BREACH – Der Riss - Hans Jürgens - E-Book

BREACH – Der Riss E-Book

Hans Jürgens

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Beschreibung

BREACH–DerRiss erzählt die Reise der jungen Ordenskriegerin Rhia, deren Welt mit einem einzigen Fehlschlag aus den Fugen gerät. Als ein heiliges Ritual auf einem abgelegenen Tempelplateau–eigentlich als reine Schutzzeremonie gedacht–katastrophal scheitert, zerreißt ein grell leuchtender Spalt den Nachthimmel. Rhia wird in den Strudel hineingerissen und erwacht allein auf einem endlosen Meer aus Asche, zerborstenen Felsen und glutdurchzogenen Narben: Arkan, eine verwüstete Ebene voll knisternder Energieritzen und ruinenhafter Monumente. Schon ihr erstes Bewusstsein in dieser Fremde mutet wie ein Fiebertraum an: „Am Rand des Abgrunds: Rhia erwacht in einer Welt aus Asche, Glut und Vergessen …“–so beschreibt es die poetische Bildtafel zu Beginn des Buches. ​ Eine Welt, die atmet –und wankt Arkan gleicht einem Puzzle aus gegeneinander verschobenen Erdplatten, deren offene Fugen Lava und flirrendes Licht freilegen. Eine Karte zeigt Tempelruinen, das Clan‑Dorf, die Kluft der Nebel, eine gewaltige Schmiede und den zentralen Nexus–allesamt Stationen eines einstigen Hochkultursystems, das in einem unbenannten Inferno kollabierte. ​ Zwischen den bröckelnden Plateaus schweben lebendige Konstrukte wie das organische Flugschiff Zedharon, das Rhia später als schaurig-schöne Hoffnung auf Mobilität begreift. ​ Eine Heldin ohne Schwert Verletzt, schutzlos und ohne ihre traditionsreiche Klinge muss Rhia lernen, dass Arkans vermischte Natur‑ und Energielandschaft eigene Gesetze besitzt: geringere Schwerkraft, Regen, der metallisch schmeckt, jagende Chitin‑Bestien und ein Flüstern der Erde, das wie ein untergründiger Herzschlag wirkt. Schon früh stößt sie auf kristalline Wasseradern, lumineszierende Moose und eine unterirdische Kammer voller violett pulsierender Leitbahnen–doch jeder Schluck, jede Entscheidung kann vergiften oder retten. Weggefährten, Intrigen und uralte Technik Die zwölf Kapitel führen Rhia von ersten Begegnungen über Erkundungen fremder Orte bis zu Intrigen, Machtkämpfen und Attentaten, in denen Arkan‑Clans, verfeindete Orden und vergessene Hüter um die Deutung des Risses konkurrieren. ​ Auf ihrem Weg sammelt Rhia ein Mosaik aus Tagebuchfragmenten, Legenden und holografischen Aufzeichnungen, die belegen, dass Arkan zyklisch vergeht und neu ersteht–und dass der Riss diesmal größer ist als je zuvor. Das Schwert der Wiedergeburt Um heimzukehren oder Arkans Untergang vielleicht sogar in einen Neuanfang zu wenden, muss Rhia ein legendäres Schwert neu schmieden. Die Spur führt sie zur gewaltigen Schwertschmiede, deren Esse nicht mit Feuer, sondern mit reiner Ley‑Energie betrieben wird. Dort entscheidet sich, ob sie das uralte Metall bändigen, die gespaltene Macht des Risses lenken und den drohenden Kollaps beider Welten abwenden kann. Ton und Stimmung BREACH–DerRiss kombiniert bildgewaltige Dark‑Fantasy‑Atmosphäre mit Science‑Fantasy‑Elementen: Runen treffen auf halborganische Technik, uralte Rituale auf schwebende Kolosse, klaustrophobische Tunnel auf windgepeitschte Höhen. Das Buch setzt auf rasante Kämpfe, introspektive Tagebuchpassagen und visuelle Zwischenseiten – jede Illustration erweitert das Gefühl, eine sterbende Welt zu durchschreiten, deren Boden „atmet und führt“. ​ Gleichzeitig bleibt es eine zutiefst persönliche Geschichte über Verantwortung, Selbstzweifel und den Willen, trotz Verlusten ein inneres Feuer am Leben zu halten.

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Seitenzahl: 368

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Titel

Hans Jürgens

BREACH – Der Riss

Die ARKAN-SAGA

Impressum

© 2025 Hans Jürgens

Verlagslabel: Aerani-Verlag Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Hans Jürgens, c/o Block Services Stuttgarter Str. 106, 70736 Fellbach, Germany. Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Am Rand des Abgrunds: Rhia erwacht in einer Welt aus Asche, Glut und Vergessenihr Schicksal beginnt im Flüstern der Trümmer.

Für meine geschätzten Leserinnen und Leser

Das Zedharon − lebendes Flugschiff

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Karte von Arkan

Vorwort

Kapitel 1: Der Riss im Ritual

Kapitel 2: Der Blick vom Hügel

Kapitel 3: Zwischen Nebel und Flimmern

Kapitel 4: Erste Begegnungen

Kapitel 5: Erkundung fremder Orte

Kapitel 6: Intrigen, Machtkämpfe und Attentate

Kapitel 7: Das Schwert der Wiedergeburt

Kapitel 8: Ruf der Energieadern

Kapitel 9: Das Ritual

Kapitel 10: Im Nexus

Kapitel 11: Der Wiederaufbau – Ein neuer Zyklus

Kapitel 12: Ein neuer Weg

Glossar

Karte von Arkan

Vorwort

Tagebuchseite – Notiz 3

Keine Ahnung welcher Tag. Vielleicht auch Nacht.Es ist kühl, aber ich schwitze.Ich hab was getrunken – nicht sicher, ob Wasser. Es hat geglitzert.Schmeckt wie alte Kupfermünzen.

Ich bin Rhia. Ordenskriegerin.Oder war´s mal. Jetzt bin ich jemand, der Moos anfasst und mit der Faust gegen Mauern klopft, weil es wie Atmen klingt.

Ich hab keine Karte. Kein Ziel.Nur dieses Buch und eine halb verdaute Theorie, dass die Adern unter mir leben.

Wenn ich schreibe, wird es leiser.Nicht draußen – in mir.

Was ist das hier?Keine Vögel, kaum mal GeräuscheKein Wasser gefunden, es wird langsam eng.Seltsame Krabbeltiere ekeln mich anEs wächst auch nichts, finde nichts,Nur Ruinen, seltsame Gebilde, unbekannt das allesAber der Boden zeigt manchmal Linien.Die verlaufen nicht – die führen.

Ich folge.Solange ich kann.Und wenn nicht: Dann schreibe ich eben, bis es wieder geht.

R.

Kapitel 1:Der Riss im Ritual

Schmutzig-violett-orangefarbenes Licht lag über dem Hügelplateau, und der Wind trieb staubiges Geröll vor sich her. Mit langsamen Schritten bewegte sich Rhia den Abhang hinab, beide Hände umschlossen den lederumwickelten Griff ihres Schwerts, als müsse sie sich daran festhalten wie an einem letzten Funken Gewissheit. Jeder Schritt erzeugte ein Knirschen unter ihren Stiefeln, doch in ihrem Kopf war es lauter als jedes äußere Geräusch: Dort tobten Zweifel, Erinnerungen und eine leise, nagende Furcht.

Ein einsamer, abgestorbener Baum ragte etwas entfernt aus dem Boden, seine Zweige wie dürre Klauen in den Himmel gereckt. Darunter erhaschte sie den ersten Blick auf die Überreste jenes Tempels, zu dem man sie geschickt hatte – oder vielmehr auf die rauchverhangene Ruine davon.

