Book of Love - Ein Milliardär fürs Herz - Lotte Römer - E-Book

Book of Love - Ein Milliardär fürs Herz E-Book

Lotte Römer

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Beschreibung

Victoria glaubt an die Liebe. Joshua an Sex. Sie lebt ihre Leidenschaft für Bücher. Er ist ein eiskalter Geschäftsmann. Victoria träumt von Venedig. Joshua hat seine Träume längst vergessen. Als die beiden aufeinandertreffen, ist Ärger vorprogrammiert. Der erfolgsverwöhnte Verleger Joshua kann nicht fassen, dass Victoria ihn einfach abblitzen lässt. Und sie fragt sich: Ist Joshua wirklich so ein Arsch, wie er vorgibt zu sein? Lasst euch ins Reich der Bücher entführen. Ein wunderbar romantischer Liebesroman, der in Las Vegas und Venedig spielt!

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BOOK OF LOVE

EIN MILLIARDÄR FÜRS HERZ

LOTTE RÖMER

INHALT

Kurzbeschreibung

Anmerkung

1. Victoria da Silva

2. Joshua Maloy

3. Victoria da Silva

4. Joshua Maloy

5. Victoria da Silva

6. Joshua Maloy

7. Victoria da Silva

8. Joshua Maloy

9. Victoria da Silva

10. Joshua Maloy

11. Victoria da Silva

12. Joshua Maloy

13. Victoria da Silva

14. Joshua Maloy

15. Victoria da Silva

16. Joshua Maloy

17. Victoria da Silva

18. Joshua Maloy

19. Victoria da Silva

20. Joshua Maloy

21. Victoria da Silva

22. Joshua Maloy

23. Victoria da Silva

24. Joshua Maloy

25. Victoria da Silva

26. Joshua Maloy

27. Victoria da Silva

28. Joshua Maloy

29. Victoria da Silva

30. Joshua Maloy

31. Victoria da Silva

32. Joshua Maloy

33. Victoria da Silva

34. Joshua Maloy

35. Victoria da Silva

36. Joshua Maloy

37. Victoria da Silva

38. Joshua Maloy

39. Victoria da Silva

40. Joshua Maloy

41. Victoria da Silva

42. Joshua Maloy

43. Victoria da Silva

44. Joshua Maloy

45. Victoria da Silva

46. Joshua Maloy

47. Victoria da Silva

48. Joshua Maloy

49. Victoria da Silva

50. Joshua Maloy

51. Victoria da Silva

52. Joshua Maloy

KURZBESCHREIBUNG

Victoria glaubt an die Liebe.

Joshua an Sex.

Sie lebt ihre Leidenschaft für Bücher.

Er ist ein eiskalter Geschäftsmann.

Victoria träumt von Venedig.

Joshua hat seine Träume längst vergessen.

Als die beiden aufeinandertreffen, ist Ärger vorprogrammiert.

Der erfolgsverwöhnte Verleger Joshua kann nicht fassen, dass Victoria ihn einfach abblitzen lässt.

Und sie fragt sich: Ist Joshua wirklich so ein Arsch, wie er vorgibt zu sein?

Lasst euch ins Reich der Bücher entführen.

Ein wunderbar romantischer Liebesroman, der in Las Vegas und Venedig spielt!

ANMERKUNG

Alle Personen und Inhalte in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Fahrt nach Venedig, wenn ihr die Gelegenheit dazu habt, lauft durch die kleinen Gassen und lasst euch von der Stadt verführen! Sie ist einzigartig schön.

Besucht mich doch gerne auf meiner FB-Seite: https://www.facebook.com/LotteRoemerAutorin/?fref=ts

Oder schickt mir eine Freundschaftsanfrage:

https://www.facebook.com/lotteroemerschreibt?fref=ts

Außerdem bin ich hier eine von fünf:

https://www.facebook.com/groups/1468138276548011/?fref=ts

VICTORIA DA SILVA

„Kommst du heute zu meiner Unterwäscheparty? Johnny würde sich bestimmt freuen, wenn du mal wieder aufrüsten würdest.“ Ihre Arbeitskollegin Joanne kicherte. Sie arrangierte gerade einen Stapel ‚Fifty Shades of Grey’ neu.

Victoria war fast fertig für heute. Gerade hatte sie ‚Ein ganzes halbes Jahr’ von Jojo Moyes aufgebaut. Das Buch wurde noch immer verkauft wie warme Brötchen. Kein Wunder. Sie selbst liebte die Story von Louisa und Will auch und hatte den Roman schon drei Mal gelesen, aber sie konnte noch immer nicht genug von der traurigen Lovestory kriegen.

„Kommst du jetzt?“

„Eine Unterwäscheparty?“ Victoria dachte an ihren Freund Johnny. Es löste keine besonderen Emotionen aus. Sie waren seit Jahren zusammen, aber in letzter Zeit war ihre Beziehung schwierig geworden und hatte Risse bekommen. Seine Arbeitslosigkeit machte ihn träge. An Sex war schon seit Monaten nicht mehr zu denken. Das Letzte, was sie brauchte, war Reizwäsche. Es war nicht viel mehr Emotion übrig als die Hoffnung, dass es bald wieder aufwärts ging mit ihnen.

„Ich weiß nicht.“

„Ach komm! Wir werden jede Menge Spaß haben!“ Sie kicherte und warf achtlos noch ein Exemplar ‚Geheimes Verlangen’ auf den Stapel.

„Bitte, pass ein bisschen besser auf, ja?“ Victoria kontrollierte das Buch auf Schäden, strich vorsichtig über den Einband und legte es dann sanft zurück.

„Du und dein Buchtick!“ Joanne winkte ab. Sie rückte ihre extravagante grüne Brille zurecht und schaute zu dem Stapel Bücher hinüber, die noch einen Platz auf dem ohnehin schon übervollen Büchertisch finden sollten, als eine Kundin herüberkam und sich an sie wandte.

„Entschuldigen Sie, ich suche einen ganz besonderen Roman. Etwas fürs Herz, wissen Sie?“ Die ältere Frau trug ein ordentliches Kostüm, eine Rüschenbluse und flache Schuhe.

„Natürlich.“ Joanne setzte ihr professionellstes Verkäuferinnenlächeln auf und strich sich ihre rote Mähne aus dem Gesicht. „Mögen Sie Sex?“

Oh mein Gott! Victoria sah, wie die Lady zusammenzuckte. Aber Joanne, die nicht aufgehört hatte, Bücher zu Stapeln aufzurichten, fiel das in keinster Weise auf. Sie war mit Sicherheit gedanklich schon auf ihrer eigenen Unterwäscheparty.

„Äh ...“ Die Frau begann zu husten und wurde rot.

„Wollen Sie vielleicht mal zu mir rüberkommen?“, mischte sich Victoria ein. „Ich glaube, hier drüben hätte ich etwas, das ganz wundervoll zu Ihnen passt!“

Victoria lotste die Dame zu den Romanen über Cornwall. „Sehen Sie, hier, die Autorin beschreibt wunderschöne Landschaften, und auch die romantische Liebe kommt nicht zu kurz. Außerdem verfügt sie über eine sehr anschauliche Sprache.“

Die Frau zog eine Lesebrille aus ihrer Tasche und vertiefte sich in den Klappentext.

„Das Buch wahrt natürlich ein gewisses Niveau.“, fügte Victoria noch hinzu. Ihr Geschmack wäre es nicht gewesen, aber alte Damen mochten oft gemütliche Bücher, die ohne große Aufregungen auskamen und selbstredend ein Happy End hatten.

Dankbar schaute die Kundin über den Rand ihrer Brille zu Victoria auf.

„Vielen Dank, mein Kind. Das Buch sieht ganz zauberhaft aus.“ Auf dem Cover war ein Stück Küstenlinie zu sehen und ein Paar, das in der Ferne Hand in Hand am Meer stand. „Ich nehme es mit.“

„Sehr gerne. Kann ich Ihnen sonst noch etwas Gutes tun?“ Victoria berührte die Frau leicht am Arm. Die Kundin strahlte. „Nein, danke. Aber wenn ich das nächste Mal ein gutes Buch suche, komme ich gleich zu Ihnen.“ Sie warf einen rügenden Altedamenblick zu Joanne, die nichts davon bemerkte, sondern weiter Bücher aufstapelte.

„Gern.“

Victoria geleitete die Seniorin zur Kasse, wo Mrs. Barts, die Filialleiterin, ihre Hand nach dem Buch ausstreckte. Sie war schon älter und stand meistens hinter dem Tresen, um zu kassieren. Ihr Rücken machte ihr einfach zu sehr zu schaffen, um noch Bücherstapel herum zu wuchten. Jetzt schenkte sie Victoria ein gütiges Lächeln, bevor sie sich an die Kundschaft wandte.

„Eine sehr gute Wahl haben Sie da getroffen.“

„Oh, Ihre reizende Kollegin war mir bei der Auswahl behilflich.“ Sie wandte sich Victoria zu. „Vielen Dank nochmal, Kindchen.“ Die alte Frau griff nach ihrer Hand und drückte sie fest.

Victoria erwiderte den Druck. „Ich danke Ihnen, dass Sie sich für ‚Big in Books’ entschieden haben.“

Sie löste ihre Finger vorsichtig und ging zurück zu Joanne.

„Du kannst doch die Frau nicht fragen, ob sie Sex mag!“

„Warum nicht? Ich hätte ihr gleich ‚Fifty Shades of Grey’ verkauft. Das hatte ich eh gerade in der Hand. Wäre bequem gewesen.“ Joanne zupfte ihren kurzen Rock zurecht.

