Brandon - Lisa-Marie Schaundegl - E-Book

Brandon E-Book

Lisa-Marie Schaundegl

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Beschreibung

Zweiter Teil der Kyrie- Reihe!!! SPOILER ALERT Der Krieg zwischen OneSheep und Bärenstein eskaliert während sich im Hintergrund die Intrigen und Machenschaften häufen. Die NKS unter der Führung eines ruchlosen Präsidenten geben dem Krieg neuen antrieb und verhärten die Fronten. Kyrie, die ihren neuen Namen  und Persönlichkeit vollkommen angenommen hat, kämpft an der Seite ihres Ehemanns Loke. Als allerdings ein Ereignis sie zwingt ruhigere Gewässer zu befahren, verändert sich ihre Sicht auf den Krieg und ihr Leben. Brandon dagegen versucht alles um seine kleine Schwester Coraline zu finden und gleichzeitig eine Armee anzuführen. Aber auch in seinem Team spielen nicht alle fair. Zusammen mit Coraline findet er ein dunkles Geheimnis und eine grausame Tatsache.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Lisa-Marie Schaundegl

Brandon

Sturm der Schlacht

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Titel

Brandon- Sturm der Schlacht

von Lisa-Marie Schaundegl

1. Der Morgen der Entscheidung

 

Das erste Jahr nach Bärensteins Eroberung war das schwerste.

Ich kann mich an all die neuen Regeln und Gesetze erinnern und an die Angst. Lähmende Angst, die es meinen Eltern schwer machte zur Arbeit zu gehen. Mein Vater war Schmied und wurde beinahe sofort zum Militärdienst gezwungen. Meinen Brüdern erging es nicht anders.

Mutter und ich blieben zurück. Wir arbeiteten in einer Schneiderei Tag und Nacht. Eigentlich mein Traum, aber mein Land, meine Freunde alles hatte sich verändert. In der Nähe meiner Stadt war sogar ein Henotello stationiert. Die Leute erzählten sich er habe teuflische Kräfte und nachdem jeder von Nelenias zerstörerischer Wut gehört hatte, waren zweifel ausgeschlossen.

Ich habe Angst vor der Zukunft, vor den Soldaten, die unsere Stadt überschwämmen. Sie dürfen alles, es gibt keine Gesetzte für sie.

Oriana, 16 Jahre alt, ein halbes Jahr vor ihrer Vergewaltigung

 

Der Sonnenaufgang brauchte orangenes Licht über das Land, sorgte einen Moment dafür, dass die Krater der Erde hervorgerufen durch einen grausamen Krieg schöner wirkten als sie tatsächlich waren.

Die Soldaten der Nachschicht legten sich müde, verstört und verletzt in die Betten der Tagschicht und waren schon Minuten danach eingeschlafen. Nur furchtbare Albträume hielten sie von dem dringend benötigten Schlaf ab. Die Soldaten der Tagschicht holten ihre Waffen und stürzten zur Front. Es war ein unbarmherziger Stellungskrieg.

Beerellon war geteilt. Bärensteins Armee und die Armee von OneSheep unter der Führung eines jungen Mannes namens Wolf. Beide Seiten versuchten die Moral aufrechtzuerhalten, doch nach mehr als drei Jahren herrschte immer noch ein erbitterter Krieg und keine der beiden Seiten wollte aufgeben oder verlieren.

Die Toten häuften sich und das Leid war greifbar. Mit der Tagschicht stieg auch Brandon aus seinem Bett, streckte sich und ging zum Fenster.

Sein Zimmer in Ohama, der größten Industriestadt Beerellons und der Hauptsitz OneSheeps, befand sich in einem unscheinbaren Gebäude in der Mitte der Stadt. Außer einem einfachen Bett, einem großen runden Tisch und einer kleinen Kommode gab es nichts im Zimmer.

Alle unwichtigen Holzmöbel wurden im letzten Winter verheizt worden. Es war ein furchtbarer Winter gewesen, von dem sich seine Leute nur schwer erholt hatten. Nur mit einer dunkelgrünen Hose bekleidet stellte sich Brandon ans Fenster und sah hinaus in die Stadt.

An diesem sommerlichen Morgen herrschte reges Treiben. Er konnte Kinder weinen und lachen, Mütter schimpfen und Arbeiter rufen hören.

Es war ein ganz normaler Tag und wüsste er nicht, dass Krieg herrschte, so hätte er sich fast glauben lassen können, dass dies eine friedliche Stadt war. Unruhig fuhr er sich durch sein schulterlanges Haar, es war so blond wie das seiner Schwester einmal gewesen war.

Ein Bild von Kyrie tauchte in seinem Inneren auf. Und wie jedes Mal wenn er an seine verlorene ältere Schwester dachte, wurde sein Herz schwer und traurig.

Seit drei Jahren war sie mit Loke Bärenstein verheiratet und beging in seinem Namen Gräueltaten. Tränkte ihre Hände in unschuldigem Blut.

Nur wenige wussten, dass Lady Nava, wie sie sich nun nannte und er Geschwister waren. Ihre Eltern waren lange tot und die kleine Schwester verschollen. Brandon hatte es nicht geschafft Coraline seinen Pflichten als Anführer vorzuziehen. So blieb sein Versagen ihr gegenüber immer in seinem Hinterkopf. Ein leises Stöhnen lenkte seine Aufmerksamkeit weg vom Fenster und hin zu der Frau mit der er sein Bett teilte.

Reina.

Die dunkelhaarige Schönheit, der seine ganze Liebe galt. Verschlafen setzte sie sich auf, bekleidet nur mit einem leichten T-shirt.

Viel gebräunte Haut zeigte sich seinem neugierigen Blick.

"Du bist schon wach.", flüsterte sie und stolperte aus dem Bett in seine Arme. Er war noch ein wenig gewachsen und überragte Reina nun mit einigen Zentimetern. Seine muskulösen Arme schlossen sich um ihren Körper.

"Wieder ein neuer Tag.", erwiderte Brandon und küsste ihren Scheitel. Selbst er konnte die Niedergeschlagenheit in seiner Stimme ausmachen. Schwermut hatte sich in seinem Herzen breit gemacht.

Die ewigen Kämpfe, der Hunger und das Leid in seinem Land sowie die große Verantwortung für seine Leute drückten ungemein auf sein Gemüt. Er hätte nie gedacht, dass der Krieg so lange dauern könnte. Reina seufzte lang. Auch ihr war die Schwere ihrer Aufgaben bewusst und dies hatte in den letzten Jahren viel von ihnen gefordert.

In zahllosen schlaflosen Nächten mussten sie Entscheidungen über das Schicksal hunderter Menschen treffen. Schwieriger jedoch war es mit den Konsequenzen zu leben.

Dieses Pflichtgefühl hätte ihre Beziehung beinahe zerbrochen. Im letzten Moment hatte eine Nachricht ihnen eine andere Möglichkeit geboten. Eine Möglichkeit zu entkommen und Zweisamkeit zu finden. Vor etwas mehr als einem Monat war ein Spion mit einer Information zu ihnen gekommen.

Ein Hinweis auf ein verborgenes Labor. Es wurde gesagt, dass sich dort verschleppte Henotello-Kinder aufhielten.

Coraline, Brandons kleine unschuldige Schwester könnte dort sein. Zunächst war die Aussicht seine Stadt zu verlassen für Brandon undenkbar gewesen, doch der Gedanke Coraline aufzugeben machte ihn unglaublich traurig. Reina verstand seine Gefühl nur zu gut, sie täte alles darum einen Teil ihrer Familie wiederzusehen. Aus diesem Grund war auch keine große Überredungskunst von Nöten gewesen. Brandon und Reina beschlossen Coraline zu suchen und ihre Beziehung mit dieser Reise neu zu überdenken. Beide wussten um die Probleme die sie hatten und wollten versuchen zusammen eine Lösung zu finden. Mit einem schiefen Lächeln sah ihn Reina an.

