Blutiger Mond über der Insel - Evelyne Kern - E-Book

Blutiger Mond über der Insel E-Book

Evelyne Kern

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Beschreibung

Sieben spannende Kriminal­geschichten, die sich auf den Inseln Teneriffa, La Gomera und Gran Canaria ereignen. Teils frei erfunden, teils aus Erzählungen ­aufgeschnappt, entwickelt Evelyne Kern ihre Geschichten und lässt dabei tief in die ­Abgründe der kriminellen Energie ihrer ­Protagonisten blicken. Viktor sammelt Immobilien, die er aber nicht mit Geld, sondern auf blutige Art erwirbt. Wohlhabenden Frauen wird er zum Verhängnis. Oder Harry, der auf mysteriöse Art ­verschwindet, nachdem er sein Haus verkauft hat. Die Hexe Esmeralda aus La Orotava ist bekannt für ihre treffenden Vorhersagen. Kann sie wirklich in die Zukunft blicken..? Egal ob Rache, Diebstahl oder ­dreister Betrug: Trotz aller Verbrechen taucht der Kanaren-­Liebhaber in das Insel­leben ein und findet sich an Orten wieder, die er doch allzu gut kennt.

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Evelyne Kern

Blutiger Mond über der Insel

Sieben Kriminalgeschichtenvon den Kanaren

Alle Rechte vorbehalten · All rights reserved

© 2023 Verlag Verena Zech, Santa Úrsula (Teneriffa)

www.zech-verlag.com · Tel.: (+34) 922 302596

Text: Evelyne Kern · www.evelyne-kern.de

Umschlaggestaltung: Brigitte Winkler

Umschlagfoto: Adobe Stock · Thomas/CreaGrafico

ISBN978-84-127281-0-1

eISBN978-84-948381-6-3

Inhalt

Die Rache der alten Señora

Im stolzen Alter von fast 90 Jahren will sich Sofía endlich an den Menschen rächen, die ihr Leben zerstört haben. Dafür geht sie über Leichen.

Nacht über La Paz

Nachdem Harry sein Haus in La Paz verkauft hat, verschwindet er spurlos. Niemand hat ihn gesehen, nur Max hegt einen schrecklichen Verdacht.

Mörderische Sammlung

Viktors Sammelleidenschaft sind schöne Immobilien, die er auf blutige Art und Weise erwirbt. Kann ihn die Liebe einer Frau aufhalten?

Die Hexe von Orotava

Die bekannte Wahrsagerin Esmeralda hat schon vielen Menschen die Zukunft vorausgesagt. Ihre Gier werden ihr aber eines Tages zum Verhängnis.

Tod unterm Drachenbaum

Die Leiche der schönen Carla wird am frühen Morgen unter dem berühmten Drago Milenario gefunden. Ist ihr grausamer Tod die Tat eines Psychopathen?

Gesetz und Liebe

Die junge Polizistin Lucia verliebt sich ausgerechnet in einen Autodieb. Soll sie ihn decken oder anzeigen?

Blüten der Vergeltung

Zehn Jahre lang nagt an Iris der Gedanke, es ihrer großen Liebe und seiner Neuen heimzuzahlen. Eines Tages werden ihre Wünsche wahr.

Die Rache der alten Señora

In sich gekehrt und auch ein wenig selbstvergessen sitzt die 89-jährige Sofía in ihrem Korbsessel auf der Terrasse ihrer Villa und wartet wie jeden Tag auf den Sonnenuntergang. Hier auf ihrer geliebten Kanareninsel geht die Sonne schnell unter. Dennoch ist es jedes Mal erneut ein wunderbares Schauspiel, das sie sich niemals entgehen lässt.

Blutrot ist die Sonne heute Abend. Die Hitze des Tages brodelt noch auf den Wellen des Meeres. Der riesige Feuerball sinkt langsam herunter, und gerade als er den Rand des Meeres zu treffen scheint, glaubt sie ein leises Zischen zu hören. Natürlich weiß sie, dass das pure Einbildung ist, aber sie liebt diesen Augenblick und wartet wie immer gespannt darauf, dass der leuchtende Ball ins Meer plumpst.

Dann zündet sie mit einem langen Streichholz die Kerze im Windlichtglas an und lässt das Streichholz zwischen ihren von der Gicht gekrümmten Fingern vollständig abbrennen und sieht in die bläulich-gelbe Flamme. Erst im letzten Moment pustet sie es aus und wirft es auf den Boden. Sie zieht sich die auf dem Stuhl bereitliegende leichte, lindgrüne Baumwolldecke über die schon lange gehassten, faltigen Knie und wartet auf ihr Abendessen, das ihr wie immer von ihrer guten Seele Maria serviert wird.

«Heute gibt es eine gebratene Dorade und Salat», sagt Maria, während sie mit dem Tablett auf die Terrasse tritt.