„Ja, bequem schon. Aber vielleicht ist es eher an der Zeit, dass du dich auch mal mit anderen Büchern auseinandersetzt.“ Victoria fand es schade, dass Joanne sich so gar nicht für Literatur interessierte, obwohl sie in einem Buchgeschäft arbeitete. Sie selbst hätte man tagelang in der Buchhandlung einsperren können – ihr wäre nicht langweilig geworden. Bücher waren ihre absolute Leidenschaft. Sie liebte es, in andere Welten einzutauchen. Joanne dagegen beschränkte sich auf Romane wie ‚Fifty Shades of Grey’ oder ‚Fire after Dark’. Sie war Spezialistin für Erotik. Ihr war gar nicht klar, welche Flut an Bücherwundern sie verpasste, indem sie ihr Interesse so einschränkte. Victoria hatte schon ein paar Mal versucht, sie für einen Roman zu begeistern, aber da war Joanne ganz und gar unbelehrbar.

„Kommst du denn jetzt zu meiner Party?“

„Nein. Ich denke, ich verbringe den Abend gemütlich mit Johnny.“ Das war glatt gelogen. Aber Victoria wollte Joanne nichts von ihrem maroden Liebesleben erzählen. Das hätte zu einem Monolog über Joannes Abenteuer geführt, den Victoria sich lieber ersparen wollte.

„Ihr Pärchen seid so langweilig.“ Joanne zog ein angeekeltes Gesicht – genau wie Victoria es erwartet hatte. „Aber wenn du es dir anders überlegst, weißt du ja, wo ich wohne. Mary kommt, Suzanne auch, und außerdem noch Celine. Du weißt schon, die Rothaarige.“

„Ja.“ Die Tatsache, dass der ganze Hühnerhaufen kam, den Joanne ihren Freundeskreis nannte, machte es jetzt nicht unbedingt besser. Nein, Victoria würde zu Hause bleiben, sich gemütlich in ihre kleine Leseecke setzen und den Tag ausklingen lassen.

„Ein anderes Mal.“

„Natürlich.“ Victoria hörte, dass Joanne ihr kein Wort glaubte, als ihre Kollegin ein weiteres Buch so auf einen Stapel knallen ließ, dass es Victoria in der Seele wehtat.

Sie schaute auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde bis Feierabend. Endlich. Ihre Füße taten schon weh vom vielen Stehen. Es war Zeit, dass sie nach Hause kam. Ihr Magen knurrte, und sie war bleiern müde. Ob Johnny wohl etwas gekocht hatte? Sie dachte mit gemischten Gefühlen an ihren Freund. Aber wer weiß? Vielleicht würde es ja heute anders sein? Victoria wollte die Hoffnung noch nicht aufgeben.

* * *

Am Briefkasten holte Victoria tief Luft. Dann schaute sie in den Schlitz. Sie fummelte mit den Fingern einen Brief heraus. Wie immer beschleunigte sich ihr Herzschlag unweigerlich. Ob das endlich das Schreiben war, auf das sie schon so lange wartete? Als sie den Absender sah, machte sich sofort Enttäuschung breit. Selbstverständlich, nur eine Rechnung. Sie schob den Brief in ihre Handtasche und ging ins Haus.

Als Victoria ihre Wohnungstür aufgesperrt und die Jacke an die Garderobe gehängt hatte, brüllte ihr eine aufgeregte Männerstimme aus dem Fernseher entgegen. Natürlich. Ihre Hoffnung auf ein warmes Abendessen fiel in sich zusammen. Alles war wie an jedem einzelnen Abend der vergangenen drei Wochen.

Sie drehte sich zu Johnny um, der mit geöffneter Hose auf dem Sofa saß, ein zum Leben erwachtes Klischee. Seine dreckigen Socken lagen neben ihm auf dem Boden, die nackten Füße hatte er auf dem Couchtisch positioniert, neben einer Flasche Budweiser. Im Fernsehen lief ein Fußballspiel. Als Victoria gerade eben von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte er nur kurz aufgesehen, ihr zugeprostet und einen großen Schluck aus seiner Flasche genommen. Nach dem Absetzen hatte er lautstark gerülpst, die Bierflasche neben seine Füße auf den Tisch gestellt und die Arme vor der Brust verschränkt.

Sie schaute ihn sich an, seine zu eng sitzende Jeans, das T-Shirt, das einen Streifen Haut zwischen Hosenbund und T-Shirt-Saum sehen ließ. Es roch muffig in der Wohnung, nach dem Abendessen vom Vortag. Victoria ging zum Fenster und riss es auf. Sie schaute hinaus auf den Highway. Normalerweise lüftete sie nur kurz, um den Lärm auszusperren, den die Autos verursachten. Die Lage des Apartments war nicht die allerbeste.

Victoria ging in die Küche hinüber und öffnete die Kühlschranktür. Sie verdrehte die Augen. Wunderbar. Da kam sie nach zehn Stunden Arbeit nach Hause und Johnny hatte nicht mal eingekauft.

„Johnny?“, schrie sie über ihre Schulter ins Wohnzimmer.

„Hm?“ Er war noch immer nicht aufgestanden und zu ihr gekommen. Nicht einmal das. Kein Kuss, keine Umarmung, nichts. Vielleicht war das so, wenn man jahrelang zusammenlebte? Victoria wusste es nicht, aber die Tatsache, dass es am Ende auch heute wieder sie selbst sein würde, die seine stinkenden Socken in die Wäsche werfen und seine benutzten Unterhosen waschen würde, sorgte nicht gerade dafür, dass sie sich euphorisch fühlte.

„Du hast vergessen einzukaufen.“ Die Gereiztheit in ihrer Stimme war unüberhörbar.

„Na und?“

„Und wir haben nichts mehr zu essen. Entschuldige, wenn ich nach zehn Stunden Arbeit hungrig nach Hause komme.“ Sie konnte ihren Ärger nicht unterdrücken.

Aus dem Wohnzimmer drang ein weiterer gedämpfter Rülpser herüber, sonst keine Reaktion. Wann war Johnny so geworden? So ein achtloser, gleichgültiger Versager?

„Wenn du rüberkommst, bringst du noch ein Bud mit?“, schrie er jetzt doch tatsächlich. Dieser Satz war es, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Victoria knallte den Kühlschrank zu und stürmte ins Wohnzimmer.

„Sag mal, bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“

„Was denn?“ Er hielt sich die Bierflasche über das Gesicht, um die letzten Tropfen mit der Zunge aufzufangen.

„Hältst du mich für deine Kellnerin oder was?“

„Baby, jetzt beruhig dich mal. Es ging nur um ein Bier.“

„Baby? Du spinnst wohl!“ Sie war ehrlich wütend. Seit Johnny seine Arbeit verloren hatte, saß er wie festbetoniert auf dem Sofa, wurde fetter und fetter und zog sich dämliche Serien und Fußballspiele rein, während sie versuchte, den Lebensunterhalt für zwei zu verdienen, indem sie ständig Überstunden in der Buchhandlung machte. Sie war es leid, ihn mit zu versorgen. Sie war es schon lange leid, wenn sie es sich recht überlegte.

Mit einem Ächzen stand Johnny auf.

„Ist ja schon gut. Ich hol mir das Bier selbst.“ Er zog sich seine Hose hoch. Aber das T-Shirt spannte trotzdem um seinen größer gewordenen Bauch und daran, den obersten Knopf der Hose zu schließen, war gar nicht zu denken. Johnny hätte auch eine Dusche nicht geschadet. Victoria rümpfte die Nase. So oft hatte sie schon mit ihm darüber diskutiert, dass er abnehmen sollte, dass er sich nicht aufgeben durfte, dass er weiter nach Arbeit suchen musste, weil sie damit überfordert war, für sie beide zu verdienen. Aber Johnny schien das alles überhaupt nicht zu stören, im Gegenteil: Victoria hatte den Eindruck, dass er an den meisten Tagen ganz zufrieden mit sich und seinem Sofa war.

„Du denkst ernsthaft, dass es um das blöde Bier geht?“, entgegnete sie ihm jetzt, als er sich an ihr vorbei in die Küche drücken wollte.

„Was denn sonst?“ Er fuhr sich durch sein fettiges Haar.

„Weißt du was? Wenn du das noch immer nicht verstanden hast, kann ich dir echt nicht mehr helfen.“

Victoria rannte zur Garderobe und zog ihre Jacke vom Haken. Sie musste hier raus. Keine Sekunde länger würde sie hier bei Johnny bleiben. Nicht heute. Der hatte sie doch echt nicht mehr alle.

‚Ich werde zu Joannes Unterwäscheparty gehen’, dachte sie trotzig. Hier in der Wohnung war einfach zu wenig Platz für sie und Johnny.

JOSHUA MALOY

Joshua Maloy fuhr sich über den sorgsam getrimmten Bart und tastete anschließend nach seinem Haar. Er war erst gestern bei seinem Coiffeur gewesen, aber man konnte nie wissen. Sein Freund Mitch sah wie immer perfekt aus, da wollte er in nichts nachstehen. Wobei: Die Sonnenbrille, die Mitch trug, versaute ziemlich viel von seiner Optik. In einem Nachtclub wirkte das einfach bescheuert, auch wenn die Brille von Armani war.

Gerade hatten sie den exklusiven Männerclub betreten, dessen Eintritt das Wocheneinkommen eines durchschnittlichen Washingtoners überschritt. Nicht, dass Joshua das interessiert hätte. Das Einzige, was er nie bezahlte, war Sex. Alle anderen Dienstleistungen zu entlohnen traf ihn nicht. Aber wenn es darum ging, Frauen dazu zu bewegen, mit ihm zu schlafen, hatte er seinen Stolz. Eine Hure dafür zu bezahlen, mit ihm ins Bett zu steigen, entsprach nicht seiner Natur. Joshua bekam auch so, was er wollte. Auch von den eher fragwürdigen Damen, die freien Eintritt ins ‚LiveLove’ hatten. Joshua hatte seine Reize, und er war sich dessen bewusst.