Was einst ein Ort des heiligen Friedens gewesen sein musste, wirkte nun wie der Schlund einer Hölle: Schwarze Rauchfetzen quollen aus großen Rissen, die Wände waren eingestürzt, und grell flackernde Lichter schimmerten zwischen den Trümmern auf, als brenne tief drinnen noch immer ein unheimliches Feuer.

Rhia blieb kurz stehen, um Luft zu holen. Sie war stundenlang unterwegs gewesen. Ihr rechter Oberschenkel schmerzte, wo eine frühere Wunde noch nicht vollständig verheilt war. Immer wieder blitzten Gedanken an die Befehle ihres Ordens in ihrem Kopf auf, untermalt von den Worten des Erzpriesters: „Dies ist keine gewöhnliche Mission, Rhia. Dunkle Zeichen mehren sich, und wir haben Gründe zu glauben, dass hier ein uraltes Übel erwacht. Du bist unsere beste Klinge und zugleich diejenige mit dem reinsten Feuer im Herzen. Mach dich auf, ohne zu zögern.“

Wie oft hatte sie diesen Auftrag verflucht, seit sie von der Hauptstadt aufgebrochen war? Dennoch: Ihr Pflichtgefühl und ihre Runenmagie, die im Orden kultiviert worden war, machten sie zur perfekten Wahl. In ihrem Inneren brannte eine unbekannte Energie, wurde ihr gesagt. Eine natürliche Widerstandskraft gegen finstere Mächte.

Bislang hatte sie das zwar selten vor ganz großen Schrecken bewahrt, aber es war genug, um Unholden und kleineren Dämonen die Stirn zu bieten – eine Fähigkeit, die sie im Kampf schon gerettet hatte.

Sie trat weiter den Hügel hinab und ließ ihren Blick über die Umgebung wandern. Der Tempel, einst stolz und weithin sichtbar, lag wie am Boden kauernd. Seine hohen Säulen waren geborsten, die zertrümmerten Mauern ragten in den Abendhimmel.

Rhias Herz zog sich zusammen. Sie erinnerte sich daran, wie der Orden sie mit einer Kutsche hierhergebracht hatte, damals, als sie gerade siebzehn Jahre alt war.

Noch heute konnte sie das rauschende Chorale der Priester hören, als sie durch das große Eingangstor ging, die Stimme des Abts, der ihr versicherte, man könne in diesen Hallen Heilung und innere Klarheit finden.

All das war nun Vergangenheit.

Ein starker Windstoß wirbelte Staub auf, und sie zog den Kopf ein, um die Augen zu schützen. Ihre Rüstung, ein zusammengesetzter Brustharnisch mit dem Relief ihres Ordens, klapperte leicht an den Lederriemen. Sie war nicht mehr im besten Zustand; Dellen, Kratzer und eingetrocknetes Blut bezeugten frühere Kämpfe. Besonders nach dem letzten Zusammenstoß mit einem Hexer in den Sümpfen hatte sie kaum Zeit gehabt, die Rüstung zu reparieren oder sich ordentlich auszuruhen.

Auf den letzten Metern musste sie über eine umgestürzte Säule klettern, die den einstigen Weg zum Tempel blockierte. Leises Knirschen hallte in ihren Ohren, als eine Steinplatte unter ihrem Gewicht nachgab. Rhia schob sich an dem Hindernis vorbei und spähte in die Dunkelheit.

Hier unten, im tieferliegenden Bereich der Tempelanlage, roch es scharf nach Schwefel. Ein Geruch, der ihr sofort verriet: dämonische Präsenz. Sie erschauerte. Ihr Orden hatte sie zwar gelehrt, solche Mächte zu fürchten, aber nicht zu fliehen. Ihr Ordensmeister Hadros – ein grimmiger, weißhaariger Veteran – hatte immer betont, Furcht sei eine Waffe, die man gegen den Feind richten könne. „Nur ein Narr hat keine Angst vor dem Ungewissen. Doch der Weise dreht diese Angst um und macht sie zu seiner Stärke.“ Rhia hatte diese Lektion verinnerlicht.

Langsam schlich sie vorwärts, wobei sie das Schwert leicht angehoben hielt, bereit für jeden Angriff. Als sie näherkam, sah sie, dass ein Teil der Außenmauer eingestürzt war. Dahinter erhaschte sie einen Blick auf ein feuriges Glühen, das durch ein klaffendes Loch schien. Grauer Rauch stieg dort auf, vermischte sich mit zerrissenen Fahnen einstiger Schriftrollen, die über den Boden verteilt lagen.

Plötzlich fiel ihr Blick auf etwas Menschliches: eine Gestalt in zerschlissener Robe, reglos auf dem Boden liegend. Rhias Herz begann zu hämmern, und sie beschleunigte die Schritte. Als sie sich näherte, bemerkte sie, dass es sich um einen Priester handelte. Einer von jenen, die hier Dienst taten. Er lag halb unter einem zerborstenen Balken begraben, die Kapuze seines Gewands war verrutscht und offenbarte schütteres Haar, darunter eine tief ins Fleisch geschnittene Wunde an der Schläfe.

„Kannst du mich hören?“, flüsterte Rhia leise.

Sie kniete sich hin, stemmte mit aller Kraft den Balken zur Seite, was ein Kreischen morschen Holzes erzeugte, und tastete nach seinem Puls. Ein schwaches Flimmern von Lebensenergie war da, doch der Mann wirkte beinahe bewusstlos. Mühsam schlug er die Augen auf und wimmerte kaum hörbar.

„Bist… du… vom Orden?“, stöhnte er. Seine Stimme war brüchig und voller Entsetzen.

Rhia nickte und legte ihm eine Hand an die Wange, während sie ihr Schwert kurz auf dem Boden abstellte. „Ja, ich bin Rhia. Der Orden hat mich geschickt… Wir hörten von Überfällen, von dämonischen Anzeichen… bist du verletzt?“

Eine fast unnötige Frage, wie sie sofort erkannte – sein Zustand sprach Bände. Doch sie wollte ihn reden lassen, ihn wachhalten.

„Verletzt… wir alle… man wollte den Dämon… bannen… aber…“, brachte der Priester stockend hervor.

Ein rauer Husten unterbrach ihn, dunkles Blut rann aus dem Mundwinkel. Rhia runzelte die Stirn, während sie seinen Robenstoff zurückschlug, um wenigstens notdürftig einen Blick auf die Wunde zu werfen. Es sah nicht gut aus: Eine tiefe Schnittwunde klaffte an seiner Seite, und seine Atmung war flach.

„Was ist genau passiert? Gab es ein Ritual?“, fragte Rhia vorsichtig und leise.

Der Priester versuchte zu sprechen, rang nach Luft. „Zul´Thar… Der Name… flüstert in unseren Träumen… Er kam… wir… waren… nicht bereit…“

Bei der Erwähnung dieses Namens zog sich Rhias Magen schmerzhaft zusammen. Zul´Thar – ein Titel, der in den verbotenen Schriften ihres Ordens auftauchte, meist in Verbindung mit uralten, fast vergessenen Dämonenfürsten. Angeblich sollten diese Wesen tief in magische Dimensionen verbannt sein. Doch wenn hier einer auftauchte…

„Wie hat er den Zugang gefunden? War das Ritual nicht dazu gedacht, ihn fernzuhalten?“, fragte sie eindringlich.

„Ja… wir… versuchten… ihn im Kern… zu binden… Dann… ist etwas… schiefgelaufen… der Schutzzirkel… brach…“

Ein Krampf ließ ihn erbeben, und Rhia schluckte, spürte die Hilflosigkeit, die ihr in solchen Situationen stets die Kehle zuschnürte. Sie war Kriegerin, keine Heilerin. Der Orden hatte ihr zwar beigebracht, mit Notverbänden oder einfachen Runen das Schlimmste zu lindern, aber diese Wunde war zu schwer.