«Keine Kartoffeln?», fragt Sofía etwas enttäuscht.

«Nein, Sie wissen doch, Señora, Kohlenhydrate am Abend sollen Sie doch nicht.»

Natürlich weiß sie es. Kohlenhydrate liegen ihr schwer im Magen. Sie kann damit schlecht schlafen. Aber die Frage danach wird wohl erlaubt sein. Sie liebt es, Maria mit derartig unnötigen Fragen zu ärgern. Manchmal übertreibt sie es und entlockt ihrer treuen Seele ein verärgertes Kopfschütteln. Es ist auch schon passiert, dass Maria ihrem spanischen Temperament freien Lauf ließ und ihr aufgebracht den Teller auf den großen Holztisch geknallt hat.

«Heute möchte ich ein Glas von dem leichten Viña del Mar dazu.»

«Na schön, mir egal. Ihr Arzt hat zwar jeglichen Alkohol verboten, aber was soll’s, Señora wird wohl wissen, wie sie sich schneller ins Grab bringt.»

«Ha, so schnell wirst du mich nicht los, meine Liebe, schon gar nicht mit ein bisschen Weißwein.»

Sofía lacht auf und verfolgt Maria mit einem schelmischen Blick, als diese ins Haus verschwindet, um den Wein zu holen. Erst wenn alle ihre Wünsche erfüllt sind, darf Maria sich zu ihr an den runden Holztisch setzen und zusammen mit ihr das Essen genießen.

In all den Jahren ist so etwas wie eine Hassliebe zwischen den beiden Frauen entstanden. Sofía kann nicht ohne sie, und Maria nimmt die kleinen Schikanen in Kauf. Dafür lebt sie in dieser schönen Villa, hat den alten, aber tadellosen Mercedes der Señora und ein Gehalt, das ihr erlaubt, ihre verwitwete jüngere Schwester Rosalia, die allein in dem schon etwas baufälligen Elternhaus in La Matanza de Acentejo wohnt, mitzuversorgen. Rosalias nichtsnutziger, arbeitsscheuer Ehemann ist vor ein paar Jahren im Meer ertrunken und hat sie mittel- und kinderlos zurückgelassen.

Ein wenig spekuliert Maria auch darauf, dass ihr die Señora das Anwesen eines Tages vererbt. Der Sohn ihrer Chefin, der mittlerweile auch schon 67 ist, lebt mit seiner amerikanischen Frau irgendwo in Kanada, aber niemals hat er seine Mutter besucht. Vor vielen Jahren muss etwas vorgefallen sein, was die beiden für immer getrennt hat. Doch Sofía spricht nicht darüber. Für sie scheint ihr Sohn Lorenzo nicht zu existieren.

Seit nunmehr 65 Jahren lebt Sofía auf ihrem schönen Anwesen in Santa Úrsula und genießt das Klima und die angenehme Wärme, die ihren alten Knochen guttun. Vor 38 Jahren kam Maria zu ihr. Sie hat sie von Anfang an geduzt, aber immer Wert daraufgelegt, dass Maria sie mit Señora und Sie anspricht. Nun sind es gute fünf Jahre, seit sie ihr Anwesen im Norden der Insel das letzte Mal verlassen hat. Das Laufen fällt ihr immer schwerer. Doch der kleine Spaziergang mit dem handgeschnitzten Krückstock nach dem Essen im schön angelegten Garten gehört zu ihren täglichen Ritualen. Vorbei an den inzwischen meterhohen weißen und rosafarbenen Oleandern schafft sie es gerade noch bis zur Balustrade am Rande der Finca, die in 20 Schritten von der mit acht Stufen erhöhten Terrasse aus erreichbar ist. Die dicht an dicht stehenden, weiß gestrichenen Steinsäulen, welche die darauf liegenden und mit Gips verbundenen Marmorplatten tragen, blättern schon wieder ab. Manuel, ihr Gärtner und Mann fürs Handwerkliche, hat sie doch erst gestrichen.

Sie beugt sich etwas vor und schaut über die steil abfallende Felsenküste hinaus aufs Meer. Die weiße Gischt schlägt gegen die vielen, kleinen dunklen Felsen, die aus dem Wasser ragen und sich daran brechen. Exakt zehn Minuten bleibt sie so stehen, geht langsam zurück und schleppt sich dann die acht Stufen wieder hoch.