Er schaute auf sein feines Hemd hinunter, das er vergangene Woche hatte maßanfertigen lassen. Er war ein wenig breiter geworden, seit er das Krafttraining ausgeweitet hatte und an drei Tagen der Woche trainierte. Es saß schön enganliegend und ließ sehen, dass sich ein gestählter Körper unter dem feinen, schwarzen Seidenstoff verbarg. Seit Joshua graue Schläfen bekam, wirkte er nicht mehr so jungenhaft, da verlieh das klassische Hemd ihm eine gewisse Nonchalance und gab ihm trotz des perfekten Sitzes eine gewisse Lässigkeit.

Die Jeans von Armani sorgte dafür, dass sein Hintern gut betont wurde. Joshua war überrascht, wie sehr Frauen bei den Kerlen auf den Allerwertesten achteten.

Heute würde Mindy kommen. Mitch und er hatten eine Wette laufen, wer die süße Rothaarige an diesem Abend ins Bett bekäme. Joshua war bereit, mit allen Mitteln zu kämpfen. Sie hatten um einen Wochenendtrip auf die Bermudas gewettet, der gleich nach Joshuas Geschäftsreise nach Miami stattfinden sollte.

„Was willst du? Bourbon?“, fragte Mitch in seine Gedanken an Mindy hinein, die unglaubliche Brüste in ihren engen Kleidchen herumzeigte.

„Klar.“

Mitch gab Sally, der Barkeeperin, ein Zeichen. Sie mussten nichts sagen. Sally wusste, was sie wollten. Gelangweilt hielt Joshua Ausschau nach Mindy, die er noch nicht gesichtet hatte, während Mitchs Augen an Sallys Rock hingen, der mehr ein schmaler Schal war und ihre Pobacken nur zur Hälfte bedeckte.

„Sie ist langweilig.“

„Was?“ Mitch riss sich vom Anblick der beiden Monde los.

„Sie.“ Joshua deutete mit dem Kinn auf Sally.

Ein amüsierter Ausdruck schlich sich in Mitchs Gesicht. „Du alter ...“

Er vollendete den Satz nicht. „Wann?“

„Letzte Woche, als du beruflich in Prag oder Moskau oder St. Petersburg warst.“ Mitchs Termine führten ihn an alle möglichen Orte im ehemaligen Ostblock. Längst hatte Joshua den Überblick verloren. Mitch führte ein dubioses Importunternehmen. Joshua hatte längst aufgegeben zu verstehen, wie genau sein Kumpel die Unsummen verdiente, die er mit seiner Arbeit erwirtschaftete.

„Warschau“, korrigierte ihn sein Freund jetzt prompt.

„Dann eben Warschau.“ Josh machte eine wegwerfende Geste und deutete ungeniert mit dem Finger auf Sally.

„Sie legt sich auf den Rücken und spreizt die Beine. Null Initiative.“ Sally, die gerade den Bourbon vor Mitch auf den Tresen stellte, schaute zu Boden und wurde rot. Offenbar hatte sie seine letzten Worte gehört. Nicht, dass Joshua das besonders gestört hätte. Es war Sallys Entscheidung gewesen, sich mit ihm einzulassen, und sie kannte ihn. Sie wusste, wer er war. Und er wusste jetzt auch, wer sie war: eine der langweiligsten sexuellen Erfahrungen seines Lebens, und er hatte eine Menge davon gehabt.

„Hm. Vielleicht lag es an dir, alter Freund.“ Mitch zwinkerte ihm zu und lachte leise.

„An mir, hm?“ Joshua schnaufte verächtlich. Er griff nach seiner Zigarettenschachtel und klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Hier, in dieser exklusiven Atmosphäre, gab es kein Rauchverbot, keine Gesetze. „Wir werden sehen, was Mindy sagt.“

Er nahm seinen Bourbon und trank einen kräftigen Schluck. Sein Magen wurde zum Feuerball.

Mitch trank ebenfalls von seinem Martini und schaute über den Glasrand hinweg in Richtung Tür. Seine Haltung straffte sich, und ohne sich umzuschauen wusste Joshua, dass Mindy die Bar betreten hatte. Er würde sie kriegen. Er wusste, dass er sie kriegen würde. Dabei war Mitch, der Sonnyboy, ein Frauentyp, keine Frage. Wäre da nicht die Sonnenbrille, die er trotz der schummrigen Beleuchtung trug, die jeglichen positiven Eindruck, den er mit seiner blonden Fönfrisur und dem Maßanzug gemacht hätte, zunichte machte. Das Ungetüm auf seiner Nase verlieh ihm das Aussehen einer überdimensionalen Stubenfliege. So würde er keine Punkte machen, das stand außer Frage. Die Tatsache, dass Mitch bei Mindys Anblick fast schon der Speichel aus dem Mundwinkel lief, machte ihn noch unattraktiver. Zu viel Engagement mochten die Frauen nicht.

Ohne seine ausdruckslose Miene zu verändern, schaute Joshua über die Schulter. Er holte sein Feuerzeug aus der Tasche. Eine kleine Flamme entzündete seine Zigarette, und er inhalierte den Rauch tief. Es schmeckte ihm nicht. Er rauchte, weil es gegen die Regeln war und er es genoss, sie zu brechen. Im Alltag rauchte er nie.

Mindy sah großartig aus. Ausnahmsweise bedeckte ihr enger Rock die Hälfte ihres Oberschenkels. Die Bluse, die sie trug, war dunkelrot und trug dazu bei, dass sie so etwas wie Klasse ausstrahlte. Eine ganz neue Seite an ihr. Josh stieß den Rauch aus und wandte ihr wieder den Rücken zu, ohne sie auch nur zu grüßen, während Mitch sie eifrig zu ihnen dirigierte.

„Mindy! Lust auf einen Drink?“ Er rückte einen Barhocker heran. Joshua lachte innerlich. Sein Freund musste wirklich noch viel über Frauen lernen. Er zog erneut an seiner Zigarette. Er würde die Zeit und den steigenden Alkoholpegel für sich arbeiten lassen. Er formte mit seinem Mund einen Rauchkringel, der langsam in Richtung Decke der Bar schwebte und sich schließlich in Luft auflöste.

„Ich freu mich so, dich mal wieder zu sehen“, säuselte Mitch los und rückte seine Brille zurecht. Mindy kicherte. Eindeutig amüsiert. Joshua zog wieder an seiner Zigarette.

„Hi, Jungs. Joshua, dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen.“ Mindy schaute ihn an. Er nickte fast unmerklich und blies einen weiteren Rauchkringel in die Luft.

„Einen Mojito, bitte“, wandte sie sich in Richtung Mitch, der noch auf ihre Bestellung wartete. Der winkte mit wilder Geste der Barfrau und wischte sich dabei beinahe das Brillenungeheuer von seiner Nase. Joshuas Mundwinkel zuckten, als Mitch nach seiner Brille langte und dabei auf die Gläser fasste. Der fettige Fingerabdruck seines rechten Daumens prangte jetzt auf der verspiegelten Fläche.

Mindy schien das Missgeschick gar nicht aufgefallen zu sein.

„Joshua, dein Hemd sieht toll aus“, flötete sie in seine Richtung.

Wieder nickte er nur und ignorierte sie ansonsten. Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, dann drückte er sie im Aschenbecher aus, wandte sich Mindy und Mitch zu und blies den Rauch über ihre Köpfe hinweg.

„Was treibst du denn immer so, Mindy? Hat dir schon jemand gesagt, dass deine Bluse ein Traum ist?“ Mitch beugte sich vor und starrte in Mindys Ausschnitt, als wäre ihm ein Hundert-Dollar-Schein hineingefallen.

Mindy wich ein Stück zurück, und Mitch fiel fast von seinem Barhocker. Dabei hatte er doch noch gar nicht so viel getrunken. Aufregende Frauen ließen ihn jede Coolness vergessen. Warum er sich überhaupt noch auf derartige Wettbewerbe mit Joshua einließ, wo er am Ende doch so gut wie immer den Kürzeren zog, war ihm schleierhaft.

„Danke.“ Mindy war rot geworden und versuchte, den obersten Knopf ihres Oberteils zu schließen, ein Unterfangen, bei dem sie kläglich scheiterte, weil die Bluse mindestens zwei Nummern zu klein dafür war.

„Und bei dir so, Josh?“

„Bei mir so?“ Er hob die Augenbrauen. Langsam krempelte er die Ärmel seines Hemds ein kleines Stückchen hoch.

Mindys Blick fiel auf seine muskulösen Unterarme. Er war mittlerweile so gut trainiert, dass die einzelnen Muskelstränge sich schon bei der kleinsten Bewegung abzeichneten. Und Joshua wusste, welche Wirkung er damit erzielte. Mindys Gesichtsausdruck sprach Bände.

„Na, was du so machst?“

„Ich sitze in einer Bar und suche mir eine Frau aus.“ Er schaute sich im Raum um, bewusst an Mindy vorbei.

„Und du, hm, Mindy, was geht bei dir?“, mischte Mitch sich ein.

„Mal sehen, was ich so mache“, sagte sie, was letztlich bedeutete, dass sie auf der Suche nach einem Date war. Sie versuchte ein letztes Mal, ihre Bluse zuzumachen, und scheiterte erneut.

Mitch rückte seinen Barhocker in Richtung Mindy, die sich daraufhin ein wenig in Joshuas Richtung lehnte. ‚Ihre Brüste kommen in der Bluse wirklich eindrucksvoll zur Geltung’, dachte er. Solange sie den Mund hielt, konnte das ein guter Abend werden, ein sehr guter Abend sogar.

