waren durch das zersplitterte Fenster ins Gebäude gestapft. Ich hörte ein Auflachen, Stimmen – und das Blut stockte mir in den Adern.

Das waren keine Soldaten.

Ich huschte die Straße hinauf bis zu dem Geschäft, tastete mich an dem Gebäude entlang und ging kurz vor den Fenstern in die Hocke.

»… wo hast du die gefunden?«

»Scheiße, Mann!«

Noch mehr Gelächter.

»Oh Gott. Hätte nie gedacht, dass mich der Anblick von ein paar Bagels je so verdammt glücklich machen würde …«

Ich spähte über das Sims. Drinnen hockten drei unserer Agenten – Ferguson, Gates und Sen –, und vor ihnen lag ein kleiner Stapel Lebensmittel. Gates, ein ehemaliger Navy-SEAL, machte sich so ungeduldig an einer Chipstüte zu schaffen, dass er sie fast mittendurch gerissen hätte.

Die haben was zu essen. Ich konnte es nicht glauben. Die sitzen hier und essen. Was ich sah, machte mich so fassungslos, dass ich mir schrittweise klarmachen musste, was das bedeutete.

Sie bringen die Lebensmittel nicht für uns andere zurück ins Quartier.

War das immer so, wenn eine Gruppe loszog? Die Agenten bestanden immer so hartnäckig darauf, selbst auf Nahrungssuche zu gehen; aus Furcht, eins von den Kids würde den derzeitigen Schlupfwinkel der Gruppe sofort verraten, wenn sie geschnappt würden, hatte ich angenommen. Aber war das hier der wahre Grund? Damit sie sich als Erste den Bauch vollschlagen konnten, wenn sie etwas Essbares fanden?

Eisiger Zorn verwandelte meine Hände in Klauen. Meine eingerissenen Fingernägel bohrten sich in die Handflächen; der stechende Schmerz verstärkte das Grummeln in meinem Bauch.

»Gott, ist das lecker«, sagte Sen. Sie war eine wahre Kampfmaschine – groß, mit Muskelpaketen unter straffer, ledriger Haut. Ihr Gesichtsausdruck wirkte immer so … als ob sie wüsste, wo sämtliche Leichen begraben waren, weil sie sie eigenhändig dort verscharrt hatte. Wenn sie sich herabließ, mit einem von uns zu sprechen, schnauzte sie uns an, dass wir die Klappe halten sollten.

Während der darauffolgenden Stille hockte ich wartend da, und meine Wut loderte mit jedem Moment heller.

»Machen wir uns lieber auf den Rückweg«, meinte Ferguson und schickte sich an aufzustehen.

»Die kommen schon klar. Selbst wenn Stewart eher zurück ist als wir, Reynolds sorgt schon dafür, dass er das Maul hält.«

»Ich mach mir eher Sorgen wegen …«

»Die Klette?«, warf Gates lachend ein. »Die kommt bestimmt als Letzte. Wenn sie’s überhaupt zurückschafft.«

Meine Brauen schnellten empor. Klette. Ich. Das war neu. Man hatte mir schon viel schlimmere Namen gegeben; mich ärgerte nur die Unterstellung, dass ich es nicht durch die Stadt und zurückschaffen könnte, ohne geschnappt zu werden.

»Die ist viel mehr wert als die anderen«, widersprach Ferguson. »Es geht nur darum …«

»Es geht um gar nichts. Sie gehorcht uns nicht, und das macht sie zu einem Risikofaktor.«

Risikofaktor. Unwillkürlich presste ich die Faust gegen die Lippen, um die Galle zurückzuhalten. Ich wusste, was die League mit »Risikofaktoren« machte. Ich wusste auch, was ich mit einem Agenten machen würde, der das versuchte.

Sen stützte die Hände auf den Boden und lehnte sich zurück. »Der Plan bleibt jedenfalls unverändert.«

»Gut.« Gates zerknüllte die Chipstüte, die er gerade leergefressen hatte. »Wie viel von dem Zeug nehmen wir mit zurück? Ich könnte noch einen Bagel vertragen …«

Eine Packung Salzstangen und eine Tüte Hot-Dog-Brötchen. Das brachten sie mit, für siebzehn Kids und eine Handvoll Agenten, die zum Babysitten zurückbleiben mussten, während die anderen Lebensmittel und Informationen beschaffen gingen.

Als sie sich erhoben, presste ich mich gegen die Mauer und wartete, bis sie durchs Fenster gestiegen waren und die Kreuzung inspiziert hatten. Die Hände noch immer zu Fäusten geballt, stand ich schließlich auf und nahm die Verfolgung auf, wobei ich einen guten halben Block Abstand hielt, bis endlich das Lagerhaus in Sichtweite kam.

Bevor sie die letzte Straße überquerten, hielt Sen ein Feuerzeug in die Höhe, eine Flamme, die der Wachposten auf dem Dach sehen konnte. Als Antwort ertönte ein leiser Pfiff – das Zeichen heraufzukommen.

Ich rannte los und holte sie ein, bevor Sen den anderen die Feuerleiter hinauffolgen konnte.

»Agentin Sen!«, flüsterte ich eindringlich.

Ihr Kopf fuhr herum, eine Hand an der Leiter, die andere zuckte zum Pistolenhalfter an ihrem Kampfanzug. Ich brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass ich die ganze Zeit den Revolver in meiner Jackentasche umklammert hatte.

»Was ist?«, zischte sie und bedeutete Gates und Ferguson weiterzuklettern.

Bist wohl nicht sehr erfreut, mich zu sehen, was?

»Ich muss Ihnen was sagen … Es geht um …« Ich hoffte, dass sie das Beben meiner Stimme für Angst hielt und nicht für Zorn, der kurz davor war zu explodieren. »Ich traue Cole nicht genug dafür.«

Das weckte ihr Interesse. In der Dunkelheit sah ich ihre Zähne aufblitzen.

»Was ist denn?«, fragte sie.

Diesmal lächelte ich. Und als ich mich in ihren Verstand bohrte, kümmerte es mich nicht, ob ich ihn dabei in Stücke riss. Heftig fetzte ich durch Erinnerungen an Stockbetten, Ausbildung, das Hauptquartier, Agenten, schleuderte die Bilder schneller beiseite, als sie sich in meinem Verstand manifestieren konnten. Ich spürte, wie sie unter der Wucht meines Angriffs zuckte und zitterte.

Ich wusste sofort Bescheid, als ich gefunden hatte, wonach ich suchte. Sie hatte es sich so lebhaft vorgestellt, alles mit so hinterlistiger Effizienz geplant, dass sogar ich sie unterschätzt hatte. Alles an der Vorstellung hatte einen unnatürlichen Schimmer an sich, wie warmes Wachs. Autos purzelten in die Szenerie, Gesichter, die ich als die der Kinder dort oben wiedererkannte, waren halb von Knebeln verdeckt. Staubige Militärkluft. Schwarze Uniformen. Einen Tausch.