Wie jeden Abend nach dem Spaziergang, wenn Maria sich in ihr Zimmer zurückgezogen hat, um ihre geliebte spanische Familienserie im Fernsehen anzusehen, erwachen die Erinnerungen in Sofías Kopf, die ihren einst so sanften Charakter im Laufe der Jahre verändert haben. Die noch immer an ihr nagenden Schicksalsschläge haben sie hart und manchmal sogar böse werden lassen. Jedes Mal, wenn sie daran denkt, ziehen sich alle Fasern ihres Herzens zu einem klumpenden Knoten zusammen und verursachen schmerzende Krämpfe. Sofía ist kein Mensch, der so einfach vergessen oder gar verzeihen kann. Zu sehr wurde sie verletzt, zu oft belogen und betrogen. Seltsam, dass all die guten und schönen Dinge, die sie durchaus auch erlebt hat, längst verblasst sind und nur noch ab und zu aus dem Unterbewusstsein an die Oberfläche dringen.

Nun aber wird sie bald 90 Jahre alt. Bald wird sie das Zeitliche segnen, doch das will sie nicht einfach so, noch nicht. Sie will nicht gehen, ohne sich an den Menschen zu rächen, die ihr so grausam zugesetzt haben. Schon lange trägt sie sich mit dem Gedanken, dass diese Leute ihre gerechte Strafe erhalten müssen, damit sie ihrer Genugtuung Rechnung tragen kann und schließlich ihren Seelenfrieden findet. Zu groß ist der Hass, den sie beim Gedanken an diese Menschen empfindet.

Heute Abend hat sie mal wieder das bedrängende Gefühl, dass die Zeit ihr davonläuft. Deshalb fasst sie nun endlich den lange überlegten und folgenschweren Entschluss. Sie muss Rache nehmen. Diese Menschen, die sie ein Leben lang gehasst und zutiefst verabscheut hat, sollen an das erinnert werden, was sie ihr und ihrer Familie vor vielen Jahren angetan haben.

Sie atmet mehrmals tief durch und lässt ihre flach ausgestreckte Hand als endgültiges Zeichen ihrer Entschlossenheit klatschend auf den Tisch fallen.

«Maria, bring mir Briefpapier und einen Umschlag aus der blauen Blechdose, die auf meinem Schreibtisch steht», ruft sie ins Haus.

Nun führt kein Weg mehr zurück, sie wird nach Palermo schreiben. Einige der alten italienischen Verwandten, in deren Familie sie einst freudig hineingeheiratet hatte, leben schließlich noch. Die Familienbande mit dem Bruder ihres vor vielen Jahren brutal ermordeten Ehemanns Giovanni sind immer noch vorhanden. Manchmal telefonieren sie oder schreiben sich Briefe.

Ach ja, Giovanni. Er war ihre große Liebe. Ein tiefes Einatmen lässt ihren Brustkorb anschwellen. Sie atmet mit einem langen Seufzer aus und spürt dabei wieder den stechenden Schmerz, der sich jedes Mal bei dem Gedanken an den geliebten Mann um ihr Herz legt.

Süße 18 Jahre war sie alt, als sie dem gutaussehenden jungen Mann in Milano über den Weg lief. Sie war mit ihren Eltern auf einer Italienreise, und sie waren natürlich standesgemäß im besten Hotel der Stadt abgestiegen.

Giovanni saß im Restaurant des Grand Hotels mit einem älteren, etwas finster aussehenden Herrn am Tisch links gegenüber. Sie hatten sofort Blickkontakt. Nun war Sofía eine wohlerzogene «höhere» Tochter und deshalb senkte sie auch sofort ihren Blick, als ihr die Röte ins Gesicht stieg. Das gefiel Giovanni wohl und im passenden Augenblick, als ihre Eltern beim Verlassen des Restaurants nicht auf sie achteten, steckte er ihr einen zusammengefalteten Zettel zu. Sie nahm ihn, verbarg ihn sofort verschämt unter der weißen Spitze, die ihren Ärmel säumte. Später in ihrem Zimmer holte sie ihn aufgeregt heraus, entfaltete ihn und las: «Señorita, Sie haben das süßeste Lächeln, das ich jemals gesehen habe. Ich möchte Sie wiedersehen. Wenn Sie mir diese Aufdringlichkeit verzeihen und Sie mich treffen möchten, so hinterlassen Sie bitte eine Nachricht an der Rezeption für Zimmer 133. Ihr ergebener Giovanni Pavese.»

Dass diese Nachricht in Spanisch geschrieben war, erstaunte sie. Es muss sich also um einen gebildeten jungen Mann handeln. Diesen und weitere zwei bereits vergilbte Zettel hütet Sofía noch heute in ihrer Schmuckschatulle, und so manches Mal holt sie diese ihr nahezu heiligen Zettel heraus und haucht einen kleinen Kuss darauf.

Natürlich war sie damals zu wohlerzogen, um darauf zu antworten. Aber auch am nächsten Tag trafen sich ihre Blicke. Giovanni gab nicht auf und versuchte es erneut. Drei Tage lang schrieb er ihr kleine, liebevolle Nachrichten, und am Vorabend ihrer Abreise hinterlegte sie an der Rezeption ihr mit Goldrand verziertes Visitenkärtchen in einem verschlossenen Umschlag, auf den sie seinen Namen schrieb.