"Wollen wir uns fertig machen und uns dann auf den Weg machen?" Brandon nickte und schweigsam zogen sie sich an. Brandon erhoffte sich so viel von dieser Reise. Er wollte nicht enttäuscht werden. Als sie ihre übliche Militäruniform angezogen hatten, ging das Paar Hand in Hand durch die kühlen Flure des Gebäudes. In dem Zimmer neben ihnen schliefen Cassandra und Nate. Allerdings würde Cassandra wie immer auf der Krankenstation sein.

Sie lebte dort praktisch, was bedeutete das Nate dort ebenfalls ständig war. Selbst nach drei Jahren verbrachten sie jede nur mögliche Minute miteinander. Nate der Frauenheld, Brandon lächelte über diese Wandelung seines Freundes. Er freute sich für sie. Und gleichzeitig hoffte er das seine Beziehung zu Reina auch wieder so werden konnte.

Er wusste, dass er sie emotional weggestoßen hatte. Der Druck seiner Verantwortung hatte ihn zu einem furchtbar kalten Mann erstarren lassen. Umso mehr wünschte er sich diese Auszeit um wieder er selbst werden zu können. In den restlichen Zimmern des Gebäudes wohnten andere wichtige Personen ihrer Rebellenstadt.

"Ich habe Rami gebeten uns mit den nötigsten Materialien zu versorgen. Wir bekommen ein kleines Auto und Camping Ausrüstung. Waffen und Vorräte. Und du bist sicher, dass wir alleine fahren sollen? Bran, was ist wenn wir auf Probleme stoßen?"

Probleme waren immer eine Option, doch Brandon glaubte, dass sie als einfaches Paar schneller und unscheinbarer durchs Land kämen. Mehrere schwer bewaffnete Menschen würde aufsehen erregen.

"Werden wir schon nicht. Außerdem sind wir beide ziemlich gut im Kämpfen, falls es darauf ankommt.", er legte einen Arm um ihre Schulter, "und ansonsten verlassen wir uns einfach auf unsere Schauspielkünste. Das kriegen wir hin."

Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. "Naja unscheinbarer wären wir schon. Aber ich weiß nicht.."

Brandon öffnete die Haustür für Reina und trat nach ihr ins Freie. Die Sonne strahlte schon warm und die frische Luft ließ ihn tief durchatmen. Er liebte die Zeit wenn der Tag noch frisch und ungenutzt war.

Als sie die Straße hinunter, vorbei an kaputten Häuserfassaden und müden Menschen gingen, rannte ihnen ein rothaariger Wirbelwind entgegen. Wie eine Kanonenkugel warf sich Honora in Brandons Arme und ließ sich hängen. Reina lachte amüsiert und strich Honora über die langen erdbeerfarbenen Haare.

"Ihr könnt nicht gehen! Wir brauchen euch hier. Ich brauche euch!", flüsterte Honora in Brandons Halsbeuge. Brandon umarmte das vierzehnjährige Mädchen fest und stellte sie dann auf den Boden. Sie trug einfache schwarze Kleidung, wie die meisten Menschen hier.

Es waren Kriegszeiten und niemand hatte Zeit schöne Kleidung zu designen oder zu nähen. Liebevoll sah Brandon Honora an. Sie war in so vieler Hinsicht Familie für ihn geworden und stolz sah er wie sie jeden Tag mehr zu einer selbstbewussten, klugen Frau heranwuchs.

"Nori, wir haben darüber geredet. Unsere Entscheidung steht fest." Schmollend verschränkte sie die Arme.

"Na komm, kleines, begleite uns zu Rami. Dann kannst du uns gleich erzählen, wie es dir geht.", versuchte Reina, das Mädchen zu beschwichtigen. Doch wie jedes pubertäre Mädchen, konnte Honora eines besonders gut: sich beklagen. Während also Honora die gesamte Welt beklagte, lächelte Brandon über ihren Übermut und das Vertrauen, dass sie ihnen entgegenbrachte. Coraline würde sicher genauso werden.

Allerdings war sie erst elf Jahre alt und damit vielleicht noch ein wenig mehr Kind. Viel zu schnell erreichten sie Ramis Lagerhaus. Wie bereits sein Arbeitsplatz im Bunker, war auch diese Lagerhalle nach seinem expertenwissen sortiert und überwacht. Rami wusste wo sich jedes noch so kleine Ersatzgerät befand. Als er sie sah, begrüßte er sie überschwänglich. Reina war eine alte Freundin von ihm und auch Brandon gehörte in Ramis Herz.

"Flower, Wolf, ach wie schön euch zu sehen. Ihr kommt mich besuchen. Mich alten Mann. Was bin ich nur für ein Glückspilz."

"Wir freuen uns auch.", erwiderte Reina lächelnd und harkte sich bei dem alten Mann unter. Strahlend brachte Rami sie in sein Büro. Honora blieb schmollend vor dem Eingang zurück. Nur schweren Herzen schloss Brandon die Tür vor ihrer Nase. Es fiel ihm nicht leicht Honora etwas abzuschlagen oder sie zurückzulassen. Natürlich würden seine Freunde ein Auge auf sie haben, doch ihre primären Bezugspersonen waren nun mal er selbst und Reina. Sobald die Türe geschlossen war, erlosch Ramis Lächeln und er war der erfahrene Soldat.

"Ich habe alles vorbereitet für eure Reise. Hinter der Ostwand der Stadt wartet euer Auto. Es ist leicht zu bedienen, Standard schwarz, unauffällig. Die Camping-Ausrüstung ist schon etwas älter aber ihr solltet damit keine Probleme haben. Außerdem ist es besser wenn ihr mehr wie Flüchtlinge und weniger wie Touristen ausseht. Habt ihr die Pläne?"

Brandon nickte und nahm den Rucksack von seinem Rücken. Er enthielt alles was man zum überleben bräuchte und die Pläne zum geheimen Labor sowie eine Landkarte Beerellons, mit den momentanen Territorialkämpfen. Beerellon war in der Mitte geteilt und wurde von drei wesentlichen Fronten so gehalten. Im Norden verhinderte Kommandeur Killian Plam im Stützpunkt Zimne Jezioro ein weiteres vorstoßen Bärensteins Armeen und im Süden hielt Anna Henotello im Stützpunkt Terra Calda die Stellung. Beiden vertraute Brandon blind. Seit gut einem Jahr hatte sich nichts mehr an diesen Fronten verändert.

"Wissen alle was sie zu tun haben, solange wir weg sind?", fragte Reina nervös. Für sie war es besonders schwer ihre Pflichten anderen zu übertragen. Rami nickte.

"Natürlich. Keine Sorge, mein Kind. Jeder weiß was er zu tun hat. Viktoria hast du selbst sehr gut angelernt und auch Zack und Nasreen haben die Henotellos gut unter Kontrolle. Cassie und Nate führen die Krankenstation und ihr Spionagenetzwerk wie alte Profis. Unsere Stadt steht seit zwei Jahren sicher wie ein Berg. Wir können auch ohne euch für ein paar Wochen überleben. Allerdings," etwas verhalten holte Rami ein altes Funkgerät aus seiner Schreibtischlade," wäre es mir lieber wenn ihr euch regelmäßig meldet. Einmal am Tag, kurz hallo sagen und wir würden uns alle weniger Sorgen machen."