Als ich wieder auftauchte, schnappte ich nach Luft, bekam den Sauerstoff nicht tief genug in die Lunge. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, ihr Gedächtnis zu manipulieren und die Erinnerung an die letzten Minuten durch eine falsche zu ersetzen. Ich wartete nicht, bis sie sich erholt hatte, sondern drängte mich an ihr vorbei zur Leiter.

Cole – meine Gedanken überschlugen sich, Schwarz waberte vor meinen Augen. Ich muss es Cole sagen.

Und ich musste weg von dieser Agentin, bevor ich der beängstigend realen Versuchung nachgab, ihr hier und jetzt eine Kugel zu verpassen.

Denn es hatte ihr nicht genügt, uns Lebensmittel vorzuenthalten und zu drohen, uns zurückzulassen, wenn wir nicht leiser waren, nicht schneller spurten, nicht mit ihr und den anderen mithalten konnten. Sie wollte uns ein für alle Mal loswerden – uns der einzigen Gruppe übergeben, die sie für fähig hielt, uns unter Kontrolle zu halten.

Und die Belohnung, die wir ihr einbringen würden, sollte ihren nächsten Schlag finanzieren.

2. Kapitel

Als ich die zweite Etage des Lagerhauses erreichte, brannte meine Lunge, und in meinem Kopf herrschte ein Gewirr aus schwarzen Gedanken und Furcht. Die Feuerleiter klapperte, als Sen sich anschickte, hinter mir herzuklettern, und ich konnte gar nicht schnell genug durchs Fenster kriechen – weg von ihr. Nachdem ich die dunkle Kampfjacke beiseitegeschoben hatte, die sie davor aufgehängt hatten, damit der Schein der schwachen Innenbeleuchtung uns nicht verriet, schwang ich mich über das Sims und sprang hinein.

Hastig schaute ich von einem flackernden Kerzenlicht zum anderen. Anscheinend kauerten sämtliche Kids in der äußersten Ecke des Raums, als wären sie von Gates und Ferguson dorthin gescheucht worden, bevor sie was zu essen kriegten.

Wo steckt Cole?, dachte ich und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. Verdammt. Ich brauchte ihn. Er musste Bescheid wissen – wir mussten uns etwas ausdenken.

»Ein bisschen Dankbarkeit könntet ihr schon zeigen«, höhnte Gates.

Es war, als hätten seine Worte in dem stillen Raum eine dicke Staubschicht aufgewirbelt. Augenblicklich murmelten die Jugendlichen leise hastige Dankesworte, bevor sie sich wieder zusammenkauerten, die Augen entweder auf den Boden oder aufeinander gerichtet. Jetzt erkannte ich, was ich mir selbst nie hatte eingestehen wollen. All die Monate und Jahre, die wir mit den Agenten trainiert und gekämpft hatten … All das zählte nichts, sobald sie uns plötzlich als Schecks betrachteten, die man bei nächster Gelegenheit einlösen konnte.

Ich entdeckte die drei Gesichter, nach denen ich gesucht hatte. Vida war von ihrer Suche zurückgekehrt; in ihrer tiefbraunen Haut klaffte eine hässliche Schnittwunde, die Chubs gerade notdürftig versorgte. Neben ihm stand ein schwarzer Rucksack. Ich biss mir auf die Lippe, um meine Erleichterung zu verbergen. Darin befanden sich die Forschungsunterlagen, die ich gerettet hatte, bevor Clancy sie verbrennen konnte – die Seiten mit Kurven und Tabellen und medizinischem Fachchinesisch, die seine Mutter auf der Suche nach einem Heilmittel gegen IAAN zusammengetragen hatte.

»Großmütterchen, ich schwör’s, wenn du nicht mit dem Scheißgetue aufhörst …«, zischte Vida.

»Lass mich das doch wenigstens desinfizieren!«, protestierte er.

Liam saß mit dem Rücken zur Wand da, die Hände auf den angezogenen Knien. Er beobachtete Gates mit jenem harten Gesichtsausdruck, der seit dem Angriff immer auf seinen Zügen lag. Als die Lebensmittel bei ihm ankamen, nahm er nichts davon, sondern reichte sie an Chubs weiter.

Die Agenten würden auch sie ausliefern. Wenn ich sie nun heute Abend nicht gesehen hätte, wenn ich nicht stehen geblieben wäre und gehört hätte, was Sen und die anderen gesagt hatten? Sie wollten uns überrumpeln, den Deal in den nächsten Tagen im Voraus abschließen. Dann wäre mir keine Zeit geblieben, irgendetwas zu unternehmen. Wieso bildete ich mir ein, sie alle schützen zu können? Ich konnte doch nicht mal einen Einzigen beschützen, nicht wenn es am meisten drauf ankam. Jude …

Sen rempelte gegen meine Schulter, als sie hinter mir hereingestürmt kam. Ich spürte es kaum.

Ich war nicht unter der Erde, das wusste ich, aber das spielte keine Rolle – jetzt, in diesem Augenblick, befand ich mich in einem Tunnel, zwängte mich blind durch die eingestürzten Mauern, die uns zu erdrücken drohten. Gehetzt von fernen Schreien, blicklosen Augen und dem Getöse zerberstenden Betons. Herabfallende Erde, die alles unter sich begrub. Das Gesicht, das vor meinen geschlossenen Augen schwebte, hatte Sommersprossen, die braunen Augen waren weit aufgerissen, als er sein Leben zu Ende gehen sah. Ich sah all diese Dinge, und nichts hielt sie auf. Keine schöne Erinnerung war stark genug, meine Vorstellung davon auszulöschen, wie es gewesen sein musste. Wie Jude für immer ins Dunkle geglitten war.

Ich spürte, wie ich mich von allem löste. Jeder einzelne Nerv meines Körpers flammte auf, alles in meinem Inneren raste. Der Druck in mir wuchs, bis ich glaubte, davon zerquetscht zu werden, und der Gedanke, dass alle um mich herum es mit ansehen würden, machte alles noch zehnmal schlimmer.

Die Berührung an meiner Taille war so sanft, dass ich sie zuerst gar nicht wahrnahm, gleichzeitig jedoch beharrlich genug, mich zur Tür umzudrehen – sogar stark genug, mich aufrecht zu halten, als meine Knie beim ersten Schritt nachgaben.

Im Vergleich zu dem immer kleiner werdenden Raum war der Flur mindestens zehn Grad kälter. Still genug und dunkel genug, dass meine Haut sich nicht mehr anfühlte, als schlüge sie durch das Feuer in meinen Adern Blasen. Ich ging nur ein paar Schritte den Flur hinunter, bis ich mich gerade außer Sichtweite der Tür befand, bevor ich behutsam hingesetzt wurde, sodass mein Kopf zwischen meinen Knien steckte. Vertraute Hände streiften mir die Jacke von den Schultern, hoben mir das Haar vom schweißnassen Nacken.