Das war der Beginn einer innigen und großen Liebe, der Liebe ihres Lebens. Ein ganzes Jahr lang schrieben sie sich wunderschöne Liebesbriefe, und dann stand er eines Tages in Barcelona vor dem Tor ihres Hauses und bat um Einlass. Ohne Umschweife hielt er bei ihrem Vater um ihre Hand an und ließ verlauten, dass er sich bis zu seiner Entscheidung im Hotel aufzuhalten gedenke. Nach langem Hin und Her, einigen Tränen und einem Streit mit ihrer sehr skeptischen Frau Mutter, die sich einen reichen spanischen Edelmann für ihre Tochter gewünscht hatte, ließ sich ihr Vater schließlich erweichen und willigte ein, den jungen, immerhin aus gutem Hause stammenden Italiener in der Familie der ehrwürdigen spanischen Unternehmerfamilie López aufzunehmen.

Mit Wehmut denkt sie an den unbeschreiblichen Augenblick, als sie ihren Giovanni endlich empfangen durfte und sie sich weinend vor Glück in die Arme fielen. Das war der schönste Augenblick ihres Lebens.

Sechs Jahre lang führten sie eine wunderbare Ehe, und sie schenkte ihm einen prachtvollen Sohn. Giovanni leitete die mittlerweile stattliche Filiale im Unternehmen ihres Vaters in Santa Cruz de Tenerife, und die junge Familie zog auf das im Familienbesitz befindliche Anwesen in Santa Úrsula.

Nur drei oder manchmal vier Wochen im Jahr verbrachten sie in Palermo. Die alte Villa der Paveses war groß genug, um die junge Familie ihrem Stand gemäß aufzunehmen. Diese Zeit nutzte Giovanni, um italienische Geschäftskontakte zu knüpfen und auszubauen, während sich seine Familie rührend um Sofía und den kleinen Lorenzo kümmerte. Es waren schöne Zeiten.

Doch eines Tages wurde Giovanni im Hafen von Santa Cruz hinterrücks erschossen. Das war der schrecklichste Tag in Sofías jungem Leben. Erst nach der Beisetzung ihres geliebten Mannes erfuhr sie von ihrem Vater, dass Giovanni einer berühmten Mafiafamilie aus Palermo angehörte, für die er Alkohol und diverse andere zollpflichtige Waren aus Übersee schmuggelte und innerhalb Vaters Im- und Exportfirma, mit Hauptsitz in Barcelona, mit ihren eigenen Schiffen nach Italien und nun seit einigen Jahren auch nach Teneriffa verfrachtete. Durch den ansteigenden Tourismus auf den Kanaren wurden immer mehr Luxusgüter benötigt. Ihr Vater war wohl doch nicht so ehrenhaft, wie sie immer glaubte. Er war, seit Giovanni ihrer Familie angehörte, an diesem gigantischen Geschäft beteiligt und wurde wenig später verhaftet. Ihre Mutter erlitt daraufhin einen Schlaganfall und starb. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie den geliebten Ehemann und ihre Mutter verloren.

Die Verräter waren der Compagnon ihres Vaters, Diego Sánchez, und sein missratener ältester Sohn Carlos, der die Firma, während Sofías Vater im Gefängnis saß, an sich riss und erst vor einigen Jahren seinen beiden Söhnen übergab. Ihr Vater hat sich nach sechs Jahren Gefängnis nie wieder richtig erholt und starb zwei Jahre nach seiner Entlassung.

All das ist lange her, aber niemals hat Sofía vergessen, dass diese Leute ihre Familie ins Unglück stürzten. Den Mördern ihres Mannes hat man niemals etwas nachweisen können. Sie blieben bis heute unbehelligt. Doch Sofía wusste ganz genau, dass dieser alte Sánchez dafür verantwortlich war. Weil ihr Vater nur eine Tochter hatte und er zwei Söhne, fürchtete Sánchez durch ihre Heirat, dass Giovanni das Geschäft übernehmen würde und seine Söhne, allen voran der brutale Carlos, der bereits einige Zeit in der Geschäftsleitung saß, leer ausgehen könnten. Ihr Großvater hatte das Unternehmen einst gegründet, und ihre Familie hielt auch die Mehrheit.

Nach dem Tod ihrer Eltern und ihres Mannes ließ sich Sofía schweren Herzens auszahlen und übergab die Firma widerwillig an den gehassten Sánchez und seine Söhne. Sie erbte nun ein beträchtliches Vermögen, zog sich völlig zurück und lebte mit ihrem Sohn allein, bis dieser nach seinem Jurastudium, das er in Madrid absolvierte, die Welt sehen wollte und in Amerika als Anwalt Fuß fasste. Das konnte Sofía nicht verstehen. Wie konnte Lorenzo seine Mutter nur allein auf Teneriffa zurücklassen? Einerseits konnte sie nachvollziehen, dass er nichts mit der kriminellen Vorgeschichte der italienischen Seite der Familie zu tun haben wollte, schon gar nicht, dass Sofía noch immer regen Kontakt mit dieser Mafia-Familie hielt. Andererseits aber waren es immer die Italiener, die zu ihr und ihrem Sohn gestanden haben.