„Und, hast du schon eine Frau gefunden?“

„Nein. Es ist keine da, die mir so richtig gut gefällt.“ Er wandte sich ihr zu und fixierte sie kurz. Mindy lief knallrot an.

Sally, die Barkeeperin, brachte in diesem Augenblick den Mojito und knallte ihn auf den Tresen, so fest, dass etwas von der Flüssigkeit und ein Pfefferminzblatt auf den Tresen schwappten.

„Welche Laus ist der denn über die Leber gelaufen?“ Mindy schnippte das Blatt mit spitzen, rotlackierten Fingernägeln von der Theke und griff nach dem Cocktailglas.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Joshua griff nach seinem Bourbon und nippte daran, während er auf Sallys Po starrte, der jeden Reiz für ihn verloren hatte. Er war ein Jäger. Wenn die Beute gemacht war, verlor sie den Reiz. Er zündete sich eine weitere Zigarette an und blies zwei Rauchkringel in die Luft.

Mitch beobachtete das Geschehen hinter schmutzigen Brillengläsern. Er stürzte seinen Brandy hinunter und verzog das Gesicht. Joshua wusste, dass sein Freund starken Alkohol eigentlich hasste. Er mochte Erdbeermargheritas und Piña Coladas. Aber seine Vorstellung von Maskulinität verbot es ihm meistens, seinen geschmacklichen Gelüsten zu folgen.

Joshua nahm einen weiteren kleinen Schluck aus seinem Glas und winkte Sally, damit sie ihm nachschenkte. Sie tat es mit eiserner Miene.

„Sally, mein Freund Mitch hier hat gesagt, ihm gefällt dein Rock.“ Es war an der Zeit, mit harten Bandagen zu kämpfen.

An ihrem Blick änderte sich nichts. Sie ging zur anderen Seite des Tresens, wo ein Besoffener nach Nachschub grölte. Überall sonst wäre man mit so einem Benehmen rausgeflogen. Aber der mehr als angeschlagene Typ war ein Politiker, der sich hier seine Freizeit jenseits des Weißen Hauses vertrieb - mit einem fetten Geldbeutel und deshalb so wenig ein Problem im ‚LiveLove’ wie Joshuas Zigarette. Die Hand des Politikers hing im Ausschnitt des Minikleids der Prostituierten, die verkniffen lächelnd auf seinem Schoß saß, die Hand auf seiner Glatze, während der Mann vom Secret Service, der ihn begleitete, bemüht diskret wegschaute und die Umgebung beobachtete.

Mitch beugte sich vor und haute Joshua gegen den Arm.

„Warum hast du das gesagt?“

Er zuckte mit den Schultern und grinste. Mitch war klar, dass spätestens jetzt all seine Felle davongeschwommen waren. Aber er war nicht wortgewandt genug, sofort etwas zu erwidern. Vielleicht war er auch einfach nur zu nett, um Joshua eins reinzuwürgen. Als er doch ansetzte, etwas zu sagen, fiel ihm Mindy ins Wort und brachte das Gespräch zurück an den Anfang.

„Und dir gefällt wirklich keine einzige Frau hier im Raum?“ Mindy zog einen enttäuschten Flunsch. Sie begann wieder, an ihrer Bluse herumzuzupfen und streckte Joshua ihre Titten entgegen.

„Hm. Vielleicht. Hast du eine Idee?“ Joshua durchbohrte sie mit seinen Augen, was sie ein weiteres Mal erröten ließ. Meine Güte, es würde so erschreckend einfach sein!

VICTORIA DA SILVA

„Und der hier macht einfach wunderbar spitze Brüste!“

Wer wollte denn spitze Brüste? Victoria starrte auf ein Ungetüm von BH, das nicht nur spitze Brüste machte, sondern auch die Körbchengröße um mehrere Nummern anschwellen ließ.

Joanne hatte Kim als Dessous-Fee vorgestellt. Jetzt saß Victoria mit Joannes Hühnerhaufen in einem Haufen Unterwäsche in Neonfarben und versuchte interessiert auszusehen, während sie ihre Gedanken schweifen ließ.

Natürlich war Joanne aufgefallen, dass Victoria gekommen war, weil bei ihr Zuhause der Haussegen schief hing. Aber sie war so nett gewesen und hatte vor ihren Freundinnen nicht nachgefragt. Sonst hätte das Gackern wieder kein Ende gefunden, und das Letzte, was Vicky wollte, war, ihr Privatleben vor einem herumflatternden Haufen Washingtoner Singlefrauen auszubreiten, die sich für Schminke und Dessous interessierten und damit ihre gesamte Hirnkapazität schon ziemlich gut ausnutzten.

Victoria lehnte sich auf Joannes rosa Sofa zurück und schaute sich um. Es gab tatsächlich Wohnungen, in denen es kein einziges Buch gab, und das, obwohl Joanne in einer Buchhandlung arbeitete. Aber selbst ihre jahrelange Arbeit bei ‚Big in Books’ hatte nicht dazu geführt, bei Joanne Lesebegeisterung zu entfachen – wenn man mal von ein paar E-Books absah. Als der Hühnerhaufen ‚Fifty Shades of Grey’ gelesen hatte, war selbst Joanne nicht darum herum gekommen, es ihnen nachzutun, und hatte sich besagtes E-Book auf ihren Reader geladen.

Joanne lebte gemeinsam mit ihrer Freundin Celine in einer WG. Für sie allein wäre die Wohnung einfach zu teuer gewesen. Die beiden Frauen hatten sich eine Art rosa Mädchenhöhle erschaffen. Es gab sogar pinke Plüschvorhänge. Celine sammelte Wackelkopffiguren, nicht nur Winkekatzen, sondern alle möglichen Plastikfiguren, die sich bewegten. Mittlerweile hatten sich so viele in dem hellrosa Regal angesammelt, dass es aussah, als würde sich das ganze Regal bewegen. Selbstredend hatte Celine extra eine Beleuchtung an dem Möbelstück anbringen lassen, damit die Figuren auch nach Feierabend für sie tanzten, und das leise Klackern von Winkekatzen, Wackelpflanzen und Figuren, die mit dem Kopf nickten, erfüllte den Raum.

Kim hielt gerade einen Stringtanga aus Netzstoff hoch. „Schaut mal, Ladies! Hiermit kriegt ihr jeden Fisch ins Netz, wenn ihr versteht, was ich meine.“

Celine kicherte und streckte die Hand nach dem winzigen Stoffstück aus. Ihre Fingernägel waren – natürlich rosa mit Glitzersteinchen – frisch lackiert. Ihr ganzer Tag schien sich nur um ihr Aussehen zu drehen, unglaublich, wie man so sehr auf Nichtigkeiten fixiert sein konnte.

Victoria fühlte sich fehl am Platz. Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen, Hauptsache weg von der Unterwäscheschlacht. Stattdessen nahm sie einen großen Schluck des billigen Sekts. Dann stellte sie ihn auf den Tisch und griff sich die Chips-Schüssel. Sie war ohnehin die Einzige, die bei den Snacks kräftig zulangte, seit Celine verkündet hatte, dass die Bikinisaison vor der Tür stand und sie es daher vorzog, auf ihre Linie zu achten. Natürlich hatten alle Hühner ihrer Leithenne zugestimmt und schenkten den Snacks seitdem keine Beachtung mehr. ‚Um so besser, mehr für mich’, dachte Victoria trotzig und steckte sich eine Hand voll Rifflechips in den Mund. ‚Köstlich’, dachte sie trotzig und langte erneut in die Schüssel, während Celine und Joanne kichernd nach einem BH griffen, der aussah, als hätte er eingebaute Nippel. Sollte es so etwas tatsächlich geben? Victoria runzelte die Stirn. Es war zum Fremdschämen.

Kim Dessous-Fee wandte sich an Victoria. „Was sind denn so deine Vorlieben? Ich hätte da auch eine ganz tolle Lederkombination im Gepäck. Mit Peitsche als Accessoire. Du siehst mir so aus, als ob dir das gefallen könnte.“

Die Chips blieben Victoria fast im Halse stecken. Sie als Domina? Der Gedanke war so absurd, dass nicht nur sie, sondern auch Joanne und Suzanne, die bisher unauffällig Strings begutachtet hatte, in hysterisches Gelächter ausbrachen.

„Victoria ist ein Bücherwurm“, sagte Joanne, als sie sich schließlich beruhigt hatte – als ob das eine Erklärung für alles wäre. „Sie liest und schreibt sogar selbst.“

Oh, wenn Joanne das doch nicht gesagt hätte. Immer, wenn das Thema auf ihre Schreiberei kam, fühlte Victoria sich unangenehm berührt. Auch jetzt spürte sie, wie sie unruhig wurde. Victoria stellte die Chips-Schüssel auf den Tisch und machte sich die Finger mit einer kleinen Serviette sauber.

„Kann man denn schon was von dir lesen?“ Kim war gerade dabei, sich den Nippel-BH zu Vorführzwecken umzuschnallen.

„Ähm ...“ Es war einfach furchtbar. Erfolglose Schriftstellerin war ungefähr das Schlimmste, was man überhaupt sein konnte. Dabei liebte sie das Schreiben, wenn Geschichten aus ihrem Kopf heraus auf das Papier flossen. Wenn ihre Protagonisten ein Eigenleben bekamen, verschwand sie in den Welten, die sie selbst erschuf.

Blöderweise war allerdings das Manuskript ihres Liebesromans bisher von allen Verlagen zurückgeschickt worden, und langsam, aber sicher hatte sie das Gefühl, eine elende Stümperin zu sein.