»Alles okay, Schätzchen«, hörte ich Liam sagen. Ich spürte etwas Kühles im Nacken – eine Wasserflasche vielleicht. »Atme einfach mal tief durch.«

»Ich – ich kann nicht«, keuchte ich.

»Natürlich kannst du«, erwiderte er mit ruhiger Stimme.

»Ich muss …« Hektisch griff ich mir an den Hals, um die Schnur wegzureißen, die um meine Luftröhre geschlungen war. Liam nahm meine Hände und zog sie an seine Brust.

»Du musst jetzt erst mal gar nichts«, sagte er sanft. »Es ist alles okay.«

Ist es nicht, du hast ja keine Ahnung, wollte ich sagen, doch ein stechender Schmerz fuhr in meine rechte Schläfe und wurde von Sekunde zu Sekunde heftiger.

Liam zu berühren half tatsächlich. Ich zwang mich, meinen Atem dem Heben und Senken seiner Brust anzupassen. Nach und nach entwirrte die kalte Luft das chaotische Gedankenkarussell, das den Schmerz in meinem Schädel ausgelöst hatte. Der unerträgliche Druck lockerte sich ein wenig, sodass ich mich aufrichten und an die Wand lehnen konnte.

Liam hockte noch immer vor mir. Seine blauen Augen suchten in meinem Gesicht. Die Falten auf seiner Stirn glätteten sich, während er leise aufseufzte. Dann griff er nach der Wasserflasche und befeuchtete das Halstuch, das er aus seiner Tasche gezogen hatte. Langsam und liebevoll wischte er mir Blut und Schmutz von Händen und Gesicht. »Besser?«

Ich nickte und trank einen Schluck aus der Flasche.

»Was ist denn passiert?«, fragte er. »Ist alles okay?«

»Ich hab nur …« Ich konnte es ihm nicht sagen. Seit Tagen zerbrachen er und Chubs sich den Kopf, wie wir den anderen entwischen konnten, wenn der Moment gekommen war, die Stadt zu verlassen. Der wenige Hass, den er im Herzen trug, richtete sich einzig und allein gegen die Agenten. Wenn er Bescheid wüsste, würde er noch heute Abend von hier abhauen wollen. Oder – noch schlimmer – er könnte die Agenten vielleicht versehentlich warnen. Liam hatte seine Gefühle nie so gut verbergen können wie Cole. Sie würden es ihm vom Gesicht ablesen und ihn augenblicklich ausschalten, bevor er die anderen aufwiegeln konnte. »Ich … ich hab einfach die Nerven verloren.«

»Passiert dir das öfter?« Liam saß im Schneidersitz vor mir.

Oh Gott. Über diese Attacken wollte ich auch nicht sprechen. Ich konnte nicht, nicht einmal mit ihm. Dann würde ich über Jude reden müssen, darüber, was passiert war, über all das, was wir nicht mehr hatten besprechen können, bevor alles zusammengebrochen war. Gott sei Dank schien er ein Gespür dafür zu haben.

»Du warst den ganzen Tag weg«, sagte er. »Ich habe mir langsam Sorgen gemacht.«

»Es hat eine Weile gedauert, jemanden zu finden, der mir etwas nützen konnte«, erklärte ich. »Ich bin nicht einfach leichtsinnig durch die Gegend gelaufen.«

»Das habe ich auch nicht behauptet. Ich wünschte nur, du hättest mir gesagt, dass du loswolltest.«

»Ich wusste nicht, dass ich dazu verpflichtet bin.«

»Bist du auch nicht. Ich bin doch nicht dein Aufpasser. Ich hatte Angst um dich, okay?«

Ich sagte nichts. So standen die Dinge jetzt zwischen uns. Wir waren zusammen, aber nicht auf die Art und Weise, die zählte – so wie noch vor ein paar Monaten. Nachdem ich sein Vertrauen so gemein missbraucht hatte, war ich mir nicht sicher, ob es jemals wieder so sein könnte. Hinzu kam, dass ich merkte, wie ich wieder in die einzige Verhaltensweise verfiel, die ich kannte, um mit Problemen fertigzuwerden: Ich kämpfte mit den Gedanken in meinem Kopf, hielt sie dort gefangen, damit ich niemanden damit anstecken konnte. Sorgfältig hatte ich diese unsichtbare Mauer zwischen uns errichtet, Stein für Stein, selbst während ich ihn umarmte, seine Hand hielt, ihn küsste.

Es war so egoistisch, das wusste ich, auch nur das anzunehmen, wenn ich nicht bereit war, alles mit ihm zu teilen … aber ich brauchte ihn hier. Ich brauchte seine Gegenwart, wollte ihn hinter mir spüren und an meiner Seite. Ich musste sein Gesicht sehen, seine Stimme hören und wissen, dass er in Sicherheit war und dass ich ihn beschützen konnte. Nur so konnte ich jeden einzelnen Tag durchstehen. Aber bei Liam war es so gut wie unmöglich, sich abzuschotten oder etwas vor ihm geheim zu halten. Er redete gern. Noch nie war mir jemand begegnet, dessen Gefühle so tief gingen wie seine. Seit Tagen hatte er versucht, solche Gespräche mit mir zu führen. Du bist nicht verantwortlich für das, was Jude geschehen ist. Für das, was in dem sicheren Haus geschehen ist …

»Jetzt mal im Ernst, Ruby. Was ist passiert?«, fragte er und hielt meine Handgelenke locker umfasst.

»Entschuldige«, flüsterte ich, denn was hätte ich sonst sagen sollen? »Es tut mir leid. Ich wollte nicht so … Ich wollte dich nicht so anfahren. Nichts ist los. Ich hätte dir Bescheid sagen sollen, aber ich musste schnell weg.« Und ich wusste genau, dass du gesagt hättest, es sei zu gefährlich, und ich wollte nicht mit dir streiten. »Aber ich habe, was wir brauchen. Ich weiß, wie ich uns hier rausholen kann.«

Liam presste die Lippen zusammen und sah mir prüfend ins Gesicht. Er schien mit der Antwort ganz und gar nicht zufrieden zu sein, dennoch ließ er das Thema nur zu bereitwillig fallen, um ein anderes anzusprechen. »Heißt das jetzt, dass wir endlich darüber reden können, was als Nächstes kommt?«

»Cole wird uns nicht gehen lassen.« Vor allem dich nicht.