Ramis Lächeln und seine Sorge waren ehrlich. Brandon hatte diesen Ausdruck nun schon in so vielen Gesichtern seiner Freunde gesehen. Jedem von ihnen war klar, welche Rolle Brandon und Reina in Ohama einnahmen und wollten sie nicht verlieren. Langsam nickend nahm Brandon das Funkgerät entgegen und verabschiedete sich mit einer festen Umarmung von seinem Freund. Reina tat es ihm nach. Als sie die Türe zum Büro wieder öffneten war Honora verschwunden. Kopfschüttelnd lächelte Reina Brandon an. Sie dachten wohl dasselbe.

"Dieses Mädchen.", flüsterte Brandon und griff nach der Hand seiner Freundin. Sie mussten sich beeilen um zur Ostmauer der Stadt zu kommen. Dort gab es einen geheimen Durchgang. Er wurde Rund um die Uhr überwacht, nur wenige kannten ihn und er würde ihr Fluchtweg sein. Ohne sich noch einmal umzusehen rannten sie durch die engen Gassen und metallenen Fabriken der stählernen Stadt. Und als die Bewohner langsam erwachten, schlüpften deren Anführer durch den schmalen Gang in der brüchigen Mauer und verschwanden mit dem dort geparkten schwarzen Wagen. Rami hatte nicht zu viel versprochen. Schnell setzte Brandon sich ans Steuer, warf seinen Rucksack auf die Hinterbank und wartete auf Reina.

Als sie angeschnallt und bereit waren, fuhr er los. Es gab viele Straßen die von Ohama zu allen Städten Beerellons führten. Ohama hatte früher jedes Geschäft mit Gütern versorgt und daher ein gut funktionierendes Straßennetzwerk. Ihr erstes Ziel war der etwa acht Stunden entfernt gelegene Militärstützpunkt Terra Calda. Bis dahin sollten sie keine Probleme haben und erst danach auf feindlichem Gebiet weiterfahren.

Anna Henotello würde sie mit neuen Vorräten ausstatten und auf mögliche Gefahren hinweisen. Die Zeit verging und lächelnd sah Brandon zu wie die Sonne immer höher stieg und das Land erhellte. Das orangene Licht wärmte ihn und ließ die Blumen am Straßenrand blühen.

Menschen sahen sie kaum. Teils weil sie darauf achteten keine Hauptstraßen zu nehmen und einen weiten Bogen um Städte zu machen, teils auch weil viele Städte in den Grenzgebieten verlassen waren.

Erica kümmerte sich bei OneSheep um die Kriegsflüchtlinge, brachte sie tief ins Innere des OneSheep- Territoriums. Zwar konnte sie Jillian nie ersetzen, doch fehlte von dieser seit dem schicksalhaften Anschlag auf ihren Bunker jede Spur. Jeder der Unterstützen konnte wurde dazu gebeten, doch zwang Brandon niemanden zu kämpfen.

Trotz all der furchtbaren Dinge die geschehen waren, wollte er nicht wie Loke Bärenstein werden. Die Menschen sollten an seiner Seite kämpfen um sein ebenso wie ihr Ziele der Freiheit zu erreichen.

"Ich kann nicht glauben, dass wir das tatsächlich tun.", flüsterte Reina ehrfürchtig. Brandon nickte, auch für ihn war es schwer vorstellbar, dass sie nun beinahe ohne Verantwortung einen Roadtrip machen würden. Er lächelte seine Geliebte offen an.

"Nur wir beide." Reina beugte sich verheißungsvoll vor und küsste seine mit Bartstoppeln bestückte Wange.

"Stimmt. So viel Zeit für uns selbst. Wie werden wir sie wohl nutzen?"

"Hatschi!", hörten sie es plötzlich aus dem Kofferraum. Erschrocken sah sie sich an. Als blinder Passagier würde nur eine Person in Frage kommen. Genervt seufzend hielt Brandon am Straßenrand und wappnete sich für ein anstrengendes Gespräch mit einem störrischen Teenager.

"Was hast du dir dabei gedacht?", donnerte Brandon und sah das Mädchen vor ihm wütend an. Honora verzog den Mund und sah auf den staubigen Boden. Reina schüttelte enttäuscht den Kopf.

"Wir haben dir gesagt, du sollst in Ohama bleiben, weiter trainieren und auf uns warten. Was war daran falsch zu verstehen?" Honora zuckte mit den Schultern.

"Gar nichts. Aber,.."

"Nichts aber! Wir haben dir eine Aufgabe übertragen und du hast sie ignoriert. Du hast uns ignoriert! Wie können wir dir vertrauen wenn du nicht mal die einfachsten Befehle befolgen kannst?", fuhr Brandon dazwischen und verschränkte die Arme. Sie waren schon zu weit von Ohama entfernt um nun noch einmal umkehren zu können. Honora würde bei ihnen bleiben müssen. Wütend fuhr er sich durch die langen Haare und schirmte seine Augen vor der hoch stehenden Sonne ab.

Je weiter sie in den Süden fuhren umso wärmer und trockener wurde es. Der blinde Passagier vor ihm erwiderte nichts auf seine Frage, zog nur die Schultern hoch und sah dadurch noch kleiner aus. Mit wachsendem Unwohlsein, beobachtete Brandon wie Honora anfing leise zu weinen.

Stille Tränen rannen ihre bleiche Haut hinunter, doch sie sagte kein Wort. Brandons Wut verrauchte so schnell wie sie gekommen war und zurück blieb die Scham ein Kind angeschrien zu haben. Es war ihm unfähig dieses Mädchen weinen zu sehen und nachgebend schloss er sie in die Arme. Reina streichelte ihr über den Rücken.

"Was hast du dir gedacht, Nori?", fragte Brandon, ließ sie los und küsste ihre Stirn, "Warum bist du nicht in Ohama geblieben?"

Honora wischte die Tränen von ihren Wangen und antwortete leise.

"Ihr seid meine Familie."

"Genau deshalb wollten wir, dass du in Ohama bleibst. Diese Reise ist gefährlich und ich könnte es mir nie verzeihen wenn dir etwas passiert.", erwiderte Brandon aufgeregt.

"Ich hab niemanden in Ohama.", kam Honoras kleinlaute Antwort. Reina seufzte und schloss das Mädchen ebenfalls in die Arme. Sie hatten gewusst, dass es ein schwerer Abschied werden würde, doch mit so einer Aktion hatten sie dann auch wieder nicht gerechnet. Kopfschüttelnd lehnte Brandon sich an die Kofferraumtür, beobachtete die Umgebung und die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben.

Gegen jede Vernunft war ein Teil von ihm froh Honora dabei zu haben. Er hatte sie bereits vermisst, als sie losgefahren waren. Natürlich wünschte er sich, dass sie sicher und behütet war, doch hatte er das Mädchen auch gerne bei sich und in Terra Calda angekommen würde Honora sie sowieso verlassen. Niemals würde Brandon die Teenagerin mit auf feindliches Gebiet nehmen.

"Wir können nicht mehr umdrehen. Dafür haben wir schon zu viel Benzin verbraucht."

"Das heißt ich darf mitkommen?", fragte Honora hoffnungsvoll und löste sich von Reina. Diese verschränkte resigniert die Arme. Es gab keinen anderen Ausweg. Brandon nickte und deutete mit dem Kopf auf die Hinterbank. Honora hüpfte glücklich lächelnd ins Auto.

"Na gut also doch nicht alleine.", flüsterte Reina als sie an Brandon vorbei ging. Dieser schnappte sich ihre Hand und zog sie zu sich, küsste sie leidenschaftlich.

Ihren Körper an seinen gepresst hauchte er, "Das hat uns noch nie gestört. Lass uns einfach die Zeit, die wir haben genießen. Als Familie."

Das letzte Wort bedeutete für sie beide so viel. Reinas Lippen verzogen sich zu einem zittrigen Lächeln, die Augen tränenfeucht drückte sie sich an ihn.

