BRD-Fragmente - Johanna Kaptein - E-Book

BRD-Fragmente E-Book

Johanna Kaptein

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Beschreibung

"Wie einfach wäre das / einfach auf die Vergangenheit zu verzichten." Ohne Erinnerung gibt es keine sichtbargemachte Geschichte, keine Zusammenhänge zwischen dem Damals und dem Jetzt, zwischen den Fragmenten einer Republik. Johanna Kaptein setzt Geschichte und Geschichtsbilder, BRD-Fragmente, zusammen. Stimmen der Geschichte sprechen Sätze, die wir alle schon einmal gehört oder selbst gesagt haben, entwerfen Szenarien, die wir kennen, von Fotos, aus dem Fernsehen und dem Geschichtsunterricht und unserem Leben. Erzeugt wird ein Röntgenbild, Spuren werden sichtbar, Schichten eines historischen Fundamentes einer Republik, die 2009 runde Jubiläen der Gründung und Wiedervereinigung feiert. Eine Fotografie aus den 40er Jahren scheint die Betrachter von ganz weit weg anzuschauen. Diskussionen des politischen Umbruchs der 70er und 80er Jahre lassen die Stimmen aktiv werden, Gegenbilder zum Faschismus aufbauen, aber auch scheitern. Und aus den wirtschaftsverwunderten 50er Jahren blickt wieder die Vergangenheit. Die Vergangenheit, die ständig aufgearbeitet werden will, aber nicht kann. Das Stück beschreibt in seinem zweiten Teil die Bemühungen der Enkelkinder, die Shoa nicht zu vergessen, die Opfer nicht zu vergessen. Hinter all dem die Fragen: "Was machen wir nur mit der Zeit / und der Erinnerung? / Jetzt?" Johanna Kapteins Text entfaltet sich als Ideentableau und als Erinnerungsbild. Mal beschreibt er, mal stellt er dar. In szenisch meist ungebundenen Repliken, macht er sich auf die Suche nach Erinnerung und entfaltet dabei mit knapper, präziser und kreativer Sprache einen gegenwärtigen, theatralisch begehbaren Erinnerungsraum der Geschichte. BRD-Fragmente wurde mit dem Leonhard-Frank-Preis des Mainfranken Theaters Würzburg 2009 und dem Publikumspreis ausgezeichnet.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 31

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Johanna Kaptein

BRD-Fragmente

FELIX BLOCH ERBEN

Verlag für Bühne, Film und Funk

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Personenverzeichnis

ERSTER TEIL

ZWEITER TEIL

Über die Autorin

Über das Stück

Impressum

Personenverzeichnis

3-5 Darsteller

ERSTER TEIL

über ein Foto aus den 40er Jahren:

UNTERGRUND

- ein schlagwerk

- die mutter

- die mutter

- ein schlagwerk

- in den körper

- den körper der jüngsten

- des mittleren der kinder

- der jüngsten der töchter

- hinein

- immer

- und immer wieder

- ein schlagwerk

- in den tochterkörper

- den mittleren

- den jüngsten

- wozu sonst der teppichklopfer?

- wozu?

- die hausarbeit

- die grausamkeit

- musste nicht erst erfunden werden

- DIE GRAUSAMKEIT MUSSTE NICHT ERST ERFUNDEN WERDEN!

- HÖRT IHR?

- nein

- die gab es schon vorher

- zuvor

- und zuvor

- und zuvor

- und:

Pause

- ich betrachte ihr foto. ich betrachte ihr foto. ich betrachte

- ich betrachte: ihr foto

- ihr gesicht

- ihren körper

- so steht sie da

- auf diesem foto

- nur der hut leuchtet weiß

- hell

- leuchtend weiß

- ist er

- wie der gürtel

- zeichen des wohlstands

- aber nicht

- des bürgertums

- kann man fotos lesen?

- kann man das? kann man das wirklich?

Pause

- ich kann es nicht lesen. ich kann darin nicht lesen. nein. nichts von dem wahnsinn darin. kann ich lesen.

- der ist vielleicht auf dem weg zum fotografen verloren gegangen. oder?

- das stimmt, sie sieht

- sie sieht

- nicht wahnsinnig aus. nein.

- nein. das tut sie nicht.

- kein wahnsinn sichtbar an ihr

- im gegenteil

- sie wirkt

- hübsch

- gepflegt

- adrett

- nicht unbedingt bürgerlich

- nicht unbedingt wie eine bürgerliche

- nein

- aber auch nicht wie eine mittellose

- nein, auch nicht wie eine vollkommen mittellose

- nein, auch nicht wie eine mittellose frau.

- der hut ist neu.

- der weiße hut.

- der leuchtend weiße hut

- der passende gürtel dazu.

- und außerdem der mann an ihrer seite

- ja, der mann

- jaja, der mann

- durch den sieht sie versorgt aus

- vollkommen versorgt

- und durch das kind in der karre

- durch das kind in der karre

- außerdem noch familiär

- beide. beide wirken durch das kind familiär

- naja. sie sind! ja auch eine familie.

- und das kind? ist sie das? ist sie das kind?

Pause

- nein. ich glaube, das ist eine der schwestern.

- sicher?

- nein.

- nein. es ist eben ein kind.

- ein kleines kind.

- man kann es verwechseln

- man kann nicht wirklich sicher

- nicht wirklich sicher sein

- wer es ist.

- was es ist.

- vielleicht liegt es auch daran, dass sie das gesicht wechselt? damals schon.

- das kam erst später. zu diesem zeitpunkt

- zu diesem zeitpunkt

- da ist ihr gesicht noch

- unbeschriebenes blatt

- eine leere fläche

- nein, keine fläche. erhebungen, vertiefungen und öffnungen

- aber

- glatt

- offen

- einladend

- erwartungsvoll

- auf das, was kommen mag

- aber an und für sich

- für sich selbst

- bislang:

- ohne aussage.

- so.

Pause

- ich glaube, man konnte sie von anfang an erkennen. von anfang an konnte man sie auf fotografien erkennen. immer. auf jedem foto.

- ja?

- sie war einfach zu hell. zu hell für diese familie. so hell wie das kind von jemand anderem.

- vielleicht war! sie das kind von jemand anderem.

- tatsächlich?

- aber die haare dunkelten später doch nach

- und es war ja auch nicht so, dass die übrige familie direkt dunkel gewesen wäre

- nein, das war sie nicht

- natürlich nicht

- ihre schwestern waren auch noch blond

- zwar dunkelblond

- aber blond

- und sie später dann auch.

- nein. brünett.

- darüber kann man sich streiten

- dunkles blond oder helles braun.

- darüber kann man sich ewig streiten.

- zu jeder zeit kann man sich ewig darüber streiten

- aber zu manchen zeiten

- zu manchen zeiten

- da hat es mehr bedeutung

- da hatte es mehr bedeutung

- als zu anderen.

Pause

- aber sie hat nicht jüdisch ausgesehen

- nein. natürlich hat sie nicht jüdisch ausgesehen

- niemand hat jüdisch ausgesehen in dieser familie

- und sie hatten auch keine jüdischen namen

- sie waren! ja nicht jüdisch

- nein

- wichtig

- wichtig damals

- heute immer noch

- ja?