»Wir könnten nach meinen Eltern suchen …«

»Ist es nicht genauso gefährlich, ziellos in der Gegend rumzufahren und nach deiner Mom und Harry zu suchen, wie bei den anderen zu bleiben?«, fragte ich. »Das hier ist unser Kampf … das, was wir die ganze Zeit wollten, schon vergessen? Cole hat mit mir abgemacht, dass wir uns von jetzt an darauf konzentrieren, den Kids zu helfen – die Lager zu befreien.«

Das hatte er zumindest gewollt, als wir in East River waren. Liam hatte damals das Ruder in der Hand gehabt und uns alle überzeugen wollen, die Kinder und Jugendlichen aus den Rehabilitationsprogrammen herauszuholen. Vielleicht war es dumm von mir zu hoffen, dass das, was dort geschehen war, sich nicht auf seinen Traum auswirken würde. Doch tatsächlich wanderte sein Blick zu der Tür am anderen Ende des Flurs, durch die nur Cole und ich treten durften, zu dem Ungeheuer, das dahinter lauerte.

»Cole sagt das jetzt, und die Agenten machen vielleicht ausnahmsweise mal auf friedlich«, sagte Liam. »Aber wie lange wird’s dauern, bis sie wieder zu ihrer alten Tagesordnung übergehen?«

Ich gab mir Mühe, nicht zusammenzuzucken. Eher, als du denkst. »Das hier ist nicht mehr die League.«

»Genau. Das hier könnte noch schlimmer sein.«

»Nicht wenn wir hier sind, um das zu verhindern«, erwiderte ich. »Können wir nicht wenigstens ein Weilchen abwarten? Schauen, was passiert? Wenn alles den Bach runtergeht, können wir abhauen, versprochen. Und auch wenn … Ich muss wissen, ob Cate und die anderen es geschafft haben. Wenn ja, warten sie bestimmt auf uns. Sie hat doch den USB-Stick mit den IAAN-Forschungsergebnissen der Leda Corp. Wenn wir die mit dem Heilverfahren kombinieren, helfen wir nicht nur uns selbst, sondern auch jedem Kind, das nach uns kommt.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, dass du denkst, es wäre alles umsonst gewesen, aber was ist, wenn auf den Papieren, die du aus dem Feuer gerettet hast, gar nichts Nützliches draufsteht? Das Geschreibsel sagt uns bislang so wenig, dass wir die Blätter auch sofort schreddern können, ohne dass es irgendwelche Auswirkungen auf unser Leben hätte. Ich will nicht, dass wir uns … einfach an die Vorstellung klammern, dass die sich irgendwann mal als brauchbar erweisen könnten.«

Objektiv betrachtet wusste ich, dass er recht hatte – aber seine Worte ließen so viel Zorn und Ablehnung in mir aufflammen, dass ich ihn fast weggestoßen hätte. Im Moment hatte ich kein Bedürfnis nach Realität. Ich brauchte die Hoffnung, dass ich die angesengten Seiten betrachten und einen tieferen Sinn hinter den vertrauten Worten erkennen könnte: Projekt Snowfall. IAAN. Der Professor.

Wenn ich das letzte bisschen Hoffnung aufgab, hieß dies, dass jener flüchtige Augenblick, als wir Clancy überwältigt hatten, kein kleiner Sieg gewesen war. Sondern dass er am Ende doch gewonnen hatte. Er hatte die Zerstörung des Hauptquartiers überlebt, und die Information, die er uns mit aller Gewalt vorenthalten wollte, würde nutzlos sein.

Wir brauchten diese Hoffnung. Ich brauchte sie. Jäh sah ich die Gesichter meiner Familie vor mir, die Sonne im Rücken. Genauso schnell, wie das Bild aufgetaucht war, war es wieder verschwunden und wurde durch ein anderes ersetzt. Sam, deren Wangen in den Schatten von Baracke 27 immer hohler wurden, während sie verblasste wie ein Geist. Daraus wurde eine endlose Parade all ihrer Gesichter – die Gesichter derer, die ich hinter dem Elektrozaun in Thurmond zurückgelassen hatte.

Ich grub die Finger in meine Oberschenkel, krallte die Nägel in den Jeansstoff, bis er zu zerreißen drohte. Ich konnte es vor mir selbst verleugnen, soviel ich wollte, doch die grausame Wahrheit war, dass mir entscheidende Informationen fehlten. Und die einzige Person, die darüber verfügte, war diejenige, die wir dank Clancy niemals finden würden: seine Mutter Lillian Gray.

»Ich gebe ja nicht auf«, sagte Liam mit grimmiger Entschlossenheit. »Wenn das hier nicht hinhaut, finden wir etwas anderes.«

Ich strich mit dem Finger über seine Wange und spürte seine rauen Bartstoppeln. Er seufzte, ließ mich aber gewähren.

»Ich will nicht streiten«, sagte ich leise. »Ich will nie mit dir streiten.«

»Dann lass es doch. So einfach ist das, Schätzchen.« Er lehnte die Stirn gegen meine. »Aber wir müssen so was gemeinsam entscheiden. Die wichtigen Sachen. Versprich mir das.«

»Versprochen«, flüsterte ich. »Aber wir gehen zur Ranch. Wir müssen.«

Bevor das Hauptquartier errichtet wurde, hatte die League von Nordkalifornien aus agiert, von einem Stützpunkt aus, der den liebevollen Codenamen »Die Ranch« bekommen hatte. Dieser Stützpunkt war mittlerweile strengstens gesichert, was auch angemessen war, da er als letzte Zuflucht galt, in die wir uns im Notfall zurückziehen konnten. Nur die ranghohen Agenten – einschließlich Cole – waren damals schon dabei gewesen und wussten, wo er zu finden war.

Wenn Cate es aus der Stadt geschafft hatte, würde sie dort warten. Ich sah sie vor mir, wie sie in einem leeren Flur auf und ab ging, als rechne sie damit, uns jeden Moment durch die Tür kommen zu sehen. Sie würde nicht gegen das Protokoll verstoßen. Mittlerweile musste sie vor Sorge außer sich sein.

Plötzlich stahl sich eine Erkenntnis in meinen Kopf, die alle hoffnungsvollen Gedanken verscheuchte. Ich werde es ihr sagen müssen.

Oh Gott, wieso hatte ich nicht daran gedacht? Sie wusste es nicht – konnte es nicht wissen. Sie hat mir vertraut. Sie hat mich gebeten, auf ihn aufzupassen. Sie hatte keine Ahnung, dass Jude …

Ich schloss die Augen, konzentrierte mich darauf, wie Liams Hand sanft über meinen Rücken strich.

»… was zum Teufel soll das?« Sens Stimme peitschte durch den Flur und klatschte gegen unseren Kokon der Zweisamkeit. »Stewart, du hast ja schon jede Menge dämliche Scheiße gebaut – wirklich jede Menge, aber das hier ist … Das ist …«

»Ein Geniestreich?«, sagte Cole, und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören. »Gern geschehen.«

Bevor Liam mir einen genervten Blick zuwerfen konnte, war ich schon auf den Beinen.