„Ihr Buch ist wunderbar.“ Joanne sprach im Brustton der Überzeugung. Victoria war ihrer Freundin wirklich dankbar, auch wenn diese noch keine Zeile von ihr gelesen hatte.

„Da würde ich doch zu gerne mal reinschnuppern“, sagte Kim und versuchte zeitgleich, den Verschluss des BH-Ungetüms zu schließen. Aber ihre Verrenkungen blieben erfolglos.

„Könntest du vielleicht mal ...?“ Sie wandte sich an Celine, um ihre Aufmerksamkeit dann sofort wieder Victoria zuzuwenden. „Was ist es denn nun für ein Buch, und wo ist es erschienen?“

„Es ist ein Liebesroman und noch nicht auf dem Markt.“

„Ach so.“ Täuschte sich Victoria oder hörte sie aus Kims Worten heraus, dass sie auf sie herabsah? Ein wissender Tonfall, der verriet, was sie von Victorias Schreiberei hielt – nämlich gar nichts?

Sie musste dringend das Thema wechseln. Die Tatsache, dass scheinbar kein einziger Verlag ihr Buch veröffentlichen wollte, war zu schmerzhaft für sie. Das Buch, ihr Liebesroman, war ihr Traum. Sie hatte ein Jahr daran gearbeitet, wann immer ihre Zeit es zuließ. Dass es jetzt in der Schublade verstaubte, war eine grässliche Vorstellung. Außerdem gab es so viele Bücher, denen das ihre in nichts nachstand, so viele belanglose Liebesschnulzen, welchen sie, so dachte sie wenigstens, durchaus das Wasser reichen konnte.

Sie versuchte, ihren verletzten Stolz hinunterzuschlucken. Märchen wurden eben nicht wahr. Das Leben war nicht immer ein Traum, der irgendwann Realität wurde. Das Leben, ihr Leben, bestand aus Bücherstapeln und einem biertrinkenden Johnny zu Hause auf dem Sofa.

„Ist ja auch egal.“ Sie schaute Celine dabei zu, wie sie den BH-Verschluss umständlich schloss. Dann zog Victoria ein paar Strumpfhalter und dazu passende hauchdünne Strümpfe aus einem Stapel.

„Was kosten die?“ Victoria hätte alles getan, um von ihrem Schubladenbuch abzulenken. „Ich brauche unbedingt solche Strümpfe.“

„Halterlose, hm? Hätte ich gar nicht gedacht, dass du der Typ dafür bist.“ Kim kicherte dämlich und sah mit dem umgeschnallten Nippel-BH auch nicht intelligenter aus. Sie nannte einen utopischen Preis, aber Victoria nickte trotzdem und behielt die grässlichen Strümpfe auf ihrem Schoß. Die Schüssel mit den Chips stellte sie gleich obendrauf und griff wieder hinein.

Die anderen Frauen gackerten weiter wild durcheinander. Suzanne wollte unbedingt das Nippelmonstrum, während sich Celine jetzt für einen BH mit Paillettenbesatz interessierte. Joanne war im Tanga-Himmel und verkündete, dass sie künftig nur noch ein Nichts von Höschen zu tragen gedenke, im Sinne des Feminismus. Was das allerdings mit feministischen Zielen zu tun haben sollte, ihre Brüste ab sofort frei wackeln zu lassen, war Victoria nicht klar. Der Vorsatz würde vermutlich eh nicht für die Ewigkeit sein.

Sie schaute in die Runde. Alle Frauen waren voll bei der Sache. Irgendetwas stimmte vielleicht einfach nicht mit ihr selbst.

„Und wer für über fünfzig Dollar einkauft, darf sich ein Sexspielzeug gratis aussuchen!“ Kim breitete die Arme aus. Victoria seufzte leise. Es würde ein sehr langer Abend werden – wenn auch nicht länger als Zuhause, versuchte sie sich zu trösten. Als Joanne ihr Sektglas ein zweites Mal vollschenkte, sagte sie nicht nein.

Alle waren weg, sogar Celine hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Nur die klackernden Wackeltiere und Joanne waren noch da. Victoria sollte auch nach Hause gehen. Auf ihrem Schoß lagen noch immer die dämlichen Strümpfe, die sie im Leben nicht tragen würde. Sie hob sie mit spitzen Fingern hoch.

„Ist es jetzt also schon so schlimm zu Hause, dass du freiwillig zu meinen Wäschepartys kommst?“

Victoria fielen die Strümpfe aus der Hand. „Woher weißt du das?“

„Ach, Vicky, hast du mal in den Spiegel geschaut? Man sieht dir dein Unglück an. Deine Klamotten schlackern an dir herunter, und du schaust die meiste Zeit drein wie drei Tage Regenwetter. Außerdem hast du halterlose Strümpfe gekauft. Ich habe dich nie mit was anderem als Hosen gesehen.“

Victoria seufzte laut.

„Ich habe also recht!“, stellte Joanne fest.

„Ja“, antwortete Victoria schlicht. „Seit Johnny arbeitslos geworden ist, ist es schwierig mit ihm geworden. Er hockt auf dem Sofa und verschmilzt langsam aber sicher damit. Wir leben nur noch nebeneinander her.“

„Wenn er wieder arbeitet, wird es sicher besser.“ Joanne, die Optimistin.

Victoria schüttelte den Kopf. „Ich hoffe es. Aber im Moment sucht er nicht einmal nach Arbeit. Er schaut fern und kratzt sich zwischen den Beinen.“ Ihr Frust kam deutlicher zum Ausdruck, als sie es gewollt hatte. Die Gehässigkeit war draußen, bevor sie sich zurückhalten konnte. Ihre Wut war noch immer nah an der Oberfläche.

„So schlimm, hm?“

„Ja. Ich habe das Gefühl, dass in meinem Leben gerade gar nichts so funktioniert, wie ich es möchte.“ Sie dachte an ihren Briefkasten und daran, dass nur Rechnungen ihren Weg durch den Schlitz fanden.

Joanne griff nach ihrer Hand und drückte sie. „Dafür machen wir am Wochenende so richtig einen drauf. Das wird dich auf andere Gedanken bringen.“

„Oh nein, mir ist überhaupt nicht nach Ausgehen!“, wehrte sie sofort ab.

Ihre Freundin schaute sie entgeistert an. „Du hast meinen Geburtstag vergessen.“

Mist! Hatte sie wirklich. „Natürlich nicht“, erwiderte Victoria dennoch wie aus der Pistole geschossen.

„Doch, hast du.“ Joanne grinste. „Ist nicht schlimm. Hauptsache, du kommst. Ich feiere im ‚Ball Room’, wie jedes Jahr.“

Oh Gott, das auch noch. Der ‚Ball Room’ war eine Nobeldisco, in der ein Glas Mineralwasser schon ein halbes Vermögen kostete. Mit Kronleuchtern und so lauter Musik, dass Victoria sich beim letzten Mal gewünscht hatte, sie hätte Ohrstöpsel dabei. Der Hühnerhaufen war natürlich überglücklich gewesen. Sie selbst allerdings hatte den ganzen Abend allein an der Bar gestanden und darauf gewartet, dass die Zeit verging.

„Natürlich, im ‚Ball Room’.“ Sie zwang sich, ihrer Freundin zuzulächeln. Es war ihr Geburtstag, und sie wollte ihn ihr nicht schon im Vorhinein vermiesen.

„Du denkst an die Kleiderordnung, ja?“ Joanne nahm einen winzigen Schluck Sekt.

„Ja. Natürlich.“ Mit Jeans hatten Frauen keinen Zutritt in die Disco. Im letzten Jahr hatte Celine, ausgerechnet Celine, eine dieser topmodernen, nietenbesetzten und an den Knien aufgerissenen Jeanshosen getragen. Der Türsteher war darüber alles andere als amüsiert gewesen und sie musste zurück nach Hause zum Umziehen. Victoria selbst hatte eine Samthose in dunkelrot mit passender schwarzer Bluse angehabt. Damit war sie bestens durchgekommen. Aber in diesem Jahr würde die Hose an ihr aussehen wie ein Zelt. Sie hatte wirklich zu wenig gegessen in letzter Zeit.

„Vielleicht kannst du gleich die Strümpfe einweihen?“, schlich Joanne sich in ihre Gedanken.

„Mit einem schicken Kleid wäre das ideal für den ‚Ball Room’.“ ‚Wo Joanne recht hat, hat sie recht’, dachte Victoria schicksalsergeben. Das schwarze Seidenkleid würde gehen, mit einem Gürtel dazu könnte das beinahe gut aussehen.

Sie schaute auf die Uhr. Es war nach Mitternacht, und morgen mussten sie und Joanne schon um acht im Geschäft stehen.

„Du, ich geh jetzt langsam. Wir müssen beide in der Früh arbeiten.“

„Ja.“ Joanne stand auf, als Victoria sich erhob.

„Und tut mir leid, dass ich deine Schreiberei erwähnt habe. Ich weiß, dass du empfindlich bist. Aber du kennst mich ja. Mein Mund ging auf, und die Worte sind einfach rausgepurzelt.“ Die Freundin machte eine hilflose Geste, die Victoria zum Lachen brachte.

„Ja, ich kenne dich. Ist nicht so schlimm. Ich sehe es jetzt eben mehr als mein Hobby.“

„Hat sich noch immer kein Verlag gemeldet?“

„Nein. Und um ehrlich zu sein, rechne ich auch nicht mehr damit.“ Ihre Enttäuschung war unverhohlen. Sie stopfte ihre Strümpfe in die Handtasche und drehte sich wieder zu Joanne um. „Gute Nacht, Jo. Wir sehen uns morgen in alter Frische, ja?“

Die Freundin beugte sich vor und küsste Victoria auf die Wange. „Bis dann. Und lass dich nicht unterkriegen.“

Victoria winkte Joanne über die Schulter hinweg zu und machte sich auf den Heimweg. Mit etwas Glück war Johnny auf dem Sofa eingeschlafen. Sie wollte an diesem Abend nichts weniger als mit ihm ein Bett zu teilen.