„Töte… ihn… bevor… er das Portal öffnet… bitte…“, hauchte der Priester. Ein Röcheln entrang sich seiner Kehle, dann zuckte sein Körper ein letztes Mal, bevor er die Augen schloss und die Atmung erlosch.

Rhia verharrte in kniender Position und starrte auf den leblosen Körper. Ein flüchtiger Gedanke an die Ordenslehren kam ihr: „Ehre stets die Gefallenen, denn in ihnen spiegeln sich deine eigene Sterblichkeit und dein Auftrag.“ Sie murmelte ein leises Gebet.

Dann packte sie den Priester behutsam an der Schulter und zog ihn ein Stück beiseite, weit genug, um ihn nicht von Schutt begraben zu lassen. Viel mehr konnte sie nicht tun. Ihre Gedanken kreisten um den Namen Zul´Thar. Seit sie zum ersten Mal davon gehört hatte, hing dieser Name wie eine dunkle Wolke in ihrem Geist.

„Ich schwöre dir, ich werde nicht zulassen, dass seine Pläne aufgehen“, flüsterte sie.

Sie erhob sich langsam, griff erneut nach ihrem Schwert und wandte den Blick in Richtung des inneren Tempelbereichs. Dort, hinter den halb eingestürzten Mauern, kündete ein feuriges Glühen von der Quelle der Zerstörung. Rhia spürte einen dröhnenden Herzschlag in ihrer Brust. Adrenalin mischte sich mit wachsender Beklommenheit, denn sie wusste:

Wenn dieser Dämon hier ist, dann könnte er eine Gefahr darstellen, die weit über diesen Ort hinausgeht.

Während sie durch die eingestürzte Säulenreihe schritt, tauchten in Rhias Gedanken die Bilder des Rates auf. Dort hatte Erzpriester Mennedor ihr im Beisein weiterer Würdenträger den Auftrag erteilt.

„Wir haben Berichte über Spuklichter, Albträume, von plötzlichen Rissen im Gewebe unserer Welt. Du, Rhia, besitzt eine Fähigkeit, dich finsteren Energien besser zu widersetzen als die meisten. Deine Runenresonanz… Es ist, als ob du ein Gegenpol bist zu bestimmter Dämonenmagie.“

Rhia wusste nie genau, warum sie diese Resistenz hatte. Manch einer munkelte, es läge daran, dass sie als Säugling einem Dämonenangriff entkam und dabei unabsichtlich magisch berührt wurde – andere glaubten, sie stamme aus einer verborgenen Blutlinie. Doch was auch immer die Ursache war, sie hatte schon in jungen Jahren deutlich gemacht, dass sie sich diesen unheiligen Mächten mit einer Entschlossenheit entgegenstellen konnte, die ihre Ordensbrüder beeindruckte.

Mennedor hatte hinzugefügt: „Geh zu diesem Tempel. Die Priester dort sind erfahren, sie führen Rituale zur Verteidigung unserer Welt durch. Es gibt Hinweise, dass etwas Dunkles dort eine Bresche schlagen will.

Falls du dort ein Wesen namens Zul´Thar findest…“ – Rhia erinnerte sich an den ernsten Blick des Erzpriesters, als er ihr einen uralten Band in die Hand drückte – eine Chronik,

die Dämonenfürsten auflistete, die in längst vergangenen Zeiten Unheil brachten. „Wende all deine Kraft und deinen Mut auf. Sollte es wirklich einer jener Fürsten sein, dürfen wir keine Sekunde zögern. Ihr Bündnis mit finsteren Mächten könnte unsere Welt in den Abgrund reißen.“

Seit jenen Worten waren drei Tage vergangen. Drei Tage voller Eile, wenig Schlaf, Sorgen und dem Gefühl, dass die Zeit verrinnt wie Wasser zwischen den Fingern.

Der Geruch nach Verbranntem wurde stärker, je weiter sie in die Ruine vordrang. Rhia beobachtete ein Flackern von Schatten an den Wänden, ausgelöst durch vereinzelte Flammen, die noch in Ecken loderten. Das gesamte Bauwerk war in einem Zustand, als hätte eine Urgewalt es von innen heraus gesprengt.

Sie trat durch eine halboffene Tür, die unheilvoll in ihren Angeln knackte, und gelangte in einen breiten Korridor, dessen Boden mit gesprungenen Fliesen bedeckt war. An den Wänden sah sie Reste von Wandmalereien, die Helden und Götterfiguren darstellten – einige Szenen waren nicht mehr zu erkennen. Immer wieder huschten ihr Blicke auf verstümmelte Leichen von Priestern, die offenbar noch bis vor Kurzem am Ritual beteiligt gewesen sein mussten.

Rhia ballte die Fäuste, knirschte mit den Zähnen vor stiller Wut.

Plötzlich fuhr sie herum: Ein kratzendes Geräusch, wie scharrende Krallen auf Stein, drang aus der Dunkelheit hinter ihr.

Mit einem schnellen Schritt wandte sie sich in die Richtung, das Schwert erhoben. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Aus den Schatten löste sich eine schlanke, gekrümmte Gestalt.

Zunächst erkannte sie nur rotglühende Augen, dann den Umriss von etwas, das entfernt einem Wolf ähneln mochte, aber viel größer war – mit einem Stachelkamm auf dem Rücken, der unnatürlich pulsierte. Ein ungesund schimmernder Geifer tropfte aus dem Maul, und das Wesen stieß ein Fauchen aus, als es Rhia sah.

„Zurück! Dämonisches Ungeziefer…“, rief Rhia laut.

Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, sprang das Wesen vor. Sie hob ihr Schwert, spürte den Aufprall, als die Kreatur gegen die Klinge krachte. Funken stoben. Ihr Arm vibrierte vor Wucht, doch sie hielt stand. Der Wolf-Dämon stieß ein gequältes Heulen aus, zog sich ein Stück zurück, um dann erneut zu attackieren.

Rhia wich zur Seite aus, in letzter Sekunde, wobei ihre Stiefel auf den losen Fliesen rutschten. Mit einer raschen Bewegung schlug sie nach dem Geschöpf, traf es an der Schulter. Ein ekelhaft grünes Blut spritzte heraus, zischte beim Kontakt mit den Steinen. Kurz flackerte etwas wie Schmerz in den roten Augen der Kreatur, dann kippte es zur Seite. Keuchend hob Rhia das Schwert erneut, in Erwartung eines weiteren Angriffs. Doch das Wesen blieb liegen, zuckte noch einmal und zerfiel dann in eine grau-dunkle Asche, als hätte es nie existiert. Ihr Puls raste, und sie stellte fest, dass sie zitterte – weniger aus Angst als vor Anspannung. Sie kannte solche niederen Dämonengestalten, Söldlinge mächtigerer Wesen, oft Vorboten eines größeren Übels.

Die Tatsache, dass sie hier herumstreunten, bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen: Zul´Thar muss wirklich hier sein.

Kaum hatte sie sich gesammelt, hörte Rhia ein leises Schluchzen. Eher ein zitternder, unterdrückter Laut, der aus einem Seitenraum zu kommen schien. Sie folgte dem Geräusch vorsichtig, die Waffe griffbereit. Durch einen engen Durchgang, wo die Türschwelle halb eingebrochen war, gelangte sie in eine Art Gebetsraum – kleiner als der Hauptraum, aber mit Reihen von Bänken und kleinen Altartischen an den Seiten.

In der hintersten Ecke kniete eine Frau im Priestergewand. Ihr helles Haar war zerzaust und mit Staub bedeckt. Als Rhia sich näherte, bemerkte sie, dass die Frau einen Dolch in den Händen hielt, zitternd gegen die Brust gedrückt, als wappne sie sich für einen letzten Ausweg.