"Familie." Dies war der Moment an dem Brandon mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dass egal was zwischen ihnen geschehen war oder noch geschehen würde, sie würden aufeinander achtgeben, einander verzeihen und lieben. Nur widerwillig lösten sie sich voneinander und stiegen wieder ins Auto. Honora wartete geduldig, kommentierte weder ihre Stimmung noch die zerzausten Haare oder geröteten Wangen.

Dafür besaß sie zu viel Taktgefühl. Der sich senkenden Sonne entgegenfahrend schwiegen sie.

"Gibts hier drin Musik?", fragte Honora von der Rückbank.

"Nur was von Blind-drunk. Wem immer das Auto vorher gehört hat, hatte offenbar eine Vorliebe für diese Band. Ich kenne sie nicht.", antwortete Reina und zeigte ihnen fragend das Coverbild der Band. Es sah nach einer Mischung aus Rock und Punk aus. Die Flammen und Totenköpfe waren ein deutlicher Fingerzeig.

Brandon zuckte die Schultern und Honora bejahte die Frage ob sie sie abspielen sollten. Sobald die CD im Radio verschwunden war, dröhnte wilder Metal aus den Boxen. Das Geschrei war ohrenbetäubend und die Bass war intensiv spürbar. Irritiert verzog Brandon das Gesicht und wollte nach dem Radio greifen um es wieder abzustellen, doch den Damen im Auto schien dieser Lärm zu gefallen.

Reina und Honora wackelten mit den Köpfen und wiegten sich im ausgearteten Beat der Musik. Sie lächelten und schienen die Musik ehrlich zu genießen. Bei diesem Anblick wurde Brandons Herz überschwämt mit Liebe.

Die Sonne ging unter als sie ihr Ziel erreichten und nur durch die großen Flutlichter der Festung konnte Brandon herausfinden wo sich dessen Eingang befand. Terra Caldas Basis war ein altes Schloss auf der Halbinsel die früher Italien geheißen hatte. Erstaunt sah er dem großen Gebäude entgegen.

2. Der Abend der Konsequenzen

Der Militärdienst war grausam.

Ich wollte nie für Bärenstein, den Eroberer kämpfen, wieso auch? Ich konnte mich zwar nicht an mein Land vor seinem Einzug erinnern, aber ich hatte Geschichten von meinen Eltern gehört. Sie sagten, dass wir mal mehr Freiheiten hatten, mehr Eigenständigkeit. Nun herrscht nur noch misstrauen. Ich hasse mein Leben, hasse was das Militär aus mir gemacht hat. Und es gibt keinen Ausweg.

Die Angst vor den Henotellos hält uns alle in reih und Glied.

Während meiner Zeit beim Militär habe ich furchtbare Taten begangen, Dinge, die mich veränderten. Meine Eltern würden mich wohl kaum wiedererkennen. Vielleicht komme ich einfach nicht zurück?

Nächste Woche werden wir ein anderes Land angreifen. Vielleicht bleibe ich einfach dort und vergesse den jungen Mann, der ich einmal gewesen war. Julian, 20 Jahre alt, eine Woche vor seinem Tod

 

Abwesend sah Lady Nava zu wie die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Die Nacht war ihr sowieso lieber. Weniger Menschen die etwas von ihr wollten, dumme Fragen stellten oder sie bedrängten. Loke würde ebenfalls endlich etwas Zeit für sie haben. Den ganzen Tag war er mit Besprechungen beschäftigt und hatte keine Zeit für sie.

Nava war einsam. Sie wurde hübsch gemacht und herumgetragen, ein Symbol Bärensteins Macht und doch hatte sie keine. Das war einmal anders gewesen, sie hatte für eine kurze Zeit die Kontrolle über ihr Leben gehabt und dann nicht mehr. Sanft strich sie über ihre langen schwarzen Haare und versuchte sich zu erinnern wann sie zum Preis anstelle eines Menschen geworden war.

"Herrin, das Abendessen ist serviert.", berichtete einer ihrer Diener und verschwand so schnell er konnte. Nava aß alleine in dem luxuriös eingerichteten Esszimmer mit dem vergoldeten Tisch und der Fensterfront, die den Blick auf Sankt Sandrinas Skyline offenbarte.

Wie der Rest des Zimmers war auch Nava herausgeputzt. Mit einem langen fließenden blauen Kleid und den passenden Schuhen strahlte sie wohl ebenso wie die Kerzenleuchter. Alles schien perfekt und schön und reich, doch Navas Stimmung war durch Melancholie getrübt.

Sie erinnerte sich an ihre ehemaligen Freunde, an die Kameradschaft, den Kampf. Eine Soldatin war sie schon lange nicht mehr und Freunde besaß sie ebenfalls keine mehr. Sie war nun Lady Nava, die Herrin Beerellons und die drohende Gewalt über jede ihrer Städte, die es wagte sich OneSheep anzuschließen. Eine Drohung, die durchaus der Wahrheit entsprach, aber in den letzten zwei Jahren nicht von Nöten war.

Jeder wusste um die Konsequenzen von Ungehorsam, selbst Nava.

Sollte sie sich eine eigene Meinung einbilden, konnte Loke mit Gewalt reagieren. Aber im inneren liebte er sie, davon war Nava fest überzeugt. Immerhin versuchten sie seit zwei Jahren in Kind zu zeugen.

Loke wollte unbedingt Vater werden und Nava konnte ihm seinen Wunsch nicht abschlagen, auch wenn sie nicht glaubte eine gute Mutter sein zu können. Schweigend aß sie ihr Abendessen und überdachte ihren Tag. Es war nichts außergewöhnliches Vorgefallen. Loke war bei Sonnenaufgang zur Arbeit gegangen, sie selbst hatte bei den Pythonissam vorbeigeschaut.

Ihr Anblick ließ die Soldaten immer sehr diszipliniert werden.

Die Generelle baten sie deshalb ihnen alle paar Wochen einen Besuch abzustatten. Gefühllos verrichtete Nava ihre Arbeit und ebenso gefühllos beobachtete sie die öffentlichen Morde an verurteilten Mitgliedern OneSheeps. Sie war neugierig ob sie eines Tages ihren Bruder unter den Toten entdecken würde. Nur Loke und sie wussten um die Verbindung von ihr zu dem Anführer dieser sinnlosen Rebellion.

Sie empfand genauso wenig für die Rebellen, der Hass, der sie vor Jahren getrieben hatte, war mit dem Tod Zeus erloschen. Sie wusste nicht einmal mehr warum ihr dieser Mann so wichtig gewesen war. Alles vor ihrer Zeit als Nava war verschwommen und unwirklich. Sie beendete ihr Abendessen und ging zurück in ihr Wohnzimmer.

Es war ebenso wie der Rest dieser Wohnung im obersten Stockwerk des höchsten Gebäudes sehr kalt und unpersönlich eingerichtet. Der einzige persönliche Gegenstand war ein Bild von Loke und Nava an ihrem Hochzeitstag. Blutüberströmt in einer zerstörten Kirche. Eine Traumhochzeit. Gelangweilt setzte Nava sich auf die Bank und schaltete Telekinetisch die Musik an. Klassische Melodien kamen aus den großen, schwarzen Boxen in der hölzernen Wohnwand.

Daneben stand ein großer Fernseher und jede Menge anderer teurer Krimskrams, für den weder Nava noch Loke viel übrig hatten. Aber es wurde nun mal erwartet, dass sie ihn als die Führer des Landes besaßen. Sie sollten Reichtum ausstrahlen, während ihre Untertanen an dem andauernden Krieg litten. Hunger und Krankheit beherrschten das Land ebenso wie der Krieg. Doch all diese Entbehrungen schienen für Nava hoch oben in ihrem gläsernen Käfig unbedeutend.