JOSHUA MALOY

„Gehen wir zu dir?“ Mindy roch nach Kinderkaugummi. Ihr Lippenstift war leicht verwischt. Sie hing an Joshuas Arm, als sie die Bar verließen. Mitch war am Tresen zurückgeblieben und leckte seine Wunden. Die Bermudas waren Joshua sicher.

„Ganz bestimmt nicht“, erwiderte er auf Mindys Frage. Joshua nahm nie eine Frau mit nach Hause. Er ging ins Hotel. Das war seine feste Regel. Wie er lebte, ging niemanden etwas an. Mit seinem Namen bekam er in jedem guten Hotel der Stadt ein Zimmer, egal wie ausgebucht das Haus war. Es würde also kein Problem sein, ein Bett aufzutreiben.

Joshua winkte ein Taxi heran.

„Dann fahren wir zu mir nach Hause.“ Mindy zerrte an seinem Hemd und versuchte, ihre Hand darunter zu schieben. Joshua hielt sie mit eisernem Griff fest.

„Nein. Und nein.“ Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. Er öffnete die Tür des Taxis, das neben ihm gehalten hatte und stieg ein, ohne Mindy weiter zu beachten. Joshua wusste, dass sie hinter ihm her in den Wagen kriechen würde, obwohl er sich so gar nicht wie ein Gentleman verhielt – oder vielleicht gerade deshalb. Er verstand nicht, warum er mit seiner ruppigen Art fast immer bei den Frauen punktete.

„Wo fahren wir dann hin? Willst du mich überraschen?“ Sie plumpste auf den Sitz neben ihn.

„Auch nicht. Ich will dich nicht näher kennenlernen, das ist alles. Wir werden ein paar nette Stunden haben und fertig. Verstanden?“ Er hielt nichts von Lügen. Sie sollte wissen, worauf sie sich einließ – oder auch nicht, es bedeutete ihm nichts.

Sie nickte, wie er es erwartet hatte. Dann beugte sie sich zu ihm herüber. Was sollte das denn werden? Er schob ihren Kopf von seiner Schulter. „Ich bin kein Bett.“

Mindy setzte sich wieder aufrecht hin. Die Fahrt verlief schweigend. Als das Taxi hielt, zog Joshua einen Schein aus seiner Jackettasche, beachtete ihn nicht weiter, das Geld würde reichen, und gab ihn dem Taxifahrer. „Danke. Der Rest ist für Sie.“

Mindy schälte sich aus ihrem Sitz, hielt Joshua für einen kurzen Moment ihren Knackpo ins Gesicht. Mit etwas Glück würde es gut werden.

Einen Moment später stand er neben ihr auf der Straße vor dem ‚Four Seasons’. Er mochte das Hotel, die schlichte Fassade mit den Fahnen, das runde Vordach. Das Gebäude hatte Klasse. Er ging voraus, Mindy stöckelte hinter ihm her.

„Mr. Maloy! Welche Freude Sie zu sehen.“ Der Portier am Eingang deutete eine Verbeugung an. Joshua war oft genug hier, um auch ohne Ausweisdokumente erkannt zu werden. Er nickte in Richtung des Angestellten in der grauen Livree und ging schnurstracks zur Rezeption.

„Mr. Maloy.“ Auch die ältere Dame hier am Schalter kannte ihn. Sie war eine langjährige Mitarbeiterin des Hotels.

„Ich bräuchte ein Zimmer. Keine Suite. Wir bleiben nicht lange.“ Er schaute zu Mindy hinüber, die mitten im Foyer stand und sich umschaute. Wie schon so manch anderer Frau vor ihr gefiel ihr das Gefühl, eine Prinzessin zu sein. Das mochten sie alle. Wenn sie noch einen Funken Zögern in sich getragen hatte, war dieser beim Betreten des Hotels erloschen. Der Anblick der beleuchteten Säulen, die das Treppenhaus einrahmten, die Marmorstufen, die blitzblanken Armaturen – all das hatte ihr den Rest gegeben.

„Hier sind die Schlüssel. Zimmer 458.“

„Vielen Dank. Sie schicken mir die Rechnung wie immer ins Büro.“ Joshua nickte der Rezeptionistin zu, die keine Miene verzog. Trotzdem: Er glaubte zu wissen, was sie von ihm dachte – und es interessierte ihn kein bisschen. In seiner Position gab es so gut wie niemanden mehr, der einem widersprach, und Joshua liebte es, genau das zu tun, worauf er Lust hatte. Apropos Lust.

„Mindy!“

Sie zuckte zusammen, als er sie mit herrischer Stimme rief. Ihr Auftreten, der Rock, die Bluse, die im hellen Licht des Rezeptionsbereichs eher nuttig als klassisch wirkte, die zu hohen Absätze ihrer Pumps – all das wollte nicht in das vornehme Ambiente des Hotels passen. Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte. Mindy stakste hinter Joshua her zu den Aufzügen. Sie sprachen wieder kein Wort, während sich der Fahrstuhl langsam nach oben bewegte und im vierten Stock zum Stehen kam. Ihm war das nur recht.

„Hier entlang.“ Joshua kannte sich in dem Gebäude aus.

Das Zimmer war klassisch, weiße Bettlaken, ein kleines Sofa, das große Panoramafenster mit Aussicht über die Stadt. Er schlüpfte aus seinem Sakko und warf es auf den Stuhl am Schreibtisch. Dann ging er zur Minibar und holte sich einen weiteren Bourbon heraus, den er in eines der bereitstehenden Gläser goss. Joshua nahm einen großen Schluck. Jetzt war er bereit.

Mindy stand im Türrahmen, unsicher und abwartend. Er ging auf sie zu, zog sie herein und schloss die Tür hinter ihr. Ohne ein Wort an sie zu richten, nahm er sie am Arm und dirigierte sie zum Bett. Er warf sie ohne Umschweife auf die weiße Bettdecke. Sie kicherte laut. Doch als er sich über sie kniete, erstarb der Laut abrupt, und ihr Ausdruck wurde ernst. Joshua schloss für eine Sekunde die Augen, wie um sich zu sammeln. Dann schaute er sie an. In ihren Augen las er ihr Verlangen, eine Gier, die er schon so oft bei Frauen gesehen hatte. Das Animalische, Wilde. Sie wollte ihn. Gut so.

Er war nicht auf der Suche nach Liebe, nur nach Befriedigung. Er fasste die Bluse von Mindy links und rechts am Kragen und riss sie einfach auf. Ein Knopf sprang so heftig ab, dass er auf dem Boden landete und ein leise klackerndes Geräusch erzeugte.

Mindys Brustkorb hob und senkte sich im Rhythmus ihrer heftigen Atemzüge, ihre Augen waren weit aufgerissen. Ihr roter BH ließ ihre Brüste über den oberen Rand quellen. Joshua riss ihn auf. Dann wandte er sich ihrem Rock zu. Mit einer schnellen Bewegung schob er ihn nach unten. Natürlich, sie hatte nichts drunter. Damit hatte er gerechnet. Es war eine Art stumme Vereinbarung im ‚Livelove’. Die Frauen dort ließen oft sehen, dass sie auf gewisse Kleidungsstücke verzichteten. Der schmale Streifen Schambehaarung war alles, was Mindy noch trug. Sein Körper reagierte. Er öffnete Gürtel, Knopf und Reißverschluss. Dann zog er ein Kondom aus seiner Hosentasche. Joshua hatte immer ein Kondom dabei. Er war bereit. Mit den Zähnen riss er die Verpackung auf und spuckte etwas Plastik auf den Boden.

Dann nahm er Mindy, ohne sie wahrzunehmen.

„Oh Joshua!“ Sie versuchte, ihm das Hemd auszuziehen, ihn zu berühren, aber das war das Letzte, was er von ihr wollte. Er nahm ihre Hände und legte sie aufs Bett. Doch sie ergriff sofort wieder die Initiative. Himmel, verstand sie es nicht? Er wollte nicht mehr als schnelle Befriedigung. Es reichte, wenn sie seinen Rhythmus aufnahm und mitging. Joshua zog sich zurück. Mindy ließ ein kurzes Stöhnen hören und beugte sich ihm entgegen, bot sich ihm dar wie ein Stück Fleisch. Josh zog seinen Gürtel aus der Hose und band ihre Hände über dem Kopf zusammen, fest, so, dass sie sich nicht befreien konnte.

„So einer bist du also.“ Mindy ließ ein lustvolles Grinsen sehen, bereit, ihm alles zu geben. Er verachtete sie dafür. Trotzdem, sein Körper wollte Befriedigung und Vergessen. Wieder beugte er sich über sie und drang in sie ein, nahm sich, was er wollte, so, wie er es gewohnt war. Immer wieder stieß er zu. Sein Atem wurde heftiger. Joshua hielt die Augen geschlossen, er wollte sie nicht sehen, er wollte nicht wissen, dass sie überhaupt da war. Er ließ Bilder vor seinem inneren Auge aufsteigen, Bilder, die ihn erregten und die er sich im Alltag verbot. Und was er konstruierte, ließ seine Lust anschwellen, bis sie sich schließlich in einer gewaltigen Welle entlud. Aber Joshua fiel nicht über ihr zusammen. Er machte nur die Augen auf. Das reichte, nur die Realität reichte. Er spannte seinen Körper an, glitt aus ihr heraus und verschwand im Bad. Ihm war egal, was Mindy tat. Ob sie blieb oder ging. Er war mit ihr fertig. Der Abend war zu Ende. Er wusch sich gründlich, Hände und Gesicht. Nicht einmal ein scheinheiliger Kuss war nötig gewesen. Ungläubig schüttelte Joshua den Kopf. Nachdem er sich die Hände abgetrocknet hatte, kontrollierte er seine Frisur im Spiegel. Er schloss den obersten Knopf seiner Jeans und steckte das maßgeschneiderte Hemd wieder ordentlich zurück in den Bund.