„Ich tue dir nichts“, sagte Rhia sanft. „Ich gehöre zum Orden. Bist du verletzt?“

Die Frau hob den Kopf und warf einen Blick voller Erschöpfung und Entsetzen auf Rhia. Dann ließ sie den Dolch sinken, offenbar erleichtert, nicht noch einen Feind vor sich zu haben.

„Du… bist vom Orden? Sie… sie haben also Hilfe geschickt?“, fragte die Priesterin mit schwacher Stimme.

Rhia nickte kurz. „Ja. Ich heiße Rhia. Der Name Zul´Thar fiel – ein uralter Dämon soll hier sein. Was ist geschehen?“

Die Priesterin versuchte, sich zu sammeln. Sie atmete stoßweise und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn, als wolle sie ihre Gedanken ordnen. „Wir… ahnten nichts von seiner wahren Macht. Unsere Hohepriester wollten ihn in einer Zwischenebene bannen. Ein Ritual… wir luden die Energie der heiligen Siegel auf. Doch er… er hatte Helfer.“

Sie warf einen Blick auf die Tür, als würde sie jeden Augenblick mit neuem Grauen rechnen. „Ein Kult… Anhänger, die seine Wiederkehr wollten. Sie sabotierten das Ritual. Dann brach alles zusammen. Wir… starben in Scharen.“

Rhia schürzte die Lippen. „Gab es einen Anführer? Jemanden, der das Ritual gezielt gestört hat?“

Die Priesterin nickte zögernd. „Ein Mann mit schwarzer Robe und einem seltsamen Mal auf der Stirn. Er schrie, dass Zul´Thar diese Welt verdient und wir alle nur Brennstoff für sein Erwachen seien…“

Rhia verspürte eine kalte Wut in ihrem Innersten. Wieder einmal war es ein fanatischer Zirkel, der einer düsteren Macht diente. Wie viele Welten würden sie noch ins Unglück stürzen?

„Wo ist dieser Mann jetzt?“, fragte Rhia.

„Ich sah ihn zuletzt in der großen Haupthalle. Dann hörte ich Schreie… Feuer… und etwas, das klang wie ein Dimensionsriss…“

Die Kriegerin hielt kurz inne. Ein Dimensionsriss? Bei allen Göttern, das konnte nur bedeuten, dass etwas ganz und gar Unnatürliches im Gange war.

Die Priesterin sah Rhia flehend an. „Bitte…, wenn du hier bist, dann… bitte rette, was zu retten ist. Wir können nicht zulassen, dass er die Welt mit seinen Anhängern vernichtet.“

Tränen liefen über ihre schmutzverkrusteten Wangen. Rhia legte eine Hand auf ihre Schulter, mehr Geste als Trost. „Ich kann dir nicht versprechen, dass alles wieder gut wird. Aber ich werde tun, was ich kann. Kannst du laufen?“

Die Priesterin nickte. Rhia fuhr fort: „Dann versteck dich an einem Ort, der dir sicher erscheint. Verlass den Tempel, wenn möglich. Ich gehe weiter hinein.“

Mit diesen Worten erhob Rhia sich. Ein Teil ihres Verstandes riet ihr, die Frau zu begleiten, in Sicherheit zu bringen. Doch die Warnung vor Zul´Thars Plänen war zu drängend. Außerdem wusste sie aus Erfahrung: Wenn ein Portal wirklich bevorsteht, kann jede Minute entscheidend sein.

Der Korridor, der zur Haupthalle führte, war ein einziger Trümmerhaufen. Rhia musste mehrmals anhalten, große Steine beiseiteschieben oder über eingebrochene Platten steigen. Die Schwaden von Ruß und Rauch wurden dichter, sodass sie sich einen Teil ihres Umhangs vors Gesicht band, um nicht zu viel von dem beißenden Gestank einzuatmen.

Je näher sie kam, desto deutlicher hörte sie ein dumpfes Grollen, das wie das Echo eines entfesselten Sturms klang. Von Zeit zu Zeit flackerte ein unnatürliches Licht auf – bläulich oder violett, als stünden im Hintergrund magische Energien unter Hochspannung.

„Zul´Thar… was treibst du hier? Wieso ist dieser Ort so wichtig?“, murmelte sie zu sich selbst.

Sie hatte Theorien: Manche Dämonen bevorzugten uralte heilige Stätten, weil dort starke Ley-Linien der Magie verliefen. Wenn diese durch ein Ritual manipuliert wurden, ließen sich Risse zwischen den Welten erzeugen. Ein Dämonenfürst wie Zul´Thar konnte so eine Bresche aufreißen und seine Diener hindurchrufen.

Erst kurz bevor sie die Haupthalle erreichte, hörte sie kratzende, verzerrte Laute, beinahe wie ein verbogener Singsang. Vorsichtig schlich sie an eine zerbröckelte Seitenmauer, linste hindurch und erkannte den gewaltigen Raum: Ein Obergaden mit eingestürzter Decke ließ einen rötlichen Abendhimmel erkennen, durchsetzt von schwarzem Rauch. In der Mitte war ein großer Kreis aus Runensymbolen, deren Linien teilweise zerstört waren. Um den Kreis herum lagen tote Priester, ihre Gewänder von Flammen versengt.

Und dort stand er: Zul´Thar.

Rhia konnte ihn kaum verfehlen, so sehr hob er sich von der Umgebung ab: ein großer, hagerer Dämon, dessen lederne Haut straff über spitzen Knochen lag. Aus dem Rücken ragten knochige Auswüchse, die in pulsierendem Schwarzviolett leuchteten, als wären sie mit flüssiger Finsternis gefüllt. Sein Gesicht war schädelhaft, die Augen bernsteinfarben glühend, und der Kiefer voller nadelspitzer Zähne.

Neben ihm, auf den Knien, war eine Gestalt in schwarzer Robe: vermutlich der Kultist, von dem die Priesterin gesprochen hatte. Rhia kniff die Augen zusammen, um mehr zu erkennen.

Der Mann schien am Ende seiner Kräfte zu sein, denn Zul´Thar hatte seine Klauenhand um dessen Kopf gelegt und flüsterte etwas in einer bösartigen Sprache. Dann sah sie, wie der Dämon eine ruckartige Bewegung machte – und der Kultist schrie auf, bevor er mit einem ekelhaften Knacken zusammensackte.

In diesem Moment dachte Rhia: Götter… er opfert sogar seine eigenen Diener, wenn sie ihm keinen Nutzen mehr bringen. Die Gewalt, mit der Zul´Thar den Körper fallen ließ, bewies, dass er keinerlei Verbundenheit zu seinen Anhängern verspürte – er brauchte sie nur, solange sie ihm halfen.

„Also gut. Keine Umwege mehr“, murmelte sie entschlossen und trat in die Haupthalle.

Sobald Rhia die Schwelle betrat, drehte sich Zul´Thar zu ihr um. Sein schiefer Schädel neigte sich, als registriere er ihre Anwesenheit, und die bernsteinfarbenen Augen verengten sich, als wittere er eine besondere Herausforderung. Ein Lächeln, wenn man es so nennen konnte, verzog seine Kiefer.

„Noch ein Sterblicher, der mein Werk stören will… Wie erfrischend, dass ihr nie begreift, wann euer Ende gekommen ist“, krächzte er in tiefer Stimme.

Seine Worte klangen wie schabendes Metall, doch Rhia konnte ihn verstehen – Dämonen beherrschten oft die Sprache der Sterblichen, um sie zu verhöhnen.

„Du hast genug Blut vergossen! Dies war ein heiliger Ort! Was immer du vorhast, ich werde es nicht zulassen!“, rief Rhia zurück.