So saß sie nun und wartete, wusste nicht was sie mit sich anfangen sollte. Um ihre Gedanken nicht auf Abwegen kommen zu lassen, baute sie sich ein Kartenhaus und zählte die Lichter der Stadt, denn auch hier bestanden die meisten Wände aus Glas. Loke liebte es offen und hüllenlos zu leben. Nava beugte sich ihm in diesem Wunsch, auch wenn sie sich etwas unwohl damit fühlte. Ihr wäre ein traditionelles warmes Haus lieber gewesen.

"Lady Nava? Sie werden in der Kaserne gebraucht.", unterbrach ein Diener ihre Bauarbeiten. Ohne noch einmal auf das imposante Kartenhaus zu schauen, verließ Nava den Raum und folgte dem Diener zu ihrem privaten Aufzug. Etwas ließ sie stutzig werden. Natürlich merkte sie sich weder die Namen noch die Gesichter der vielen Menschen, die für sie arbeiteten, doch dieser Diener schwitzte extrem und die Uniform war zu klein für seinen muskulösen Körperbau.

"Bitte treten Sie ein.", merkte der Diener an und trat zur Seite. Interessiert beschloss Nava das Spiel mitzuspielen. Sie hatte nichts anderes vor und wenn dieser Mann tatsächlich so mutig war und sie angreifen würde, gäbe es zumindest einen spannenden Kampf. Zum ersten Mal an diesem Tag, lächelte sie und beobachtete wie der falsche Diener nach ihr in den Aufzug stieg und in das Erdgeschoss fuhr.

Mit jedem vorbeifahrenden Stockwerk schlug das Herz des Mannes schneller und nervös beobachtete er sie im Spiegel des Fahrstuhls. Sie konnte sich nur vorstellen was er sah. Eine schöne 22-jährige mit langen schwarzen Haar, kunstvoll an ihrem Hinterkopf drapiert. Nava hatte während der letzten Jahre nichts von ihrem athletischen Körperbau verloren und wusste, dass sie hübsch geschminkt und mit einem Lächeln auf den blutroten Lippen einer Sirene gleichkam. Wie gut das ihr Ruf alle Männer in der Umgebung vor Furcht anstelle Sehnsucht erzittern ließ.

Die Spannung baute sich auf und als die Fahrstuhltüren sich öffneten stürzte der falsche Diener erleichtert hinaus. Dort in der Vorhalle in der normalerweise Vanessa und mehrere Soldaten alle Besucher empfingen wartete ein kleiner Trupp von Männern und Frauen. Sie alle trugen die Handschleife OneSheeps und sahen sie grimmig an.

Entschlossenheit zeichnete sich auf den gegerbten Gesichtern ab. Nava musste nicht lange suchen um Vanessa und ihr Gefolge zu finden. Sie lagen tot hinter dem Tresen, offenbar ohne die Chance auf Selbstverteidigung gehabt zu haben. Nava lächelte schief, hätten sie nur dasselbe auch bei ihr gemacht. Alles was ihr Todesurteil nun unterschrieb war der persönliche Hass, den einige ihr entgegenwarfen.

"Du bist also Bärensteins Mörderin?", meinte ein Mann von etwa Fünfundreißig, mit schwarzen Bart und wuchtigen Armen. Er schien das Kommando zu haben. Nava zuckte lässig mit den Schultern und lächelte ihn an.

"Ich tue was ich kann um meinem Ehemann zu helfen."

"Helfen? Du bist ein tollwütiger Hund nicht mehr!", schrie sie ein Junge neben dem Kommandanten an.

"Ruhig, Xavier.", beruhigte ihn sein Vorgesetzter. Xavier schien weit jünger als der Rest seines Teams. Vielleicht achtzehn, neunzehn.

"Aber Connor,", erwiderte Xavier wütend und zeigte in ihre Richtung.

"Ich sagte ruhig! Wir haben einen Auftrag, da ist kein Platz für diesen Unsinn."

Nava blieb still, beobachtete das Schauspiel belustigt. Das hier machte so viel mehr Spaß als das doofe Kartenhaus in ihrem Wohnzimmer. Connor aka Mister Böser Kommandant sah sie wieder an.

"Nun Lady Nava, wir sind hier um dich entweder mitzunehmen oder umzubringen. Es liegt an dir was in den nächsten Minuten passiert."

Diese Drohung ließ ihr Lächeln nur noch breiter werden. Der falsche Diener sah seinen Vorgesetzten ängstlich an.

"Connor, ich glaub sie wusste das schon." Connors Stirnrunzeln machte seine Leute nervös. Langsam verschränkte Nava die Arme.

"Sie,..sie hat so gelächelt auf dem Weg nach unten. Ich glaube,", er schluckte nervös, "ich glaube sie wollte uns treffen."

Connors unsicherer Blick wandte sich zu ihr.

"Stimmt das?" Nava zuckte wieder mit den Schultern und trat langsam näher. Verführerisch leckte sie über ihre trockene Unterlippe.

"Mir war langweilig so alleine da oben und ihr scheint genau die richtige Ablenkung zu sein."

"Ablenkung? Schätzchen wir werden dich..", weiter kam er nicht. Mit einem kräftigten Ruck und einer gehörigen Portion Telekinese hatte sie ihm das Herz aus dem Brustkorb gerissen und hielt nun die blutige Masse eines zerquetschten Organs in ihrer Hand. Blut rann wie Farbe ihren Arm herunter.

"Niemand nennt mich Schätzchen.", meinte sie wie als Entschuldigung für die Freunde ihres Opfers. Diese griffen sofort an. Zwei von ihnen schossen mit ihren Pistolen, doch mit einem Handwink fing Nava die Kugeln ab und ließ ihre Angreifer in Flammen aufgehen. Grausige Schreie hallten durch die hohe Empfangshalle als sich der Geruch nach verbranntem Fleisch verbreitete. Der falsche Diener versuchte es mit Nahkampf doch war kein Gegner für die schnelle telepathische Nava.

Sie kannte seine Angriffe bevor er sie ausführte. Mit gebrochenem Genick endete auch dieser Mann am Boden. Mit den zwei verkohlten Leichen machte das vier. Der letzte der Stand war der Junge, Xavier. Er sah ihr trotzig entgegen, doch in seinen braunen Augen konnte sie Tränen glitzern sehen. Nava empfand seinen Trotz als mutig, doch auch sehr dumm.

Er würde ihn wohl kaum retten.

"Schlaf!", schrie er plötzlich mit Trauer und Wut in der brechenden Stimme. Nur dieses Wort. Ein einziges Wort. Sofort verspürte Nava Müdigkeit in ihren Gliedmaßen, ihre Augen wurden so unglaublich schwer. Die Welt schien dunkler und friedlich zu werden. Ein Sog der Schläfrigkeit zog sie tiefer und tiefer in den Bann. Ein Henotello, ging es ihr durch den Kopf. Xavier war einer der Henotellos, die sich nach dem Fall der Akademie OneSheep angeschlossen hatten. Diese Verräter hatten ihre Ausbildung weggeworfen und ihre Familien verlassen. Dazu kam das Verbrechen sein Land und dessen Herrscher hintergangen zu haben. Sie wurden bei der ersten Sichtung sofort getötet und Nava würde auch bei diesem Jungen keine Ausnahme machen. Er hatte sein Schicksal selbst gewählt.

Sie würde nur Gevatter Tod gleich die Konsequenzen für seine Handlungen entrichten. Nava spürte, dass sie nur noch ein paar Sekunden hatte, dann würde sie einschlafen und damit Xavier die Möglichkeit bieten, ihr wehzutun. Das durfte sie nicht zulassen. Niemals. Während ihre Beine einknickten und ihre Arme schwach nach unten hingen, fiel ihr Blick auf Connors Gürtel. Schimmernd und scharf sah sie mehrere Messer daran befestigt. Schnell schnappte sie sich eines und mit letzter Kraft warf sie es ihrem Ziel entgegen. Wie in Zeitlupe vollendete es seine Flugbahn und landete zielsicher. Xavier sackte zusammen, das Messer in seiner Brust. Seine mentale Kontrolle ließ sofort nach.