»Komm«, sagte ich. »Irgendetwas ist da im Busch.«

»Ja, ja«, erwiderte Liam, legte mir die Hand ins Kreuz und lotste mich zurück in den Raum. »Bei dem ist doch ständig irgendwas im Busch.«

Die Agenten hatten sich am Fenster so dicht zusammengedrängt, dass ich nur Coles schwarze Strickmütze hinter ihren Köpfen ausmachen konnte. Ich schaute zu den anderen Kids hinüber, von denen die meisten aufgestanden waren, um zu sehen, was vor sich ging.

»Roo?«

Der Klang meines Spitznamens ließ mich aufschrecken, und mein Magen krampfte sich zusammen. Ich drehte mich in die Richtung, aus der ich Nicos Stimme gehört hatte.

»Ja?«

»Ist alles …« Er sah die Agenten an. »Ist alles okay?«

»Was denkst du denn?«, blaffte ich ihn an, und mein Tonfall ließ ihn zusammenschrecken, was mich irgendwie noch wütender machte. Ich hatte keinerlei Mitleid mehr mit ihm. Jämmerlicher, furchtsamer, verräterischer Nico.

Die Grünen wussten nicht, was sie mit sich anfangen sollten, als ihnen klar wurde, dass nichts von der Elektronik zu retten war, und die beiden Gelben, die uns noch geblieben waren, konnten die Geräte auch nicht wieder zum Laufen bringen. Nico schlief fast die ganze Zeit und richtete nur ab und zu ein paar Worte an Vida und mich.

Mein Mitleid mit ihm, weil Clancy ihn so übel manipuliert hatte, war mit der Erkenntnis verflogen, dass wir, wenn Nico den Mund gehalten und Clancy nichts von Projekt Snowfall erzählt sowie ihm den Aufenthaltsort seiner Mutter verraten hätte – wenn er nicht so dumm gewesen wäre, den Sohn des Präsidenten zu bitten, uns aufzuspüren –, niemals in diese Situation geraten wären. Jude wäre noch am Leben, und wir säßen nicht in diesem Höllenloch namens Los Angeles fest.

»Ruby …«, setzte Liam missbilligend an. Es war mir egal. Ich war nicht hier, um den Jungen zu trösten.

Ich hob warnend die Hand, als Chubs und Vida sich einen Weg durch die zwischen uns stehenden Agenten suchten und sich zu uns gesellten. »Alles in Ordnung? Bist du verletzt?«, fragte Chubs besorgt.

»Sie liegt im Sterben, Großmütterchen. Sie verblutet vor deinen Füßen.« Vida verdrehte die Augen. »Hast du gekriegt, was du wolltest?«

»Ja …«

»Entschuldige bitte, dass ich mir Sorgen um meine Freundin mache«, fauchte Chubs wütend zurück. »Natürlich ist das für eine Psychopathin eine völlig abwegige Vorstellung.«

»Diese Psychopathin schläft nur einen Meter neben dir«, erinnerte Vida ihn mit süßlicher Stimme.

»Wow, haben wir nette Freunde«, murmelte Liam. Ich hatte mich schon aus der Unterhaltung ausgeklinkt. Cole schaute herüber und zog fragend die Brauen hoch. Ich nickte, und er blickte nach unten – auf die Frau, die neben ihm stand.

Sie war mittleren Alters, und ihre bräunliche Haut war faltig und schlaff vor Erschöpfung. Der Saum ihres einstmals vermutlich teuren dunkelblauen Kleides war ausgerissen, und aus ihrem Haarknoten hatten sich ein paar Strähnen gelöst, grau vom Zementstaub oder vom Alter. Große, dunkle Augen blickten sich im Raum um und hielten beim Anblick der Kinder inne.

»Wisst ihr, wer das ist?«, fragte Cole.

»Eine Zivilistin, die uns jetzt alle identifizieren und dem Militär melden kann«, gab Sen zurück.

»Mein Name ist Anabel Cruz«, verkündete die Frau, erstaunlich würdevoll für jemanden, der auf abgebrochenen hohen Absätzen durch die Gegend humpelte.

»Mann, ihr Idioten«, stieß Cole beim Anblick unserer ratlosen Gesichter hervor. »Eine kalifornische Senatorin? Die internationale Kontaktperson der Federal Coalition? Sie hat Kontakte zu anderen Nationen geknüpft und Verhandlungen wegen möglicher Unterstützung geführt.«

Sen schien nicht beeindruckt zu sein. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah Cole herausfordernd an. »Hast du ihre Identität überprüft? Wenn sie in der Federal Coalition war, wieso ist sie dann nicht in einem von den Lagern?«

»Das würde ich gern selbst erklären«, sagte Senatorin Cruz mit blitzenden Augen. »Als der Angriff losging, war ich bei einem Treffen mit Amplify, außerhalb unserer Zentrale.«

»Diese Untergrund-Presseorganisation?«, fragte Gates.

Liam warf mir einen verwirrten Blick zu. Ich erklärte es ihm leise und mit möglichst wenigen Worten. Die Gruppe existierte seit zwei Jahren, oder vielleicht auch drei. Ich nahm an, dass es sich in erster Linie um eine Vereinigung von Reportern und Redakteuren handelte, die auf Grays schwarzer Liste gelandet waren, weil sie über »gefährliche« Themen wie Unruhen und Proteste berichtet hatten und untertauchen mussten.

Er öffnete den Mund, und ein seltsames Glitzern trat in seine Augen.

»Nun ja …« Cole sah die anderen Agenten an. »Ich nehme an, das spricht für ihren gesunden Menschenverstand, aber …«

»Wie bitte?« Die Senatorin verschränkte die Arme vor der Brust.

»Er meint, dass Amplify keine gute Erfolgsbilanz vorweisen kann, was die Wirkung ihrer Berichte angeht. Ab und an bringen sie eine gute Story, bevor Gray sie wieder zum Schweigen bringt«, erklärte Sen und musterte die Frau erneut. »Online, in den sozialen Medien, die noch nicht blockiert worden sind, ein paar schnelle Hauruck-Pamphlete. Ihre Reichweite ist zu klein. Die erreichen gar nichts.«

In diesem einen Punkt waren sich Cole und Sen offensichtlich einig.

»Der Reporter hat mit ihr in der Stadt festgesessen«, erklärte Cole den anderen. »Ich war auf Streife und hab gehört, wie das Militär in der Nähe ein Gebäude gestürmt hat. Sie waren hinter ihm her, nicht hinter ihr. Haben ihn an Ort und Stelle erschossen, und mit ihr hätten sie wohl dasselbe gemacht, wenn sie sich nicht ausgewiesen hätte.«

»Also bist du reingestürmt und hast die Lage gerettet.« Sen verdrehte die Augen. Der Hass, den ich für diese Frau empfand, verdrängte nach und nach meine Vernunft. Ohne es zu wollen, trat ich einen weiteren Schritt vor. »Und das Einzige, was du geschafft hast, ist, noch ein Maul anzuschleppen, das wir stopfen müssen.«

»Apropos …« Cole ließ seinen prallen Rucksack von den Schultern gleiten und warf ihn einer der Grünen zu. »Hab einen Laden gefunden, wo noch ein bisschen was Anständiges im Kühlschrank war. Ist nicht viel, aber besser als der Mist, den wir sonst essen.«

Das Mädchen machte ein Gesicht, als hätte er ihr soeben eine Geburtstagstorte überreicht, die er persönlich gebacken und verziert hatte. Chubs war so schnell an ihrer Seite und öffnete den Reißverschluss, ich war fast sicher, dass er sich teleportiert hatte. Die anderen folgten ihm, dankten Cole und wollten ihm einen ganzen Apfel geben.