‹Ach, Giovanni, warum musstest du so früh von mir gehen?›, denkt sie, als all diese schmerzhaften Erinnerungen durch ihren Kopf strömen.

«Nun gib schon her», faucht Sofía, als Maria mit der großen, blauen Briefpapierdose auf die Terrasse kommt und sie in beiden Händen vor ihrem Bauch festhält.

«Hier draußen ist es zu dunkel zum Schreiben, Ihre Augen sind nicht mehr die besten.»

«Ja, du hast ja recht, bring die Dose wieder rein, ich setze mich an den Schreibtisch.»

«Warum nicht gleich?», faucht Maria zurück, «deshalb hätte ich meinen Film nicht unterbrechen müssen.»

Sofía schleppt sich durch die Terrassentür an ihren verzierten Rokoko-Schreibtisch, der noch zusammen mit einigen anderen wertvollen Möbelstücken ein Überbleibsel aus ihrem Elternhaus in Barcelona war. Der passende Stuhl mit dem geblümten Polsterstoff ist oben an der Lehne schon etwas abgegriffen, aber sie liebt diese alten Möbel, rückt den Stuhl etwas zurecht und nimmt Platz.

Lange überlegt sie, wie sie ihr Anliegen ihrem Schwager Giorgio beibringen soll, ohne dass es aufdringlich oder gar unverschämt klingt. Nach gut einer halben Stunde hat sie jedoch den richtigen Ton gefunden, die wenigen Zeilen zu Papier gebracht, unterschreibt mit «Deine Sofía» steckt den Brief in einen Umschlag und adressiert ihn. Morgen früh wird Maria ihn zur Post bringen.

Roberto landet mit einem spanischen Pass auf Teneriffa und lässt sich mit dem Taxi vom Flughafen Reina Sofia in eine kleine unbedeutende Pension am Hafen von Santa Cruz fahren. Hier spielt es keine Rolle, unter welchem Namen er sich einträgt. Einen Pass muss er nicht vorzeigen. Der sehr echt wirkende, dicke Schnauzbart und die große Sonnenbrille vor den Augen tun ihren Dienst.

Am Nachmittag erscheint ein «Freund», der ihm ein gut verschnürtes Päckchen übergibt und wieder verschwindet. Vorsorglich trägt Roberto dünne Baumwollhandschuhe und ist peinlich darauf bedacht, nichts anzufassen, was Fingerabdrücke hinterlassen könnte.

Mit seinem Taschenmesser, das er aus dem kleinen braunen Lederkoffer holt, schneidet er die Schnur durch und wickelt das dreifach gewickelte steife Packpapier aus. Dann hält er die Waffe in der Hand. Gut fühlt sich der Revolver an und liegt prima in der Hand. Neben der Waffe sind da noch eine Schachtel Munition, ein Zettel mit einigen handgeschriebenen Notizen und einer Adresse darauf sowie drei Fotos. Er nimmt die Fotos in die behandschuhten Finger und führt sie näher ans Gesicht.

«Das sind also die Halunken, die meinen Großonkel auf dem Gewissen haben und seine Frau Sofía und ihre Familie ins Unglück stürzten», denkt er, nimmt dann den Zettel, den er auswendig lernt und danach mit seinem Feuerzeug entzündet. Die Asche wirft er in die Toilette und spült sie hinunter.

Der alte Diego Sánchez, der längst das Zeitliche gesegnet haben muss, wird auf dem Foto mindestens 90 gewesen sein. Sein Sohn Carlos um die 70. Auf dem zweiten Foto sind Carlos und seine beiden Söhne Rodrigo und José zu sehen. Sie stehen vor dem Bürogebäude in Santa Cruz mit dem Firmenschriftzug Sánchez & Sánchez. Einst war dort der Schriftzug López & Sánchez angebracht. Den Namen von Sofías Vater hatte man nach seinem Tod schneller entfernt, als dieser unter der Erde lag.

Wenn das stimmt, was auf dem verbrannten Zettel stand, wird es ein kurzes Intermezzo. Roberto ist sich sicher, dass sich der Herzenswunsch seiner alten Tante Sofía schnell erfüllen lässt.

Er mietet ein Auto und fährt die TF-5 in Richtung Puerto de la Cruz. Unterwegs kauft noch einen großen Blumenstrauß und fährt dann direkt zum Anwesen seiner Tante nach Santa Úrsula. Roberto ist gespannt auf Sofía. Sein Großvater Giorgio hat viel von ihr erzählt.