Er brauchte seinen Gürtel.

Josh verließ das Bad und ging zu Mindy, die sich etwas im Bett aufgerichtet hatte und gerade versuchte, den Gürtel zu lösen, indem sie die Handgelenke verrenkte. Er löste die Fessel, die rote Striemen hinterlassen hatte. Mindy rieb sich die Handgelenke.

„Vielleicht können wir später etwas langsamer ...“, fing sie an.

„Später?“

„Na, wir haben die ganze Nacht, nicht wahr?“ Sie versuchte, mit ihren Fingern nach seiner Hand zu greifen, aber Joshua zog sich zurück und stand auf. Er fädelte seinen Gürtel in die Hose. Dann ging er zu seinem Sakko und schlüpfte hinein.

„Du kannst natürlich die Nacht hier blieben“, sagte er förmlich.

Mindys Gesichtsausdruck, eben noch von ihrer unbefriedigten Lust geprägt, wandelte sich hin zu Verwirrung und schließlich fassungslosem Verstehen. „Du gehst.“ Eine reine Feststellung.

„Natürlich. Was hast du denn gedacht?“

„Aber in der Bar, da ...“

„Da was?“

„Da sagtest du, du seist auf der Suche nach einer Frau.“ Sie war aufgestanden, mit aufklaffender Bluse und hängenden, dicklichen Brüsten stand sie jetzt vor Joshua. Die Farbe ihres Lippenstifts war auch auf ihrer linken Wange.

„Richtig. Das sagte ich.“ Joshua schloss einen Knopf seines Jacketts.

„Also?“

„Ich habe dir aber auch gesagt, dass es keine in der Bar gibt, die mir gefällt.“

Mindy war mit einem Schritt bei dem Bourbonglas, aus dem Joshua vorhin getrunken hatte, und warf es in seine Richtung. Behände wich er aus. Er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie wütend war.

„Lass dir eine neue Bluse hierher liefern. Ich sage unten an der Rezeption Bescheid, das geht auf meine Rechnung. Und ein Höschen. Du hast deines wohl irgendwo verloren.“

Mit diesen Worten verließ Joshua Maloy das Zimmer und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen, bevor Mindy noch irgendetwas sagen konnte. Es war Zeit, nach Hause zu fahren. Er war wahnsinnig müde.

Im Taxi schloss Joshua die Augen. Er lehnte sich nach hinten und ließ sich vom Geräusch des Motors mitnehmen. Die Fahrt ging rüber in die Chain Bridge Road, das waren ungefähr fünfzehn Minuten. Joshua hatte bewusst auf Chauffeur und Wagen verzichtet. Seine Ausflüge ins Nachtleben der Stadt verlangten Diskretion. Da verließ sich Josh nur auf sich selbst.

Joshua dachte an Mitch und die Bahamas. Klar, er hatte seinen Kumpel ganz schön in die Pfanne gehauen. Aber mit der Sonnenbrille wäre es eh nichts geworden – weder mit Mindy noch mit einer anderen Barschönheit. Joshua tastete nach seinem Smartphone. Mitch hatte ihm eine Nachricht geschickt.

„Hey, du mieser Scheißkerl! Ruf mich an danach, ja?“ Joshua grinste. Wie er gedacht hatte. Mitch war nicht wirklich böse. Schnell wählte er die Nummer seines Kumpels.

„Die Bahamas rufen uns, das ist dir klar“, sagte er, als Mitch abhob, anstatt einer Begrüßung.

„Ja, schon klar.“ Mitch lachte leise. „Hey, ich dachte mir, vielleicht könnten wir meine Cirrus nehmen?“

Er sagte es ganz beiläufig, als wäre es nichts. Für Mitch war es vielleicht auch nichts, aber Joshua ruckte nach vorne. Der Sicherheitsgurt schnitt ihm in die Schulter. Die Cirrus SR22 war ein Kleinflugzeug, ein Luxusflieger für vier Personen, und eines von Mitchs Spielzeugen. Früher waren sie beide begeisterte Hobbypiloten gewesen, die jede freie Minute in ihren Flugzeugen verbracht hatten – aber Josh war lange nicht mehr auf dem Flugplatz gewesen. Jetzt rieb er sich die schmerzende Stelle an seinem Schlüsselbein und fluchte leise.

„Nein, wir fliegen ganz normal. Du willst dich ja nur um die Kosten für mein Business-Class-Ticket drücken.“ Er bemühte sich um einen lockeren Tonfall. „So leicht kommst du mir nicht davon. Ich will Champagner und diese Kaviarschnittchen mit Meerrettich-Majo.“ Josh presste ein Lachen hervor, das Handy in seiner Hand viel zu fest an sein Ohr gedrückt.

Mitch fiel in sein Lachen ein. „Dann eben First Class. Du bist und bleibst ein Scheißkerl. Ich sag es ja.“

„Tja, was soll ich sagen?“ Langsam entspannten sich seine Finger ein wenig. Der Schweißausbruch, der ihm sein maßgeschneidertes Hemd einsaute, war trotzdem nicht mehr aufzuhalten. „Wir hören uns morgen, ich muss ins Bett nach der Nummer, die ich eben geschoben habe.“

Joshua hörte, dass Mitch noch irgendetwas sagte, aber er hatte das Telefon schon von seinem Ohr genommen und den roten Knopf gedrückt.

Sein Haus tauchte weiter vorne auf, und Josh spürte, wie ihn der Anblick seines Zuhauses noch weiter entspannte. In den Erdgeschossfenstern brannte Licht. Das Hausmädchen hatte alles vorbereitet, wie er es angeordnet hatte. Die riesige Villa war in den zwanziger Jahren erbaut worden, ein Gebäude mit Geschichte. Er liebte es, die große Auffahrt, die bis zur Haustür reichte, eine zweiflügelig, massige Holztür, die säulenumrahmt war und über der sich ein riesiger Balkon erhob. Die beiden Flügel links und rechts davon verfügten über mannshohe Fenster, aus denen jetzt warmes Licht in den riesigen, gepflegten Garten drang. Henry, der Gärtner, war ein Genie, das die parkartige Anlage perfekt im Griff hatte.

„Fahren Sie ruhig bis zum Portal vor“, wies Josh den Taxifahrer an, der zögerlich an dem großen Tor angehalten hatte. „Sie müssen nur dem Mädchen klingeln, dann macht es auf. Sagen Sie, Joshua Maloy sitzt in Ihrem Wagen.“

Das schmiedeeiserne Tor öffnete sich langsam nach beiden Seiten. Die beiden großen Steinlöwen, die links und rechts des Tores Wache hielten, beobachteten unbeeindruckt, wie das Taxi über den Kies zum Eingang gesteuert wurde. Josh zahlte und gab ein beeindruckendes Trinkgeld. Dann stieg er aus.

Hier draußen war es deutlich leiser als in Downtown Washington D.C.. Er liebte es, hier heraus in die Ruhe zu kommen. Als er sich der Haustür zuwandte, öffnete das Hausmädchen gerade die Tür. Sie trat beiseite, um ihn hereinzulassen. „Guten Abend, Sir. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht.“

Joshua biss hart die Zähne aufeinander und nickte. „Danke. Ganz wunderbar.“

Er freute sich so sehr auf sein Heim, dass er am Liebsten hineingerannt wäre, statt kontrollierte, gemäßigte Schritte zu tun. Doch er hielt sich zurück. Er ging langsam, wie es sich für ihn geziemte – und trat hinein in eine andere Welt.

VICTORIA DA SILVA

„Du siehst ja fantastisch aus!“ Joanne begrüßte sie mit Küsschen links und rechts und einer Umarmung, die so ausgiebig ausfiel, dass man hätte meinen können, sie hätten sich seit Jahren nicht gesehen und nicht erst heute Mittag zusammen Bücher verkauft.

„Na, wenn du schon Geburtstag hast.“ Victoria trug ein einst zu enges schwarzes Kleid, das ihr jetzt perfekt passte. Das Kleid war an den Ärmeln mit Pailletten besetzt, und auch unten am Saum war es entsprechend verziert. Sie hatte tatsächlich die Strümpfe mit den Strumpfbändern von der Unterwäscheparty angezogen und fühlte sich wohler in ihrer Haut, als sie gedacht hätte.

Im Alltag trug sie jeden Tag das, was sie ihre Bibliothekskluft nannte, meistens eine Stoffhose mit einer Bluse, wie es seitens ‚Big in Books’ verlangt wurde. Die Buchhandelskette legte größten Wert darauf, dass eine gewisse Kleiderordnung eingehalten wurde. Die Haare wurden kurz oder, wie in Victorias Fall, zu einer Zopffrisur gebunden getragen.

Heute aber trug sie ihre langen dunklen Haare nur lose hochgesteckt, sodass ihr ein Großteil über den Rücken fiel. Eines der Strumpfbänder rieb ein wenig am Oberschenkel, aber das war nicht weiter schlimm. Sie war dezent geschminkt, in einem dunklen Blaugrau, das das Blau ihrer Augen betonte. Dazu hatte sie einen blassroten Lippenstift gewählt. Sie war nicht der Typ, der sich mit Farbe zukleisterte, sondern wollte nur Akzente setzen.