»Ich brauche nichts, aber danke.« Als er sich wieder an Sen wandte, war sein Lächeln noch da, und angesichts ihres verächtlichen Blicks wurde es sogar noch ein bisschen breiter. Doch ich konnte etwas Gefährliches in seiner heiteren Gelassenheit erkennen, daran, wie er den Kopf nach rechts neigte. Wie ein Streichholz, das darauf wartete, an einer rauen Fläche gerieben zu werden.

»Ich bin ja ein bisschen überrascht, Sen. Ich hätte erwartet, du wärst begeistert, jemanden wie sie im Team zu haben. Wenn wir hier rauskommen, wird sie uns unglaublich nützlich sein und uns helfen, uns und das, was wir tun, mit dem Rest der Welt kurzzuschließen«, bemerkte er schließlich ganz locker. »Wir schlagen ein neues Kapitel auf, nicht wahr?«

Na ja. Sen hatte kein Interesse daran, uns mit der Welt kurzzuschließen. Sie wollte sie lieber rund um uns herum niederbrennen. Dennoch hatte eine verborgene Frage in seinen Worten gelegen – eine Herausforderung. Je länger das so weiterging, desto mehr Agenten scharrten unbehaglich mit den Füßen und warfen sich verstohlene Blicke zu. Ein paar von den Grünen, die Schnelldenker, erfassten mehr vom tieferen Sinn dieser Unterhaltung als die anderen, für die die spürbare Anspannung nichts weiter war als eine Folge des üblichen Frusts.

Er weiß es, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Cole mochte vielleicht nicht sämtliche Details kennen, doch er musste geahnt haben, dass sie ihr Wort nicht halten würden, uns bei der Befreiung der Lager zu helfen. Er wollte ihr eine Falle stellen, wollte sie dazu bringen, es vor den Kids zuzugeben.

»Ich bin gern bereit, meine Ideen mit euch zu diskutieren«, erklärte Senatorin Cruz. »Vorausgesetzt, wir finden einen Weg aus der Stadt.«

Alle im Raum sahen mich an. »Ja – es ist genau so, wie wir dachten. Sie haben nicht genug Leute, um die Straßen zu überwachen und die vielen Kilometer Freeway zu sichern. Auf einigen Streckenabschnitten stehen nachts nur leere Wagen und Scheinwerfer.« Ich ging zu der Straßenkarte von Los Angeles hinüber, die wir in einem verlassenen Auto gefunden und an die Wand geheftet hatten. Dort deutete ich auf die drei Punkte, die ich im Kopf der Soldatin gesehen hatte, und war stolz darauf, wie fest meine Stimme klang, während schattenhafte Bilder sich in meine Gedanken stahlen. PSFs. Die rot gestickten Psi-Symbole. Kabelbinder. Knebel. Geld. Waffen. Ich konnte keinen der Agenten ansehen. Jetzt, wo ich wusste, was sie wirklich wollten, wie sie es mir vergelten würden, dass ich ihre Ärsche aus dieser Stadt rausschaffte. Eine leise Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte: Lüg sie an. Die Stimme wollte, dass ich ein paar entscheidende Details wegließ. Sollten sie der Gefahr ruhig nahe genug kommen, um ein paar Kratzer abzukriegen.

»Hier«, sagte Cole und reichte mir einen Stift. »Markier die Stellen.«

Gates murmelte einige unverständliche Worte, und ich drehte mich zu ihm um, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihm unverwandt in die Augen. Sofort schaute er weg und überspielte seine Unsicherheit, indem er sich Mund und Nase am Ärmel abwischte. Dieser Funken Angst, den ich in seinem Gesicht entdeckte, stärkte mein Selbstvertrauen mehr als Coles Hand, die er mir beruhigend auf den Kopf legte, während er sich über meine Schulter beugte, um meine Markierungen auf der Karte zu studieren.

»Es gibt bestimmt noch mehr«, sagte ich. »Aber das hier sind die Einzigen, die ich gesehen habe.«

Cole ließ den Blick durch den Raum schweifen und kalkulierte stumm, wie groß die Gruppen sein würden, wenn wir nur drei potenzielle Fluchtwege aus der Stadt hätten. Siebzehn Kinder und Jugendliche. Vierundzwanzig Agenten waren noch übrig, zwanzig weniger als die Gruppe, die gekommen war, um das Hauptquartier zu befreien. Fünf waren beim ersten Angriff ums Leben gekommen, und die übrigen waren desertiert. Sieben Fünfer- und eine Sechsergruppe. Das war machbar.

»Es muss schnell gehen und zeitlich genau abgestimmt sein«, sagte Sen. »Es könnte sein, dass wir Hunderte von Kilometern weit müssen, bevor wir ein Gebiet erreichen, das nicht von dem EMP betroffen worden ist. Und alles zu Fuß.«

»Das hatten sie auf der Karte markiert, die ich gesehen habe«, sagte ich, zog erneut die Kappe vom Stift und zeichnete die Gegend auf der Karte ein. Zwischen Beverly Hills im Westen, Monterey Park im Osten, Glendale im Norden und Compton im Süden. Insgesamt kein sonderlich großes Gebiet. Zumindest viel kleiner, als ich erwartet hatte.

»Wir teilen heute Abend die Teams ein und machen uns in ein paar Stunden auf den Weg – so gegen drei oder vier Uhr?«

»Wir müssen doch unsere Strategie besprechen«, protestierte Gates. »Und Proviant auftreiben.«

»Nein, vor allem müssen wir raus aus dieser verfluchten Stadt«, widersprach Cole. »Und zwar so schnell wie möglich. Die anderen warten auf der Ranch auf uns.«

Ich packte ihn am Handgelenk und deutete mit den Augen zur Tür hinüber.

Er nickte mir kurz zu, bevor er sich wieder auf den Raum konzentrierte. »Am besten, ihr legt euch alle gleich aufs Ohr, in ein paar Stunden machen wir uns nämlich vom Acker. Ja, genau, Blair«, sagte er zu einer der jüngeren Grünen, die erschrocken nach Luft schnappte. »Das will ich hören. Begeisterung! Ein Tapetenwechsel steht an.«

»So was kannst du doch nicht einfach beschließen, ohne dass wir anderen mitreden können«, fuhr Sen dazwischen. »Das hast du doch nicht zu entscheiden.«

»Weißt du was?«, erwiderte Cole. »Ich glaube, das habe ich gerade getan. Hat jemand ein Problem damit?«

Niemand sagte ein Wort. Die Kinder schüttelten die Köpfe, und die Agenten bildeten eine Mauer aus grimmigen, angespannten Gesichtern. Doch alle blieben stumm.