Sofía sitzt wie auf glühenden Kohlen, denn heute erwartet sie Besuch aus Palermo. Ihr alter Schwager Giorgio war des Reisens müde und wollte nicht persönlich kommen. Der Junge, so Giorgio, wird alle ihre Wünsche erfüllen, versprach er vor einigen Tagen in einem langen Brief.

Dann endlich läutet die Glocke, und Sofía hört einen Automotor am Tor.

«Schnell, Maria, mach das Tor auf, damit mein Besuch hereinfahren kann», ruft sie aufgeregt und steht kerzengerade in ihrer rustikalen, hölzernen Küche am Fenster, von dem aus sie das Tor im Auge hat.

Der dunkle Mietwagen hat die Einfahrt passiert, und Maria schließt das Tor hinter ihm sogleich wieder. Ein großer, gutaussehender Mann in den Vierzigern steigt aus und sieht sich um.

Wie ähnlich er Giovanni doch ist, obwohl er der Enkelsohn von Ricardo, Giovannis zweitältestem Bruder ist. Sofías Herz macht bei seinem Anblick einen kleinen Sprung. Als Roberto, von Maria hereingebeten, über die Türschwelle tritt, läuft sie ihm entgegen und streckt die Arme nach ihm aus.

«Mein lieber Junge, mein lieber Roberto, lass dich ansehen. Wie erwachsen du geworden bist.»

«Kein Wunder, liebe Tante, als du mich das letzte Mal gesehen hast, war ich noch ein Baby.»

«Das ist wahr, mein lieber Junge, komm in meine Arme.»

Tränen der Freude über das Wiedersehen kullern der alten Dame über die von Falten durchzogenen Wangen.

Maria ärgert sich etwas, weil die beiden Italienisch sprechen und sie nicht alles verstehen kann, aber der Verwandte der Señora kann wohl nicht Spanisch, vermutet sie.

Später, nach dem opulenten Abendessen mit drei Gängen, das Maria extra für den Großneffen der Señora gekocht hatte, steht sie am geöffneten Küchenfenster, das zum Ende der großen Terrasse hinausgeht und lauscht. Mist, sie kann kein Wort verstehen. Irgendeinen Grund muss es doch aber geben, weshalb der Junge hier auftaucht. Ihr schwant, dass es vielleicht doch um das Testament Sofías geht. Ob der Italiener der Erbe ihres Vermögens ist? Dieser Gedanke setzt Maria zu. Sie fasst sich ans Herz, das etwas schneller schlägt, beruhigt sich aber schnell wieder. Sie hofft, dass es nicht so ist, schließlich ist sie diejenige, die sich seit Jahrzehnten um die Señora kümmert. Von den italienischen Verwandten hat sich doch nie jemand blicken lassen. Nein, so herzlos ist Sofía nicht, das weiß sie und macht sich an die Arbeit. So viel schmutziges Geschirr nach einem Abendessen hatte sie noch nie.

Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedet sich Roberto nach gut zwei Stunden von seiner Großtante.

«Warte, mein Junge», sagt Sofía leise, «warte, ich habe noch etwas für dich.»

Sie fasst in ihre Rocktasche und holt einen dicken braunen Umschlag heraus, den sie Roberto überreicht.

«Aber Tantchen, das ist eine Familiensache, du musst mich nicht bezahlen.»

«Ich bezahle dich nicht, Roberto. Das ist dein Erbe. Ich habe doch sonst niemanden. Nutze es für eine gute Ausbildung deiner Kinder.»

Roberto nimmt das Geld, umarmt sie nochmals wortlos, geht zum Tor, das auf die Straße führt, und öffnet es. Dann steigt er in das Auto und fährt hinaus.

«Maria», ruft Sofía, «Maria, schließ bitte das Tor.»

Sofía verspürt heute keinen Appetit. Sie stochert in ihrem Mittagessen herum und schiebt dann den Teller beiseite. Zu gerne wüsste sie, ob in Santa Cruz alles klappt.

Drei Tage ist Roberto nun schon dort. Sie versucht sich abzulenken, nimmt ihre alte Holzkiste vom Regal und holt die Fotos daraus hervor, die sie ein ganzes Leben lang begleitet haben. Ihr Hochzeitsfoto mit Giovanni. Wie jung sie doch beide waren. Sie, die zierliche dunkelblonde Schönheit, und er, der stolze schwarzhaarige Italiener mit den blauen Augen, der ganz gewiss eine Augenweide für jede Frau war. Ihre blonden Haare, die längst grau geworden sind, hatte sie von ihrer deutschen Großmutter, die es damals sehr schwer in der alten spanischen Familie hatte. Und dann das Bild mit dem kleinen Lorenzo, ihrem Söhnchen, als er zwei Jahre alt war und den süßen Matrosenanzug von der deutschen Großmutter trug. Da ein Foto ihrer Eltern und dann nochmal ein Foto von Lorenzo bei der Einschulung.