Das Echo hallte von den Wänden wider, und sie spürte, wie die Hitze in der Halle anschwoll, als reagiere der Raum auf Zul´Thars Präsenz. Funken glommen zwischen den zersplitterten Runenlinien auf dem Boden.

„So viel Pathos… doch du stehst allein. Und ich…“, entgegnete der Dämon mit schleppender Betonung.

Er hob eine knöchrige Klaue, deutete auf den Runenkreis. Im selben Moment begann ein unheimliches Leuchten, blauweiß flackernd, von den Symbolen auszugehen. Risse im Steinboden offenbarten pulsierende Energien, die sich in wirren Mustern um Zul´Thars Füße schlängelten.

Rhia zog ihr Schwert, dessen Klinge mit altbekannten Runen versehen war. Eine kurze, helle Reflexion zeigte, dass ihre magische Signatur noch intakt war. Die Ordenslehren besagten, diese Runen würden bei Dunkelheit aufleuchten, wenn dämonische Präsenz sich in direkter Nähe befand. Tatsächlich begann die Gravur sanft zu glimmen.

„Du hast keine Macht über mich, Dämon. Dein Einfluss wird an mir zerschellen“, rief sie entschlossen.

Zul´Thar lachte kehlig, ein Laut, bei dem Rhia eine Gänsehaut bekam. „Du bist nicht die Erste, die das behauptet. Und doch liege ich längst nicht in Ketten.“

Mit einem Schlenker seines Arms zuckten blitzartige Entladungen aus den Rissen. Rhia sprang zurück, als eine heiße Welle an ihr vorbeischoss und die Wand hinter ihr mit einer Explosion aus glühenden Splittern überzog.

„…werde ich bald diesen Ort verlassen, in eine Welt, die mir bereits die Tür öffnet.

Deine Magier und Priester haben das Tor unbeabsichtigt selbst geschaffen. Wie dumm von ihnen!“, höhnte der Dämon.

Rhia spürte ihre Wut in der Kehle aufsteigen. Der Gedanke, dass die Priester unwissentlich halfen, diese Dimension zu öffnen, ließ sie noch energischer agieren.

Sie stürmte vor, hob ihr Schwert zu einem diagonalen Schlag. Zul´Thar riss eine Klaue hoch, und es klang, als schrammte Metall auf Knochen. Funken regneten zu Boden, als ihre Waffen kollidierten – obwohl Zul´Thars Gliedmaßen keine „richtige“ Waffe waren, wirkte seine knöcherne Klaue so hart wie gehärteter Stahl.

Ein kehliges Knurren entfuhr dem Dämon, und Rhia nutzte den Moment, um einen Stoßtritt in seinen Torso zu setzen. Er wankte kurz zurück, allerdings kaum beeindruckt. Mit einer fließenden Bewegung stieß er nach vorn, und sie war gezwungen, in die Hocke zu gehen, damit sein Schlag sie nicht köpfen würde.

Die Halle füllte sich mit einem rauen Klang aus Schlägen, Funkensprühen und dem Knirschen von Steinplatten unter Rhias Füßen, als sie sich drehte und wand. Sie hatte jahrelang trainiert, sich im Kampf gegen körperlich überlegene Feinde zu behaupten, indem sie Schnelligkeit und List einsetzte.

Doch Zul´Thar war nicht nur stark, er war übernatürlich flink. Immer wieder prasselten Schläge auf sie ein, und sie konnte das Brennen in ihren Gelenken spüren, wenn sie die Klinge zur Parade hob.

„Bei allen Göttern… du gibst wohl nicht so leicht nach, oder?“, keuchte Rhia.

„Warum sollte ich? Ich habe zu lange in Dunkelheit gedarbt, verbannt von idiotischen Sterblichen. Nun greife ich nach meinem Recht, diese Welt… neu zu formen“, grollte Zul´Thar.

Ein scharfer Hieb brachte Rhia ins Straucheln, als Zul´Thar mit einem Arm ausholte und sie beinahe von den Füßen riss. Ihre Rüstung krachte gegen einen zerbrochenen Altar, und kurz flimmerten ihr die Augen. Mit einem gehetzten Atemzug rappelte sie sich auf.

Einen Augenblick lang, während der Kampf für Rhia in Zeitlupe ablief, blitzten die Worte aus dem alten Band in ihrem Gedächtnis auf. Zul´Thar, ein Dämonenfürst aus den Chroniken des dritten Dämonenkriegs, vor Jahrhunderten gebannt von Erzmagier Kheralon… Man sprach ihm nach, er habe die Fähigkeit, Dimensionsfäden zu manipulieren, um seine Brut in jede Welt einsickern zu lassen, in der eine genügende magische Schwelle existierte.

Wenn dieses Ritual in diesem Tempel schiefging, konnten seine Kräfte ungehemmt wüten – zumal die Priester offensichtlich seine Quelle unwissentlich angezapft hatten.

Die alten Texte beschrieben ihn auch als „Seelenschinder“, weil er das Bewusstsein seiner Opfer aushöhlte und sie gegen ihre eigenen Gefährten aufhetzte. Ein Teil von Rhia fürchtete diesen Aspekt mindestens genauso sehr wie die körperliche Auseinandersetzung. Doch noch gab es keinerlei Anzeichen, dass er sie mental angreifen wollte; vermutlich konzentrierte er sich darauf, diese Dimension zu stabilisieren.

Die Luft knisterte förmlich von Energie. Rhia stürzte erneut nach vorn, schlug eine Folge schneller Hiebe. Zul´Thar blockte zwei davon mit seiner Klaue, den dritten mit einem skelettartigen Flügelansatz, der sich plötzlich aus seinem Rücken entfaltete. Rhia schnaubte vor Anstrengung, Schweiß perlte ihr von der Stirn, während sie aus dem Augenwinkel sah, wie die Runen am Boden immer heller loderten, ein unheimliches Flackern in Blau und Weiß.

„Genug! Sterbliche sollen mir nicht solange Widerstand bieten!“, fauchte Zul´Thar.

Mit einer heftigen Armbewegung schleuderte er mehrere dunkle Energieklumpen in ihre Richtung. Sie wichen normaler Schwerkraft aus, flogen wie pechschwarze Wellen. Rhia sprang zur Seite, kam ins Stolpern und fiel hinter einen umgeworfenen Podestblock. Eine der dunklen Kugeln krachte an der Stelle ein, wo sie eben noch gestanden hatte, und fraß sich zischend durch Stein und Mörtel.

„Verflucht…“, entfuhr es ihr.

Sie rappelte sich hoch, Blut rann ihr vom rechten Ellenbogen, an dem die Rüstung aufgerissen war. Ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt von einem Leuchten am Rand der Halle. Dort hatte sich etwas gebildet – es sah aus wie eine flackernde Säule aus Licht, die von unten nach oben stieg, fast wie ein zitternder Strahl ins Nichts. Die Runen am Boden schienen sich rund um diesen Strahl zu sammeln.

Zul´Thar wandte sich dem Phänomen ebenfalls zu und wirkte überrascht. „Was…? Nein, das ist zu früh… Ich…“

Er griff nach einem zerrissenen Buch, das in der Nähe lag, offensichtlich ein Ritualbuch. Die Seiten waren halb verbrannt, und er blätterte hastig, seine Klaue riss weitere Fetzen heraus, während sein skelettartiges Gesicht eine Spur Panik zeigte. Offenbar lief etwas anders, als er geplant hatte.

„Die Siegel… sind instabil… Verfluchte Priester, ihr wisst nicht, was ihr da ausgelöst habt…“, stieß er heiser hervor.

Rhia nahm das zum Anlass, einen Moment zu verschnaufen. Doch sie durfte nicht zögern. Mit einem Kampfschrei sprang sie vor, ließ ihre Klinge auf Zul´Thars Rücken niedersausen. Ein Zischen ertönte; dunkles Blut spritzte, und der Dämon jaulte in ohrenbetäubendem Zorn auf.