»Was ist mit den Leuten in den Straflagern?«, fragte Senatorin Cruz und trat ein paar Schritte vor, um die Landkarte zu studieren. »Sollen wir die einfach ihrem Schicksal überlassen? Da fände ich es besser, hierzubleiben und …«

»… sich festnehmen und vor Gericht stellen zu lassen?«, schnitt Cole ihr das Wort ab. »Sie haben gesagt, Sie wären mitten in einer großen Verhandlung mit politischen Führern aus aller Welt. Warum sollten Sie diese Diskussion vertagen wollen, wo doch das Ergebnis dazu beitragen könnte, allen zu helfen? Es sei denn, Sie hätten gelogen?«

»Ich habe nicht gelogen«, konterte sie mit funkelnden Augen. »Diese Leute sind meine Freunde und Kollegen. Wir haben unser Leben aufs Spiel gesetzt, um dieses Land wieder auf den richtigen Weg zu bringen.«

»Die Menschen werden erfahren, was hier passiert ist«, versprach Cole. »Sie werden nicht lange auf sich gestellt sein. Dafür werde ich sorgen, und Sie werden mir dabei helfen.«

Das Gespräch nahm eine andere Richtung, drehte sich um strategische Dinge, um die Einteilung der Gruppen und um Landstraßen in Richtung Norden.

»Alles klar?«, fragte Cole die Kindergrüppchen, während er auf die Tür zustrebte. Er warf mir einen schnellen Blick zu, bevor er fortfuhr: »Hat jeder genug zu essen gekriegt?«

Ein Chor von Bejahungen folgte. Sie logen natürlich. Ich fragte mich, ob sie dachten, die Wahrheit würde ihn enttäuschen, oder er würde dann gleich wieder aufbrechen und weitersuchen. Auch ohne die Fähigkeit, mit seinem Charme einer Katze das Fell abschwatzen zu können, hätte Cole sie für sich gewonnen, weil er sich so verhielt, als seien sie ihm wichtig.

»Ich habe unser Mau-Mau-Turnier nicht vergessen«, fügte er hinzu. »Ich mach euch fertig, Sean. Wart’s nur ab.«

»Träum schön weiter, Alter. Wir werden ja sehen, ob du mithalten kannst.«

Cole tat, als hätte ihn ein Schuss mitten ins Herz getroffen. »Ihr Grünschnäbel! Ich könnte euch zeigen, wie man gewinnt …«

»Du meinst wohl, wie man betrügt?«, rief Liam herüber. Chubs und Vida hatten mit ihm beim Fenster Position bezogen, wo sie leise auf Nico und einen anderen Grünen einredeten. Ich schaute auf ihre Füße. Wo war der Rucksack?

»Deshalb hat er immer verloren«, ließ Cole die anderen augenzwinkernd wissen.

Die Agenten hatten sich ans andere Ende des Raums verzogen, um näher bei der Landkarte zu sein und wohl ihre eigenen Pläne zu schmieden. Was auch immer Senatorin Cruz ihnen erklären wollte, sie ignorierten sie.

Wo ist der Rucksack? Ich ging zurück und machte einen Bogen um die Kids, die mir den Weg versperrten, starrte suchend auf den Boden – und entdeckte ihn an Fergusons Schulter. Meine Körpertemperatur schnellte um ein paar Grad in die Höhe. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich sie zwingen würde müssen – jeden Einzelnen von ihnen –, mir die Forschungsergebnisse auszuhändigen.

Cole hatte die Tür zum Flur erreicht und nickte mir zu. Ich wartete noch einen Moment, bevor ich ihm folgte. Falls die Agenten etwas bemerkt hatten, so schien es sie nicht zu kümmern. Ich hatte ihnen doch alles gegeben, was sie brauchten, um ihren Plan durchzuziehen, nicht wahr?

Im Flur war es immer noch fast zehn Grad kühler. Sobald ich den schwachen Lichtschimmer hinter mir gelassen hatte, der durch die offene Tür gefallen war, konnte ich kaum die Hand vor Augen sehen. Eine Sekunde lang wünschte ich mir, ich hätte die gestohlene Taschenlampe mitgenommen, doch das Gespräch, das mir bevorstand, passte besser in die Dunkelheit. Von der Innenausstattung des Gebäudes war nichts übrig als nackter Beton und bunt gestrichene Rohre; es war wie ein Grab – selbst die Luft war schal und abgestanden.

Ich zählte hundert Schritte und war mir sicher, bald am Ende des Flurs angekommen zu sein, als aus dem Dunkel eine Hand nach mir griff und mich packte. Ich wurde in einen kleinen, engen Raum gezerrt – ein Wandschrank? Mit noch immer rasend pochendem Herzen hörte ich, wie die Tür hinter mir zugezogen wurde.

»Na, Zuckerschnecke …«, begann Cole. »Ganz schön hektischer Abend, was?«

Während der letzten zwei Wochen hatte ich mich nur zusammenreißen können, indem ich jedes beängstigende Gefühl, das in mir hochzukommen drohte, energisch unterdrückte. Doch jetzt war ich dermaßen erschüttert, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich explodierte. Aber warum musste das ausgerechnet jetzt passieren und mit einem keuchenden Heulkrampf einhergehen? Ich bekam kein Wort heraus.

»Zuckerschnecke – du lieber Gott.« Cole legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter und schnippte gleichzeitig mit den Fingern der anderen. Kleine Flämmchen flackerten aus seinen Fingerspitzen und füllten den engen Raum mit Licht.

»Ich war auf dem Rückweg …«, stammelte ich. »Ich habe Sen und die anderen reden hören … Sie wollen nicht … Wir werden nicht zur Ranch fahren. Ich habe in ihren Kopf geschaut und … Sie wollen … Sie wollen …«

»Erzähl mal von Anfang an«, unterbrach mich Cole. »Lass dir Zeit. Erzähl mir alles, was du die Agenten hast sagen hören. Alles, was du gesehen hast.«

Ich wiederholte es, Wort für Wort. Ich erzählte ihm, dass sie in jedem Auto jeweils einen oder zwei von uns mitnehmen wollten, um uns dann eine oder zwei Stunden hinter der Stadtgrenze zu überwältigen. Fleisch und Knochen für Blutgeld. Die Waffen, die sie kaufen wollten, die Sprengstoffanschläge, die sie planten. Sie wollten sich Gray vornehmen, und zwar dort, wo er ihrer Ansicht nach dumm genug war, sich aufzuhalten: im wieder aufgebauten Washington, D. C.