Seit nunmehr 45 Jahren hat sie ihren Sohn nicht mehr gesehen, und obwohl sie ihm seine Auswanderung längst verziehen hatte, konnte sie sich niemals dazu durchringen, nach ihm suchen zu lassen. Dieser verfluchte Stolz. Schlimmer noch war aber diese angeborene Sturheit, die sie von ihrem Vater geerbt und niemals abgelegt hat. Im Gegenteil, je älter sie wurde, desto sturer wurde sie. Dennoch, Sofía wüsste gerne, wie es Lorenzo heute geht. Ob er noch lebt? Ob er noch immer mit dieser Amerikanerin verheiratet ist und ob sie Kinder haben? Womöglich hat sie einige Enkelkinder und weiß es nicht. Dieser Gedanke lässt sie schwermütig werden, und sie richtet einige Worte an ihn in die weite Ferne: «Ach Lorenzo, weshalb nur hast du deine Mutter vergessen? Warum nur hast du dich nie gemeldet? Nun werde ich deinen Vater rächen, nun endlich bekommen die Sánchez-Bandidos das, was sie verdient haben.»

Selbst wenn sie es gewollt hätte, kann Sofía ihren teuflischen Auftrag nicht rückgängig machen. Sie hat keinen Kontakt zu Roberto. Eines dieser modernen Handys hatte und wollte sie nicht, und sie weiß auch nicht, in welchem Hotel er in Santa Cruz abgestiegen ist. Kommen da etwa leise Zweifel an ihrem Entschluss auf? Wird sie bereuen, was sie da tut? Kein Wunder, dass Lorenzo nichts mit dieser kriminellen Energie zu tun haben wollte. Hat er damals schon geahnt, wozu seine Mutter fähig ist? Hat sie sich zu sehr in ihren grenzenlosen Hass verbissen?

«Schluss mit diesen Skrupeln, Sofía», ermahnt sie sich selbst und versucht diese Gedanken damit zu rechtfertigen, dass diese Mörder eine gerechte Strafe verdienen. Zur Beruhigung nimmt sie ihre Tarot-Karten aus der Schreibtischschublade und legt sie auf dem Wohnzimmertisch auf. Doch auch die Karten sagen ihr nichts voraus, was sie nicht schon weiß. Auch hier ist der Tod allgegenwärtig. Wütend fegt sie die Karten vom Tisch.

Schon seit einer dreiviertel Stunde sitzt Roberto in der kleinen Tapas-Bar gegenüber dem Bürogebäude mit der großen, vier Meter langen gelben Leuchtschrift Sánchez & Sánchez, die über der vierten Etage auf dem Rand der Balustrade montiert ist. Unten am gläsernen Eingangsbereich ist nochmal ein Messingschild angebracht. Im- und Export Sánchez & Sánchez steht dort.

Von seinem Kontakt, der ihm die Waffe gebracht hatte, hatte er erfahren, dass die jetzigen Firmeninhaber Rodrigo und José Sánchez stets zur gleichen Zeit in das gleiche Restaurant zum Mittagessen gehen, das sich 80 Meter weiter in Richtung Hafen befindet. Nur heute scheinen sie entweder keinen Hunger oder andere Termine zu haben, jedenfalls haben sie bis jetzt das Gebäude nicht verlassen. Der Vater der beiden, Carlos Sánchez, soll die meiste Zeit in seiner Villa mit eigenem Bootsanleger am Stadtrand verweilen. Angeblich soll er immer noch ein passionierter Segler sein und mit seiner jungen Frau oft hinaussegeln.

Weil er die beiden Söhne bei der Firma nicht gesehen hat, inspiziert Roberto erst einmal die Umgebung der Sánchez-Villa. Vom Strand aus erreicht er das Anwesen, das mit einer etwa eineinhalb Meter hohen Mauer umgeben ist. Auf der Mauer schlängelt sich ein hoher, gewickelter Stacheldraht-Wurm, der ein Übersteigen der Mauer unmöglich macht. Vom Wasser aus wird er allerdings gut an den Bootssteg herankommen, der ganz am Ende ins offene Meer mündet. Er wird sich ein Boot besorgen müssen.

«Señora, ist Ihr Neffe Roberto Ihr Erbe?», fragt Maria etwas zu schnell und geradeheraus, als sie das Mittagessen im Esszimmer serviert. Diese Frage hat sie seit vier Tagen auf den Lippen, war aber immer zu feige, sie herauszulassen. Heute kann sie nicht anders. Sie muss es wissen.

«Wo denkst du hin, Maria? Die Paveses haben so viel Geld, die brauchen meine paar Kröten nicht. Warum fragst du, Maria, spekulierst du etwa auf mein Ableben?»