„Du… wagst es…!“, schrie er.

Er schleuderte das Ritualbuch zur Seite und wirbelte herum. Mit unmenschlicher Geschwindigkeit schlug er Rhias Schwert beiseite, bevor sie ihren Angriff fortsetzen konnte. Sein knöcherner Arm fuhr wie eine Klinge, riss ihr einen Schnitt quer über den Unterarm. Ein stechender Schmerz raste durch Rhias Körper, und sie keuchte, presste den Kiefer zusammen.

„Das reicht!“, stieß sie gepresst hervor.

Sie holte erneut aus, doch in diesem Augenblick bebte der Boden. Risse zogen sich durch die Steinplatten, und das blaue Licht in der Mitte der Halle begann zu pulsieren. Eine Art Energiestrudel formierte sich, funkelnd und bedrohlich. Selbst Zul´Thar schien davon erfasst zu werden; er taumelte, als würde er vom Sog eines Orkans überrascht.

„Das Ritual… es entgleitet mir…“, keuchte er, während Blitze in spiralförmigen Bahnen durch die Haupthalle zuckten.

Rhia duckte sich, als ein Blitz knapp an ihrem Kopf vorbeischoss. Dann sah sie, wie sich ein Spalt in der Luft öffnete – wie ein verzerrtes Loch, das ins Leere führte.

„Ein Portal… Er hat tatsächlich eine Bresche geschaffen, nur… unkontrolliert“, flüsterte sie.

Zul´Thar bäumte sich auf, streckte beide Arme in Richtung dieses Portals, als wolle er die Energie in den Griff bekommen. Aber die Fluten von Licht und Dunkelheit tanzten unberechenbar. Er schrie wütend auf: „Ich kontrolliere diesen Riss… Ich… er gehört mir…!“

Der Boden brach weiter auf, Stück für Stück rissen Steinplatten ab und wirbelten hoch in den kreisenden, gleißenden Spalt. Der Lärm war ohrenbetäubend. Rhia spürte, wie sie den Griff ihres Schwerts kaum noch halten konnte.

„Ich kann es nicht halten!“, dachte sie in innerer Panik.

Ein mächtiger Ruck ging durch den Raum, als eine Welle von Energie Rhia förmlich nach oben zog. Ihr Schwert, in den Stein gegraben, löste sich, und sie verlor den Halt. Ein qualvolles Reißen fuhr durch ihre Schulter, als sie verzweifelt versuchte, sich festzukrallen. Die Kraft des Portals war jedoch übermächtig.

Zul´Thar brüllte, auch er verlor den Griff an der Säule. Im selben Atemzug stieß eine Explosion aus dunklem Feuer aus seinem Körper, augenscheinlich ein letzter Versuch, die Umgebung in Flammen zu setzen. Funken tanzten, während sie selbst in Richtung des Lichts geschleudert wurde.

„Verdammt! Nein… das Schwert…!“, stieß Rhia hervor.

Sie spürte, wie ihr geliebtes Ordensschwert aus den Fingern glitt. Mit einem ohrenbetäubenden Scheppern schlug es auf dem Boden auf und schlitterte in einer Funkenlinie davon. Von einem Moment zum nächsten flackerte das Runenleuchten an der Klinge, dann wurde alles um Rhia herum zu einem Strudel aus Blendung und Taubheit.

Es war, als würde sie durch ein Nadelöhr aus Licht gerissen. Die Sinne verschwammen: oben, unten, alles egal. Eine Mischung aus kalter Luft und flüssigem Feuer streifte ihre Haut.

Sie hörte das Heulen einer Dimension, in der sämtliche Geräusche zu einem endlosen Echo verzerrt wurden.

Ein Schlag gegen ihre Seite ließ sie aufschreien. Da war etwas – sie wusste nicht, ob es ein Trümmerstück oder ein Teil von Zul´Thars Gliedmaßen war. Der Dämon war anscheinend ebenfalls hier gefangen in diesem wahnwitzigen Sog. Ihre Rüstung funkte und krachte, und ihr Kopf brummte, als sie sich drehte und wand.

Für einen Moment klärte sich ihr Blick: Ein Strom aus Farben, Blau, Violett, Weiß – teils so grell, dass es in den Augen schmerzte. Sie meinte, geisterhafte Silhouetten zu sehen, flackernde Wesen, die sich in den Weiten dieses Dimensionsrisses bewegten. War das real oder nur eine Täuschung ihres überreizten Verstandes?

Ein kreischendes Lachen – oder war es ein Heulen? – fuhr an ihrem Ohr vorbei. Sie erkannte Zul´Thars Stimme, verzerrt und weit entfernt, als sei er in einer anderen Strömung gefangen. „Sterbliche… du hast mich mitgezogen… doch ich finde einen Weg zurück… du wirst… elendig vergehen…“, hallte es.

Rhia wollte etwas erwidern, doch es kam nur ein tonloser Laut aus ihrem Mund. Der Strom riss sie weiter, tiefer, schneller. Sie spürte, wie es kälter wurde, dann wieder heiß, als würde ihr Körper durch verschiedene Ebenen geschleudert.

In ihrem Geist blitzten Erinnerungen auf: der Tag ihrer Ordensweihe, das Lächeln des Abts, das Wissen, dass sie etwas Besonderes in sich trug – etwas, das Dämonen fürchteten. Würde es hier noch eine Rolle spielen? Ihre Verzweiflung raste durch jeden Nerv, aber sie biss die Zähne zusammen. Irgendwie musste sie überleben.

Immer tiefer sickerte sie in das gleißende Meer. Es gab keinen Boden, keinen Himmel, nur Energie. Ein Zirpen, Summen und Donnern mischte sich zu einem orkanartigen Klingen, das ihre Ohren zu sprengen drohte. Dann, plötzlich, spürte sie eine Art Umkehrpunkt, einen Sog in die entgegengesetzte Richtung – als würde die Dimension sie wieder ausspucken wollen.

„Vielleicht komme ich irgendwo heraus“, schoss es ihr hoffnungsvoll durch den Kopf.

Ihr Bewusstsein war benommen, jedes Körperglied schmerzte, und ihr Magen drehte sich um.

Sie hatte keine Kontrolle, konnte nur abwarten, wohin dieser interdimensionale Fluss sie tragen würde.

„Warum konnte ich das Schwert nicht halten?“, blitzte ein verzweifelter Gedanke auf. In ihrer Verzweiflung klammerte sie sich an die Vorstellung, dass der Orden sie vermissen würde, dass sie einen Weg zurückfinden musste. Aber in diesem tobenden Portal waren alle Vorstellungen von Ort und Zeit hinfällig.

Irgendwann ließ das ohrenbetäubende Tosen nach. Rhia spürte einen ungeheuren Ruck, und dann wurde sie im wahrsten Sinne des Wortes ausgespien: Aus dem Lichtsturm stürzte sie durch die Luft, merkte kaum, wie der Boden näherkam, bis ihr Körper hart auf Stein prallte. Ein wütender Schmerz durchzuckte ihre Rippen, und alles wurde schwarz für einen Moment.

Als sie langsam wieder zu Bewusstsein kam, lag sie auf kaltem, kristallinem Gestein. Ihr Atem ging flach. Der Himmel über ihr war von einem Nebelschleier bedeckt, in dem seltsam farbige Schlieren tanzten.

Es war weder Nacht noch Tag, eher eine diffuse, kühle Dämmerung. Rhia spürte ein Kribbeln in ihren Gliedern, und ein leises Summen hing in der Luft, als ob der Boden selbst pulsierte.

„Wo… bin ich?“, raunte sie heiser.