Als sie sich aus Joannes Umarmung gelöst hatte, zupfte sie ihren Rock zurecht.

„Ich hab da hinten eine Nische reserviert, schon vor Wochen.“ Es war schwer, im ‚Ball Room’ einen Platz zu bekommen, von einer Reservierung ganz zu schweigen. Schon beim Reingehen hatte der Türsteher Victoria einen so vernichtenden Blick zugeworfen, dass sie für einen Moment befürchtet hatte, er würde sie gar nicht erst in den elitären Club hineinlassen. Allerdings bestand sie am Ende seine optische Prüfung wohl doch, und er winkte sie durch, wortlos und ohne ein Lächeln, versteht sich.

„Wo ist Johnny? Hast du ihn mitgebracht?“

Victoria schüttelte den Kopf. „Johnny hat etwas anderes vor.“

Sie sagte nicht, dass er laut schnarchend auf dem Sofa gelegen hatte, als sie sich für die Party fertiggemacht hatte. Wie so oft hatte er es tagsüber nicht geschafft, die Wohnung sauberzumachen oder sich gar ums Einkaufen oder Essenkochen zu kümmern. Genauso formulierte er es. „Ich habe es nicht geschafft.“ Die Chips-Tüte neben ihm auf dem Sofa war leer gewesen und sein T-Shirt noch voller Krümel. Klar, vermutlich hatte er es auch nicht geschafft, sich von den Überresten seiner Snackattacke zu befreien, dachte Victoria. Mit ihm, der dicklichen, arbeitslosen Couchpotatoe wollte sie erst gar nicht auf eine Party gehen.

Joanne dirigierte Victoria quer über die bereits gut besuchte Tanzfläche in den hinteren Bereich des Clubs, wo sich die Nischen im Halbkreis um den Tanzbereich gruppierten.

Victoria spürte jetzt schon, dass sich an ihrer rechten Ferse eine Blase bilden würde. Diese blöden hochhackigen Schuhe! Kein Wunder, solche Pumps trug sie sonst nie.

An Tanzen war jedenfalls nicht zu denken. Sie ließ sich undamenhaft in die Nische plumpsen.

„Celine und die anderen kommen gleich.“

Victoria zwang sich zu einem Lächeln. „Super.“

Wenn sie Joanne nicht so gerngehabt hätte, sie wäre gar nicht gekommen. Zwei Abende pro Woche mit der Frauentruppe war eigentlich zu viel für ihre Nerven.

„Martini mit Olive?“, brüllte Joanne in ihr Ohr. Man verstand sein eigenes Wort kaum.

„Gern.“ Joanne nickte und quetschte sich wieder durch die Menschen, zurück an die Bar, um Getränke zu holen.

Victoria schaute sich um. Eine Menge wogender Leiber, die Musik unfassbar laut. Fast schon schmerzhaft laut. Menschen wie aus dem Katalog, alle perfekt gekleidet, die Frauen perfekt geschminkt, Männer in Maßanzügen. Sie ertappte sich dabei, diese Scheinwelt zu verachten, diese scheinbar makellosen Fassaden der Washingtoner High Society. Am Nachbartisch wurde gerade eine riesige Flasche Champagner geöffnet, und eine Frau im neongelben Minirock ließ ein hysterisches Lachen hören, das bis zu Victoria herüberdrang. Die Frau war maskenhaft geschminkt, es sah aus, als wäre ihr Gesicht zentimeterdick mit Farbe eingekleistert. Victoria fragte sich, wie sie wohl ohne diese Schutzschicht aussah.

Sie wackelte eindrucksvoll mit ihrem gerade so bedeckten Hinterteil, das Champagnerglas in der Hand. Als sie eine fahrige Handbewegung machte, vermutlich schon angetrunken, ergoss sich ein Strahl des Getränks auf die Tischplatte. Erschrocken hob sie ihre freie Hand vor den Mund. Der Kerl, neben dem sie stand, reagierte gar nicht auf das verschüttete Prickelwasser. Er zog die Frau auf seinen Schoß. Es war ein alberner Typ mit Sonnenbrille in einem Hemd aus Seidenstoff, der im UV-Licht dubios aufleuchtete. Vermutlich machte ihn das irgendwie sexy – wenn man einen Neonrock trug.

„Martinis!“ Victoria hatte Joanne gar nicht gemerkt, die jetzt zwei Martinigläser mit kleinen Oliven-Spießen auf den Tisch stellte.

Sie setzte sich grazil neben Victoria, die Beine in ihrer hautengen Lederhose übereinandergeschlagen. Dann prostete sie der Freundin zu, die den Blick mit gezwungenem Lächeln erwiderte. Das Getränk war eiskalt und köstlich. Sie rührte mit dem kleinen Spieß in der Flüssigkeit herum. Gerade wollte Victoria die erste Olive naschen, als Joanne laut aufkreischte. „Celine!“

Joanne winkte. Auf der anderen Seite der Tanzfläche stand ihre Mitbewohnerin in einem knielangen rosa Rock mit passendem, mit Rüschen übersäten Oberteil. Sie sah aus wie eine Barbiepuppe. Ihre blonden Haare waren zu einem wirren Lockenturm aufgetürmt. Sogar der Lidschatten war rosa.

„Sie sieht mich nicht. Ich lauf rüber.“

Victoria nickte nur zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Hinter Celine tauchte noch der Rest der Damen auf. Auch Victoria stand jetzt auf. Joanne war schon bei den Freundinnen. Es wurde geküsst und umarmt und auf Victoria gezeigt, die freundlich lächelnd zurückwinkte.

Der Abend würde schon irgendwie vorbeigehen. Unauffällig schaute Victoria auf ihre Armbanduhr. Es wurde reingefeiert. Jetzt war es zehn. Zwei Stunden, dann war eh schon Mitternacht.

Die Frauen kamen auf sie zu, und der Umarmungsmarathon ging in die zweite Runde. Endlich saßen alle am Tisch, und Joanne entschied, dass jetzt Zeit für Champagner war. Victoria war es ein Rätsel, wie Joanne sich das alles leisten konnte mit dem schmalen Buchhändlerinnengehalt, das sie bekamen. Aber vermutlich sparte sie monatelang auf das Ereignis hin. Sie genoss es sichtlich, zu den Reichen und Schönen zu gehören – auch wenn es nur für einen Abend war. Victoria selbst war Materielles nicht so wichtig. Ihr kam der ‚Ball Room’ wie eine einzige, schön dekorierte Fassade vor.

Als Joanne den Schampus in Gläser goss, lehnte sie dankend ab und deutete auf ihr dreiviertel volles Martiniglas. Die anderen Frauen stießen begeistert mit dem teuren Getränk an. Sie hatte das Gefühl, mal wieder überhaupt nicht dazu zu passen. Wie gern wäre sie jetzt allein in ihrer Wohnung gewesen, mit einem guten Buch und einer Tasse Tee oder einem Glas Rotwein. Ihr ergebener Seufzer ging in einer Welle Bässe unter, die ihr durch Mark und Bein drangen.

„Tanzen wir?“, fragte Celine in ihr Ohr. Automatisch schüttelte Victoria den Kopf. Sie mochte das Herumgezappel nicht, das hier als Tanzen propagiert wurde. Ihr gefielen Standardtänze, die altmodischen, verstaubten Tänze, die heute niemand mehr zu tanzen schien. Außerdem schmerzte ihre Ferse wie verrückt – und irgendwo hörte die Freundschaft auf. Joanne sprang begeistert auf die Beine. Natürlich. Victoria lehnte sich zurück und machte eine abwehrende Geste, als Joanne nach ihrem Arm griff.

„Macht ihr mal. Du kennst mich – ich sitze gut.“ Sie würde hierbleiben und die Leute beobachten, während Joanne mit ihren Chicks das Tanzbein schwang.

Auch jetzt sahen sie aus wie ein gackernder Hühnerhaufen. Victoria lehnte sich zurück, ihren Martini in der Hand. Sie nahm den kleinen Spieß und steckte sich eine Olive in den Mund. Dann schaute sie auf die Uhr. Noch immer zehn. Wie war das nur möglich?

JOSHUA MALOY

„Sohn.“ Sein Vater hatte ihn schon immer so genannt, und alleine der Klang, wie er seinen Namen aussprach, richtete Joshuas Wirbelsäule gerade und er saß aufrecht in seinem Büro. Josh ärgerte sich über seine Reaktion auf den Tonfall seines alten Herrn. Aber gegen diese tief verwurzelten Mechanismen aus seiner Kindheit kam er nicht an.

„Dad.“ Josh lehnte sich zurück in seinen Schreibtischsessel.

„Wir müssen einige Dinge besprechen. Ich komme rüber.“

Sein Dad war wegen seiner Arthritis nach Miami gezogen, leitete aber noch immer den Großteil der Geschäfte selbst. Wenn er herüberkam, war irgendetwas im Argen. Hoffentlich hatte er selbst nichts verbockt.

„Ist gut. Wann landest du?“

„Deine Mutter und ich gehen morgen in der Früh noch zum Golfen, mit Donald und Melania, die sind in der Stadt. Danach irgendwann kommen wir. Ich nehme die Cessna. Du hältst dich frei.“ Joshua war in eine Familie aus Fliegern hineingeboren worden. Sein Dad hatte noch dazu eine diebische Freude an alten, kleinmotorigen Maschinen, und besaß einen kleinen Privathangar voller Flugzeuge. Den Teil seiner Freizeit, den er nicht arbeitend oder bei geschäftlichen Golfspielen verbrachte, war er in der Regel in der Luft.

„Kommt Mom mit?“