«Nein, Señora, natürlich nicht», stottert sie verlegen, «ich meine ja nur so.»

«Ich weiß schon, Maria, du willst mein Haus, deshalb bist du ja auch 35 Jahre bei mir geblieben, stimmt’s?»

«Na ja, Sie wissen doch, unser altes Haus oben in La Matanza fällt bald zusammen, und wir haben kein Geld übrig, meine Schwester und ich.»

«Wie geht es deiner Tochter, Maria, hast du etwas von ihr gehört?»

«Ja, erst letzte Woche hat Rosita angerufen. Sie ist immer noch in Los Cristianos und arbeitet in diesem großen Touristenhotel. Ich hoffe nur, dass sie bald einen Mann findet, sie ist nun auch schon 34 und immer noch ledig.»

«Ich kann mich gut erinnern, als du zu mir kamst, arm wie eine Kirchenmaus, bis auf die Knochen abgemagert und noch dazu als ledige Mutter. Du warst eine Schande im Dorf. Die Kleine war damals noch keine vier Jahre alt.»

«Ja, ich war so froh, diese Stellung hier gefunden zu haben. So konnte meine Schwester die Kleine versorgen und ich zu Ihnen kommen. Das war ein Glücksfall für mich.»

«Siehst du, Maria, ich habe dich nie gefragt, wer der Vater deiner Tochter ist, habe dich aufgenommen, dir all die Jahre einen anständigen Lohn gezahlt und deshalb bin ich dir auch nichts schuldig.»

Wieder einmal kommen Sofías Worte sehr hart bei Maria an. Sie sagt aber nichts mehr. Beide Frauen löffeln ihre frisch gekochte Hühnersuppe und schweigen.

Roberto hat am späten Nachmittag an der Playa de las Teresitas ein Motorboot für zwei Tage gemietet. Zur Tarnung gab er sich als Angler aus, der in einer der zahlreichen kleinen Buchten seinem Hobby nachgehen will. Gewappnet mit Angelzeug fährt er nun die 15 Kilometer in Richtung Norden hinauf bis zum Anwesen des alten Sánchez. Hinter einem Felsvorsprung, der die Bucht mit dem Bootssteg schützt, schaltet er den Motor aus und wartet, bis die Sonne untergeht. In seinem Rucksack hat er ein Fernglas, den Revolver und einen Sprengsatz mit Fernzündung, den er sich von seinem Kontakt hat besorgen lassen. Die helfenden Hände der alten italienischen Mafiafamilie reichen weit. Fast überall auf der Welt gibt es Mitglieder, die man im Bedarfsfall kontaktieren kann. So auch hier auf Teneriffa.

Der Sprengsatz, der ausreicht, um die Segelyacht komplett in die Luft zu jagen, ist wasserdicht verpackt und in einem kleinen Rucksack verstaut. Vorsorglich hat er auch zwei Lederriemen eingepackt, mit denen er die Sprengladung am Boot befestigen will. Er bindet den Rucksack auf seinen Rücken und springt ins Wasser. Sein Boot bindet er hinter dem Felsen an einen Stein und taucht ab. Bis zur Yacht, die im Dunkeln nur noch schemenhaft zu erkennen ist, sind es gute 150 Meter. Roberto ist ein guter Schwimmer, er schafft es leicht, die Strecke zurückzulegen und unter das Schiff zu tauchen. Dann nimmt er die in Plastik verpackte kleine aktive Bombe heraus und befestigt sie mit den Riemen am Heck des Schiffes, unterhalb der Leiter zum Einstieg. Das wäre geschafft! Er kann zurückschwimmen und in das Boot steigen.

Der nächste Morgen ist strahlend schön. Bei diesem herrlichen Wetter mit leichtem Wind fährt Carlos Sánchez bestimmt hinaus. Zumindest hat sein «Freund» verlauten lassen, dass der alte Sánchez am Sonntag immer mit seinen Söhnen segelt.

Zweieinhalb Stunden sitzt Roberto schon in diesem Boot, seinen Blick stets auf den Anleger gerichtet. Dann endlich rührt sich etwas. Drei Männer und eine Frau betreten den Steg. Roberto setzt das Fernglas vor die Augen und sieht den alten Carlos. Die beiden jüngeren Männer müssen Rodrigo und José sein. Er holt die Fotos aus der linken Brusttasche und vergleicht. Rodrigo erkennt er sofort. Doch der andere, nein, das ist nicht José. Der Mann ist viel jünger. Er schlingt seinen Arm um die junge Frau. Das muss Carlos‘ Enkel, also Rodrigos oder Josés Sohn sein. Soweit er aber sehen kann, besteigen nur Carlos und Rodrigo das Boot. Die Frau reicht Carlos eine Kühltasche hinüber, und der junge Mann macht die Leinen los. Carlos und sein Sohn Rodrigo fahren also alleine hinaus.