Sie versuchte, sich aufzurichten, doch ein stechender Schmerz in der Schulter hielt sie zurück. Dann biss sie die Zähne zusammen und brachte sich doch in eine sitzende Position. Ihr Blick wanderte über eine unwirkliche Landschaft: Gesteinsformationen, die in violettblauen Schattierungen glommen, und in der Ferne sah sie Ruinen – halb eingestürzt, irgendwie fremdartig.

Das Herz hämmerte in ihrer Brust. Sie war nicht mehr in ihrem Heimatland, das stand fest. Vielleicht hatte das Portal sie in eine völlig andere Welt geschleudert. Langsam, mit zitternden Fingern, überprüfte sie ihre Kleidung und Rüstung. Der Brustharnisch war an einer Stelle aufgerissen, ihr Umhang war zerfetzt, die Runenstickerei auf ihrer Schulter schimmerte nur noch schwach. Von ihrem Schwert jedoch fehlte jede Spur.

„Verdammt… warum musste ich es loslassen?“, entfuhr es ihr. Ihre Gedanken rasten: Wie sollte sie einen Dämonenfürsten aufspüren und bekämpfen, ohne ihre Waffe? Und hatte sie überhaupt eine Chance, aus dieser Welt wieder zu entkommen?

Ein mulmiges Gefühl in der Magengrube meldete sich. Es war nicht nur die Unsicherheit, sondern auch ein seltsames Schwindelgefühl. Die Schwerkraft schien hier schwächer zu sein oder zumindest fühlte es sich so an. Doch sie beschloss, nicht zu verzweifeln. Mit einem Seufzen rappelte sie sich auf. Dieser Ort mochte ebenso gefährlich sein wie der Tempel mit seinen Dämonenhunden – aber sie hatte überlebt. Irgendwie musste sie weiter.

So endete der Kampf im Tempel und begann ein neues Kapitel in einer Welt namens Arkan. Obwohl ihr Kapitel in der Heimatwelt abrupt abgeschlossen war, hatte sie keine Zeit, zu verzweifeln. Die Spuren von Dämonenenergie im Nebel, die fremdartige Landschaft und das flackernde Violett in den Adern des Gesteins deuteten auf eine Umgebung hin, die mindestens ebenso gefährlich war wie der Tempel mit seinen sabbernden Wolf-Dämonen. Langsam, vorsichtig, stützte Rhia sich auf einen metallenen Splitter, der aus dem Felsen ragte, um aufzustehen. Jeder Muskel protestierte, doch sie musste vorwärtsgehen, erkunden, wo sie gelandet war – und welche Herausforderungen nun vor ihr lagen. Doch der Impuls in ihr sich hinzulegen war stärker, sie konnte nicht mehr, viel zur Seite und schloss ihre Augen.

Kapitel 2:Der Blick vom Hügel

Rhia fror. Ein Zittern durchlief ihren Körper, während sie benommen die Augen öffnete – oder versuchte, sie zu öffnen, denn die Welt war in einem wirren Schleier aus Nebel und dumpfer Dämmerung gehüllt. Für einen flüchtigen Moment wusste sie nicht mehr, wer sie war, geschweige denn, wo sie sich befand. Ihr Herz pochte hämmernd in der Brust, als sie sich in eine halb aufrechte Position drücken wollte und spürte, wie ihre Muskeln unter der Anstrengung erzitterten. Ein brennender Schmerz zog sich durch ihre rechte Schulter, ein Mahnmal für den Kampf im Tempel und den verrückten Sturz in dieses… was auch immer dies hier war.

Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die diffus-violette Helligkeit, die von irgendwoher in grazilen Schwaden durch das Grau sickern musste. Rhia hustete trocken und presste die Lippen aufeinander, als eine heftige Übelkeit sie überkam – es fühlte sich an, als habe sie eben erst eine Fahrt in einem Dimensionsstrudel hinter sich, was wohl auch stimmte. Sie blinzelte und sah schemenhafte Felsformationen, die sich wie erstarrte Monster aus dem Boden reckten.

Wo war sie hier nur gelandet? Ein Teil ihres Verstandes, noch benebelt von den Eindrücken des Tempels, wollte ihr einreden, sie befände sich in einer Fieberillusion. Doch jeder Atemzug, der in ihrer Kehle brannte, versicherte sie, dass dies bittere Realität war. Auf allen Vieren kroch sie ein Stück vor und bemerkte, dass der Untergrund von seltsam kristallinen Adern durchzogen war, die in schwachem, beinahe pulsendem Violett glommen. Die Steinoberfläche fühlte sich zugleich hart und doch merkwürdig rutschig an, fast so, als sei sie mit einem feinen Belag überzogen.

Ein Schauder durchzuckte Rhia. Diese Welt ist nicht meine Heimat, schoss es ihr durch den Kopf. Sie stammte aus einem mittelalterlich geprägten Königreich, hatte Berge, Hügel und weite Ebenen kennengelernt – nichts davon glich dieser fremden Szenerie. Ihre Fingerkuppen glitten über die kristallinen Linien im Felsen. Bei der Berührung verspürte sie ein leichtes Prickeln, als wohne dem Stein eine flüchtige Energie inne, die ihr durch Haut und Muskeln stach.

„Götter, was hast du nur angerichtet?“, murmelte sie mit brüchiger Stimme. „Entschuldige… Hochwürden…“, fügte sie leise hinzu, halb automatisch als Entschuldigung für den Fluch. Ihr Orden mochte es nicht, wenn man unbedacht schimpfte; aber diese Umstände rechtfertigten wohl jede Form von Unbeherrschtheit.

Eine leichte Windböe erfasste ihren Körper und ließ sie frösteln. Sie stellte fest, dass fast alle Teile ihrer früheren Rüstung fehlten: Der robuste Ordensharnisch war ihr bei dem Kampf und dem Dimensionssturz entrissen worden. Zurückgeblieben waren ihre Lederhose, an den Knien zerkratzt und teils eingerissen, und ein oberes Kleidungsstück, dessen Stoff nur noch in Fetzen über ihre Brust und ihren Bauch hing, gehalten von einigen Lederriemen. Ihre Arme waren beinahe nackt und jede Bewegung ließ die Schulter protestieren, die sich anfühlte, als glühte noch immer ein Dämonenkrallenspalt in ihr.

Ihr Schwert war fort. Mit ihm auch das vertraute Gewicht an ihrer Seite und die ruhigen, magischen Runen, die sie so oft beschützt hatten. Was, wenn sich Zul´Thar ebenfalls hier irgendwo aufhielt? Ihr Magen zog sich vor Angst zusammen. Zul´Thar, dieser Dämonenfürst, hatte das Ritual im Tempel sabotiert und ein Portal geschaffen – oder jedenfalls irgendeine finstere Bresche zwischen den Welten. Wenn er noch lebte und womöglich in dieselbe Umgebung gestolpert war, könnte er all das Unglück der Heimatwelt jetzt hierherbringen.

Rhia rieb sich über die Augen und kämpfte gegen das Schwanken in ihrem Kopf an. Zuerst Wasser, hallte eine Ordenslehre in ihr. Ohne Wasser kann ein Krieger nicht überleben. Schritt für Schritt rappelte sie sich hoch und bemerkte dabei, dass sich ihr Körper leichter anfühlte, als er es gewohnt war. Beim ersten Versuch aufzustehen, fiel sie fast vornüber, denn ihre Beine machten einen zu großen Satz.

„Was… bei allen Göttern…?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Sie hatte sich nicht stark abgestoßen, und doch war sie fast einen halben Schritt weitergekommen als normal. Die Schwerkraft dieser Welt? Vielleicht war sie geringer als in ihrer Heimat. Diese Erkenntnis beunruhigte sie. Wenn selbst das physikalische Grundgefühl fremd war, welche anderen Tücken lauerten noch hier?