"Puh, das war knapp. Wow, Xavier, du hast mehr Macht als ich sie dir zugetraut habe.", zufrieden schlenderte Nava zu dem sterbenden Mann und hockte sich vor ihn. Xaviers hasserfüllter Blick traf ihren.

"Ich weiß, es ist unfair. Alles ist unfair. Du hast vermutlich die Test in der Akademie durchgemacht und eine Menge schrecklicher Dinge erlebt und dann soll es so enden. Deine Freunde tot und deine Mission gescheitert. Ich kann mir vorstellen, wie frustrierend das sein muss."

"Du bist... ein Monster.", brachte Xavier unter Schluchzern hervor. Sein frisches Blut sickerte aus ihm heraus, färbte ihre Füße und das blaue Kleid rot. Nava nickte und strich ihm eine Haarsträhne hinters Ohr.

"Das stimmt. Ich bin ein Monster. Aber daran gibt es nichts mehr zu ändern. Vor langer Zeit wurden Entscheidungen für mich getroffen, die mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich nun bin. Ich bin die Konsequenz all dieser Handlungen. Genauso wie dein Tod eine Folge davon ist."

"Blödsinn!", spuckte Xavier, "es gibt...immer einen..anderen..Weg..", damit hörte sein Herz auf zu schlagen und seine Augen wurden matt. Bedauernd sah Nava ihn an.

"Aber nicht für mich. Dafür ist es zu spät.", flüsterte sie.

Plötzlich wurde die Eingangstür geöffnet und holte Nava aus ihrer Trance und dem tiefen Gespräch mit den Toten. Loke zusammen mit einem ganzen Bataillon Soldaten trat in die Eingangshalle und beäugten überrascht die Szene die sich ihnen bot.

"Riecht fast wie Barbeque hier. Das sollten unsere Köche auch wieder machen.", meinte Loke in die Stille des Raumes.

"Sir, vielleicht ist es immer noch gefährlich?", erwiderte der Befehlshaber Lokes kleiner privater Armee.

"Dann schaut euch halt um!", donnerte Loke nur genervt und trat gegen eine der Leichen.

"Lady Nava, sind Sie verletzt?" Nava schüttelte den Kopf bei der Frage des Soldaten. Erst in diesem Moment schien Loke aufzufallen, dass seine Frau eine Kampfwunde davongetragen haben könnte. Immerhin waren die Blutflecken auf ihrem Kleid großzügig verteilt. Wackelig auf den Beinen trat er sofort zu ihr, schloss er sie in die Arme und drückte sie fest an sich.

Nava konnte jeden seiner stahlharten Muskeln spüren und den Alkohol auf seiner Haut riechen. Ohne Zweifel hatte ihr Ehemann seinen Kriegsfrust mal wieder in Alkohol und Freudenmädchen ertränkt.

"Mein Gott, ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.", lallte er ohne echte Sorge. Er kannte sie besser, wusste, dass mehr Soldaten notwendig waren um sie zu töten oder auch nur verletzen zu wollen. Beklommen wand sie sich aus seiner Umarmung und wurde prompt Richtung Fahrstuhl gezogen. Sie mochte es nicht wenn Loke trank und noch weniger mochte sie es vor anderen Menschen berührt zu werden. Ihre Nacht wurde mit einem mal wieder weniger interessant, denn sie wusste genau was nun passieren würde.

Es war bereits zu oft passiert. Über ihr Gemüt legte sich ein Mantel der Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit sowohl ihren Gefühlen als auch ihrem Körper gegenüber. Ihre Finger wurden kalt und ihr Blick resigniert. Bereits im Fahrstuhl begann Loke sie zu küssen und an sich zu drücken.

Sie wussten beide, dass diese Handlungen im Ehebett enden würden.

Und obwohl Nava seine betrunkenen Übergriffe nicht genossen, ließ sie ihn dennoch gewähren. Er war schließlich ihr Ehemann, wie sollte sie ihm seinen Spaß verneinen. Ein Teil von ihr dachte auch die von Loke verursachten Schmerzen wären gerechtfertigt. Eine Strafe für ihre ungehorsamen Gedanken. Aus dem Fahrstuhl zog er sie direkt durchs Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Es bestand aus einem großen Doppelbett mit roten Seidenlacken und schwarzen zugezogenen Vorhängen.

Loke warf sie aufs Bett, zerriss ihr blaues Kleid und öffnete seine Hose. Aber all das und was danach kam, sah Nava nicht. Sie starrte wie so oft an die Decke des Zimmers. Vor drei Jahren in genau so einer Nacht hatte sie zwei grüne Punkte in die Mitte der weißen Decke malen lassen. Und während Loke sich auf sie legte und ihr mit seinem Gewicht die Luft nahm, konzentrierte sie sich auf diese grünen Punkte.

Blickte sie an als wären sie Augen. Zwei grüne Augen, die ihr mitleidsvoll entgegen blickten.

3. Terra Calda

Oh mein Gott, ich liebe mein Leben. Der wohl gutaussehendste Offizier in Bärensteins Armee hat mir gestern einen Antrag gemacht!

Ich kann es immer noch nicht glauben. Natürlich habe ich ja gesagt. Gregor sieht gut aus und bekleidet einen guten Rang in Bärensteins Armee.

Mehr brauchte ich wirklich nicht zu wissen. Ach Bärenstein, unser aller Herr und Meister. Ich bin so froh ihm zu dienen. Nur ihm verdankt meine Familie ihr Vermögen. Meine Eltern waren ebenfalls sehr erfreut über Gregors Antrag und versprachen mir eine schnelle Hochzeit mit allem was ich mir wünsche. Ich kann es nicht erwarten!

Berenike, 15 Jahre alt, ein Monat vor ihrer Hochzeit

An der Tür klopfte es und riss Brandon aus einem unruhigen Schlaf. Reina neben ihm griff sofort nach der Pistole, die jede Sekunde des Tages einem besten Freund gleich nahe bei ihr war.

"Was?", flüsterte Honora schlaftrunken. Sie schlief auf Brandons anderer Seite und sah sich ängstlich um. Alle drei brauchten einige Minuten um sich in ihrer neuen Umgebung zu orientieren. Sobald sie wieder wussten wo sie waren, entspannten sie sich merklich. Honora gähnte laut.

"Wolf? Flower? Seid ihr wach?", fragte eine Frauenstimme sanft durch die hölzerne Tür. Geschwind schaltete Brandon die Taschenlampe ein und setzte sich auf.

"Äh ja was gibt's?", zögerlich wurde die Türe geöffnet und eine junge Frau trat ein. Anna Henotello. Ein bebrilltes Gesicht mit kurzen hellbraunen Haaren und einem schüchternen Lächeln sah ihm entgegen. Der Raum in dem sie drei zuvor beinahe friedlich geschlafen hatten, war wie so vieles in Terra Calda zuvor etwas anderes gewesen. Honora hatte stark eine Besenkammer im Verdacht, doch die Alternative wäre einer der vielen Schlafkammern der Soldaten gewesen. Vollkommen überfüllt und stickig.

In ihrer kleinen Besenkammer hatten sie zumindest einigermaßen Privatsphäre und ein netteres Schlaflager, da normalerweise Anna und ihre Freundin darin schliefen. Mehrere Matten aus Schaumstoff und eine dicke Decke machten aus dem Bett, das beste des Lagers.