Coles Miene war völlig ausdruckslos, auf eine Weise verschlossen, wie Liam es niemals zustande brachte. Hätte ich nicht das leichte Zucken seiner Hand gesehen, hätte ich gar nicht bemerkt, wie zornig er war, bis er etwas sagte. Zunächst jedoch blieb er lange stumm. Ich fühlte, wie mir ein Schweißtropfen über das Gesicht rann, und hätte am liebsten die Tür aufgemacht, um die kühle Luft hereinzulassen.

»Ich regle das«, erklärte er schließlich.

»Wir regeln das. Aber du musst dich entscheiden«, korrigierte ich. »Jetzt gleich. Du kannst nicht weiter neutral bleiben und dich mit beiden Seiten gut stellen. Entscheide dich, ob du auf unserer Seite bist oder auf ihrer.«

»Natürlich bin ich auf eurer Seite«, konterte er scharf, offensichtlich wütend, dass ich ihm etwas anderes unterstellt hatte. »Du weißt, ich … Das betrifft mich doch auch. Ich habe dir damals in Los Angeles was versprochen, weißt du noch? Willst du behaupten, dass ich ein Lügner bin?«

»Nein … ich meinte nur …« Ich holte tief Luft. »Du sagst den anderen nicht, was du bist. Du willst es nicht mal Liam sagen. Seit dem Abend damals hast du dir die Forschungsunterlagen kein einziges Mal angeschaut.«

»Ach was, na ja, vielleicht möchte ich ja auch einfach nicht auf die Tatsache aufmerksam machen, dass ich ein persönliches Interesse daran habe, gewisse ganz tolle Freak- beziehungsweise Psi-Fähigkeiten loszuwerden?« Er ließ die Flammen kurz erlöschen und dann erneut auflodern, um seine Worte zu unterstreichen. »Ich kann kein Interesse an irgendetwas zeigen, ohne dass die anderen Agenten sich fragen, warum, oder ohne dass sie noch schärfer darauf sind, nur weil ich mich dafür interessiere. Das ist ein Spiel, das ich schon seit Jahren spielen muss.«

»Das hier ist kein Spiel, nichts von alldem ist ein Spiel«, widersprach ich. »Jetzt werden sie die Forschungsergebnisse nicht mehr rausrücken.«

»Das ist mir durchaus bewusst, und ich habe Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Deren Namen lauten Blair und Sara.«

Die beiden Mädchen waren Grüne. Und hatten ein fotografisches Gedächtnis.

»Du hast sie die Unterlagen auswendig lernen lassen?«

»Vorher habe ich sie getestet. Habe beide ein Diagramm und eine Tabelle reproduzieren lassen, und sie haben haargenaue Kopien gezeichnet. Ich denke, wir sollten den Rucksack den Agenten überlassen – so können wir ihnen besser unterjubeln, was wir vorhaben«, meinte er. Ich stand kerzengerade da und schaute an seinem Kopf vorbei. Das ersparte mir zwar nicht den Klang seines gewinnenden Südstaatenakzents, aber wenigstens sein Lächeln, die unschlagbare Charmeoffensive der Stewart-Brüder. »Ich habe eine Idee, aber ich ahne auch, dass sie dir nicht gefallen wird.«

»Tolle Art, sie mir schmackhaft zu machen.«

»Ich mein’s jetzt ernst, Zuckerschnecke. Das muss unter uns beiden bleiben, verstehst du? Sonst funktioniert es nicht. Versprich es mir. Es ist die einzige Möglichkeit, die auszuschalten, bevor sie uns ausschalten.«

Cole streckte mir seine Hand entgegen, aber ich zögerte, bevor ich sie ergriff. Ich hielt sie lange genug fest, um zu spüren, wie seine eigene, natürliche Hitze die Luft um uns herum erwärmte.

Clancy hatte einmal gesagt, dass es bei Leuten mit Psi-Fähigkeiten eine natürliche Hierarchie geben müsste; dass diejenigen mit den größten Kräften die anderen führen sollten, einfach weil es niemanden gab, der ihre Macht in Frage stellen konnte. Und jetzt, als ich Coles Hand hielt, erkannte ich, dass es wirklich so war, wenn auch aus einem anderen Grund. Wir waren diejenigen, die mit den uns gegebenen Fähigkeiten das gesamte Spektrum dessen sahen, was richtig und falsch war. Wir waren gefürchtet und gehasst worden, und wir hatten uns selbst gefürchtet und gehasst. Keiner von uns wollte das, was wir hatten; wir würden niemals versuchen, unsere Macht länger zu behalten als unbedingt nötig oder unsere Stellung zu missbrauchen. Grundsätzlich mussten diejenigen mit der größten Macht in der ersten Reihe stehen, und sei es nur, weil wir dann die beste Chance hatten, die anderen zu beschützen.

Ich drückte seine Hand. Ein Hauch von Erleichterung und Dankbarkeit glitt über seine Züge, bevor er wieder seine übliche arrogant-lässige Miene aufsetzte.

»Und was ist dann unser nächster Schritt?«, fragte ich. »Wie sollen wir ohne ausgebildete Truppen irgendetwas ausrichten? Wo sollen wir hingehen?«

»Wir gehen zur Ranch«, erklärte Cole. »Die fahren mit den übrigen Agenten zum Hauptquartier in Kansas. Sie können uns in die Wüste schicken, aber die verdammte Ranch kriegen sie nicht. Die gehört uns.«

»Und wie willst du das schaffen?«, fragte ich.

»Zuckerschnecke, die Frage lautet eher: Wie lange brauchst du, um sie zu überzeugen, dass die Ranch … na ja, heruntergekommen ist … dass es da nichts Brauchbares mehr gibt … dass man sie nicht verteidigen kann?«

Die Erkenntnis ließ mein Inneres gefrieren. »Ich soll sie also manipulieren. Es sind doch über ein Dutzend …«

»Und du hast drei Stunden Zeit, bevor wir aufbrechen«, sagte Cole und ließ seine Flammen abermals erlöschen. »Also schlage ich vor, du beeilst dich ein bisschen.«

3. Kapitel

Bei den hastigen Vorbereitungen für unseren Aufbruch bekam jeder unterschiedliche Aufgaben zugeteilt. Einige wurden losgeschickt, um die Wachen abzulösen; andere packten die Ausrüstungsgegenstände zusammen, die wir im Laufe der Zeit gesammelt hatten; wieder andere wie Liam und Chubs verteilten die letzten spärlichen Essensreste an die verschiedenen Teams. Ich huschte wie ein unerwarteter Windhauch zwischen den Agenten umher und streifte sanft ihre Gedanken. Cole und ich hatten beschlossen, in welcher Reihenfolge ich vorgehen sollte, damit die Planänderung möglichst natürlich wirkte. Was bedeutete, dass ich mit Agentin Sen anfing.

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