Ein paar vorsichtige Schritte führten sie herum um einen bizarr geformten Felssporn, der aussah wie eine in die Luft ragende Klaue. Dahinter stieß sie auf einen kleinen Vorsprung, der weiterführte in eine tiefere Ebene. Die Landschaft öffnete sich ein wenig und gestattete ihr einen Blick auf ein weites Areal voller Trümmer, Geröll und verschachtelter Ruinen.

Ein Hall aus Stille umfing sie. Keine Vögel, kein Säuseln von Blättern, kein Flüstern von Naturgeräuschen, wie sie es kannte. Nur ab und an ein leises Rieseln, wenn sandiges Gestein unter ihren Füßen nachgab, oder ein dumpfes Brummen, das aus undefinierbarer Ferne herüberzuwehen schien. Irgendwo tief drinnen in dieser fremden Welt existierte offenbar eine Art Energie oder mechanisches Dröhnen, das sie mit feinen Vibrationen durchrieselte.

Sie prägte sich den Ausblick ein: Ein Labyrinth aus Mauerfragmenten erstreckte sich bis zu einem dunstigen, violett-grau durchwobenen Horizont. Die Sonne, falls es eine gab, verbarg sich hinter einem dicken Schleier, der kaum Licht durchließ. Statt heller Sonnenstrahlen lag ein geisterhaftes Leuchten über dem Land, als entstünde es aus Reflexionen tiefer unter der Erde. In der Ferne ragten säulenartige Gebilde in schrägem Winkel empor, teils halb verschüttet, teils so gedreht, als hätte eine gigantische Kraft sie verbogen.

Rhia atmete flach. Dieses Land – war das das berühmte Arkan, von dem man in verbotenen Schriften schwafelte? Sie hatte keine Ahnung, aber irgendwo hinter ihrem Stirnbein glomm ein vages Gefühl, dass sie tatsächlich sehr weit weg von zuhause war.

„Hör auf, dich zu bemitleiden. Geh voran!“, rügte sie sich selbst. Dann zuckte sie zusammen. „Entschuldige, Hochwürden…“ Dieses Mal war es ein merkwürdig automatischer Nachsatz, den sie im Ordenskloster gelernt hatte. Jetzt klang er seltsam in dieser toten Welt, als würde sie ein Ritual rezitieren, das niemand sonst verstand.

Vorsichtig stieg sie den Hang hinab. Ihre Füße rutschten auf dem feinen, ascheartigen Staub, der die kristallene Gesteinsschicht bedeckte. Hin und wieder musste sie sich an scharfkantigen Felsbrocken abstützen, was ihre Hände aufriss und Schrammen hinterließ. Jede Berührung brachte ihr die Erkenntnis: Die Materie hier war fremdartig. Hier fühlte sich nicht einmal der Staub wie echter Sand an – er wirkte pulvriger, leichter, als würde er bei jeder Bewegung aufwallen. Wenn ein stärkerer Windstoß käme, könnte es eine Staubwolke geben, in der man nichts sähe.

Entschlossen suchte Rhia nach einem Anzeichen von Wasser. Sie spürte den rauen Geschmack in ihrem Mund, die Zunge war trocken. Eine Weile hielt sie Ausschau, glitt an zersplitterten Blöcken vorbei, von denen einige so aussahen, als hätte man sie vor Ewigkeiten zurechtgehauen. War hier einst eine hochentwickelte Stadt gewesen? Die Reste waren schwer zu deuten; manche Wände besaßen glatte Seiten, die jetzt eingestürzt in Haufen am Boden lagen.

Ein Summen ließ sie innehalten. Ihre Haare an den Armen stellten sich auf. Dieses Summen war tief und vibrierend, fast wie eine Resonanz des Bodens. Angespannt beugte sie sich vor, legte zögernd eine Hand auf das Gestein, um zu fühlen, ob es sich bewegte. Nichts. Zumindest nichts, das ihre Haut spürte. Aber in ihrem Inneren murmelte eine Vorahnung, dass unter diesen Ruinen etwas pulsierte wie ein Herzschlag. Vielleicht entsprang dieses Summen den geheimnisvollen violetten Adern.

„Großartig…“, murrte sie. „Ich darf nicht wahnsinnig werden… So viel habe ich an diesem Ort noch zu tun, bevor ich durchdrehe.“ Ihr Galgenhumor klang matt. In Wahrheit war sie gefährlich nah an der Verzweiflung. Jeder Schritt erinnerte sie daran, dass sie allein war, ohne Ausrüstung, ohne Schwert. Sie klammerte sich an die Tatsache, dass sie im Kampf schon Schlimmeres überstanden hatte. Doch dies hier wirkte wie ein komplett anderes Schlachtfeld, eines, gegen dass sie keine Taktik kannte.

Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, der eigentlich gar nicht zum Klima passen wollte – es war kühl, doch die Anstrengung ließ sie schwitzen. Oder vielleicht war es Fieber, eine Nachwirkung ihrer Verletzungen. Sie betete, dass sie keine Infektion davontrug. Wenn die Schulter sich entzündete, wäre sie in einer solchen Umgebung rasch dem Tod geweiht.

Nach einiger Zeit erreichte sie eine Stelle, an der ein zerklüftetes Plateau flacher abfiel. Mehrere Felsrippen bildeten eine Art Rampe in ein weites Trümmerfeld. Rhia kletterte vorsichtig hinab. Seltsame Flechten in blaugrauen Farbtönen wuchsen an manchen Ritzen. Manchmal glitzerten dort kleine, sachte pulsierende Sporen oder Moose, die ein minimal lumineszentes Schimmern abgaben, gerade genug, um zu bemerken, dass es lebendige Organismen sein mussten.

Die Flora Arkans, dachte Rhia. Ob dies nun arkan hieß oder nicht, in ihrem Geist begann sie bereits, die fremde Welt so zu nennen, weil es aus alten Legenden ihr einziger Anknüpfungspunkt war. Ein Planet aus postapokalyptischen Ruinen, wie in den Mythen beschrieben. Sie stieß mit dem Fuß gegen einen Bruchstein, der halb aufgeplatzt war.

Plötzlich fühlte sie sich unwohl, als sie daran erinnert wurde, wie die Geistlichen in ihrer Heimat erzählt hatten, Arkan sei durch eine gigantische Katastrophe zu einem toten Land geworden. Sie wusste nicht, wie viel sie den alten Geschichten glauben durfte, doch dieses Endzeitbild passte erschreckend genau.

Leichtfüßig ging sie weiter. Der verringerte Schwerkraftwert war immer noch eigenartig. Ihre Beine mussten sich regelrecht anpassen, um keine ungelenken Sprünge zu machen. Als sie eine besonders glatte Stelle überquerte, rutschte sie beinahe aus. Sie schrie kurz auf, stützte sich im letzten Moment mit ihrem gesunden Arm auf einem Felsvorsprung ab.

„Hmpf…“, keuchte sie, während sie sich aufrichtete. „Entschuldige, Hochwürden…“ Leises Fluchen. Doch ihr Adrenalinspiegel war wieder hoch, und sie versuchte, die Lage analytisch zu betrachten: Dieser Planet, oder diese Welt, war teils kristallin, teils von seltsamen Energien durchzogen. Vielleicht existierten irgendwo Reste einer Zivilisation, doch sie musste erst Wasser und Unterschlupf finden.

Ihre Gedanken kreisten darum, wie es wäre, auf höher gelegenes Gelände zu gelangen. Wenn sie einen Hügel oder Berg erklomm, hätte sie einen Überblick. Ein geübter Krieger (oder Pfadfinder) wusste, dass man sich orientieren musste. In ihrer Heimat konnte sie sich an Sternen oder Sonnenständen orientieren – doch in diesem stahlgrau-violetten Himmel erkannte sie nichts Vertrautes.