Dazu kam ein funktionierendes Fenster, das sich sowohl öffnen als auch schließen ließ und eine hölzerne Kommode, die den Winter überlebt hatte. Durch die Fensterscheiben drang warmes Licht, tauchte den kahlen Raum in die Farben des Sonnenaufgangs. Anna lächelte sie freundlich an und schloss die Tür hinter sich.

"Guten Morgen. Die Tagschicht fängt gerade an und ich wollte fragen ob ihr Zeit habt für einen Rundgang. Meine Späher versichern mir einen etwas ruhigeren Kampftag und wir sollten die Stunden nutzen, die uns der Feind gibt." Brandon war sofort auf den Beinen. Er hasste es zu ruhen wenn seine Soldaten hart arbeiteten. Reina folgte ihm beinahe mit der gleichen Geschwindigkeit.

"Danke, Anna. Das ist eine sehr gute Idee. Wir müssen auch eine Nachricht nach Ohama schicken. Unser blinder Passagier wird sicher schon zu Hause vermisst.", erwiderte Brandon mit einem Blick auf Honora.

Diese war bereits wieder eingenickt. Lächelnd betrachtete er sie, schlafend sah das Mädchen noch jünger aus. Anna nickte ruhig und bat sie mit einer ihrer typisch fließenden Bewegungen nach draußen. Anziehen war nicht nötig, Brandon, Reina und Honora sowie vermutlich der gesamte Stützpunkt hatte in seiner Kampfausrüstung geschlafen.

In der Nacht hatte es schwere Kämpfe gegeben und niemand hatte ruhig schlafen können. Die Gefahr schnell flüchten zu müssen hatte über alle ihre Köpfe gehangen. Sobald sie aus der Tür waren, verschloss Anna sie wieder vorsichtig um Honora nicht zu wecken und führte ihre Gäste über einen schmalen aus Stein gebauten Gang nach oben. Terra Calda war eine alte Burg mit Burggraben, Zinnen und Zugbrücke. Sie hatte alles was man von einem strategischen Punkt braucht um die Gegend zu halten. Und Anna tat dies mit derselben Grazie, die sie in allem was sie tat zu haben schien. Brandon kannte ihre Henotello-Gabe nicht, wusste aber ganz sicher das sie eine Erstgeborene war. Es schien ihm einfach unhöflich sie danach zu fragen.

"Ich möchte euch einen Überblick der Festung und dem Land darum geben. Danach können wir ins Büro gehen und Ohama eine Nachricht schicken.", erzählte Anna sanft und fuhr mit der Hand liebevoll die abgenutzte Steinmauer entlang während sie die Wendeltreppe nach oben gingen. Es war klar, dass sowohl Anna als auch die Soldaten ihre Burg liebten. Brandon hatte gestern Nacht nur kurz mit einigen gesprochen und jeder lobte die Festung und ihren Kommandanten in den höchsten Tönen. Tatsächlich konnte Brandon für nichts in Terra Calda die Lorbeeren einstreichen. Weder er noch Reina hatten sich für diesen Stützpunkt oder für Anna entschieden. Ganz im Gegenteil.

Anna hatte sich für sie entschieden. Die Burg war vor drei Jahren noch feindliches Gebiet gewesen und wäre es sicher auch geblieben, hätte die Liebe Bärenstein nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bärensteins Armee hatte eine junge Frau gefangen genommen und in der Burg in der Anna als einfache Pythonissam gedient hatte untergebracht.

Da kein Henotello mit der Gabe der Telepathie vorhanden war um Informationen zu beschaffen, blieb die Rebellin Diana bis auf weiteres im Kerker. Anna wurde mit ihrem Wohlergehen betraut. Stunde um Stunde, Tag um Tag verbrachten die beiden Frauen in dem feuchten, kalten Kerker und kamen sich dabei immer näher. Es war Dianas starker Bezug zu OneSheep, ihr Glaube an Freiheit und Frieden, der Anna schließlich dazu veranlasst hatte gegen ihre Vorgesetzten zu rebellieren.

Brandon war immer noch über die Schnelligkeit von Annas Entscheidung überrascht. Innerhalb weniger Tage war mit ihnen Kontakt aufgenommen und die Festung erobert worden. Anna und Diana an vorderster Front. Endlich kamen sie zum aussichtsdach des Turmes und traten keuchend ins Freie. Es waren doch mehr Stufen als man annahm.

In der aufgehenden Sonne konnte Brandon bereits drei Soldaten an den Zinnen stehen sehen, jeder mit einem Gewehr in der Hand. Zielsicher trat Anna zu einem dieser Soldaten und tippte sie an der Schulter.

"Ich dachte du möchtest vielleicht jemanden kennenlernen.", meinte Anna schmunzelnd und zeigte Richtung Brandon und Reina. Der junge Soldatin fiel fast die Waffe aus den Händen.

"Oh mein Gott.", flüsterte sie ehrfurchtsvoll und richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf. Brandon lächelte sie freundlich an.

"Hi, ich..ich bin Diana.", stammelte die Soldaten und hüpfte aufgeregt auf und ab. Überrascht griff Brandon nach Dianas Hand. Dies war also die berühmte Scharfschützin und Geliebte der Strategin Anna Henotello. Dianas dunkle Haut hob sich kaum von der schwarzen Kleidung ab. Ihre langen dunkelroten Dreadlocks fielen leicht geflochten bis zur Mitte ihres Rückens.

Sie hatte Grübchen auf den Wangen, die durch ihr breites Grinsen noch tiefer wurden. Ein goldenes Piercing in der Nase rundete die rebellische Ausstrahlung ab.

Der Kontrast zwischen den Frauen war enorm. Anna war eindeutig in einer strengen Henotello Familie und in der Armee erwachsenen geworden. Alles an ihr strahlte strenge und Disziplin aus, besonders ihr Äußeres. Diana war das komplette Gegenteil. Liebe, dachte Brandon, kannte tatsächlich weder Grenzen noch Herkunft. Und die Liebe zwischen ihnen war deutlich spürbar.

"Es freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Wolf. Und das hier ist meine Freundin, engste Beraterin und Kommandantin Flower.", damit zeigte er auf Reina, die Diana ebenfalls lächelnd die Hand schüttelte.

"Wir freuen uns hier zu sein.", setzte sie nach.

"Wir freuen uns auch so sehr. Euer Besuch hilft wahnsinnig mit der Moral. Kommt schaut euch unser wunderschönes Land an.", aufgeregt zog Diana sie zur Brüstung der Plattform und zeigte auf die Umgebung. Es war ein beeindruckender Anblick. Fruchtbare Wälder, Graslandschaft und Hügel erstreckten sich so weit das Auge reichte. Dazu kamen mehrere kleinere Siedlungen zu beiden Seiten der Burg. Sie alle hatten die typische ziegelrote Fassade der ehemaligen Bewohner Italiens.

"Wow, das ist wirklich schön." Diana nickte.

"Du müsstest mal den Strand sehen. Das Land hier ist ein Paradies. Natürlich erst sobald der Krieg zu Ende ist." Neugierig beugte Reina sich vor.

"Zu wem gehören die Dörfer?"

"Die meisten gehören zu uns. Zumindest alle in unserer näheren Umgebung und östlich der Burg. Weiter weg in westlicher Richtung gehören sie wieder Bärenstein.", antwortete Anna stolz und griff nach Dianas Hand.

"Das ist sehr beeindruckend.", erwiderte Brandon. Kopfschüttelnd richtete Anna ihren Blick auf die anderen Soldaten.

"Wir tun nur unsere Pflicht. Aber wenn ich ehrlich bin, müssen wir uns kaum noch anstrengen. Bärenstein verliert in dieser Gegend immer weiter an Boden und seine Anhänger werden mit jedem Tag weniger. Ich denke nur die Angst vor Lady Nava hält ihn in der größeren Stadt Willhelmsburg noch an der Macht."

Um ein neutrales Gesicht bemüht nickte Brandon. Ihm war der Ruf seiner Schwester durchaus bekannt. Doch jedes Mal wenn jemand ihren neuen Namen erwähnte zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen.

"Was war das dann letzte Nacht? Die Kämpfe klangen ziemlich wild.", fragte Reina stirnrunzelnd. Diana und Anna seufzten genervt und baten ihre Gäste ihnen zu folgen. Sie verschwanden wieder im inneren der Burg.

"Das war Kommandant Hayden. Er war früher mal der Chef hier und glaubt wirklich er könnte Terra Calda zurückerobern und sich mit Bärenstein wieder gutstellen. Alle paar wochen greift er mit allem was er zusammentrommeln kann an. ", erklärte Anna sichtlich gereizt.

"Es ist sinnlos und kostet obendrein noch verdammt viel Material und Menschenleben!", donnerte Diana. Brandon und Reina sahen sich an. So genau waren sie nie über die Situation in Terra Calda informiert gewesen. Für sie war nur wichtig, dass die Festung ihre Südflanke beschützte. Nun erkannten sie die Veränderung im Krieg. Falls Bärenstein wirklich an Boden und Männer verlor konnte es ein baldiges Ende des Krieges zur Folge haben. Zielsicher brachten die beiden Frauen ihre Besucher ins >Büro< der Burg. Tatsächlich handelte es sich wie vieles um einen umfunktionierten Raum. Dieses Mal einen Schlafraum. Das große Himmelbett war zum Tisch gemacht worden. Darauf standen Spielfiguren und zeigten die jeweiligen Positionen der Kriegsteilnehmer an. In der Ecke lagen einige Schaumstoffmatratzen und eine vorbereitete Mahlzeit. Brandons Augen wurden sofort größer als er das Brot, das Gemüse und die Wurst sah.

"Aber...woher?", fragte er vollkommen überrascht. Anna lachte und bat sie zuzugreifen.

"Wir sind eine alte Einrichtung. Hier haben schon Leute Brot gebacken als es noch keine elektronischen Backofen gab. Wir haben eine Mühle und Felder und nette Menschen die uns für unsere Arbeit entlohnen wollen. Aber glaubt nicht, dass es uns immer so gut ging. Vor einem Jahr sah die Sache noch ganz anders aus. Aber jetzt...haben wirs ganz gut. "

Die Nahrungsmittel in Ohama beschränkten sich auf Konserven und fertigessen. Alles was die Fabriken ihnen liefern konnten. Frisch wurde kaum etwas gemacht und da Ohama anders als Terra Calda noch in etwas harscheren Kriegszuständen lebte, war Landwirtschaft keine Option.

Diana lachte, "schmeckt es?" Weder Brandon noch Reina konnten antworten. Sie schwebten im Nahrungsmittelhimmel und genossen jede Sekunde davon. Während sie aßen, holte Anna Papier und stifte aus einer Plastikkiste am Boden. Ein Schrank oder Schreibtisch besaßen sie nicht. Brandon vermutete, dass sie hier alles Holz für das Heizen im Winter benötigten. Die Burg konnte unmöglich gut isoliert sein und verlor selbst im Hochsommer des Nachts viel Wärme. Nicht ohne Grund hatten sie sich in der Nacht zusammengekuschelt. Selbst Honora, die darauf bestand als Erwachsen behandelt zu werden, hatte sich fröstelnd an ihn gedrückt.

"Hier bitte sehr. Damit kannst du eine Nachricht schreiben. Ich kann es dann in morse übersetzen und an Ohama schicken. Wir sollten bis heute Abend eine Antwort erhalten haben."

Brandon wischte sich die dreckigen Hände an seiner Hose ab und griff nach dem Papier. Schnell hatte er einen Gruß an Rami verfasst, der seinem Freund über Honoras Aufenthaltsort in Kenntnis setzte. Dankend reichte er es Anna.

"Es gibt noch ein paar Dinge die wir besprechen müssen. Wir haben vorab nicht gesagt warum wir euren Stützpunkt besuchen wollten.", Diana und Anna nickten abwartend, "nun es ist nicht öffentlich bekannt, aber ich habe eine kleine Schwester Coraline. Sie wurde vor vier Jahren von Soldaten Bärensteins entführt.", Brandon fuhr sich durchs Haar und sah die beiden Frauen abschätzend an.

"Ich habe kürzlich Informationen über ihren Verbleib erhalten und beschlossen sie zu suchen." Diana holte erschrocken Luft während Anna nur mit dem Kopf schüttelte.

"Du willst hier die Grenze überqueren. Du, unser Anführer, ohne den diese Rebellion nichts wäre, möchtest in feindliches Gebiet um einem Gerücht nachzujagen?"

"Es ist kein Gerücht. Die Information kommt aus zuverlässiger Quelle." "Vermutlich Bärenstein selbst.", fuhr Diana dazwischen und warf die Hände in die Höhe. Brandon hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Genauso hatten auch seine Freunde und Kollegen in Ohama reagiert, doch es gab keinen Weg daran vorbei. Ermutigend nickte Reina ihm zu.

"Ich weiß wie sich das anhört und ich weiß was ich riskiere, aber ihr liegt falsch wenn ihr denkt die Rebellion hängt alleine an mir. Selbst wenn es mich nicht mehr gäben würde, wären unsere Ideale unsere Wünsche immer noch die gleichen. Diana, Anna, ihr kämpft für einander, für die Unschuldigen in eurer Obhut und für die Chance Frei zu sein. Nicht für mich, niemals für mich. Deshalb weiß ich, dass Flower und ich in feindliches Gebiet gehen können, meine Schwester retten können ohne unsere gesamte Revolution zu gefährden."

Die Anführer Terra Caldas sahen ihn nachdenklich an. Schließlich seufzte Anna und zeigte auf den Tisch.

"Hier an dieser Stelle befindet sich ein Wald den wir uns mit Bärensteins Armee teilen. Beide Armeen bekommen von dort ihr Feuerholz und andere wichtige Güter. Schon seit einer Weile wird da drinnen nicht mehr aufeinander geschossen. Damit würden wir nur Rohstoffe vernichten und keinen strategischen Vorteil beziehen."

"Und Bärensteins Offiziere machen da mit?", fragte Reina ungläubig. Auch für Brandon hörte sich das nach Utopie an. Anna lächelte verhalten.

"Nun es ist keine offizielle Geschichte. Auch unter unseren Leuten ist es mehr ein gleichgültiges Kugelsparen. Einer meiner Offiziere hat mir davon erzählt, ich wusste selbst am Anfang nichts davon. Er meinte, seine Leute und er wären eines Tages beim Feuerholzsuchen mit einer Gruppe des Feindes in Berührung gekommen. Doch statt zu schießen, haben sie sich einfach ignoriert." Fasziniert lauschten sie Annas Erzählung.

"Wir sind lange im Krieg. Die meisten sind bereits seit ganzen drei Jahren hier und kämpfen gegen Bärensteins Armee.", warf Diana ein. Anna nickte.

"Er sagte mir, dass er selbst und sein Trupp des Kämpfens überdrüssig waren, dass an jenem Tag das Wetter einfach zu schön für Tote war. Bärensteins Leute schienen diese Ansicht zu teilen."

"Ich kann das nachvollziehen. Vor allem, da es in Falle Bärensteins gehorsam durch Angst ist. Sie kämpfen nicht für ihre Ideale. Sie kämpfen weil sie Angst haben.", erwiderte Brandon und kratzte sich am Kinn.

Terra Calda war wirklich einzigartig. Wie ein Blick in die Zukunft für ihn und sein geliebtes Ohama.